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Akzeptierte Standards für Fantasywelten

Begonnen von Maubel, 19. April 2016, 09:09:42

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Amanita

Werke, in denen die Protagonisten eine andere Weltanschaung vertreten als der Autor sind immer eine Herausforderung, der man sich aber je nachdem welches Setting man wählt, nicht entziehen kann. Ich finde aber durchaus, dass es möglich ist, solche Geschichten zu schreiben und dabei trotzdem subtil zu zeigen, dass die Einstellung der Figuren nicht der absoluten Wahrheit entspricht. Leicht ist es aber nicht, das gut zu machen und führt dann leider auch oft zu Figuren, deren Einstellung nicht den Vorstellungen der Zeit entspricht und wie ein Fremdkörper wirkt.

Zitat von: ChurkeÜberhaupt muss ich immer wieder entdecken, dass unser Bild der Vergangenheit von Legenden und medialen Frames bestimmt wird, besonders, wenn sie eine tagespolitische Bedeutung haben. Vielleicht liegt man manchmal gar nicht so falsch, wenn man die Dinge, die einem nicht gefallen, einfach wegstreicht und dazu steht.
Das fällt tatsächlich häufig auf, nicht nur bei historischen Betrachtungen, sondern beispielsweise auch, wenn es um die Beschreibung des Verhaltens von Tieren geht. Da gab es zum Beispiel bei Pferden erst einen Leithengst als Führer der Herde, dann eine Leitstute und inzwischen wird die Existenz einer festen Hierarchie teilweise komplett negiert... Oder die Bienenkönigin, die man früher für männlich gehalten hat, weil man sich nicht vorstellen konnte, dass der Bienenstaat von einem weiblichen Wesen geführt wird.
Deswegen denke ich mir auch, dass zumindest bei der Erschaffung von Fantasywelten überhaupt nichts dagegenspricht, sich auszusuchen, was man haben möchte, solange sich daraus dann etwas in sich Schlüssiges ergibt.
Überhaupt verstehe ich dieses starre Festhalten an angeblichem oder tatsächlichem Realismus nicht.  Beispielsweise stört es mich wirklich null, wenn die Leute in einem mitteleuropäischen Setting Kartoffeln anbauen, auch wenn es in dieser Welt kein Amerika gibt. Wenn sie dort Freilandmangos anbauen würden, wäre es etwas anderes. Da bräuchte ich dann zumindest eine in sich schlüssige magische Erklärung.


Off-topic:
Zitat von: Sascha am 23. Mai 2019, 11:00:40
Zum Thema Rohstoffe auch dieser Bericht:
https://www.tagesschau.de/inland/themenwoche-gerechtigkeit-smartphone-101.html
Die Leuts brauchen ja auch unbedingt alle zwei Jahre ein neues Smarty. Ohne geht nicht. :omn:
Leider ist es aber auch so, dass in diesem Bereich (so wie auch bei den Computern) ein künstlicher Zwang erzeugt wird, die Geräte regelmäßig auszutauschen, weil die vollständige Nutzbarkeit irgendwann durch bewusste Maßnahmen nicht mehr gegeben ist. Ich musste beispielsweise auch vor zwei Jahren meinen noch voll funktionsfähigen Laptop mit Windows Vista drauf ersetzen, weil ich mit diesem Betriebssystem nicht mehr auf die Angebote der Unibibliothek und anderes zugreifen konnte.
Dass in der globalisierten Weltwirtschaft vieles schief läuft, bestreitet sicherlich niemand. Inwiefern und in welchem Maße dies sowie die diversen Probleme in Entwicklungs-und Schwellenländern eine direkte Folge des Kolonialimus sind, von der wir noch profitieren lässt sich kontrovers diskutieren, genau wie die Frage inwiefern es für Deutschland tatsächlich gut ist, dass komplette Industriezweige vollständig ausgelagert werden, weil die Produkte anderswo günstiger zu haben sind, aber ich fürchte das führt hier wirklich zu weit vom Thema ab.

Churke

Zitat von: Malinche am 22. Mai 2019, 22:22:15
Das macht diese Wahrnehmung aber nicht weniger problematisch - und nur, weil das in einer bestimmten Zeit (und einem bestimmten gesellschaftlichen Kontext) gängige und wenig hinterfragte Stereotypen und Tropes waren, heißt das ja nicht, dass das heute weiterhin so rezipiert bzw. so dargestellt werden muss.

Was du für problematische Wahrnehmung hältst, halte ich für Erzählperspektive. Geht es nicht beim personalen Erzählen darum, die Welt durch die Brille einer Figur zu betrachten? Ich lehne viele Figuren ab, aber ich habe noch nie eine Erzählstimme abgelehnt.



FeeamPC

#77
[ROSENTINTE]
Rassistisches Vokabular entfernt (16.2.21)
[/ROSENTINTE]

Und wenn ich eine Welt durch die Augen eines Protas betrachte, dann auch mit der Konsequenz, dass er/sie in dieser Welt lebt und ihre Regeln verinnerlicht hat, ohne sie groß zu hinterfragen. Machen wir doch auch. Meine Welt hat einen nicht-weißen Hintergrund mit einer Mischung aus Orient, China und Japan, und in der Hauptgesellschaft sind Frauen definitiv Wesen zweiter Klasse. Aber keine von ihnen geht hin und macht eine Kampagne für Emanzipation. Die würden nicht einmal auf die Idee kommen. Die Götter haben schließlich diese Welt so eingerichtet. Und wenn das bei anderen Völkern nicht so ist? Wenn die Frauen achten, vielleicht sogar als Regierung haben? Barbaren eben, die es nicht besser wissen.

Natürlich definieren sich Protas über das, was sie sind. Jeder Mensch tut das. es ist unsinnig, zu fordern, dass das keine Rolle spielt. Es wird erst dann zum Politikum, wenn diese Definition die persönlichen Rechte einer Gruppe stark beschränkt oder gar annulliert.

Was die Aneignung fremder Kulturen angeht: Ohne die [Ersetzung: rassistische Fremdbezeichnung für indigene Völker]bücher meiner Kindheit hätte mich AIM kalt gelassen, würde ich heute kein Verständnis für den Kampf der nordamerikanischen [Ersetzung: rassistische Fremdbezeichnung für indigene Völker] für ihre Rechte haben. Wie sonst hätte ich diese fremden Kulturen denn sonst kennenlernen sollen? Andere Informationsquellen gab es für mich nicht. Aber sie haben dazu geführt, dass mich Interesse packte und ich weitergelernt habe.

AlpakaAlex

#78
Zitat von: FeeamPC am 23. Mai 2019, 17:20:46
Was die Aneignung fremder Kulturen angeht: Ohne die I*******bücher meiner Kindheit hätte mich AIM kalt gelassen, würde ich heute kein Verständnis für den Kampf der nordamerikanischen I******* für ihre Rechte haben. Wie sonst hätte ich diese fremden Kulturen denn sonst kennenlernen sollen? Andere Informationsquellen gab es für mich nicht. Aber sie haben dazu geführt, dass mich Interesse packte und ich weitergelernt habe.
Menschen aus den indigenen Kulturen haben ihrerseits auch Bücher geschrieben und Filme gemacht. Diese werden nur nie so weit verbreitet, wie die kulturell angeeigneten, oftmals falschen Darstellungen, die von irgendwelchen Weißen gemacht werden.

Ich empfehle dahingehend die Dokumentation Reel Injun, die sich mit dem Thema auf die Filmindustrie bezogen beschäftigt.
 

FeeamPC

#79
ZitatMenschen aus den indigenen Kulturen haben ihrerseits auch Bücher geschrieben und Filme gemacht. Diese werden nur nie so weit verbreitet,

Genau das. Versuch du mal, in einer Kleinstadt mit einer katholischen Pfarrbücherei als einzige größere Buchquelle in den 1960er Jahren Bücher von indigenen Autoren zu finden.
Umso wichtiger waren die Bücher, die tatsächlich zur Verfügung standen. Und die hatten eben Weiße geschrieben.
Politisch korrekt ist schön und gut, aber es muss auch irgendwie machbar sein.

AlpakaAlex

Zitat von: FeeamPC am 23. Mai 2019, 18:21:52
Politisch korrekt ist schön und gut, aber es muss auch irgendwie machbar sein.
Dann muss man sich halt dafür einsetzen. Was mal war, kann man nicht ändern. Was ist dagegen schon.