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Figuren zeichnen - Aber wie?

Begonnen von Silvasurfer, 10. April 2019, 19:21:46

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Silvasurfer

Vorweg: Wer von euch zeichnet seine Figuren? Ich persönlich habe meine Fähigkeit Malen/Zeichnen kaum bis wenig gepflegt. Karten kann ich Zeichnen und, wenn ich oft genug radiere kommt zumindest eine Figur dabei 'raus, die aussieht wie die ersten Zeichnungen eines Schülers im Kunst LK - und zwar mit (unrealistischen jedoch sehr graphischen) Ansätzen von Schatten und Licht, worauf ich sehr stolz bin.
Vor allem das ständige radieren und neu Zeichnen ist zwar ein banaler und einfacher Tipp, der mir gegeben wurde aber dennoch ein guter Tipp. Ich hätte nicht gedacht, was meine Hand bewirken kann, wenn ich nur oft genug das herumgekrakel radiere, das mir nicht gefällt.
Auf diese Weise habe ich einen ganzen Nachmittag damit verbracht, einen Marienkäfer zu zeichnen, von den ich geträumt habe und der Teil meines Manuskriptes ist. Oder eine Weinbergschnecke, die Teil meiner phantastischen Welt ist...

Besonders würde mich interessieren, ob ihr ein paar Youtube-Videos oder Bloggs empfehlen könnt die einen Amateurzeichner Tipps geben, wie man vernünftig zeichnen kann. Das ist eine Fähigkeit, die ich mir in den nächsten Wochen unbedingt aneignen möchte, es muss kein Picasso sein nur gut genug, meiner Phantasie etwas Anregung zu geben.

Oder ihr könnt selber gut Zeichnen und hättet da den einen oder anderen Tipp für Tizis auf lager, wie man effizient Körper beziehungsweise Gesichter zu zeichnen lernt.

Alia

Hi Silvasurfer,

das wichtigste sind erstmal die Proportionen richtig hinbekommen und Grundformen erkennen.
Es gibt da ein paar einfache Regeln für Portraits von vorne
Gesichter machst du zB erstmal ein Oval. Das teilst du mit einem senkrechten und einem waagerechten Strich jeweils mittig.
Auf der waagerechten Linie werden später die Augen liegen - auf der senkrechten der Nasenrücken.
Die "Augenlinie" teilst du in 5 gleichte Teile. Der 2. und 4. sind die Augen.
Dann gibt es noch ein paar Verhältnisse, die man kennen sollte:
Die Abstand von Oberkante Augenbraue zu Unterkante Nase entspricht meist dem Abstand zwischen Nase und Kinn.
Der untere Rand der Ohren ist etwa auf der Höhe der Unterkante der Nase. Der obere Rand der Augen etwa auf der selben Höhe, wie der obere Rand des Ohrs.
Mundwinkel, Nasenspitze und äußere Ecke der Augen liegen meist auf einer Linie.
Die Mitte der Oberlippe liegt meist auf einer Linie mit der Ecke des Nasenflügels und des äußeren Augenwinkels.
Wenn man den Punkt zwischen den Nasenlöchern mit dem äußeren Augenwinkel verbindet und die Mitte der unteren Kante der Unterlippe mit dem oberen Ohransatz, liegen beide Linien etwa parallel.
Der innere Rand der Iris liegt ziemlich genau über den Mundwinkeln.

Man kann mit diesen Größenverhältnissen anfangen Gesichter zu üben. Das ist dann ein 0815 Gesicht, das sich als Basis eignet. Ändert man zB die Breite des Gesichts, werden die Augen und die Nase schmaler. Hat man eher einen Quadratschädel, ist die Nase auch eher breit, etc. Das ergibt sich mehr oder weniger von allein aus den obigen Werten.
Man kann dann auch etwas davon abweichen. Wenn man die Augen ein klein wenig größer oder kleiner macht, etwas mehr auseinander oder zusammen, die Achse etwas schrägstellt, etc. hat man schon enorme Veränderungen.

Bei Nase und Ohren gibt es noch eine Besonderheit: Sie wachsen immer weiter. Bei älteren Menschen sind sie daher immer größer als bei jüngeren.

criepy

Um ein Gefühl für Anatomie zu bekommen, ist es immer hilfreich sich Referenzen zu suchen. Also Fotos oder echte Menschen. Die zeichnet man dann ab (indem man drüber zeichnet oder neben liegen hat z.B.) und im besten Fall bekommt man so ein Gefühl dafür, wie sich etwas verhält. Hilfreich fand ich auch immer Modele, wo man nur Skelett und/oder Muskeln sieht. Auch immer wieder neues ausprobieren, andere Posen, andere Perspektiven, etc. Wenn man Menschen zeichnen will, bist du selbst auch ein gutes Model. Wenn du wissen willst wie eine Hand genau aussieht, wenn sie so gedreht ist in der Perspektive, kannst du deine entsprechend drehen und dir anschauen.
Im Internet findest du auch Tutorials, die auch teilweise erklären, WARUM das so aussieht und wo die Grenzen von Körpern sind. Es gibt natürlich auch Zeichenbücher, die das erklären, die sind aber in den seltensten Fällen wirklich hilfreich, wie ich finde.

Ich würde auch Schatten erstmal komplett außen vor lassen, für mich hat das die Sache immer verkompliziert, weil Schatten und Lichteinfall nochmal ein Kapitel für sich sind.

Ansonsten gilt: Üben, üben, üben.  Das kann aber schonmal länger als ein paar Wochen dauern, bis du die Basics drinnen hast.


Meine Figuren zeichnet mittlerweile hauptsächlich ein Freund von mir, er bekommt dafür "FanFiktions" zu seinen Charakteren/Geschichten.  ;)

Gilwen

In welche Richtung willst du denn vom Stil her gehen?
Mir hat zB auf Youtube Jazza sehr geholfen, er macht sehr viel in Richtung Comic und Cartoon, erklärt sehr viele Grundlagen und seinen Kanal gibt es schon seit einer ganzen Weile. Grade um einen Überblick über Anatomie, Gesichter, Posen usw. zu bekommen, ist er prima.
Er spricht allerdings englisch, aber ich finde, man versteht ihn recht gut.

Wenn du mit Videos auf Youtube usw übst, würde ich dir empfehlen, dich nicht nur auf einen Künstler zu beschränken, sondern bei unterschiedlichen Leuten zu schauen, wie sie zB Augen zeichnen. Jeder hat da seine eigenen Tricks und Kniffe, und nicht alles funktioniert bei einem selbst. Schau es dir an und nimm das für dich Nützliche mit. Zumindest ist das meine Erfahrung bisher. Und, wie criepy schon vorgeschlagen hat: Schau dir Fotos an. Mit der Zeit entwickelt man irgendwie einen anderen Blick auf die Dinge, achtet auf Proportionen, Farben und Schattierungen.
,,Ist schon gut", sagte das Feuer. ,,Du musst das sicher erstmal alles sacken lassen."

Silvasurfer

Ihr seid Klasse!  :knuddel: Danke für die vielen Tipps und viel Spass beim Zeichnen, seien es nun unabhängige Skizzen und Bilder oder Figuren aus euren Geschichten!

Zit

#5
Bücher aus meiner persönlichen Sammlung:

Figuren: Figure Drawing For All It's Worth von Andrew Loomis
Perspektive: Framed Perspective 1 und 2/ Framed Ink von Marcos Mateu-Mestre

Ansonsten mag ich Parka Blogs' Reviews sehr: https://www.parkablogs.com/content/anatomy-and-figure-drawing-books-artists (Andrew Loomis ist da auch dabei)

Von Fotos abmalen ist für den Anfang gut, hilft aber nicht viel, um die Dimensionalität von Körpern zu verstehen. Ich empfehle immer, sich in der Fußgängerzone auf 'ne Bank zu setzen und Menschen dort zu skizzieren. Oder Live Session zu besuchen. Eine gute Alternative auf youTube ist https://www.youtube.com/user/onairvideo (NSFW). Auch wenn hier weiterhin das Problem ist, dass man 3D über eine 2D-Fläche darstellt. Dadurch, dass die Posen aber häufig wechseln und man nicht so viel Zeit hat, bleibt nichts anderes übrig als zuerst die Grundformen zu skizzieren. Mit der Zeit wird man besser und kann mehr Details hinzufügen.
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Judith

Ich finde, dass das Abzeichnen von Fotos durchaus eine praktikable Methode ist. Wenn es einem vor allem darum geht, die eigenen Figuren auf Papier zu bannen und nicht wirklich handwerklich sauber zeichnen zu lernen, kommt man damit ganz gut aus und macht auch recht schnelle Fortschritte und man bekommt auch ein Gefühl für Formen und Schattierungen.

Das ist zumindest meine persönliche Erfahrung. Ich bin völlig unfähig, wenn es darum geht, live Menschen zu skizzieren, aber ich finde es nicht so schwer, auf der Basis von Fotos (die ich natürlich nicht eins zu eins übernehme, sondern beim Abzeichnen so stark variiere, dass man das Ausgangsfoto danach in der Regel nicht mehr wirklich erkennt) meine Figuren zu zeichnen. Dabei kommen dann solche Bilder raus. Das genügt mir persönlich, um meine Figuren für mich zu visualisieren, aber klar, es ist nicht so, dass ich wirklich zeichnen "kann".

Zit

#7
Es kommt immer darauf an, was das Ziel ist und wie viel man investieren will, klar. Ist auch nichts verkehrt daran. So sollte das nicht rüber kommen. Sorry. Ich persönlich finde es schade, wenn Leute sich mit Kopieren zufrieden geben, obwohl es im Kern um ihre eigenen Figuren geht. Die Bilder der eigenen Figuren werden lebendiger und charakteristischer umso losgelöster man von einer spezifischen Vorlage ist und sich seine eigenen Figuren aus Versatzstücken vieler, vieler Quellen zusammensetzen kann. Zeichnen ist ganz viel Wiederholung und Aufbau einer inneren Bilddatenbank, auf die man jederzeit und frei zugreifen kann. Ich begeistere mich halt sehr dafür, wenn Leute über das reine Kopieren hinausgehen wollen/ angeregt werden können. :versteck:
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Unbekannt

Evanesca Feuerblut

Ich gebe ehrlich zu, dass ich dafür keine Technik habe. Ich nehme irgendwie im Vorbeigehen die eine oder andere Regel unbewusst auf, aber ich habe weder jemals von echten Menschen abskizziert noch großartig mit Referenzen gearbeitet (höchstens Proportionen wie Armlänge halbwegs an mir angemessen).
Mit "Oval als Gesicht und Hilfslinien" kommen bei mir irgendwie Aliens raus, während ich mit meiner "Ich fange mit der linken Augenbraue an und mache dann weiter"-Art recht gut klarkomme und je nach Lust und Laune mal halbwegs naturalistisch, mal eher in Richtung Manga zeichne.

Aber ich vermute, dass es leichter ist, sich Regeln / Tutorials zum Zeichnen anzueignen, wenn man irgendwann mit 20+ damit anfängt und ohne Vorkenntnisse direkt nach Regeln zeichnet. Ich habe als Kleinkind irgendwann "einfach angefangen" und bis ich das erste Mal mit Regeln in Berührung kam, also schon mit 20+, konnte ich nichts mehr damit anfangen, weil ich bereits eigene Techniken hatte und selbst das Erlernen von noch so einfachen Basisregeln bedeuten würde, von meinen eigenen (ineffektiven? freilich. Teils falschen? Selbstredend ...) Methoden bewusst auf andere umzulernen.
Kriege ich nicht hin. Alles, was ich mir anzueignen versuche, vergesse ich recht schnell oder die Ergebnisse sind schlechter als mein "Ich mach halt irgendwie, wie ich lustig bin" und das frustriert zu sehr.

Damit will ich nicht sagen, dass ich Regeln oder Hilfen für unnütz halte. Oder die hier genannten Tipps schlecht seien. Sie sind sehr gut. Ich möchte nur sagen, dass einige von uns (bin bestimmt nicht die einzige) einfach machen und versuchen, sich mit jedem Bild zu verbessern.

Zum "Kopieren" bin ich übrigens aus irgendeinem Grund nicht in der Lage und ein Buch, das anderen viel geholfen hat, weil es beibringt, besser zu kopieren, konnte ich nie ganz durcharbeiten, weil ich von Anfang an, schon als Kleinkind, nie daran interessiert war, meine Umgebung darzustellen. Immer nur das in meinem Kopf. (Meine ersten von meiner Familie aufbewahrten Zeichenversuche bestanden aus antropomorphen Hasen und es hat ein paar Jahre gedauert, bis ich angefangen habe, größtenteils rein menschliche Figuren zu zeichnen.)
Was ich viel öfter tue, ist, mir Figuren trotz meiner rudimentären Skills zu "erzeichnen". Ich fange an, eine neue Figur zu skizzieren, fühle in mich rein und schaue, was dabei für interessante Dinge herauskommen. Oft kann ich dann am Bild, sobald ich fertig bin, Dinge über die Figur ablesen, die ich so nie geplant habe.

Judith

#9
Zitat von: Zitkalasa am 12. April 2019, 19:20:45
Es kommt immer darauf an, was das Ziel ist und wie viel man investieren will, klar. Ist auch nichts verkehrt daran. So sollte das nicht rüber kommen. Sorry.
Keine Sorge, ich hab es nicht so gelesen, dass du das verkehrt findest. Und ich weiß auch, was du meinst. Die Frage ist halt, ob es einem "nur" darum geht die Figuren zu Papier zu bekommen und da möglichst schnell zu Ergebnissen zu kommen. Ich habe eine Zeitlang versucht, richtig zeichnen zu lernen und keine Fotos mehr zu verwenden, aber ich persönlich habe es zeitlich nicht geschafft, daneben dann auch noch andere Hobbys zu pflegen und ich habe in der Zeit auch gar nicht geschrieben. Deshalb hat das letztlich für mich nicht funktioniert.

ZitatIch persönlich finde es schade, wenn Leute sich mit Kopieren zufrieden geben, obwohl es im Kern um ihre eigenen Figuren geht. Die Bilder der eigenen Figuren werden lebendiger und charakteristischer umso losgelöster man von einer spezifischen Vorlage ist und sich seine eigenen Figuren aus Versatzstücken vieler, vieler Quellen zusammensetzen kann.
Also ich arbeite auch immer mit mehreren Fotos und kombiniere und ändere diese so, dass für mich meine Figur rauskommt. Insofern sehe ich das nicht als reines Kopieren - meist erkennt man bei mir am Ende nur noch vage die verwendeten Fotos. Ich habe früher, als ich intensiver zeichnen geübt habe, auch versucht ohne Vorlagen zu arbeiten, aber da habe ich nur eine Art symmetrisches Standardgesicht hinbekommen und es sind einfach nie meine Figuren dabei entstanden.

Zit

Klingt nach Referenzen, Judith. Was auch völlig legitim ist.
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getting a headache."
Unbekannt

Silvasurfer

@Judith

ZitatAlso ich arbeite auch immer mit mehreren Fotos und kombiniere und ändere diese so, dass für mich meine Figur rauskommt. Insofern sehe ich das nicht als reines Kopieren - meist erkennt man bei mir am Ende nur noch vage die verwendeten Fotos. Ich habe früher, als ich intensiver zeichnen geübt habe, auch versucht ohne Vorlagen zu arbeiten, aber da habe ich nur eine Art symmetrisches Standardgesicht hinbekommen und es sind einfach nie meine Figuren dabei entstanden.

Genau so mache ich das nach all den Tipps die ich gelesen habe auch. Mit der ersten Vorlage habe ich jetzt begonnen und einfach ein paar Details hinzugefügt, die ich mir zugetraut habe, beziehungsweise auch die Proportionen leicht verändert (unabsächtlich einfach, wiel es mir nicht gelungen ist die Vorlage authentisch nachzuzeichnen)
Nun suche ich nach ein paar anderen Goblin Schamaninnen, die ich nachzeichnen kann...