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Fantasy und Surrealismus

Begonnen von Lord Bane, 23. Dezember 2007, 16:44:43

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Nitewolf

Spannende Frage und spannende Standpunkte.

Ich denke, Surrealismus ist eine künstlerische Spielart, die völlig unabhängig von der Ausdrucksform ist, bzw. in Romanen eben vom Genre. Surrealistische Künstler sind ja nun nicht typischer Weise Fantasykünstler, oder? Surrealistisch kann ich in jedem Genre schreiben.

Natürlich bieten sich Fantasy, SF, Horror besonders an um, z.B., wie du sagst Lord Bane, eine total skurile (und in gewisser weise unlogische) Lokalität zu entwerfen, die eigentlich ein bestimmtes Prinzip oder eine bestimme Haltung der Einwohner personifizieren soll und nicht ein funktionierendes soziologisches System abbilden will. Bei einer offensichtlich fantastischen Stadt wird mir der Leser das sicher eher verzeihen, bzw. abkaufen, als wenn ich eine existierende Stadt dementsprechend portraitiere. Im Prinzip ist aber letzteres genauso möglich. Vielleicht ist letzteres sogar sehr viel wirkungsvoller, weil dem Leser sehr viel deutlicher demonstriert wird, um ewas es hier letztlich geht.
Ziel des Surrealismus ist es doch gerade, die grenzen des offennsichtlichen und immanent logischen zu durchbrechen um eine bestimmte Gefühlsebene, eine Assoziation zu transportieren. Dazu brauch ich an sich keinen Fantasy.

Andererseits kann Fantasy durchaus dem Wunsch entspringen, eine ganz logische und nachvollziehbare Geschichte zu erzählen - oder erzählt zu bekommen - die nur in einer fremden exotischen Welt spielt, ohne irgendwelche wirren - und wenn ich mit Surrealismus nix anfangen kann, völlig unverständlichen - Assoziationen.

Ich finde also Fantasy und Surrealismus haben gar nichts mit einender zu tun, obwohl sie sich natürlich nicht ausschließen.

Lapislazuli

Wer surrealistische Elemente verwendet, betreibt deswegen nicht gleich surrealistische Kunst in ihrer reinen Form. Das ist möchte ich gerne einmal anmerken. Und dann finde ich, dass die meisten Genres durch solche Elemente sehr gewinnen können, nicht nur Fantasy. Ich selbst verwende sie gerne für Albträume, oder um die Gedankenwelt meiner Figuren darzustellen. Solche Dinge - also vor allem das Unterbewusste - kommen nicht immer in völlig nachvollziehbaren, sofort greifbaren Sätzen daher. Da bietet es sich an, im Leser bewusst ein Bild entstehen zu lassen, das einprägsam, schockierend oder auch seltsam sein kann. Sowas hilft enorm wenn man versucht z. B. die Unwirklichkeit einer bestimmten Situation darzustellen.

Überhaupt bin ich der Meinung, dass man dem Leser was zutrauen darf. Er darf assoziieren und muss nicht immer an der Leine zu jeder Erklärung hingeführt werden, die er vielleicht gar nicht braucht. Ich stelle hier einmal die vielleicht etwas unpopuläre Behauptung auf, dass der Leser nicht unbedingt jeden Gedankengang des Autors nachvollziehen muss. Natürlich, wenn es um grundlegende Dinge geht, sollte ersichtlich sein, was dahinter steckt. Dennoch bin ich der Meinung, dass ein Rätsel oder eine Unklarheit hie und da nicht störend sind, sondern eine geschichte auch interessanter machen können. Ich mag es zumindest nicht besonders, wenn eine Geschichte auf den ersten Blick gleich ganz klar und durchschaubar ist, und keine Geheimnisse offenlässt, die sich vielleicht auf einer weiteren Ebene, oder nach genauerem Hinsehen, nochmaligem Lesen usw. erklären lassen. Manches erschließt sich sofort, aber gewisse Nuancen entdeckt man erst später.

Lord Bane

#17
Zitat von: Nitewolf am 25. Dezember 2007, 11:45:27

Andererseits kann Fantasy durchaus dem Wunsch entspringen, eine ganz logische und nachvollziehbare Geschichte zu erzählen - oder erzählt zu bekommen - die nur in einer fremden exotischen Welt spielt, ohne irgendwelche wirren - und wenn ich mit Surrealismus nix anfangen kann, völlig unverständlichen - Assoziationen.

Gut geschriebene, surrealistische Szenen sind meiner Meinung nach weder wirr noch unverständlich. Sie funktionieren nur nicht nach unserer Alltagslogik, aber das tut Fantasy natürlich ohnehin nicht. Mir geht es mehr darum, unrealistische Elemente im vollen Bewusstsein, dass sie unrealistisch sind zu verwenden, um die Atmosphäre eines Textes zu verstärken. Ich gehe übrigens mit den Autoren konform, die Atmospähre über vollkommene Logik stellen, so wie es z.B. auch Michael Moorcock tut.


Viele Grüße,
Lord Bane

Coppelia

Hm, meinst du vielleicht das Phänomen, das ich "literarische Logik" nenne? Ist aber was völlig anderes als Surrealismus ...

Manche Dinge sind einfach literarisch logisch, obwohl sie in der Wirklichkeit ganz anders wären. Z. B. dass zwei Personen, die charakterliche Gegenteile darstellen, auch genau unterschiedlich aussehen. Oder dass den Bösi die Gerechtigkeit schließlich auf eine passende Art einholt.

Lord Bane

@ Coppelia

Ja in etwa. Dass Dinge so dargestellt werden, dass jedem klar ist, dass man es hier nicht mit realistischen Ereignissen oder Personen zu tun hat, weil bestimmte Merkmale überbetont werden und damit ins Surreale kippen. Das ist selbstverständlich nicht nur bei Fantasy so, aber man kann in diesem Genre gut damit arbeiten - finde zumindest ich ;) .


Viele Grüße,
Lord Bane

Feuertraum

@ Manja: Lewis Carroll ist kein Surrealist, er schrieb Nonsense (bitte nicht verwechseln mit humorvoller Literatur). Nonsense = "das bewußte auf dem Kopf stellen von Fakten", Surrealismus = "das Ausschalten von Logik und dem Folgen von Gedankenimpulsen" (grobe Umschreibung, da beide Stilrichtungen im Laufe der Jahrzehnte diversen Strömungen unterworfen waren und sich demzurfolge auch Abbilder entwickelten).

Surrealismus in der Fantasyliteratur ist m.E. ein don`t, wohingegen ich für das Abstrakte einstehe, also das Loslösen des Realen, ins Bizarre tauchend, aber immer noch einen gewissen Grad an Logik mit sich bringend.

Feuertraum

Ein Bekannter von mir liebt Bier so sehr - ich bekam als Schutzimpfung gegen Corona Astra Zenica, er Astra Pilsener ...

Shay

Ich mach das gar nicht, wobei ich es für Traumsequenzen nicht ausschließen möchte, aber Träume sind sowieso außerhalb jeder Logik.
Für mich besteht der Reiz an meiner Fantasy-Welt eben genau darin, eine in sich realistische Welt zu schaffen, die den gleichen Gesetzen gehorcht wie unsere, nur einfach anders ist. Surrealismus passt da gar nicht rein.
In Geschichten von anderern wird mir Surrealismus gern schnell zu viel. Aber ich mag ja schon keine Zauberer und Magie, weil ich mich mit ihnen als "zu unrealistisch" nicht identifizieren kann.

Nitewolf

LordBane, ich denke, du solltest dir mal Gedanken über den Begriff Logik machen. http://de.wikipedia.org/wiki/Logik
Der hat nämlich zunächst mal gar nix damit zu tun, ob die Voraussetzungen meines Gedankenkonstruktes real sind, sondern nur damit, ob sie in sich stimmig sind oder nicht. Die Existenz von Drachen oder Magie z.B. ist doch nicht per se unlogisch. Unrealistisch vielleicht, aber das ist etwas vollkommen anderes.

Logik ist im Fantasy genau so entscheidend wie in jedem anderen Genre, wenn ich eine glaubhafte Geschichte erzählen will. Und genau so wie in jedem anderen Genre kann ich das bewuste Aushebeln der Logik an bestimmten Stellen als literarisches Element einsetzen.

Wie gesagt, vielleicht kann man sich da im Fantasy mehr leisten, als in anderen Genres, weil es einem der Leser eher abnimmt. In sofern hast du sicherlich recht, dass du in unserem Genre gut mit soetwas arbeiten kannst, wenn du denn so schreiben möchtest.
Aber ich sehe immer noch keinen notwendigen Zusammenhang. Unlogischer Fantasy ist genau so schlecht wie jedes andere unlogische Buch auch.