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Füllwörter und Adjektive

Begonnen von Ary, 05. Dezember 2007, 16:34:15

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Lennard

@Julia

Wenn der Text von dir ist, dann habe ich noch folgende Verbesserungsvorschläge:

Anstatt "Nebeldünsten" würde ich "Nebelschwaden" schreiben.
Anstatt "...darüber hinziehen" würde ich nur "...darüber ziehen" schreiben.

In jedem Fall finde ich die letztere Version deutlich besser, rein subjektiv natürlich.

DarkDreamer

@Lennard: Wenn ich mich nicht irre, ist das Zitat aus "Der Schimmelreiter". Lässt mich zumindest sehr stark daran denken!

Linda

Zitat von: DarkDreamer am 09. Dezember 2007, 00:00:59
@Lennard: Wenn ich mich nicht irre, ist das Zitat aus "Der Schimmelreiter". Lässt mich zumindest sehr stark daran denken!

yup - ist es.

Gruß,

Linda

Lennard

ups...naja mit der hohen Literatur hab ich´s nich so...

Julia

Hoppla, entschuldige Lennard, ich wollte hier niemanden vorführen, aber DarkDreamer und Linda haben natürlich recht.
Wie gesagt, es ging mir bei dem Experiment auch nicht um Richtig oder Falsch, sondern darum, inwieweit Füllwörter und Adjektive eine atmosphärisch dichtere Stimmung erzeugen können, als es ein "nackter" Text allein vermag. Und Theodor Storm schien mir hierfür bestens geeignet zu sein: er schreibt altmodisch (aus unserer heutigen Sicht), kompliziert und verschachtelt - und schafft es trotzdem wie kaum ein anderer, mit seiner Geschichte eine Stimmung aufzubauen, die den Leser selbst in einer lauen Sommernacht glauben läßt, bei Sturmflut auf dem Deich zu stehen, während der Wind die Wellen in die Marsch peitscht ...

Natürlich schreibt so inzwischen keiner mehr. Allerdings gefällt mir die heutige Tendenz, aus Geschichten zunehmend kurze technische Beschreibungen zu machen, bei dem jedes unnötige Wort weggestrichen wird (überspitzt formuliert), auch nicht besonders. Für mich sind solche Bücher zwar unterhaltsam, aber ohne Zauber.
Das ist jetzt natürlich mein subjektiver Eindruck, aber ich wollte die Diskusion dazu einfach mal ins Rollen bringen.

Liebe Grüße,

Julia

Lord Bane

@Julia

Ich glaube, dass auch das bewusste Weglassen von Füllwörtern und Adjektiven eine ganz bestimmte Atmonsphäe erzeugen kann. Ich habe in meinem Manuskript eine Sexzene (wirklich keine Liebeszene und auch keine Erotikszene), die ich so knapp und schnörkellos wie nur möglich geschrieben habe, um herauszustellen wie gelangweilt und gleichgültig mein Prota ist.

Umgekehrt habe ich Szenen (die jetzt nicht unbedingt etwas mit Sex zu tun haben), in denen ich absichtlich "schnörkeliger" schreibe, einfach weil der Prota an diesen Erlebnissen emotional sehr intensiv teilnimmt.

Grüße,

seine Lordschaft.

Julia

Zitat von: Lord Bane am 09. Dezember 2007, 10:47:46
Ich glaube, dass auch das bewusste Weglassen von Füllwörtern und Adjektiven eine ganz bestimmte Atmonsphäe erzeugen kann.

Selbstverständlich. Und je besser man sein Handwerk beherrscht, umso überzeugender kann man mit solchen Stilmitteln spielen.
Allerdings bekomme ich inzwischen (als Leser) bei vielen Büchern den Eindruck, mehr eine Beschreibung denn eine Geschichte zu lesen. Dann zieht sich ein bestimmtes Stilelement nicht mehr als Szenenuntermalung, sondern als roter Faden durch das Buch. An vieles gewöhnt man sich ja mit der Zeit, aber irgendwann fragt man sich als Leser: wollte der Autor das so schreiben, oder konnte er es einfach nicht besser?

Und wenn man selbst schreibt, stellt sich irgendwann die Frage: reicht es mir als Autor, wenn ich einfach mit dem Mainstream mitschwimme, egal wie durchschnittlich das im Moment sein mag? Möchte ich wirklich nur ein Fantasy-Epos nach dem anderen schreiben (wahlweise den dreihundertsten Schottlandroman), bei denen ich meine Elfen, Trolle, was-auch-immer durch meine Welt schicke, obwohl ich zumindest im Unterbewußtsein weiß, dass sich meine Bücher in nichts, aber auch in gar nicht von den vielen tausend anderen Büchern unterscheidet, die schon auf dem Markt sind?
Möchte ich wirklich Bücher schreiben, die andere Leute lesen - und sofort wieder vergessen?
Und möchte ich selbst solche Bücher lesen?

Natürlich kann nicht jeder ein Tolkien sein, aber gerade im Genre der Fantasy fände ich es sehr schade, wenn die Fantasie, die Stimmung und der Zauber in den Geschichten nur noch auf reines Handwerk reduziert wird. Wie seht ihr das?

Philosophische Grüße,

Julia

Lord Bane

@Julia

Naja, die Sprache ist ja, grob gesagt, das einzige Werkzeug das ein Autor hat. Worüber soll er also sonst eine bestimmte Stimmung erzeugen? Natürlich sollte die Geschichte nicht in lauter sprachlichen Tricks untergehen.

Oder habe ich dich da falsch verstanden?

(Ich halte Stilfragen übrigens für überbewertet, Stil kann eine Geschichte nur unterstützen, er schafft selbst keine.)

Viele Grüße,
Lord Bane

Coppelia

Meiner Meinung nach ist es nutzlos, die Art, wie man schreibt, aufgrund von Modeerscheinungen so sehr sehr zu ändern, dass man seine eigenen Texte nicht mehr mag.
Das trifft auf die Leute zu, die meinen, viele Adjektive seien out (und gern viele verwenden) sowie auf diejenigen, die meinen, viele Adjektive seien in (und ungern viele verwenden, so wie ich). ;) Ich vermute, letzten Endes findet jeder von beiden Schreibern einen Weg, seinen Stil so weit zu verbessern, dass er seine Leser mit der Geschichte erreichen kann.

Lord Bane

Zitat von: Coppelia am 10. Dezember 2007, 07:50:29
Meiner Meinung nach ist es nutzlos, die Art, wie man schreibt, aufgrund von Modeerscheinungen so sehr sehr zu ändern, dass man seine eigenen Texte nicht mehr mag. 

Amen Schwester  :jau:

Julia

@ Coppelia und Lord Bane:

Grundsätzlich sehe ich das genauso. Allerdings bin ich mir noch nicht so ganz sicher, inwieweit man "Stil" und "Stimmung" voneinander trennen sollte, und inwieweit Adjektive und Füllwörter tatsächlich zum eigenen Stil gehören, oder eben "nur" zur Stimmung, die man als Autor erzeugen möchte.
Im schriftstellerischem Bereich finde ich es schwierig zu erklären, aber vielleicht kann man das Ganze auch auf die Musikbranche übertragen. Beispiel: Metallica klingt immer wie Metallica (der eigene Stil, in dem Fall vermutlich die Stimme des Sängers), egal ob sie Heavy oder eine Ballade spielen. Bei Ritchie Blackmore ist es dasselbe (hier ist es allerdings mehr die Gitarre  :) ).
Ein Negativbeispiel aus diesem Bereich wäre dann übrigens Ace of Base (kennt die noch jemand  8) ?). Das erste Lied war damals noch gut (weil etwas anders als damals üblich), der Rest war nur noch langweilig. Da klang dann alles gleich, es gab keinen Stil und keine Stimmung.
Ich weiß nur nicht, inwieweit man das auf die Schreiberei übertragen kann ... ?

Liebe Grüße,

Julia

Lord Bane

@ Julia

Der Stil erzeugt natürlich eine bestimmte Stimmung. Ich vertrete jedoch die Ansicht, dass man seinen Stil und die Stimmung, die man unter anderem damit erzeugt, nur zum Teil bewusst wählen kann. Das hängt meiner Ansicht nach auch von der Persönlichkeit des Autors ab.


Viele Grüße,
Lord Bane

Coppelia

#42
Von Musik verstehe ich leider nichts. ;)

Aber Stimmung, Atmosphäre und Wirkunge definiert sich für mich nicht (nur) durch Adjektive und Füllwörter in dem Sinn, dass ohne sie gar keine Atmosphäre vermittelt werden kann - jedes Wort im Satz sollte seinen Teil dazu beitragen. Z. B. finde ich, dass Verben häufig als Vermittler starker Bilder nicht genutzt werden. Dann heißt es relativ lasch "ging", "lag", "war", und es wird mit Adjektiven beschrieben, wie etwas ging, lag und war, aber das Bild bleibt trotzdem undeutlich.

Es gibt auch recht viele Adjektive, die sind süßlich, schwülstig und abgedroschen und tragen nichts zur Atmosphäre bei. Die lese ich nicht gerade selten. Ein Beispiel ist "rasiermesserscharf". Ständig ist irgendwas "rasiermesserscharf", wenn eine Waffe oder dergleichen auftaucht. Bei einer Schwertklinge würde man ja wohl erwarten, dass sie scharf ist, und ist sie nicht etwas gefährlicher als ein Rasiermesser? Die Klaue eines Werwolfs mag auch scharf sein, aber wer denkt dabei ans Rasieren? Von dieser Sorte Adjektive gibt es noch viel mehr (vor allem in Sexszenen springen die fröhlich herum), und die haben mich gelehrt, lieber sorgfältig nachzudenken, ehe ich ein Adjektiv zu viel verwende.

Übrigens: Ich habe nichts gegen Adjektive. Ich liebe sie. :) Meine Lieblingswortart. Ich möchte nur auch sicher sein, das richtige zu haben, und nicht vorsichtshalber mit ein paar mehr um mich werfen. ;)

Julia

Zitat von: Coppelia am 11. Dezember 2007, 21:50:20
Aber Stimmung, Atmosphäre und Wirkunge definiert sich für mich nicht (nur) durch Adjektive und Füllwörter in dem Sinn, dass ohne sie gar keine Atmosphäre vermittelt werden kann - jedes Wort im Satz sollte seinen Teil dazu beitragen.

Hm, ja, das würde ich sofort unterschreiben. Allerdings finde ich es auch so schon verdammt schwierig, die Begriffe wie "Stimmung" und "eigener Stil" in Worte zu fassen - nicht zuletzt, weil eben Emotionen mitspielen. Von daher war es für mich ein Ansatz, das Ganze erst einmal auf die "Anhängselwörter" zu reduzieren, um der Thematik etwas näher zu kommen. Können wohlplatzierte und -dosierte Adjektive und Füllwörter also Stimmung erzeugen?
Ich meine ja.

@ Lord Bane:
Ich glaube, ich würde Dir doch widersprechen wollen, zumindest, was die Stimmung betrifft. Bestimmte Stimmungen bei anderen Menschen hervorzurufen kann man lernen - sei es jetzt sprachlich oder beim geschriebenen Wort. Die Persönlichkeit des Autors (oder Redners) spielt dabei mit Sicherheit eine große Rolle, aber gerade der Schriftsteller hat dort im Vergleich zum Redner einen riesengroßen Vorteil: er kann so lange an seinem Text feilen, bis er ihn für perfekt hält und gibt ihm dann nur noch seinem Leser - der Redner braucht, abgesehen von dem perfekten Text für seine Rede auch noch das Talent, diese Rede mitreißend vorzutragen.
Aber lernen läßt sich sicherlich beides - bestes Beispiel sind unsere Politiker (okay, über das "mitreißen" kann man sich streiten  ;D )

Liebe Grüße,

Julia

Lennard

#44
Jeder Autor hat seinen ureigenen Schreibstil bzw. muss ihn finden. Hierzu zählt u.a. auch die Verwendung von Adjektiven. Es gibt Autoren – in der Vergangenheit und auch heute – die in ihren Werken sehr gerne und häufig Adjektive verwenden. Ganz nüchtern betrachtet, mag die Verwendung von Adjektiven in einem Roman unter Autorenkreisen womöglich zu häufig sein, trotzdem kann das Werk einen positiven Eindruck hinterlassen. Ebenso ist es möglich, das ein Autor mit seinem Schreibstil nur mit einem Minimum an Adjektiven auskommt und dennoch fasziniert.
Es mag viele Dinge geben, die unter Autorenkreisen verpönt sind. Das ,,Schreibhandwerk" in allen Ehren, aber ich denke, so manches wird in Autorenkreisen ein wenig überbewertet. Es wurde schon richtig festgestellt, das z.B. in Tolkiens Romanen unter heutigen Gesichtspunkten wahrscheinlich viele Textpassagen, wenn nicht gar ganze Kapitel, weggestrichen würden (Welch ein Frevel  ;D).
Auch das Beispiel von Julia zeigt deutlich, das ein Text unter strengen Autorenmaßstäben (Adjektive, Füllwörter etc.) eigentlich ein "No Go" sein kann, aber auf seine eigene Art trotzdem gelungen.
Ich halte es für einen Fehler, wenn man versucht, sich einen Schreibstil zuzulegen, der einem nicht liegt, nur um in einem Regelkorsett hineinzupassen. Es ist der Schreibstil des Autors, der den Text auf gewisse Weise einzigartig macht, wie ein unsichtbares Siegel des Autors auf jeder einzelnen Seite. Hat der Autor seinen Schreibstil gefunden und ist sich dessen bewusst, dann kann er ihn weder umkrempeln, noch einen anderen kopieren. Aber er kann daran feilen. Wenn also ein Roman schön und spannend geschrieben ist und dabei z.B. die häufige Verwendung von Adjektiven zum Schreibstil des Autors gehört, dann ist es gut so.

Wenn ein Roman mit vielen Adjektiven und Füllwörtern von einem Großteil der Leser als schlecht beurteilt wird, dann liegt das m.E. nicht an den Adjektiven und Füllwörtern, sondern daran, das der Autor sie nicht optimal eingesetzt hat. Nicht das ,,Wie oft" ist entscheidend, sondern das ,,Wie".

Am Ende zählt das Urteil des Lesers. Und der Leser wird einen Roman gewiss nicht nach der Häufigkeit der Adjektive bewerten. Der Roman muss einfach nur fesselnd geschrieben sein – Adjektive hin, Adjektive her.  ;)