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Muss jedes Buch eine "gute" Moral haben?

Begonnen von Artemis, 27. März 2007, 20:02:19

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Lisande

Zitat von: Aryana am 28. März 2007, 21:43:31
Hi!

Dem Begriff "Moral" stehe ich sehr zwiespältig gegenüber. ich mag Bücher überhauptnicht, die mir mit erhobenem Zeigefunger erklären wollen, was richtig und was falsch ist. Diese sogenannten pädagogisch wertvollen Kinderbücher zum Beispiel. *schüttel*
So lange das Verhalten des Protagonisten erklärbar und nachvollziehbar bleibt, ist für mich die Sache in Ordnung. So lange keine Gewaltverherrlichung auftritt, ist alles im grünen Bereich.
Bücher, die vor "Moralinsäure" scon ganz zerfressen sind, fasse ich gar nicht erst an.

Du sprichst mir aus der Seele (oh, welche Überraschung, wir sind einer Meinung...  ::) )

Bücher, in denen mir die Moral mit dem Trichter serviert wird, kann ich auch überhaupt nicht haben, da ersticke ich an einer Überdosis.
Das Ganze sollte in sich schlüssig sein, und vor allem, wie auch schon von mehreren erwähnt wurde, sollte Dein Antiheld seine Gründe haben. Er wird nicht einfach eines Morgens aufgewacht sein und entschieden haben, jetzt mal wild metzelnd durch die Gegend zu ziehen (oder was auch immer es ist, was er tut), sondern da steckt was hinter. Jeder hat eine Vergangenheit, die ihn in seiner Handlung bestimmt.
Und selbst wenn der am Ende immer noch der Meinung ist, sein Handeln wäre schon okay so (warum auch immer er dieser Meinung ist) - so lange beim Leser ankommt, dass das nicht Deine Meinung ist, ist das in Ordnung. Auch im wahren Leben bekommt nicht jeder sein Fett weg, das Leben ist alles, bloß nicht gerecht - und das darf sich auch gerne in Geschichten widerspiegeln.

Chuck

Also es gibt so manche standard Moral, die ich aufjedenfall immer in einem Buch begrüße. Also ich für meinen Teil... Und zwar, dass man erreichen kann, was man will, wenn man es nur macht. Ob nun böse oder gut sei dahin gestellt.

Antigone

Nein, Gott sei Dank muss nicht jedes Buch eine gute Moral haben, und Gott sei Dank hat das auch nicht jedes Buch. Ich finde nichts schlimmer als diese Bücher, wo sich auf den letzten 5 Seiten noch mal alles zum Guten wendet. Und am allerschlimmsten sind die, wo sich alles nur als böser Traum/Zauber etc... herausgestellt hat und alle so liebevoll Dahingemetzelten fröhliche Wiederauferstehung feiern.

Bei mir gibts nie ein vollkommenes Happy-End, irgendwer stirbt immer, und meistens wachsen mir die Bösewichte ganz besonders ans Herz und werden immer sympathischer.

Lg, A.

Chuck

Naja, aber Moral muss sich ja nicht in einem Happy-End wiederspiegeln.

Ary

Ich glaube, wir verstehen gerade alle was anderes unter Moral, kann das sein?
Wenn ich das Wort Moral höre, denke ich an erhobene Zeigefinger, "Das darfst du aber nicht" und seltsame Kinderliteratur mit noch seltsamerem pädagogisch wertvollem Ansatz.

Wenn es um "den Bösewicht als Protagonisten" geht, dann denke ich eher an den Begriff "Ehre". Piraten ware sicherlich keine netten Menschen, aber sie hatten, genauso wie Straßenräuber und Vogelfreie nach dem Robin Hood-Prinzip ihre eigene Auffassung von Ehre. Oder ein anderes Beispiel: Die Mafia. Deren Philosophie strotzt von Mird und Totschlag, Vendetta und Ehre.
Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

Kalderon

Es gibt doch zwei Formen der Moral.

Die eine sagt aus, welche Ansichten eine Gesellschaft hat, also was sie als "gut" oder "schlecht" betrachtet. In unserer Gesellschaft wird Mord meistens als schlecht betrachtet. ;)

Die andere Moral, ist die Moral von der Geschicht. Dass heißt nichts anderes, dass man eine Lehre aus einem Text ziehen kann. Ob sie nun auf die gesellschaftliche Moral anwenbar ist, tut nichts zur Sache.
Wenn also in einem Buch der Prota einen reichen Menschen in einen Brunnen schubst und am Ende des Buches seine Reichtümer bekommt, dann ist die Moral von der Geschicht: Was du möchtest, das musst du dir nehmen, auch wenn andere dabei zu schaden kommen.

Für mich keine wirklich schöne gesellschaftliche Moral, aber dennoch eine Moral.


Liebe Grüße: Kalderon

Ary

@Kalderon: Du hast es mal wieder schön auf den Punkt gebracht! :)

Gesellschaftliche Moral sollte ein Buch für mich schon rüberbringen - also sollte erklärt werden, warum ein Protagonist in dem gesellschaftsmoralischen Gefüge, in dem er lebt, so und nicht anders handelt, vor allem, wenn er gegen die geltenden Gesellschaftsmoralvorstellungen verstößt.

Was ein Buch für mich nicht haben muss, ist diese sogenannte Moral von der Geschichte. Die wirkt nämlich oft sehr belehrend, und sowas mag ich ja gar nicht!
Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

caity

*lach*
Dein Beispiel Kalderon erinnert mich an eine schöne Fabel, die wir mal zu einem Theaterstück umgeschrieben haben.
Der Wolf und der Hase.
ich weiß nicht mehr genau, worum es ging, vermutlich um etwas wie: Wer andern eine Grube gräbt fällt selbst hinein,
jedenfalls haben wir dann am Ende daraus gemacht:
Und die Moral von der Geschichten: Fressen hat man, oder nicht!
Ersteres hat der Hase und letzteres der Wolf gesagt. Eine herrliche Kindheitserinnerung ;)
Wenn ein Autor behauptet, sein Leserkreis habe sich verdoppelt, liegt der Verdacht nahe, daß der Mann geheiratet hat. - William Beaverbrook (1879-1964)

Manja_Bindig

Hihi...
Bei "moral von der Geschicht" sehe ich die ganze sache wieder ein bisschen lockerer, weil das einfach auch nur Verulkungen sein können(wenn ich zum beispiel eine Geschichte über drei Rotschöpfe schreibe, die sich in der prallen Sonne streiten - welche "Moral von der Geschicht" gibt es da wohl?) Diese Art von Moral ist eher eine ansammlung von Überlebenstipps. Und eignen sich herrlich zum schreiben von Comedy.

Lastalda

"Die Moral von der Geschicht" kann aber auch gerade die Message sein, die Kernaussage. Und solange man die nicht grade mit dem zeigefinger serviert, ist das was sehr Feines.

Eine allgemeine Aussage zu dem Thema lässt sich ohne den eigentlichen text nicht treffen. Man kann nur sagen, dass es sehr wohl möglich ist und ausgesprochen reizvoll sein kann, kein Friedefreudeeierkuche-Happyend zu haben. Böse Charaktere können Spaß machen, solange sie nicht einfach nur platt böse-weil-ich-das-sage sind. Motivation und Hintergrund ist alles.
Ich hab da erst neulich ein Buch über das Phantom der Oper gelesen ("Das Phantom" von Susan Kay). Erik ist nun wirklich kein "guter Mensch", je älter desto weniger. Er ist grausam und ein Leben ist ihm oft nicht viel wert. Aber er ist verständlich, sympathisch und ein wundervoller Charakter. Und er macht Spaß, gerade weil er nicht einfach die 180 grad-Wende kriegt und nicht aus seiner Haut kann, selbst wenn er wöllte.

Steffi

Eben. Schaut euch doch nur "Das Parfum" an - grandioses Buch trotz Antihelds und bittersüßem Ende :)
Sic parvis magna

Marty

Soweit ich weiß kommen bei  Barbara/ Ingrid  Noll auch immer die Mörderinnen durch, und man kann es gut nachvollziehen.
Neulich las ich einen Roman, da war der Held auch etwas unsympatisch, da SEHR egoistisch. Ich hatte da schon so meine Probleme damit.
Aber " gute Moral" nach dem Motto, die Guten siegen, die Bösen verlieren, ist nicht das was wir im täglichen Leben so mitbekommen.Ich denke wenn es gut geschrieben ist , kann der Held auch mal " böse " sein und es gibt kein Happy End oder der Böse siegt.
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An Jules: Voldemort for President !
               Snape and Malfoy for me!

Deyourah

Also, meiner Meinung nach, muss ein Buch nicht zwingend "Moral verkörpern".
Die Hauptfigur kann ruhig in diesem Sinne ein Bösewicht oder dergleichen sein. Es würde seinen Charakter, ich nenne es mal verpfuschen, ihn am Ende "gut" werden zu lassen. Nur weil die Person, auf die du den Schwerpunkt legst, nicht gerade heutigen moralischen Standarten entspricht, heißt das ja nicht, dass das Buch keine positiven Seiten zeigt. Man sieht die Sache nur aus einem anderen Blickwinkel. Außerdem muss ja nicht zwingend die Hauptfigur auch gewinnen. Das wäre dann wohl aus dem Blickwinkel des Protagonisten ein "Sad-End", aus Sicht des DFeindes, der dann ja wohl ein guter wäre, und der Moral wäre es ein "Happy- End".
Das kann man sehen, wie man will. Ich denke, es ist nicht wichtig, dass die Person ehrlich oder freundlich (o.ä.) ist, sondern , dass sie dem Leser nahe gebracht wird und er sich hineinversetzen kann, denn das ist es was ein gutes Buch ausmacht! Nicht die Moral der Hauptfigur.

MarkOh

Also ob jedes Buch einen positiven moralischen Anspruch haben muss, kann ich kaum beurteilen. Allerdings mag ich Geschichten mit Happy End und sympathischen Hauptcharas. Gut müssen sie ja dabei nun nicht zwangsläufig sein.
Glaub mir würde übel, wenn meine Meisterdiebin "Rouhan" plötzlich nur noch des guten Zweckes a' la Robin Hood wegen stehlen würde. Nee danke. Sie stiehlt mit Bedacht, sie tötet hinterrücks, und dennoch ist sie ein sympathischer Charakter...

LG MarkOh

Immortal

Also meine Meinung ist auch, dass das Buch keine zwingende Moral braucht.

Wenn ich an meine Trilogie denke ist da zwar am Anfang noch die Freundschaft, die die Guten einfach besser macht, doch diese verliert sich dann im zweiten Band und der dritte wird nur noch von Rache und Mordlust beherrscht. Allerdings kann das ja auch lehrreich sein, auch wenn es keine gute Moral hat: solange sie gute Freunde waren haben sie gesiegt, doch als se anfingen zu morden aus Rache verloren sie.

Daraus kann der Leser ja auch etwas lernen. Nebenbei: ich hasse Bücher mit Happy Ends. Bei mir ist das immer so, dass ich in jedem Buch auf SEite der Bösen stehe. Je mehr die tolle, super Seite der Guten geschildert wird, desto mehr zieht es mich in die andere Richtung.
Zahme Vögel träumen von der Freiheit, wilde fliegen.