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[Genre-Bestimmung] Übersetzung 'Literary Fiction' oder 'Novel'?

Begonnen von Fianna, 04. November 2013, 19:33:45

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Fianna

Ich helfe einer Freundin beim Erstellen eines Exposes, und wir können das Genre nicht bestimmen.

Es spielt eigentlich in unserer Realität, bis auf eine phantastische Fähigkeit, die eine der beiden Hauptfiguren hat (ihr eigenes Schicksal vorhersehen). Hauptaspekt der Geschichte ist nicht die Fähigkeit an sich (von der bis auf einer niemand weiß), sondern eher ihre Art damit umzugehen und wie es ihr Leben daher negativ beeinflusst.

Ich kam dann auf die Idee, es in Bezug auf das Genre mit Alice Sebold zu vergleichen, da Sebold auch eine "normale" Welt hat, in der etwas Phantastisches passiert (der Verstorbene ist der erzählende Protagonist).

Allerdings fand ich nur "Roman", im Englischen steht jedoch "Literary Fiction". (Quelle: Wikipedia)

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Grade fiel ihr ein, dass sie evt schreiben möchte "Für Leser von 'Wer Schatten küsst' von Marc Levy", das Buch ist jedoch auch nur als Roman betitelt. Und bei Wikipedia steht im Englischen "Novel".


Meint ihr, es reicht, wenn sie unter Genre nur Roman schreibt und dann direkt darunter "Für Leser von.."?
Oder was sollte sie als Genre nehmen?

Rynn

Ich würde vielleicht "Magischer Realismus" vorschlagen, ein Genre, das Bücher mit größtenteils realistischen Settings, literarischem "Textfeeling" und einem Hauch von Phantastik bezeichnet.

Die englische Wikipedia hat zu dem Genre (wie immer ...) mal wieder mehr zu erzählen: "a kind of modern fiction in which fabulous and fantastical events are included in a narrative that otherwise maintains the 'reliable' tone of objective realistic report."
»Dude, suckin' at something is the first step to being sorta good at something.« – Jake The Dog

Arne

Per se würde Deine Beschreibung der engeren Definition von Phantastik entsprechen - ein phantastisches Element, das für sich steht und dessen Hintergrund/Mechanik unerläutert bleibt. Ein Beispiel ist "Das Glasperlenspiel" von Hesse. Es baut darauf auf, dass ein mystisches Arrangieren und Interpretieren von Glasperlen auf einer Art Spielfeld einen Blick auf verborgene Zusammenhänge und zu erwartende Entwicklungen erlaubt. Dabei werden weder das Wie erläutert, noch die Unglaublichkeit des Ganzen hinterfragt, sondern einfach für sich stehen gelassen. Es ist ein für die Welt tragendes Element, jedoch geht es vor allem um die Geschichte drum herum.

Zur Einordnug: Fantasy gehört zur weiteren Definition von Phantastik und wird von vielen Literaturwissenschaftlern gar ganz davon getrennt eingeordnet, da die Phantastischen Elemente sehr viel dominanter hervortreten und vor allem mehr beleuchtet werden.

Aber wenn Du ein Genre nennen müsstest, würde ich bei der vorliegenden Beschreibung wahrscheinlich einfach den Begrif "Fiction" nehmen. Ja, es ist ein kleines Risiko, das englische Wort zu benutzen. Aber bei "Science Fiction" wird es schließlich auch gemacht. Es muss nur passend in den Präsentationssatz eingebaut sein. Vielleicht... "[...] ist ein Fiction Roman um eine [...]". Auf die Selbstverständlichkeit kommt es an und darauf, dass nicht die Betonung des Satzes auf dem Begriff liegt.
Literary Fiction wäre zwar genauer; aber geleichzeitig würde es den englischen Charakter Deiner Begriffswahl hervorheben und es vielleicht sogar richtig holprig klingen lassen.

Fianna

Bei "Fiction" hätte ich Sorge, dass man denkt, sie wäre zu doof "Fiktion" zu schreiben :D

Ich werde es ihr vorschlagen, vielen Dank!
Allerdings sind wir nach den Durchsichten der Agenturanforderungen zu dem Schluss gekommen, dass sie vermutlich lieber anruft, um zu klären, ob es grundsätzlich eingesendet werden soll.

Wir neigen dazu, sowas in die Phantastikecke zu schieben, aber der Buchhandel würde es vermutlich unter "Belletristik" einotdenen - nur weiss ich gar nicht, ob man sich dementsprechend auch bei "Belletristik"-suchenden Agenturen damit bewerben sollte....

Arne

Das ist alles eine Frage davon, wie sie es den Agenturen verkauft, bzw. wie sehr sie die Betonung auf den phantastischen Aspekt legt. Wenn Sie in der Zusammenfassung nur an einer Stelle - am besten nicht ganz allein im Satz, damit noch mehr Gewicht davon genommen wird - die Begabung der Protagonistin erwähnt, sich der Rest aber ausschließlich um ganz banal normal klingendes Klarkommen mit den Herausforderungen der Geschickte anhört, gehört es ganz klar in die Belletristik. Sie hat es wirklich in der Hand, als was ihre Geschichte verstanden und auch später vermarktet wird.
Als etwas hinkendes Beispiel fällt mir die Fernsehserie "Medium" ein. Ich habe sie nicht gesehen. Aber von der Prämisse her ist es ganz klar Phantastik - immerhin hat die zentrale Figur unmissverständlich übernatürliche Fähigkeiten. Vermarktet wurde es aber als Crime-Serie, da das der zentrale Aspekt war.

Was den reinen Begriff Fiction angeht, kommen mir zu Deinem Einwand zwei Gedanken. Einerseits glaube ich, dass bei einer gut geschriebenen Buchvorstellung dem Agenten klar sein sollte, dass die so zentrale Wahl des Genrebegriffes nicht gar so platt geschehen sein kann, wie Du es befürchtest. Wenn alles wohl durchdacht erscheint, sollte es auch der Begriff Fiction tun.
Doch, wie ich gleich eingangs meinte, ist es nichtsdestotrotz ein Risiko, ihn zu verwenden. Alternativ könnte sie auch einfach nur "mein Roman" schreiben; ganz ohne eine Genreangabe. Denn das wäre bereits eine Einordnung in die "normale" Belletristik.  Auch hier sollte wieder gelten, dass schon die bloße Auslassung in einem durchdacht geschriebenen Umfeld eine Aussage für sich ist.
Oder aber sie sollte sich Gedanken machen, weches Genre es wäre, wenn sie den phantastischen Aspekt ganz ausblendet. Ist es kriminalistisch, romantisch, humoresk oder ein modernes Abenteuer? Die Nennung dieses Genres mit einem kleinen Zusatz wie "[...] moderner Abenteuerroman mit einer Prise Rätselhaftem/Phantastischem [...]" würde auf eine runde Weise alles klar stellen und vielleicht sogar zeigen, dass es Spielraum dafür gibt, wie das Buch vermarktet werden kann, was definitiv ein Vorteil ist. (Mein letzter Formulierungsvorschlag ist natürlich nur ein ganz, ganz plattes Beispiel für das nackte Prinzip; bitte entschuldige, aber ich habe mir jetzt nicht gerade den Kopf darüber zerbrochen. Das sollte lieber Diejenige machen, die die Geschichte kennt).

Fianna

Es geht wirklich nur darum, wie sie damit umgeht. Da sie den Zeitpunkt ihres Todes kennt, beschäftigt sie sich viel mit den Wolkenbildern, um nichts zu verpassen, was sich an Möglichkeiten bietet. Gerade das lässt sie aber eher in Passivität verharren.

"Magischer Realismus" hat eigentlich gut gepasst. Leider gibt es da jedoch einen ganz bekannten Autor, der das immer mit einem stark exotischen Touch versehen hat. Wir sind uns nicht sicher, inwiefern dieser Herr und andere Vertreter den Begriff vereinnahmt haben.

Da wir es ohnehin nirgendwo als Genre fanden und die Einteilung des Oberbegriffs (Phantastik oder Belletristik) Geschmackssache ist, kam mir der Gedanke, lieber anzurufen.

Sie könnte ja "Magischer Realismus / Belletristik" schreiben - ihr Vergleich "Für Leser von..." ist ein bestimmtes Buch ohne diesen Exitik-Touch. Damit sollte es ja dann klar sein...