Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum

Handwerkliches => Workshop => Thema gestartet von: CarlH am 15. März 2019, 11:04:24

Titel: Müssen Geschichten immer voller Action sein ?
Beitrag von: CarlH am 15. März 2019, 11:04:24
Ich tue mich schwer damit. Sicher man muss den Leser eine sich zuspitzende Handlung anbieten. Aber mir wiederstrebt es, es entspricht auch nicht meinem Stil, gut erzählen zu können. Also bei was könnte man den Leser mitnehmen in die Handlung, so das er im besten falle in diese Geschichte hinein fällt. Das ist schon eine Weile meine Überlegung. Und ich komme nicht drauf, das hindert mich am Schreiben.
Kann man den Leser nicht gefangen nehmen durch die Charaktere, durch die Stimmung, durch eine fremde Welt, die ihm aber wie ein Anker vertrautes mitgibt?
Was meint ihr, eine Geschichte ohne die Dramaturgie einer sich immer mehr zuspitzenden Handlung, wo die/der Protagonist zwar immer wieder auf Hindernisse stößt, die er lösen kann, oder auch nicht, in dem Maße wie es von Nöten sein müsste. Funktioniert das?
Titel: Re: Müssen Geschichten immer voller Action sein ?
Beitrag von: Ary am 15. März 2019, 11:14:26
Meine Geschichten sind auch nicht vollgepackt mit Action. Klar gibt es meist am Ende den berühmten "Bosskampf" gegen den Antagonisten und manchmal auch ein paar kleine Scharmützel, aber ich arbeite viel lieber mit Charakterentwicklung und Figureninteraktion als mit "crash, boom, bang".

Wenn du ein ganz tolles Buch lesen willst, das ohne viel Action daherkommt, aber trotzdem superspannend ist und ganz viel mit Figurenentwicklung arbeitet, kann ich dir "Das gefälschte Siegel" von unserer @Maja hier empfehlen, das hat mir was das angeht richtig gut gefallen. Ist aber der erste Teil einer dreibändigen Reihe. Wenn dich das nicht stört, empfehle ich dir, da mal reinzulesen, um zu sehen, dass ein Buch auch ohne viel Action spannend sein kann. :)
Titel: Re: Müssen Geschichten immer voller Action sein ?
Beitrag von: Alana am 15. März 2019, 11:16:53
Also wenn du Unterhaltungsliteratur schreiben möchtest, brauchst du in der Regel eine gute Dramaturgie. Die hat aber per se nichts mit Action zu tun, sondern kann auch durch die Charaktere entstehen. Mag ich sogar viel lieber. Ich schreibe auch in meiner Fantasy nur wenige echte Actionszenen und lese sowas auch nicht gern. Spannung kann man auch super anders erzeugen, das ist alles eine Frage des Handwerks. Im Prinzip geht das mit jeder Art von Konflikt, bei mir ist der meist romantischer Art oder entsteht irgendwie aus der Figur selbst. Ich empfehle dir, dazu mal Schreibratgeber zu lesen. Vielleicht wäre für dich 20 Masterplots and how to build them gut, da siehst du, was für Möglichkeiten man hat. Und das Buch ist echt super für dramaturgische Grundlagen. Wenn du wirklich ohne Handlung schreiben willst ... auch das kann spannend sein. Quality Land von Marc-Uwe Kling hat nur eine Alibi-Handlung (aber die ist auch nach der 7 Punkte Methode gebaut) die keine echte Spannung verursacht. Da ziehen der Humor und die tollen Ideen. Aber sowas ist verdammt schwer. Ich würde dir raten: benutz Dramaturgie und lerne, wie man die ohne Action einsetzen kann. Action macht übrigens keine gute Handlung. Mich langweilt Action, weswegen ich mit Deadpool und auch City of Bones nie warm wurde. Zu viel gekämpfe. Da lese ich lieber ein Buch, das nur aus Dialogen besteht. Wenn die Dramaturgie stimmt. :)
Titel: Re: Müssen Geschichten immer voller Action sein ?
Beitrag von: Lana am 15. März 2019, 11:18:16
Ich lese in der Regel auch sehr viel. In letzter Zeit leider etwas weniger, weil mir die Zeit fehlt. Und ich bin der typ, dem zu viel Action auf den Keks geht.

Das Actionreichste des letzten Buches war, dass die Diabetikerin im Suff aus dem Restaurant geflüchtet ist, ohne ihre Tasche und ihrem Notfallspritzzeug und die Familie sie dann in der Nacht gesucht hat.
Mir liegt mehr daran zu sehen, wie die Charaktere sich entwickeln. da muss es kein wildes Geballer oder ein Wettrennen sein.
ich selbst habe es auch aufgegeben so etwas schreiben zu wollen.

Mittlerweile nehme ich mir raus, dass du zu schreiben, was ich selber lesen würde und wie es mir gefällt.  :engel:
Titel: Re: Müssen Geschichten immer voller Action sein ?
Beitrag von: Araluen am 15. März 2019, 11:25:12
Sagen wir so, bei Rothfuß Kingkiller Chronicles hat das im ersten Band ziemlich gut funktioniert. Da wird nicht die Welt gerettet, keiner gefoltert, entführt. Es wird auch nicht immer schlimmer und schlimmer. Im ersten Band besteht Kvothes größte Sorge darin die Gebühren fürs nächste Trimester (oder sind es Semester) zusammen zu kriegen und das nicht nur einmal. Es ist also nicht DER Showdown, ob er sein Studium fortsetzen darf. Der Rest ist Beschreibung eines Studentenlebens. Im Hintergrund brodelt es und deutet auf einen großen Konflikt hin. Davon wird der erste Band aber kaum berührt. Ich mochte den ersten Band, war überrascht wie interessant doch die Banalitäten des Lebens sein können. Allerdings steht der zweite Band noch immer ungelesen bei mir im Regal, weil ich auf englisch weiter machen wollte (allein schon, weil es günstiger ist und man Rothfuß wohl besser im Original genießt). Dazu wollte ich den ersten Band nochmal auf Englisch lesen, konnte mich aber mit dem Wissen, was mich erwartet - keine bahnbrechenden Konflikte - noch nciht dazu durchringen. Also so richtig abgeholt, hat es mich nicht.
Action und sich zuspitzende Handlung sind aber auch nicht zwangsläufig Synonyme.
Also unter Action verstehe ich Zeitdruck, "Specialeffects", Gefahr, Explosionen, Kampf, sowas halt. Das muss nicht jede Geschichte enthalten. Was sie braucht sind gute Konflikte.
Spannung - und das ist eigentlich das wichtigste in einer Geschichte, dass der Leser unbedingt wissen will, wie es weitergeht - erzeugt man nicht nur damit die Protagonisten von einer Gefahr in die nächste zu schubsen und zu schauen, wer überlebt. Auch "stillere" Geschichten können sehr spannend sein. Das einzige, was nicht passieren darf, ist, dass der Leser sich langweilt.
Titel: Re: Müssen Geschichten immer voller Action sein ?
Beitrag von: Jen am 15. März 2019, 11:30:20
Ich persönlich mag auch gerne ,,unspannende" Geschichten, wenn sie – wie Alana schon sagte – eine gute Dramaturgie haben. Dafür empfehle ich dir die Serie ,,Mozart in the Jungle": Es gibt kleine Intrigen und eventuell mal einen ,,Oh, was nun?"-Moment, aber das fügt sich ganz sanft ein und hat mit Action wenig zu tun. Das gilt meines Erachtens für das Genre des ,,Slice of Life".
Titel: Re: Müssen Geschichten immer voller Action sein ?
Beitrag von: Arcor am 15. März 2019, 11:41:26
Ich bin mir auch gerade nicht sicher, ob du "Action" mit "Dramaturgie" und "Spannung" verwechselst bzw. wir unterschiedliche Auffassungen der Begriffe haben.

Action ist, wie @Araluen es so schön erläutert hat, Verfolgungsjagden, Explosionen, Kämpfe. Das braucht wahrlich nicht jede Geschichte, es wäre in vielen Genres (Romance z. B.) mitunter auch völlig fehl am Platz.
Action hat aber nichts mit Dramaturgie und Spannung zu tun. Spannend kann es eben auch sein, ob Kvothe bei Rothfuß aus der Akademie geschmissen wird, weil er kein Geld hat. Spannend kann es sein, ob eine Figur rechtzeitig nach Hause kommt, um einen wichtigen Anruf entgegenzunehmen, oder ob die Torte zur Hochzeit so geliefert wird, wie das Brautpaar sie sich vorgestellt hat.

Jede Geschichte braucht aber eine Dramaturgie. Du willst ja etwas erzählen. Um irgendetwas dreht sich deine Geschichte. Das ist dein Ankerpunkt für die Dramaturgie.
Als Beispiel nenne ich mal die Pickwick Papers von Charles Dickens. Das wurde ursprünglich als Reihenroman veröffentlicht und jede Episode für sich genommen erzählte nur winzige Episoden. Einen größeren Handlungsbogen gibt es kaum, eine Charakterentwicklung erst in den späteren Folgen. Trotzdem besitzt jede Episode eine eigene Handlung, ein Thema und damit eine Dramaturgie, selbst wenn da kaum Action drin vorkommt (und wenn, dann auf sehr humorige Weise).
Titel: Re: Müssen Geschichten immer voller Action sein ?
Beitrag von: Trippelschritt am 15. März 2019, 11:51:48
Mir geht es ebenso wie einigen der Diskutanten. Ich weiß nicht so genau, wovon Du sprichst. Action ist nicht notwendig. Die gilt nur für bestimmte Genres. Aber was jede Geschichte braucht, sind Konflikte. Ohne Konflikte gibt es keine Geschichte. Es sei denn Du versuchst Dich an experimenteller Literatur.

Alles Folgende ergibt sich aus der Art Deiner Konflikte. Mit Dramaturgie hat das nichts zu tun, wohl aber mit Spannung.

Liebe Grüße
Trippelschritt
Titel: Re: Müssen Geschichten immer voller Action sein ?
Beitrag von: Ananke am 15. März 2019, 18:36:13
Meiner Meinung nach sollte Action in Geschichten so verteilt sein wie Lieder in Musicals: Dort wo sie etwas zur Handlung beitragen, sind sie gern gesehen und gefallen mir, wenn sie hingegen nur als Eye-Candy wirken und eher eine persönliche Eitelkeit befriedigen, wirken sie meist zäh und der Leser langweilt sich.
Und in beiden Fällen gehören sie imo absolut nicht in jede Geschichte.
Titel: Re: Müssen Geschichten immer voller Action sein ?
Beitrag von: CarlH am 15. März 2019, 19:24:21
Danke für die Literaturhinweise. Ich habe auch einige Schreibratgeber hier. Jetzt kommt das Wochenende, und bei dem Mistwetter kann ich mich da hineinlesen.
Also ich muss gestehen, ich lese nur Fachliteratur. Romane schon seit zwanzig, dreißig Jahren nicht mehr. Das mag erstaunen, aber ich habe keine Geduld andere Geschichten zu lesen. Das bringt mich auch aus der Stimmung selber zu schreiben.
Also ich möchte meine Frage mal etwas deutlicher stellen. Ich meine Aktion, die vom Leser erwartet werden. Eigentlich hatte ich, oder wollte ich, eine seit einem Jahr zusammen gesponnene Geschichte auf Eis legen. Aber es zieht mich immer wieder zu dem Text. Diese Geschichte lädt automatisch dazu ein das sie aus viel Action besteht.
Ich mein, ein Leser hat eine gewisse Erwartungshaltung in dem Genre und in der Zeit (Frühmittelalter) in dem die Handlunge angesiedelt ist.
Aber diese Erwartungshaltung kann und will ich auch nicht befriedigen, denn Action ist mir ein Graus. Ich mein, ich kann Action schreib-technisch gut auf das (virtuelle) Papier bringen. Aber es hätte keine Seele. Das währe dasselbe, wie Pulverkaffee.
Aber kann man ganz ohne auskommen bei dem Thema. Oder muss man sich überwinden, und quasi nach einen »Rezept« sein Süppchen kochen?
Ich quäle mich mit dieser Frage, irgendwann sollte ich da mal ins Plotten kommen.
Titel: Re: Müssen Geschichten immer voller Action sein ?
Beitrag von: Tanrien am 15. März 2019, 19:29:48
Da habe ich tatsächlich letztens einen Artikel zu gelesen, den ich spannend fand: Planning Super Light Stories (https://mythcreants.com/blog/planning-super-light-stories/).

ZitatFor years now, studios and publishers have produced grimdark story after grimdark story. The backlash to this is already building, but the rain of violent, soul-sucking, haunted, gritty, ebony realism keeps pouring down. So if you're looking for a trend that might still be relevant after the time it takes to write a novel, a light story in an optimistic setting is a good bet. Many adults who want quality, low-tension books are having trouble finding them. But like many other things, crafting a light story comes with its own storytelling considerations.

Da geht er mit sehr konkreten Tipps darauf ein, wie man eine Geschichte möglichst low tension macht, ohne, dass es langweilig wird. Ist nochmal einen oder mehrere Schritt weiter als das, was du meinst, aber die Tipps - gerade, wie man es trotzdem "spannend" macht - kann man vermutlich gut verwenden.
Titel: Re: Müssen Geschichten immer voller Action sein ?
Beitrag von: Trippelschritt am 15. März 2019, 19:47:12
Es bringt wenig, so im luftleeren Raum herumzuspintisieren. Die Zeit, in der die Geschichte spielt, ist nicht so relevant. Ich würde lieber etwas über Dein Thema hören, oder die Prämisse kennen, oder einen Pitch zu lesen bekommen, damit ich verstehe, worum es Dir geht.

Liebe Grüße
Trippelschritt
Titel: Re: Müssen Geschichten immer voller Action sein ?
Beitrag von: Yamuri am 15. März 2019, 20:38:11
Mir geht es da ein wenig wie Trippelschritt, es ist mir noch nicht konkret genug. Deine Geschichte ist also im Frühmittelalter angesiedelt? In welcher Kultur? Und welches Genre? Möchtest du einen historischen Roman schreiben oder soll die Geschichte nur an das Frühmittelalter angelehnt sein? Willst du möglichst realistische historische Aspekte einbringen, oder möchtest du das Thema Mittelalter verklären? Eine Geschichte muss nicht immer Gewalt/Kämpfen beinhalten, sie kann auch politische Intrigen, Ränke Spielchen etc. beinhalten. Du kannst auch ganz bewusst an den Stellen umblenden an denen eigentlich ein Kampf sein müsste und lässt später Charaktere über den Ausgang einer Schlacht sprechen, die du aber nicht explizit beschrieben hast.
Titel: Re: Müssen Geschichten immer voller Action sein ?
Beitrag von: Valkyrie Tina am 15. März 2019, 21:40:30
Zitat von: CarlH am 15. März 2019, 19:24:21
Danke für die Literaturhinweise. Ich habe auch einige Schreibratgeber hier. Jetzt kommt das Wochenende, und bei dem Mistwetter kann ich mich da hineinlesen.
Also ich muss gestehen, ich lese nur Fachliteratur. Romane schon seit zwanzig, dreißig Jahren nicht mehr. Das mag erstaunen, aber ich habe keine Geduld andere Geschichten zu lesen. Das bringt mich auch aus der Stimmung selber zu schreiben.
Also ich möchte meine Frage mal etwas deutlicher stellen. Ich meine Aktion, die vom Leser erwartet werden. Eigentlich hatte ich, oder wollte ich, eine seit einem Jahr zusammen gesponnene Geschichte auf Eis legen. Aber es zieht mich immer wieder zu dem Text. Diese Geschichte lädt automatisch dazu ein das sie aus viel Action besteht.
Ich mein, ein Leser hat eine gewisse Erwartungshaltung in dem Genre und in der Zeit (Frühmittelalter) in dem die Handlunge angesiedelt ist.
Aber diese Erwartungshaltung kann und will ich auch nicht befriedigen, denn Action ist mir ein Graus. Ich mein, ich kann Action schreib-technisch gut auf das (virtuelle) Papier bringen. Aber es hätte keine Seele. Das währe dasselbe, wie Pulverkaffee.
Aber kann man ganz ohne auskommen bei dem Thema. Oder muss man sich überwinden, und quasi nach einen »Rezept« sein Süppchen kochen?
Ich quäle mich mit dieser Frage, irgendwann sollte ich da mal ins Plotten kommen.

Es gibt elemente, die vom Leser erwartet werden und solche, die das MAnuskript benötigt. Beispiel:  Wenn du eine Liebesgeschichte schreibst, sollte der zentrale Teil deines Manuskriptes romantische Szenen enthalten. Du kannst für dich ausmachen, wie du romantisch umsetzt, Haikämpfe können sehr romantisch sein. Aber wenn sie fehlen, fehlt dir ein integraler Teil deines Manuskriptes. Sprich, es wird schlecht. Wenn du sagst, deine Geschichte verlangt nach Action - warum? Oft haben wir ja wie einen Film im Kopf, wenn wir an ein bestimmtes Manuskript denken. Ist es ein Actionfilm? Dann überleg dir, ob es auch etwas anderes sein könnte. Könnte es eine Charakterstudie sein? Ein Arthouse? Was du nicht machen kannst ist, hinzugehen und zu sagen "die Geschichte verlangt eigentlich nach Action, aber ich mag kein Action. Also mach ich das nit." Sorry, aber Autor sein heißt auch, das zu machen, was die Geschichte verlangt.
Und ich fühle mit dir. Ich mag Romanzen etwa so wie Klapperschlangen. Aber in meine Steampunksissi gehört Romantik. Das verlangen die Leser. Das verlangt die Geschichte. Also hab ich meinen Hintern am Schreibtisch zu parken und romantiche Szenen zu studieren, und zu üben, bis sie klappen. Und wenn ich das nicht will? Muss ich ne andere Geschichte erzählen. Ich muss nicht diese wählen. Die Welt ist voll mit unerzählten Geschichten ohne Romantik. Aber ich will diese Geschichte, und das heißt, dass ich auch die Konsequenzen ziehen muss. Walk the walk, talk the talk.
Titel: Re: Müssen Geschichten immer voller Action sein ?
Beitrag von: Kerstin am 16. März 2019, 09:41:49
Zitat von: Valkyrie Tina am 15. März 2019, 21:40:30
Wenn du sagst, deine Geschichte verlangt nach Action - warum? Oft haben wir ja wie einen Film im Kopf, wenn wir an ein bestimmtes Manuskript denken. Ist es ein Actionfilm? Dann überleg dir, ob es auch etwas anderes sein könnte. Könnte es eine Charakterstudie sein? Ein Arthouse? Was du nicht machen kannst ist, hinzugehen und zu sagen "die Geschichte verlangt eigentlich nach Action, aber ich mag kein Action. Also mach ich das nit." Sorry, aber Autor sein heißt auch, das zu machen, was die Geschichte verlangt.
Ich stimme da Tina zu, aber grundsätzlich verstehe ich das Problem auch noch nicht ganz.
Frühmittelalter ist ja ein Setting, bestimmt aber doch nicht das Genre?

Ansonsten vermischen sich mir hier auch zu viele Begriffe. Da ich unter anderem Thriller schreibe, habe ich mich mit dem Thema Spannungserzeugung schon viel beschäftigt.

Unter "Action" versteht man Kampfhandlungen (und wenn es nur Ohrfeigen oder Raufereien sind), Verfolgungsjagden ... - entgegen dem, was viele glauben, erzeugt man damit KEINE Spannung - ganz im Gegenteil! In Büchern (Film ist da etwas anders) dienen Actionszenen als "Belohung" für den Leser und als Spannungslöser. Die Actionszene an sich mag spannend sein (wenn man ausreichend Vorbereitung getroffen hat, deshalb soll man eher nicht mit Action ein Buch anfangen - das funktioniert eher selten, bzw. nur mit bestimmten Tricks und meistens in der Funktion eines Icemonster-Prologs) - am Ende der Actionszene landet man aber im Buch auf einem niedrigeren Spannungsniveau und muss deshalb mit dem Einsatz davon sehr vorsichtig sein.
Deshalb gibt es den großen Sowdown auch immer erst am Ende, da dadurch die Spannung regelrecht vernichtet wird.

Man muss sich einfach dessen bewusst sein, zu was Spannung gehört. Schreibtechnisch wird Spannung bei den Emotionen eingeordnet und wie alle Emotionen, die man beim Leser erwecken will, gibt es dazu verschiedene Tricks. Da es aber eine Emotion ist, reagiert nicht jeder Leser gleich darauf, weshalb manche ein Buch langweilig finden, während andere es nicht aus der Hand legen können.

Spannung bedeutet auch nicht Konflikt! Ohne Konflikte wird es schwierig, Spannung aufzubauen, aber es ist nicht ganz unmöglich.
Zum Spannungsaufbau muss der Leser entweder einen Bezug zu den Figuren aufbauen (die üblichste Vorgehensweise) oder aber zu dem, was auf dem Spiel steht (funktioniert meistens nur bei Krimis / Thrillern).

Spannung liegt beim Leser in der Erwartung von etwas, den vielen Fragen, die man bei ihm erzeugt. Wenn es an Spannung fehlt, muss man also keine Action einfügen, sondern an der Basis schrauben. Den Versprechen, die man dem Leser gegeben hat (z.B. durch die zwangsläufige Definition des Genres, der Stimmung ... auf den ersten Seiten), den Motivationen und Konflikten der Figuren und den Einsätzen, um die es in der Handlung geht.

Ein Fehler, den viele ebenfalls machen, ist der Versuch, die Spannung kontinuierlich zu steigern. Das funktioniert so gut wie nie. Man muss immer mal wieder Atempausen für den Leser einbauen und auch einen "Reset". Wenn man die Spannung kontinuierlich steigert, dann steigt sie praktisch pro Szene um den Wert 1 an. Zum einen gewöhnt sich der Leser schnell daran und es wird eher monoton. Senken wir das Spannungsniveau zwischendurch allerdings und ziehen es dann direkt straff an, dann können wir praktisch auch mal eine Steigerung in einer Szene um den Wert 4 oder 5 (natürlich imaginäre Zahlen, mit denen ich aber viel arbeite) erzugen und geben dem Leser damit viel mehr das Gefühl von Spannung. Deshalb kommt es bei actionreicheren Geschichten oft im Mittelteil zu einer Actionszene, bei der meist der Held verliert - am Ende der Action haben wir ein niedrigeres Spannungsniveau und können darauf wieder aufbauen.

Ohne vernünftige Dramartugie kommt in meinen Augen allerdings keine Geschichte aus, egal auf welchem Spannungsniveau sie funktionieren soll und wenn man ein bestimmtes Genre schreiben möchte und viele Leser ansprechen, dann muss man halt auch mal Szenen schreiben, die einem nicht liegen.

@Tanrien: Dein Link ist interssant, bringt in meinen Augen aber Film und Buch zu sehr durcheinander, da in beiden die Spannungserzeugung völlig anders abläuft. Dadurch haben sie meiner Meinung nach auch grundsätzlich nicht verstanden, was Spannung an sich ist. Sie setzen es ebenfalls mit Action gleich, was völliger Blödsinn ist. Wenn man für die Erzeugung von Hochspannung (die Kerndefinition des Thrillers) einfach nur Action bräuchte, wäre es sehr einfach deses Genre zu schreiben - ist es allerdings nicht. Man muss sämtliche Trick auf verschiedenen Ebenen verwenden, um beim Leser große Spannung zu erzeugen. Je weniger dieser Methoden man anwendet, desto geringer ist natürlich das Spannungslevel, ebenso, wie häufig man spannungslösende und Szenen mit niedriger Spannung einflechtet.
Die Hinweise an sich sind allerdings gut, nur eben nicht die Begründung dahinter.

Ansonsten finde ich die Argumentation, dass es keine Bücher mehr mit niedrigem Spannungslevel gibt, ziemlich seltsam. Allein im Bereich der Liebesromane, Familiengeschichten, historischen Romane gibt es doch Tausende von ihnen? Ich lese gerne auch mal "low tension" und habe nie Probleme, etwas zu finden.
Wenn man nach Hollywood und teilweise auch im Serienbereich schaut, dann würde ich da viel eher zustimmen (voe allem, wenn Spannung mit Action gleichsetzt).
Titel: Re: Müssen Geschichten immer voller Action sein ?
Beitrag von: CarlH am 16. März 2019, 10:10:39
Danke schön für all die interessanten Antworten. Für mich als unerfahrener kleiner Hobbyautor waren sie sehr hilfreich.
Ich mag kein endloses Zitieren in Foren, deshalb antworte ich allgemein.
Also ich habe einen Text angefangen, der mir selber Spaß macht, und mir ein Jahr Recherche gekostet hat. Nach negativer Kritik von drei Testlesern, die unabhängig bemängelten, dass der Schreibstil viel zu anstrengend sei, hatte ich den Text wieder auf Eis gelegt. (Ich hab noch andere Texte hier liegen)
Aber ich komme immer wieder auf diesen einen Text zurück, und will da nichts dran ändern. Weil er anders nicht funktioniert.
Also überleg ich, ihn weiter zu schreiben.
Prämisse: Das Überwinden von Schwierigkeiten führt zur Stärke.
In dieser Geschichte gibt es etwas, was dort tief im Alltag verwurzelt ist, es ist der heidnische Glaube. Denn anders als im christlichen Glauben, der für sich steht und aus dem Alltag gestellt ist, bestimmt das Heidnische den Alltag. Und das ist der Reiz, der mich antreibt, den Leser in diese Zeit mitzunehmen. Nur ist es so, diese Zeit bestand nicht aus lauter Kämpfen. Es herrschte Alltag.
(Die wörtliche Rede ist dabei auch ein Stilelement. Ich füge dabei immer mal wieder Wörter im altsächsischen hinzu, die sich aus dem Gesagten selber erklären)
Ich hab mir schon überlegt, funktioniert das Ganze mit einem Überfall der Dänen oder Jüten, der Friesen, der Franken? Das würde Spannung hineinbringen. Aber die Stimmung der Geschichte währe kaputt. Es gab kein Smartphone, kein Fernseher. Da war Stille und Gleichförmigkeit. Graue Tage im grauen Norddeutschland, so würde ich das mal betiteln. Und da ist dann meine Protagonistin. Gerade mal 17 Jahre alt, ein gelangweiltes adeliges Ding, das urplötzlich ohne Mama dasteht, denn die ist als Auslösendes Element am Anfang der Geschichte tot. Und die Kausalkette, die dadraus entsteht, folgt die Geschichte. Klar, ich kann den Plot jederzeit ändern, anpassen. Aber ich sehe ich da keinen Platz für Action.
Titel: Re: Müssen Geschichten immer voller Action sein ?
Beitrag von: Trippelschritt am 16. März 2019, 11:29:08
Ich weiß, ich wiederhole mich. Aber es wäre sinnvoll, wenn Du etwas von den entstehenden Konflikten erzählen würdest.

Andererseits drängt sich mir aber auch der Eindruck auf, dass Du gar nichts ändern willst und Dir dafür hier eine Rechtfertigung suchst. Aber wenn drei Testleser, die meistens grundsätzlich freundlich sind, Deinen Text für schwer lesbar halten, dann wäre das für mich ein ernstes Warnzeichen. Das hat allerdings nichts mit Action, sondern mit Schreibstil zu run.

Liebe Grüße
Trippelschritt
Titel: Re: Müssen Geschichten immer voller Action sein ?
Beitrag von: Carolina am 16. März 2019, 13:39:31
Ich arbeite mit vielen Testlesern. Oft so um die zwanzig. Wenn drei davon eine Sache bemängeln, wird sie auf jeden Fall geändert. Bei zwei Personen auch meistens. Bei einer Person entscheide ich selbst (meist hat der Testleser auch hier recht, aber nicht immer).

Ich würde dir raten, mehr zum Thema Plotaufbau zu recherchieren und ein Teillektorat bei einem Profi zu machen. Wenn du die ersten dreißig Seiten wegen Stil und Einstieg in die Geschichte abklopfen lässt und dazu noch deinen Plot auf zwei Seiten zusammenfasst und prüfen lässt, dann ist das nicht teuer und wird dich auf jeden Fall weiterbringen.
Titel: Re: Müssen Geschichten immer voller Action sein ?
Beitrag von: Valkyrie Tina am 16. März 2019, 14:26:25

ZitatAlso ich habe einen Text angefangen, der mir selber Spaß macht, und mir ein Jahr Recherche gekostet hat. Nach negativer Kritik von drei Testlesern, die unabhängig bemängelten, dass der Schreibstil viel zu anstrengend sei, hatte ich den Text wieder auf Eis gelegt. (Ich hab noch andere Texte hier liegen)
Aber ich komme immer wieder auf diesen einen Text zurück, und will da nichts dran ändern. Weil er anders nicht funktioniert.

Wenn dir drei Leute unabhängig voneinander sagen, dass der Text nicht funktioniert, dann funktioniert er nicht. Du hast zwei Möglichkeiten:
1. du bringst ihn zum funktionieren.
2. Du änderst nichts, in dem Fall schreibst du für dich, und für niemand anderen. Der Text funktioniert nicht für andere, du willst ihn nicht zum funktionieren bringen, ergo, es ist ein Text nur für dich.

Das hat dann aber nichts zu tun mit "muss man immer Action haben". Schreiben ist sowas wie Gedankenübertragung. Du nimmst etwas, was in deinem Kopf ist, und bringst es in die Köpfe von anderen. Wenn du dir nicht die Arbeit machen willst, es in die Köpfe der anderen zu bringen, ist das absolut ok (ich habe Bücher mit kreativem Schreiben, die ich NIEMALS jemand anderem zeigen will), aber es ist nicht die "schuld" der anderen.

Wenn du es für andere schreibst, musst du es zum funktionieren bringen.

ZitatPrämisse: Das Überwinden von Schwierigkeiten führt zur Stärke.

Das ist nicht die Prämisse, das wäre das Thema.

ZitatIn dieser Geschichte gibt es etwas, was dort tief im Alltag verwurzelt ist, es ist der heidnische Glaube. Denn anders als im christlichen Glauben, der für sich steht und aus dem Alltag gestellt ist, bestimmt das Heidnische den Alltag. Und das ist der Reiz, der mich antreibt, den Leser in diese Zeit mitzunehmen. Nur ist es so, diese Zeit bestand nicht aus lauter Kämpfen. Es herrschte Alltag.
(Die wörtliche Rede ist dabei auch ein Stilelement. Ich füge dabei immer mal wieder Wörter im altsächsischen hinzu, die sich aus dem Gesagten selber erklären)
Ich hab mir schon überlegt, funktioniert das Ganze mit einem Überfall der Dänen oder Jüten, der Friesen, der Franken? Das würde Spannung hineinbringen. Aber die Stimmung der Geschichte währe kaputt. Es gab kein Smartphone, kein Fernseher. Da war Stille und Gleichförmigkeit. Graue Tage im grauen Norddeutschland, so würde ich das mal betiteln.

Das ist das Setting. Ein sehr interessantes Setting, muss ich sagen. Da ist viel Potential drin, und ich kann verstehen, warum du es wählst. Was ist dein Plot?

ZitatUnd da ist dann meine Protagonistin. Gerade mal 17 Jahre alt, ein gelangweiltes adeliges Ding, das urplötzlich ohne Mama dasteht, denn die ist als Auslösendes Element am Anfang der Geschichte tot. Und die Kausalkette, die dadraus entsteht, folgt die Geschichte. Klar, ich kann den Plot jederzeit ändern, anpassen. Aber ich sehe ich da keinen Platz für Action.
Again, das ist kein Plot. Das ist dein Hauptcharakter (der seine eigenen Probleme mitbringt, junges Mädchen, deren Mutter gestorben ist hat das Potential für absolutes Klischee) und ein auslösender Moment.

Also, was ist dein Plot? Du brauchst keine Schlachten. Aber bisher hab ich nur "alles ist langweilig und da stirbt jemand". Was passiert? Es gibt eine Fülle von Sachen, die passieren können. In so einem Hintergrund kannst du menschliches Drama unterbringen, wie leben die Leute miteinander? Wie ist ihre Dynamik? Wie verändert sich das durch den Tod der Mutter? Das Frühmittelalter war keineswegs grau und öde. Eine Krankheit des Viehs konnte existenzbedrohend werden. Die Möglichkeit eines Krieges (die brauchen nicht mit Äxten im Wohnzimmer stehen, aber stell dir vor, dass jenden Tag der Ruf kommen kann) Also, du brauchst keine Action, aber es muss etwas passieren.
Es gibt grob 2 Sorten von Geschichte: den Plotgetriebenen und den Charaktergetriebenen (die Szerie, EGAL wie interessant sie ist, wird nicht reichen, deinen Leser mitzunehmen). du scheinst zum Charaktergetriebenen zu tendieren. Das heißt, du musst lernen, Menschen zu beschreiben. Wie sie sind, wie sie funktionieren.
Titel: Re: Müssen Geschichten immer voller Action sein ?
Beitrag von: CarlH am 16. März 2019, 15:15:54
Als neues Mitglied will ich das Forum jetzt nicht mit irgend welchen Texten zumüllen.

Wer unbedingt Interesse hat, dem kann ich per PM einen kleinen Überblick schicken.
Ich werde mir das alles gründlich durch den Kopf gehen lassen, und Plotbücher lesen. Zwischendurch schreibend ein paar Szenen durchprobieren, und hoffe dann etwas Klarer zu sehen. Oft sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht. Vielen Dank für euer Bemühen, das hat mir schon viel geholfen.
Titel: Re: Müssen Geschichten immer voller Action sein ?
Beitrag von: Wildfee am 16. März 2019, 16:32:13
Zitat von: CarlH am 16. März 2019, 15:15:54
Als neues Mitglied will ich das Forum jetzt nicht mit irgend welchen Texten zumüllen.

Das ist, aus Gründen, auch gar nicht gestattet. Wenn du genügend Beiträge hast, kannst du im Bereich "Betaleservermittlung" nach Interessierten suchen.
Denen schickst du dann deinen Text und wartest auf Feedback  :vibes:
Titel: Re: Müssen Geschichten immer voller Action sein ?
Beitrag von: Belgerog am 18. März 2019, 09:27:09
Also ich hab mal etwas interessantes gelesen. Und zwar ging es da um das "Story Grid" von Shawn Coyne.

Der Mann hat quasi die Dynamik einer Geschichte in ein Excelsheet gepackt.
Es geht da darum, das analysiert wird was die Geschichte für Wirkungen hat.

Es muss nicht zwangsläufig Action sein, aber eine Szene (Kapitel) sollte demnach eine Entwicklung bringen.
Ob Positiv oder negativ.

Ich hab mich nicht tiefer damit beschäftigt, weil ich selbst noch gar nicht soweit bin. Fand es aber interessant.

Die Youtube Videos sind auf Englisch und Kostenlos. Es ist also nicht notwendig sich das Buch zu kaufen.
Du findest die Videos hier:
https://www.youtube.com/watch?v=y3-dw9cIx2o&t=1s

LG Belge
Titel: Re: Müssen Geschichten immer voller Action sein ?
Beitrag von: CarlH am 18. März 2019, 10:41:07
Danke Belge

Leider ist mein Englisch sehr dürftig.
Meine Geschichte hat einige Entwicklungen und einige Wendungen. Für den Leser bietet sich überraschendes. Mich hat damals der Twist in dem Film "The Sixth Sense" schwer beeindruckt. Darum gibt es bei mir nicht nur einen, sondern zwei davon :)
Titel: Re: Müssen Geschichten immer voller Action sein ?
Beitrag von: canis lupus niger am 22. März 2019, 12:50:41
Action ist nicht immer nötig, aber eine Handlung muss es schon geben. Obwohl seinerzeit mein Deutschlehrer sagte, Theodor Fontane hätte zeitlebens versucht, in seinen Büchern die Handlung zu minimieren, was ihm bei "Frau Jenny Treibel" (unserer Lektüre damals) recht gut gelungen sei. Was soll ich sagen? Er hatte Recht, das Buch war sterbenslangweilig.

Vor vielen Jahren gab es mal eine historische Romantrilogie über den Pharao Ramses II von Ägypten, geschrieben von einem Historiker, der diesen Pharao, sein Werk und seine Legende offensichtlich liebte. Die Reihe war sicherlich fachlich klasse geschrieben. Auch konnte ich als Leserin die Lebensbedingungen im antiken Ägypten absolut nachempfinden. Interessant zu lesen, wenn man sich informieren wollte, aber über lange Strecken quälend langweilig. Die Handlung las sich beinahe wie ein Tatsachenbericht, wurde nur irgendwie "runter erzählt".  Die handelnden Charaktere blieben farblos, man konnte nicht mit ihnen mitfühlen und -leben.

Ich stelle mir vor, dass Dein Konzept eventuell ein ähnliches Projekt darstellt. Liebevoll recherchiert und sachkundig geschrieben, aber ohne Anspruch auf Unterhaltungswert?

Das kann man als Autor so machen, aber der Kreis der dankbaren Leser wird doch eher klein bleiben. Die meisten Leser wollen nicht (nur) informiert, sondern (auch) unterhalten werden, abhängig von der Art der Literatur. Zu einem unterhaltsamen Buch gehört nun mal so etwas wie ein Spannungsbogen, Konflikte, Emotionen, Dramatik. Das, was alle anderen hier zuvor auch schon genannt haben. Seelenlos kann ich das eigentlich nicht nennen, weiß aber auch nicht, ob Du darunter dasselbe verstehst wie ich. Du sollst ja nicht Tiefe durch Action ersetzen, wie in einer billigen Fernsehserie. Spannende Ereignisse können auch die kleinen Ereignisse des Alltags sein. Sie müssen halt nur lesenswert geschrieben sein. Auch die Frage, ob ein Mädchen an einem religiösen Ritual teilnehmen oder mit zu einem Thing gehen darf, kann dramatisch aufbereitet werden, wenn dies Deiner Prota wichtig ist. 

Versuch doch mal, eine kurze Szene so zu verfassen, wie es Dir hier von vielen nahegelegt worden ist. Vielleicht findest Du ja selber Spaß daran.

Es gibt übrigends auch hervorragende deutschsprachige Schreibratgeber.
Titel: Re: Müssen Geschichten immer voller Action sein ?
Beitrag von: CarlH am 22. März 2019, 14:41:30
Die Lesegewohnheiten und die Erwartungen des Lesers, so meine ich, ändern sich ja auch. Heute muss es überall krachen.
Natürlich gibt es bei mir Handlungen und nicht eine rein historische Geschichte.
Es ist ein Fantasy Drama, und da passt keine Action. Oder ich müsste irgendwas hinbiegen, um Erwartungen zu befriedigen. Das ist, beziehungsweise war, meine Problemsituation.
Ich habe mich entschieden, dieses Drama wird von der Charakterentwicklung und dem Schreibstil geprägt sein.
Außerdem verlege ich die Handlung vom 6 Jahrhundert auf das Jahr 1020 n. Chr, so das alles vom Stil her besser passt. Also, viel Arbeit liegt vor mir, ich muss alles, von der Storyline, Expose, Charakter Ausarbeitung, bis hin zum Plot umschreiben, aber in ein bis zwei Wochen will ich fertig sein. Dann geht es voran.
Dass der Kreis einer mutmaßlichen Leserschaft klein bleibt, davon gehe ich aus. Ich rechne auch damit, dass es überhaupt keine Leserschaft geben könnte. Es ist immer die Frage, für wen schreib ich, für den Leser oder für mich. Ich bin kein reiner Handwerker, für mich ist schreiben ein Ausdruck meiner künstlerischen Kreativität.
Titel: Re: Müssen Geschichten immer voller Action sein ?
Beitrag von: canis lupus niger am 22. März 2019, 15:04:12
Zitat von: CarlH am 22. März 2019, 14:41:30
Es ist ein Fantasy Drama, und da passt keine Action.

Warum nicht?
Schon mal das historische Fantasy-Drama "Gladiator" gesehen? Das enthält jede Menge Action.
Auch die Buchreihe "Das Lied von Eis und Feuer" (Game of Thrones) ist ein klassisches Drama und trotzdem nicht actionlos.

Aber es muss wirklich nicht "überall krachen". Das haben ja alle hier bestätigt.


Titel: Re: Müssen Geschichten immer voller Action sein ?
Beitrag von: Antennenwels am 22. März 2019, 16:35:25
Ich habe die bisherige Diskussion gespannt mitverfolgt. Ich habe manchmal das Gefühl, dass es im Bereich Fantasy schon auffallend wenige Geschichten gibt, die eben nicht actionreich sind. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich zum letzten Mal eine Fantasy-Geschichte gelesen habe, in der nicht mindestens einmal das Leben der Figur auf dem Spiel stand und die allermeisten handelten gar von Kämpfen, oder Kriegen. Ich will damit keineswegs sagen, dass dies ein negativ Punkt ist, im Gegenteil, ich mag solche Geschichten sehr, aber ein wenig mehr Diversität wäre nicht schlecht. Vielleicht lese ich allerdings auch einfach die falschen Bücher.
Ich würde jedenfalls gerne mehr "lower" stakes Geschichten im Fantasy-genre sehen. Eine Handlung und einen Spannungsbogen brauchen allerdings natürlich auch diese Geschichten, aber wie einige vor mir schon gesagt haben, hat dies ja nichts mit action zu tun.

Vielleicht ist es allerdings einfacher Spannung zu erzeugen, welche den Leser mitreisst, wenn besonders viel auf dem Spiel steht (das Leben der Charaktere, oder gar das Schicksal der ganzen Welt). Auch wenn man sich Filme anschaut ist es ja so, dass die erfolgreichen Blockbusters in der Regel sehr actionreich sind.
Von daher ist es vielleicht keine grosse Überraschung, dass auch die bestseller im Fantasybereich nicht ohne action auskommen.

Was deine Geschichte angeht @CarlH würde ich ebenfalls darauf vertrauen, was in deinen Augen am besten funktioniert. Wenn es für Action nach deinem Empfinden keinen Platz hat, dann lass sie weg. Insbesondere dann, wenn es dir nicht in erster Linie darum geht ein Buch zu kaufen, sondern auch darum es für dich zu schreiben. Wie viele vor mir bereits gesagt haben, Geschichten ohne Action sind sehr wohl möglich (wenn auch nicht sehr häufig im Fantasy genre, oder jedenfalls kommt es mir so vor).
Titel: Re: Müssen Geschichten immer voller Action sein ?
Beitrag von: CarlH am 28. März 2019, 11:57:51
Zitat von: canis lupus niger am 22. März 2019, 15:04:12
Zitat von: CarlH am 22. März 2019, 14:41:30
Es ist ein Fantasy Drama, und da passt keine Action.

Warum nicht?
Schon mal das historische Fantasy-Drama "Gladiator" gesehen? Das enthält jede Menge Action.
Auch die Buchreihe "Das Lied von Eis und Feuer" (Game of Thrones) ist ein klassisches Drama und trotzdem nicht actionlos.

Aber es muss wirklich nicht "überall krachen". Das haben ja alle hier bestätigt.

Sorry für die verspätete Antwort, ich war für ein paar Tage nicht da.

Du hast recht, natürlich kann es auch Action in einen Drama geben, ich habe das nicht genau genug definiert.
Bei meinen "Projekt" jedoch nicht (ich nenne es mal so)

Titel: Re: Müssen Geschichten immer voller Action sein ?
Beitrag von: CarlH am 28. März 2019, 12:29:30
Zitat von: Antennenwels am 22. März 2019, 16:35:25

Was deine Geschichte angeht @CarlH würde ich ebenfalls darauf vertrauen, was in deinen Augen am besten funktioniert. Wenn es für Action nach deinem Empfinden keinen Platz hat, dann lass sie weg. Insbesondere dann, wenn es dir nicht in erster Linie darum geht ein Buch zu kaufen, sondern auch darum es für dich zu schreiben. Wie viele vor mir bereits gesagt haben, Geschichten ohne Action sind sehr wohl möglich (wenn auch nicht sehr häufig im Fantasy genre, oder jedenfalls kommt es mir so vor).

Ich gehe einfach von der Annahme aus, das es Zeiten gibt in dem es keine Fehde, Krieg oder schlachten stattfinden.
Wir sind alle Mörder, jeder von uns würde, wenn es dadrauf ankommt für das letzte Stück Brot töten. Das hat uns zu der dominierenden Spezis gemacht.
Von daher ist es nicht verwunderlich, wenn wir Mord und Totschlag für etwas akzeptables halten, denn sonst würden wir ja so eine Geschichte, ein Film etc. nicht lesen oder sehen wollen. Vielleicht geht ja die Entwicklung des Menschen dahin, diese in unseren Denken eingebrannte Aggression zu überwinden. Denn im Grunde haben wir sie gar nicht mehr nötig.

Also warum nicht mal eine Geschichte schreiben, ohne (so wie es meist im wirklichen Leben ist) Gewaltaktionen auszulösen. Spannende Charaktere, und ein Verlauf der Geschichte die einen mitnimmt, in einer für uns befremdlich wirkenden frühmittelalterlichen Welt, so hatte ich mir das vorgestellt.
Bestimmt langweilig für viele Menschen, da es im Fernsehen, in Büchern, Zeitschriften, zum überwiegenden Teil immer Kämpfe, Mord und Totschlag gibt. Da ich mal davon ausgehe, das dieses "Projekt" keine Leser finden wird, ist es zwar nur sekundär, aber ich habe mir halt die Frage nach  der Notwendigkeit von Action gestellt. (Vielleicht denke ich einfach zu viel nach ) :)


Titel: Re: Müssen Geschichten immer voller Action sein ?
Beitrag von: canis lupus niger am 28. März 2019, 13:16:37
Zitat von: CarlH am 28. März 2019, 12:29:30
Ich gehe einfach von der Annahme aus, das es Zeiten gibt in dem es keine Fehde, Krieg oder schlachten stattfinden.

Action muss ja nicht unbedingt Fehde, Krieg oder Schlachten bedeuten. Auch ein Unfall im häuslichen Umfeld oder die Suche nach der entlaufenen Ziege kann spannend und bewegend zu lesen sein. Vielleicht ist ja zu der Zeit gerade ein Bär in der Gegend unterwegs ...
Titel: Re: Müssen Geschichten immer voller Action sein ?
Beitrag von: Siara am 30. März 2019, 22:56:18
"Action" ist meiner Meinung nach ein weit gefasster Begriff. Wörtlich übersetzt bedeutet er immerhin nichts anderes als "Handlung". Wo beginnt Action? im Alltagsverständnis sind es vermutlich Szenen, in denen das physische Geschehen das verbale/psychische überwiegt. Und nein, das muss meiner Meinung nach definitiv nicht teil einer Geschichte sein - weder in der Fantasy noch in irgendeinem anderen Genre. (Actionromane mal ausgenommen).

Was eine Geschichte hingegen braucht, ist einen Konflikt. Ohne Konflikt, innerlich oder äußerlich, kann es keine Entwicklung geben. Und letztendlich ist es doch das, was ein Buch rechtfertigt, oder? Dinge verändern sich, und diese Entwicklung soll der Leser miterleben können. Wenn am Ende des Buches alles noch exakt so ist wie am Anfang, hätte man den Mittelteil offenbar weglassen können, denn er hatte keine Relevanz. Dann kann man sich das Schreiben des Buches gleich schenken. Also: Für mich ist "Konflikt" der zentrale Begriff.

Es stimmt, dass auf einen Konflikt früher oder später oft Action folgt. Das liegt vielleicht daran, dass der Autor sich Spannung wünscht, und körperliche Gefahr (für den Protagonisten oder andere) ist da natürlich ein praktisches Mittel. Wenn es eine körperliche Bedrohung gibt, die vielleicht sogar tödlich sein kann, steht automatisch viel auf dem Spiel. Das wiederum hilft, den Konflikt zu verdichten. Mit anderen Worten: Action ist ein Stilmittel. Ein viel benutztes, aber für mich letztendlich nicht mehr als ein weiteres Handwerkszeug, das uns zur Verfügung steht.

Aber unter den Handwerkszeugen ist es für mich wohl am ehesten der Hammer. (Wortspiel war unbeabsichtig. :engel:) Es gehört für viele zur Grundausrüstung, und ohne ihn etwas Brauchbares zu schaffen, ist auf jeden Fall eine größere Herausforderung. Unmöglich ist es ganz bestimmt nicht. Aber wenn man ohne auskommen möchte, ist es von Vorteil, sich genau zu überlegen, worin der Konflikt begründet liegt und was die Konsequenzen wären, wenn er sich in die eine oder andere Richtung entwickelt.

Letztendlich vertrete ich aber bei allen "muss" Fragen, die das Schreiben betreffen, dieselbe Haltung: Nein. Mann muss überhaupt nichts, und auch die viel rezitierten Regeln halte ich eher für Richtlinien, die man kennen sollte. Die Bücher, die sich für mich von der Masse abheben und mir (im Positiven) noch lange im Gedächtnis bleiben, wurden ganz sicher nicht unter der Prämisse "man muss" geschrieben. Sie spielen mit den Regeln und übertreten sie, um Geschichten auf die bestmögliche Weise zu erzählen. Dafür braucht es allerdings etwas, das erzählt werden kann.
Titel: Re: Müssen Geschichten immer voller Action sein ?
Beitrag von: Vic am 04. April 2019, 15:27:52
Die Frage hängt ganz davon ab wie man Action definiert. ;)
Also alle paar Seiten Explosionen, Verfolgsjagden und Drachenkämpfe brauche ich z.b. nicht unbedingt.
ABER ich brauche dringend eine Art Spannungsbogen. High Stakes. Also für den Protagonisten muss zunehmend was auf dem Spiel stehen, damit ich richtig mitfiebern kann.
Ich habe schon einige Bücher gelesen, die ein tolles World Building hatten, eine originelle Prämisse und interessante Charaktere, aber leider NICHTS damit angefangen haben.
Also niemand braucht Action in dem oben beschriebenen Sinne, aber es MUSS einfach ab und zu etwas passieren. Und zwar nicht random irgendwas, sondern etwas, was einen direkten Impact auf den Protagonisten hat. Er verliert seinen Job. Ein Familienangehöriger wird krank. Jemand setzt ihn unter Druck. Er erlebt eine schlimme Enttäuschung. Es muss halt irgendwas passieren, was ihn dazu bringt in die Handlung einzusteigen und was ihm eine Motivation gibt, Dinge zu tun. Denn nichts ist so schlimm wie ein passiver Protagonist.
Titel: Re: Müssen Geschichten immer voller Action sein ?
Beitrag von: Tom am 01. Mai 2019, 11:53:28
Meiner Meinung nach ist es nicht erforderlich, immer auf 180 Action Action Action in einer Geschichte zu haben. Solange der Spannungsbogen gehalten wird und genügend interessante Details fallen, die mich am Ball halten, finde ich es sogar schön, mal ein bisschen "Pause" von dem ganzen Trubel zu haben.
Titel: Re: Müssen Geschichten immer voller Action sein ?
Beitrag von: Nebula am 01. Mai 2019, 14:32:07
Nein, müssen sie nicht. Sie sollten Spannung haben, aber diese muss nicht zwangsweise durch Action realisiert sein. Eine Geschichte voller wiederkehrender, exakt nach demselben Schema ablaufenden Actionszenen ist meistens auch langweilig.
Titel: Re: Müssen Geschichten immer voller Action sein ?
Beitrag von: Minna am 02. Mai 2019, 21:17:09
Das Problem damit, was denn Action in einer Geschichte sei, bzw. Konflikte und wie ich die in jeder Szene unterbekomme, habe ich auch oft. In den letzten Monaten ein wenig mit dem Storygrid zum Plotten befasst und gemerkt, das die bessere Bezeichnung für "Action und Konflikt" für mich die Veränderung ist.
In jeder Szene, in jedem Abschnitt der Geschichte sollte es eine Veränderung geben, für den Gesamtplot, für einen Teilabschnitt des Plottes, für die Charakterentwicklung. Die Ursache für diese Veränderung kann von einem falschen Wort zur falschen Zeit, bis zum Angriff des Big Bad reichen. Laut Storygrid sollten sich aber die Konsequenzen der Veränderung im Verlauf des Romanes steigern von: eine Entschldigung würde reichen  bis wenn die Erde hin ist, ist sie hin.
Ich habe das Gefühl, das die Geschichte, die ich nach dem Prinzip geplottet habe, bisher ganz gut funktioniert, in Bezug auf diese Problematik.