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Hütet euch vor Orks oder war Tolkien ein Rassist?

Begonnen von Maria, 10. September 2019, 13:20:56

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Coppelia

#15
Ich muss gestehen, dass mich das Thema schon früher immer mal beschäftigt hat, allerdings nicht spezifisch auf Tolkien und seine Orks bezogen. Es geht für mich eher darum, dass bestimmten Gruppen von Wesen in Fantasywelten, die menschenähnlich sind und eigene Kulturen haben, quasi zum "Schwertfutter" degradiert werden und nicht näher definiert "böse" sind. Das ist z. B. auch häufig in Computerspielen der Fall. Diese Spezies dürfen/müssen/sollen ohne alle Skrupel getötet werden. Es kommt allerdings nicht selten vor, dass sie mit Attributen ausgestattet werden, bei denen man Parallelen zur Realität sieht.
Mir ist es immer besonders an den Echsenmenschen aufgefallen, die gern im Dschungel leben und dann Attribute erhalten, die an aztekische Kultur erinnern (oder das, was die Macher dafür halten). Wie auch immer man das bezeichnen mag, es ist auf jeden Fall nicht ok. Ich finde gut, dass diese Topoi jetzt kritisch hinterfragt werden.
Und selbst wenn Tolkiens Orks jetzt nicht unter diese Kategorie fallen, was ich nicht beurteilen kann, sind "Orks" mittlerweile ebenfalls so ein Gemeinplatz einer "bösen" Spezies (jedenfalls, wenn sich die Macher keine Mühe geben).

Allerdings: Literatur bildet nicht die Realität in all ihrer Komplexität ab. Fantasy ist ein Genre, das gern komplexe Sachverhalte plakativ vereinfacht. Das ist explizit nicht negativ gemeint. Wenn "gut gegen böse" aber gedankenlos abgebildet wird, halte ich es für sehr wahrscheinlich, dass Vorurteile dabei Gestalt annehmen.

Fianna

@Rynn
Tolkien soll viele Anspielungen ( bewusst oder unbewusst) auf den ersten Weltkrieg im HdR haben, nicht den zweiten WK.Ich
U.a. der bereits erwähnte Garth haben da unheimlich viele Bezüge gefunden.

Maria

Zitat von: Guddy am 10. September 2019, 17:42:16
Wir sind uns nicht dessen bewusst, dass wir immer und immer wieder rassistische Tropes reproduzieren. "Der wilde Schwarze". Warum sind eben nur die Orks - von den ausführlich beschriebenen Hauptspezies - so dunkel. Und im Gegenzug: Warum sind alle Guten weiß? Dass Tolkien auch weiße Böse erschaffen hat, ist am Thema vorbei. Und wenn man es in das Thema fassen möchte: Die "weißen Bösen" sind zivilisiert. Klug. Sind wir da nicht wieder bei der Unterscheidung des Kolonialismus

Über die Rolle der (Nicht-)Farben habe ich mir schon länger Gedanken gemacht. Und ich bin zum Schluss gekommen, dass diese Zuordnung auf so simple Dinge wie Tag und Nacht, Sonnenschein und Sonnenfinsternis, Weiß für Taufe und Hochzeit, Schwarz für Tod und Trauer zurückgeht. In unseren Breiten und Traditionen. Die sind älter als der Kolonialismus.

Was Tolkiens Orks betrifft, sind die von ihm ja ,,fahl" erdacht worden, was eher zu ihrer Herkunft als missglückte Elfen passt. Im Film war das wohl zu wenig bedrohlich und wurde deshalb auf dunkler umgeschrieben.
Und ja, wir empfinden etwas Dunkles als bedrohlicher, seien es Bären oder Wölfe oder der dunkle Wald, ein schwarzes Gewässer wo man den Grund nicht sieht, die dunkle Gasse, der Stromausfall... unsere Augen sind die stärksten Sinne. Sie brauchen das Licht. Ohne es fühlen wir uns hilflos. Alles was sich im Dunkel verbergen kann, ist für uns schwer zu entdecken weil wir so schlecht hören und riechen. Deshalb haben wir das Feuer gezähmt und das elektrische Licht erfunden. Es ist die Urangst vor der Dunkelheit, die uns ,,schwarz" und ,,dunkel" negativ besetzen lässt.
Nicht die Haltung der Kolonialzeit.

Rynn

#18
Zitat von: Fianna am 10. September 2019, 19:12:54
@Rynn
Tolkien soll viele Anspielungen ( bewusst oder unbewusst) auf den ersten Weltkrieg im HdR haben, nicht den zweiten WK.Ich
U.a. der bereits erwähnte Garth haben da unheimlich viele Bezüge gefunden.
Ich verstehe deine Antwort nicht. Hast du gelesen, was erst cryphos und dann ich geschrieben haben?
Nachgesagt wird Tolkien manchmal ein Bezug zum Ersten Weltkrieg, manchmal einer zum Zweiten, cryphos bezog sich auf den Zweiten Weltkrieg, genau wie Tolkiens Text im Vorwort ("Krieg nach 1939"), weshalb ich gesagt habe, dass eine Gleichsetzung von Mordor und 3. Reich so definitiv nicht stimmt. Denn vor allem in Bezug auf den 2. Weltkrieg streitet Tolkien das deutlich ab (eben siehe meine zitierte Stelle, in der es auch um den Zweiten WK geht).
»Dude, suckin' at something is the first step to being sorta good at something.« – Jake The Dog

Silvia

#19
Danke, AngelikaD. Genau wie bei dem Kinderspiel "Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?" - das soll ja neuerdings auch "rassistisch" sein, dabei habe ich keinerlei Erinnerungen an sowas. Der schwarze Mann wurde im Spiel nie erklärt und in meiner Phantasie war er immer einfach ein Mann in schwarzer Kleidung und mit schwarzen Haaren. Finster und gefährlich halt. Dinge, wovor man (als Kind) halt so Angst haben könnte. Und "Die Bösen" in der Fantasy werden ja gerne mal finster und angsteinflößend und eklig dargestellt. Was ich schon wieder langweilig finde. Pappkameraden. Inzwischen kenne ich auch Bücher mit echt coolen Orks. "Menira" zum Beispiel oder die "Alaburg"-Reihe, da habe ich meinen allerersten Lieblings-Ork drin gefunden.  ;D

Churke

Wenn man Rassen und Völkern konkrete Eigenschaften zuschreibt, die obendrein klar positiv oder negativ besetzt sind, dürfte das unzweifelhaft die Definition von Rassismus erfüllen. Aber Literatur und besonders die Fantasy funzt eher schlecht als Safe space.

Alana

#21
Zitat von: Silvia am 10. September 2019, 19:32:10
Danke, AngelikaD. Genau wie bei dem Kinderspiel "Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?" - das soll ja neuerdings auch "rassistisch" sein, dabei habe ich keinerlei Erinnerungen an sowas. Der schwarze Mann wurde im Spiel nie erklärt und in meiner Phantasie war er immer einfach ein Mann in schwarzer Kleidung und mit schwarzen Haaren. Finster und gefährlich halt. Dinge, wovor man (als Kind) halt so Angst haben könnte. Und "Die Bösen" in der Fantasy werden ja gerne mal finster und angsteinflößend und eklig dargestellt. Was ich schon wieder langweilig finde. Pappkameraden. Inzwischen kenne ich auch Bücher mit echt coolen Orks. "Menira" zum Beispiel oder die "Alaburg"-Reihe, da habe ich meinen allerersten Lieblings-Ork drin gefunden.  ;D


Ich glaube, es gibt in dieser Diskussion ein paar Gedanken, von denen man sich frei machen oder Dinge, die man sich klar machen muss.

1. Wenn du ein weißer in Westeuropa aufgewachsener Mensch bist, dann gehörst du zu den privilegierten Menschen auf dieser Erde. Und das bedeutet, dass wir im ersten Moment ganz viele Dinge nicht verstehen können. Deswegen sollten wir in dieser Diskussion einfach zuhören und nicht jemandem absprechen, dass ihn etwas verletzt, was uns als unglaublich privilegierten Menschen unwichtig oder lächerlich erscheint.

2. Niemand will uns etwas wegnehmen. Es ist ziemlich absurd, so zu tun, als würde es uns etwas wegnehmen, andere Menschen nicht mehr zu verletzen. Geht doch einfach mal von der anderen Seite heran und überlegt, was es der Gesellschaft und auch anderen Menschen geben kann, solche uralten Mechanismen und Sprachverwendungen zu hinterfragen.

3. Etwas ist nicht plötzlich rassistisch. Wenn etwas rassistisch ist, dann war es das schon immer. Es wurde nur früher vielleicht nicht mit verletzender Absicht eingesetz. Aber inzwischen sind wir zum Glück gesellschaflich weiter. Und es gibt kein Gewohnheitsrecht darauf, rassistisch zu sein oder zu reden oder sich rassistisch zu verhalten. So etwas zu hinterfragen zeugt nur von Empathie.

4. Es geht nicht um Verbote. Es geht zuallererst einmal darum, in die Diskussion zu gehen und den Standpunkt von anderen Menschen zu verstehen. Es geht um Empathie und Gleichberechtigung und soziales Miteinander. Es geht darum, sich anderen Menschen zu öffnen. Wenn euch also das nächste mal ein "man darf ja nix mehr sagen" durch den Kopf geht, dann versucht doch lieber, Freude daran zu haben, andere Menschen wertzuschätzen, indem ihr ihre Gefühle respektiert und ihnen zumindest einfach zuhört.

@Silvia: in deinem Zitat oben hast Du wunderschön zusammengefasst, was an dem Spiel problematisch ist. Genau das, dass das Böse immer als schwarz und finster und dunkel beschrieben wird. Das ist nicht nur so tief rassistisch, wie es geht, sondern außerdem auch ziemlich gefährlich im Umgang mit Kindern. Es ist mittlerweile mehrfach nachgewiesen worden, dass es eben nicht die Unbekannten finsteren Männer sind, von denen für Kinder die meiste Gefahr ausgeht. Es sind die lieben netten Onkels, die sich den Kindern freundlich nähern.

Man sollte Kinder nicht vor falschen Stereotypen warnen, sondern ihnen beibringen, wie sie andere Menschen besser einschätzen und sich gegebenenfalls Hilfe suchen können.
Alhambrana

Silvia

#22
Aber wir sind hier bei Orks, einer Fantasyrasse ... oder bei einem Kinderspiel, das nichts mit "Vorsicht, Kind, diese und jene Menschen könnten für Dich gefährlich sein"- Gespräch zu tun hat.

Und - nein. Schwarz ist eine Farbe mit einer uralten Bedeutung.
"Schwarz und Weiß wurden von Anbeginn der Menscheitsgeschichte eine große Bedeutung zugeschrieben, sie verkörpern die Prinzipien Licht und Finsternis, Gut und Böse, Leben und Tod, die größten menschen-bewegenden Gegensätze überhaupt. Beides zusammen ist erst das Sein in seiner Gesamtheit, dieses Weltbild liegt fast allen Religionen zugrunde. Schwarz ist die Farbe der Kirche und der Trauernden. In Indien umranden Mütter noch heute die Augen ihrer Kinder mit schwarzem Lampenruß, um sie vor dem »bösen Blick« zu schützen."
"In der Psychologie steht die Farbe Schwarz für Boshaftigkeit, Dunkelheit, Depressionen, Trauer, Lichtlosigkeit, Wahrheit, Tod, Konservativität, Unglück, Herrschaft." (http://www.ifnm.de/produktionen/Farben/DuP_2010/Melanie_Knoedler/unterseiteschwarz.html)
Das ist zumindest in unseren Breiten so. Solch eine Symbolik überträgt sich natürlich auch auf die Geschichten dieser Regionen. Woanders mag das anders aussehen, da sind dann die Symboliken und Geschichten auch anders.

Dass sowas heutzutage zu einfach und abgegriffen als Stilmittel wirkt, ist wieder ne andere Sache. Daher liebe ich ja auch die Romane der Catron-Reihe von Anja Berger, die nämlich mit dem schwarze-weiße-Magie-Schema spielt und beidem weitaus vielschichtigere Bedeutungen beimißt. (Leseempfehlung ;-) )

DunkelSylphe

#23
@Silvia: Es ist nicht falsch, was du schreibst. Aber zu sagen: "Das ist nur Farbsymbolik in der Fantasy und sonst nichts", geht wirklich am Thema vorbei.

Ich meine, ein Genre, das bis heute darauf besteht, diese Farben mit dem Begriff "Rasse" in Verbindung zu setzen? Natürlich sind sie in der Fantasy mitunter rassifiziert. Gerade bei Elfen und Orks, wo Erstere oft als blond, weißhäutig und als reines, heiliges Volk dargestellt werden (arische Ideale lassen grüßen), mit dem dunklen barbarischen Ork als Gegensatz.

Und genau das spricht der Artikel an. Nicht weil das jetzt jemandem "mal eingefallen" ist, da man sich "empören" möchte. Dieses Thema ist nichts Neues und gerade auf dem amerikanischen Fantasy-Markt viel diskutiert. Die deutschsprachige Szene hinkt da nur mal wieder hinterher.

Sage ich jetzt, dass Tolkien Rassist ist? Keine Antwort von mir, denn das ist völlig wurscht fürs Thema. Dahingehend finde ich den Thread-Titel irreführend und unnötig provokant.

Persönlich bin ich der Meinung, dass die Völker-Fantasy ohnehin total ausgelutscht ist und man sehr wahrscheinlich gewinnt, wenn man von diesem Rassifizierten wegkommt. Dann gibt es nämlich vielleicht endlich mal was Neues in dem Genre.



Edit P.S.:

Ganz vergessen: Im Thread kam ja auf, dass Tolkiens Orks missgestaltete Elfen sind und man deshalb nicht von Rassismus sprechen kann. Pardon? Das ist doch ein perfektes Beispiel dafür? Rassismus in unserer Welt operiert mit dem sozialen Konstrukt, dass dunkelhäutige Menschen - im Gegensatz zu hellhäutigen - körperlich unterlegen und schlimmstenfalls zu versklavendes Leben ohne Wert seien. Betonung auf "soziales Konstrukt". Tolkien schreibt: Ork = minderwertiger Elf, was ich eine eindeutige Parallele finde zu: nicht-weiß = minderwertiger Mensch (oder sogar: gar kein Mensch)
Man braucht die Dunkelheit, um stärker leuchten zu können.

Alana

#24
ZitatIn Indien umranden Mütter noch heute die Augen ihrer Kinder mit schwarzem Lampenruß, um sie vor dem »bösen Blick« zu schützen."
Und zugleich ist in Indien weiß die Farbe der Trauer. Der schwarze Kajal um die Augen schützt die Kinder, er schreckt Böses ab. Es hat also eine ganz andere Bedeutung als schwarz = böse.

So simpel, wie wir es manchmal gern hätten, ist die Welt eben nicht.

ZitatDas ist zumindest in unseren Breiten so.

Ja. Genau. Aber heute sind wir in unseren Breiten nicht mehr allein. Wir sind auch keine ungebildeten Steinzeitmenschen mehr, die alles, was fremd und anders ist, als böse betrachten. Früher war das mal eine Schutzfunktion, aber heute sind wir schlauer.

Früher hatten die Menschen kein Rad. Früher hatten die Menschen Angst vor Feuer. Früher galt Bücher lesen als gefährlich. Früher ist früher. Ursachenforschung kann spannend sein, aber nur weil etwas früher so war, heißt das nicht, dass wir es heute auch so machen sollten. Nur weil etwas für unsere Vorfahren vielleicht nützlich erschien, heißt das nicht, dass wir es heute noch praktizieren sollten.

Und dann: stell dir doch bitte mal die Frage, wofür du argumentierst. Dafür, dass es weiterhin okay ist, Kindern eine Angst vor schwarzen Männern als natürlich zu vermitteln? Dafür, dass es okay ist, die verletzende Wirkung von Sprache weiterhin zu ignorieren? Ganz neutral gefragt: was hast du davon? Was bringt es dir, dass diese Dinge beim Alten bleiben? Warum fühlst du dich genötigt, sie zu verteidigen, obwohl sie andere Menschen vielleicht verletzen? Würde es dich in irgendeiner Weise beeinträchtigen, wenn man das Spiel nicht mehr spielen würde? Oder es einfach umbenennen würde? "Wer hat Angst vor dem grässlichen Monster?" würde wunderbar funktionieren. N****kuss lässt sich wunderbar in Schokokuss umbenennen.

Wo brechen wir uns einen Zacken aus der Krone, wenn wir uns empathisch und rücksichtsvoll verhalten?

Edit:

Und was die Fantasy angeht: Sag mir ins Gesicht, dass du nicht daran glaubst, dass Lesen unser Weltbild prägt. Dass Bücher und andere Texte nicht unterbewusst mitbestimmen, wer wir sind und wie wir anderen Menschen begegnen. Sag mir, dass du nicht an die Wirkung von Symbolik glaubst oder an Dinge, die zwischen den Zeilen stehen und uns so beeindrucken, dass wir noch jahrelang daran denken.
Alhambrana

Anj

#25
Wie müsste es denn bei Tolkien aussehen, damit man keinen Rassismus mehr hineinlesen könnte?

Würde es ausreichen ihnen einfach eine weiße Haut zu verpassen? Die Frage meine ich ganz ernst.

Und obwohl ich Alana grundsätzlich zustimme, bleibt die Tendenz der Angst vor dem Fremden (und in einer europäischen Kultur ist das häufig eben dunkle Haut und dunkle Bärte und Kopftücher/Burkas) vor denen schon Säuglinge Angst haben. Da ist noch nichts sozialisiert. Ich kenne (Klein-)kinder, die Angst vor ihrem Vater hatten, als er mit einem Vollbart aus dem Urlaub wiederkam. Und das war jedes Mal stärker bei dunklen Haaren als bei hellen. Andersrum hat es eher Irritation als Angst hervorgerufen. Das ist jetzt nicht valide, aber für mich schon auffällig. Ob das bei Kindern, denen dunkle Haut und dunkle Haare, Kopftücher und Co vertraut sind, analog gegenüber Weißen zu beobachten ist, kann ich nicht sagen, da ich dazu keine Informationen/Beobachtungen habe. (Falls ihr da welche habt (auch nur eigene Beobachtung) fänd ich das sehr interessant)
Aber auch, dass dunkle Haut den Effekt des Blickes auf uns, den wir evoutionsbedingt immer wahrnehmen, verstärkt, ist etwas, was unsere Ur-Alarm-Instinkte aktiviert. In einem weißen Gesicht ist dieser Effekt aber aufgrund der niedrigeren Kontraste nicht so extrem.
Ebenso ist es eine Tatsache, dass man die Mimik in einem dunklen Gesicht im dunkeln schlechter erkennen kann. Diese Effekte anzuerkennen, halte ich schon für wichtig. Sie nicht ungefiltert als Stereotyp zu reproduzieren wäre allerdings der nächste notwendige Schritt. Denn wie Alana sagt, droht die echte Gefahr in unserer Welt meist woanders. Aber soweit sind unsere biologischen Alarmsysteme noch nicht.
Diese Dinge sind also nicht per se rassistisch. Sie in ihrer Wirkung unreflektiert zu lassen, das kann es rassistisch werden lassen. Oder wenn ich meine Irritiation oder Furcht aufgrund von ungünstigen Umgebungsvariablen für eine haltbare Information über den Menschen halte.

Und die Frage inwiefern Archetypen durch Stereotype beeinflusst sind, wäre auch noch mal interessant zu betrachten, denn ich bin (Ohne mich damit jetzt näher mit der Entstehung, bzw. Verbildlichung beschäftigt zu haben) nicht sicher, ob sie tatsächlich so getrennt zu betrachten sind. Sie sind in letzter Instanz ja auch nur Konstrukte, die Psychologen (Allen voran natürlich Jung, der aber auch nur auf bestehendem aufgebaut hat.) sich "ausgedacht" haben.

Meine Assoziation bei "Schwarzer Mann" ist zum Beispiel auch die eines Unbekannten, der in der Nacht/Dunkelheit lauert, schwarz angezogen ist und mir eben was böses will. Die Hautfarbe selbst habe ich aber immer als weiß gesehen. Dennoch halte ich es an dieser Stelle definitiv für wichtig über die Worte zu sprechen. Denn auch in unserer Kultur leben immer mehr PoC, sodass es durchaus naheliegt, dass automatisch zunehmend die Hautfarbe relevant ist. (Wie sie es ursprünglich vielleicht auch mal war). Reicht es aus, es durch "bösen Mann" zu ersetzen? Oder vielleicht durch "böse Person", denn Frauen können schließlich auch Gräueltaten begehen. (Noch besser wäre es natürlich diesen völlig bescheuerten Spruch endlich ganz aus der Kindererziehung zu verbannen, aber das ist ja hier nicht Thema)

Wie müsste ein Wording sein, um unbewussten Rassismus bein Fantasywelten mit unterschiedlichen Völkern zu vermeiden?

Übrigens gibt es dazu interessante Studien, die belegen, dass PoC in Tests in denen sie ihre Hautfarbe angeben müssen signifikant schlechter abschneiden als in Tests in denen der Prüfer die Bögen am Ende mit einem Strich markiert. Seine Hautfarbe per Kreuz angeben zu müssen ist per se noch keine Abwertung. Die Forderung löst aber eine gefühlte Abwertung aus, die sich durch Leistungsabfall nachweisen lässt.
Analog gibt es diese Beobachtungen auch bei Blondinen und Brünetten, bei denen Blondinenwitze den Leistungsabfall entsprechender Haarfarbeträgerinnen auslösen. Und bei Brünetten interessanter Weise einen signifikanten Anstieg der Leistungen.
Womit aus meiner Sicht die Aussage, dass wir Privilegierten nichts verlieren würden zumindest in Frage gestellt werden muss. Auch wenn das auf der unbewussten Ebene passiert.
Aber das macht es um so wichtiger, hinzuschauen und mit Empathie zu schauen. Auf beiden Seiten. Und sensitivity reading ist bedingt sicher sinnvoll, aber da der Empfänger letztlich selbstverantwortlich das entcodiert, was er will, halte ich es nicht für die ultimative Lösung. Aber es ist ein guter Anstoß um mögliche blinde Flecke zu beleuchten. Und das passiert eben gerade.
Alte, überholte Strukturen brechen zusammen. Und das ist gut, auch wenn das Pendel dafür vielleicht erstmal zu weit ausschlagen muss und mehr Struktur zum wackeln bringt, als vielleicht nötig wäre. Das wirklich solide Fundament hält das schon aus und bleibt für den Aufbau neuer Strukturen.

(Sorry, es ist schon wieder so lang geworden :versteck:)
"Wenn du andere Leute ansiehst, frage dich, ob du sie wirklich siehst, oder ob du nur deine Gedanken über sie siehst."
Jon Kabat-Zinn.

Silvia

#26
Ähm - irgendwie unterstellst Du mir hier grade eine Menge.
Und ich glaube, wir reden thematisch komplett aneinander vorbei.

Das Spiel würde übrigens genauso funktionieren, wenn man aus dem Mann einen gelben macht. Oder einen blauen. Rot dürfte er vermutlich nicht werden, weil ... Oder einen Piraten. Es ist ein einfaches Fänger-und-Abschlagen-Spiel. "Wer hat Angst vorm schwarzen Mann? - Keiner! - Und wenn er kommt? - Dann laufen wir weg!" - Alles läuft durcheinander, der "schwarze Mann" schlägt einen ab, der dann wiederum den Abschläger spielt, und das ganze geht von vorne los.

Wo auch immer man da jetzt Rassismus reinlesen kann ... oder in eines der Grundschemata in der Fantasy - den Kampf Licht gegen Dunkelheit, Weiß gegen Schwarz - oder in die Elben, die fast alle, bis auf die Dunkelelben, dem "Licht" zusortiert werden - eine arische Komponente ...
Ich versteh es nicht, sorry, Leute.

Hier mal ein wenig Hintergrundwissen zum Spiel, dass es so alt ist, wusste ich auch nicht. Stimmt, und man konnte mehrere Leute fangen.
Zitat
Das Spiel ist für mehr als etwa acht Spieler gedacht. Nach oben sind nahezu keine Grenzen gesetzt. Als Spielfeld dient eine möglichst große, ebene Fläche im Freien mit einer Spielrandbegrenzung.

Der Fänger ist der ,,Schwarze Mann" und steht meist etwa fünfzehn Meter von den anderen entfernt auf der gegenüberliegenden Seite eines Platzes oder Raumes. Wenn er ruft ,,Wer hat Angst vorm Schwarzen Mann?", wird mit ,,Niemand!" geantwortet, dann auf ,,Und wenn er (aber) kommt?" mit ,,Dann laufen wir (davon)!" oder ,,Dann reißen wir (alle) aus!" oder ,,Dann kommt er halt". Die beiden Parteien rennen nun entgegengesetzt auf die andere Seite bis zur rettenden Wand bzw. Begrenzung. Der Fänger versucht dabei so viele wie möglich durch Antippen zu fangen.

Wer vom Schwarzen Mann erwischt wurde, hilft ihm im nächsten Durchlauf beim Fangen. Der Letzte, der übrig bleibt, hat gewonnen und ist meist im nächsten Spiel der Fänger.

Das Kinderspiel lässt sich auf die Kinderschreckfigur des Schwarzen Mannes zurückführen, die im ganzen deutschsprachigen Gebiet bekannt ist.[3] Je nach Region und Zeit verstand man darunter verschiedene Wesen: eine dunkle schattenhafte Gestalt oder einen Mann mit schwarzer Kleidung.[4][5] Andere Behauptungen, das Spiel stamme von Bunkerarbeiten ab 1939 am Schwarzen Mann, einem Berg der Eifel, entbehren jeder Grundlage, da das Spiel deutlich älter ist.

Der Liederforscher Franz Magnus Böhme beschrieb hingegen 1897, dass der Begriff auf den ,,Schwarzen Tod" (die Pest um 1348) zurückzuführen sei. Das würde auch das Spielprinzip folgerichtig erklären: Jeder, der von der Pest befallen wird (im Spiel: angetippt wird), ist selber Träger des ,,Schwarzen Todes" und gehört zum Heer des ,,Schwarzen Mannes", das die Seuche ausbreitet.[6]

Das Spiel wird manchmal auch anders genannt, z. B. ,,Wer hat Angst vorm bösen/wilden/blöden Mann?" oder ,,Wer hat Angst vorm Weißen Hai?", auch um eine rassistische Konnotation durch die Assoziation von ,,schwarz" mit ,,böse" zu vermeiden.[7][8][9]
https://de.wikipedia.org/wiki/Wer_hat_Angst_vorm_Schwarzen_Mann%3F

Alana

#27
ZitatAber auch, dass dunkle Haut den Effekt des Blickes auf uns, den wir evoutionsbedingt immer wahrnehmen, verstärkt, ist etwas, was unsere Ur-Alarm-Instinkte aktiviert.

Diese ganze Biologie habe ich ausgespart, weil ich dachte, dann wird es zu lang.  ;D

Natürlich ist das so. Die Biologie steckt in uns, aber das heißt nicht, dass wir dem nachgeben müssen. Im Gegenteil. Wir sind ja auch zivilisierte Menschen, die nicht einfach auf die Straße pinkeln, nur weil es uns überkommt. Wie du so richtig sagst, der nächste Schritt ist, es eben nicht zu Rassismus werden zu lassen, sondern aktiv etwas dagegen zu tun.

@Silvia: Ich werfe dir gar nichts vor. Ich frage dich. Aber du antwortest nur mit etwas, das in dieser Diskussion keine Rolle spielt. Als Beispiel: Wenn ich dich als Weib bezeichne, wirst du sauer sein. Wenn ich dir sage, dass das früher in vielen Gegenden der normale Begriff für eine Frau war, bist du dann weniger verletzt? Vielleicht ja, aber im ersten Moment warst du es, im ersten Moment hat es keine Rolle gespielt, dass es einen historischen Kontext dieses Wortes gibt, der nicht verletzend ist. Und ist es das wert? Nein. Und wahrscheinlich wirst du trotzdem verletzt sein. Weil du von mir erwartest, dass ich weiß, dass das Wort "Weib" mittlerweile eine negative Konnotation hat und dass ich es deshalb nicht benutze. Du wirst mich also mindestens als rücksichtslos empfinden, nehme ich an. Vielleicht würdest du mich auch für ungebildet oder rückständig oder sogar bösartig halten. Natürlich muss jeder von uns selbst entscheiden, wie er von anderen wahrgenommen werden möchte.
Alhambrana

Silvia

Ich weiß, dass Weib früher mit Frau gleichgesetzt wurde. ;-) Ich kenne auch so einige schöne Lieder, in denen das Wort vorkommt. Und wenn ich Dir jetzt noch verrate, dass mein lieber Mann mich durchaus hin und wieder "mein Weib" nennt (wir kommen beide aus der Rollenspielszene ...) und das definitiv nicht negativ meint ...  ;) Es kommt halt auch immer darauf an, was man in einen Begriff hineininterpretiert. Oder hineininterpretieren will.

Ich sag doch, wir reden aneinander vorbei, weil wir anscheinend von völlig verschiedenen Seiten an das ganze rangehen und die jeweils andere nicht verstehen (können). Und ich schätze mal, wir halten sie beide für richtig und werden davon nicht abweichen wollen. Oder?  ;)

Anj

ZitatNatürlich ist das so. Die Biologie steckt in uns, aber das heißt nicht, dass wir dem nachgeben müssen. Im Gegenteil. Wir sind ja auch zivilisierte Menschen, die nicht einfach auf die Straße pinkeln, nur weil es uns überkommt. Wie du so richtig sagst, der nächste Schritt ist, es eben nicht zu Rassismus werden zu lassen, sondern aktiv etwas dagegen zu tun.
Exactly!  :jau:
(Musste ich nur noch mal unterstreichen :versteck:)

Lustig, das Kinderspiel hab ich damit gar nicht assoziiert. Finde es aber da gerade noch viel schlimmer im Wording und fänd es da noch viel angebrachter die Worte auszutauschen.
Ich kenne schwarzen Mann tatsächlich eher als ein Mittel mancher Eltern in der Erziehung.
"Wenn du andere Leute ansiehst, frage dich, ob du sie wirklich siehst, oder ob du nur deine Gedanken über sie siehst."
Jon Kabat-Zinn.