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Hütet euch vor Orks oder war Tolkien ein Rassist?

Begonnen von Maria, 10. September 2019, 13:20:56

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FeeamPC

Botschaft. das ist die gehasste Frage meiner Deutschlehrer zu jedem Buch, Essay, ja sogar Satz: Was will uns der Autor/die Autorin damit sagen?

Meiner Meinung nach: In den meisten Fällen nichts. Die Autoren wollen nur eine möglichst gute Geschichte abliefern. Der Rest wird von den verschiedenen Lesern hineininterpretiert.

Guddy

Selbst wenn es keine bewusste Botschaft hat - so hat doch jede Geschichte eine Wirkung.

Und - und das ist eine ernst gemeinte Frage: Möchtet ihr ein Buch schreiben, das rassistische/sexistische/problematische Stereotype unreflektiert reproduziert und dadurch eben jene Strukturen weiter befeuert und füttert?

Denn wie bereits mehrfach geschrieben wurde. Es gibt Belege, dass solche Literatur/Produkte Spuren in den Köpfen hinterlassen. Und damit ist ausdrücklich nicht gemeint, dass man solche Figuren/Storylines/Tropes generell nicht nutzen dürfte.

AlpakaAlex

Zitat von: Trippelschritt am 17. September 2019, 15:38:17
Dass ich möglicherweise eine Botschaft in etwas sehe, bedeutet nicht, dass sie auch darin ist. Und selbst wenn sie darin sein sollte, bedeutet das nicht, dass der Autor sie auch hineingetan hat. Und das war es, worauf es Mondfräulein ankam, wenn ich sie recht verstanden habe. Und weil Leser in allen Dingen etwas entdecken können, entziehen sich solche Reaktionen auch den Möglichkeiten des Autors.
Ich glaube ehrlich gesagt eher, dass Mondfräulein genau das Gegenteil sagen möchte, von dem was du da liest. Botschaften sind immer da, ob man sie beabsichtigt oder nicht. Genau deswegen ist es wichtig zu reflektieren und zu hinterfragen, was man schreibt, da man sonst ggf. eine Botschaft vermittelt, von der man gar nicht so überzeugt ist, bspw. indem man einfach reproduziert, was man woanders gesehen hat.

Botschaften müssen nicht beabsichtigt sein, um da zu sein.

Wenn in einer Geschichte fast nur Männer eine Rolle spielen und die einzigen Frauen, die vorkommen, Damsels in Distress sind, die nichts auf die Reihe bekommen und ohne die Männer sterben würden, dann ist es eine Botschaft der Geschichte, dass Frauen eben unfähig seien. Dabei ist es egal, ob das beabsichtigt war - es ist eine Botschaft, die in der Geschichte drin ist.

Genau so, wie fast alle MCU-Filme beispielsweise eine Botschaft über Exeptionalismus haben. Sprich: Hey, hier gibt es diese bestimmten besonderen Menschen und ihre Entscheidungen sind, selbst wenn es erst einmal anders aussieht, letzten Endes die richtigen, weil diese Menschen so besonders sind. Du solltest besonderen Menschen besser vertrauen, anstatt sie zu hinterfragen. Dies ist im MCU auch deutlich stärker, als in den Comics. Ist es absicht? Weiß ich nicht. Aber diese Nachricht ist nun einmal schwer zu verleugnen.

Davon abgesehen ist es eben wie Guddy (die mich eiskalt geploppt hat ;-)) sagt: Ob du es beabsichtigst oder nicht, bestimmte dargestellte Gesellschaftsstrukturen wirken rassistisch, sexistisch o.ä. Das werden viele Leute in das Werk hineinlesen. Die einen werden dem applaudieren, weil es ihr Weltbild widerspiegelt. Die anderen werden es kritisieren. Und probieren wir es einmal anders. Die meisten, die für ihre Kunstfreiheit sprechen, möchten gerne vor der Kritik geschützt sein. Aber sagen wir mal, die Kritik kommt einfach nicht zu dir, aber dennoch applaudieren (um mal vom Extremfall auszugehen) Nazis deinem Buch, weil sie ihre Ideologie in deinem Buch zu finden meinen. Wärst du dann mit diesem Buch zufrieden?
 

Trippelschritt

Siehst Du, das habe ich mir gedacht. Es ist, Wie FeeamPC es sagte: Die Botschaft ist: Was will uns der Autor damit sagen?
Und der will meistens gar nichts sagen.

Worüber Du sprichst sind Wirkungen. Die hängen aber hauptsächlich vom Leser ab. Und den meisten Autoren ist es wirklich egal, welche Wirkungen ihre Geschichten auf andere haben. (Da gibt es ein paar Ausnahme, wenn Geschichten etwas extrem sind.) Wenn ein Autor aber über drei Messer oder fünf Freunde schreiben möchte, interessiert ihn nur seine Geschichte. Und das ist auch gut so.

Das ist der Punkt, wo hier die Meinungen auseinandergehen. Die einen verlangen, dass der autor in Ruhe gelassen wird, die anderen, dass man ihm sagen müsse, worauf er achten soll.
Meine Meinug ist, dass man solche Dinge dem Arkt überlassen soll. Wem ein bestimmter Autor nicht gefällt, der sollte dessen Bücher nicht kaufen.

Ist doch ganz einfach.

Trippelschritt

Rosentinte

#94
Zitat von: Trippelschritt am 18. September 2019, 07:25:49
Worüber Du sprichst sind Wirkungen. Die hängen aber hauptsächlich vom Leser ab. Und den meisten Autoren ist es wirklich egal, welche Wirkungen ihre Geschichten auf andere haben. (Da gibt es ein paar Ausnahme, wenn Geschichten etwas extrem sind.) Wenn ein Autor aber über drei Messer oder fünf Freunde schreiben möchte, interessiert ihn nur seine Geschichte. Und das ist auch gut so.
(Hervorhebungen von mir)

Auf welcher Grundlage triffst du diese verallgemeinerte Aussage?
Ich mache mir definitiv Gedanken darüber, wie meine Geschichte auf andere wirkt, ich habe mit befreundeten Autor*innen gesprochen, die das tun und ich bin mir sicher, dass einige Menschen, die in diesem Thread gepostet haben, das tun. Das heißt nicht, dass ich sagen will oder kann, dass alle Autor*innen sich Gedanken über die Wirkung ihrer Geschichten machen wollen. Dazu ist meine Stichprobe viel zu klein. Aber mich würde schon interessieren, warum diese Menschen alle Ausnahmen von deiner Regel sind.

El alma que anda en amor ni cansa ni se cansa.
Eine Seele, in der die Liebe wohnt, ermüdet nie und nimmer. (Übersetzung aus Taizé)

Mondfräulein

@Guddy und @NelaNequin kann ich mich nur anschließen. Es ist meiner Meinung nach sogar egal, welche Botschaft Autor*innen vermitteln wollen, wichtig ist vor allem, wie die Geschichten bei den Leser*innen ankommen. Wenn ich keine moralische Botschaft vermitteln will, dann ist das auch vollkommen in Ordnung, allerdings sollte ich dann darauf achten, ob meine Geschichten nicht doch eine Botschaft beinhalten, die ich dort nicht beabsichtigt habe, die aber aus versehen doch hineingeraten ist. Ich würde auch behaupten, dass sich die meisten Autor*innen durchaus sehr viele Gedanken darüber machen, wie die Geschichte auf die Leser*innen wirkt. Vielleicht nicht immer auf der moralischen Ebene, aber für mich ist das Suchen nach unbeabsichtigten Botschaften nicht viel anders als sich darüber Gedanken zu machen, wie eine Szene auf Leser*innen wirken soll, welche Emotionen ich hervorrufen will, ob der Spannungsbogen so funktioniert. Kommt die Verzweiflung der Hauptfigur auch so rüber, wie ich das möchte? Hinterlässt die Szene die bittersüße Stimmung, die ich beabsichtigt habe? Entdecken Leser*innen den Hinweis, den ich in diese Szene eingebaut habe? Ist der Mittelteil der Geschichte spannend genug? Habe ich es erfolgreich vermieden, Parallelen zu realen Minderheiten zu ziehen? Wird deutlich, dass meine Magier keine Metapher für queere Menschen sind? Ist in dieser Kampfszene deutlich, was wann passiert? Ich würde behaupten, viele dieser Fragen stellen sich die meisten Autor*innen beim Schreiben.

Trippelschritt

So viele Fragen. Schön  :vibes:

@ Rosentinte
Woher ich das weiß? Ich kenne viele Autoren. Selbstverständlich denken sie über den Markt nach, aber weniger über ihre Leserschaft. Das macht in meinen augen auch wenig Sinn, weil die große Gruppe der Leser sehr heterogen ist. Das gilt sogar auf so engen Genres wie Fantasy. Und man ist immer wieder überrascht, wenn sich am Ende herausstellt, dass die treuesten Anhänger gar nicht aus der Gruppe des Zielpublikums stammen. Der Grund, warum die mit Dir befreundeten Autoren eine Ausnahme darstellen, kann ich Dir nicht nennen, weil ich sie nicht kenne. Aber so, wie die ganze Diskussion bisher gelaufen ist, gibt es immer wieder die Möglichkeit, dass man Begriffe unterschiedlich versteht.

@ Mondfräulein
Deinen Post habe ich nun nicht verstanden. Wer sagt denn, dass Autoren nicht nachdenken. Ssie wollen ihre Bücher verkaufen und sie bemühen sich, sie möglichst gut zu schreiben. Aber wenn du den Botschaftsbegriff nun bereits auf Überlegungen zum Handwerk ausdehnst, dann wird mir klar, dass wir über unterschiedliche Planten reden. Und wenn du einmal in einen Schreibratgeber zur Technik des Schreibens oder einen Ratgeber, der sich mit Erzähltechniken beschäftigt, hineinschaust, dann wirst Du viele spannende Begriffe finden wie Prämisse, Thema, Plot oder Story, die auch nicht eindeutig sind und sich zum Teil überlappen. Nicht jeder Begriff lässt sich mit einer DIN-Norm erfassen. Aber den Begriff "Botschaft" wirsr Du dort kaum finden. Und wenn, dann höchstens mit dem Ratschlag ,so etwas möglichst zu vermeiden, denn Leser mögen keine Botschaften und erst recht keinen moralischen Zeigefinger. Und sollte man wirklich eine haben, dann wäre es am besten, sie so zu verstecken, dass sie niemand sofort entdeckt.

Aber ganz abgesehen davon, ich nehme es keinem Autor übel, wenn er  einen Weg beschreitet, der nicht der meine ist. Ich habe sowieso oft den Eindruck, dass es so viele Wege gibt wie Autoren. Was uns Autoren verbindet, ist der Wunsch, gute Geschichten zu erzählen. Und dafür ist jeder Autor allein verantwortlich. Und im Übrigen ist unsere Diskussion auch nicht so ganz neu. Ein klassischer Vorläufer war einmal: Wie politisch darf/sollte/muss ein Autor sein? Aber das war eine andere Zeit.

Liebe Grüße
Trippelschritt

Grey

@Trippelschritt
Viele Autor*innen kenne ich auch, ich vermute, das trifft für alle hier zu - und ich würde dich ernsthaft bitten, solche Verallgemeinerungen wie "die meisten Autoren" zu lassen oder sorgfältiger zu formulieren, denn du sprichst hier mit Autor*innen, die sich in deine Formulierung einschließen lassen müssen, und das ist wirklich keine diplomatische Form, seine Meinung kundzutun. Aber möglicherweise ist dir auch hier egal, welche Wirkung deine Worte auf die Leser haben? Entschuldige den Zynismus, aber das scheint mir ein wirklich ernstes Problem zu sein. Nun weiß ich zwar nicht, welche Art von Autoren du kennst, aber ich würde sie gern einmal selbst fragen, ob ihnen die Wirkung ihrer Geschichten auf die Leser wirklich egal ist, denn ich bin noch keinem(!) Autoren und schon gar keiner Autorin begegnet, auf die diese Aussage zutreffen würde. Über den moralischen Zeigefinger lässt sich nicht streiten, den braucht wirklich niemand, aber eine Geschichte ohne Botschaft kann niemals eine gute Geschichte sein, weil sie niemanden auf emotionaler Ebene anspricht. Im Umkehrschluss hat eine gute Geschichte immer eine Botschaft, ob beabsichtigt oder nicht - und es als "egal" zu erklären, welche Botschaft das ist, und gar nicht darüber zu reflektieren, finde ich für uns als Kulturschaffende ziemlich verantwortungslos.
Aber vielleicht gehe ich da als Jugendbuchautorin auch nur von den leicht beeinflussbaren jungen Menschen aus, wo es bei dem alten Eisen tatsächlich völlig egal ist, weil: Da ist eh nichts mehr zu retten?  :hmmm: *Zynismus Ende*

Trippelschritt

Uff, ich gebe es auf.
Es hat keinen Sinn, an dieser Stelle weiterzumachen, wenn die Auffassungen über Botschaft so weit auseinanderliegen. Da hilft dann auch Zynismus nicht mehr weiter.

Aber ich gebe gern zu, dass Formulierung "den meisten Autoren ist es egal, welche Wirkungen ihre Geschichten haben" unglücklich bis irreführend ist. Sie versuchen gute Geschichten zu schreiben. Punkt. Und im Rahmen dieses Versuchs tun sie ihr bestes. Mit ihrer eigenen Ethik, eigenen Persona, eigenen Lebenserfahrung. Die Geschichte kommt immer zuerst. Und ja, das ist meine Erfahrung mit den meisten meiner Kollegen. Ich kenne niemanden, auch keinen Jugendbuchautor, der seine Geschichte mit einer Analyse der Befindlichkeiten seiner Leserschaft beginnt, sondern sich einfach auf die integrtät seiner eigenen Persönlichkeit verlässt.

Du schreibst:
"aber eine Geschichte ohne Botschaft kann niemals eine gute Geschichte sein, weil sie niemanden auf emotionaler Ebene anspricht. Im Umkehrschluss hat eine gute Geschichte immer eine Botschaft, ob beabsichtigt oder nicht ..."

Dem kann ich mich übrigens dann sofort anschließen, wenn Du "Botschaft" durch "Prämisse" ersetzt.

Liebe Grüße
Trippelschritt


FeeamPC

#99
An dieser Stelle ist auch für mich Ende der Beteiligung an der Diskussion. Ich bekenne ganz offen: Ich überlege nie, welche Botschaft meine Geschichten vermitteln könnten. Ich schreibe, was mir Spaß macht, und so, wie es mir am Herzen liegt, und treffe damit offensichtlich den Geschmack vieler Leser. Was will ich mehr. Klar, der eine oder andere hat sich schon mal beschwert, dass ihm Dinge in meinen Büchern nicht gefallen, aber ändern werde ich deshalb nichts. Keinen Satz. Fehler ändere ich, ja, aber keinen Teil meiner Erzählung, außer ich will selbst die Geschichte irgendwo verbessern.

Ich gehe einfach davon aus, dass meine Leser so denken wie ich. Wenn ich ein Buch lese, will ich gut unterhalten werden. Mir ist noch nie, wirklich nie, der Gedanke gekommen, dass bestimmte fiktive Personen, Personengruppen oder Rassen/Arten in den Büchern, die ich gelesen habe, irgendwelche realen Minderheiten in schlechtes Licht setzen/setzen sollen. Ich sehe, dass die Geschichten widerspiegeln, was in unserer Gesellschaft ist, alle Arten von Diskrimierung, Sexismus und sonstige -ismen eingeschlossen, aber ich gehe nicht davon aus, dass der Autor mir dieses Weltbild vermitteln will oder das als Botschaft einsetzt oder damit unterschwellig eine Meinung verbreiten will. Ich gehe lediglich davon aus, dass er mit dem arbeitet, was unsere Gesellschaft ihm als Grundlage zur Verfügung stellt.

Und noch ein Disclaimer hinterher: Autor gebrauche ich generisch, Frauen eingeschlossen. Für mich als Frau ist das nicht diskriminierend gedacht, gemeint oder empfunden. Ich weiß, dass einige von euch das anders sehen, ist euer gutes Recht, ebenso, wie es mein gutes Recht ist, das auf meine Art zu sehen und zu handhaben.

P.S.: Die einzigen Bücher, die nach meinem Empfinden wirklich in die Giftküche gehören, sind die, die einschlägiges Gedankengut propagandistisch verbreiten sollen.

Guddy

#100
Zitat von: FeeamPC am 18. September 2019, 15:03:45Ich überlege nie, welche Botschaft meine Geschichten vermitteln könnten. Ich schreibe, was mir Spaß macht, und so, wie es mir am Herzen liegt, und treffe damit offensichtlich den Geschmack vieler Leser. Was will ich mehr. Klar, der eine oder andere hat sich schon mal beschwert, dass ihm Dinge in meinen Büchern nicht gefallen, aber ändern werde ich deshalb nichts.

Ich finde das ehrlich, ganz, ganz ehrlich beunruhigend und enttäuschend. Es geht niemandem darum, dass niemand mehr irgendwas schreiben darf. Sondern um Rassismus und Sexismus der, wie hier bereits oft dargelegt wurde, eben auch unterschwellig weitergetragen und gefüttert (verbreitet! Abgenickt!) werden kann. Selbst dann, wenn man kein*e Rassist*in ist.

Ich habe den Eindruck, dass sich, statt darüber nachzudenken, lieber auf den Gedanken versteift wird, dass man "nichts mehr sagen dürfe". Aber dem ist nicht so und das wurde hier doch auch mehrfach geschrieben.

ZitatMir ist noch nie, wirklich nie, der Gedanke gekommen, dass bestimmte fiktive Personen, Personengruppen oder Rassen/Arten in den Büchern, die ich gelesen habe, irgendwelche realen Minderheiten in schlechtes Licht setzen/setzen sollen.
Wenn dir der Gedanke noch nie gekommen ist, heißt das nicht, dass es nicht sein kann. Es gibt unzählige Menschen, die dir Gegenteiliges beweisen können. Und es muss auch nicht bewusst geschehen. Bloß: Sich bewusst dagegen zu entscheiden, sich bezüglich problematischer Aspekte weiterzubilden, kann doch auch nicht erstrebenswert sein, oder?

Es geht auch um internalisierte Bilder. Um Strukturen, derer wir uns nicht bewusst sein. Geht mir auch so. Aber dann kann ich zuhören. Niemand ist perfekt. Aber du entscheidest dich bewusst dagegen und das lässt mich echt leicht fassungslos zurück, gerade nach den ganzen Erklärungen.

ZitatIch sehe, dass die Geschichten widerspiegeln, was in unserer Gesellschaft ist,
Das ist ja auch völlig okay. Das haben doch u.a. @Mondfräulein und @NelaNequin gut erläutert.

Ich würde gar nicht so emotional sein, wenn ich nicht das Gefühl hätte, es würde gar nicht richtig zugehört werden.
Aber ja, vermutlich habt ihr Recht und wir drehen uns nur im Kreis.

Grey

Zitat von: Trippelschritt am 18. September 2019, 14:20:38
Uff, ich gebe es auf.
Es hat keinen Sinn, an dieser Stelle weiterzumachen, wenn die Auffassungen über Botschaft so weit auseinanderliegen.

Was genau gibst du auf? Uns davon überzeugen zu wollen, dass deine Ansicht die einzig richtige ist und alles andere sich unter "Befindlichkeiten" zusammenfassen lässt? So einfach ist das leider nicht, und das sage ich an dieser Stelle völlig zynismusfrei. Erklär mir gern nochmal, was genau für dich "Botschaft" bedeutet, dass du es so partout nicht in deinen Romanen haben willst - nachdem wir den moralischen Zeigefinger ja nun schon ausgeschlossen haben. Das habe ich nämlich tatsächlich noch nicht verstanden.

Zitat von: Trippelschritt am 18. September 2019, 14:20:38
Sie versuchen gute Geschichten zu schreiben. Punkt. Und im Rahmen dieses Versuchs tun sie ihr bestes. Mit ihrer eigenen Ethik, eigenen Persona, eigenen Lebenserfahrung. Die Geschichte kommt immer zuerst. Und ja, das ist meine Erfahrung mit den meisten meiner Kollegen. Ich kenne niemanden, auch keinen Jugendbuchautor, der seine Geschichte mit einer Analyse der Befindlichkeiten seiner Leserschaft beginnt, sondern sich einfach auf die integrtät seiner eigenen Persönlichkeit verlässt.

Natürlich versuchen wir alle, gute Geschichten zu schreiben, gar keine Frage. Aber da muss sich doch eben jeder selbst die Frage stellen, was für ihn oder sie persönlich zu einer guten Geschichte gehört, und wenn du schon vom Markt sprichst, dann gehört dazu selbstverständlich auch eine Zielgruppenanalyse. Aber selbst ganz ungeachtet dessen: Ich kenne tatsächlich sogar viele Autoren, die sich eben nicht auf die Integrität ihrer eigenen Persönlichkeit verlassen, sondern sich mit dem, worüber sie schreiben wollen, detailliert auseinandersetzen - ein nicht zu unterschätzender Teil der Recherche. Und das ist auch gut so, denn unser Gehirn ist nun mal ein faules Stück, und natürlich ist es sehr viel einfacher, zu reproduzieren, was die Umwelt einem so eingetrichtert hat. Man kann sich seiner eigenen Integrität niemals sicher sein, und das ist eben der springende Punkt. Wer integer sein will, kommt nicht darum herum, sein eigenes Gehirn und seine Machenschaften immer wieder zu hinterfragen. Wenn man dann entscheidet, dass es einem egal ist, ist das eine Entscheidung. Aber schon eine sehr bequeme und ein Stück weit ignorante, wenn ich das mal so sagen darf.

Zitat von: Trippelschritt am 18. September 2019, 14:20:38
Du schreibst:
"aber eine Geschichte ohne Botschaft kann niemals eine gute Geschichte sein, weil sie niemanden auf emotionaler Ebene anspricht. Im Umkehrschluss hat eine gute Geschichte immer eine Botschaft, ob beabsichtigt oder nicht ..."

Dem kann ich mich übrigens dann sofort anschließen, wenn Du "Botschaft" durch "Prämisse" ersetzt.

Das, mit Verlaub, halte ich für  reine Wortklauberei. :hmhm?:

Amanita

Ein paar Worte zu der "Botschafts"-Thematik. Ich gehöre auch zu der Fraktion, die der Meinung ist, dass es kaum bis gar nicht möglich ist, eine Geschichte zu schreiben, ohne als Autor irgendwie Position zu beziehen, was man auch als Übermitteln einer Botschaft bezeichnen könnte. Selbst in eher schlicht gestrickten Actiongeschichten gibt es meistens irgendeine Form von Gut  und Böse und auch eine Definition davon, wer das Gute ist, häufig dann diejenigen, sich für das Wohl Amerikas einsetzen. ;) Und ja, ich denke tatsächlich auch, dass viele dieser Medien den Konsumenten in die Richtung beeinflussen, dass Amerika als Macht des Gutes betrachtet werden soll und ich halte es auch für recht wahrscheinlich, dass dies beabsichtigt ist. Sehr dystopisch angehauchte Geschichten, wo sich die Parteien moralisch kaum unterscheiden, vermitteln dagegen ein pessimistisches Menschenbild, bei humoristischen Geschichten spielt es eine große Rolle, worüber denn dort gelacht wird usw.

Deswegen denke ich auch: Nein, Geschichten ohne "Botschaft" gibt es nicht und deswegen ist es auch sinnvoll, diese Botschaft zu reflektieren und mit den tatsächlichen Vorstellungen abzugleichen. Welcher Schluss dann daraus gezogen wird, ist wieder eine andere Frage.
Um mal wieder mein übliches Beispiel zu nennen. Die Geschichte von der einsamen Heldin, die "nicht so ist wie die anderen Mädchen" und sich im Verlauf der Geschichte ihren Platz in einer patriarchalischen Gesellschaft erkämpft.  Die meistens Autorinnen dieser Art von Geschichten lehnen vermutlich den Sexismus dieser Gesellschaft ab und wollen eine Geschichte mit Botschafen wie "es ist in Ordnung anders zu sein", "verwirkliche deine Träume" oder so ähnlich erzählen. Höchstwahrscheinlich möchten sie nicht mitteilen, dass Sexismus eigentlich gerechtfertigt und natürlich normal ist, auch wenn es einzelne Ausnahmefrauen gibt, die auch was drauf haben... Genau das wird aber auch mittransportiert. Das bedeutet nicht, dass solche Geschichten nicht geschrieben werden sollten, aber man sollte sich zumindest darüber im Klaren sein und wenn einem eine feministische Botschaft wichtig ist, schauen, ob sich da etwas modifizieren lässt.

Genauso finde ich es sinnvoll und richtig, rassistische Klischees bei erfundenen Wesen oder Volksgruppen in Fantasywelten zu vermeiden, die Schaden anrichten, ohne der Geschichte viel zu nutzen.
Wenn es aber soweit geht, dass beispielsweise Begriffe wie "schwarze Magie" und "dunkle Künste", mit einer völlig anderen Bedeutugn, verbannt werden sollen, weil irgendjemand das mit dunkelhäutigen Menschen in Verbindunge bringen könnte, sehe ich tatsächlich eine sehr deutliche Einschränkung. Genauso halte ich nicht viel davon, sich als Autor*in Machtspielchen von Vertretern irgendwelcher Interessengruppen zu unterwerfen, bei denen eher der Eindruck entsteht, dass sie weiße/männliche/heterosexuelle Autoren grundsätzlich ablehnen und dies durch ihre Kommentare ausleben wollen, anstatt ein Interesse daran zu haben, zu einer besseren Geschichte beizutragen. Da kommen dann so Botschaften raus wie: "Du bist rassistisch, weil du nur weiße Figuren in deinem Roman hast. Weil du aber weiß bist, steht es dir nicht zu über POC zu schreiben und es ist Anmaßung, wenn du versuchst "unsere" Geschichten zu erzählen."
Da ist es auch nicht immer einfach zu unterscheiben, ob man es mit berechtigter konstruktiver Kritik zu tun hat, oder eher mit so etwas.

Yamuri

#103
Zum Thema Botschaft:

Meiner Meinung nach ist die Geschichte selbst die Botschaft. Eine Aussage, die auch an andere Menschen gerichtet ist und eine Geschichte ist an die Leserschaaft gerichtet, soll gelesen werden, ist eine Botschaft an die Leserschaft. Welche Wirkung die Botschaft hat, kann natürlich unterschiedlich sein. Aber das ändert nichts daran, dass die Botschaft in Form der Geschichte da ist und Menschen erreichen kann. Was man als Autor*in aber kann ist, sich überlegen welche Wirkung die Botschaft haben kann und darüber zu reflektieren wie man möglichst so schreibt, dass die Wirkung dem entspricht, wie man selbst seine Geschichte verstehen würde. Ich jedenfalls möchte durchaus richtig verstanden werden, und wenn mich Testleser*innen darauf aufmerksam machen, dass eine Stelle auch ganz anders aufgefasst werden kann, und mir dieses andere Verständnis nicht gefällt, dann arbeite ich daran die Stelle entsprechend anzupassen. Denn ich habe eben den Anspruch meine Welten den Leser*innen so näher zu bringen, dass sie diese nicht völlig missverstehen. Und Missverständnisse können eben entstehen, wenn man beim Handwerk schlampig arbeitet.

Zitat von: GuddyIch würde gar nicht so emotional sein, wenn ich nicht das Gefühl hätte, es würde gar nicht richtig zugehört werden.

Ich habe auch den Eindruck, dass nicht richtig zugehört wird und daher teilweise aneinander vorbei geredet.

Zitat von: AmanitaDeswegen denke ich auch: Nein, Geschichten ohne "Botschaft" gibt es nicht und deswegen ist es auch sinnvoll, diese Botschaft zu reflektieren und mit den tatsächlichen Vorstellungen abzugleichen. Welcher Schluss dann daraus gezogen wird, ist wieder eine andere Frage.

:jau: Sehe ich genauso. Zumal ich auch denke, als Autor*in haben wir durchaus die Macht Menschen zu beeinflussen, da ich in Geschichten die Möglichkeit zur Beeinflussung sehe. Das mag nicht bei jedem funktionieren, aber die Präsentation bestimmter Themen in Geschichten kann Leser*innen eben zum Nachdenken bringen, zum Reflektionen und auf das Bewusstsein einwirken. Daher denke ich auch, dass es wichtig ist über die Botschaft zu reflektieren, insbesondere dann, wenn man selbst ein idealistischer Mensch ist und zu einer Verbesserung der Zustände beitragen möchte.
"Every great dream begins with a dreamer. Always remember, you have within you the strength, the patience, and the passion to reach for the stars to change the world."
- Harriet Tubman

Anj

Mir scheint, dass sich hier gerade eine Veränderung wiederspiegelt. Zum einen die grundsätzliche Frage, was Aufgabe eines Autors (oder freier eines Künstlers oder eines Kulturschaffenden) ist.
Und ehrlicherweise finde ich es sowohl legitim zu sagen, ich will nur unterhalten als auch zu sagen, ich will meine Leser aufrütteln als auch zu sagen, ich will ein Beitrag zu Repräsentation leisten als auch, ich will meine eigenen, unbewussten -ismen aufdecken und überwinden.

Was ich aber hier beobachte, ist zunehmend tatsächlich ein Druck von Seiten derer, die für sich und Literatur in Anspruch nehmen, dass diese -ismen aufdecken und überwinden müsse. Ich finde es druchaus erstrebenswert das zu tun, aber es von allen anderen auch zu fordern, ist nach meiner Beobachtung genau das, wogegen Trippelschritt und FeeamPC sich wehren.
Die Tendenz andere zu be- oder sogar zu verurteilen fällt mir hier in diesem Thread zunehmend schon auf. Durchaus in Ansätzen auch an mir selbst, wenn ich eine Haltung einfach nicht nachvollziehen kann. Andererseits kann ich aber gut nachvollziehen, dass an bestimmten Stellen einfach beschlossen wird, dass an dieser Stelle das eigene Engagement aufhört. Wird bei Themen wie De-Plastik oder dem Ökothema doch auch akzeptiert, wenn jemand sagt, das will ich einfach noch nicht ändern. Bei sämtlichen -ismen-Diskussionen vertiefen sich scheinbar aber ständig die Gräben. Woran liegt das?
Und worin (und die Frage stelle ich mir gerade tatsächlich ernsthaft) liegt beispielsweise der Unterschied zwischen der Forderung "jeder Autor muss sich und seine Geschichten auf -ismen überprüfen und versuchen diese auszumerzen" und der Forderung - nehmen wir einfach mal etwas aus der Luft gegriffenes - kein Autor dürfe mehr die Evolutionstheorie verbreiten. In beiden Fällen fordert eine Gruppe die andere sich ihrer Überzeugung anzuschließen oder zu unterwerfen.

Meiner Ansicht nach ist meist ausschließlich der eigene moralische Maßstab der Kompass anhand dessen derselbe Effekt mal gefordert und mal verteufelt wird.
Ist es wirklich eine Lösung eine Art von Gleichmachung zu fordern? Wäre es nicht respektvoller jedem gegenüber ihm die eigenen Überzeugungen zwar als Information oder Beispiel anzubieten, ihm aber die eigene Wahl zuzugestehen?
Nein, mir gefällt es auch nicht, wenn ich Rechten ihre Meinung zugestehen muss. Aber das ist etwas, dass Merkmal von Meinungsfreiheit ist. Genauso wie natürlich der Fingerzeig auf Manipulationen oder Hetzerei oder eben unreflektiertes Verfestigen von unfairen Strukturen.
Aber eine Gleichschaltung, egal welcher Art, ist eine Verringerung von Meinungsvielfalt, die uns erst befähigt, eigene blinde Flecken zu erkennen. Und vielleicht ist das auch ein Generationsunterschied. Ich bin in den 30ern. Ich bin damit aufgewachsen, dass ich immer sagen konnte, was ich wollte, ohne dass ich dafür verurteilt werden durfte. Ich musste mit Kritik rechnen, aber ich brauchte nie echte Angst vor negativen Folgen haben.
Vielleicht haben andere Menschen einfach einen anderen Erfahrungshintergrund und sehen ehemals vorhandene Strukturen wiederkommen, die ich einfach nicht wirklich für möglich halte. Obwohl ich dennoch Angst davor bekomme. Und mir wünschen würde, jeder Mensch wäre fähig Mitgefühl für Andersartigkeit zu haben. Aber eine Verschärfung der Fronten halte ich für keine zielführende Lösung. Und das ist etwas, was mir am meisten Angst macht. Ich habe das Gefühl, dass ich zunehmend daran gemessen werde wie stark und kompromisslos ich Dinge verurteile. Und jede liberale Haltung, selbst wenn es nur als Gedankenexperiment zum Perspektivwechsel genutzt wird, wird mit einem Ausschluss oder zumindest massiven Angriffen beantwortet. Und, und vielleicht stehe ich alleine damit da, diese Tendenz entdecke ich hier gerade, wenn auch in noch sehr leiser Form auch. Nicht nur hier, sondern auch in anderen Themen. Und das ist für mich neu im TiZi. Und ich frage mich, woran das liegt.

(Okay, sorry das wurde jetzt off topic. :versteck: Ich lasse es trotzdem mal stehen.)

Und ich persönlich bin FeeamPC und Trippelschritt sehr dankbar, denn sie haben mich zum Nachdenken und zum Differenzieren für mich selbst angeregt. Sie haben meine Überzeugung wieder bestätigt, dass in einem Thema, das mich emotional macht, immer noch blinde Flecke für mich selbst drinstecken und Differenzierung durch Perspektivwechsel und einem Austausch der auf Verständnis (aber nicht notwendigerweise auch Zustimmung) hilfreicher sind, als meine Überzeugung verbreiten zu wollen.

Meine Idee: Wäre es nicht vielleicht hilfreicher, diese Dinge, wenn sie uns in Büchern auffallen in Rezensionen anzumerken, statt von vorneherein zu fordern, dieser Veränderungsprozess solle der Autor still in seiner Kammer für sich machen? Also mal so ganz grundsätzlich in die Diskussion geworfen. ?
Und was ist mit den Forderungen, ein Autor sei von seinem Werk getrennt zu betrachten? Gilt das nur für bestimmte Themen? Die, die mir gerade passen? Oder ist es vielleicht doch gar nicht möglich, dies getrennt zu betrachten?

Und übrigens @Grey , in einem Autorenforum die Diskussion um die Definition eines Wortes in negativer Form als Wortklauberei zu deklarieren finde ich schon irgendwie auch bemerkenswert. Gemeinsame Begriffsdefinitionen sind doch eine Grundlage, wenn Missverständnisse vermieden werden sollen. ? Zumal, wenn unterschiedliche Definitionen verbreitet sind oder sein könnten.
Und zumindest mir hat es oft schon viele Aha-Erlebnisse gebracht, diese Wortklaubereien zu betreiben.
"Wenn du andere Leute ansiehst, frage dich, ob du sie wirklich siehst, oder ob du nur deine Gedanken über sie siehst."
Jon Kabat-Zinn.