Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum

Handwerkliches => Das Sprachbastelboard => Thema gestartet von: Signy am 05. Dezember 2014, 11:38:51

Titel: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Signy am 05. Dezember 2014, 11:38:51
Hallo,

eine Frage an alle, die gerne historische Romane lesen:

Ist es eurer Meinung nach notwendig, dass ein Roman, der in der Vergangenheit spielt, auch stilistisch deutlich macht, um welches Genre es sich handelt?

Ehrlich gesagt mag ich historische Romane (so sehr, dass ich daran schreibe) - kann es aber gleichzeitig nicht leiden, wenn die Autoren einen eher ausgeschmückten, erläuternden Erzählstil benutzen.

Ich selbst habe es am liebsten, wenn ein Buch es schafft, mich in den Kopf eines (oder einiger weniger) Protagonisten hineinzubeamen. Wenn ich durch seine Augen sehe, mit seinen Ohren höre, mit seinen Fingern greife, ich einfach in eine fremde Person versinken kann.

Je länger ich mich mit dem Thema befasse, umso klarer wird mir, dass ich historische Romane schreibe für Leser von allen möglichen Genres - nicht aber für denjenigen, der Histos mag.

Der klassische Histo-Leser scheint blumige Umschreibungen zu suchen, erläuternde Hinweise zur Perspektive und Füll- und Verbindungswörter in und zwischen den Sätzen.

Ich stelle gerade fest, dass ich mit meinem Stil wohl völlig an meiner Zielgruppe vorbei geschrieben habe und dabei nicht mal "knapp daneben ist auch vorbei" sondern so richtig, richtig weit vorbei am Tor.

Ist irgendwie auch hilfreich, das festzustellen, denn dann kann ich mir den ganzen Überarbeitungs-  und Einsendungsstreß ersparen, wenn ich nur für mich selbst geschrieben habe.

Juhu, wieder mal Limonade aus der Zitrone des Lebens gemacht.

Danke.

Bibi
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Thaliope am 05. Dezember 2014, 11:45:02
Es gibt auch erfolgreiche historische Romane in verhältnismäßig nüchterner Sprache, bei denen man sehr ins Leben der Figuren reingesogen wird. Spontan fallen mir da Ken Follett und Rebecca Gablé ein. Das sind für mich "ganz normal" geschriebene Bücher, die halt in der Vergangenheit spielen. Und es scheint genug Leute zu geben, die das so lesen wollen.

LG
Thali
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Malinche am 05. Dezember 2014, 11:48:49
Hm, ich bin nicht ganz sicher, ob ich genau verstehe, worauf du hinauswillst.

Ich finde, ein historischer Roman sollte durch seine Sprache zumindest ein bestimmtes Flair vermitteln, das klar macht: Hier rotzt sich keine moderne Jugend-Gang auf den Straßen an, hier unterhalten sich zwei venezianische Kaufleute im 15. Jahrhundert (jetzt mal beispielhaft). Natürlich heißt das nicht, dass ich sie 1:1 so reden lasse, wie ich es Originalquellen aus dem 15. Jahrhundert entnehmen kann. Die Kunst wäre da für mich, eine Balance herzustellen. Die Sprache soll zum Setting passen, dem Leser aber auch verständlich und zugänglich bleiben - und Nähe zur Figur setze ich voraus, d.h. die möchte ich natürlich sowohl als Leser erfahren als auch als Autor erzeugen.

Zitat von: Signy am 05. Dezember 2014, 11:38:51
Der klassische Histo-Leser scheint blumige Umschreibungen zu suchen, erläuternde Hinweise zur Perspektive und Füll- und Verbindungswörter in und zwischen den Sätzen.

Ist mir in dem Maße noch nicht aufgefallen, dass das typische Historik-Stilmittel wären; klingt für mich jetzt auch nicht so, als müsste man das in dem Genre unbedingt machen. Für mich sind das alles eher persönliche Stilmittel bzw. sprachliche Möglichkeiten, eine Figur durch ihre eigene Erzählstimme näher zu charakterisieren. (Was meinst du mit "erläuternde Hinweise zur Perspektive"? Darunter kann ich mir gerade nichts vorstellen, kannst du das noch ein bisschen ausführen?)

Und was meinst du jetzt falsch gemacht zu haben mit deinem Stil? Ich würde mich da auch nicht verrückt machen, bevor ich nicht einige Rückmeldungen von Betalesern hätte. Ein Manuskript vorher auf Verdacht in die Tonne zu kloppen würde ich nicht empfehlen. Wie Thali schon schreibt, auch historische Romane können z.B. recht nüchternen Erzählstil aufweisen.
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: gbwolf am 05. Dezember 2014, 11:49:07
Ja, da stimme ich Thaliope zu.
Um deine Frage besser einordnen zu können, interessiert mich da noch, was du unter einem Histo genau verstehst, denn die Romane und Zielgruppen sind ja sehr unterschiedlich und ohne deine Erwartungen zum Thema zu kennen, ist es quasi unmöglich, zu antworten, ohne ins Blaue hinein zu raten. Ein Follett und eine Gablé sprechen ein völlig anderes Publikum an, als Iny Lorentz oder Sapkowski oder Sabine Ebert oder ein Cornwell oder eine Dunnett.
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Lothen am 05. Dezember 2014, 11:52:43
Hm, ich hab auch schon viel Historisches gelesen, aber dass ein blumiger Stil jetzt "das" Kriterium dafür wäre (oder besonders Speziell für dieses Genre wäre), wär mir bisher gar nicht aufgefallen.

Der letzte historische Roman, den ich gelesen habe, war "Der Medicus" und soweit ich mich erinnern kann, war das auch nicht besonders ausschweifend geschrieben. Vielleicht wäre es mir aber auch nicht aufgefallen, weil ich sowas schon auch mag. ;)

Ich würde aber auf gar keinen Fall so weit gehen zu sagen "Buch von Genre xy funktioniert niemals, wenn es in Weise z geschrieben ist". Solange ein Roman gut ist, spannend, eindringlich, den Leser fesselt, ihn emotional berührt - mal ehrlich, da ist es doch egal, ob in einem Satz ein Verbindungswort mehr oder weniger steht. ;)

/EDIT: Malinches letzter Absatz bringt das sehr gut auf den Punkt!
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Signy am 05. Dezember 2014, 12:12:41
Hallo,

es ist echt lieb, was ihr schreibt.

Nicht, dass ich jemals wagen würde, mich mit Größen wie Follet oder Gablé zu vergleichen, aber ich habe jetzt mal in Gablés "Der dunkle Thron" reingeschaut, und sie verwendet hübsche Inquits (", warf er ihm vor", ", schalt Master Wilford") und ebenso macht sie die Gedankenrede durch Formulierungen wie "Doch, dachte Nick, ich gebe mir Mühe" deutlich.

An solchen Dingen mangelt es meinen Texten.

Dann Follet:

Einfach mal "Die Säulen der Erde" aufgeschlagen. Die Jungen huschen, sie entweihen, der Schnee hatte sich wie Linnen über die Stadt gebreitet. Seine Häuschen sind windschief, das Huschen lautlos, der Marktplatz still.

Sowas ist bei mir einfach Fehlanzeige. Mein Stil ist schlicht, fast schon sperrig.

Ich hatte eine ganze Reihe an Betalesern - nur das Problem ist, die sind alle mit dem Genre nicht vertraut.
Da bekam ich Rückmeldungen wie: "Hach, wenn ich gewusst hätte, dass Histos so geschrieben sind, dann hätte ich die schon gelesen. Nur die, in die ich der Buchhandlung reingeblättert habe, die gefielen mir nicht so ..."

*lach* - hätte mir wohl eher zu Denken geben sollen, was?

Und jetzt, wo sich ein paar mit dem Genre Vertraute damit befasst haben, verändert sich die Kritik.

Aber wie gesagt, ist doch wunderbar, das beschert mir eine riesengroße Menge an Zeit für sinnvollere Tätigkeiten, wenn ich es stecken lasse.
Ich kann gut damit leben, dass ich das nur für mich geschrieben habe. Den ersten historischen Roman, der mir richtig gut gefallen  hat. Haken drunter und gut ist.

Grüße Bibi
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Malinche am 05. Dezember 2014, 12:21:55
Zitat von: Signy am 05. Dezember 2014, 12:12:41
Aber wie gesagt, ist doch wunderbar, das beschert mir eine riesengroße Menge an Zeit für sinnvollere Tätigkeiten, wenn ich es stecken lasse.
Ich kann gut damit leben, dass ich das nur für mich geschrieben habe. Den ersten historischen Roman, der mir richtig gut gefallen  hat. Haken drunter und gut ist.

Ich komme jetzt nicht mehr ganz mit, sorry. Du willst in diesem Thread doch über den Erzählstil in historischen Romanen diskutieren und hast ein paar Rückmeldungen bekommen, die durchaus in die Richtung gehen, dass das Genre in sich sehr breitgefächert ist. Nur weil in deinem Text nicht die Wendungen stehen, die Gablé und Follett verwenden, disqualifiziert dich das ja nicht als Historik-Schreiberin. Somit verstehe ich gerade nicht, wieso das Fazit aus den bisherigen Beiträgen für dich ist, dass du das mit den historischen Romanen lassen solltest (und wie dieses Fazit überhaupt in die Diskussion passt).  ???
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Michaela am 05. Dezember 2014, 12:32:26
Liebe Signy,

Zitat von: Signy am 05. Dezember 2014, 12:12:41
Aber wie gesagt, ist doch wunderbar, das beschert mir eine riesengroße Menge an Zeit für sinnvollere Tätigkeiten, wenn ich es stecken lasse.
Ich kann gut damit leben, dass ich das nur für mich geschrieben habe. Den ersten historischen Roman, der mir richtig gut gefallen  hat. Haken drunter und gut ist.


Es ist gut sich im Genre auszukennen und nachzulesen, welchen Erzählstil andere Autoren für ein bestimmtes Genre verwenden. Aber das Schöne am schreiben ist doch, das es immer auch neue Richtungen gibt und für jeden Geschmack etwas dabei ist. Nur weil Dein Text nicht mit Ken Follett vergleichbar ist, heißt das nicht, das er schlecht ist. Ich glaube jeder Autor will in erster Linie seinen eignen Stil verwirklichen und nicht den eines anderen kopieren. Was Du schreibst ist also Dein Stil und an den solltest Du Dich halten und nicht danach sehen, was für eine Sprache andere Autoren verwenden.

Ich selber lese auch viel historisches und für mich sind dabei immer die Hauptfiguren am wichtigsten. Natürlich besteht der Reiz in diesem Genre auch darin, in die Welt von früher einzutauchen. Dazu gehört ein gut ausgearbeitetes Setting und für die Zeitepoche typische Details. Beim Erzählstil ist glaube ich nur wichtig, das im Manuskript keine modernen Worte gebraucht werden. Also auch hier für die Epoche typische Wörter benutzt werden. So wie man auch bei einem Schwabenkrimi das eine oder andere schwäbische Wort oder eine Redewendung liest. Alles andere ist Stil des Autors.
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Tintenvers am 05. Dezember 2014, 12:34:09
Ich finde, der Erzählstil muss zur Geschichte passen. Aber das verbietet keineswegs, dass du nahe an der Person schreibst. Du kannst oder musst gerade deswegen doch auch eine recht altertümliche Schreibweise an den Tag legen, damit es authentisch wirkt. Irgendwie verstehe ich also gerade dein Problem nicht?
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Lothen am 05. Dezember 2014, 12:34:49
Ich bin auch etwas überrascht, eigentlich wollte ich dich mit meinem Post eher dazu ermuntern, weiterzumachen! ;)

Zitat von: Signy am 05. Dezember 2014, 12:12:41Einfach mal "Die Säulen der Erde" aufgeschlagen. Die Jungen huschen, sie entweihen, der Schnee hatte sich wie Linnen über die Stadt gebreitet. Seine Häuschen sind windschief, das Huschen lautlos, der Marktplatz still.
Ich würde tatsächlich davon abraten, dich mit einzelnen Formulierungen zu messen - und schon gar nicht mit denen von Bestseller-Autoren, über deren Texte mit Sicherheit ein Heer an Lektoren drübergelesen hat! ;) Wenn man so anfinge, müsste ich vermutlich das Fantasy-Genre komplett einstellen, weil mein Stil keinerlei Gemeinsamkeiten mit dem von J.R.R. Tolkien hat.

Jeder Autor ist einzigartig in seinem Stil - und genau das macht ihn besonders und interessant. Also, schreib doch so, wie es dir gefällt, wie es dir liegt. Scheinbar kommst du bei vielen Leuten ja damit gut an! Warum solltest du es ändern, nur weil andere Autoren eben einfach ... anders schreiben?

/EDIT: Überschneidet sich jetzt teilweise mit Michaela, aber wie du siehst sind hier mehrere dieser Ansicht. ;)
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Nuya am 05. Dezember 2014, 12:37:28
Stil und Sprache entwickelt sich ja auch. Nur weil du es jetzt so schreibst, kann es in fünf Jahren ja ganz anders aussehen. :) Und selbst wenn nicht, dann ist es dein Stil und Punkt. :)
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Blackhat am 05. Dezember 2014, 13:15:56
Hallo Signy,

so ganz verstehe ich dein Problem auch nicht. Ich weiß nicht, was für historische Romane Du bisher gelesen hast aber es gibt eine Reihe angesehner und angesagter Autoren, die sich gerade durch eine moderne und klare Sprache auszeichenen. Hier seien nur einmal Hilary Mantel, Bernhard Cornwell und etwas unbekannter Andrew Miller ("Friedhof der Unschuldigen", den ich nur wärmstens empfehlen kann) genannt. All diese Autoren sind in der Lage den Leser auch ohne den Schwulst eines Ken Follet in die jeweilige Zeit eintauchen zu lassen. Für mich (ich schreibe gerade selbst an einem Roman, der in der zweiten Hälfte des 18. JH. spielt) kommt es auf einige Punkte an, die man beachten sollte:
1. Keine moderne (!) oder flapsige Umgangssprache bei den Dialogen (für mich jedenfalls ein klares  :hand:).
2. Die Verhaltensweisen der Menschen untereinander, abhängig von ihrem Stand müssen stimmen (Ein Adliger sollte z.B. seinem Lakaien nicht die Hand schütteln). Hierzu gehört auch die korrekte Anrede.
3. Die wichtigen Details beim Setting müssen stimmig sein und auch deren Bezeichnung. Da steht dann also unter Umständen kein schlichter Stuhl sondern ein Fauteuil im Salon.
Die Liste kann bestimmt noch um den einen oder anderen Punkt erweitert werden.

Da ich aber deinen Stil nicht kenne, kann ich auch nicht beurteielen, ob Du wirklich meilenweit daneben liegst.


Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Franziska am 05. Dezember 2014, 13:56:20
Es kommt auch total darauf an, wann und wo das Buch spielt. Für das Mittelalter würden die Leute vielleicht eher einen ausschweifenden Stil erwarten, als für etwas, das inden 30ern spielt. Ich würde einfach mal in viele verschiedene Bücher reinlesen, die zur gleichen Zeit spielen, hier wurden ja einige Beispiele genannt.
Als ich meinen historischen Roman geschrieben habe, habe ich vorher ein bisschen Henry James und E.M. Forster gelesen. Aber ich habe nie versucht irgendwie deren Stil direkt nachzumachen. Mein Stil unterscheidet sich da schon von dem, was ich sonst geschrieben habe, mir hat das Spaß gemacht, das mal auszuprobieren. Aber da es für den Text eh nichts vergleichbares im Buchhandel gibt, habe ich mir da gar nicht so viele Gedanken drum gemacht.
Es wäre ja schade, wenn alle historischen Romane im gleichen Stil geschrieben würden.
Für mich würde das auch total von der erzählenden Figur abhängen. Ein steinreicher Lord xy im 18. Jh. würde komplett anders erzählen, als ein Straßenjunge zur gleichen Zeit.
Mir fällt gerade Adrian Mayfield ein. Da erzählt ein 17-jähriger Arbeiterjunge. Ich finde den Stil da unheimlich toll. Aber er ist überhaupt nicht künstlich auf historisch gemacht.
Gleichzeitig mag ich aber auch den Stil von Victoria Schlederer, der schon sehr auf die Zeit ausgerichtet ist und eher pompös. Der Stil muss einfach zur Geschichte passen.
Wenn man mal Klassiker liest, dann merkt man ja, wie die Leute damals wirklich geredet haben und das ist häufig viel moderner, als man denkt.
Daher finde ich es auch Quatsch, da in Romanen extra so zu schreiben, als hätten die Leute ganz verstaubt geredet und überall Wörter einzubauen, die man heute nicht mehr benutzt. Es kommt auf die richtige Dosis an.

Es würde mich aber echt interessieren, was Agenturen und Verlage dazu sagen.
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Signy am 05. Dezember 2014, 14:31:48
Hallo Blackhat,

Danke für dein Posting, denn ich hatte jetzt ehrlich gesagt gedacht, wenn ein Follet der Ausbund der schlichten Sprache im Genre sein soll, dann liege ich meilenweit daneben.

Danke für das in Erinnerung Rufen von Cornwell - ich las Bücher von ihm, liebte seine Sprache, doch der Inhalt ließ mich immer fast schon depressiv zurück. Aber sprachlich, doch absolut, wunderbar.

Hilary Mantel kannte ich nicht, habe jetzt mal in Leseproben hineingeschaut, die geht stilistisch in die gleiche Richtung und, wie ich aus der Leseprobe vermute, inhaltlich auch eher düster?

Andrew Miller half mir jetzt nicht so sehr weiter, da eine ganz weit entfernte Zeit, von meiner Warte aus gesehen.

Die Frage ist jedoch, ob es hilfreich ist, englischsprachige Autoren als Vergleich heranzuziehen.

Zu deiner Liste:
1. Ist Ehrensache. Wobei ich festgestellt habe, dass althochdeutsche Texte in einer überraschend modernen Weise verfasst wurden.
2. Dito. Wäre ebenso ein Fauxpas erster Güte, wenn ich im FMA- Setting einen Protagonisten eine solchen begehen ließe, wie wenn er seine Angebetete als "edle Dame" bezeichnen würde. Denn damals gab es den Begriff "Dame" noch nicht.
3. Dies ist ein Punkt, der mir mitunter Kopfzerbrechen bereitet. Ich habe versucht, Modernismen so gut es geht zu vermeiden. Mir stieß zuletzt ein "Baby" in einem Buch, das im 17. Jh. spielt auf - aber etliche Bekannte, die viel mehr Histos lesen als ich, nahmen den Begriff gar nicht wahr.

Hallo Nuya,

Ein charmantes Pladoyer dafür, Ablage P zu wählen *lach*

Hallo Lothen,

Die Katze beißt sich in den Schwanz, wenn es zwar nicht wenige Leute gibt, denen meine Schreibe gefällt - diese Leute aber ohne die zufällige Konstellation des Probelesens gar kein verstärktes Interesse an Histos haben.
Wie heißt es so treffend, der Köder muss dem Fisch schmecken, und nicht dem Angler.
Ich befürchte ein wenig, dass ich die richtige Sorte Köder ins falsche Fischzuchtbecken halte.
Aber Blackhat hat da ein wenig korrigiert, was die englischen Autoren betrifft, das macht ein wenig Mut.

Hallo La Variée,

Das mit der altertümlichen Schreibweise war ebenfalls einer der geäußerten Kritikpunkte.
Meine Protagonisten sprechen eben nicht "Mich dünkt, ich sollte ..." oder - um ein konkretes Beispiel zu nehmen "Er aber, sag's ihm, er kann mich im Arsche lecken" sondern eher "Da schrie ich wieder zu ihm hinauf, er sollt mich hinten lecken", wie Götz selbst es überraschend modern aufgeschrieben hat.

Hallo Michaela,

Mit "für die Epoche typischen Wörtern" habe ich ganz schlechte Erfahrungen gemacht, das war einer der Ablehnungsgründe aus berufenem Mund.
Ansonsten sehe ich es wie du, allerdings muss beim Leser auch die Bereitschaft vorhanden sein, sich mit Haut und Haaren ins Setting fallen zu lassen, und vergleiche ich da deutsche Veröffentlichungen, so halten die den Leser mehrheitlich auf Distanz. Warum, frage ich mich da, wenn nicht genau das gewünscht ist?

Hallo Malinche,

Ich hatte die Frage in den Raum gestellt, wo ich über die Schwierigkeit einen passenden Erzählstil zu finden, bzw. zu prüfen, ob mein Erzählstil denn nun zum historischen setting passt, und bekam die Auskunft, dies sei das richtige Forum dafür.
Nun wurden mir als Beispiele für das nüchterne Ende der Bandbreite zwei Autoren genannt, die auf meiner persönlichen Fahnenstange weit in der Kategorie "blumige Formulierungen" landen. Tja, und das deckte sich dann vollauf mit dem Feedback der Histo-Spezialisten, das die ganze Fragestellung aufgeworfen hat.

@Alle - irgendwie komme ich mir gerade so hilflos vor wie bei Mengenlehre früher in der ersten Klasse.
Ich habe das Gefühl, die Schnittmenge zwischen den an historischen Romanen interessierten und denen, die meinen Stil mögen, ist verschwindend gering. *lach*

Edit:

Hallo Franziska,

Wenn es dich interessiert, kann ich dir gerne per PN exemplarisch zeigen, was immerhin ein Agent zur Thematik meinte.
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Churke am 05. Dezember 2014, 15:06:58
Am historischen Roman zeigt sich die Qualität oder Nicht-Qualität eines Autors.

Der junge König stand sprachlos in Schrecken und Entzücken einige Sekunden vor der hingegoßnen zarten Gestalt: durstig sog sein brennendes Auge die schönen Züge, die edlen Formen ein: flüchtiges Roth schoss zuckend wie Blitze über sein bleiches Gesicht:
"Oh sie - sie ist mein heißer Tod -" hauchte er, endlich beide Hände an das prochende Herz drückend  - "jetzt sterben - sterben mit ihr."

aus Felix Dahn: Ein Kampf um Rom

In hundert Jahren wird unser zeigenössischer Stil genauso an den Händen kleben. Es gab auch im 19. Jahrhundert Autoren, die nicht so texteten. Das ist eben der Unterschied zwischen Geist und Zeitgeist.
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: THDuana am 05. Dezember 2014, 16:23:11
Zitat von: Signy am 05. Dezember 2014, 14:31:483. Dies ist ein Punkt, der mir mitunter Kopfzerbrechen bereitet. Ich habe versucht, Modernismen so gut es geht zu vermeiden. Mir stieß zuletzt ein "Baby" in einem Buch, das im 17. Jh. spielt auf - aber etliche Bekannte, die viel mehr Histos lesen als ich, nahmen den Begriff gar nicht wahr.
Baby ist, zumindest im englischen Sprachraum, kein Modernismus, dafür aber im Deutschen. Der Roman, von dem zu erzählst, ist er von einem/r englischsprachigen Autor/in? In der Übersetzung werden solche Begriffe gern einmal stehen gelassen. Zum Wort baby an sich, so hat eine kurze Internetrecherche meine Vermutung bestätigt: Es ist ein aus dem Mittelenglischen stammendes Wort, als Diminutiv ab etwa dem 14. Jahrhundert verwendet, ab ungefähr 1520 bzw. 1600 mit der Bedeutung "kindlicher Erwachsener". (Quelle hier (http://dictionary.reference.com/browse/baby) und hier (http://www.oxforddictionaries.com/definition/english/baby))
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Churke am 05. Dezember 2014, 16:29:54
Mit einem deutschen Ersatzwort für "Baby" haben sich schon relativ erfolglos die Sprachhygieniker im 3. Reich befasst.
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Signy am 05. Dezember 2014, 17:20:49
Zitat von: Duana am 05. Dezember 2014, 16:23:11
Baby ist, zumindest im englischen Sprachraum, kein Modernismus, dafür aber im Deutschen. Der Roman, von dem zu erzählst, ist er von einem/r englischsprachigen Autor/in? In der Übersetzung werden solche Begriffe gern einmal stehen gelassen. Zum Wort baby an sich, so hat eine kurze Internetrecherche meine Vermutung bestätigt: Es ist ein aus dem Mittelenglischen stammendes Wort, als Diminutiv ab etwa dem 14. Jahrhundert verwendet, ab ungefähr 1520 bzw. 1600 mit der Bedeutung "kindlicher Erwachsener". (Quelle hier (http://dictionary.reference.com/browse/baby) und hier (http://www.oxforddictionaries.com/definition/english/baby))

Deutsche Autorin, deutsches Buch, spielt im Deutschland des 17. Jahrhunderts.
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Signy am 05. Dezember 2014, 17:32:17
Zitat von: Churke am 05. Dezember 2014, 16:29:54
Mit einem deutschen Ersatzwort für "Baby" haben sich schon relativ erfolglos die Sprachhygieniker im 3. Reich befasst.

"Säugling" ist doch ein absolut gebräuchliches Wort. Man absolviert Kurse in "Säuglingspflege", die Neugeborenen werden auf der Entbindungsstation von "Säuglingsschwestern" versorgt, man bereitet "Säuglingsnahrung" zu und der Duden führt "Säugling" nicht als Wortschöpfung der Neuzeit auf, sondern zurückgehend auf spätmittelhochdeutsch sūgelinc.

Ich verstehe nicht, was dein Hinweis auf "Sprachhygieniker im 3. Reich" aussagen soll. Darf man nichts anderes als "Baby" schreiben?
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Lothen am 05. Dezember 2014, 17:35:53
Bei einem unter Einjährigen kann man sich sicherlich gut mit "Säugling" behelfen, aber bei einem älteren Baby wird es schwierig. Zwischen "Säugling" und "Kleinkind" liegt eben doch eine gewisse Spanne.
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: THDuana am 05. Dezember 2014, 17:44:10
Der Begriff baby umfasst mehr als nur die Bezeichnung eines Neugeborenen. Die verschiedenen Bedeutungen des Wortes können nicht nur mit einem Wort im Deutschen widergegeben werden; ich schätze so etwas Ähnliches meinte Churke.

Zum eigentlichen Thema: Ein, wie du sagst, "nüchterner" Sprachstil missfällt mir bei einem historischen Roman genauso wenig wie bei einem Liebes-, Fantasy-, Science Fiction- oder Kriminalroman. Ein Genre definiert sich für mich nicht über einen Sprachgebrauch, sondern über die Kombination von Erzählstil und Thematik. Wenn du davon sprichst, dass in vielen historischen Romanen ein "blumiger" Stil verwendet wird, so fallen mir genug Romane anderer Genres ein, die ebenso einen Adjektiv-geladenen Stil haben.
Die Verbindung zwischen den Leser in den Prtagonisten hineinzuziehen und einem ausschweifenden Sprachgebrauch muss auch nicht so bestehen. Man kann auch mit akzentuierten Beschreibungen Atmosphäre und Empathie erzeugen. Was beim historischen, genauso wie bei allen fiktionalen Genres (und ich gehe nun davon aus, dass du historische Fiktion meinst) den Lesern sehr gefällt ist, was meine Vorredner schon angesprochen haben: Man will sich die Welt vorstellen können. Man will, wie in einem Film mit historischem Thema, die Kleider, Gebäude, den Schmuck und Prunk, das Essen und die Einrichtung bewundern. Das sind alles Elemente, die sich zu einem Bild der Kultur verschmelzen und die möchte (historische) Fiktion schließlich auch übertragen.
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Tigermöhre am 05. Dezember 2014, 17:48:14
Zitat von: Lothen am 05. Dezember 2014, 17:35:53
Bei einem unter Einjährigen kann man sich sicherlich gut mit "Säugling" behelfen, aber bei einem älteren Baby wird es schwierig. Zwischen "Säugling" und "Kleinkind" liegt eben doch eine gewisse Spanne.

Eigentlich nicht. Ein Säugling/Baby ist ein Kind bis 1 oder 1 1/2 Jahren. Alles was älter ist, ist ein Kleinkind. Aber da Kleinkind dann eine recht große Altersspanne hat, benutzen einige das Wort Kleinstkind.
Ich selber würde ein Kind über einem Jar genauso wenig Baby wie Säugling nennen und benutze die Begriffe synonym.
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Churke am 05. Dezember 2014, 18:50:54
Zitat von: Signy am 05. Dezember 2014, 17:32:17
"Säugling" ist doch ein absolut gebräuchliches Wort.
Ja, aber das sollte der/die gute Deutsche nicht verwenden, weil es so herzlos klingt.
Man präsentierte als Synonym dann "Kindlein". Dass diesem Wort der Durchbruch versagt blieb, dürfte nicht nur mit dem 8. Mai '45 zu tun haben, behaupte ich jetzt einfach mal so...  ::)
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Blackhat am 06. Dezember 2014, 01:13:07
@Signy Hilary Mantel schreibt in ihren bekannten Werken sehr nah an den historischen Begebenheiten. Ihre Protagonisten sind historische Figuren, wodurch die Romane teils schon autobiografische Züge aufweisen. Mir war "Brüder" dadurch zu langweilig, zumal einem das Schicksal eines Danton durchaus bekannt ist. Ist halt Geschmackssache.
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Signy am 06. Dezember 2014, 10:37:42
Zum Thema "Baby" - ich wollte nur aufzeigen, dass ich das Thema zeitgenössische Wortwahl derart verinnerlicht habe, dass mir so etwas auffällt. Obwohl es augenscheinlich kein Grund für eine Ablehnung ist.
Bei mir - also in meinen Frühmittelalter-Settings, im realen Leben oder zeitgenössischen Settings durchaus - gibt es keine Babys, und wer mir jetzt aus der Verwendung des Wortes "Säugling" einen wie auch immer gearteten Strick drehen will, soll das gerne tun.

@Blackhat,
Wie finde ich heraus, wer im Histo-Genre noch so ähnlich schreibt (stilistisch) wie Cornwell, aber unbekannter ist?
Ich habe noch mal das Buch von ihm herausgekramt, das ich habe, und es ist wirklich krass, abgesehen von der düsteren Geschichte ist das wirklich die Art von Text, wie ich sie liebe und stilistisch bewundere.

Wenn ich bei amazon suche, werden mir nur noch mehr Cornwells angezeigt.

Ich bin ja immer noch auf der Suche nach Vergleichstiteln/Autoren fürs Exposé, viele Agenturen wünschen das ja, und bin mit meiner derzeitigen Auswahl unzufrieden.
Aber mich mit diesem Titan des Genres zu vergleichen würde ich niemals wagen. Ich bin ja nicht bescheuert. Ich liebe seine Sprache, mein Stil geht in diese Richtung, aber natürlich besitzt er ungleich mehr Erfahrung und Übung, bei ihm sitzt jedes Wort an der richtigen Stelle.
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Klecks am 06. Dezember 2014, 11:09:27
Zitat von: Signy am 06. Dezember 2014, 10:37:42
Ich bin ja immer noch auf der Suche nach Vergleichstiteln/Autoren fürs Exposé, viele Agenturen wünschen das ja, und bin mit meiner derzeitigen Auswahl unzufrieden.
Aber mich mit diesem Titan des Genres zu vergleichen würde ich niemals wagen. Ich bin ja nicht bescheuert. Ich liebe seine Sprache, mein Stil geht in diese Richtung, aber natürlich besitzt er ungleich mehr Erfahrung und Übung, bei ihm sitzt jedes Wort an der richtigen Stelle.

Keine Sorge, Signy, ich bin sicher, du kannst ihn getrost nennen.  :D  Es geht bei dieser Angabe ja nicht um einen Vergleich, sondern um eine Orientierung für den Verlag/die Agentur, damit sie wissen, an welche Leser dein Buch gerichtet ist und Leser welcher Bücher deine Bücher kaufen würden. Die Agentur muss ja wissen, in welche Richtung das Geschriebene geht. Wenn dein Stil ähnlich wie der des anderen Autors ist, dann ist das eine für Agenturen wissenswerte Sache und ich an deiner Stelle würde es auf jeden Fall ins Exposé setzen. Wenn sie das nicht wissen wollten, würden sie das ja nicht fragen.  :jau:
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Phea am 06. Dezember 2014, 11:13:19
Zitat von: Signy am 06. Dezember 2014, 10:37:42
Ich bin ja immer noch auf der Suche nach Vergleichstiteln/Autoren fürs Exposé, viele Agenturen wünschen das ja, und bin mit meiner derzeitigen Auswahl unzufrieden.
Aber mich mit diesem Titan des Genres zu vergleichen würde ich niemals wagen. Ich bin ja nicht bescheuert. Ich liebe seine Sprache, mein Stil geht in diese Richtung, aber natürlich besitzt er ungleich mehr Erfahrung und Übung, bei ihm sitzt jedes Wort an der richtigen Stelle.

Kannst du es nicht so ins Exposé schreiben? Ich kenne mich damit jetzt nicht aus, aber ich glaube, ich würde es so schreiben, wie du es hier beschreibst. Also dass dein Stil zwar in die gleiche Richtung geht, du dich aber nicht mit ihm vergleichen möchtest/kannst.
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Klecks am 06. Dezember 2014, 11:27:45
@Phea: Das würde auf mich den Eindruck machen, dass man sich nichts zutraut, und da der Buchmarkt eben ein hartes Business ist, in dem eine dicke Haut nicht schadet, könnte das in die Hose gehen, befürchte ich.  :hmmm:
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Phea am 06. Dezember 2014, 11:31:32
Zitat von: Klecks am 06. Dezember 2014, 11:27:45
@Phea: Das würde auf mich den Eindruck machen, dass man sich nichts zutraut, und da der Buchmarkt eben ein hartes Business ist, in dem eine dicke Haut nicht schadet, könnte das in die Hose gehen, befürchte ich.  :hmmm:

Wie schon gesagt, ich kenne mich in Sachen Exposè gar nicht aus. Ich habe vielleicht mal eins geschrieben, bin dadurch auch an ein Verlag gekommen, der aber ehrlich gesagt grottig und zum Kotzen war. Dann soll sie das raus lassen  :rofl:
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Klecks am 06. Dezember 2014, 11:35:21
Mein erstes Exposé war auch grottig und ich wurde trotzdem genommen.  :rofl:  Ich würde es auf jeden Fall rauslassen. Das wirkt duckmäuserisch und als würde man sagen: "Hier bin ich, eine kleine Autorin, die zwar auf den Buchmarkt will, aber sich überhaupt nicht zutraut, mit diesem und jenem Autor mitzuhalten". Selbst, wenn es so ist - und bei mir ist das so, ich traue mir auch nicht zu, mit einem Joe Abercrombie oder sonst wem dieser Bekanntheit mitzuhalten -, sollte das einer Agentur nicht vermittelt werden. Die wird sich dann nämlich fragen, warum sie in jemanden investieren soll, der sich selbst kleiner macht, als er ist, oder vorsorglich in Deckung geht.  ;)
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Cairiel am 06. Dezember 2014, 12:22:24
Zitat von: Signy am 06. Dezember 2014, 10:37:42
Bei mir - also in meinen Frühmittelalter-Settings, im realen Leben oder zeitgenössischen Settings durchaus - gibt es keine Babys, und wer mir jetzt aus der Verwendung des Wortes "Säugling" einen wie auch immer gearteten Strick drehen will, soll das gerne tun.
So kleiner Einwurf zwischendurch: Hier im Tintenzirkel drehen wir einander keine Stricke und hängen uns erst recht nicht an so etwas auf.  :D   Ich weiß nicht, was für einen schlechten Eindruck wir scheinbar auf dich machen, aber so schlimm sind wir wirklich nicht.  :P
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Signy am 06. Dezember 2014, 13:22:22
Das Problem mit Cornwell ist ja auch, dass sein Erzähstil "meins" ist - aber ganz und gar nicht sein doch sehr düster angelegter Inhalt.
Also, wenn ich "wie Cornwell" ankündige, erwarten die dann nicht Tragik, Tod und Verderben?
Gut, das kommt in meinem Manuskript durchaus vor, allerdings ringen die beiden Protas dem Schicksal doch ihr kleines Happy End ab.

Ich weiß auch, dass es Leute gibt, die lesen Histos nur, wenn ausdrücklich keine Liebesgeschichte drin vorkommt.
Und andererseits, von historischen Liebesromanen ist mein Manuskript dann wieder stilistisch weit entfernt. Da mag es die Leserin wohl eher üppig.

Sprich, ich sitze irgendwie voll zwischen den Stühlen.

@ Cairiel, ich frage mich immer noch, was der Hinweis auf Sprachhygieniker des dritten Reichs aussagen soll.
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: THDuana am 06. Dezember 2014, 13:31:07
Zitat von: Signy am 06. Dezember 2014, 13:22:22@ Cairiel, ich frage mich immer noch, was der Hinweis auf Sprachhygieniker des dritten Reichs aussagen soll.
Was Churke meinte waren die Bestreben im Dritten Reich, die deutsche Sprache von Fremd- und Lehnwörtern zu "reinigen". Dabei war ein Wort wie baby natürlich auch betroffen. (Quelle: hier (http://de.wikipedia.org/wiki/Deutscher_Sprachpurismus))
Er hat dir mit Sicherheit nicht vorwerfen wollen, dass du politisch nationalsozialistisch ausgerichtet bist, oder es dein Schreibstil wäre. Sein Kommentar hat sich lediglich auf den Gegenstand der abgeschweiften Diskussion, nämlich der Übersetzung des Wortes baby beschränkt.
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Klecks am 06. Dezember 2014, 13:55:23
Zitat von: Signy am 06. Dezember 2014, 13:22:22
Also, wenn ich "wie Cornwell" ankündige, erwarten die dann nicht Tragik, Tod und Verderben?

Deshalb schreibt man ja auch nicht "wie Autor soundso", sondern "für Leser von Autor soundso". Dann wird klar, in welche Richtung das geht, aber man erwartet nicht, dass du wirklich wie "Autor soundso" schreibst. Aber das ist ziemlich Off Topic, was den Erzählstil in historischen Romanen betrifft, das gehört hier nicht hin. Wir haben allerdings einen Zielgruppen-Thread, wenn ich mich recht erinnere.  :hmmm:
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Signy am 07. Dezember 2014, 17:36:42
Nicht explizit dem Strangthema entsprechend, ich bitte um Verzeihung.
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Michaela am 07. Dezember 2014, 17:49:01
Zitat von: Signy am 07. Dezember 2014, 17:36:42
Meine Freundin machte jetzt den Vorschlag, die Quadratur des Kreises durch die Benennung von zwei Vergleichswerken zu umgehen, in der Art von "stilistische Ähnlichkeit zu Xy von Autor A, inhaltlich mit Yz von Autor B zu vergleichen".

Das würde ich im Exposé so nicht schreiben. Sich mit Autor ... zu "vergleichen" kommt bei Agenturen und Verlagen nicht gut an. Das weicht aber stark vom eigentlichen Thema - Erzählstil in historischen Romanen -  ab. Deshalb lieber wieder zurück zum Thema.  :D
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Klecks am 07. Dezember 2014, 18:50:52
Kein Problem, Signy, das passiert mir auch manchmal.  :D

Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Malinche am 07. Dezember 2014, 20:23:20
Zitat von: Signy am 07. Dezember 2014, 17:36:42
Nicht explizit dem Strangthema entsprechend, ich bitte um Verzeihung.

Huch, hier stand doch vorhin noch etwas anderes? :)

Signy, wenn man in Diskussionen mal ein bisschen vom Thema abkommt, ist das normal und völlig okay. Schließlich passiert das in nicht-virtuellen Gesprächssituationen auch.

Es gibt dann zwei Möglichkeiten - entweder, nach einer Weile kommt das Gespräch im Thread ganz automatisch zum Hauptthema zurück, oder es weitet sich so aus, dass man dann einen Mod bitten kann, die entsprechenden Beiträge "umzutopfen", um sich in Ruhe in einem eigenen Thread weiter dazu austauschen zu können. Für beide Möglichkeiten gilt: Alles gut. Niemandem wird für ein bisschen Off-Topic der Kopf abgerissen. Es ist darum nicht nötig und sogar eher irritierend, den Inhalt eines Beitrags zu löschen. Das Hauptproblem dabei ist, dass Folgebeiträge, die sich darauf beziehen, was vor dem Editieren dort stand, plötzlich komplett aus dem Zusammenhang gerissen da stehen und es für andere Mitglieder verwirrend wird. Also bitte einfach dazu stehen, wenn es mal vom Thema Abweichendes zu sagen gibt - wie gesagt, es ist normal, in Ordnung und es gibt andere Lösungen dafür, als das Geschriebene zu löschen. Danke!
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: canis lupus niger am 19. Dezember 2014, 19:24:22
Zitat von: Churke am 05. Dezember 2014, 18:50:54
Ja, aber das sollte der/die gute Deutsche nicht verwenden, weil es so herzlos klingt.
Man präsentierte als Synonym dann "Kindlein". Dass diesem Wort der Durchbruch versagt blieb, dürfte nicht nur mit dem 8. Mai '45 zu tun haben, behaupte ich jetzt einfach mal so...  ::)

Äh, ... was? Fehlt mir da der Instinkt für Deine feine Ironie, Churke?
Tut mir Leid, aber vermutlich bin ich nicht "man", denn ein Säugling ist für mich ein Kind, das saugt, also im "Säuglingsalter" ist, also mit Muttermilch ernährt wird. Das hat für mich nicht das Geringste mit den braunen Zeiten zu tun, sondern mit nüchterner Logik.  Das Kindlein mag altersgemäß dann danach kommen, aber für meine pseudomittelalterliche Reihe verwende ich den Begriff Säugling jedes Mal, wenn von einem Muttermilch-ernährten und demnach sehr jungen Kind die Rede ist.

Dass die Bezeichnung im heutigen Sprachgebrauch nicht (mehr) verwendet wird, hängt aus meiner Sicht viel eher damit zusammen, dass der Anglizismus "Baby" wie viele andere auch einfach kürzer ist, im Klang das Wesen eines "Säuglings" besser wiedergibt, und einfach ... netter klingt. Wer würde heute noch die altertümlichen deutschen Begriffe für Event (Ereignis), Telefon (Fernsprecher), Mixer (Rührgerät) etc. verwenden? Für mich ist daher die Bezeichnung "Säugling" absolut logisch, passend und auch unbelastet.

Nicht alles, was Adolfs Sprachhygieniker und Propagandespezialisten missbraucht haben, ist auf ihrem eigenen Mist gewachsen. Vieles haben sie aus sehr viel älteren (und zum Teil ausländischen) Traditionen entlehnt, wie zum Beispiel das indogermanische Sonnenrad, das als "Hakenkreuz" geradezu das Sinnbild des Nationalsozialismus geworden ist. Leider haben sie uns dadurch die Unbefangenheit im Umgang mit unserer eigenen Sprache und Kultur für viele Generationen zerstört. Welcher Däne oder Schwede würde beim Besuch eines Sonnenwend-Feuers, das dort (so wie bei uns in Norddeutschland das Osterfeuer) einfach eine jahreszeitliche Tradition und ein zwangloser Treffpunkt ist, an Nationalsozialismus denken? 
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Churke am 20. Dezember 2014, 00:17:46
Zitat von: canis lupus niger am 19. Dezember 2014, 19:24:22
Äh, ... was? Fehlt mir da der Instinkt für Deine feine Ironie, Churke?
Will mir fast so scheinen.
Ich habe auch nie behauptet, dass das Wort "Säugling" vorbelastet sei, ich habe nur darauf hingewiesen, wie angestrengt und vergeblich nationalsozialistische Sprachwissenschaftler ein passendes Synonym für "Baby" gesucht und schließlich ein Kunstwort kreiert haben.
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: canis lupus niger am 21. Dezember 2014, 18:02:41
Zitat von: Churke am 20. Dezember 2014, 00:17:46
Will mir fast so scheinen.

Puh, dann ist´s ja gut. Vergiss bitte mein obenstehendes Geschwafel. :knuddel:
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Entropy am 08. Juni 2015, 00:38:07
Da ich zur Zeit auch eine historische Geschichte schreibe, möchte ich den Thread mal wieder hervorkramen. Ich denke nicht, dass Autoren von historischen Romanen einen "Extra-Stil", der besonders ausschweifend ist, haben. Es ist einfach wichtig die Atmosphäre zu treffen und da können sich viele Adjektive bezahlt machen. Können, müssen aber nicht. Ich bin mir allerdings auch bei der Wortwahl unsicher. Die Sache mit dem Säugling vs. Baby war mir zum Beispiel überhaupt nicht bewusst. Meine momentane Geschichte spielt vor und während des 1. Weltkrieges.

Fallen euch spontan Wörter unseres heutigen normalen Sprachgebrauchs ein, die damals noch nicht existiert haben oder noch nicht gebräuchlich waren? Damit meine ich jetzt nicht offensichtliche Wörter wie Internet oder Ähnliches, sondern Wörter oder Wendungen bei denen man als Autor auf die Nase fallen kann, weil man nicht denken würde, dass es sie damals noch nicht gab.

Bei vielen historischen Romanen wurde in den Amazon-Rezensionen bemängelt, dass sich die Autoren solche Schnitzer erlaubt haben bzw. keine Grundkenntnisse über die Epoche besitzen und Beispiele aus Literatur, Kunst, Film und Musik erwähnen, die erst Jahre später berühmt geworden sind. Da sollte man auf jeden Fall gründlich recherchieren. Ansonsten kann ich nur sagen, das sich in meinen historischen Geschichten urplötzlich eine Vorliebe dafür entwickelt habe die Kleidung in allen Details zu beschreiben. ;D
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Fianna am 08. Juni 2015, 01:10:09
Mir fällt spontan ein, dass in einigen Fällen gerade englische oder französische Wörter verwendet wurden - konkrete Beispiele habe ich leider nicht zur Hand. Nur den Hinweis, dass eine absolute Vermeidung fremdsprachlicher Wörter ein ebenso großer Fehler sein könnte.

Vielleicht haben die anderen konkretere Wörter parat.
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Churke am 08. Juni 2015, 09:40:44
Zitat von: Fianna am 08. Juni 2015, 01:10:09
Vielleicht haben die anderen konkretere Wörter parat.

Trottoir, Chaussee, Portemonnaie...

Zitat von: Entropy am 08. Juni 2015, 00:38:07
Fallen euch spontan Wörter unseres heutigen normalen Sprachgebrauchs ein, die damals noch nicht existiert haben oder noch nicht gebräuchlich waren

Spontane Liste von Wörtern oder Redewendungen (in moderner Bedeutung) die ich nicht verwenden würde:
Toll, super, geil, krank, fett, hip, angesagt, (die) Märkte, Friedensmission, unsozial, kinderfeindlich, strukturschwach, Kita, undemokratisch...
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Lakota am 08. Juni 2015, 09:45:07
@Entropy:

Es gibt da viele solcher Wörter, richtige Fallgruben. Aber es kommt ja auch drauf an, in welcher Zeit (und welcher Gegend) deine Story spielt.

Ein Glas Wasser hat im Mittelalter wohl selten jemand getrunken. Ein Becher oder Krug war da schon eher das Gefäß der Wahl. Und ob jemand seine Jacke zugeknöpft hat oder sein Gewand festgeschnurrt hatte, sollte man auch differenzieren.

Beispielsweise kannte man früher keine Sackgasse . Das nannte man früher (zumindest ca. 17xx) Kehrwiedergasse. Aber es mag durchaus sein, dass man dafür im Jahre 12xx noch gar keinen Begriff hatte.
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Belle_Carys am 08. Juni 2015, 10:46:30
Ich denke es gibt immer Dinge, über die man potentiell stolpern kann. Es wird auch immer Leser geben, die mehr wissen als du, und irgendetwas finden was vielleicht anders war.  Eine solide Recherche ist wichtig, aber es gibt einen Rahmen, über den das oft einfach nicht hinaus gehen kann, wenn man irgendwann zum Schreiben kommen will.

Was für mich grundsätzlich sehr wichtig ist, ist dass ein Offizier in WW I zum Beispiel nicht spricht wie ein Captain der Army zur heutigen Zeit. Dass der Umgang zwischen Männern und Frauen nicht ganz so auf (relativer) Augenhöhe war wie heute, und sich das vermutlich auch in der Sprache ausdrückt. Dass der Respekt vor Autorität, die teilweise auch schlichtweg durch das Alter des Gegenüber gegeben war, damals eine größere Rolle gespielt hat als heute, was sich wiederum ebenfalls auch und gerade über die Kommunikation ausdrückt. Für mich muss die Gesamtheit stimmen, es muss mir das Gefühl vermitteln, in diese Zeit versetzt zu werden. Wenn da jemand "Internet" sagt, ist das natürlich ein Problem. Ob derjenige jetzt Baby oder Säugling sagt, wäre für mich noch kein katastrophaler Stolperstein.

Am besten kann man sich vermutlich gerade für solche Zeiten einfach ein wenig in die Literatur der Zeit einlesen. Und damit meine ich nicht unbedingt das, was bis heute im Rahmen der Höhenkammliteratur überlebt hat, sondern einfache Belletristik. Denn nicht alle hatten den Wortschatz eines Zweig oder Rilke. Man entwickelt ja auch bei der Recherche ein gewisses Gefühl für die Zeit und ichfinde, dann entsteht auch ein Verständnis dafür, was angemessen ist und was nicht. Und wenn du dir bei einem bestimmten Wort dann wirklich unsicher bist, ob das in dem Kontext schon verwendet wurde, kannst du es ja immer noch recherchieren.
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Pygmalion am 08. Juni 2015, 12:35:45
@Lakota : DAs ist wieder ein Problem, wenn man das Mittelalter als Zeit ohne Entwicklung auffasst. Knöpfe gab es im Spätmittelalter durchaus in der Verwendung, sie zum zuknöpfen zu benutzen und wurden auch immer häufiger benutzt. Im Frühmittelalter hingegen nicht.

Ich vermute, dass es das Konzept der Sackgasse im Mittelalter auch einfach gar nicht gab. Mir ist kein einziger Stadtplan bekannt, wo eine Straße einfach so endet. Man kam immer von einer Straße in die nächste. Deswegen brauchte man dafür vermutlich auch nicht so häufig ein Wort. Vielleicht trifft das noch auf die Rundlingsdörfer zu, aber das sind ja nicht wirklich Sackgassen, sondern eher "Sackdörfer" mit zentralem Platz... :P

In die Literatur einlesen geht beim 1. WK natürlich noch ganz gut, wenn du aber deutlich weiter zurückgehst, wird das schon schwieriger, weil es da einfache Belletristik so gut wie gar nicht gibt. Da kann das durch die Literatur überlieferte ein Bild projezieren, das eine reine Schriftsprache wiedergibt, die aber die Leute nie benutzt haben. Letztlich kommt es für mich auch darauf an, ob die Leute selbst in ihrer Zeit sind und sich so verhalten. Ein normaler, mittelalterlicher Mensch kennt einfach nicht die Ideen von Demokratie und Pazifismus. Für den ist Fehde und Krieg nichts wirklich verdammungswürdiges, wenn es den Regeln entspricht. Von daher ärgern mich immer so Figuren, die den Krieg ganz doll hassen und Pazifismus herbeisehnen.
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Churke am 08. Juni 2015, 13:05:13
Zitat von: Pygmalion am 08. Juni 2015, 12:35:45
Ich vermute, dass es das Konzept der Sackgasse im Mittelalter auch einfach gar nicht gab. Mir ist kein einziger Stadtplan bekannt, wo eine Straße einfach so endet.

Dann warst du noch nicht in Speyer.  ;)
http://www.stadtplan.net/branchenbuch/results.php?stadtplan=/deutschland/rheinland-pfalz/speyer/speyer
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Lakota am 08. Juni 2015, 13:17:45
Oder in Münster/West. ca. 1750.
Sackgassen gab es durchaus und gar nicht mal so selten. Manchmal endeten sie direkt vor der Stadtmauer.
@Pygmalion:
ZitatIn die Literatur einlesen geht beim 1. WK natürlich noch ganz gut, wenn du aber deutlich weiter zurückgehst, wird das schon schwieriger, weil es da einfache Belletristik so gut wie gar nicht gibt.
Ich habe viel in den Bibliotheken nach alten Schriften gesucht. Dazu muss man die alte Kurrentschrift lesen können, was nicht immer so leicht ist.

Die Sprache ändert sich aber wirklich sehr mit der Zeit. Man lese nur mal etwas von Karl May, wie distanziert und höflich sich Old Shatterhand und Co. dort unterhalten (und gedacht) haben. Nur würde man heute kein Buch mehr loswerden, würde man die Sprache übernehmen. Das Lesepublikum lebt ja heute.
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Belle_Carys am 08. Juni 2015, 21:54:06
ZitatIn die Literatur einlesen geht beim 1. WK natürlich noch ganz gut, wenn du aber deutlich weiter zurückgehst, wird das schon schwieriger, weil es da einfache Belletristik so gut wie gar nicht gibt.

Ja klar. Das war jetzt auch wirklich auf das Beispiel bezogen. Ich halte das ohnehin nicht für die perfekte Lösung, dabei geht es mehr darum ein Gefühl für die Zeit zu bekommen. Aber gerade wenn man, wie ich es in meinem aktuellen Projekt gerade auch tue, ins Mittelalter zurück geht, wird es schwierig. Höfische Literatur ist idealisierte Literatur. Sie gibt ein "wie soll es sein" wieder und nicht zwingend einen Ist-Zustand. Und die Sprache der einfachen Bevölkerung und selbst der Landadligen ist für uns einfach kaum greifbar. Schriftsprache weicht ja auch heute vom gesprochenen Wort ab. Deshalb würde ich prinzipiell dazu raten, sich nicht zu verkünsteln. Ja, es gibt natürlich einen Unterschied zu einem Jugendbuch oder auch nur einem Roman der zur heutigen Zeit spielt. Jede Epoche hat prägnante Dinge, die beachtet werden wollen. Aber gerade viele historische Autoren brechen sich dann oft einen daran ab, möglichst "originalgetreu" zu schreiben, obwohl es überhaupt keine Vorlage gibt. Zwischen dem Extrem und der Vermeidung von Anachronismen liegt ein weites Feld.

Zitat
Die Sprache ändert sich aber wirklich sehr mit der Zeit. Man lese nur mal etwas von Karl May, wie distanziert und höflich sich Old Shatterhand und Co. dort unterhalten (und gedacht) haben. Nur würde man heute kein Buch mehr loswerden, würde man die Sprache übernehmen. Das Lesepublikum lebt ja heute.

Das ist, wie ich finde, ein elementarer Punkt. Ich kann noch so historisch korrekt und nahe an jedem Manuskript, dass ich ausgegraben habe, sein. Wenn es dann für meinen Leser nicht lesbar ist, weil er auf Grund der Sprache keinen Zugang zum Text findet, hat am Ende keiner gewonnen. Es ist ein Balanceakt.
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Franziska am 08. Juni 2015, 22:30:58
Ich stimme euch da zu, ich meine, es bringt wirklich nichts, wenn man sich haargenau an die Sprache der Zeit hält und es niemand lesen kann. En paar altmodische Wörter sind für die Atmosphäre ganz schön, aber ich sehe es auch so, dass man das für die Leser heute übersetzt und da finde ich es auch nicht so schlimm, wenn man Wörter benutzt, die es zu der Zeit noch nicht gab. Abgesehen eben von ganz eindeutigen Fehlern, wie das mit der Sackgasse oder wenn man Vergleiche mit Personen zieht, die zu der Zeit noch gar nicht gelebt haben, oder Dingen, die nicht erfunden waren. Aber bei Worten, wo man schon Linguist sein muss, um das zu wissen, finde ich es nicht so schlimm, wenn man sie verwendet. Ich hatte das "Problem", dass mein Text in England spielt, soll ich dann nur Wörter verwenden, die zu der gleichen Zeit in Deutschland verwendet wurden? Das kam mir dann auch unsinnig vor, denn eigentlich übersetzte ich dann ja die ganze Zeit die Dialoge aus dem Englischen. Hätte ich es ganz genau genommen, hätte ich wirklich alles erst in Englisch schreiben müssen und dann gucken, ob es die Wörter dann auf englisch so gab ... das habe ich mir gespart.
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: DoroMara am 08. Juni 2015, 22:52:33
ZitatBei vielen historischen Romanen wurde in den Amazon-Rezensionen bemängelt, dass sich die Autoren solche Schnitzer erlaubt haben bzw. keine Grundkenntnisse über die Epoche besitzen und Beispiele aus Literatur, Kunst, Film und Musik erwähnen, die erst Jahre später berühmt geworden sind. Da sollte man auf jeden Fall gründlich recherchieren.

Als Leserin hat es mich bei historischen Romanen auch schon gestört, wenn Personen Auflassungen vertraten, die nicht in diese Zeit passen, sondern eher modern sind. Auch Fensterscheiben im Frühmittelalter haben mich schon verblüfft. Sonst ist mir aber schon aufgefallen, dass Rezensenten auch schon angegeben haben: Ich weiss es eben besser als der Autor ... und sich dann in Haarspaltereien verloren.
Recherche ist sehr wichtig, doch einmal muss man eben loslegen. Und was die Sprache betrifft, sind wir wirklich in einer Zwickmühle. Aus der Zeit des Ersten Weltkrieges gibt es wenigstens viel Literatur, aus der man sich inspirieren lassen kann.
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: canis lupus niger am 10. Juni 2015, 18:42:44
Zitat von: Lakota am 08. Juni 2015, 13:17:45
Nur würde man heute kein Buch mehr loswerden, würde man die Sprache übernehmen. Das Lesepublikum lebt ja heute.

Das ist auch mein Hauptkriterium für die Sprachwahl in meinen Geschichten. Natürlich versuche ich Ausdrücke, die im Mittelalter noch nicht bekannt gewesen sein können, zu vermeiden, z.B. Anglizismen oder Worte. die sich auf Aspekte des modernen Lebens (Technik, Wissenschaft) beziehen. Den häufig gebrauchten Begriff "Mutant" in Sapkowskis Hexer-Reihe würde man in meiner Reihe nicht finden. Andererseits spielt mein Prota ein Instrument, dass es im Mittelalter noch nicht gab: eine Gitarre. :versteck:  Aber ich wollte, dass der Leser sich die erzeugte Musik vorstellen kann, und wer weiß heutzutage noch, wie eine Laute klingt?

Und ich möchte auch, dass meine Geschichten leicht und angenehm lesbar sind, deshalb wähle ich die Sprache zwar nicht nach dem heutigen Jugendslang, aber grundsätzlich schon einigermaßen modern. Wenn ich die Wahl habe, entscheide ich mich für den altmodischeren Ausdruck, wie z.B. "Augenblick" statt "Moment". Aber nur, wenn auch der altmodischere Ausdruck heutzutage noch geläufig ist. Die Sprache soll schon die Zeit, die Situation und die soziale Position der Charaktere abbilden, aber der Leser soll sie auch verstehen können. Richtig "stilgerechte" Sprache würde m.E. heutzutage kaum noch jemand gerne lesen wollen, bis auf die echten Nerds. Mich persönlich strengt schon die Sprache des 19. Jahrhunderts (wie bei Karl May, aber auch Jules Verne und anderen) so an, dass der Lesefluss stark gebremst wird.
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Sanjani am 10. Juni 2015, 19:23:20
Ich hoffe, ich spucke jetzt niemandem in die Suppe, aber ich finde keins der von Follett oder Gablé auf seite 1 zitierten Beispiele besonders ungewöhnlich oder altmodisch und schon gar nicht kennzeichnet für historische Romane. Ich selber hab unter meinen Arbeitskollegen den Ruf weg, zu einer gewissen pathetischen, reißerischen oder auch altmodischen Sprache zu tendieren, halte meine Romane selber aber nicht für besonders altmodisch, was den Stil angeht. Ich finde, man muss da auch einfach die Kirche im Dorf lassen.

Ich muss aber sagen, dass ich angefangen habe, mehr auf Sprache zu achten, seit eine Betaleserin mir mal bei einem Fantasy-Werk gesagt hat, ich würde so neumodische Wörter benutzen. Ich habe dann daraus den Schluss gezogen, dass es vielleicht netter ist, jemanden einen Hurensohn zu nennen als einen Wichser und ähnliches :) Und die Anglizismen fliegen komplett raus, was ich in historischen Romanen auch machen würde.

Was moderne Auffassungen angeht, bin ich da nicht so streng. Ich bin mir sicher, dass es auch früher schon Freigeister gegeben hat, die mit den herrschenden Zuständen nicht klar gekommen sind und sich dagegen aufgelehnt haben, sei es im Kleinen, als auch im Großen. Ich glaube nicht, dass der Mensch sich in den letzten 2000 Jahren von grundauf verändert hat. Und ohne Freigeister und Querdenker wären wir heute immer noch Jäger und Sammler. Und mal ehrlich: Wer will einen historischen Roman über eine Hausfrau lesen, die nichts anderes zu tun hat als den Haushalt zu führen, Kinder groß zu ziehen und abends ihrem Mann zu Diensten zu sein?

LG Sanjani
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Ratzefatz am 10. Juni 2015, 21:53:02
ZitatUnd ohne Freigeister und Querdenker wären wir heute immer noch Jäger und Sammler. Und mal ehrlich: Wer will einen historischen Roman über eine Hausfrau lesen, die nichts anderes zu tun hat als den Haushalt zu führen, Kinder groß zu ziehen und abends ihrem Mann zu Diensten zu sein?
Ich glaube - wenn ich DoroMara richtig verstehe -, es geht eher darum, dass das in manchen Epochen nun mal das idealtypische Rollenbild war. Klar kann die Heldin andere Ansichten haben, aber a) sollten die dann gut begründet sein (warum denkt gerade sie anders als der Rest der Welt?) und b) sollte ihr Umfeld dann auch entsprechend darauf reagieren. Zum Beispiel: Wenn eine Frau heute nicht heiraten und keine Kinder will, ist das durchaus normal. Wenn eine Frau in einer solchen Zeit, wie du sie beschreibst, lieber single und kinderlos bleiben wollte, hätte vermutlich zumindest ein Teil ihres Umfelds mit Entsetzen und Unverständnis reagiert - immerhin hätte sie quasi die ihr zugeteilte Aufgabe verweigert -, und natürlich stellt sich auch die Frage, was deine Heldin stattdessen mit ihrem Leben anfangen will. So viele Möglichkeiten gab es da ja früher noch nicht ...
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Churke am 10. Juni 2015, 21:59:32
Zitat von: Sanjani am 10. Juni 2015, 19:23:20
Ich habe dann daraus den Schluss gezogen, dass es vielleicht netter ist, jemanden einen Hurensohn zu nennen als einen Wichser und ähnliches :)

Äh, nein. Beim "Hurensohn" beleidigst du nicht ihn, sondern seine Mutter, und in manchen Kulturkreisen wirst du dafür gemessert.
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Sanjani am 10. Juni 2015, 22:29:16
@Ratzefatz: Hatte ich nicht so gelesen, vllt weil sich das für mich eh versteht, dass man das klar begründen muss. Wenn das ein Autor nicht macht, hat er aus meiner Sicht einfach sein Handwerk nicht ausreichend drauf.

@Churke: Keine Ahnung. Das war ja nur ein Beispiel, das mir spontan eingefallen ist, das ich in historischen Romanen gelesen habe.

LG Sanjani
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: canis lupus niger am 12. Juni 2015, 13:38:07
Negativbeispiel für nicht begriffenes Handwerk sind die emanzipierten (und trotzdem akzeptierten) Frauen in den Ini-Lorentz-Romanen. ::)
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Sanjani am 12. Juni 2015, 20:22:28
Zitat von: canis lupus niger am 12. Juni 2015, 13:38:07
Negativbeispiel für nicht begriffenes Handwerk sind die emanzipierten (und trotzdem akzeptierten) Frauen in den Ini-Lorentz-Romanen. ::)

Also die Wanderhure hab ich sehr gerne gelesen und fand sie auch ganz gut. Ich bin da vielleicht nicht so anspruchsvoll. :) Allerdings merke ich gerade, dass ich mich an überhaupt nichts mehr aus dem Buch erinnere. Insofern gehört es wohl zu dem Gros an Büchern, die ich ganz nett fand, die aber keinen bleibenden Eindruck hinterlassen haben.
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: DoroMara am 20. Juni 2015, 22:23:28
ZitatUnd mal ehrlich: Wer will einen historischen Roman über eine Hausfrau lesen, die nichts anderes zu tun hat als den Haushalt zu führen, Kinder groß zu ziehen und abends ihrem Mann zu Diensten zu sein?

Hmm, wäre vielleicht mal ganz spannend, aufzuschreiben, was im Kopf einer solchen Frau vorgeht ...

Ich wollte jedoch sagen (danke Ratzefatz), dass ein Freigeist von früher für heutige Verhältnisse vielleicht total konservativ war oder dass er sich für etwas eingesetzt hat, was heute vielleicht selbstverständlich ist. Und dass man diese "historische" Haltung und die Haltung des Umfeldes als Autor/in deutlich darstellen muss.

Um die Ini-Lorentz-Romane mache ich einen Bogen - verpasse ich da was?
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Churke am 20. Juni 2015, 23:07:07
Zitat von: DoroMara am 20. Juni 2015, 22:23:28
Hmm, wäre vielleicht mal ganz spannend, aufzuschreiben, was im Kopf einer solchen Frau vorgeht ...

Nicht nur im Kopf. Der Job im Haus ist nicht gerade einfach - und möglicherweise abwechslungsreicher als Männes Arbeit auf dem Feld oder in der Werkstatt. Eine Familie ist eine Wirtschaftsgemeinschaft, und gerade wenn ER auswärts beschäftigt ist, muss SIE im Backoffice ihren Mann stehen  ;) damit der Laden läuft. Das war nichts Besonderes, sondern wurde eher erwartet.

Die Atia in der Serie "Rome" ist offiziell auch nur eine römische Matrone, die sich um den Haushalt und die Kinder kümmert.  ;D
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: KaPunkt am 21. Juni 2015, 00:06:00
Muster Beispiel wäre da in meinem Augen Katharina von Bora, die ihrem verkopften Martin Luther den Haushalt geschmissen und daraus ein florierendes Unternehmen gemacht hat (inklusive Studentenwohnheim)
Aber von der gibt es doch bestimmt schon irgendwelche guten Roman-Biographien?  ???
So einen Stoff lässt sich doch keiner entgehen?

Liebe Grüße,
KaPunkt
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Fianna am 21. Juni 2015, 01:09:21
Frauen waren aber nicht immer auf den Haushalt beschränkt. Es gab zu verschiedenen Zeiten und Kulturkreisen die Möglichkeit, das Geschäft/Handwerk des verstorbenen Mannes weiter zu führen oder ins Familiengeschäft einzusteigen.

Hinzu kommen Gesetzlose und Militärs, wo es auch erstaunlich viele (bekannte oder verborgene) Frauen gab. Ich wollte mal eine Liste erstellen mit den namenlosen Frauen, deren Geschlecht erst nach ihrem Tod bemerkt wurde - eines war glaube ich in Portugal und im 20. Jh., ein Offizier oder zumindest Unteroffizier der Armee.
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Tigermöhre am 21. Juni 2015, 12:31:09
Ich habe mal einen historischen Krimi gelesen. Da ging es darum, dass ein Arzt einen Mord aufklären sollte, der bei ihm Zuhause passiert ist. Seine Cousine, die seinem Haushalt vorsteht, möchte das auch klären, wobei ihr Cousin nichts davon weiß. Beide laufen unabhängig voneinander herum und befragen Leute. Der Arzt hochoffiziell die Männer, seine Cousine plaudert mit den Frauen, während sie ihren Pflichten als Haushaltsvorsteherin nachkommt. Beide kommen auf unterschiedliche Mörder aus unterschiedlichen Motiven.
Ich fand das Buch sehr faszinierend, da es die Parallelgesellschaften der Männer und Frauen darstellt und die Cousine, trotz ihrer Recherche nicht aus ihrer Rolle der damaligen Frau rausfällt.
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Sascha am 21. Juni 2015, 13:03:24
Zitat von: Fianna am 21. Juni 2015, 01:09:21
Ich wollte mal eine Liste erstellen mit den namenlosen Frauen, deren Geschlecht erst nach ihrem Tod bemerkt wurde - eines war glaube ich in Portugal und im 20. Jh., ein Offizier oder zumindest Unteroffizier der Armee.
So wie in Terry Pratchetts "Weiberregiment"? Ich hab das immer für einen netten Mythos gehalten (siehe auch einige Filme mit Lilo Pulver und so), weil ich mir nicht vorstellen kann , daß sowas nicht auffällt. Also, die wenigsten Frauen (vor allem jüngere) sehen doch wirklich so aus, daß man sie mit Männern verwechseln könnte. Und grad beim Militär gibt es doch Untersuchungen. Faszinierend, daß das nicht aufgefallen ist.
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: KaPunkt am 21. Juni 2015, 13:12:40
Als ich vor Jahren 'Die Päpstin' gelesen habe, stand da einiges zu im Nachwort.
So als Recherche Start vielleicht zu gebrauchen.

Liebe Grüße,
KaPunkt
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Cairiel am 21. Juni 2015, 13:19:11
Zitat von: Sascha am 21. Juni 2015, 13:03:24
So wie in Terry Pratchetts "Weiberregiment"? Ich hab das immer für einen netten Mythos gehalten (siehe auch einige Filme mit Lilo Pulver und so), weil ich mir nicht vorstellen kann , daß sowas nicht auffällt. Also, die wenigsten Frauen (vor allem jüngere) sehen doch wirklich so aus, daß man sie mit Männern verwechseln könnte. Und grad beim Militär gibt es doch Untersuchungen. Faszinierend, daß das nicht aufgefallen ist.
Na ja, lieber Sascha: Du denkst jetzt vermutlich an Frauen, die es nicht versuchen.

Ich kenne ja einige Transsexuelle, auch solche, die noch ganz am Anfang ihres Weges stehen, und gerade die Sportlichen haben selten Probleme, als Mann durchzugehen, obwohl sie noch keine Hormone bekommen und keine OPs hinter sich haben. Und beim Militär wird man ja tendenziell eher sportlich sein.  ;)  Haare kurz, weniger Speck = kaum Rundungen und die kann man problemlos kaschieren, mehr Muskeln, Stimme verstellen - da kann man einiges machen. Und mit einem selbstsicheren Auftreten stellt es auch keiner infrage, wer man ist.
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Sanjani am 21. Juni 2015, 13:28:08
@Sascha: Ich denk mal, wer nicht sehen wollte, dass da eine Frau vor ihm steht, der hat es auch einfach nicht gesehen.

Offensichtlich zeigt die Geschichte, dass Frauen oft alles andere als gehorsam und unterwürfig waren. Einen Haushalt zu einem Unternehmen anwachsen zu lassen, geht ja auch nur, wenn ich ein Stückweit freie Hand habe und mein Ehemann mir vertraut, dass ich das richtige tue.

VG Sanjani
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Fianna am 21. Juni 2015, 14:00:29
Zitat von: Sascha am 21. Juni 2015, 13:03:24
So wie in Terry Pratchetts "Weiberregiment"?
Terry Pratchett erfindet nicht, er verqirlt mythologische und historische Fakten. Das macht seine Bücher so reizvoll für mich, es gibt Tausende von Bezügen.

Wenn man die primär wahrgenommenen Merkmale (wie lange Haare, Rundungen, Kleidung und anerzogenes Auftreten) kaschieren kann, hat man vermutlich schon gewonnen. Das Schwierigste dürften Verwundungen sein sowie im nautischen Sinne sexueller Missbrauch; wenn man in einem bestimmten Alter aufs Schiff kam, ist diese Gefahr aber eher im gesetzlochen Bereich gegeben und nicht in der Marine.
Catalina de Erauso (Konquistadorenarmee) verfügt auch von Haus aus über eine ziemlich markante Nase, sowas ist dann natürlich auch immer hilfreich: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/9/9f/Catalina_de_Erauso.jpg/220px-Catalina_de_Erauso.jpg (https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/9/9f/Catalina_de_Erauso.jpg/220px-Catalina_de_Erauso.jpg)

Es gibt sogar eine Frau, deren militärische Leistungen anerkannt wurde: sie wurde ehrenhaft mit einer Pension entlassen, nachdem sie ihre Identität offenbarte. Hannah Snell. In Diensten sind ein Dutzend Verwundungen dokumentiert, wobei sie die schwerste wohl an Land auskurierte; es gibt da Spekulationen, dass sie sich von einer einheimischen Frau versorgen ließ.

Für Frauen im nautischen Bereich gibt es ein ziemlich gutes Buch von J.D. Davies.


EDIT:
Eigentlich wollte ich mal eine Liste mit allen Büchern anlegen, die wir so zum schnellen Nachschlagen besitzen (alleine ich habe hundert oder so), dann kann man von einem anderen TiZi erfahren, ob das anvisierte Buch für das zu recherchierende Thema lohnend ist, bevor man es sich umständlich per Fernleihe besorgt - oder kleinere Auskünfte kann man durch einen "Fernblick" vielleicht schon bekommen.

2012 war mal im "Threads die mir noch fehlen"-Thread so eine Überlegung, die abgelehnt wurde, aber ich hatte den Eindruck, inzwischen gibts mehr historisch-phantastische Projekte, die im Tizi bearbeitet werden... Also wer Interesse hat, kann ja mal Laut geben, dan fange ichs an.
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Churke am 21. Juni 2015, 18:46:30
Zitat von: Sanjani am 21. Juni 2015, 13:28:08
@Sascha: Ich denk mal, wer nicht sehen wollte, dass da eine Frau vor ihm steht, der hat es auch einfach nicht gesehen.

Vielleicht ist das auch eine Frage der Erfahrung. Wenn man die Geschlechter stärker trennt und ihnen angestammte Rollenbilder zuweist, fehlt den Leuten möglicherweise der Blick für sowas.
Es gibt da eine orthodoxe Heilige, die in die Armee eintrat, um die Familie vor dem Ruin zu retten. Die Sache kam erst heraus, nachdem man sie wegen einer angeblichen Vergewaltigung  ::) hingerichtet hatte.
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Sascha am 22. Juni 2015, 10:58:29
Schon interessant ... Ja, klar, die Erwartungshaltung macht viel aus. Wenn ich mir das Bild von dieser Hannah Snell anschaue, dann sieht sie schon nach Frau aus. Allerdings wußte ich es ja jetzt. Ansonsten hätte ich womöglich auch gesagt "Na, der Typ sieht aber schon etwas weiblich aus.". Und das denke ich bei Bildern aus dieser Zeit öfter mal, grad bei den "wohlgenährten" Männern höheren Standes. Wobei das nur ein Bild ist, im täglichen Umgang nichts zu merken, finde ich dann doch heftig.
Bei Catalina de Erauso ... naja, wäre als Kerl auch häßlich gewesen. :versteck:

Zitat von: Churke am 21. Juni 2015, 18:46:30
Die Sache kam erst heraus, nachdem man sie wegen einer angeblichen Vergewaltigung  ::) hingerichtet hatte.
Tja, ein weiteres Beispiel dafür, daß die Todesstrafe Quark ist. Klarer Beweis der Unschuld, nur leider zu spät.

Irgendwie ist die Diskussion jetzt ziemlich OT geworden, es ging doch um den Erzählstil.
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Franziska am 22. Juni 2015, 15:56:13
Ich weiß gerade nicht, wie ihr darauf gekommen seit, aber nur, weil mir das gerade einfällt: Fianna hat recht. Es gab immer Frauen, die Männerrollen eingenommen haben. Ich habe mal eine Doku gesehen, da kam eine Frau vor, die als männlicher General oder so an der Entdeckung oder an den ersten Kriegen in Südamerika beteiligt war. Leider erinnere ich mich nicht mehr um die Details.  Ob die Leute das nun bemerkt oder ignoriert haben, das ist nicht unrealistisch. Fast alle Kulturen haben auch Mechanismen, die es erlauben, die Genderrolle des anderen "Geschlechts" anzunehmen.
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Moni am 23. Juni 2015, 14:31:06
Das Thema scheint doch auf Interesse zu stoßen, macht doch damit gerne einen Thread im Workshop auf wenn es um die handwerkliche Umsetzung geht. Aber hier bitte weiter mit dem Erzählstil.  :wache!:
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Sascha am 24. Juni 2015, 10:53:07
Also, wieder ganz back to topic:
Ich lese seit gestern "Tarean - Sohn des Fluchbringers" von Bernd Perplies. Und ich muß sagen, es ist auf Dauer etwas anstrengend. Jetzt ist das nicht mal wirklich ein historischer Roman, sondern nur ein mittelalterliches Setting mit Burgen und Schlössern, Schwertern und Streitkolben usw. Aber er hat sich redlich Mühe gegeben, eine altertümlich klingende Sprache zu verwenden, was, wie gesagt, auf Dauer recht anstrengend ist. Beispiel für wörtliche Rede:
ZitatUnd eile dich; es könnten viele Leben davon abhängen. Doch vor allem werde keinen Augenblick unaufmerksam. Es heißt, vereinzelte Wolflingbanden streifen seit Kurzem durch die Gemarkung und überfallen Wanderer.
Oder hier:
ZitatGibt es sonst noch etwas, das uns mitzuteilen Euch aufgetragen wurde?
Puh. Richtig ist es, aber ganz schön gedrechselt für meinen Geschmack.

Es geht auch im Erzähltext ein bißchen so weiter, wenn auch nicht ganz so krass. Beispiel:
ZitatSolange er sich erinnern konnte, lebte er schon bei seiner Ahne und ihrem Gemahl Urias auf Burg Dornhall im Almental.
Die Frau ist einfach nur seine Großmutter, wie man später herausfindet. Warum "Ahne"?
Und ein noch dazu grusliger Schachtelsatz (die liebt der Autor):
ZitatDie Waffe war an sich schlicht, aber gut verarbeitet, einem Jungen, der zwar erst in der Ausbildung zum Krieger war, sich andererseits indes in harten Zeiten wie diesen verteidigen und dabei auf sein Handwerkszeug verlassen können musste, durchaus angemessen.
"andererseits indes". Häh? ???

Also ehrlich, dann lieber eine nicht ganz so auf's Setting ausgerichtete, aber dafür leichter verdauliche Sprache.
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Churke am 24. Juni 2015, 15:33:02
Alterthümlich [Hinweis: das ist kein Rechtschreibfehler] klingen sollend ist Käse. Sowas haben die Heimatautoren im Kaiserreich auch gemacht (z.B. Ernst Zahn). Damals hielt man das für Literatur, heute findet man es peinlich. Und das war wahrscheinlich besser gemacht als der Sohn des Fluchbringers.

Sprache ist ein Code und normalerweise klar und einfach. Schließlich soll der Empfänger die Nachricht verstehen. Schwierige Grammatik und komplizierter Satzbau funktionieren nur, wenn sie sich an darin geübte Adressaten richten.

Wenn man also einen Stil importiert, dann muss man auch den Empfängerhorizont mitimportieren, sonst hat das keinen Sinn.
Das klassische Latein zum Beispiel, das in der Schule gelehrt wird, ist eine Kunststprache der senatorischen Oberschicht. So sprach nur, wer dazugehörte oder dazugehören wollte, und das waren nicht besonders viele.
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Belle_Carys am 24. Juni 2015, 19:04:59
@Sascha  Das ist ja grauenahft! Ich finde es ja schwierig eine Faustregel dafür aufzustellen, wie historische Romane denn nun "klingen" sollen... für mich lässt sich allerdings sagen: so bitte nicht.
Ich stecke grad selber in den Anfängen eines rein historischen Projekts das im Mittelalter spielt und habe absolut keine Ambitionen, mich so zu verklausulieren. Das historische Flair ergibt sich glaub ich auch wirksam genug, wenn man einfach die Zustände der Zeit, das Weltbild, die sozialen Gefüge (die sich natürlich auch in der Kommunikationsform, und somit häufig zu Teilen auch in der verwendeten Sprache widerspiegeln) und was halt sonst noch so dazu gehört gut einfängt und beschreibt. Wenn man das wirken lässt, und sich grobe Schnitzer der anachronistischen Art spart, kommt dabei meist schon durchaus was brauchbares heraus.
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: DoroMara am 24. Juni 2015, 22:37:54
Ich bin Churkes Meinung: Ich glaube nicht, dass man im Mittelalter so verschachtelt gesprochen hat, wie Sascha oben zitierte. Ich nehme sogar an, dass man in sehr einfachen Satzstrukturen gesprochen hat. Selbstverständlich waren sehr viel Ausdrücke anders.

Die wenige Literatur, die wir aus dem Mittelalter kennen, ist nicht so verschachtelt. Und wenn, dann hat man dies von der Antike abgeschaut, wo das Verschachteln eine Kunstform war. Ich nehme aber an, dass auch die Römer viel einfacher gesprochen haben, als (teilweise) geschrieben.
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Greifenherz am 26. Juni 2015, 17:02:12
Zitat von: DoroMara am 24. Juni 2015, 22:37:54
Die wenige Literatur, die wir aus dem Mittelalter kennen, ist nicht so verschachtelt. Und wenn, dann hat man dies von der Antike abgeschaut, wo das Verschachteln eine Kunstform war. Ich nehme aber an, dass auch die Römer viel einfacher gesprochen haben, als (teilweise) geschrieben.

Das hat Churke, wie ich finde, schon richtig auf den Punkt gebracht:

Zitat
Das klassische Latein zum Beispiel, das in der Schule gelehrt wird, ist eine Kunstprache der senatorischen Oberschicht. So sprach nur, wer dazugehörte oder dazugehören wollte, und das waren nicht besonders viele.

Ein sehr schönes Beispiel sind hier sicher die Reden Ciceros, bei denen man davon ausgehen kann, dass er sie niemals in der Form gehalten hat, wie wir sie heutzutage vorliegen haben. Die Texte, mit denen wir uns in der Schule/im Studium beschäftigen, sind alle Überarbeitungen. Zwischen der tatsächlich gehaltenen Rede und der Veröffentlichung ihrer ausgearbeiteten Version konnten oft mehrere Monate liegen. Und natürlich hat Cicero es sich nicht nehmen lassen, alle rhetorischen und stilistischen Tricks, die er kannte, nachträglich einfließen zu lassen, um seinen Ruf als begnadeter Redner zu festigen - mit Erfolg (wir sprechen ja nicht umsonst bei der sog. goldenen Latinität vom "ciceronischem" Latein).

Um jetzt aber endlich wieder auf den Erzählstil in historischen Romanen zurückzukommen: Heutige Leser erwarten ganz sicher keine eins zu eins Kopie eines mittelalterlichen oder aus welcher Epoche auch immer stammenden Stils. Sprache vermittelt ja auch immer eine Weltanschauung. Das "Gesicht" ist zum Beispiel alles, was ich sehen kann, das "Antlitz" hingegen "das Entgegenblickende", also etwas wesentlich aktiveres. Hier und da ein paar alterthümliche Begriffe einzustreuen, verleiht dem Roman mehr Authentizität und macht ihn atmosphärisch dichter. 
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Coppelia am 26. Juni 2015, 20:04:30
Sorry, kleiner Cicero-Exkurs :zensur:, aber unten steht vielleicht noch was Hilfreiches.

Was die senatorische Sprache betrifft, würde ich Churke zustimmen. Ich kenne die Theorie, Ciceros Reden seien nicht so gehalten worden, wie sie veröffentlicht sind, und ja: Einige der Reden wurden nie (so) gehalten. Einige haben Stellen, bei denen man mit Recht vermuten kann, dass sie nachträglich verändert wurden. Aber ich persönlich bin mit anderen Forschern der Meinung, dass die meisten Reden in etwa so gehalten wurden, wie sie veröffentlicht wurden. Unter anderem wurden sie ja veröffentlicht, damit - nach Ciceros eigener Aussage - angehende Redner etwas daraus lernen konnten. Die Sprache war auch nicht immer gleich hochgestochen. Es gab verschiedene Stilebenen, und der Redner musste sich seinem Publikum stilistisch anpassen. Und rhetorische Kniffe machen sich ohnehin weniger sprachlich bemerkbar, sondern dienen der Manipulation der Zuhörer. Die mussten sitzen, wenn die Rede gehalten wurde. Ciceros Sätze können gut verstanden werden, wenn Klarheit nötig ist; sie sind verwirrend, wenn der Zuhörer im Dunkeln gelassen werden soll.

Wenn man sich Ciceros Briefe anschaut, die zum Teil Elemente aus der Umgangssprache enthalten, sieht man da natürlich viele Unterschiede zu den Reden, aber auch viel Ähnliches. Unter anderem ellenlange Sätze, Sprachspiele, jede Menge Humor, fremdsprachige Einlagen und überhaupt viel von der großen Sprachbegabung des Autors in all ihren Spielarten. :)
Ich bin ziemlich sicher, dass Cicero privat auch recht "ciceronisch" gesprochen hat. Und dass er auch so gedacht hat. Dass ihm all die prachtvollen Sätze flüssig von der Zunge und von der Feder und durch den Kopf gingen. Aber ich persönlich halte sein Sprachtalent für außergewöhnlich, nicht für repräsentativ. Es sind Briefe von seinen Zeitgenossen erhalten, die sich doch recht von dem unterscheiden, was er schreibt. Sein eigener Sohn schreibt in moderat langen, leicht verständlichen Sätzen, was er in seinem Studienort Athen erlebt. Sehr zum Gaudi der Studenten schreibt Jung-Cicero sogar so, dass man ihm im Grammatikkurs Doppelfehler anstreichen müsste. :rofl:

Was ich damit sagen will: Dass die Bildung des Perspektiventrägers relevant ist, wurde bestimmt schon gesagt. Ich halte auch seine Sprachbegabung und seine Geübtheit mit Sprache für wichtig. Wer eine rhetorische Ausbildung hat, was mehr oder weniger die gesamte römische Oberschicht hatte, und auch noch gut in der Übung ist, wird anders denken und sprechen als jemand, der diese Voraussetzungen nicht hat. Auch Fachvokabular spielt in meinen Augen eine Rolle, sowie Fremdsprachenkenntnis.
Ich denke, dass man einen Kompromiss finden kann zwischen der Wiedergabe dieser "Kunstsprache" der Oberschicht und der Notwendigkeit, den Leser nicht zu erschrecken. ;) Vor allem, wenn man die jeweilige Persönlichkeit, den individuellen Sprachgebrauch und die Erfahrungen der Figuren berücksichtigt. Ich schlage mich im Moment selbst mit dem Problem herum. Kürzere Sätze zu verwenden, ist in meinen Augen völlig ok, weil Deutsch nun mal andere Strukturen hat als Latein. Was auf Deutsch drei Sätze sind, könnte auf Latein ein einziger sein und trotzdem eine ähnliche Wirkung erfüllen. Und ich schreibe ja nicht auf Latein.
Und um das klarzustellen: Wie man erfolgreich historische Romane schreibt, davon habe ich keine Ahnung! ;) Ich überlege bloß.
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Churke am 26. Juni 2015, 21:41:57
Zitat von: Coppelia am 26. Juni 2015, 20:04:30
Und um das klarzustellen: Wie man erfolgreich historische Romane schreibt, davon habe ich keine Ahnung! ;) Ich überlege bloß.

Also eines ist mal klar: Legionär Pullo https://en.wikipedia.org/wiki/Titus_Pullo_%28Rome_character%29 redet nicht wie Cicero und hat auch nicht die geringste Lust dazu. Die Mühe kann man sich als Autor also sparen.
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Belle_Carys am 27. Juni 2015, 12:27:37
@Churke  Das ist mit Sicherheit richtig, trotzdem finde ich völlig valide was Coppelia sagt. Sie hat ja drauf verwiesen dass es natürlich immer auf den Bildungsstand des Charakters ankommt etc., aber wenn ich einen Roman verfassen würde, in dem Cicero auftaucht, dann sind das alles Hinweise darauf, dass er sich, um beim Beispiel zu bleiben a) von Legionär Pullo abhebt, und zwar allein durch seine Sprache, und dass es b) ein historisches Muster gibt an dem ich mich als Autor orientieren kann und auch sollte. Das heißt jetzt nicht, dass ich anfange ellenlange Satzmonster zu bauen. Aber wenn die Vielfalt in der Rhetorik von jemandem, der dafür auch noch berühmt geworden ist, so gut dokumentiert ist, dann sollte ich mir als Autor auch die Mühe machen und das ein wenig wiederspiegeln. Das macht die Sache schon authentischer und ja auch spannender für den Leser. Das man das ganze dennoch für den Leser des 21. Jahrhunderts  runter brechen und anpassen muss, versteht sich von selbst. Selbiges würde für mich für eine Figur gelten, die historisch ähnlich angesiedelt ist, vielleicht eine ähnliche Karriere anstrebt oder oder oder. Da kann man sich durchaus daran orientieren.

Und letztendlich gewinnt ein historischer Roman ja viel an Flair aus genau diesen Spannungen zwischen den Klassen, die es heute in der Form nicht mehr so überspitzt gibt wie früher (womit ich nicht in Abrede stellen will dass es natürlich immer noch teilweise eklatante Klassenunterschiede gibt, aber das ist ein ganz anderes, viel zu weites Feld). Das lässt sich eben über Sprache gut vermitteln, und ich schätze genau deshalb führen wir diese Diskussion hier ja.
Titel: Re: Erzählstil in historischen Romanen
Beitrag von: Churke am 27. Juni 2015, 15:20:44
Das stelle ich ja alles überhaupt nicht in Abrede. Mir geht es nur darum, dass man selbst mit einer perfekten Stilimitation (was gelinde gesagt nicht einfach ist) nicht unbedingt einen Volltreffer landet. Da muss man immer schauen, wie weit man gehen und was man dem Leser zumuten kann und will.