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Anfang nur mit Hauptperson?

Begonnen von Schelmin, 01. Januar 1970, 01:00:00

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Schelmin

Hi!

Ich würde gerne mal ein Thema zur Diskussion stellen, über das ich mir gerade Gedanken mache.

Findet Ihr, daß ein Roman mit der Hauptperson beginnen muß?



Schelmin

Thrawn

hiho,

ich glaube nicht das eine Geschichte mit der Hauptperson beginnen muss.

Ich denke eine Geschichte muss mit etwas beginnen das auf den rest des Abenteuer eine große Auswirkung hat, es vielleicht erst durch eben dieses Ereignis beginnt.

Bsp. die Bösen stehlen etwas um das es in der Geschichte geht ....

zu HP 6 ... ich denke die Szene mit dem Premier hatte zweierlei Aufgaben.

1. Eben wichtige Informationen für die kommende Geschichte rüber zu bringen (neuer premier, chaos in der zauberwelt .... usw.)

2. ich nenn es mal : was bereits geschah :D (premier erinnert sich an die vorherigen Treffen mit dem Zauberminister und seine Anliegen)

MfG
Thrawn

Maja

Ich gehe mal etwas weiter zurück, bis zu Shakespeare nämlich.
Bei Shakespeare ist es nämlich sehr, sehr ungewöhnlich, daß ein Stück mit dem Auftritt der Hauptfigur beginnt, hier zwei Beispiele:
- Macbeth: Drei Hexen kochen Suppe
- Hamlet: Die Wachen sehen einen Geist
Die Liste läßt sich fortsetzen, wobei man natürlich bedenken muß, daß nicht jedes Stück eine einzelne konkrete Hauptfigur hat. Auf der anderen Seite kenne ich nur ein Gegenbeispiel, bei dem das Stück damit beginnt, daß der Protagonist auftritt: Richard III nämlich - und das war Shakespeare Erstling.
Auch seine Nachäffer (Schiller und Consorten) beginnen für gewöhnlich nicht mit der Hauptfigur. Eher mit dem Schurken.

Es kommt auf die Pewrspektive an: Wer ein ganzes Buch aus Perspektive der Hauptfigur schreibt, hat sie zwangsläufig von anfang an auf der Bühne. Aber selbst da bieten sich Prologe an: In der Spinnwebstadt gibt es genau zwei Sequenzen, in denen Mowsal nicht anwest. Prolog und Epilog, nämlich.
Das soll jetzt nicht heißen, daß man ein Buch niemals mit Held anfangen lassen darf, o beware! Aber es gibt keinen Zwang, was das betrifft.

Wie habe ich es denn ansonsten so gemacht? Mal überlegen:
- Eine Flöte aus Eis beginnt mit Keil dem Barden, der unter einem Baum sitzt und flötet. Er ist definitiv eine Hauptperson. Das Buch hat keinen Prolog.
- Fenoriels Augen hat einen Prolog aus Perspektive des bösen Zauberers Conmorren, in dem die spätere Heldin, Fenoriel, als Säugling auftritt. Aber ich glaube nicht, daß man das als Präsenz zählen kann
- Alle bisherigen Bände des Elomaran-Zyklus beginnen mit  Prologen, in deren Mittelpunkt die Hauptpersonen stehen
- Klagende Flamme beginnt mit einer Legende um die Erschaffung der Menschen
- Seelenfeuer, mein neuestes Projekt, beginnt mit Dao, dem Protagonisten (und zugleich einer der wenigen, der in diesem Buch überhaupt einen Namen besitzt)
- Kein Alarm im Weltall, die Science-Fiction-Parodie, schleudert uns direkt mit dem ersten Satz ins Zentrum des Geschehens

Ergo:
Ich beginne offenbar häufiger mit Auftreten der Hauptfigur als nicht. Aber da ich sehr rigide an meinen Perspektiven klebe und diese nur ungern an Nebenfiguren vergeude, ist das nicht weiter verwunderlich.
Man muß natürlich bedenken, daß man, wenn man ohne Held anfängt, mit den Erwartungen der Leser spielt: Denn die versuchen natürlich gleich auf Seite Eins, in der gegebenen Auswahl den Helden ausfindig zu machen. Und nebensächlicher diese Anfangsszene ist, und je länger, desto eher fühlt sich der Leser am Ende verschaukelt. Einer der Gründe, warum ich aufgehört habe, The Wheel of Time zu lesen, waren die endlosen Prologe, die so rein gar nicht die Handlung weiterführten.
Mit den Lesern spielen ist okay, das macht ein Buch spannend. Aber der Leser muß bereit sein, mitzuspielen. Und dafür gibt es Grenzen.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Astrid

Ich finde es völlig ok, mit einer Nebenfigur anzufangen. Wichtig ist nur, ob die Szene eine Bedeutung für das Buch hat. Manchmal macht es einfach Sinn, erst allmählich auf die Hauptfigur(en) hinzuschleichen und sie einzukreisen.

RZ beginnt im Prolog mit ein paar Soldaten, die in der Gegend rumreiten, Leichen finden, und erst dann tritt die Hauptfigur auf. Und natürlich die Raben - auch Hauptfiguren, aber anders.  ;D

Dorte

Ob man mit Hauptfigur, Nebenfigur oder einfach einer Landschaftsbeschreibung anfängt, hängt glaube ich ganz stark von der Art des Buches ab. Wenn ich einen auf eine Figur fixierten Plot habe, sollte die Figur auch bald auftauchen. Wenn ich aber mehrere verstreute Hauptfiguren habe, ist es egal, mit welcher ich anfange und eigentlich auch egal, OB ich mit einer anfange.
Wenn man mit der Hauptfigur einsteigt, nimmt man den Leser gleich bei der Hand: guck mal, ich erzähle dir jetzt eine Geschichte, und um diese Person geht es. Wir gucken jetzt zusammen an, was diese Person so erlebt. Das finde ich oft unheimlich schön, aber es passt nicht zu jeder Art von Roman.

Maja

Ich muß gestehen, als ich die Betreffzeile las, habe ich sie erst falsch verstanden und mußte den Text zweimal lesen, damit er Sinn machte: Ich verstand "nur mit Hauptperson" nicht im Sinne von "nicht ohne Hauptperson", sondern von "Hauptperson ganz allein" - was man natürlich mal machen kann (wie jetzt in Seelenfeuer), was aber nicht zur Gewohnheit werden sollte.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Ronya

Ich bin nicht so der Fan von Geschichten, die nicht mit der Hauptperson, sondern mit Person XY, die vielleicht sonst nie wieder auftaucht, beginnt. Als absolute Negativbeispiele fallen mir hier immer wieder "Timeline" (Crichton, so heißt der doch, oder?) und "Das Jahr des Greifen" (Hohlbein) ein. Irgendwie hab ich mich ein bisschen betrogen gefühlt, als ich ein Kapitel lang die Figuren, die ich für die Protas hielt, begleitet habe und sie dann nie wieder auftauchen. Bei HP6 fand ich das erste Kapitel zwar ein wenig lästig, aber ok, da ich ja genau wusste, dass es lediglich um Infos ging, die rübergebracht werden mussten. Und ich finde es auch durchaus ok, wenn ein Krimi mit der Leiche beginnt, also im wahrsten Sinne des Wortes: man begleitet eine Person, die dann umgebracht wird. Aber sonst empfinde ich es wirklich als lästig. Ich selbst fang auch entweder mit einem meiner Protas (ich hab selten nur einen) an oder ich verwende eine alles überblickende stringent auktorial erzählte Szene, in der am Ende eine der Hauptpersonen fokusiert wird.
Gruß Ronya

Moni

#7
Also ich finde es Schmarrn zu behaupten, ein Buch müsse mit einer/der Hauptperson beginnen. Das kommt immer auf die Intention an, die in der ersten Szene enthalten ist. Prologe tendieren dazu entweder Hintergrundinformationen oder irgendwelche mythisch-legendären Inhalten zu vermitteln. Da ist eine Hauptperson, die von dem ganzen womöglich überhaupt keine Ahnung hat (haben darf) ziemlich deplaziert. Ok., manche Prologe werfen auch die Hauptperson mitten in den Strudel des Geschehens und dann lehnt sich der Autor zurück und sieht zu, was daraus wird...
Ich denke, es ist auch oft eien Frage des persönlichen Geschmacks. Will ich als Autor die Hauptperson bereits sofort auftreten lassen? Oder will ich die Spannung langsam durch Nebenfiguren aufbauen?
BTW, Ronya, ich fand den Anfang von Timeline sehr gelungen, genauso wie in seinen anderen Büchern baut Crichton die Spannung nämlich genauso auf: eine Nebenfigur wird eingeführt, erlebt etwas einschneidendes und verschwindet dann wieder. Der Leser ist damit dem/den "Helden" eine Schritt voraus, kann aber nichts daran ändern, daß der/die Helden in das Schlamassel geraten. Obwohl es sehr simpel klingt, funktioniert es immer wieder.

Da es sehr von der zu erzählenden Geschichte abhängt, wechselt das bei mir. In Fenoriels Augen ist der Prolog wie Maja ihn weiter oben beschrieb, in der Faversham Geschichte beginnt es mitten unter den Hauptfiguren und bei den Schattenhütern habe ich im Prolog eine wichtige Nebenfigur. Ich lasse mich da nicht wirklich festlegen.

Lg
Moni

P.S. Schelmin, wo stand das denn mit dem Anfang mit Hauptfigur? Würde mich mal interessieren...
Deutsch ist die Sprache von Goethe, von Schiller...
und im weitesten Sinne auch von Dieter Bohlen[/i]
Stefan Quoos, WDR2-Moderator

»Gegenüber der Fähigkeit, die Arbeit eines einzigen Tages sinnvoll zu ordnen,
ist alles andere im Leben ein Kinderspiel.«[/i]
Johann Wol

Rei

*grübel* Ich muß gestehen: Ohne Prolog komme ich gleich mit der Hauptfigur ins Geschäft. Mit Prolog nicht. An was auch immer das liegen mag.

Was davon nun besser ist, sei dahingestellt. Beides ist gut, je nachdem, was der Autor daraus macht oder wohin das führt.

Anfänge mit Personen, die dann nie mehr auftauchen oder nicht ansatzweise mit dem Rest des Geschehens zu tun haben, mag ich nicht. Da fühle ich mich als Leser betrogen.

Elena

Ich muss gerade mal überlegen: Ich denke, wenn man mit Kapitel eins beginnt, sollte man die Hauptperson schon drin haben. Interessant kann es werden, die erste Szene aus der Sicht einer anderen Person zu schreiben, die unerheblich ist, und so den Protagonist erst einmal von außen kennen zu lernen - wie man normale Menschen auch kennen lernt.

Der Prolog ist eine gute Möglichkeit, um eine Szene woanders mit einer anderen Person (oder ganz ohne Person) vorzuschieben. Da kann man einen Teil der Situation/des Problem erklären, so viel offen lassen, dass der Leser wissen will, wie's weitergeht, und unter Umstände in die ruhiger beginnende Geschichte des Hauptcharakters einsteigen. Sozusagen den "Teaser" vorschieben, um dann den Leser mitzunehmen.

Was Nebencharaktere/unwichtige Charaktere am Anfang betrifft, so denke ich, es gibt drei Möglichkeiten, die sich anbieten:

a) die Person stirbt (dann ist es in den meisten Fällen klar, dass sie nicht die Hauptperson ist)
b) man merkt, dass sie nur ein zufälliger Zuschauer ist, sodass ganz klar ist: da werden nur die Augen dieses jemanden benutzt, um die Szene zu beschreiben. Nimmt man etwas Exotisches (wie Steine... irgendwer hier hatte doch so eine Eröffnungsszene, glaube ich mich zu entsinnen? ;D), wird das noch klarer.
c) die Person wird später wichtig, aber auch das sollte aus dem Prolog klar werden. Wenn man z.B. den bösen Zauberer hat, der im Prolog einen Dämon beschwört, ist einigermaßen klar, dass er nicht der Hauptcharakter ist, aber später noch mal als Oberschurke wichtig wird.
d) sollte der Prolog nicht zu lang werden (bei "Das Jahr des Greifen" war der Anfang doch so unendlich lang, deswegen glaubte man das, oder bringe ich da was durcheinander).


Äh, andersherum und kurz: Man sollte nur klarstellen, dass jeder versteht, dass das nicht die Hauptperson ist, wenn man mit jemand anderem anfängt.

Ansonsten hat man da die übliche künstlerische Freiheit, würde ich sagen.  ;D

Liebe Grüße,

Elena

Aneirin

Hallo,

ich beginne meine Geschichten in der Regel mit der Hauptperson, weil ich auch deren Perspektive wähle. Außerdem fange ich mit der Geschichte lieber da an, wo es für die handlung wichtig wird und nicht schon Meilen vorher, indem ich nun erstmal zeige, was vielleicht die Bösen machen, obwohl ich inder Geschichte nahher nie wieder aus ihrer Perspektive schreibe, weil der held nun mal zu den Guten zählt und der Fokus bei ihm liegt..

Mich stören auch die ganzen prologe, die besonders gerne in der Fantasy geschrieben werden. Die meisten empfinde ich als überflüssig.

Grüße
Aneirin

Arielen

Ich mache das vom Buch abhängig, Prologe benutze ich gerne, um den Leser in knappen Worten in Ort und Zeit der Handlung einzuführen, damit ich das später nicht mehr innerhalb der Handlung muß. Meine großen Romane habe ich aber tatsächlich mit den Hauptpersonen angefangen - trotz Prolog bei "Katzenspuren",
Alles liegt im Auge des Betrachters

Schelmin

Hi!
Wow, wart ihr fleißig! Danke für die vielen Antworten.

Ich muß sagen, ich schreibe nicht in Kapiteln. Die Hauptpersonen tauchen bei mir auf jeden Fall auf den ersten 10 Seiten auf, nur eben nicht zwangsweise in der ersten Szene. Manchmal auch nicht in der zweiten. Bei mir ist es meist nicht eine bestimmte, sondern immer mehrere: z.B. zwei Ermittler, drei befreundete Kinder, drei Helden auf der Suche nach dem vierten.

@Shadowdaughter:
das war in irgendeinem Beitrag bei Montsegur, aber frag mich nicht mehr in welchem, gestern habe ich mich da ein bißchen durchgezappt. Im Nachhinein stieß mir das dann wieder auf, weil mir das Thema und dessen verschiedene Meinungen  in letzter Zeit öfter unterkamen..
Schelmin

Jules

Ich bin auch ein bischen gegen Nebenfiguren am Anfang, die dann nie wieder auftauchen, aber irgendwie habe ich damit dann doch auch gerechnet, als ich damals Buch des Feuers gelesen habe. (wobei mich dieses ganze 'das ist nicht wahr' am Anfang sehr stört) Hat mit einem Bösewicht angefangen, von dem ich irgendwie erwartet habe, dass er auf den nächsten hundert Seiten stirb. Er hat es dann bis weit in Teil drei geschafft und ich habe ihn mittlerweile so lieb gewonnen, dass ich nicht weiß ob ich einen vierten und fünften Teil ohne ihn überstehe.

Wichtige Nebenfiguren am Anfang sind strategisch häufig besser, da man bei denen gleich am Anfang relativ viel Action reinbauen kann oder zumindest große Spannung, um den Leser beim wichtigen ersten Kapitel zu fesseln und das 'wie gehst weiter' wecken anstatt bei dem Helden zu beginnen, der zu Anfang ja doch meist irgendwo in einem Kuhkaff hockt und nichts mitbekommt von der Welt um sich rum.

Im übrigen sollte man auf solche Thesen 'Das darf man' 'Das darf man nicht' beim Schreiben nicht hören. Es ist immer so anders, so persönlich, dass man keine allgemeinen Regeln aufstellen kann. Richtlinien, wie man es zumeist besser macht, ja, aber keine unumstößlichen Regeln.