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Wie wichtig ist eine "zeitgemäße" Darstellung in Jugendbüchern?

Begonnen von Felsenkatze, 07. Dezember 2006, 11:12:23

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Felsenkatze

So, ich hoffe, ich hab mir die richtige Kategorie ausgesucht...

Ist eigentlich keine klassische Fantasyfrage, aber schließlich gibt es auch "moderne" Fantasy.

Mein Problem ist Folgendes:
Ich schreibe ein Jugendbuch, dass in unserer Zeit spielt. Die Geschichte wickelt sich in einem kleinen Dorf ab, die Protagonisten sind Jugendliche zwischen 13 und 17 Jahren.
Nun - nachdem ich die Hälfte geschrieben habe - fällt mir auf, dass meine Jugendlichen kaum Handys verwenden (die Hauptfigur besitzt keines), nie vor dem Computer sitzen (es ist Sommer, und heiß, also sind sie meistens draußen) und äußerst selten fernsehen.
Scheint so, als hätte ich da ein bisschen zu sehr meine eigene Jugendzeit in die Geschichte projeziert.

Nun frage ich mich aber: wie wichtig ist das für die jugendlichen Leser (so ab 12, schätze ich), dass solche Elemente in einem Jugendbuch vorkommen? Hilft das bei der Identifikation? Werden sie es als unlogisch ablehnen, wenn die Figuren nicht ständig SMS schicken? Oder kann die Geschichte auch so spannend sein.

Ich kann natürlich solche Elemente einbauen, spätestens in der Überarbeitung, aber sie wären eher nicht plotrelevant, eher so "nette Zusätze". Brauche ich das überhaupt?

Rei

Hmm, sagen wir es mal so: Brauchen tust Du es bestimmt nicht, aber die heutige Jugend ist ja mit all dem aufgewachsen. Vielleicht werden sie - je nachdem, wie ausgeprägt ihr Markenverständnis ist - den Hauptcharakter doof finden, weil er kein Handy hat oder lieber draußen ist, als sich mit online-Rollenspielen den Tag zu vertreiben... Vielleicht aber auch nicht... Wer weiß das schon?

Kurz gesagt würde ich die Geschichte so lassen, allein schon der guten, alten Zeiten wegen...

Tesla

Ich muss mich Rei jetzt mal anschließen. Auch wenn ich vor meinem Studium recht viel Fern gesehen habe(was ich jetzt gar nicht mehr brauche). Aber lesen das andere fernsehen, das brauch glaub ich keiner. Weil dann wäre das lesen ja wieder sinnlos ;D
Also las das Zeugs raus, vielleicht nehmen sich deine Leser ja ein Beispiel :hmhm?:

Hr. Kürbis

Ich würde es weg lassen, würde mich überhaupt nicht stören. Man läßt ja auch weg, wie die Charaktere aufs Klo gehen, es sei denn, es ist wichtig für den Plot. Das findet ja auch niemand komisch, oder? ;)

Rei

Zitat von: Hr. Kürbis am 07. Dezember 2006, 13:51:27Ich würde es weg lassen, würde mich überhaupt nicht stören. Man läßt ja auch weg, wie die Charaktere aufs Klo gehen, es sei denn, es ist wichtig für den Plot. Das findet ja auch niemand komisch, oder? ;)
Och, manchmal frag ich mich schon, wie die das machen... Sooo lang aushalten ohne Pipi zu müssen...  ;D

Linda

Hallo,

also ich finde, es ist schon wichtig, dass sich die Leser wiederfinden. Dass nun nicht jede In-Marke und jeder Hopphipper genannt werden muss, ist klar. Aber technische Mittel sollten einfach auch bewusst existent sein, wenn das in der heutigen Zeit in umserem Kulturkreis spielt. Es sollte kurz erwähnt werden, auch wenn es nicht plotrelevant ist, und erst recht muss es rein, wenn es plotrelevant ist (wenn es denn da wäre)
Aus meiner eignen Erfahrung heraus kann ich sagen, dass mich kaum etwas mehr nervt, als wenn die Leute was Blödes tun, obwohl es einen einfachen und zeitgemäßen Ausweg gäbe.

Wenn Jugendliche zB. irgendwo eingesperrt werden oder Hilfe rufen müssen, dann geht man heute davon aus, dass jemand aus einer Gruppe zumindest ein Handy dabei hat. Alles andere fände ich (ab 10 Jahre alten Kindern) unrealistisch.
Damit die Leute dann doch noch was Gefährliches oder Dramatisches tun müssen, wie über einen Abgrund balancieren oder durch die Höhle laufen, muss dieser Ausweg ordentlich versperrt sein:
Handy wird von den bösen Buben vorher abgenommen.
Akku ist leer,  (ok Notruf an Polizei funzt trotzdem)
Handy hat an dem Ort keinen Empfang,
sie streiten und das Phone fällt auf den Boden - kaputt-

Letztlich wählt man das, was am besten passt. Aber erwähnt werden sollte das doch, sonst denkt sich jeder Leser mit mehr als drei Gehirnzellen, hey, warum rufen die denn nicht einfach irgendwo an.

Und solche Fragen reißen einen (mich) brutal aus der Realität der Geschichte.

Oder Recherche. Das Internet ist heute nun mal da und wenn man nicht gerade im sozialen Brennpunkt, auf der Hallig oder unter Straßenkindern die Story spielen lässt, muss ein Grund genannt werden, warum die Kids nicht einfach im Netz nachsehen, sondern in die gruselige Bibliothek gehen, wo schnappende Zauberbücher auf sie warten.
Zum Beispiel kann man erwähnen, dass eine Hauptfigur aus einem technikfeindlichen Elternhaus kommt und eben keinen Compi hat. Oder wegen mir, dass der Anschluss abgemeldet ist, weil die T-Komm mal wieder Murks ... ok so genau brauch es denn auch nicht zu sein.
Realität mit Gegenwelten wie bei Harry P. sind allerdings eine Ausnahme, da dabei die Magie quasi die Rolle der Technik übernimmt und das Andersartige ja betont werden soll.

Versuche, die Kinder durch das Nichterwähnen von bsp. technischen Möglichkeiten in irgendeiner Weise erziehen zu wollen halte ich für verfehlt. Im Gegenteil, sie tun solche Texte vermutlich erst recht als altbackene und unrealistische Spinnerei ab. Sehe zumindest ich so.
Kinder haben durchaus ein Gespür für sowas. Sie stören sich weniger daran, dass es bei Hanni und Nanni keine SMS gibt, als daran, dass ihnen Möglichkeiten der heutigen Zeit bewusst vorenthalten werden.


Gruß,

Linda

Felsenkatze

Danke für die vielen Antworten. Jetzt habe ich eine ungefähre Vorstellung, was ich mache.

@Linda: keine Bange, in solchen Situationen würde das Handy wirklich zum Einsatz kommen. Es ist halt nur so, dass sie momentan wichtigeres zu tun haben, als rumzusmsen... Zum Beispiel, sich bescheuerte Mutproben auszudenken.

Hr. Kürbis

...um diese dann per Handykamera aufzunehmen und ins Netz zu stellen, schon klar!  ;D

Arielen

#8
Und was mir noch dazu einfällt - man sollte den Kindern dann auch klar sagen, wann die Geschichte spielt, wenn man die ganzen technischen Neuerungen nicht verwenden will. Denn für viele ist es sicher auch interessant mitzukriegen, was ihre Eltern ohne Handy und Co angestellt haben.

Letztens hatte ich auch noch mal ein fünf Freunde Buch in den Händen. Den ersten Büchern merkt man mittlerweile wirklich an, daß sie 1941/42 entstanden, auch wenn das nicht gesagt wird.
Alles liegt im Auge des Betrachters

MarkOh

Aber aufpassen bei Markennamen. Wird zwar nicht gleich jemanden interessieren, doch blöde wäre es schon, wenn man später anstelle der Tantiemenabrechnung eine kostenpflichtige Abmahnung kassiert...

Ein Nokia Handy das runterfällt und gerade in der Notsituation kaputt geht ist nunmal kein guter Werbeträger. Oder die T-Com, die mal wieder Mist gebaut hat. Lassen die sich bestimmt auch ungern nachsagen...   ;-)

Linda

@Mark O...

keine Sorge, auf sowas guckt im Zweifelsfall schon der Verlag.
Wenn der es durchwinkt, dürfte es auch rechtlich okay sein.  Literatur hat da übrigens noch besondere Rechte und künstlerische Freiheiten. Irgendwann muss man diesem Abmahnwahn auch mal einen Riegel vorschieben.
Und sonst ist es eben die Tele-Fono-Gesellschaft, die wieder mal Murks gemacht hat oder das Naktia-Handy :-)

Gruß,

Linda

caity

Hallo Felsenkatze,

ich weiß zwar nicht, wie aktuell das Problem momentan ist, aber hier mal ne Meinung von mir, als Jugendliche:
Nein, man braucht es nicht zwangsläufig!
Im Gegenteil, wenn ein handy o.ä. für den Handlungsverlauf keine Rolle spielt, dann fände ich es furchtbar langweilig, wenn es vorkommen würde.
Viel wichtiger als so etwas ist, das einfach die Sprache stimmt. Es muss nach einem Jugendlichen klingen, darf also nicht altmodisch geschrieben sein.

Bye
caity
Wenn ein Autor behauptet, sein Leserkreis habe sich verdoppelt, liegt der Verdacht nahe, daß der Mann geheiratet hat. - William Beaverbrook (1879-1964)