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Der eigene Anspruch

Begonnen von Franziska, 28. November 2009, 22:13:59

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Moa-Bella

Ehrlich gesagt bin ich froh, dass ich so kritisch bin. Wenn ich es nicht wäre, könnte ich auch nichts vernünftiges Schreiben. Wenn ich dann Bücher lese und mit Ungereimtheiten auffallen, ist es mir das schon fast Wert, da es mir den Spaß an guten Büchern doch nicht verdirbt, wenn das Buch gut ist, kann ich darüber hinweg sehen und wenn es schlecht ist, finde ich es nicht besonders Schade, wenn es mir nicht gefällt. Man kann schließlich viel durch das Lesen lernen, auch von schlechten Büchern, solange man ihre Schwächen erkennt.

Fynja

Wenn ich beim Schreiben eines Textes zu hohe Ansprüche erhebe, brauche ich meistens ewig, bis ich den Text fertiggestellt habe, nur um nachher festzustellen, dass er immer noch sehr verbesserungswürdig ist.
Wenn es mir allerdings gelingt, meine eigenen Ansprüche beim Schreiben zu vergessen oder herunterzuschrauben (was leider nicht oft vorkommt) und ich den fertigen Text nachher lese, bin ich meistens sogar zufrieden. Was nicht heißt, dass ich ihn dann nicht kritisch betrachte. Beim Lesen meines Textes kann ich objektiver urteilen als beim Schreiben von ebendiesem, und ich habe einfach festgestellt, dass Texte an denen ich nicht schon beim Schreiben herumkritisiere mir besser gelingen als welche, zu denen ich mir schon beim Schreiben zu viele Gedanken gemacht habe. Also gilt es für mich zu versuchen, auf die eigenen Ansprüche beim Schreiben gar nicht erst zu achten. Das Ueberarbeiten ist dann wieder eine andere Sache. Sei es meine eigenen Bücher oder die Bücher anderer Autoren- ich betrachte alles immer mit einem etwas kritischen Auge, aber hoffe dabei, es nicht damit zu übertreiben, denn das würde nur schaden.

Was andere Bücher betrifft, so gelingt es mir relativ leicht, mich für etwas zu begeistern. Ich mag Bücher, und die meisten, die ich lese, fesseln mich einfach, selbst wenn ich im Nachhinein feststelle, dass das Buch gar nicht so interessant war. Wenn es dem Autor erst gelungen ist, mich in die Welt seines Romans einzuspannen, sind meine Ansprüche beim Lesen meistens ohnehin vergessen.

Franziska

es beruhigt mich, dass es euch ähnlich geht. Beim schreiben selbst sollte man wirklich nicht darüber nachdenken, ob es gut ist. Ich bin in letzter Zeit hauptsächlich am Überarbeiten. Und finde es einfach wahnsinnig schwierig, dass es so wird, wie ich es haben will. Am wichtigsten ist mir, dass die Charakterentwicklung glaubwürdig ist, der Plot sollte logisch sein, spannend sein und gleichzeitig eine Botschaft vermitteln, aber nicht zu platt und das ganze darf dabei nicht in die üblichen Fantasy-Klischees abdriften ...manchmal denke ich, wenn ich alles perfekt haben will, werde ich nie fertig, aber andererseits würde ich sicher auch nicht glücklich, würde ich einen Text veröffentlichen, der mir selbst nicht gefällt.

Romy

Ich schließe mich den vielen Stimmen an, ich lese einfach viel weniger als früher. Früher einmal war ich die reinste "Bücherfresserin" und habe 1000 Seiten in einer Woche verschlungen, heute bin ich einfach sehr viel kritischer und ständig auf Fehlersuche und am Analysieren. Aber das tue ich nicht mit Absicht. Ich würde gerne mal wieder beim lesen den inneren Lektor ausstellen und es einfach nur genießen, aber ich glaube, dafür ist es zu spät. Dieser unbeschwerte Lesespaß wird wohl nie wieder zurückkehren  :seufz:
Deshalb betrachte ich als sehr gutes Buch nur Bücher, die mich völlig mitreißen und denen es gelingt, meine inneren Lektor auszuschalten. Wenn sogar der gespannt mitliest, dann weiß ich, dass ich einen wirklich guten Text vor mir habe  ;)

Was das Schreiben betrifft: Ich kann gar nicht sagen, dass ich so gewaltig hohe Ansprüche hätte. Ich will einen Text schaffen, der flüssig geschrieben und gut lesbar ist. Der unterhält und dessen Story spannend ist und deren Charaktere interessant sind und mit denen man sich identifizieren kann. Das reicht mir ja "schon". Aber - haha - ein Manuskript so weit zu bekommen ist wirklich nicht so leicht.
Ich denke häufig, dass meine Rohfassungen absolut grottig sind, erst durch die teils wirklich seeeehr aufwändigen und ausführlichen Überarbeitungen finde ich meine Texte besser. - Aber erst einmal muss ich ja die Rohfassung fertig bekommen. Solange sollte ich das Geschriebene wirklich nicht noch mal lesen, oder mir zu sehr den Kopf zerbrechen, denn viel zu oft habe ich einen vielversprechenden Roman schon abgebrochen, weil mir Zweifel kamen ...
Ich versuche mittlerweile immer, die betreffende Stelle im Zweifelsfall farbig zu markieren, um mir später den Kopf darüber zu zerbrechen. Und die Ideen für die Überarbeitung schreibe ich schon mal in einer gesonderten Datei nieder, damit sie nicht verloren gehen.
Aber solange ich nicht mal die Erstfassung habe, gäb' es ja auch nichts, womit ich arbeiten könnte ...


Zitat von: Gothanna am 28. November 2009, 23:04:12
Ich fürchte, da bleiben uns nicht viele Möglichkeiten: selber besser schreiben und veröffentlichen und auf dem Buchmarkt weiter nach Perlen suchen. Denn die gibt es ja durchaus. Man muss halt nur genau hinschauen.

Ja, damit bringst Du es absolut auf den Punkt  :jau:

Kati

Ach, das kenne ich auch. Mir gefällt das, was ich schreibe nie, während ich schreibe. Erst, wenn ich es einige Wochen nicht mehr gesehen habe und mich davon sozusagen entfernt habe, finde ich es manchmal gut.  ;D
Das mache ich auch mit anderen Büchern. Wenn ich in Romanen über Sätze wie "Das mache ich, seit ich dreizehn bin" stolpere und die Figur schon lange nicht mehr dreizehn ist, rege ich mich dermaßen auf.  ;) Allerdings lege ich Bücher wegen so etwas nicht zur Seite. Nur, wenn mich der Stil wirklich aufregt oder der Inhalt mir nicht gefällt.  :) Das kam früher oft vor, in letzter Zeit kaum noch.

LG,

Kati

Falckensteyn

#20
Für mich ist der eigene Anspruch zur Zeit ein grosses Thema und auch ein Problem.
Ich hinterfrage sehr viel, wenn ich an meinem Manuskript weiterschreibe und verbaue mir dadurch wohl auch sehr viel. Mir steht die eigene Kritik also eher im Wege, als dass sie mir nützt. Aber manchmal gelingt es mir auch, einfach drauflos zu schreiben und den Kritiker beiseite zu stellen. Dann macht es mir auch richtig Spass und Freude.

Wenn ich Bücher lese, bemerke ich auch sehr oft Fehler oder Verwirrendes im Stil oder Inhalt. Aber da ich es selbst (noch) nicht besser kann, sehe ich drüber hinweg und lese das Buch trotzdem weiter. Ein abschliessendes Urteil über ein Werk erlaube ich mir erst am Schluss, wenn ich das Buch zu Ende gelesen habe.

Herr Feuertraum hat es für mich eigentlich auf den Punkt gebracht. Es wäre wohl besser, lieber ein Werk zu Ende zu bringen, als ständig daran rumzubasteln, weil man zu kritisch ist.  ::)

Und Edith meint: Lustigerweise fällt mir zur Zeit das Schreiben von Texten zu meinen Rollenspiel-Chars viel einfacher, als an meinem Manuskript weiterzuschreiben.  Bei Ersterem bin ich irgendwie weniger kritisch und lockerer.

Anamalya

Ich bin bei mir sehr kritisch. Ich kann auch nur schreiben, wenn ich merke, dass ich etwas ordentliches auf die Reihe bekomme. Ansonsten höre ich gleich wieder auf. Mein Buch habe ich wegen meinem Anspruch auch dreimal überarbeitet *stöhn* Ich hoffe es bleibt dabei ;D
Seit ich intensiv schreibe, fallen mir aber auch bei anderen Büchern immer mal wieder Formulierungen oder Wörter auf, die ich anders gemacht hätte. Ich glaube so ganz kann ich meinen inneren Kritiker nie abschalten  :) In der Hinsicht sind die Morgenseiten ganz praktisch. Ab und zu wenn ich das Gefühl habe, ich muss irgendetwas unbedingt loswerden, kann ich auch einfach darauf los schreiben, egal was dabei rauskommt. Erstaunlicherweise gefallen mir die Texte hinterher oft sogar  ;D

Luciel

Das ist interessant ... bisher dachte ich, es liegt an mir, dass ich kaum noch Bücher finde, die mich begeistern, die mich so reinziehen, dass ich sie nicht mehr aus der Hand legen kann. Wenn es euch aus so geht, dann könnte es vielleicht doch an den Büchern liegen ..

Ich glaube, ein großer Qualitätsmangel entsteht, wenn hauptsächlich nur noch Bücher verlegt werden, die auf dem englischsprachigen Markt erfolgreich waren - und am besten noch dürftige Kopien eines Bestsellers sind (man denke an die vielen Biss-Plagiate). Da kann der Lesespaß doch nur auf der Strecke bleiben. Mich langweilen Bücher einfach viel schneller als früher - die Handlung ist oft vorhersehbar, die Charaktere flach und die Sprache simpel. Da quäle ich mich nicht durch, die lege ich weg, bzw gebe ich zurück, da ich die meisten Bücher nur noch ausleihe.

Genauso kritisch bin ich auch mit meinen eigenen Texten. Mir gefällt meist gut, was ich schreibe, doch wenn ich mich Büchern vergleiche, die ich gut geschrieben finde, kommen die Zweifel. Mein Heyne-Projekt hat ein lahmes erstes Kapitel, denke ich, wenn ich die wunderbaren Anfänge anderer Bücher lese. Das gibt dann immer das gleiche Dilemma: ändere ich mein Manuskript, um es besser verkäuflich zu machen oder bleibe ich meinem Stil treu? Und wo ist der Mittelweg?
Ich suche nach diesem Mittelweg, denn für mich ist schreiben nicht nur Selbstzweck, sondern ich möchte auch gelesen werden.

Moa-Bella

Ich denke, es liegt auch daran, dass man Stilmittel, etc leichter durchschaut wenn man selber schreibt. Als Leihe wirkt das alles ganz anders auf einen, dadurch wird man auch anspruchsvoller.

Redwood

An Luciel: Ich denke, dass beide Faktoren eine Rolle spielen. Einerseits lesen, schreiben und fachsimpelnwir selbst, wodurch wir natürlich die groben fehler leicht durchschauen, andererseits
stimmt auch das, was du über die Veröffentlichungen gesagt hast. :hmmm:

Hanna

@Moa-Bella: Du bist eine Leihe? Oder doch eher ein Laie?

Nicht böse sein. Ich konnte nicht widerstehen.
#happyverpeilt oder auch gründlich überfordert ...

Moa-Bella

Zitat von: Gothanna am 05. Dezember 2009, 19:46:56
@Moa-Bella: Du bist eine Leihe? Oder doch eher ein Laie?

Nicht böse sein. Ich konnte nicht widerstehen.

Böse, böse deutsche Rechtschreibung... wie bin ich denn darauf gekommen?  :wums:

Kati

ZitatIch denke, es liegt auch daran, dass man Stilmittel, etc leichter durchschaut wenn man selber schreibt. Als Leihe wirkt das alles ganz anders auf einen, dadurch wird man auch anspruchsvoller.

Das stimmt. Wie oft habe ich in letzter Zeit gedacht: "Was für eine offensichtliche Metapher". Oder sowas in der Art.

LG,

Kati

Joscha

Mir geht es häufig so, dass ich durch meine Tätigkeit als Autor häufig einen Konflikt oder dessen Lösung vorausahnen kann, bevor er auftritt. Das trifft vermutlich auf jeden erfahrenen Leser, nicht nur auf einen Autor, zu, aber es macht die ganze Sache quälender, wenn man weiß, dass der Autor den Figuren auf jeden Fall jeden möglichen Stein in den Weg legen wird. Beispiel: Ein Charakter begeht regelmäßig Hochverrat, indem er mit der Frau des Königs ins Bett steigt. Das direkte Bewusstsein hofft, dass alles gut gehen wird, aber der innere Lektor in seinem stillen Kämmerlein sagt: Natürlich werden sie entdeckt, nur dann kann sich das Konfliktpotential entfalten.

Oder man erkennt bestimmte Personenkonstellationen wieder, z.B. Ex-Frau ist mit neuem Mann verheiratet, als sich sie und ihr Ex-Mann wieder annähern. Solange die Geschichte kein tragisches Ende nimmt, kann man in 80% aller Fälle davon ausgehen, dass der neue Mann durch einen äußeren Umstand ums Leben kommen wird, weil er sonst zwischen den beiden anderen steht,

caity

Hallo,

ich stimme euch im Grosen und Ganzen zu, wobei ich behaupte, dass ich auch weniger lese, weil ich frueher deutlich mehr Zeit hatte als jetzt und, wenn ich mich zwischen Lesen und Schreiben entscheiden muss, ich meistens das Schreiben waehle. Es ist schwierig, Lektuere zu geniesen, sobald man selbst schreibt: weil man Tricks kennt, weil man Plots kennt, weil man Charaktere/Stereotypen kennt. Mich hat das jahrelang beim Lesen und beim Schreiben wahnsinnig blockiert. Ich habe jedes Buch auseinander gepfluegt und mir von meinen Freunden jedes Mal ein gestoehne anhoeren muessen.
Mittlerweile betrachte ich das ganze gelassener. Es gelingt mir, meinen inneren Lektor abzuschalten, wenn ich lese. Ich konzentriere mich mehr auf die Story, versuche, darin zu versinken und erst, wenn mir das wirklich ums Verrecken nicht gelingt, analysiere ich, warum. Gelingt es mir wiederum, in die Geschichte einzutauchen, lese ich wichtige Stelle spaeter noch einmal, um herauszufinden, warum das so ist.
Es gibt Gruende, warum Harry Potter so erfolgreich war, warum die Biss-Reihe so erfolgreich ist, und ich persoenlich will als Autor schon auch Massen erreichen, da ist jeder anders, ich weis, viele sagen, sie schreiben lieber nur fuer sich, denn die "Massen-Buecher" gefallen ihnen nicht. Ich moechte mal dagegen halten: die Buecher sind nicht schlecht! - sie sind uns haeufig nur zu schlicht. Die Frage ist, was wir produzieren wollen: gelesen werden oder nicht und da ist der Anspruch einfach unterschiedlich.
Ich kann wieder lesen, relativ viel sogar, besonders, seit ich hier in Suedafrika bin und mein LapTop den Geist aufgegeben hat, ich also nur sehr schwer zum Schreiben komme  ;D Und es tut gut. Ich habe das Gefuehl, mich wieder aufzufrischen.
Manchmal lohnt es sich auch, ein schlechtes Buch nicht aus der Hand zu legen und bis zum Ende zu lesen und differenzierter zu ueberlegen: Was hat mir gefallen?/ Was koennte anderen gefallen? Wo hatte ich trotzdem meine Schwierigkeiten damit?
Das nur mal als kleine Gegenstimme aus dem tiefen Sueden  ;D

Bye
caity
Wenn ein Autor behauptet, sein Leserkreis habe sich verdoppelt, liegt der Verdacht nahe, daß der Mann geheiratet hat. - William Beaverbrook (1879-1964)