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Männer schreiben

Begonnen von Mondfräulein, 10. Mai 2022, 15:44:40

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Mondfräulein

Zitat von: Luna am 13. Mai 2022, 21:30:07
Aber: Sucht man eine Möglichkeit, Charaktere zu schreiben, die keine "(toxischen) Klischees" erfüllen, indem man einfach Menschen schreibt, und das Geschlecht in den Hintergrund rücken lässt. Schließlich kann alles Geschlechtsunabhängig sein: Interessen, romantische Gefühle, wie man andere Menschen wahrnimmt.

Ich glaube, das ist letztendlich mein persönliches Ziel. Einfach Figuren zu schreiben, die Interessen und Eigenschaften haben, aber nichts davon wegen des Geschlechts, das sie haben.

Danke auch sonst für deinen Beitrag! Ich finde deine Gedanken sehr spannend zu lesen.

Zitat von: Andersleser am 14. Mai 2022, 10:03:52Nur wird so natürlich durchgängig von allen Seiten vermittelt "Das ist das Einzige, was .... schön finden", obwohl man das so verallgemeinert gar nicht sagen kann. Es gibt Menschen, die so viel schön finden und Hässlichkeit beziehe ich allenfalls auf den Charakter. Der Charakter eines Menschen kann hässlich sein. Aber ein Mensch kann auf so vielfältige Weise schön sein, davon mal abgesehen hege ich immer die Hoffnung, dass das Aussehen am Ende nicht den Ausschlag gibt. Klar gefällt jedem ein anderes Aussehen gut, man findet verschiedenes anziehend - aber wenn bei einer Beziehung - finde ich - kommt es vorrangig auf den Menschen an.

Das kann ich nur so unterschreiben (eigentlich alles, was du schreibst). Wenn ich mir ansehe, welche Menschen ich im echten Leben wirklich schön finde, ist wenn ich genauer darüber nachdenke niemand wirklich perfekt. Das müssen sie ja auch nicht sein, um wirklich schön zu sein. Warum dann in Büchern? Klar, die meisten wollen einen Partner, den sie schön finden. Aber schön finden ist etwas sehr Subjektives und vieles, was in den Augen von Hollywood vielleicht als Makel gilt, würde uns im echten Leben nicht stören. Besonders, wenn charakterlich alles stimmt. Ich persönlich beobachte bei mir, dass ein schöner Charakter den Menschen selbst sehr viel schöner macht.

Zitat von: Andersleser am 14. Mai 2022, 10:03:52Es ist nicht immer, nicht überall so, aber doch häufig genug. Aber man bekommt es ja auch in Teenie-Serien schon überdeutlich präsentiert, wenn die 16-17 Jährigen von Erwachsenen gespielt werden und die Jungs Muskulös bis sonst wo sind. Natürlich auch nicht in jeder Serie und in mancher mehr, in mancher weniger. Klar ist ein Footballspieler eher kräftiger gebaut, aber nicht zwingend.

Ich merke das bei Heartstopper. Ich habe mitbekommen, wie sich einige über das Aussehen der Figuren beschwert haben, aber ehrlich gesagt sehen die aus, wie 15jährige eben aussehen. Der Comic ist eher abstrahiert gezeichnet. Ich mag den Stil, aber er lässt viel Raum zur Interpretation. Aber ich verstehe die Kritik nicht, dass Nick für einen Rugby-Spieler nicht kräftig genug ist. Er ist so kräftig, wie ein 15jähriger eben wird, mehr geht da nicht. Riverdale hat uns wirklich mit viel zu vielen falschen Erwartungen gefüttert.

Generell aber danke für deinen Beitrag, du hast so viele Punkte genannt, denen ich nur zustimmen kann!

@Malou: Es geht mir auch so, dass ich oft an Frauenfiguren denke, wenn wir über das Thema reden, einfach weil wir da schon so viel mehr analysiert und durchgekaut haben. Aber vielleicht kann man einige Punkte gut übertragen. Cersei ist da für mich ein gutes Beispiel. Ich mag die Darstellung von Frauen in Game of Thrones nicht. Cersei an sich finde ich da ebenso schlimm, aber ich glaube, in einem anderen Buch hätte sie mich nicht gestört. Mein Problem ist da glaube ich nicht diese eine Frauenfigur, sondern die Gesamtheit der Frauenfiguren.

Ein Beispiel dafür, wie sich starre Rollenbilder auswirken können, ist ja zum Beispiel, dass Männer wenig Emotionen zeigen und oft nicht wissen, wie sie mit ihren Emotionen umgehen sollen. Aber ehrlich, das passiert Frauen auch. Nicht mit seinen Emotionen umgehen zu können, sie wegzuschieben und zu ignorieren, ist etwas, das vielen passiert, unabhängig vom Geschlecht. Und irgendwie mag ich auch viele männliche Figuren, die genau so sind. Ist es generell problematisch, einen Mann mit dieser Schwäche zu schreiben? Meiner Meinung nach absolut nicht. Ich kann immer noch Thorben schreiben, meinen schroffen Krieger, der versucht, jedes Problem zu lösen, indem er mit der Axt drauf haut, auch wenn er traurig ist und es an einem Baum auslässt, denn anders weiß er mit seinen Gefühlen nicht umzugehen. Aber es kommt eben darauf an. Schreibe ich in meinem Buch jeden Mann so? Dann wirkt es schnell so, als würde ich aussagen wollen, dass Männer eben so sind, nicht nur Thorben. Die Eigenschaft wird zu einem Männerding, nicht zu einem Thorbending. Dann sage ich nicht nur aus, dass Männer so sind, sondern auch, dass sie nicht anders können, keine Wahl haben, und die einzige Antwort auf Gefühle, die sie kennen, ein Axthieb ist. Noch dazu: Stelle ich die Eigenschaft überhaupt als etwas Schlechtes da?

Insofern ist es bei Figuren wie Thorben glaube ich nicht wichtig, das Klischee komplett zu vermeiden, denn irgendwie mögen wir unsere Tropes ja auch, oder? Fake Dating ist im Romance-Genre sehr beliebt und ein riesiges Klischee, aber ich liebe es. Wie du schon sagst, es muss reflektiert geschehen. Ich kann Thorben zum Beispiel einen anderen Krieger an die Seite stellen, der immerzu über seine Gefühle reden will und schon habe ich nicht nur ein extrem witziges Duo, sondern auch mit dem Klischee gebrochen, dass Männer oder Krieger eben so sind. Manche Männer sind so, manche so, beides ist okay und macht einen Mann nicht weniger männlich. Thorbens Umgang mit Gefühlen ist eine Schwäche, ja, aber wenn ich andere Männer habe, die sie nicht haben sondern andere Schwächen, dann zeige ich, dass das eine Thorben-Schwäche und keine männliche Schwäche ist. Gerade wenn es eine Entwicklung gibt, zeige ich ja auch, dass Männer so nicht sein müssen, dass es eine Schwäche ist und eine Veränderung hin in eine andere Richtung etwas Positives, und dann habe ich im Prinzip schon denselben Effekt. Ich habe die Rollenerwartung nicht gefestigt, sondern mit ihr gebrochen, weil ich gezeigt habe, dass eine Veränderung in diesem Fall etwas Positives ist.

Ein Grund, warum ich so viel über diese Themen rede und warum auch alte Werke immer mehr auf problematische Muster analysiert werden, ist dass Reflektion dazu führt, dass uns diese Dinge wie von selbst auffallen. Ich glaube, dass es da einen starken Lerneffekt gibt und dass man solche Fallen irgendwann wie von selbst vermeidet. Ich musste auch erst lernen, welche Fallstricke es beim Schreiben diverser marginalisierter Gruppen gibt, aber jetzt springen mir viele Dinge von selbst ins Auge, ohne dass ich direkt darüber nachdenken muss, die mir vorher nie aufgefallen wären.

Auf jeden Fall danke für deinen Beitrag, da sind total viele echt wichtige Punkte und sehr nützliche Leitfragen dabei! :vibes:

Franziska

Danke für den Thread, ich hab jetzt nicht alle Beiträge 100% gelesen. Was mir zum Thema auffällt ist, dass es ja seit den 70er Jahren Autorinnen gibt, die Genderrollen, Sexualität etc. aufbrechen und vielfältig schreiben. Das ist dann wieder etwas in Vergessenheit geraten, dabei ist Fantasy und SF für mich das Genre, wo das super geht. Ehrlich gesagt fällt mir da auch ein Unterschied von dtsprachiger Fantasy und SF im Vergleich zu englischsprachiger auf, da passiert generell sehr viel mit Diversität. Gerade bei dt SF las ich neulich viel, wo ich mich bei den männl Figuren in die 50er zurück versetzt fühlte. Da möchte ich das Thema ansprechen: wie sieht der männl Protagonist Frauen. Wie beschreibt er sie, wie geht er mit ihnen um? In einem Buch bewertete der Prota alle Frauen nach Attraktivität und das waren seine Kolleginnen. Fand ich sehr unangenehm zu lesen, auch wenn es dann aus Perspektive der Frau auch kritisiert wurde. Aber warum überhaupt noch solche Männer schreiben? Ich hab dann das Gefühl, das ist nur auf männl Leser hin geschrieben.

Wiederrum gucke ich viele koreanische und chinesische historische und Fantasy und Romance. Da ist es oft so, es gibt eine sehr starke weibl Figur, stark in Kampfkunst und vom Charakter, der Mann unterstützt sie auf ihrem Weg. Manchmal sind sie vom Status und Stärke auch gleich. Der Mann darf auf jeden Fall Gefühle haben, auch weinen, Ängste haben und Hilfe annehmen, während toxische Männlichkeit eher von der Vatergeneration gezeigt wird (Kaiser, Beamten, CEOs...). Dann gibt es bei den Historicals auch oft Eunuchen, wieder ganz anderes Thema. Finde diesen Unterschied zu westlichen Medien echt interessant und das ist auch ein Grund, dass ich kaum noch Hollywood-Fantasy, mag. In einer Serie ist er z. B
ein abgeschotteter Prinz, der Romance schreibt, und keine Ahnung von der Welt hat. Sie ist gebildet, selbstständig, älter und reifer und auch körperlich kräftiger. Fand ich total gut.

Persönlich schreibe ich hauptsächlich queere Männer, da gibt es wieder eigene Klischees, ich versuche immer dreidimensionale Menschen zu schreiben und persönlich kenn ich auch nur Männer die ihre Emotionen zeigen und drüber reden. Ist ja auch immer die Frage in welcher Generation, Bubble etc diese Männlichkeitsbilder vertreten werden. (wenn es in der Gegenwart spielt) aber es gibt keinen Grund, die genauso in eine Fanrasywelt oder 3000 Jahre in die Zukunft zu übernehmen.


Nina Louise

Ich melde doch noch zu Wort, weil Franziska etwas angesprochen hat, das für mich unlösbar mit diesem Thema verknüpft ist:

ZitatDa ist es oft so, es gibt eine sehr starke weibl Figur, stark in Kampfkunst und vom Charakter, der Mann unterstützt sie auf ihrem Weg. Manchmal sind sie vom Status und Stärke auch gleich.

(Und gleich vorweg: was ich nun schreibe, zielt nicht auf dich, @Franziska. Du hast halt nur das Pech gehabt, mein rotes Tuch zu schwenken.)


Ich habe ein massives Problem mit dem Begriff "starke Frau", vor allem, wenn eben diese Frauen so wie oben beschrieben dargestellt werden, nämlich mit Schwert und Muckis. Das bedeutet nämlich im Umkehrschluss, dass all das, was eine Frau ausmacht*, schwach und damit weniger wert ist. (*nicht alles und nicht alle, natürlich, Verknappung zu Gunsten des Leseflusses)

Frauen sind stark. Nur meist auf eine andere Weise als Männer und ich fühle mich extrem unwohl damit, dass  das immer noch nichts wert ist und eine Frau immer erst "stark" in der klischeehaften, männlichen Variante gemacht werden muss, damit sie Anerkennung erfährt. Wenn wir dahin kommen, dass das nicht ständig in Frage gestellt wird, hat sich ein Großteil der toxischen Männlichkeit erledigt, da bin ich mir sicher.

Soll heißen: die Quotenkriegerin hilft uns gar nichts, eher im Gegenteil. Vor allem, wenn sie wieder nur schmückendes Beiwerk für den Kerl ist. Und wenn wir über Männer und ihre klischeehaften Darstellungen reden, müssen wir auch über die "starke Frau" nachdenken. Denn Klischee A bedingt und verstärkt Klischee B und schon drehen wir uns im Kreis.

In Summe denke ich, dass uns insgesamt ein etwas entspannterer Umgang mit eingefahrenen Rollenbildern helfen könnte. Mit Humor und Selbstironie lässt sich manches vielleicht besser lösen. Nicht, dass ich das nicht ernst nehme, im Gegenteil. Ich habe jeden einzelnen Tag damit zu kämpfen. (Frau auf Baustelle, auch son Stereotyp.) Aber Klischees auf die Spitze zu treiben, kann bisweilen sogar kurzweilig sein und nimmt einer Diskussion die Bitterkeit. Nicht verwechseln mit Sich-darüber-lustig-machen.
Die Auseinandersetzung mit dem Thema ist notwendig, da liegt noch viel im Argen. Ich halte es so wie Luna. Es hat mir sehr gut gefallen, was sie geschrieben hat: Ein Mensch hat deutlich mehr zu bieten als nur sein Geschlecht.



Fantastische Geschichten aus der Luftschlosserei.

Franziska

Das kann ich absolut verstehen. War auch schlecht ausgedrückt. Die Frauen in Wuxia-Serien sind oft zierlich und nicht muskulös, sie gewinnen Kämpfe mit Technik. Ich meinte aber nicht, dass nur Frauen, die kämpfen "stark" sind. Ich meinte auch z. B. Führungsstärke, Mut, Durchhaltewillen, oder auch die Fähigkeit, Teammitglieder zu gewinnen. (für mich ist Stärke auch, um Hilfe zu bitten, oder Verbündete zu finden) Es gibt auch oft die Rolle einer Frau, die z. B. priveligiert aufwuchs und nie arbeiten musste, dann aber der Revolution hilft mit ihrer Bildung oder so.
Was ich dann eben so gut finde ist, wenn der Prota aka Love Interest sie respektiert. Einfach von vorneherein ihre Fähigkeiten anerkennt und auch, wenn sie mehr weiß als er. Das vermisse ich oft an westl. Serien oder Büchern.

Beispiel: Imperial Coroner. Er ist ein Prinz und arbeitet für das Gericht, stellt eine Frau als Gerichtsmedizinerin ein, weil er sieht, dass sie gut ist und respektiet ihr Wissen. Er leidet unter Klaustrophobie und sie versucht ihm dabei zu helfen. Mir ist da einfach aufgefallen, wie selten man so einen gegenseitigen Respekt sieht.

Mondfräulein

Ich glaube, da sind wir wieder bei dem, was ich am Anfang angesprochen habe: Wie stelle ich Stärke dar? Wann sind meine Figuren schwach? Wann stark? Stärke mit körperlicher Kraft und körperlicher Durchsetzungsfähigkeit gleichzusetzen, ist eine typisch "männliche" Definition von Stärke. Sprich: Sie entspricht stark dem klassischen Rollenbild eines Mannes. Männer sind stark und Stärke ist gleichzusetzen mit all diesen körperlichen Eigenschaften, die Frauen in Geschichten selten zugestanden werden.

Frauen zu sehen, die diese kriegerischen Rollen einnehmen dürfen finde ich sehr befreiend und erfrischend. Ich kann gar nicht so genau ausdrücken warum, aber ich mag es, wenn Frauen erlaubt wird, dieselben Rollen einzunehmen, die Männern klassischerweise zugestanden werden. Gleichzeitig bin ich aber voll bei dir, @TinkersGrey. Wir erreichen nichts, wenn wir dieselbe restriktive Definition von Stärke jetzt auch Frauen überstülpen. Es ist Unsinn, dass eine Frau nur dann stark ist, wenn sie ein Schwert schwingen kann. Das wertet jede Person, die das nicht kann, wieder auf genau dieselbe Art und Weise ab. Das bricht zwar mit manchen Rollenbildern, aber eben nur mit manchen, andere verstärkt es wieder.

Ich glaube, die Lösung liegt vielleicht einfach darin, darüber nachzudenken, was Stärke in meinem Buch überhaupt bedeutet. Klar, es gibt nicht eine Definition von Stärke und es wäre nicht gut, das auf eine Definition zu beschränken. Aber wenn ich mir meine Bücher so ansehe, dann beschäftigen sich einige mit einem bestimmten Thema und das verändert, wie Stärke in diesem Fall aussieht. Ich denke da an diesen einen Moment am Ende der Geschichte, wenn der Held oder die Heldin sich der antagonistischen Macht stellt und triumphiert. Das ist der Moment seiner oder ihrer größten Stärke. Was hat mein Held gelernt, um zu gewinnen? Hat er lange und hart trainiert, um körperlich überlegen zu sein? Dann bin ich wieder bei rein körperlicher Stärke. Hat er daran gearbeitet seine Bindungsangst zu überwinden um Freunde zu finden und bei sich zu behalten, die ihm helfen, zu siegen? Dann liegt genau darin seine Stärke.

Ich bin absolut dafür, starke Frauen zu schreiben, aber wir sollten uns genau überlegen, was wir hier als stark darstellen und was nicht. Starke Frauen und Kriegerinnen sind keine Synonyme. Starke Frauen sehe ich persönlich als komplexe Frauenfiguren, die Stärke zeigen dürfen, auf ganz vielfältige Art und Weise. Und auch bei männlichen Kriegern habe ich das Gefühl, dass ich Bücher lieber mag, in denen Figuren ihre inneren Stärken zeigen, anstatt sie auf körperliche Stärke zu reduzieren.

Franziska

Das hattest du glaube ich anfangs schon angesprochen, aber in den meisten Plots geht es ja immer darum, eine "Schwäche" zu überwinden  und darin liegt letztlich dann viel mehr die Stärke im Charakter, also sich einer Herausforderung zu stellen, vor allem sich selbst. Das ist dann erstmal unabhängig von den Punkten, die ich oben genannt habe.
Ich kann so direkt nicht sagen, ob das in den Büchern, die ich so lese geschlechtsspezifisch ist.

Amanita

Irgendwie landen wir doch immer wieder bei den Frauen, wobei ich mir fast denke, dass auch ein gemeinsamer Thread sinnvoll sein könnte, weil man Männer- und Frauenrollen kaum getrennt voneinander betrachten kann.
Ich persönlich verstehe den Wunsch nach "starken" Frauen jedenfalls nicht so, dass damit gemeint ist, dass Frauen tolle Schwertkämpferinnen sein müssen, um akzeptiert zu werden, sondern den Wunsch nach proaktiven weiblichen Figuren, die nicht nur nur geheiratet, gerettet oder getötet werden, sprich Objekte in der Geschichte des männlichen Helden sind. Ginny aus Harry Potter ist für mich ein Beispiel für eine Frauenfigur, die zwar beim Sport und beim Kämpfen "stark" ist, jedenfalls solange der Plot keine Rettung verlangt, aber trotzdem nicht über die Objektrolle herauskommt.

Wie @Franziska schreibt, habe ich auch den Eindruck, dass die Fantasy- und Science Fiction-AutorInnen in den 70ern und 80ern schon mutiger waren, was ein Aufbrechen der Geschlechterrollen, homosexuelle Figuren und alternative Beziehungsmodelle angeht als sie es heute sind. Manches davon habe ich gelesen, anderes kenne ich nur aus den zugehörigen FILK-Songs  ;), was aber durchaus auch einen Eindruck gibt. Mercedes Lackey hatte beispielsweise einen homosexuellen Protagonisten. In den 2000ern haben wir dann Harry Potter und Twilight mit ihrem sehr konservativen Geschlechterbild und Lied von Feuer und Eis samt allem, was in diesem Bereich nachgekommen ist, wo ein brutales Patriarchat der nicht hinterfragte Status quo ist. Genau das wird ja heutzutage fast verlangt, wenn man in der Vergangenheit spielende Fantasy schreibt, weil "historische Korrektheit".
Ich frage mich, wie es zu diesem Sinneswandel gekommen ist, obwohl die Gesetzgebung und gesellschaftliche Einstellung bei uns eigentlich größtenteils liberaler geworden sind. Hat sich damals in der Fantasy die Kritik an restriktiven Vorstellungen und das Bedürfnis daraus auszubrechen widergespiegelt, während es heute eher die Angst vor den Veränderungen ist und der bewusste oder unbewusste Wunsch, die traditionellen Vorstellungen beizubehalten? Was meint ihr?

Zum Schluss noch zwei Beispiele für Darstellungen von Männern, die ich schädlich finde, allerdings hauptsächlich in Krimis.
Wenn ein Mann ein enges Verhältnis zu seiner Mutter hat/erst später auszieht, kann man sich fast sicher sein, dass irgendetwas nicht mit ihm stimmt.
Und wenn ein Mann mit einer beruflich erfolgreicheren Frau verheiratet ist, kann man sich sicher sein, dass er sie bestenfalls mit einer Jüngeren/Hübscheren/angemessen Untergeordneten betrügt und schlimmstenfalls sie oder andere umbringt.

Volker

Zitat von: Amanita am 18. Mai 2022, 07:42:47
...Lied von Feuer und Eis ... wo ein brutales Patriarchat der nicht hinterfragte Status quo ist.

Schauen wir uns mal die handelnden Personen an (Spoiler!):

Haus Stark: zu Anfang Ned Stark der Vater - ok, der Rest seine Kinder (meist noch nicht mal Jugendliche). Am Ende: Sansa Queen of the North, der gelähmte Bran der gewählte König von Landing, Arya die Top-Assassinin

Haus Lanister: zu Anfang Tyrion der Vater - ok. (Fast) überlebend: Cersei, die Strippenzieherin ("nur Macht ist Macht"), und der Krüppel-Zwerg

Haus Targarien: zu Anfang der (kurz) überlebende Erbe, ansonsten Danaerys, Kahlesy, Mutter der Drachen, Sprengerin der Ketten, etc.

Haus Tyrell: mir sind da eigentlich nur Margary und Oleanna im Gedächtnis geblieben

Haus Martell: Oberyn als formaler Herrscher und Kämpfer, im Hintergrund aber Arianne und die Sandschlangen

Haus Graufreund: zuerst Theon, der sich später seiner Schwester Asha/Yara unterwirft

An Einzelpersonen stehen neben den beiden Clegane-Prüglern (Mountain+Hound), Littlefinger, Lord Varys, John Snow, Khal Drogo und Hodor
den Frauen Melisandre, Brienne von Tarth und Lyanna Mormont gegenüber.

Und wenn ich mir die so von Einfluss, Stärke, Entwicklung und Interessantheit her anschaue, dann bin ich mir nicht so sicher, welche Seite denn nun "gewinnen" würde (nun gut, ich bin mir ziemlich sicher - alleine schon wegen der  "Macht ist Macht"-Diskussion zwischen Littlefinger und Cersei, oder der Situationen mit Lyanna Mormont).

Da ist im Laufe der Serie nicht viel an Patriachat übrig geblieben (na guuut - da ist generell nicht viel übriggeblieben)