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Alltagsgeschehen beschreiben oder weglassen?

Begonnen von Luciel, 30. Juli 2010, 13:27:51

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Luna

Ich sehe das so ähnlich wie Tintenteufel - auch wenn mir die Hintergründe nicht bekannt und auch nicht bewusst waren - aber im Grunde genommen sollte man eine solche Szene auch wie jede andere behandeln: Ist sie wichtig für die Geschichte?

Wenn die Helden nachts vom Camp wegschleichen, um mal zu müssen und dabei oder danach überrascht werden? Oder um zu zeigen, dass der Besuch des Aborts in der Welt vollkommen anders abläuft und sich daraus Probleme in der Bevölkerung herleiten lassen (z.B. höhere Krankheitsraten durch fehlende Hygiene) (etc.).

Worldbuilding ist für den Plot ebenso wichtig wie der Plot selbst - der Plot funktioniert ja (eventuell) nur in der Welt. Und Alltagssituationen die die Welt aufbauen sind durchaus besser als ein Infodump.

Unter dem Strich: Wenn jemand Regeln aufgestellt hat, dann sollte man sich mit diesen auseinandersetzen um zu wissen, ob man sie befolgen sollte oder vielleicht auch wann man sie brechen sollte.

Alltagssituationen können auch dabei helfen, den Charakter eines Protagonisten besser auszuleuchten ... Nagut, die Stuhlfarbe hilft da jetzt nicht weiter ... aber der Charakter zeigt sich jetzt nicht so gut auf der Toilette (außer vielleicht du hast jemanden der beim Geschäft gerne die Wände 'quittiert'?).

Volker

Gerade weil jeder Alltagsgeschehen so gut kennt eignet es sich um Charaktäre zu zeichnen.
Springt er beim ersten Ton des Weckers aus dem Bett und schüttelt vor'm Zusammenlegen kurz die Kissen auf - oder quält er sich aus den Kissen die er genauso zerknautscht liegen lässt wie er sich fühlt?
Single-Frühstück: am gedeckten Tisch mit Ei und Speck, oder Kaffee auf dem Weg 'raus muss reichen?

Gizmo

@Tintenteufel Danke für deine interessante Ausführung zum Hays Code, davon hatte ich noch nie etwas gehört. Mir waren zwar die Auswirkungen bekannt, aber nicht, dass es tatsächlich einen Code gab. Und wieder was gelernt! :)

Ansonsten sehe ich es wie meine Vorposter. Der Alltag kann für das das Worldbuilding sehr relevant sein, und wenn eine Geschichte in einer fremden Welt oder anderen Zeit spielt, möchte ich auch etwas darüber lesen. Schließlich ist der Alltag ja auch das, was die Charaktere bis zum Beginn der Geschichte formt. Nicht nur ihre Einstellung, sondern auch ihre Physis, ob sie z.B. gut genährt oder krankheitsanfällig sind, weil es im Alltag keine Hygiene / Medikamente gibt.

Schließlich glaube ich, kann man alltägliche Dinge durchaus erwähnen, ohne sie im Detail zu beschreiben. Zum Beispiel hier:
Zitat von: Topaz am 28. Oktober 2018, 21:46:14
Oder die Frauen haben nie ihre Periode, bzw. beeinflusst die das null und gar nicht.
Es ist nur meine persönliche Meinung, aber ich fände es gut, wenn das zuweilen zumindest anerkannt wird. Wie Araluen schrieb, würden manche Leute eine Beschreibung nicht lesen wollen, aber die Auswirkungen sind ja dennoch da. Und über diese kann man doch schreiben, auch wenn es nicht absolut plotrelevant ist und über das Schicksal der Welt entscheidet.
"Appears we just got here in the nick of time. What does that make us?"
"Big damn heroes, sir!"
- Joss Whedon's "Firefly", Episode 5, "Safe"

Araluen

@Tintenteufel: Danke für die Ausführung. War ja klar, dass Hollywood da wieder seine Finger im Spiel hat.

In einem sind wir uns ja einig. Alltagsszenen haben ihren Platz, sofern sie eine Aufgabe erfüllen(Plot, Figuren, Worldbuilding). Alltag um des Alltags willen sollte man vermeiden. Ich persönlich würde keine Szene schreiben mit dem Vorsatz: Beim Prota ist es jetzt 12 Uhr - Zeit fürs Mittagessen. Also geht er jetzt essen - Schnitzel mit Kartoffelsalat. Der Prota setzt sich einfach nur zuhause hin und holt sich aus dem Kühlschrank sein Essen. Mehr gäbe diese Szene nicht her, denn mir als Autor ginge es in diesem Moment nur darum zu zeigen, dass der Prota etwas isst. Natürlich kann man darüber diskutieren, was die Wahl des Mittsgessens über die Figur aussagt, aber das ist in diesem Fall wohl so sinnvoll wie der Versuch aus Farbklecksen die Schöpfungsgeschichte zu deuten.

Die Frage war aber auch, ob es Regeln gibt bestimmte Alltagsszenen wie Toilette, Periode, Rauchen, Drogenkonsum, Sex etc. Auszuklammern, weil sich solche Szenen auf den Leser auswirken und er daraufhin das Buch weglegt, weil er spontan wie auf die Toilette muss, weil er davon gelesen hat.
Wie gesagt, meine Blase ist davon herrlich unbeeindruckt, das Wort Toilette zu lesen. Von daher glaube ich nicht wirklich an diese Theorie. In meinen Augen soll der Prota ruhig auf Toilette gehen, wenn es für die Geschichte Sinn macht. Der Leser wird darüber ohne Blasenprobleme hinwegkommen.
Ist euch schon einmal aufgefallen, dass in Film und Büchern tendentiell mehr Männer als Frauen auf Toilette gehen? Szenen mit Männer am Pissoir gibt es häufiger oder wie sie sich mal eben im Busch erleichtern, Aber Frauen auf Toilette? Das trifft man seltener zumindest nach meinem Empfinden.

Tintenteufel

#34
Zitat von: Gizmo am 29. Oktober 2018, 07:34:44
@Tintenteufel Danke für deine interessante Ausführung zum Hays Code, davon hatte ich noch nie etwas gehört. Mir waren zwar die Auswirkungen bekannt, aber nicht, dass es tatsächlich einen Code gab. Und wieder was gelernt! :)

Zitat von: Araluen am 29. Oktober 2018, 07:44:25
@Tintenteufel: Danke für die Ausführung. War ja klar, dass Hollywood da wieder seine Finger im Spiel hat.
Gern! Ich könnte Seiten über diesen dussligen Code und die Geschichte von Filmmotiven schreiben.  :wolke:

Zur ersten Frage möchte ich noch anfügen, dass Alltagsbeschreibung mit Funktion zumindest relativ breit ausgelegt werden kann. Ich würde sogar sagen, dass manchmal Alltag um des Alltags willen noch dazu zählt - im Horror z.B. gibt es traditionell das erste NormaloFünftel, in dem nichts weiter als Charakterzeichnung passiert.

Zur zweiten Frage bleibe ich dabei, dass das alles seinen Sinn haben kann und im Idealfall auch muss. Meine Charakere schlagen sich mit Mord, Wahnsinn, Selbstmord, Depression, Drogenmissbrauch usw. herum - wenn der Leser das aus irgendwelchen Gründen nicht aushält, dann möchte ich doch gar nicht, dass er sich das weiter antut.
Was ich da recht praktisch finde, ist ein "Signal": Bei "Breaking Bad" gibt es in der zweiten Folge(!) eine Szene, in der ein menschliches Wesen in einer Säurelösung aufgelöst wird, die sich dann im halben Haus verteilt als schmieriger Brei. Super widerlich und etwas ähnliches passiert für zwei oder drei Staffeln nicht. Aber die Szene dient als Signal für Zuschauer, die Gewalt oder Mord oder ähnliches nicht ausstehen können: Dort geht die Reise hin. Wenn ihr dabei bleibt, dann werdet ihr mehr davon sehen (müssen). Es ist besser, wenn ihr jetzt ausschaltet, als euch drei Jahre lang emotional in die Charaktere zu investieren und dann frustriert zu sein.

Klar, die Periode ist jetzt nicht so ein krasser Fall. Aber auch wenn sie nicht plotrelevant ist, kann sie ja z.B. andeuten, dass es um intimere, persönlichere und vor allem körperlichere Probleme gehen wird, als die Welt zu retten. Helden haben keine Körperfunktionen, weil sie streng genommen keine Menschen sind, aber Protagonisten sehr wohl. Ich finde z.B. vollkommen angemessen, die Auswirkungen einer fiesen Magenkrankheit zu beschreiben, wenn es später um Magenkrebs oder meinetwegen die Bedingungen in einem Folterkeller ohne Abort gehen soll. Die Alltagsszene erfüllt dann die Funktion eines Signals für Leser, die die extremere Version nicht sehen wollen.
Also ich würde das in dem Sinne ähnlich wie mit Triggerwarnungen handhaben: Nicht unbedingt vorne drauf schreiben, aber auch klar machen, dass es nicht um eine auf Hochglanz polierte Katalogwelt geht.

Maubel

Auf Toilette muss ich wegen der Erwähnung auch nicht, allerdings kann es durchaus sein, dass ich Hunger bekomme, wenn ich von köstlichem Essen lese. Allerdings mehr in Richtung Appetit und dabei würde mir die Hälfte in der Realität nicht mal schmecken, aber es ist dann so gut beschrieben, dass es den Appetit anregt. Wirklich aufgestanden und mir was zu essen geholt habe ich aber nicht. Verboten kann das auch nicht sein, denn Leute wie George R.R. Martin werden für ihren geschriebenen Foodporn hochgelobt. Der war übrigens auch der erste Autor, bei dem ich gelesen habe, wie jemand sich mal erleichtern ging. Da weiß ich noch, wie ich vor 16 Jahren gestutzt habe, es aber irgendwie ganz cool fand, dass das mal erwähnt wurde. Und natürlich gehörte das mit zu der Szene und war nicht der Fokus davon, es geschah eben "nebenbei" und ich finde, daran könnte man schon öfter mal arbeiten, alltägliche Dinge einfließen zu lassen.

Ein anderer Alltagseffekt wäre wohl die Erotik. Ich meine, es spricht nicht jeden an, aber es gibt genug Leute, die auf die erotischen Szenen entsprechend reagieren. So ganz aus der Luft gegriffen ist es also nicht. Allerdings heißt auch das nicht unbedingt, dass man das Buch gleich weglegt und danach nie wieder anrührt.

Gizmo

#36
Ich musste bisher weder zur Toilette, bloß weil ich davon gelesen habe, noch habe ich z.B. Hunger durch eine Beschreibung bekommen. Bevor Topaz es erwähnt hat, wäre ich aber auch nie auf den Gedanken gekommen, dass das möglich sein könnte.
Andererseits, selbst wenn ich so abgelenkt würde, würde ich wohl kaum das Buch darüber vergessen.

Zitat von: Maubel am 29. Oktober 2018, 09:17:40
Der war übrigens auch der erste Autor, bei dem ich gelesen habe, wie jemand sich mal erleichtern ging. Da weiß ich noch, wie ich vor 16 Jahren gestutzt habe, es aber irgendwie ganz cool fand, dass das mal erwähnt wurde. Und natürlich gehörte das mit zu der Szene und war nicht der Fokus davon, es geschah eben "nebenbei" und ich finde, daran könnte man schon öfter mal arbeiten, alltägliche Dinge einfließen zu lassen.

Das ist genau das, was ich gemeint habe! Ich erinnere mich eine ähnliche Szene in der TV-Serie 'Firefly', ich glaube gleich in der ersten Folge. Man sah einfach nur, wie jemand auf dem Raumschiff, auf dem die Serie spielt, eine versenkbare Toilette zurück in die Wand schob. 2 Sekunden, und ich fand das ein klasse Detail, denn es sagte mir: Das sind 'echte' Personen, die in einer realen Umgebung leben - auch wenn es in einem Space Western ist. :)
"Appears we just got here in the nick of time. What does that make us?"
"Big damn heroes, sir!"
- Joss Whedon's "Firefly", Episode 5, "Safe"

Trippelschritt

Es gehört nur in eine Geschichte, was der Geschichte hilft. Egal ob Alltagssituation oder Weltuntergang. Selbstverständlich kann deshalb eine Alltagssituation beschrieben werden. Aber der Autor muss die Frage beantworten können, warum er diese Situation beschrieben hat. "Der Vollständigkeit halber" wäre eine falsche Antwort. Auch unsere Dialoge haben ja nichts oder nur weniger damit zu tun, wie wir wirklich reden. Das würde sich kein Leser antun.

Liebe Grüße
Trippelschritt

FeeamPC

Genau. Alltag wird nur beschrieben, wenn er relevant ist. Mein durchgefrorener Held bekommt im Wirtshaus als erstes ungefragt einen fetten warmen Eintopf und einen warmen Würzwein vorgesetzt. Was er all die Tage vorher gegessen hat unterwegs, war nicht relevant. Dass er sich im Wirtshaus wohlfühlt, dagegen schon, denn da begegnet ihm nachher unverhofft seine Nemesis.

Minna

Interessanter Weise ist in allen Plotsystemen die ich kenne, der Alltag ein wichtiger Punkt. Sie beginnen immer mit: Stelle den Alltag des Protagonisten dar- seine Ausgangssituation.

Ich persönlich habe damit immer so meine Schwierigkeiten. Ja das ist eine Chance für Worldbuilding und Charakterisierung und wenn man gut ist, bekommt man auch noch Plotrelevanz mit rein. Und trotzdem finde ich diese Teile immer schwer zu schreiben, eben weil ich das Gefühl habe es wäre zu langweilig. Die meisten meiner Erstentwürfe setzen normaler Weise beim, oder kurz vor dem ersten Turn ein.

Fianna

#40
Wenn der Alltag darin besteht, dass man die Mathehausaufgaben macht und auf Instagram Bilder liket, ist das sicher nicht so spannend.

Wenn man dagegen mit Dämonen verhandelt, Leichen beseitigt oder mit den Geistern seiner Vorfahren streitet, ist das schon interessanter.
Alltag ist eine Definitionssache - bei Harry Potter war Ron doch auch ganz gelangweilt von den Schulregeln, und für Harry war die Zaubererwelt sehr aufregend. (Und als Leer habe ich mir nur gedacht "Wieso schimpfst Du über Hausaufgaben? Verdammte Axt, Du lernst zaubern!!")

Ein Alltag, in dem sich der Leser nicht direkt wieder findet, kann sehr spannend sein. Eine sehr skurille magische Welt, von der Protagonist gelangweilt ist, kann sehr lustig wirken.


Aber ich bin kein Freund davon, zu beschreiben, wie man die Kuh auf die Weide treibt und einen Korb Äpfel sammelt, um zu illustrieren, in was für einer heilen Welt der Held lebt (bzw. gelebt hat, bis die Handlung einsetzt).


EDIT:
@Minna
Das klingt sehr nach Quest / Heldenreiseplot. Viele Systeme wie z.B. die 7-Punkte-Struktur werden oft daran erklärt, weil das in Film und Büchern sehr gebräuchlich ist. Es gibt aber noch viele andere klassische Plotmuster, wie z.B. Adventure, Revenge, Riddle... Dazu kann ich das Buch "20 Masterplots" sehr  empfehlen.


(Ich habe beim Lesen festgestellt, dass ich in der Phantastik fast ausschließlich Riddle schreibe. Das hat mir sehr geholfen, als ich mit den 7-Punkten gekämpft habe und bemerkt habe, dass die Beispiele aus Quest-Plots stammen und inwiefern ich das auf meinen Plot übertragen kann).

Minna

@Fianna: Grobübersichten über die Masterplots habe ich schon mal gesehen und nutze sie auch gerne. Geht das Buch da noch ein bisschen mehr ins Detail wie Anfang, Mitte und Ende in anderen Plotarten aufgebaut sind?
Ich lese nicht so oft Geschichten aus anderen Genres, aber die meisten Romaces oder Krimis, die ich kenne beginnen auch oft mit dem Alltag der Protas (Ok. Manchmal ist es erst der Mord und dann der Alltag). Und in den meisten Filmen, die mir spontan einfallen, ist es auch so. Andererseits sind Hollywoodfilme ja meistens nach Schema F gestrickt, das wiederum auf der Heldenreise aufbaut. Da beißt sich die Katze in den Schwanz.
Hast du Beispiele für andere Anfänge?

Fianna

Nur meine eigenen  :versteck:
Nach dem NaNo schaue ich mal, was ich im Forum finde und verlinke es hier (oder erstelle einen neuen Thread, den ich verlinke) und ich mache (oder ergänze) einen Buchempfehlungs-Thread für die Masterplots, das etwas mehr auf die Inhalte eingeht und für wen es sich lohnt.  :)

Trippelschritt

Zitat von: Minna am 31. Oktober 2018, 00:17:33
Interessanter Weise ist in allen Plotsystemen die ich kenne, der Alltag ein wichtiger Punkt. Sie beginnen immer mit: Stelle den Alltag des Protagonisten dar- seine Ausgangssituation.

Ich persönlich habe damit immer so meine Schwierigkeiten. Ja das ist eine Chance für Worldbuilding und Charakterisierung und wenn man gut ist, bekommt man auch noch Plotrelevanz mit rein. Und trotzdem finde ich diese Teile immer schwer zu schreiben, eben weil ich das Gefühl habe es wäre zu langweilig. Die meisten meiner Erstentwürfe setzen normaler Weise beim, oder kurz vor dem ersten Turn ein.

So formuliert ist dieser Ratschlag missverständlich. Der Leser braucht für alles, was er verstehen soll, zunächst einmal eine Orientierung. Vielleicht ist das in den Plotsystemen gemeint. Außerdem beginnt eine Geschichte häufig mit dem Protagonisten, der zunächst einmal eingeführt werden muss. Es ist recht einfach, einen Protagonisten über sein Alltagsleben einzuführen, vor allem wenn fast alle Geschichten damit beginnen, dass der Held seine gewohnte Umgebung verlässt oder diese durch etwas von außen gestört wird. Aber damit wird bereits klar, dass eine solche Beschreibung eine ganz bestimmte Funktion innerhalb der Geschichte hat. Und deshalb sollte man auch damit arbeiten. Aber es geht dabei nicht um Alltag, sondern um den Alltag einer Figur. Und Leser interessieren sich neist auch für den Beruf einer Figur.

Liebe Grüße
Trippelschritt

Fianna

Ich habe ein Problem mit dem Muster an sich: auf einmal wird das idyllische Leben gestört, weil... Mich stört auch diese schemahafte Stilisierung von einer Figur, die nahezu bei Null anfängt. Und immer gleiche, generische Settings. So kann man auf die bequemste Weise die größtmögliche Veränderung darstellen.
In manchen Genres und Erzählmustern passt das sehr gut rein, aber es ist nicht alles High Fantasy und es passt (nach meinem Empfinden) nicht immer, dennoch überwiegt das als Erzählmuster. 

Meine Figuren verändern sich auch. Aber nicht von 0 auf 100; ich habe in der Regel sehr fähige Figuren, die diese ganze Entwicklung Vom-Noob-zum-Helden bereits hinter sich haben. Dennoch machen sie eine große Veränderung durch - ich erschüttere ihren Glauben an etwas, oder ich stelle ihn (teilweise) wieder her. Ich konfrontiere sie mit einem moralischen Dilemma und erzwinge eine Entscheidung.


Ich finde es zu vereinfacht, diesen Alltag und diese Störung immer auf dieselbe Weise darzustellen, mit dem kleinsten möglichen Nenner. Das habe ich versucht, weiter oben zu erläutern: wäre nicht Harry der Protagonist, sondern ein anderer Hogwartsschüler, hätten die Bücher ganz anders begonnen. Mit der Zaubererschule.
Ich bevorzuge es, wenn der Alltag des Helden, der für ihn vielleicht sehr langweilig sein mag, den Leser in ein spannendes fremdartiges Setting mitnimmt. Wenn es nicht das idyllische 0815-Dorf mit Schmiede, Schenke und Kühen ist oder das englische Reihenhaus mit Satellitenanlage und Stereoanlage.

Dann folgt man immer noch dem Muster "Zeige erst den Alltag des Helden und verändere dann etwas", aber es ist die ganze Zeit ein fremdartiges Setting und damit nicht so generisch und austauschbar.