Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum

Allgemeines => Buch- und Verlagswesen => Thema gestartet von: Mondfräulein am 10. Februar 2021, 14:28:36

Titel: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt [CN Rassismus]
Beitrag von: Mondfräulein am 10. Februar 2021, 14:28:36
[ROSENTINTE] Das Moderator*innenteam des Tintenzirkels hat sich entschlossen, diesen Thread zu schließen. Durch rassistische Aussagen und unangemessene Vergleiche wurden in diesem Thread viel Leid verursacht. Leider haben wir als Team in diesem Moment nicht eingegriffen, wofür wir uns noch einmal entschuldigen möchten. Wir werden diesen Thread nicht ins Archiv verschieben, da er einige sehr wichtige und konstruktive Beiträge zum Thema Own Voices und Rassismus enthält. Wir denken aber auch, dass anschließend an die Beiträge in diesem Thread keine Diskussion des eigentlichen Themas mehr möglich ist. Da wir das Thema Own Voices und Repräsentation am Buchmarkt für sehr wichtig erachten, haben wir einen neuen Thread  (https://forum.tintenzirkel.de/index.php?topic=26121.msg1268231#msg1268231)für diese Diskussion eröffnet. [/ROSENTINTE]

Wir haben im Forum schon an anderer Stelle darüber gesprochen, ob ich Protagonisten authentisch schreiben kann, wenn sie Minderheiten angehören, denen ich selbst nicht angehöre. In letzter Zeit bin ich auf einen anderen Aspekt dieser Debatte gestoßen, den ich wirklich wichtig finde und über den ich hier gerne mit euch sprechen würde: Nehme ich Minderheiten die Chance, ihre eigenen Geschichten zu erzählen, wenn ich meine Bücher veröffentliche?

Ich bin zuerst auf das Thema aufmerksam geworden, als ich ein Video von Xiran Jay Zhao gesehen habe, in dem sie darüber spricht, dass sie fast keinen Vertrag für ihr Buch bekommen hätte, weil ihr gesagt wurde, dass es schon zu ähnliche Bücher auf dem Markt gibt. Repräsentation ist zwar wichtig, aber ist es möglich, dass ich Angehörigen der Gruppen, über die ich schreibe, damit auch Chancen wegnehme und es ihnen noch schwerer mache, ihre eigenen Geschichten zu erzählen? Helfe ich der repräsentierten Gruppe mit meinem Buch, weil sie sich selbst darin wiederfinden können, oder nehme ich ihnen die Chance, ihre Geschichten selbst zu erzählen?
Das Video ist sehr lang (aber sehenswert!), die Stelle, in der sie über dieses Thema spricht, beginnt ungefähr bei 52 Minuten: https://www.youtube.com/watch?v=x8MD8U1Ilwc

Ein anderer wichtiger Tweet zum Thema kommt von Moniza Hossain:
ZitatI know white writers write poc main characters because they want poc readers to see themselves in books, but here's what happens when you do that: publishers end up acquiring books written by white people instead of books by pocs because they find the former easier to relate to.

https://twitter.com/moniza_hossain/status/1358522821815640064

Hier geht es jetzt erstmal um den amerikanischen Buchmarkt, aber letztens wurde ich an die Diskussion erinnert, als Not Your Type von Alicia Zett herausgekommen ist. Soweit ich weiß, ist es das zweite Romance-Buch auf dem Markt, in dem der Love Interest trans ist, aber das erste, in dem das für den Leser von Anfang an klar ersichtlich ist. Die Autorin ist cis und ich habe mich gefragt: Wenn eine trans Person nun ein ähnliches Buch anbietet, wird es vielleicht abgelehnt, weil es schon ein Buch auf dem Markt gibt, dessen Prämisse zu ähnlich ist? Kann es auf dem deutschen Buchmarkt also zu genau demselben Problem kommen? Vielleicht sogar viel eher, weil der Buchmarkt hier generell kleiner ist?

Und ja, das erscheint mir wirklich sehr einleuchtend. Wenn ich als weiße Autorin eine moderne Neuerzählung von Mulan schreibe und dann ein chinesischer Autor mit einer ähnlichen Idee an den Verlag herantritt, dann könnte das Buch abgelehnt werden, einfach weil es meinem schon veröffentlichten Buch zu ähnlich ist. Die Geschichte stammt aus seinem Kulturkreis, aber er kann sie nicht mehr erzählen, weil ich das als weiße Autorin schon getan habe. Ich denke im Moment beim Schreiben wenig darüber nach, ob es Bücher auf dem Markt gibt, die meinem zu ähnlich sein könnten, vielen anderen Autoren geht es bestimmt auch so. Aber ich denke Verlage haben da schon ein genaues Auge drauf und beziehen das in ihre Entscheidungen mit ein.

Natürlich ist Repräsentation wichtig und niemand sagt, dass ich sie nicht mehr schreiben soll, aber in welchen Fällen könnte ich Own Voices Autoren auch Chancen wegnehmen? Wann schade ich mehr als dass ich helfe? Wenn die Marginalisierung einer Gruppe oder die Zugehörigkeit einer Figur zu dieser Gruppe zur Prämisse meines Romans wird, sollte ich das Buch dann noch veröffentlichen, wenn ich der Gruppe selbst nicht angehöre?

Ich hoffe, das ist das richtige Board für diesen Thread, aber mir geht es hier eben nicht darum, wie gute Repräsentation aussieht und wie authentisch ich über andere Gruppen schreiben kann, sondern wirklich konkret um die Probleme, die hier auf dem Buchmarkt insgesamt entstehen können und wann eine Veröffentlichung eine andere verhindern kann.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Alana am 10. Februar 2021, 14:39:02
Ich möchte noch anfügen, dass ich ein großes Problem darin sehe, dass Shitstorms zu Büchern Verlage dazu verleiten könnten, marginalisierte Themen gar nicht mehr zu verlegen. Hätte es um eines der Bücher nicht so einen Shitstorm gegeben (dabei möchte ich absolut keine Aussage über die Validität der Kritik am Buch machen, sondern es geht mir rein um den Veröffentlichungsaspekt), gäbe es mittlerweile vielleicht viel mehr Bücher mit transgender Hauptfiguren und damit eben gerade mehr Chancen für Own Voice Autoren. Das besagte Buch war exrem erfolgreich und hätte hier als Marktöffner fungieren können.

Ich sehe ein Problem darin, dass es häufig keinen Raum für Fehler zu geben scheint, und für alle Beteiligten keinen oder nur sehr wenig safe space, um über diese wirklich wichtigen Dinge zu diskutieren. Jedenfalls ist das mein Gefühl bei den Diskussionen, die ich verfolge. Und dabei will ich niemanden kritisieren, denn ich kann jeden Betroffenen verstehen, der es nicht als seine Aufgabe sieht, Außenstehende weiterzubilden und dabei noch gute Miene zu machen. Deswegen bin ich gerade auch unsicher, wie wir das lösen könnten. Vielleicht muss es eine Zeitspanne wie diese geben, eben damit Verlage darauf aufmerksam gemacht werden, dass sie solche Themen bzw. Bücher, die Probleme marginalisierter Menschen thematisieren, besser von Own Voice Autoren einkaufen und dass es natürlich besser ist, wenn ein Own Voice Autor mit seinem Werk den Markt öffnet.

Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Mondfräulein am 10. Februar 2021, 14:53:05
Was du ansprichst ist glaube ich auch wieder Teil einer komplexeren Debatte. Auf der einen Seite ist es natürlich überhaupt nicht, was irgendwer erreichen will, wenn Verlage aufgrund so eines Shitstorms keine ähnlichen Bücher mehr verlegen. Auf der anderen Seite müssen gerade Angehöriger der repräsentierten Gruppen ihre Kritik äußern können. Die beiden Bücher mit trans Hauptfiguren wurden ja auch nicht wegen Kleinigkeiten zerrissen sondern wegen Dingen, von denen viele schon lange sagen, dass sie so etwas nicht lesen möchten. Das nicht zu kritisieren könnte auch dazu führen, dass weiter Bücher veröffentlicht werden, die dieselben Fehler wiederholen. Im Gay Romance Genre sehe ich, wozu das führen kann, denn hier werden haufenweise Bücher von nicht-Betroffenen für nicht-Betroffene geschrieben. Frauen schreiben für Frauen über schwule Männer. Kritik von schwulen Männern an ihren Büchern wollen sie nicht hören. Ich will hier niemanden im Forum ansprechen, der Gay Romance schreibt, es gibt definitiv Ausnahmen. Aber das Problem ist ja auch nicht unbekannt.

Die Lösung liegt finde ich auch darin, dass Verlage mehr darauf achten sollten, solche Bücher von Sensitivity Readern gegenlesen zu lassen. Nicht nur Freunde der Autorin, die zufällig auch betroffen sind, sondern Menschen, die sich mit dem Diskurs in der Szene wirklich auskennen und ihre Meinung kritisch äußern. Darüber hinaus ist das vielleicht auch ein strukturelles Problem in der Branche allgemein. Wenn im Verlag vor allem Menschen arbeiten, die keiner marginalisierten Gruppe angehören, dann fehlt da vielleicht auch das Verständnis und Feingefühl.

Ich sehe total, was du meinst, aber es ist eben alles nicht so einfach.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Araluen am 10. Februar 2021, 14:53:36
Ich sehe die Verantwortung da eher bei den Verlagen als bei den Autoren. Denn ich fürchte, dass man da als Autor viel machen kann, außer sich bei dem, was man schreibt einzuschränken. Ich weiß nicht, ob dieser Schuss dann nach hinten losgehen würde und wir stattdessen nicht noch weniger Geschichten bekämen oder gar keine mehr. Nicht, weil ich glaube, dass Angehörige von Minderheiten nicht in der Lage wären eine Geschichte zu schreiben, sondern weil ich glaube, dass die Gründe einer Ablehnung nicht nur darin liegen, dass "es sowas schon gibt"(das ist eher die schnelle und bequeme Ausrede fürchte ich), sondern dass Andersartigkeit welcher Art "in diesem Haus nichts zu suchen hat" - bezogen auf die reale Person. Aber das ist nur eine ins Blaue geschossene Vermutung.
Ich stimme dir zu: Wenn ich als weiße Autorin eine Adaption zu Mulan schreibe, dann kann das dafür sorgen, dass ein chinesischer Autor mit einer Mulan Adaption keine Chance mehr hat, weil es sowas ja schon gibt. Das ist nicht gut. Aber der Fehler liegt nicht bei den beiden Autoren, die zufällig zum gleichen Thema eine Geschichte geschrieben haben, sondern bei den Verlagen, die den weißen Autor bevorzugen und den chinesischen ablehnen, statt die Chance zu nutzen, ein Pferd, das einmal gut gelaufen ist, ein zweites Mal ins Rennen zu schicken und es zusätzlich noch mit dem Label Own Voice versehen, was in meinen Augen den Roman durchaus pushen könnte.
Eigentlich ist es doch ein ganz normaler Vorgang, das gut laufende Pferd so oft ins Rennen zu schicken, bis es nicht mehr gewinnt. Sonst gäbe es nicht so viele Twillightklone usw.

Edit: Ich möchte damit nicht sagen, dass wir Autoren die Füße hochlegen und nichts tun sollen. Das Problem muss angesprochen werden, damit die Verlage es auch hören. Ich fürchte einfach nur, dass wir am falschen Ende der Kette hängen, um die Wende einzuleiten.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Alana am 10. Februar 2021, 14:59:36
Natürlich ist es nicht so einfach, genau das wollte ich eigentlich ausdrücken.

Ich weiß aber, dass für eines der Bücher mehrere Sensitivity Reader engagiert wurden, die nicht mit der Autorin befreundet waren, und dennoch gab es den Shitstorm, damit ist es also für die Verlage auch nicht getan. Mir geht es auch nicht darum, dass man Kritik nicht äußern soll, ganz im Gegenteil, wie soll man sonst dazu lernen? Ich sauge das alles auf und versuche, dazu zu lernen, weil ich möchte, dass meine Bücher für alle Menschen ein schönes Leseerlebnis sind. Mir geht es definitiv um Shitstorms, nicht um berechtigte Kritik. Ich habe auch bisher noch nie erlebt, dass Verlage sich von offener oder auch emotionaler Kritik einschüchtern lassen. Eher im Gegenteil, man möchte dort eigentlich auch immer dazu lernen, denn dort sitzen auch Menschen, die andere Menschen nicht verletzen wollen. Klar gibt es auch andere, aber ich habe Lektoren bisher immer als Menschen erlebt, die einfach schöne Bücher mit tollen und wichtigen Themen für andere Menschen herausgeben wollen. Und genau deswegen können Shitstorms eben leider dazu führen, dass Verlage solche Themen erst mal lieber nicht mehr verlegen.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Maja am 10. Februar 2021, 15:01:30
Wenn man darauf wartet, dass Minderheiten nur von entsprechenden Minderheiten geschrieben werden, erhöht man nur ihre Unsichtbarkeit. Und spricht gleichzeitig Autoren, die keiner Minderheit angehören, komplett ihre eigene Empathie ab. Würde ich nur Bücher über mich selbst schreiben, sie wären strunzlangweilig. Auch wenn ich selbst sogar mehreren Minderheiten angehöre - ich möchte nicht darauf reduziert werden, Bücher über nonbinäre Leute mit Schizophrenie zu schreiben, um die Sichtbarkeit für Nonbinäre und Schizophrene Menschen zu erhöhen.

Wir sind Autoren. Wir sind in der Lage, uns in Menshcen hineinzuversetzen. Mit ihnen zu reden, ihre Geschichten und Sichtweiten zu erfahren, und in Bücher einfließen zu lassen. Ich habe vor Jahren in einer Rezension dem Buch "Maze Runner" vorgeworfen, dass dort nach dem Schlumpfinchenprinzip auf vierzig männliche Figuren eine einzige weibliche kommt, und die das Buch auch noch überwiegend im Koma verbringt, und fing mir den Kommentar ein, das wäre doch völlig normal, weil der Autor eben ein Mann ist und man nur über das schreiben soll, was man auch selbst erfahren hat. Sprich, männliche Autoren dürfen nur über Männer schreiben, weibliche nur über Frauen, und nur wir Nichtbinären dürfen überhaupt mit männlichen und weiblichen Figuren arbeiten. Klingt bescheuert? Ist es auch.

Als Angehöriger einer Minderheit freue ich mich, wenn meine Stimme gehört wird. Aber ich freue mich auch, wenn ein nichtmarginalisierter Autor nach Recherche und vor allem Dialog mit Betroffenen jemanden wie mich glaubwürdig in einem Buch unterbringt, weil es meine Sichtbarkeit erhöht. Die Argumentation scheint sich ja in erster Linie auf PoC zu beziehen - nur haben wir als Autoren auf dem deutschen Buchmarkt, insbesondere in der Phantastik, die Situation, dass so ziemlich alle Autor*innen weiß sind. Es sind sicher eine Reihe von ihnen queer, aber ich will wirklich nicht Queerness für mich pachten, ich will Sichtbarkeit in der breiten Masse - und umgekehrt, wenn ich sage, man muss queer sein, um über queere Lebenswelten zu schreiben, ergibt sich daraus, dass man als queerer Autor dann auch nicht über Heteros schreiben darf.

Recherchiert eure Figuren. Sprecht mit Betroffenen. Lasst sie eure Geschichten probelesen, um Feedback zu bekommen, wie gut ihr euch in ihre Situation versetzt habt oder wo ihr nochmal ran müsst. Aber denkt nicht, ihr dürft nur und ausschließlich über das Schreiben, was ihr selbst erfahren habt. Es das Ende unseres Genres, der Fantasy.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Mondfräulein am 10. Februar 2021, 15:08:56
@Maja Ich denke in der Debatte geht es gar nicht darum, dass man nur noch schreiben darf, was man selbst erlebt hat. Das sagt niemand. Es geht eher darum, sich zu fragen, wann ein Buch anderen die Chance nimmt, veröffentlicht zu werden. Wenn ich wieder Not Your Type als Beispiel nehme: Niemand sagt, dass cis Autoren keine trans Personen schreiben können. Es sagt auch niemand, dass sie keine trans Hauptfiguren schreiben können. Das Problem entsteht dann, wenn die Prämisse meines Buches "Mädchen verliebt sich in Jungen, aber er ist trans" ist und nicht zum Beispiel "Junge muss den bösen Zauberer aufhalten und den letzten Drachen retten" und der Junge ist eben auch trans, aber das ist nicht das Hauptthema des Buches. Es geht also nicht nur darum, dass meine Hauptfigur einer marginalisierten Gruppe angehört, sondern dass die Angehörigkeit der Figur zu dieser Gruppe das Hauptthema und die Prämisse des Buches ist.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Alana am 10. Februar 2021, 15:13:51
ZitatEs geht also nicht nur darum, dass meine Hauptfigur einer marginalisierten Gruppe angehört, sondern dass die Angehörigkeit der Figur zu dieser Gruppe das Hauptthema und die Prämisse des Buches ist.

Ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Punkt, der bei vielen nicht betroffenen Autoren nicht richtig ankommt, und ich befürchte, wie Maja indirekt adressiert, dass viele sich einschüchtern lassen und gar nicht mehr repräsentieren, aber das wäre definitiv der falsche Weg. Deswegen finde ich solche Stimmen aus der Community auch super wichtig, die einfach mal Mut machen. Online kann nämlich oft der Eindruck entstehen, dass die jeweilige Community da sehr einer Meinung ist, was meistens gar nicht stimmt.

Ich gehöre auch zu den Menschen, die immer alles richtig machen wollen und ich möchte wirklich niemanden verletzen und ich möchte mir auch nichts aneignen, was mir nicht gehört. Deswegen (ich zitiere mich mal selbst) habe ich für mich entschieden, dass ich versuche, gut und viel zu repräsentieren, jedoch ohne Probleme anzusprechen, von denen ich nichts verstehe, und einfach Geschichten zu schreiben, die auch für queere und marginalisierte Menschen schön zu lesen sind, weil es Repräsentation ohne Problemthematisierungen gibt. Ich hoffe sehr, dass das so auch klappt und jeder meine Bücher lesen kann, ohne verletzt zu werden.

Abgesehen davon wäre es glaube ich auch eine gute Idee, zu überlegen, wie wir Own Voices nicht nur nicht behindern, sondern vielleicht sogar unterstützen könnten, abgesehen davon, die entsprechenden Bücher zu kaufen und zu posten.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Elona am 10. Februar 2021, 15:15:48
@Mondfräulein und wie würdest du es bewerten, wenn dieses Buch es geschafft hätte, eben diese Prämisse sehr gut umzusetzen und es damit dazu beigetragen hätte, mehr Verständnis zu schaffen?

Das Problem entsteht erst dann bzw. liegt in meinen Augen darin, wenn genau das nicht passiert und nicht in der Konstellation als solche.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Angela am 10. Februar 2021, 15:16:59
Lehnen sie nicht eher ab, wenn der Text zu 'fremd' ist für die 'normalen' Lesegewohnheiten, egal aus welcher ursprünglichen Kultur jemand stammt?
Ich rede nicht von äußerem Erscheinugnsbild, eher von kulturellem Umfeld, in dem jemand aufgewachsen ist.
Momentan finde und lese ich in meinen beiden kanadischen Büchereien sehr viel von Menschen, die laut Namen/Aussehen Vorfahren aus einer anderen Gruppe als meiner haben. Arabische/persisches/chinesische Variationen von Fantasy, sozusagen, aber amerikanisiert sind sie schon.
Teilweise merke ich es beim Lesen, teilweise auch nicht. Es gab einige wenige Bücher, die ich abgebrochen habe, weil sie mir zu fremd/zu anstrengend formuliert waren.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Mondfräulein am 10. Februar 2021, 15:23:00
Zitat von: Elona am 10. Februar 2021, 15:15:48
@Mondfräulein und wie würdest du es bewerten, wenn dieses Buch es geschafft hätte, eben diese Prämisse sehr gut umzusetzen und es damit dazu beigetragen hätte, mehr Verständnis zu schaffen?

Das Problem entsteht erst dann bzw. liegt in meinen Augen darin, wenn genau das nicht passiert und nicht in der Konstellation als solche.

Ich stelle mir die Frage auch schon seit einer Weile. Auf der einen Seite hat Alana schon angesprochen, dass Bücher als Türöffner fungieren können. Es wäre schön, wenn so ein Buch helfen könnte. Auf der anderen Seite kann das eben auch dazu führen, dass ich durch Türen schreite, die Own Voices Autoren dann nach mir verschlossen bleiben, weil der Raum dahinter eben schon voll ist. Gerade deshalb habe ich den Thread auch eröffnet, weil es mir darum ging, die Balance zu finden und darüber nachzudenken, wann ich mehr Schaden anrichte als zu helfen und wann ich einen wertvollen Beitrag leiste.

Das sind auch zwei Themen, von denen ich nicht sicher bin, wie gut man sie voneinander trennen kann. Einerseits die Kritik an diesen zwei Büchern, andererseits die Frage, ob sie nicht anderen auch Chancen wegnehmen könnten. Kann man das gut getrennt voneinander diskutieren? Oder geht es, wie du hier sagst, Hand in Hand?
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Alana am 10. Februar 2021, 15:41:24
Ich habe sehr lange überlegt, ob ich für mein nächstes Buch bei Knaur eine PoC als Hauptfigur nehmen könnte. Ich hätte es sehr gerne gemacht, aber Bauchmscherzen hatte ich dabei, weil Diskiminierungserfahrungen durch die Anlage der Geschichte zwanghaft eine Rolle hätten spielen müssen und ich gerade das auch gern offen verarbeitet hätte. Ich habe darüber viel mit mehreren WoC gesprochen und mir haben folgende Fragen an mich selbst sehr geholfen:

- Warum will ich das so erzählen?
- Bin ich der richtige Mensch, um diese Geschichte genau jetzt zu erzählen?

Ich habe mich letztlich dagegen entschieden, eine PoC als Hauptfigur für diese Geschichte zu wählen, weil es sich für mich wie Aneignung angefühlt hätte und weil ich definitiv nicht die richtige Person bin, um eine Geschichte zu erzählen, in der Diskriminierung einer Minderheit, zu der ich nicht gehöre, eine große Rolle gespielt hätte. Ob ich es handwerklich könnte, spielt dabei überhaupt keine Rolle.

ZitatAuf der anderen Seite kann das eben auch dazu führen, dass ich durch Türen schreite, die Own Voices Autoren dann nach mir verschlossen bleiben, weil der Raum dahinter eben schon voll ist. Gerade deshalb habe ich den Thread auch eröffnet, weil es mir darum ging, die Balance zu finden und darüber nachzudenken, wann ich mehr Schaden anrichte als zu helfen und wann ich einen wertvollen Beitrag leiste.

Mir stellt sich auch die Frage, ob ich mich gut damit fühlen würde, so ein Türöffner zu sein und dafür vielleicht gefeiert zu werden, ohne zu der betreffenden Community zu gehören. Damit will ich nicht sagen, dass die entsprechenden Autoren diese Hintergedanken hatten, im Gegenteil glaube ich das tatsächlich nicht, aber ich würde mich in so einer Situation extrem unwohl fühlen.

Wenn ich mir die Frage stelle, wie ich einen wertvollen Beitrag leisten kann - das muss wohl jeder für sich selbst entscheiden. Ich persönlich weiß, dass der Wunsch nach Geschichten mit Figuren aus Minderheiten immer lauter wird, in denen es eben gerade nicht um Probleme mit Coming Out etc. geht. Eben weil viele es müde sind, über Probleme definiert zu werden, die nur einen Teil ihrer Identität betreffen, und beim Lesen immer wieder darüber zu stolpern. Deswegen denke ich, jeder von uns, der nicht zu einer Minderheit gehört, kann auf jeden Fall einen wertvollen Beitrag leisten, indem er genau solche Geschichten schreibt und dabei natürlich immer um gute und richtige Repräsentation bemüht ist.

Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Elona am 10. Februar 2021, 15:44:00
Meine persönliche Meinung dazu: Wenn es ein/e Autor*in wirklich schafft mehr Sichtbarkeit und Verständnis für eine Gruppe zu schaffen, dann ist es das alle Male wert. Die/der Betroffene könnte erst in vierzig Jahren kommen (wenn überhaupt) und in der Zeit zwischen drinnen haben Personen davon profitiert. Natürlich könnte derjenige die Idee auch zeitgleich haben. Aber auch da sehe ich das nicht als Chance "wegnehmen" an. Im Gegenteil. In meinen Augen ist das ein Türöffner, den das andere Buch eventuell nicht geschafft hätte (das ist ja auch immer von vielen Faktoren abhängig). Und sobald das Interesse erst einmal geweckt ist, wollen die Leser*innen doch in der Regel mehr.

Gut umgesetzte Bücher sind da in meinen Augen immer eine Bereicherung.

Edit: Mit Alana überschnitten.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Alana am 10. Februar 2021, 15:47:26
ZitatDie/der Betroffene könnte erst in vierzig Jahren kommen (wenn überhaupt) und in der Zeit zwischen drinnen haben Personen davon profitiert.

@Elona Aber da stelle ich mir die Frage, wenn du wirklich helfen willst, warum dann ein Buch schreiben?

Wäre es nicht deutlich mehr Hilfestellung, sich darum zu bemühen, dass ein entsprechendes Buch eines Own Voice Autors verlegt wird? Das ist auch einer der Punkte, die mir bei meiner Entscheidung geholfen haben. Dass sonst niemand dieses Buch schreibt, empfinde ich mittlerweile eher als Ausrede. (Und das meine ich nicht als Angriff auf dich.) Wenn es einem wirklich um das Thema und um die Sensibilisierung dafür geht, wäre es besser, Own Voice Autoren zu fördern, statt ihnen ihre Themen wegzunehmen.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Maja am 10. Februar 2021, 15:52:08
Own Voices sind im Moment ein so wichtiges Schlagwort auf dem Buchmarkt, dass ich nicht denke, dass ausgerechnet jetzt dann Own Voice-Autoren diese Türen versperrt werden, aber man andere Autoren dann über genau diese Themen schreiben lässt. So wie ich das wahrnehme, geht der Trend ganz klar in Richtung Own Voices, das ist etwas, das wir vor zwei, drei Jahren in dieser Form überhaupt noch nicht hatten. Wenn, dann sind die Chancen jetzt besser als deswegen.

Ich habe im vergangenen Jahr mit der Agentin über zukünftige Projekte gesprochen, und dazu gehörte auch eine Idee für einen Neuaufguss einer sehr alten unfertigen Geschichte von mir, Klagende Flamme, was in einer geographisch an afrikanische Steppen erinnenden Fantasywelt spielt, in der die Menschen dunkelhäutig sind - also nicht echtes Afrika, auch nicht fiktives Afrika à la Wakanda, sondern ein komplett eigenes System, aber in einer entsprechnden Klimazone angesiedelt. Die Agentin war sehr angetan von der Idee, weil das Setting neu und unverbraucht ist - ich habe aber gebeten, falls wir da wirklich etwas draus machen, auf keinen Fall Jemisin oder andere Own Voice-Autoren als Vergleichstitel ranzuziehen, weil ich wirklich nicht mit denen konkurrieren will.

Agentin meinte, sie würde das für die an Verlage gerichteten Infomaterialien vermutlich trotzdem tun, weil sie sonst nichts mit ähnlichem Setting kennt und die Vergleichstitel eben wichtig sind, aber es wäre etwas anderes ist, wenn die Verlage selbst das als Marketing für Leser verwenden würden. Ich habe da mehr Bauchschmerzen, vermute ich, aber es sind ungelegte Eier, ich müsste das Buch überhaupt erst schreiben, und das kann bei mir diverse Jahre dauern - bis dahin haben wir vielleicht längst eigene Titel zum Vergleichen.

Sicher sind die Own Voice Autor*innen Wegbereiter, die helfen, dass solche Themen auch in der Masse angekommen - aber dass man am Ende die Own Voices selbst nicht mehr zu Wort kommen lässt, das sehe ich nicht. Ich verstehe auch meine Agentin, wenn sie die Lage auf dem deutschen Buchmarkt im Auge hat und ich da mit anderen deutschsprachigen Autoren um die Verlagsplätz konkurriere, nicht mit Auslandslizenzen, und wir in Deutschland bislang keine Own Voices für ein vergleichbares Setting haben. Aber wenn, dann würde eher ich den kürzeren ziehen, weil Own Voice wirklich so ein starkes Verkaufsargument ist.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Alana am 10. Februar 2021, 15:54:37
Zitat von: Maja am 10. Februar 2021, 15:52:08
Own Voices sind im Moment ein so wichtiges Schlagwort auf dem Buchmarkt, dass ich nicht denke, dass ausgerechnet jetzt dann Own Voice-Autoren diese Türen versperrt werden, aber man andere Autoren dann über genau diese Themen schreiben lässt. So wie ich das wahrnehme, geht der Trend ganz klar in Richtung Own Voices, das ist etwas, das wir vor zwei, drei Jahren in dieser Form überhaupt noch nicht hatten. Wenn, dann sind die Chancen jetzt besser als deswegen.

Diese Beobachtung habe ich tatsächlich auch gemacht. Eine sehr schöne Entwicklung, wie ich finde. Deswegen denke ich auch, dass es auch andere Gründe dafür gibt, warum immer noch so wenig Own Voices verlegt werden. Nicht nur die Annahme beim Verlag kann eine Schwelle sein.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Elona am 10. Februar 2021, 16:24:27
Zitat von: Alana am 10. Februar 2021, 15:47:26
ZitatDie/der Betroffene könnte erst in vierzig Jahren kommen (wenn überhaupt) und in der Zeit zwischen drinnen haben Personen davon profitiert.

@Elona Aber da stelle ich mir die Frage, wenn du wirklich helfen willst, warum dann ein Buch schreiben?

Wäre es nicht deutlich mehr Hilfestellung, sich darum zu bemühen, dass ein entsprechendes Buch eines Own Voice Autors verlegt wird? Das ist auch einer der Punkte, die mir bei meiner Entscheidung geholfen haben. Dass sonst niemand dieses Buch schreibt, empfinde ich mittlerweile eher als Ausrede. (Und das meine ich nicht als Angriff auf dich.) Wenn es einem wirklich um das Thema und um die Sensibilisierung dafür geht, wäre es besser, Own Voice Autoren zu fördern, statt ihnen ihre Themen wegzunehmen.
Alles gut, mache ich ja nicht, von daher fühle ich mich auch nicht angesprochen.  :engel:
Ich würde solch ein Thema nie als die Prämisse meines Romans wählen.

Jetzt ziehen wir aber wieder das Beispiel heran Not Your Type . Wenn ich das jetzt richtig mitbekommen habe, war die Autorin ja gewissermaßen "betroffen" gewesen. Wenn man also selbst in irgendeiner Weise mit drinnen steckt und auch noch von jemanden mit Own Voice unterstützt wird, warum sollte diese Person dann nicht dieses Buch schreiben dürfen?

Und was die Hilfestellung angeht: Die Person muss das nicht nur wollen, man muss auch zusammen funktionieren. Ist ja bekanntlich auch nicht das einfachste.  :hmhm?:

Zitat
Zitat von: Alana am 10. Februar 2021, 15:54:37
Zitat von: Maja am 10. Februar 2021, 15:52:08
Own Voices sind im Moment ein so wichtiges Schlagwort auf dem Buchmarkt, dass ich nicht denke, dass ausgerechnet jetzt dann Own Voice-Autoren diese Türen versperrt werden, aber man andere Autoren dann über genau diese Themen schreiben lässt. So wie ich das wahrnehme, geht der Trend ganz klar in Richtung Own Voices, das ist etwas, das wir vor zwei, drei Jahren in dieser Form überhaupt noch nicht hatten. Wenn, dann sind die Chancen jetzt besser als deswegen.

Diese Beobachtung habe ich tatsächlich auch gemacht. Eine sehr schöne Entwicklung, wie ich finde. Deswegen denke ich auch, dass es auch andere Gründe dafür gibt, warum immer noch so wenig Own Voices verlegt werden. Nicht nur die Annahme beim Verlag kann eine Schwelle sein.
Ich finde die Entwicklung auch super. Und der Grund - weil eben sowas passiert, wie es jetzt passiert ist und ich schätze, dass Verlage kein unnötiges Risiko eingehen wollen, so etwas "aufzubauen". Aber von Verlagen habe ich ja bekanntlich keine Ahnung.  :engel:

Edit: weil missverständlich formuliert.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Mindi am 10. Februar 2021, 16:31:44
Zitat von: Mondfräulein am 10. Februar 2021, 15:08:56
Wenn ich wieder Not Your Type als Beispiel nehme: Niemand sagt, dass cis Autoren keine trans Personen schreiben können. Es sagt auch niemand, dass sie keine trans Hauptfiguren schreiben können. Das Problem entsteht dann, wenn die Prämisse meines Buches "Mädchen verliebt sich in Jungen, aber er ist trans" ist und nicht zum Beispiel "Junge muss den bösen Zauberer aufhalten und den letzten Drachen retten" und der Junge ist eben auch trans, aber das ist nicht das Hauptthema des Buches. Es geht also nicht nur darum, dass meine Hauptfigur einer marginalisierten Gruppe angehört, sondern dass die Angehörigkeit der Figur zu dieser Gruppe das Hauptthema und die Prämisse des Buches ist.

Sorry, falls die Frage etwas doof ist.
Ich kenne das Buch und die Autorin nicht, bzw. Habe ich erst jetzt darüber etwas gelesen. Aber ... bei dem Beispiel bin ich etwas irritiert. Wenn ich es richtig verstehe, geht es um ein Mädchen, dass sich in einen Jungen verliebt, der Trans ist (und das ist auch recht schnell geklärt, richtig?).

Die Autorin wiederum ist - und das wäre der Punkt, an dem ich gerade nicht mehr gut nachvollziehen kann, warum es ihr "abgesprochen" wird, über dieses Thema zu schreiben: Die Autorin ist mit einem Trans Mann verlobt.
Wenn das Buch also aus der Sicht des Mädchens geschrieben ist, dass sich in einen Transjungen verliebt, dann wäre das doch sogar eigene Erfahrung, die sie einbringen kann. Ja, es sind nicht die des Transjungen, sondern der anderen Person, die queer ist. Aber ist ihre Erfahrung nicht wertvoll, dass sie das Thema angehen darf? Wie gesagt, ich kenne das Buch nicht und beziehe mich da nur darauf, dass sie nicht own voice ist, was Transmenschen betrifft. Oder geht es in dem Buch vor allem um das Outing der Transperson bzw. Der Problematisierung davon, und nicht um die Liebe zwischen den Personen?

Mit Elona überschnitten.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Mondfräulein am 10. Februar 2021, 16:46:01
Es geht mir mit diesem Thread nicht konkret darum, auf diesem Buch herumzuhacken oder zu sagen, dass sie es nicht hätte schreiben dürfen. Klar ist es ein Argument, dass sie mit einem trans Mann verlobt ist, allerdings hatte er sein Coming Out wohl erst, nachdem das Buch schon geschrieben worden war. Ich habe es eher als Beispiel genommen, um deutlich zu machen, was ich insgesamt meine. Im Buch selbst geht es laut den Rezensionen, die ich gelesen habe, sehr viel um die Erfahrung des trans Protagonisten und um sehr, sehr viel Transphobie, die er erlebt hat. Ein großer Teil des Buches dreht sich darum, dass er sich selbst hasst, weil er trans ist. Aber wie gesagt, das sind Informationen aus zweiter Hand. Das Buch ist aus beiden Perspektiven geschrieben.

Mir geht es im Thread aber eben auch nicht darum, was man schreiben darf und was noch authentisch ist, sondern konkret darum, ob die Veröffentlichung dieser Werke die Chancen anderer Own Voices Autoren beeinflusst.

Ich beobachte ebenfalls, dass Own Voices als Label immer wichtiger wird, besonders auf dem englischsprachigen Buchmarkt. Das geht denke ich damit einher, dass Diversität generell ein immer größeres Thema wird. Auch deutsche Verlage kommen langsam damit hinterher, diese Bücher zu übersetzen. Das ist denke ich auch Folge einer Entwicklung auf dem englischsprachigen Buchmarkt, wo diverse Bücher immer besser laufen und viele große Fantasyautoren es wie selbstverständlich in ihre Werke einbauen. Mich freut auch, dass immer mehr Fantasybücher Geschichten aus Welten erzählen, die von anderen Kulturen als der europäischen inspiriert sind, häufig von Autoren geschrieben, die selbst aus diesen Kulturen kommen. Ich hoffe sehr, dass sich das durchsetzt.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Malinche am 10. Februar 2021, 16:47:45
Zitat von: Mindi am 10. Februar 2021, 16:31:44
Wenn das Buch also aus der Sicht des Mädchens geschrieben ist, dass sich in einen Transjungen verliebt, dann wäre das doch sogar eigene Erfahrung, die sie einbringen kann. Ja, es sind nicht die des Transjungen, sondern der anderen Person, die queer ist. Aber ist ihre Erfahrung nicht wertvoll, dass sie das Thema angehen darf? Wie gesagt, ich kenne das Buch nicht und beziehe mich da nur darauf, dass sie nicht own voice ist, was Transmenschen betrifft. Oder geht es in dem Buch vor allem um das Outing der Transperson bzw. Der Problematisierung davon, und nicht um die Liebe zwischen den Personen?

Ich habe das Buch auch nicht gelesen, nur die negative Besprechung, an der sich so vieles entzündet hat, und die Kritikpunkte, die darin benannt wurden, fand ich nachvollziehbar dargestellt (und auch sachlich erklärt).

Der Rezensent sprach an, dass es einerseits Deadnaming gibt - man also sehr früh im Buch den alten Namen der trans Figur erfährt - und sehr viele auserzählte Rückblenden, die Mobbing und ähnliche Erfahrungen thematisieren, de facto aber wohl nichts zur eigentlichen Handlung beitragen, sondern eher effektheischerisch wirken. Ein anderer Kritikpunkt war, dass der Rezensent die Figur nicht überzeugend charakterisiert fand, sondern meinte, die Persönlichkeit würde sich quasi darauf reduzieren, dass die Figur trans ist und sich dafür hasst (und diesen Selbsthass überwinden muss).

Zumindest diese Kritik richtet sich also nicht dagegen, dass es um die entsprechenden Erfahrungen eines cis Mädchens geht, sondern benennt Probleme in der Darstellung der trans Figur. Da geht es dann vor allem um ungünstige Tropes und Erzählstrukturen, die da wohl bedient wurden.

Das nur als Einwurf für ein bisschen Kontext.

[EDIT] Hat sich mit Mondfräulein überschnitten.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Fianna am 10. Februar 2021, 16:55:33
Dazu wollte ich nur ergänzen, dass in den Kritiken um das Buch vor allem bei trans Personen sehr schlecht angekommen ist, dass der Protagonist sich erst entwickelt, nachdem er die Liebe gefunden hat. Der Partner zeigt ihm, dass er liebenswert und ein richtiger Mann ist...
Cis savior fiel da, und gerade dieser Aspekt der Geschichte hat viele Leute verletzt.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Alana am 10. Februar 2021, 17:01:22
ZitatMir geht es im Thread aber eben auch nicht darum, was man schreiben darf und was noch authentisch ist, sondern konkret darum, ob die Veröffentlichung dieser Werke die Chancen anderer Own Voices Autoren beeinflusst.

Aber bei Not your Type geht es ja konkret um ein Buch von einer cis Person, die aber mit Hilfe ihres trans Partners ihre eigenen Erfahrungen und die Erfahrungen einer transgender Person in einem Roman bearbeitet. Daher finde ich nicht, dass ein Buch wie Not Your Type das richtige Beispiel für diese Fragestellung ist, unabhängig davon, ob es handwerklich gut gemacht ist oder nicht. Nur weil jemand anders den Text forumliert hat, entwertet das nicht die Erfahrungen des am Buch beteiligten Partners, solange der dahinter steht und sich nicht davon distanziert.

@Malinche Danke für den Kontext.  :knuddel:

So wie du es beschreibst, stelle ich mir halt die Frage, ob da nicht eben dieser Punkt reinkommt, dass auch trans Personen ihre Erfahrungen und Sichtweisen abgesprochen werden, weil andere diese Darstellung nicht gelungen finden. Wenn aber der Partner der Autorin sich dadurch korrekt repräsentiert gefühlt hat, dann kann natürlich jemand anders sagen: "ich möchte sowas nicht lesen" oder "ich finde diese Darstellung dennoch schädlich", aber dann muss man vielleicht akzeptieren, dass es auch innerhalb der Community verschiedene Meinungen gibt und dass man der Autorin dafür nicht unbedingt einen wertenden Vorwurf machen kann, oder sagen, dass dieses Buch besser nicht hätte veröffentlicht werden sollen, weil es einem anderen Buch den Platz wegnimmt. Oder habe ich da jetzt einen Knoten im Hirn? Auf jeden Fall ist gerade dieses Beispiel für mich ein noch stärkeres Argument, solche Themen als nicht betroffener Autor nicht zu verarbeiten.

ZitatKlar ist es ein Argument, dass sie mit einem trans Mann verlobt ist, allerdings hatte er sein Coming Out wohl erst, nachdem das Buch schon geschrieben worden war.

Das ist auch ein ganz schwieriger Punkt in der Diskussion. Niemand sollte sich outen müssen, um seinem Werk mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen oder sich vor einem Shitstorm zu schützen. Aktuell geht die Entwicklung aber ein bisschen dahin, befürchte ich.




Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Tasha am 10. Februar 2021, 17:07:04
Ich persönlich handhabe es in meinen Texten so, dass ich mich um Diversität bemühe, da ich wie Maja finde, dass es absolut normalisiert werden sollte, dass alle Arten von Charakteren in Geschichten vorkommen.
Das Beschreiben bestimmter Aspekte, wie bspw. ein outing, eine Geschlechtsangleichung (nicht, dass das passiert, sondern wie es sich genau anfühlt) oder die Erfahrung einer Migration würde ich own voice Autor*innen überlassen.

Gewisse Erfahrungen habe ich selbst und über diese würde ich auch jederzeit so schreiben,  wie ich es erlebe/ erlebt habe. Mit Kritik würde ich dann umgehen und sie annehmen.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Mondfräulein am 10. Februar 2021, 17:12:45
Ja, da sprichst du wichtige Punkte an, Alana. Wahrscheinlich war das Buch nicht das beste Beispiel für das, was ich meine, auf der anderen Seite ist der Fall aber so komplex, dass hier sehr interessante Beiträge zusammenkommen. Auf der anderen Seite war es ja auch ein Problem, dass Kritiker sich ebenso outen müssten, damit ihre Kritik ernstgenommen wird. Generell werden am Buch aber Sachen kritisiert, von denen nicht nur einmal eine trans Person gesagt hat, dass sie das nicht gut findet, sondern eben Dinge, die sehr häufig kritisiert werden und von denen sehr oft schon gesagt wurde, dass trans Personen sie nicht lesen möchten.

Wichtig finde ich eben auch, dass man nicht immer einfach einen Freund oder Bekannten vorschieben kann, der das Buch gelesen hat und zur Gruppe gehört und der fand das aber gut, deshalb darf ich das. Das ist ja häufig ein Argument, zum Beispiel auch wenn es um Alltagsrassismus geht ("Mein Kumpel hat da kein Problem mit!"). Das ist nicht fair diesen Freunden und Bekannten gegenüber, letztendlich steht aber auch der Name der Autorin auf dem Buch und sie ist dafür verantwortlich, wie sie das Buch geschrieben hat. Wenn sie es mit ihrem Verlobten zusammen geschrieben hätte, müssten beide Namen auf dem Cover stehen.

Wen ich aber eigentlich viel lieber in die Verantwortung nehmen würde ist der Verlag. Die Autorin ist selbst queer und hat eine Reihe Bücher über queere Liebe geschrieben, ohne je irgendeine schlechte Intention zu haben. Sie wollte nur etwas gutes tun. Dass ihr das mit diesem Buch nicht so gut gelungen ist, ist die eine Sache, aber Menschen machen Fehler. Aber wo ist der Verlag in dieser Sache? Ist es nicht auch Aufgabe des Verlags und der Lektoren, auf so etwas zu achten? Sollte ich mir nicht die nötige Expertise aneignen oder ins Haus holen, wenn ich Bücher mit queeren Geschichten verlege? Darf sich der Verlag hier darauf verlassen, dass die Autorin schon weiß, was sie tut? Unterstützt der Verlag die Autorin gerade während dieses Shitstorms? Klar, die Autorin hat das Buch geschrieben, aber ehrlich gesagt habe ich in meinem Leben auch schon viel Müll geschrieben, da waren auch problematische Dinge dabei. Wir machen alle Fehler. Aber die Verantwortung der Verlage wird in solchen Fällen häufig nicht genug diskutiert finde ich. Als einzelner Autor ist man schnell gebrandmarkt, aber Verlage kommen mit erstaunlich viel davon (siehe Dylan Farrow).
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Mindi am 10. Februar 2021, 17:23:33
@Malinche @Fianna
Danke für die Erklärung. Das macht es für mich klarer, das Buch bzw. den Fall in dem Kontext einzuordnen.

@Mondfräulein
Danke auch dir. Ich wollte auch nicht andeuten, dass nur auf dem Buch herumgehackt wird, sondern vor allem verstehen, was in diesem Fall "falsch" war. Immerhin schien mir die Autorin zumindest gewisse Eigenerfahrung zu haben.

Generell glaube ich aber, dass Bücher, die sich verkaufen, auch dazu beitragen, dass Own Voice Autoren eine Chance bekommen, ihre eigenen Geschichten zu erzählen. Die dann vielleicht sogar besser und authentischer sind. Ich denke nicht, dass diese Plätze "weggenommen" werden, sofern für die Geschichten ein Markt besteht.
Und wenn ich das Cover von Not Your Type sehe, sieht es von außen auch aus wie "Lass uns nochmal sowas machen, wie Someone New von Kneidl". Sie haben also erneut einem Buch eine Chance gegeben, dass ein ähnliches Thema aufgreift. Ja, diese Art Cover gerade auch "in" aber es bedient sich auch eines passenden Titels, Farben. Da würde ich schon Parallelen sehen.

Was ich damit sagen will: Wenn ein Thema sich verkauft - und sei es zuerst durch eine AutorIn, die nicht Own Voice ist, werden die Verlage auch gewillt sein, mehr Bücher dieser Themen aufzunehmen. Und wenn dann zwei handwerklich gleichwertige Bücher auf dem Tisch liegen - eines von jemanden und eines von jemanden mit Own Voice Erfahrung, mag ich wetten, dass Own Voice der Vorzug gegeben würde.

@Mondfräulein
Ich würde den Verlagen unterstellen, dass sie vor allem verkaufen wollen. Und verkauft wird an die breite Masse und die ist mit dem Thema auch nicht unbedingt firm. Die breite Masse, die das Buch kaufen soll, sind auch keine Transpersonen oder kennen vermutlich nicht einmal solche Personen. Und da sind solche Bücher, die Klischees bedienen, vielleicht gerade noch das, was die breite Masse erwartet. Ich möchte das keineswegs schönreden - ich denke nur, dass da ein Funken Wahrheit drin steckt.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Maja am 10. Februar 2021, 17:25:34
Ohne das Buch gelesen zu haben: Mobbing und negative Erfahrungen gehören zur Lebenswelt von Trans*menschen, Deadnaming ebenso. Und auch Probleme, sich selbst zu akzeptieren. Das sind keine unrealistischen Darstellungen. Und Deadnaming ist etwas, das für die Betroffenen schlimm sein kann - aber hier ist es eine fiktive Person, die betroffen ist. Und es gibt auch Trans*menschen, die ihren Namen nicht ändern oder nur minimal abändern, um klar zu machen, dass sie nicht jemand anders werden wollen, sondern vielmehr sie selbst sein.

Da gibt es eine große Bandbreite an Erfahrungen und unterschiedlicher Selbstwahrnehmung. Manche haben starke Gender Dysphoria, andere nicht. Manche werden von allen akzeptiert, andere von ihren Familien verstoßen. Die eigene Lebenswelt kann anders sein als die der fiktiven Person - das macht deren Darstellung nicht automatisch wertlos oder falsch.

Ich habe ein Buch geschrieben, in dem ein Junge, der trans ist, große Probleme mit seinem Körper hat und ein Alkoholproblem entwickelt, weil Alkohol ihm hilft, seinen Körper zu akzeptieren oder ignorieren. Das habe ich mir nicht ausgedacht, gerade junge Trans*menschen mit familiären Problrmen sind überdurchschnittlich suchtanfällig. Er wird nicht gemobbt und von seinen Freunden akzeptiert, aber seine Eltern haben den Kontakt abgebrochen, weil sie nicht damit klarkommen - auch das eine realistische Situation. Ich denke nicht, dass es bei der fiktiven Darstellung von Randgruppen darum gehen sollte, alle negativen Aspekte oder Erfahrungen auszuklammern.

Was man nicht tun darf, ist, eine Figur auf ihre Randgrupenness zu reduzieren und alle ihre Probleme nur daran festzumachen. Auch wenn man trans ist, ist man das nicht im Hauptberuf. Bei meinem Esh liegt der überwiegende Teil seiner Probleme in einer Entscheidung, die er in völlig anderem Zusammenhang gerroffen hat, begründet, und dass er seinen Freunden nicht die Wahrheit sagt über das, was er getan hat - er hat einen Story Arch, der völlig unabhängig von seiner sexuellen Identität funktioniert, und ich denke, das ist ein ganz wichtiger Aspekt.

Ich möchte nicht, auch wenn ich selbst trans bin, für das Buch die Own Voice-Karte ziehen, weil Eshs Situation und Selbstwahrnehmung so völlig anders  ist als meine und weniger auf eigenen Erfahrungen beruht als dem von Freunden, auch die waren nicht eins-zu-eins Esh. Es gibt ja nicht das eine Abziehbild, wie eine Figur, die trans ist, zu sein hat, es ist wichtig, dass auch diese Charaktere in erster Linie Individuen sind. Individuen darstellen, das kann man auch ohne Own Voice. Man muss nur zuhören können, und verstehen, und sich hineinversetzen.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: FeeamPC am 10. Februar 2021, 17:25:58
Ich glaube nicht, dass das Problem bei den Autoren oder Verlagen zu sichen ist. Das Problem ist wohl eher, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der das Sprechen über Probleme einzelner Menschen oder Menschengruppe tatsächlich als zu viel empfunden wird. Und zwar so viel als zu viel, dass es andere Betroffene am Veröffentlichen hindern können soll, wenn ich als nicht Betroffene ein Buch darüber schreibe.
Wie viele Schneewittchen-Versionen gibt es weltweit und in allen Kulturen? Niemand kommt auf die Idee, sie als zu viel zu empfinden. Aber bei POC-Themen oder LGBT-Themen soll das der Fall sein?
Da stimmt einfach etwas in unseren Köpfen nicht.
Das ist ungefähr so, als wenn eine Gärtnerei die 1001-Rose züchtet, aber das Züchten einer dritten Lavendel-Variante ablehnt, weil die Kunden denken könnten, es gäbe bei bereits zwei Lavendel-Sorten mehr als genug davon.

Die Frage ist also, warum fast alle Themen, die mit Menschen zu tun haben, zehntausendmal wiedergekaut werden dürfen, nur ein paar Themen nicht. Egal, von wem.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Malinche am 10. Februar 2021, 17:37:30
Ich glaube, es ist insgesamt einfach extrem komplex, und ich fühle mich auch eigentlich nicht tief genug im Thema drin, um viel beizusteuern. Was mir aber noch einfiel als zusätzlicher Punkt (ich hoffe, das wird jetzt nicht zu OT): Um problematische Tropes und Erzählstrukturen erkennen zu können, braucht es auch Übung, Sensibilisierung und letztendlich Kontextwissen (also z.B.: Was sind häufige Tropes und in welchen Debatten und Diskursen sind die womöglich schon eingesetzt worden? Woher kommen manche Muster historisch?).

Nicht jede:r geht mit diesem Blick (und z.T. Wissen) an Geschichten heran, egal worum es geht. Insofern ist es auch absolut realistisch und legitim, dass nicht alle Angehörigen bestimmter marginalisierter Gruppen mit diesem Blick Inhalte konsumieren und darauf aufbauend Kritik formulieren - das ist ja auch gesamtgesellschaftlich unterschiedlich.

Es gibt natürlich auch Tropes und problematishe Darstellungen, die so offensichtlich sind, dass sie beim Konsum fast automatisch Unbehagen auslösen, aber vieles ist eben auch subtil und nicht jede:r hat den Blick für entsprechende Strukturen. (Ich merke das auch bei mir selbst, dass es ein Lernprozess ist, was ich früher womöglich unkritisch hingenommen habe, aber heute so nicht mehr reproduzieren oder auch nur konsumieren möchte, weil ich mittlerweile dafür sensibilisiert bin.)

Wenn innerhalb einer bestimmten Gruppe Person A sich von einem Inhalt gut repräsentiert fühlt und Person B eben nicht, weil sie darin problematische Strukturen erkennt, heißt das Benennen dieser Strukturen m.E. nicht zwangsläufig, dass Person A dadurch ihre Erfahrungen abgesprochen werden. (Dass es solche Debatten leider auch geben kann, ist eine andere Sache.)

Es heißt erst einmal vor allem, dass beide Personen mit einem unterschiedlichen Blick und einem unterschiedlichen Bewusstsein für Tropes und Erzählstrukturen an den gleichen Inhalt herangegangen sind - Person A betrachtet diese Ebene vielleicht einfach nicht, weil sie nie den entsprechenden Blick dafür entwickelt hat.

Dadurch ist die Einschätzung von Person A nicht weniger valide und wird auch nicht dadurch entwertet, dass man auf die entsprechende Ebene hinweist - aber dass Person A sie nicht wahrgenommen hat, bedeutet im Umkehrschluss eben auch nicht, dass es die Ebene nicht gibt oder sie komplett zu vernachlässigen ist. Das hat m.E. auch weniger mit der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe zu tun, sondern damit, wie wir Inhalte konsumieren, reflektieren und einordnen. Dafür hat nicht jede:r den gleichen Blick und das gleiche Handwerkszeug (und will es vielleicht auch nicht und das ist okay).

Und das beinhaltet erstmal noch keine Wertung und auch noch keine pauschale Lösung dafür, wie man mit diesen unterschiedlichen Wahrnehmungen umgeht oder wie man diese einordnet. Es ist meiner Meinung nach einfach nur etwas, was man mit im Hinterkopf behalten sollte, gerade wenn es um Debatten innerhalb einer Community geht.

Auf der anderen Seite spielt da mit rein, was @Mondfräulein angesprochen hat: Ein Verlagsbuch durchläuft ein Lektorat, und im Lektorat gehört genau dieser kritische Blick für die strukturelle Ebene dazu. Das ist Teil des Jobs.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: FeeamPC am 10. Februar 2021, 17:51:05
Das mit dem kritischen Blick stimmt, ist aber notwendigerweise begrenzt durch unser eigenes Wissen. Ich entsinne mich, dass ich bei einem meiner Märchen in den Anthologien den Autor (mit muslimischen Kulturhintergrund) erklären durfte, weshalb eine Szene in seinem historisch arabischen Setting einfach nicht funktionieren konnte und durfte. Dafür hatte ich genug Wissen. Aber bei den gleichen Buch hat mir dann eine muslimische Standnachbarin erklärt, wie problematisch ein Koran-Zitat in dem Buch sei. Weil der Koran, auch in kleinsten Stücken, Gottes Wort ist, und es könnte ja sein, dass jemand das Buch gering schätzt und einfach mal auf den Boden legt, obwohl Gottes Wort darin ist, und das war für sie völlig inakzeptabel.
Dafür hatte ich nicht genug Wissen.
Will heißen, selbst mit den besten Vorsätzen und Voraussetzungen kann man trotzdem in Fettnäpfchen treten, auch als Verlag. Aber niemand unter uns weiß einfach alles. Soll ich als Konsequenz nun lieber keine Bücher mehr veröffentlichen, die Probleme haben könnten, oder soll ich eine gewisse Fehlerbereitschaft zeigen?
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Alana am 10. Februar 2021, 17:58:18
@Malinche Ich stimme dir grundsätzlich zu, aber ich sehe eben gerade ein Problem damit, dass ich solche drunterliegenden Strukturen und ihre Problematik auch oft als subtil empfinde, und ich auch nicht urteilen möchte, dass Person B recht hat mit ihrer Einordnung einer Erzählstruktur als problematisch. Wir gehen halt heute oft davon aus, dass eine solche Struktur, hat man sie mal entdeckt, allgemeingültig problematisch ist. Und genau darum geht es mir. Ich denke, dass sowas häufig auch subjektiv sein kann und ich als Nicht-Betroffener eben nicht unbedingt beurteilen kann, was richtig ist und was nicht, und auch Menschen aus der Community nicht unbedingt, weil vieles eben einfach Ansichtssache ist. Ich empfinde die Annahme als problematisch, dass jemand mehr auf Strukturen achtet, dadurch automatisch recht hat und dadurch eben doch zugrunde liegt, dass Person A nicht gut genug war, um diese Struktur zu erkennen. Ich denke, so einfach ist es nicht, das sieht man auch an Majas Beitrag.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Mondfräulein am 10. Februar 2021, 18:02:47
Ich spreche hier jetzt explizit nur über große Verlage, die die entsprechenden Ressourcen haben, aber deshalb gibt es ja auch einen Unterschied zwischen Sensitivity Readern und betroffenen Betalesern. Das Buch einem Kumpel zu zeigen, der auch trans ist, ist etwas anderes, als jemanden zu engagieren, der sich explizit mit den Problematiken und Diskursen auskennt. Ein Sensitivity Reader ist nicht einfach nur jemand, der selbst betroffen ist, sondern auch jemand, der die nötige Expertise hat, um Dinge einordnen zu können. Wenn ich als Verlag dieser Expertise nicht selbst habe, dann sollte ich jemanden engagieren, der sie hat, sofern ich über die entsprechenden Ressourcen verfüge.

Ich will nochmal diesen Thread von Nora Bendzko verlinken: https://twitter.com/NoraBendzko/status/1359538421371449344 Letztendlich ist das keine Sache, die einzelne Autoren falsch machen, sondern ein strukturelles Problem der ganzen Branche.

Wichtig ist letztendlich aber auch, dass es Dinge gibt, die umstrittener sind als andere. Bei manchen Dingen greifen sich auch nicht betroffene Autoren an den Kopf und denken wer hat das denn durchgewunken, da kenne ich einige Beispiele. Bei manchen Dingen muss ich aber auch länger darüber nachdenken, ob ich das jetzt problematisch finde oder nicht, selbst wenn ich betroffen bin und mich mit dem Thema schon viel befasst habe.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Kraehe am 10. Februar 2021, 18:27:33
Zitat von: Mondfräulein am 10. Februar 2021, 14:28:36
Nehme ich Minderheiten die Chance, ihre eigenen Geschichten zu erzählen, wenn ich meine Bücher veröffentliche?
Unbequeme Antwort: vermutlich ja. Nicht deinetwegen, aber weil es auf dem Markt nunmal aktuell so funktioniert. Letzten Endes ist das eine Debatte, die am Ende wieder auf etwas wie cultural appropriation (zumindest bei PoC) hinausläuft.

Das Problem ist, um mal exemplarisch am Beispiel von Xiran Jay Zhao zu bleiben (die wirklich sehr gut vlogt und twittert!): Fantasy auf Basis chinesischer Mythologie/mit Elementen der chinesischen Kultur ist nunmal ein Nischenbereich. Es ist nicht blasser-Junge-liebt-blasses-Mädchen à la Twilight, es sind keine blassen, europäisch aussehenden Elfen, die aufeinander einkloppen, etc.. Da es als Nischenbereich gehandelt wird, sind weniger Slots verfügbar. Und wenn nun ein*e weiße*r Autor*in daherkommt, vielleicht schon gut etabliert, und was darüber schreiben will, stehen die Chancen sehr hoch, dass er/sie nunmal den Zuschlag bekommt. Und ja, dann kommt das Argument "sorry, Nische schon gefüllt", und beispielsweise eine chinesische PoC bekommt diesen Vertrag eben nicht mehr, obwohl sie die sehr viel authentischere Stimme wäre, und es ihr vielleicht sehr viel mehr zustünde, diese Geschichte zu erzählen.

Cultural Appropriation ist ein anderes Thema, das will ich hier nur kurz runterreißen, und zwar darauf, dass ganz generell die aktuell existierenden Strukturen (auch in der Verlagslandschaft) aufgrund mehrerer Faktoren Weiße bevorzugen, ob nun aufgrund der abweichenden Verfügbarkeit von Ressourcen, Zugängen zu Bildung etc. - das ist eine andere Debatte. Doch ergo ergibt sich so vielleicht ohnehin schon eine kleinere Querschnittssumme aus PoC-Autor*innen, die also per se schon den schlechteren Stand haben. Das noch gepaart mit nischigem Thema - schwierig. Auch fürs Marketing. Also ja. Ich denke, aktuell werden auf diese Art Bücher von PoC/Own-voice Autor*innen verdrängt. Zumindest solange, bis diese Themen eine breitere Akzeptanz auf dem Markt erlangt haben und die Verlagslandschaft hoffentlich auch etwas risikofreudiger wird.

Zitat von: Mondfräulein am 10. Februar 2021, 14:28:36
ZitatI know white writers write poc main characters because they want poc readers to see themselves in books, but here's what happens when you do that: publishers end up acquiring books written by white people instead of books by pocs because they find the former easier to relate to.
Im Grunde genommen fasst es dieser Tweet genau zusammen.

Und eigentlich wollte ich jetzt schreiben, dass ich finde, auch Bücher von nicht Own-Voice-Autor*innen haben ihre Daseinsberechtigung. Finde ich auch.
Aber je mehr ich über meine Argumentation grüble, desto weniger pauschal möchte ich das sagen.
Natürlich können nicht-"Betroffene" auch über solche Themen schreiben. Natürlich ist es gut, so Bewusstsein zu schaffen und vielleicht den Markt zu öffnen. Aber dann gehört für mich zwingend sensitivity reading dazu, genauso wie deutliche Kritikfähigkeit, und das damit leben können, wenn trotzdem "Shitstorms" oder Beschwerden aus den entsprechenden Communities kommen. Das gilt für alle am Prozess beteiligten, von Autor*in bis Verlag.

Fair und guten Gewissens von allen erzählt werden können die Geschichten marginalisierter Gruppen nur, wenn auch insbesondere Own Voices mindestens in gleichem Maße Raum geboten wird, ihre Geschichten selbst zu erzählen, wie Außenstehenden. Und ich denke, das ist der Punkt, an dem es für mich hakt. Nicht alle müssen own-voice schreiben, nur weil sie Repräsentation schaffen wollen. Aber solange es Own-Voice-Autor*innen so erschwert wird, ihre eigenen Geschichten zu erzählen, kann keine faire Repräsentation auf Augenhöhe stattfinden.
Soll heißen, genau das:
Zitat von: Alana am 10. Februar 2021, 15:47:26
Wenn es einem wirklich um das Thema und um die Sensibilisierung dafür geht, wäre es besser, Own Voice Autoren zu fördern, statt ihnen ihre Themen wegzunehmen.


Zitat von: Mondfräulein am 10. Februar 2021, 14:53:05
Im Gay Romance Genre sehe ich, wozu das führen kann, denn hier werden haufenweise Bücher von nicht-Betroffenen für nicht-Betroffene geschrieben. Frauen schreiben für Frauen über schwule Männer.
Hier möchte ich nur ein kleines Problem mit der Terminologie ansprechen, das ich persönlich in solchen Debatten immer habe, ist wirklich nicht böse gemeint. Aber die Verwendung von "Betroffenen" sollte sorgsam gewählt werden. "Betroffene" sind durch dieses Wording ausgegrenzt.

"Betroffen" bin ich, beispielsweise, von Rassismus. "Betroffen" bin ich nicht davon, zwei Nationalitäten zu haben. Diese Unterscheidung ist zumindest mir wichtig. Genauso würde ich einen Schwulen Mann nicht als "von Gay Romance betroffen" bezeichnen. Sondern eben als schwulen Mann und Zugehörigen zur entsprechenden Gruppe, während er von Diskriminierung aufgrund seines Schwulseins betroffen ist.



Zitat von: Maja am 10. Februar 2021, 15:01:30
Die Argumentation scheint sich ja in erster Linie auf PoC zu beziehen - nur haben wir als Autoren auf dem deutschen Buchmarkt, insbesondere in der Phantastik, die Situation, dass so ziemlich alle Autor*innen weiß sind.
Auch da möchte ich vehement einhaken. Das glaube ich nicht. Alle großen und etablierten Autor*innen? Schon eher. Alle? Nein. Aber fast alle whitepassing oder vielleicht hinter whitepassing Pseudonym versteckt? Ziemlich sicher.

Lass uns das mal auf den Tintenzirkel runterbrechen. Wie viele PoC Mitglieder fallen euch aus dem Stehgreif ein? (Insbesondere denen, die keinen Zugang zu Klarnamen etc. haben und tatsächlich nur aus dem Forenprofil und -auftreten schließen müssen.)
Mir, mit ein bisschen Nachdenken, sechs. Erstaunlich – und erschreckend – wenige. Eigentlich glaube ich, dass es (hoffentlich) mehr sein müssten. Allein statistisch sollten es mehr sein.
Umso erschreckender, weil mir auf Anhieb gleich doppelt so viele queere Mitglieder einfallen, beispielsweise, und zwar ohne Nachdenken.

Warum haben wir eigentlich so wenig PoC im Zirkel? Ich stelle mir die Frage wirklich schon länger, und ich glaube, ganz wesentlich sind zwei Punkte:

Was ich jetzt aber noch einmal ausdrücklich sagen will: Es gibt in Deutschland PoC Autor*innen. Ich bin PoC. Ich bin Autorin. Ich bin zu 120% überzeugt, nicht die einzige zu sein. Klar bin ich keine große Autorin und nicht veröffentlicht oder auf irgendeine Weise etabliert. Aber es gibt mich, und es muss andere geben, die da schon weiter, aggressiver, erfolgreicher sind. Niemand überzeugt mich vom Gegenteil.
Wir sollten uns also vielmehr die Frage stellen, warum gibt es nicht mehr von uns offen sichtbar, und warum auch insbesondere in ,,unserem" Genre? Indem wir bequemerweise sagen, Own Voice sei nicht so wichtig und wird schon noch kommen, wenn wir ,,diese Leute" erst mal als lesbar und lesenswert etabliert haben, verschärfen wir das Problem.

Und hier möchte ich auch noch eine andere Sache anmerken, die immer wieder passiert. Own voice gibt es in vielen Dingen. Aber jetzt in einem Topf über beispielsweise queere, PoC und neurodiverse Own Voices zu diskutieren, wird meiner Meinung nach keiner der Gruppen gerecht, weil die Debatten, die wir führen müssten, jeweils andere sind.
Man kann queer und weiß sein. Dann ist Diskriminierung zwar vorhanden, aber von einer anderen Qualität, als wenn man cis het und PoC ist. Es fußt auf verschiedenen Begründungen für die Diskriminierung. Man kann beides sein, dann ist man sogar intersektional betroffen. Aber wir müssen insgesamt diverser denken und von multipleren Standpunkten an Diversität als Thema und Represäntation als Thema rangehen. Das ist uns schon in der Debatte im Sommer um Rowlings -ismen passiert, als wir schließlich den Rassismus (zurecht) abgespalten haben, und daraus sollten wir lernen.

Zitat von: Maja am 10. Februar 2021, 15:52:08
Sicher sind die Own Voice Autor*innen Wegbereiter, die helfen, dass solche Themen auch in der Masse angekommen - aber dass man am Ende die Own Voices selbst nicht mehr zu Wort kommen lässt, das sehe ich nicht. Ich verstehe auch meine Agentin, wenn sie die Lage auf dem deutschen Buchmarkt im Auge hat und ich da mit anderen deutschsprachigen Autoren um die Verlagsplätz konkurriere, nicht mit Auslandslizenzen, und wir in Deutschland bislang keine Own Voices für ein vergleichbares Setting haben. Aber wenn, dann würde eher ich den kürzeren ziehen, weil Own Voice wirklich so ein starkes Verkaufsargument ist.
Auch da bin ich leider nicht einverstanden. Own Voices, in diesem Fall geht es wieder um PoC, kommen oft leider gar nicht erst an dem Punkt an, an dem sie in direkte Konkurrenz zu dir treten könnten. Es gibt keine bisher veröffentlichten Referenzen. Nicht, weil die nicht existieren, sondern weil irgendwo entlang des Weges immer ein Stolperstein lag. Naja, und jetzt? Jetzt gibt es für sie ja auch keine Referenzen als Türöffner.
Ich möchte dir gar nicht dein Recht absprechen, ein diverseres, abwechslungsreicheres Setting zu schreiben. Im Gegenteil. Ich begrüße das. Es ist ein Gewinn in puncto Repräsentation, diese Dinge denkbar zu machen. Aber das hat nichts darüber zu sagen, ob eine own voice gerade dieselben Chancen hätte, aktuell mit demselben Setting erfolgreich zu sein. Weil sie vermutlich gar nicht erst so schnell an den Punkt als veröffentlichte, von einer super Agentur vertretene Autorin zu kommen. So weit sind wir leider gar nicht.
Own Voice als Verkaufsargument bleibt momentan leider in erster Linie eins: ein Token. Und Token braucht man dummerweise nicht allzu viele auf einmal.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Alana am 10. Februar 2021, 18:39:19
Ich habe gerade gar nichts mehr beizutragen, ich möchte einfach @Maja und @Krähe mal für eure offenen und tollen und sehr wertvollen Beiträge zum Thema danken.  :knuddel:

Ich überlege schon die ganze Zeit, wie man erreichen könnte, dass die Schwellen, die du ansprichst, Krähe, kleiner werden. Was könnten wir persönlich dazu beitragen und was kann ich als cis weiße Heterofrau tun, um vielleicht mit meiner Erfahrung als Autorin PoC Autoren oder Autoren einer anderen Minderheit zu helfen, ohne dass es falsch rüberkommt? Wäre es nicht ein tolles Ergebnis dieser Diskussion, wenn dadurch eine Aktion entstehen würde, die wirklich etwas ändert. Patenschaften, Praktika, Schreibworkshops in Schulen ...

@ Terminus "Betroffene" ... ich habe bei meinem letzten Beitrag auch gedacht, dass ich das nicht korrekt verwendet habe. Tut mir leid. Ist es denn in Ordnung, von einer Minderheit zu sprechen, einer marginalisierten Gruppe oder lieber einer Community?
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Maja am 10. Februar 2021, 19:55:02
Zitat von: Krähe am 10. Februar 2021, 18:27:33
Lass uns das mal auf den Tintenzirkel runterbrechen. Wie viele PoC Mitglieder fallen euch aus dem Stehgreif ein? (Insbesondere denen, die keinen Zugang zu Klarnamen etc. haben und tatsächlich nur aus dem Forenprofil und -auftreten schließen müssen.)
Darauf hatte ich meine Aussage begründet - ich betrachte den Tizi schon als einen repräsentativen Querschnitt durch das, was im deutschsprachigen Bereich Fantasy schreibt, ob veröffentlicht oder nicht, und ich komme nicht auf mehr PoC als du (selbst wenn ich da bei den allerhellsten Braunschattierungen anfange). Ich bin da natürlich anderen gegenüber im Vorteil, weil ich sowohl die Klarnamen der Mitglieder kenne als auch die der Bewerber, die wir am Ende ablehnen (vorausgesetzt, da gibt jeder die Wahrheit an). Und es ist eine verschwindend kleine Gruppe an Bewerbern, die keinen relativ eindeutig deutschen Namen angeben. Gemessen an der deutschen Demographie hätte ich da wirklich ganz andere Verhältnisse erwartet. Und wenn ich dann PAN betrachte - was weniger repräsentativ ist, weil da die unveröffentlichten Leute aussortiert werden) sieht das auch nicht anders aus.

Ich kann mir nicht erklären, wie das kommt - ich kann mir nicht vorstellen, das jemand, der in Deutschland Fantasy schreibt, überhaupt keinen Austausch mit anderen Autoren suchen sollte, nur weil man keinen typisch deutschen Namen hat oder nicht typisch deutsch aussieht. Aber alles, was ich von der deutschen Phantastikszene sehe, ist demographisch unrealistisch weiß. Vielleicht muss man die Frage an einer anderen Stelle ansetzen: Ob sich z.B. die Deutschtürken oder Afrodeutschen in der phantastischen Literatur, die hierzulande verbreitet ist, so wenig wiederfinden und so wenig Identifikationspotenzial haben, dass sie sich gar nicht genug in das Genre verlieben, um es selbst schreiben zu können. Ich weiß es nicht. Ich kann da echt nur spekulieren, ich bin so weiß wie ein Milchbrötchen und kann das nicht beurteilen.

Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es wirklich viele Fantasyautoren of Colour in Deutschland gibt, die dann alle in ihren stillen Kämmerlein hocken und sich nicht mit Kollegen austauschen wollen. Wenn ich mir die Webseite des Tizis anschaue, wirkt die vielleicht technisch ein bisschen angestaubt und inhaltlich nicht auf dem aktuellsten Stand, aber wenn sie so formuliert sein sollte, dass sich ganze Bevölkerungsgruppen da so ausgeschlossen fühlen, dass sie es nicht einmal versuchen, dann sagt mir das bitte gestern als morgen, damit wir uns gemeinsam an besser Formulierungen setzen können. Ein Gatekeeping nur für Weiße ist, das bitte ich euch mir zu glauben, das Letzte, was ich hier will. Aber ich weiß wirklich nicht, ob es da eine große Gruppe von Leuten gibt, die sich nicht angesprochen fühlt, oder ob es doch einfach nur sehr weniger Fantasyautoren of Colour hierzulande gibt.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Kraehe am 10. Februar 2021, 20:40:54
Zitat von: Maja am 10. Februar 2021, 19:55:02
Darauf hatte ich meine Aussage begründet - ich betrachte den Tizi schon als einen repräsentativen Querschnitt durch das, was im deutschsprachigen Bereich Fantasy schreibt
Ich eben nicht.
Ich werfe dir kein Gatekeeping vor, wirklich nicht. Aber ich glaube anders als du nicht, dass der Zirkel auch nur im Entferntesten repräsentativ ist für das, was "da draußen" existiert. Wir greifen hier Mitglieder ab, die präselektioniert sind, aufgrund von Sozialisierung und Ressourcen, die sie dann überhaupt ins Internet führen, die sie mit dem Prinzip "Forum" bekannt machen, und die sie auch diese Art von Austausch suchen lassen.

Zitat von: Maja am 10. Februar 2021, 19:55:02
Ich kann mir nicht erklären, wie das kommt - ich kann mir nicht vorstellen, das jemand, der in Deutschland Fantasy schreibt, überhaupt keinen Austausch mit anderen Autoren suchen sollte, nur weil man keinen typisch deutschen Namen hat oder nicht typisch deutsch aussieht.
Ja, aber dieser Austausch muss nicht ein Forum sein. Dieser Austausch kann auch via anderer Social Media stattfinden, oder im persönlichen Kontakt, in Schreibgruppen an Schulen und so weiter.
Und das hat jetzt nichts mit einfach nur typisch deutschem Namen oder Aussehen zu tun, wenn ich schreibe, dass BI_PoC hier unterrepresentiert sind. Gerade das Internet als anonymer Raum, wenn man es möchte, würde Möglichkeiten bieten, das zu kaschieren. (Was zu einer Vergrößerung der Verblindung führt, weil ich überzeugt bin, viele PoC tun das für den Seelenfrieden sehr absichtlich.)
Der Tintenzirkel war für mich auch nicht der erste Austausch mit anderen Autor*innen, nur ein Ort, an dem ich dann auch angekommen und hängengeblieben bin. Aber ich bin ja auch wunderbar integriert (ja, sarkastische Intonation), stamme aus zwei Akademikerfamilien und habe auch eine Menge Privilegien von Anfang an genossen. Meine Eltern haben sogar absichtlich darauf verzichtet, mich zweisprachig zu erziehen, damit mein Deutsch nicht leidet, um es mal ganz bitter auf den Punkt zu bringen.
Nur - jetzt stell dir mal vor, du hast das nicht. Du hast weniger Geld, deine Familie legt nicht so viel Wert auf ein 1,0er Abi, du hast zuhause niemanden, der dich so explizit in Deutsch fördert, um dein Whitepassing zu maximieren, sprichst vielleicht zuhause sogar nicht nur Deutsch, siehst dann auch noch "nicht deutsch" aus und gehst so in die Schule. Damit bist du nicht das Kind, das in Deutsch gefördert wird, egal, wie kreativ du vielleicht bist. Damit fällst du in ein anderes Raster - nicht in das, bei dem man dir Schreibwettbewerbe anträgt, Stipendien zeigt oder dich in Literatur-AGs aufnimmt. Dir wird nicht vermittelt, dass *das* in dir steckt. Dagegen musst du erst mal ankommen, und das ist ja nur der Anfang des Weges, der dann vielleicht eines Tages beim Verlagsvertrag oder zuerst der Tintenzirkelmitgliedschaft endet.
Da ist ein Bias, schon bevor die Leute sich überhaupt im Tintenzirkel bewerben.

Zitat von: Maja am 10. Februar 2021, 19:55:02
Ob sich z.B. die Deutschtürken oder Afrodeutschen in der phantastischen Literatur, die hierzulande verbreitet ist, so wenig wiederfinden und so wenig Identifikationspotenzial haben, dass sie sich gar nicht genug in das Genre verlieben, um es selbst schreiben zu können.
Puh, also nein.  :no: Mit der Logik kann auch kein deutscher Karl May genießen. Oder eigentlich auch kein echter Vorzeigedeutscher Literatur ausländischer Autor*innen.
Natürlich sind PoC in der hierzulande verbreiteten phanatastischen Literatur unterrepräsentiert, und das ist ein Problem ganz für sich. Aber warum sollten sie das bitte nicht schreiben können? Idealerweise mit eigenen Takes und diverser? Diese Argumentation verstehe ich schlicht und einfach nicht. Die ist so viel zu kurz gegriffen.
Auch hier kommt, wenn dann, wohl die Zugänglichkeit dazwischen. Um zu lesen brauchst du erst einmal die Ressourcen - Bildung, Geld - dafür, und jemand muss dir gezeigt und beigebracht haben, dass das eine schöne und wertvolle Beschäftigung ist. Um zu schreiben brauchst du letzteres doppelt.

Und da sind wir auch schon wieder bei own Voice, Repräsentation und dem Ganzen: Es gibt keine Autor*innen mit offen nicht-weißen Namen. Sagst du ja selbst. Auch hier stelle ich in den Raum, ob das nicht daran liegt, dass viele sich verstecken. Im englischsprachigen Raum nennen sich Autorinnen bewusst männlich oder uneindeutig. Mir ist oft genug selbst gesagt worden, ich soll einfach bald einen Deutschen heiraten und seinen Namen annehmen, dann würden sich diverse Probleme schnell lösen. Mir kann niemand erzählen, dass das vor dem Trend zu Token und Own Voice nicht auch Mechanismen waren, die bei Veröffentlichungen gegriffen haben.
Das Problem bleibt: Es gibt keine Vorbilder.
Es gibt keine Autor*innen, die PoC im Bücherregal entdecken können, und sich dann denken "wow, das könnte ich sein! Leute wie ich können also doch Bücher schreiben! Damit sogar Erfolg haben!".
Es gibt keine Autor*innen, die Eltern schreibender PoC Kinder oder Jugendlicher als Beispiele dafür dienen könnten, dass ihre Kinder da nichts komplett abwegiges tun und keine absolute Zeitverschwendung betreiben.

Zurück zu Mondfräuleins Beispiel Xiran Jay Zhao. (Kurz für alle, die sie nicht kennen: Sie ist Chinesin, lebt in Kanada, und publiziert diesen Herbst ihr erstes großes Fantasybuch, außerdem vlogt und twittert sie viel zu Diversität, Repräsentation und Mechanismen in den Medien.)
Ihre Eltern haben ihre künstlerischen Bestrebungen belächelt und maximal toleriert. Bis ihr Vater in einem großen Marvel Film (War es Ant Man? Oder ganz was anderes als Marvel?) im Abspann sah, dass der Produzent Chinese war. Das war für ihn ein Schlüsselmoment, denn "Leute wie wir können ja doch Künstler sein und damit Geld verdienen!"
Bis zu diesem Moment hielt er es für unmöglich. Ab diesem Moment hat er seine Tochter unterstützt und war stolz auf ihr Schaffen.

Es sind die kleinen Dinge, die für Weiße selbstverständlich sind, und die für PoC den entscheidenden Unterschied bedeuten können.

Zitat von: Maja am 10. Februar 2021, 19:55:02
Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es wirklich viele Fantasyautoren of Colour in Deutschland gibt, die dann alle in ihren stillen Kämmerlein hocken und sich nicht mit Kollegen austauschen wollen.
Ja, aber vielleicht sitzen sie eben auch woanders als im Zirkel, weil ihre Vita sie nie hierher geführt hat. Nur weil sie nicht hier sind, heißt das nicht, dass es sie nicht gibt, und da wirst du mich nicht umgestimmt bekommen.
Nur: da es sie ja auch öffentlich nicht gibt - ob nun, weil sie nicht publiziert werden, oder weil sie im Falle von Publikationen ihre PoC-ness wegradiert bekommen - sind wir doppelt blind für sie. Das ist ein Teufelskreis.

Aber PoC Autor*innen so pauschal die Existenz abzusprechen, nur weil sie nicht hier im Tintenzirkel aufgetaucht sind, und du wenige kennst, das finde ich sehr traurig. Das ist ein auf einer Datenlücke basierender Denk- und Wahrnehmungsfehler.


Zitat von: Alana am 10. Februar 2021, 18:39:19
@ Terminus "Betroffene" ... ich habe bei meinem letzten Beitrag auch gedacht, dass ich das nicht korrekt verwendet habe. Tut mir leid. Ist es denn in Ordnung, von einer Minderheit zu sprechen, einer marginalisierten Gruppe oder lieber einer Community?
Ich persönlich finde die Begriffe alle okay. Community gefällt mir am besten, weil weniger negativ konnotiert, aber insgesamt sind alles drei bessere Begrifflichkeiten als "Betroffene", und für mich verwendbar.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Fianna am 10. Februar 2021, 20:59:31
ZitatNur: da es sie ja auch öffentlich nicht gibt - ob nun, weil sie nicht publiziert werden, oder weil sie im Falle von Publikationen ihre PoC-ness wegradiert bekommen - sind wir doppelt blind für sie.
,Keine' ist nicht zutreffend. Ich hab immer das Gefühl, ich kenne so wenig aktuelle Bücher aus Großverlagen, aber mir fallen schon 3 PoC ein.
3 sind natürlich sehr wenige, bestimmt gibts noch den einen oder anderen, der Phantastik schreibt (vielleicht sogar in größeren Verlagen) und den ich nicht kenne.

Aber das mit dem Nachnamen trifft so eigentlich nur bei Akram el-Bahay zu. Die anderen, die mir einfallen, haben deutsche oder englische Nachnamen,  wo man es am Cover nicht sieht.

Ich will die Diskussion auch nicht ablenken, das sind immer noch sehr wenige und zu wenige.
Ich bin nur über "Keine... keine..  keine...  " gestolpert.

Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Maja am 10. Februar 2021, 21:14:05
Ich habe mich sicher falsch ausgedrückt, als ich sinngemäß meinte, im Tintenzirkel ist niemand, also gibt es auch niemanden. Es ist mehr, dass ich mich seit Jahren frage, was wir falsch machen, warum wir bestimmte Demographien nicht erreichen. Wenn ich auf die Landkarte des Tizis schaue, scheinen mehr als dreißig Jahre nach der Wiedervereinigung in den immer noch "neu" genannten Bundesländern keine Fantasyautoren zu leben, und das kann genausowenig sein.

Aber die deutschen Fantasyautoren of Colour sehe ich nicht auf Instagram, nicht auf Facebook, nicht als Selfpublisher - und ich *will* sie gerne sehen. Ich will raus aus einer Blase, in der alle milchbrötchenweiß sind, und ich hätte erwartet, dass selbst wenn die Verlage nur mit Arschlöchern besetzt sein sollten, diese Autoren dann das Ruder in die Hand nehmen und es ihnen als Selfpublisher zeigen und sagen "Schaut uns an, wir sind hier, es gibt uns, und ihr sollt uns zuhören!" Und natürlich würde ich ihnen dann sagen, wie ich das allen forenexternen Fantasyautoren, die ich treffe, sage: "Kommt in den Tizi, hier warten Freunde auf euch." Ob die das dann wollen, ist ihnen überlassen - Foren sind Relikte und ein aussterbendes Medium des inzwischen vorletzten Jahrzehnts. Ich wünsche diesen Autoren Sichtbarkeit, gerade damit Leute wie ich aus ihren Filterblasen geschmissen werden.

Ich hoffe, das war jetzt glücklicher ausgedrückt.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Mondfräulein am 10. Februar 2021, 21:29:04
Du hast das sehr gut auf den Punkt gebracht und ich stimme dir in allem zu @Krähe.

Zitat von: Krähe am 10. Februar 2021, 18:27:33
Und eigentlich wollte ich jetzt schreiben, dass ich finde, auch Bücher von nicht Own-Voice-Autor*innen haben ihre Daseinsberechtigung. Finde ich auch.
Aber je mehr ich über meine Argumentation grüble, desto weniger pauschal möchte ich das sagen.
Natürlich können nicht-"Betroffene" auch über solche Themen schreiben. Natürlich ist es gut, so Bewusstsein zu schaffen und vielleicht den Markt zu öffnen. Aber dann gehört für mich zwingend sensitivity reading dazu, genauso wie deutliche Kritikfähigkeit, und das damit leben können, wenn trotzdem "Shitstorms" oder Beschwerden aus den entsprechenden Communities kommen. Das gilt für alle am Prozess beteiligten, von Autor*in bis Verlag.

Vielleicht überschätze ich mich als weiße Autorin auch, wenn ich Bücher schreibe, um den Markt für PoC-Autoren zu öffnen. Die Beispiele, um die es hier geht, sind denke ich auch etwas anderes als einfach nur Repräsentation in den eigenen Roman einzubauen. Für mich als weiße Autorin schließe ich daraus, dass ich mich immer fragen sollte, ob meine PoC-Figuren und die Elemente, die ich in meine Geschichten einbaue, dazu führen könnten, dass das Buch einer PoC aufgrund zu großer Ähnlichkeit abgelehnt werden könnte. Wenn ich das Buch auf seine Prämisse herunterbreche, spielt die Zugehörigkeit zu dieser Gruppe eine fundamentale Rolle? Benutze ich diese Gruppe oder repräsentiere ich sie? Klar, es wäre super, wenn ich den Markt für andere öffnen könnte, aber wenn ich nicht sicher bin, ob ich Schaden anrichte oder helfe, dann sollte ich vielleicht noch einmal darüber nachdenken, ob ich mich hier zu sehr als White Savior sehe.

Insofern ist es gut sich zu fragen, was man wirklich für diese Gruppen tun kann und was wirklich hilft anstatt zu schaden, auch über unsere eigenen Bücher hinaus. Das einfachste ist gewiss, Own Voices Autoren zu fördern, indem wir ihre Bücher kaufen und weiterempfehlen.

Mir fällt dazu gerade eine Debatte um Lycanthropy and Other Chronic Illnesses von Kristen O'Neal ein. Die Autorin sagt, das Buch wäre Own Voices, weil sie selbst eine Behinderung hat, aber sie ist weiß und das Buch handelt von einem indisch-amerikanischen Mädchen mit chronischer Krankheit. Die Erfahrung ist nicht dieselbe. Hier gibt es eine ausführliche Rezension zum Buch, die einige wichtige Punkte zum Thema besser erklärt, als ich es je könnte und auch nochmal auf andere Quellen verweist, die würde ich zum Thema unbedingt empfehlen: https://www.goodreads.com/review/show/3824728041?book_show_action=false
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Maubel am 10. Februar 2021, 21:58:38
Letztes Jahr habe ich bezüglich dieses Themas die Writing the Other (https://writingtheother.com/) Kurse gemacht, welche von drei PoC-Frauen entworfen und geleitet werden, wobei Themenbereiche auch von marginalisierten Gastdozenten unterrichtet werden, also z.B. Blind & Deaf Characters von jemandem, der blind und taub ist. Ich kann diese Kurse einfach nur jedem empfehlen, ganz besonders wenn man selbst weiß, cis, hetero ist. Am 6. März gibt es sogar ein 4stündiges Seminar zum Thema: Should Authors Write Characters Different From Themselves? (https://writingtheother.com/should-authors-write-characters-different-from-themselves-webinar/)

Während ich die Kurse gemacht habe, bin ich irgendwann auch an den Punkt gekommen, wo ich Bauchschmerzen hatte, überhaupt zu schreiben, um eben niemandem die Plätze wegzunehmen. Das Problem ist nur, niemanden interessiert es, ob ich keine Bücher schreibe. Davon werden die Plätze auch nicht frei. Nein, stattdessen werden sie mit Leuten besetzt, die sich womöglich noch nie mit der Problematik befasst haben, deren Texte weniger divers sind. Dann also lieber all das Gelernte anwenden und Texte schreiben, die einen diversen Cast haben und so wenigstens dafür sorgen, dass mein Buch nicht nur aus weißen, cis, hetero Charakteren besteht und damit Leser ausklammert.

Und zusätzlich natürlich Own voice Autoren hervorheben, unterstützen und teilweise eben auch zurücktreten. Zum Beispiel bei englischsprachigen Konferenzen bewerbe ich mich eher selten auf einen Panelplatz und empfehle stattdessen Autor*innen weiter, die aus marginalisierten Gruppen stammen.

Ansonsten gehe ich persönlich auch mittlerweile wie @Alana an Geschichten heran: Warum will ich das schreiben? Und bin ich die richtige Person für diese Geschichte? Pi mal Daumen heißt das für mich, dass ich z.B. PoC-Charaktere schreibe, aber kein Buch über Rassismus schreibe, oder queere Charaktere schreibe, aber kein Buch über Coming Out schreibe. Das heißt nicht, dass diese Themen nicht vorkommen. Gerade Rassismus ist strukturell und lässt sich einfach nicht ausklammern, aber ich bin nicht die richtige Person, um das "Leid" anderer Personengruppen zu beschreiben und eben deren Geschichten zu erzählen. Versteht jemand, was ich sagen will?

Und am Ende kommen dann eben Sensitivity-Reader dazu. Ich habe für Time to Remember zum Beispiel eine chinesischstämmige Neuseeländerin gehabt und so sehr ich mich auch im Text bemüht habe, es sind trotzdem strukturelle Sachen reingerutscht. Die habe ich jetzt natürlich besser im Blick und dank dem Sensitivity-Reading sind sie auch nicht mehr im Text. Aber ich musste meiner Publizistin z.B. auch direkt sagen, dass sie das Buch bitte NICHT an chinesische Büchergruppen empfiehlt, nur weil meine MC Chinese NZer ist, weil das eben überhaupt nicht das Thema ist und ich jetzt nicht ein tolles Buch über eine Chinese NZer geschrieben habe, sondern ein Buch über junge Erwachsene an der Uni mit einem Querschnitt durch die tatsächliche Demographie an der UC. Ich hätte diesen Querschnitt natürlich auf die Nebencharaktere verlagern können, aber die Idee eine Geschichte über zwei Weiße und ihre diversen Sidekicks zu schreiben gefiel mir noch weniger.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: DunkelSylphe am 11. Februar 2021, 02:11:24
Ich logge mich mal seit Ewigkeiten ein und freue mich, so eine konstruktive Diskussion zum Thema zu sehen. In den letzten Tagen hat es mich sehr beschäftigt, nicht zuletzt, weil ich mich bei dem Eklat zu Alicia Zetts Buch eingeklinkt und mit ihr geschrieben habe, um den Rezensenten, den ihre Fanbase angegangen hat, zu schützen.

Ich sehe, dass @Mondfräulein mich eh schon verlinkt hat, i bims, die Nora Bendzko. Und weil die Frage nach nichtweißen TiZis in der Diskussion aufkam, für die, die es nicht wissen sollten: Ich bin of color. (mixed, deutsch-marokkanisch, Braun/Schwarz/Weiß) Wenn ich mich diesbezüglich einbringen kann, kein Problem.  ;)

Also mir würden schon ein paar Sachen einfallen zu der Frage: Warum ist die Phantastik (oder generell die Literatur) in DL so weiß? Es liegt auf keinen Fall daran, dass nichtweiße Menschen nicht existieren oder keinen Bock hätten, Phantastik zu schreiben. Ich kann aus meiner Erfahrung sagen: Viele Räume sind einfach noch zu feindlich, als dass die Leute sich offen zeigen. Ich war eine Weile lang, was diesen Teil meiner Identität angeht, unsichtbar, wurde fälschlicherweise als weiß wahrgenommen. Lag auch daran, dass ich die Komplexität meiner multikulturellen Erfahrung erst kapieren musste, aber: Es ist halt so, dass BPoC oft besser damit fahren, unsichtbar zu sein und "weiße" Stereotyp-Fantasy zu schreiben, denn ihre Sichtbarkeit kann Unbehagen stiften.

Ohne jetzt Namen zu nennen, gibt es z. B. Gruppen auf Facebook, da weiß ich, wenn jemand über das Schreiben nichtweißer Figuren & Themen spricht, Nichtweiße mit Labels sichtbar sind ... dann wird es eklig. Leute eskalieren einfach in den Replies. Für viele Weiße sieht es wahrscheinlich nicht mal nach Eskalation aus, sondern nur nach Kommentarspaltenmüll. Aber für Nichtweiße ist das oft nicht auszuhalten. In den fünf Jahren, die ich mich in der Phantastik-Szene bewege, habe ich unglaubliche Dinge online gelesen. Kolleg*innen wurden mit dem N-Wort bezeichnet. Oder ihnen wurde ihr Schwarzsein abgesprochen, indem gesagt wurde: "Für mich sind Sie gar kein N*****, die sind dunkler." Oder ich habe gelesen, "dass die Rassismus-Debatte etwas einseitig geführt wird, es gibt auch gesunden Rassismus, der gut & natürlich ist". Generell wird in der Phantastik, nach wie vor, viel zu unreflektiert der Rasse-Begriff im Bezug auf Menschen gebraucht. Gewisse Vereine nehmen nicht fraglos in ihre Grundsätze auf, dass sie Leute wie uns & Diversität (die unsere menschenwürdige Beteiligung mit einschließt) vertreten und geben uns nicht das Gefühl, dass unsere Kritik gehört wird ...

Ihr könnt wohl das Problem nachvollziehen.

Mich wundert es ehrlich gesagt nicht, dass sich Nichtweiße dann nicht zeigen, weil niemand möchte dem regelmäßig ausgesetzt sein und dann auch noch die Rolle des Erklärbären aufgedrückt bekommen. Been there, done tat. Ich hatte allein beim Höhepunkt von Black Lives Matter MEHRERE größere Leute aus der Szene in meinen PNs, die keine (oder zumindest keine offen sprechenden) People of Color in ihrem Dunstkreis haben und dann die Unverschämtheit besaßen, von mir zu erwarten, ich würde ihnen (damals auch noch schmerzerfüllt wegen der überall kursierenden Polizeigewalt) kostenlos stundenlang Rassismus erklären. So als Abriss. Es gibt uns und unsere Bücher trotzdem, wir werden mehr und dadurch, dass ein paar Einzelne in den letzten Jahren lauter geworden sind, trauen sich auch immer mehr, sich zu zeigen.

Adhoc würde mir zum Folgen & Lesen einfallen:
- Nina Bellem
- Tracy Kae
- Sameena Jehanzeb
- James Sullivan
- Akram El-Bahay
- nicht groß als Autorinnen, aber im Lektorat aktiv und für die Seite sensitivity-reading.de verantwortlich sind Victoria Linnea & Elif Kavkir, die viel Aufklärungsarbeit leisten. Eine afrodeutsche Kollegin, von der man viel lernen kann (gerade auf Twitter) und von der ich hoffe, dass sie mal größer verlegt wird, ist Jade S. Kye.

Ich mache selbst auch Sensitivity Reading im rassismuskritischen Bereich, und meine Philosophie ist: Je mehr Diversität, desto besser. Es geht eben nicht darum, dass nur Betroffene die schreiben, Autor*innen können hier ihr Privileg für die gute Sache nutzen. Schwierig wird es eben bei der Frage: Wann "stehle" ich Betroffenen die Show?

Meiner Meinung nach kann jede:r Fantasy-Geschichten mit diversen Figuren (auch Protas!) schreiben, denn dann ist ja der Hauptteil der Story die Fantasy. Wenn aber die Marginalisierung der Fokus der Story ist - also eine Geschichte, in der es z. B. primär um eine Schwarze Erfahrung geht -, dann sollte man sich als weiße Person fragen: Kann ich diese Geschichte überhaupt erzählen? Eigentlich nicht, weil ich die Erfahrung nicht kenne. Ich SOLLTE sie auch nicht erzählen von einer moralischen Standwarte aus, weil meine weiße Linse die Erfahrung einer anderen Person verzerrt und ich vermessen sage: "Ich kann genauso gut über deine Marginalisierung Bescheid wissen wie du." Und dann gibt es auch noch Geld dafür, von dem die Betroffenen nichts sehen. Das ist nichts Positivies, man tut so nichts für eine Minderheit, sondern benutzt sie im schlimmsten Fall als Prop.

Hier muss man kritisch seine Rolle hinterfragen (finde, das haben ein paar Leute wie @Alana auch toll getan). Und es wurde ja angesprochen, dass wenn man sich entschließt, da was zu erzählen, sensible Arbeit und Austausch mit Betroffenen, ev. Sensitivity Reading nötig ist.

Ich habe es schon auf meinem Twitter gesagt und tue es hier wieder: Das ist nicht nur ein Thema für Autor*innen, sondern auch für die Verlage. Aktuell nehme ich wahr, dass diejenigen, denen das Thema persönlich wichtig ist, Sensitivity Reading privat in Anspruch nehmen, als Weiterbildung quasi. Wenn Verlage aber dezidiert diverse Titel verlegen wollen (und das sollen sie auch, wir brauchen viel viel mehr), ist es nur fair, wenn sie den Autor*innen entsprechendes Personal an die Seite stellen. Auch wird so die betroffene Community beteiligt und dadurch eine gerechtere Struktur geschaffen. Wenn man also schon keine Own Voice verlegt, so können Betroffene trotzdem ihre Darstellung mitformen und auch daran verdienen. Hinzu kommt: Ich habe das Gefühl, dass die wenigen Marginalisierten, die es mal rausschaffen, da auch alleine gelassen und bei schlecht laufenden Büchern extra hart abgestraft werden. In Alicias Fall dachten sich die Beteiligten ja offenbar: "Jo, sie ist queer und macht das schon", aber so einfach ist das nicht. Ein Verlag sollte die Verantwortung für sensible Inhalte nicht komplett auf Marginalisierte abwälzen, die ohnehin weniger Chancen & Ressourcen haben.

Ohne jetzt detailliert auf "Not Your Type" einzugehen: Bei dem, was ich an Kritik mitbekommen, hatte ich den Eindruck, dass das sehr gängige Meinungen von trans Personen sind. Ich werde das Gefühl nicht los, dass hier einiges hätte vermieden werden können, hätte man der Autorin jemand Sensibilisierteren an die Seite gestellt, ob nun im Lektorat oder bei einem separaten Sensitivity Reading. Klar, keine Community ist ein Monolith, aber das Meiste war leicht nachvollziehbar für mich als clueless Cisse und ich hatte von einigem schon gehört, u. a. weil Linus Giese Artikel darüber geschrieben hatte. Es ging dann gar nicht mal darum, dass z. B. Deadnaming komplett falsch sei in einem Buch. So, wie es in "Not Your Type" umgesetzt wurde, wirkte es halt exzessiv und war anscheinend nicht nötig. Mehrfaches Deadnaming und trans pain passieren einfach schon auf der allerersten Seite. Mich wundert nicht, dass das als triggernd und "offenbar ist dieses Buch nicht für mich" wahrgenommen wurde. Ich wäre auch nicht erbaut über einen BPoC-Romance "mit großen Gefühlen zum Wegträumen" von einer weißen Person, und dann wird auf der allerersten Seite mit rassistischer Gewalt und Slurs eröffnet. Das kann sich ignorant und fetischisierend anfühlen.

Es gibt hier keine Ja-Nein-Antworten zu: "Was ist erlaubt?"
Die sensible, allgemein informierte Umsetzung macht den Unterschied.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: DunkelSylphe am 11. Februar 2021, 02:37:15
Zitat von: Maja am 10. Februar 2021, 15:52:08
Ich habe im vergangenen Jahr mit der Agentin über zukünftige Projekte gesprochen, und dazu gehörte auch eine Idee für einen Neuaufguss einer sehr alten unfertigen Geschichte von mir, Klagende Flamme, was in einer geographisch an afrikanische Steppen erinnenden Fantasywelt spielt, in der die Menschen dunkelhäutig sind - also nicht echtes Afrika, auch nicht fiktives Afrika à la Wakanda, sondern ein komplett eigenes System, aber in einer entsprechnden Klimazone angesiedelt. Die Agentin war sehr angetan von der Idee, weil das Setting neu und unverbraucht ist - ich habe aber gebeten, falls wir da wirklich etwas draus machen, auf keinen Fall Jemisin oder andere Own Voice-Autoren als Vergleichstitel ranzuziehen, weil ich wirklich nicht mit denen konkurrieren will.

Agentin meinte, sie würde das für die an Verlage gerichteten Infomaterialien vermutlich trotzdem tun, weil sie sonst nichts mit ähnlichem Setting kennt und die Vergleichstitel eben wichtig sind, aber es wäre etwas anderes ist, wenn die Verlage selbst das als Marketing für Leser verwenden würden. Ich habe da mehr Bauchschmerzen, vermute ich, aber es sind ungelegte Eier, ich müsste das Buch überhaupt erst schreiben, und das kann bei mir diverse Jahre dauern - bis dahin haben wir vielleicht längst eigene Titel zum Vergleichen.

@Maja: Ohne jetzt deinen Roman zu kennen, aber bei diesen Infos sind auch meine Alarmglocken losgegangen. Ich denke, du liegst richtig mit deinem Bauchgefühl, dass das im Marketing nicht mit Jemisin u. ä. verglichen werden sollte.

"Zerrissene Erde" und viele andere Werke von Schwarzen Autorinnen, die da gerade eingeschlagen sind, gehören dem Afrofuturismus an. Beziehungsweise läuft das alles im deutschsprachigen Bereich unter Afrofuturismus, während im Englischen schon detaillierter zwischen Afrofuturism, African Futurism und African Jujuism unterschieden wird. Jedenfalls: Das ist ist dezidiert ein Own-Voices-Genre. Afrofuturismus ist afrozentrisch und/oder beschäftigt sich mit der Identität der Afrikanischen Diaspora, es ist als Gegenentwurf zu weißer SciFi gedacht, in der Schwarze Menschen und vor allem Schwarze Kultur jahrelang keinen Platz hatten.

Dann im Marketing anzugeben, dass man als weiße Autorin ein "ähnliches Werk" geschrieben habe ... Könnte nach hinten losgehen und gerade von Schwarzen Leser*innen als Affront aufgenommen werden. Wollte ich nur erwähnt haben.

Ich würde auch vielleicht hinterfragen: Warum glaubt die Agentin, dass der Vergleich mit Jemisin, auch für die Bewerbung bei den Verlagen, angebracht ist? Weil es um ein vornehmlich Schwarzes Cast und eine afrikanisch angehauchte Welt geht? Ich weiß nicht, das ist auf eine schrecklich oberflächliche Betrachtung reduziert: "Da geht es um Schwarze." Nein, bei Nemisin ist da doch ein bisschen mehr. Es gibt einen Unterschied zu Fantasy mit Schwarzen Figuren und Schwarzer Fantasy.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Maja am 11. Februar 2021, 12:56:23
@DunkelSylphe
Danke für deine Einschätzung wegen des Comparison Titles! Das will ich gerne, sollte das Buch mal etwas konkretes werden, genau so an meine Agentin weitergeben, wenn ich darf, denn es ist eben genau keine Schwarze Fantasy, ich will nicht mal den "Fantasy mit Schwarzen"-Asprkt groß in den Mittelpunkt rücken, es ist Fantasy. Und ich finde bestimmt einen Vergleichstitel, in dem jemand einen verkrachten Gott rehabilitiert, ohne mich da lächerlich zu machen in meiner Anmaßung, ein schwarzes Buch schreiben zu wollen. Dass ich finde, Fantasycharaktere können jede beliebige Hautfarbe haben, ist eine Sache, aber es sind fiktive Figuren in einer fiktiven Welt, die kein Recht hat, sich auf jemandens Kultur oder Erfahrungen zu berufen. Denkst du, ich sollte allein wegen des Settings trotzdem mit Sendotivity Readern arbeiten?

Zum anderen, was du geschrieben hast: danke, dass du das teilst. Ich hoffe, du bist nicht sauer, dass du zu einer Art Coming Out getrieben worden bist, das du von dir auch nicht gehabt hättest. Ich freue mich gerade, dass wir dich im Forum haben, aus dem ganz profanen Grund, dass ich völlig vergessen hatte, dass du Nora bist (ich kenne alle Realnamen, aber ich vergesse sie auch leicht wieder). Meine Hoffnung ist, dass der Tizi wirklich auch für andere der sichere Ort ist, der er für alle sein soll - wenn dir jetzt trotzdem jemand eklig kommen sollte, gib uns bitte Bescheid.

Ich denke auch nicht, dass sich alle Fantasysutoren of Colour damit schon im Vorstellungsthread erklären sollten - das hat zu viel von "Und woher kommst du richtig?". Aber ich freue mich aufrichtig, wenn jemand mir hilft, aus dieser "Fantasy in Deutschland ist weiß"-Bubble rauszukommen.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: DunkelSylphe am 11. Februar 2021, 14:00:26
Zitat von: Maja am 11. Februar 2021, 12:56:23
@DunkelSylphe
Ich hoffe, du bist nicht sauer, dass du zu einer Art Coming Out getrieben worden bist, das du von dir auch nicht gehabt hättest. Ich freue mich gerade, dass wir dich im Forum haben, aus dem ganz profanen Grund, dass ich völlig vergessen hatte, dass du Nora bist (ich kenne alle Realnamen, aber ich vergesse sie auch leicht wieder). Meine Hoffnung ist, dass der Tizi wirklich auch für andere der sichere Ort ist, der er für alle sein soll - wenn dir jetzt trotzdem jemand eklig kommen sollte, gib uns bitte Bescheid.

Alles gut, ich bin überhaupt nicht sauer. Es ist für mich seit einiger Zeit persönlich wichtig, sichtbar zu sein, und offenbar fühle ich mich hier ja sicher genug, etwas detaillierter darüber zu sprechen. Aber das ist gut zu wissen und ich behalte das gern im Hinterkopf  :vibes:

Und klar kannst du mich gerne bei deiner Agentin zititieren. Was Sensitivity Reading angeht: Selbst, wenn du keine realen Schwarzen Kulturen abbildest, würde ich dir empfehlen, dich mit der Darstellung von Schwarzen Figuren zu befassen und/oder da jemanden zu Rate zu ziehen. Denn auch, wenn die Figuren fiktiv ist, kannst du immer noch einen weißen Blick und unbewusst rassistische Stereotype produzieren, z. B. bei der Beschreibung von Haut, oder indem du in Tropes wie "Angry Black Woman" abrutschst. Zumal man die Figuren eindeutig sichtbar machen muss im Text, weil sich Leser*innen als Default-Charakter jemand Weißes vorstellen. Man muss also den Spagat schaffen, Schwarzsein zu zeigen, ohne dass es problematisch ist.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Maja am 11. Februar 2021, 14:29:24
Danke! Was mein Buchprojekt angeht: es kann nimmer schlimmer werden als die erste Fassung, die zwar nie fertig geworden ist, aber immerhin über 200 Seiten hatte. Da hatte ich - und ich hätte mich selbst nie für rassistisch gehalten - also diese schöne Welt mit ihrer Savanne und ihren braunen und schwarzen Menschen und den zerstrittenen Göttern Sonne und Mond, und was  brauchen die da unbedingt? Natürlich! Weiße Kolonialherren, deren Söhne das dann richten dürfen!

Echt, ich habe keine Worte, wie sehr ich mich heute für diese Geschichte schäme - ich war Ende 20, aufgeklärt, linksgrün, und dann schreibe ich so einen Scheiß zusammen? Ja, ich hatte auch zwei weibliche Hauptfiguren, die aus den heimischen Kulturen stammten. Als (*geht sich Sack übern Kopf ziehen*) Love Interest.  Nicht für drei Pfenning nachgedacht, wie falsch das war. Total stolz auf mich, dass ich ein pseufoafrikanisches Setting hatte mit echten braunen Leuten! Da hätt man mir neben dem Literatur- auch noch gleich den Friedensnobelpreis verleihen müssen!

Seit 2005 hatte ich nicht an dem Buch geschrieben, aber es war immer noch unter "ruht" abgelegt, damit ich es irgendwann mal weiterschreiben sollte. Und es war echt erst im letzten Jahr, als mir aufging - unter anderem durch den Austausch in einer Facebook-Autorengruppe, in der neben Amerikanern viele Autoren aus Nigeria und Kenia waren - was für ein Ei ich mir mit dem Buch gelegt hätte, wäre das so jemals auf den Markt gekommen.

Ich mag die Mythologie, die ich für die Welt geschrieben habe, immer noch. Ich mag die Kulturen der Einyakae, Aandrayakae und Nangeayakae, mit denen ich die Welt bevölkert habe. Aber ich muss bei Null anfangen. Ich schmeiße die Kolonialherren raus und meine Ex-Protagonisten (sorry, Jungs, vielleicht sieht man sich in einem mitteleuropäischen Setting wieder), und ich nehme die beiden Frauen, Lharkan und Telya, und gebe ihnen die Geschichte, fie von Anfang an ihre hätte sein sollen. Ich denke, wenn ich es richtig anstelle, und Fragen stelle, und zuhöre, kann da ein gutes Buch draus werden. Keine Black Fantasy. Aber gute Fantasy.

Im Moment sind das noch ungelegte Eier, aber wenn es wirklich akut wird, dass ich das schreibe, komme ich auf alles hier zurück.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: DunkelSylphe am 11. Februar 2021, 15:09:25
@Maja: Das klingt nach einem Plan!

Ich finde es super, dass du ehrlich zugeben kannst, du würdest deinen Text nicht mehr schreiben, weil du es nun besser weißt. Das ist viel Wert im Gegensatz zu anderen, die aus Überforderung dichtmachen.

Ich denke, die meisten von uns machen solche Erfahrungen. So, wie sich unsere Schreibtechnik entwickelt, entwickelt sich auch unser Verständnis, wie man schwierige Inhalte würdig rüberbringt. Ich bin im Nachhinein so froh, dass einige meiner frühen Manuskripte es nicht zur Veröffentlichung geschafft haben, weil viele unterbewusste Feindlichkeiten drinsteckten (wobei es auch bei den Galgenmärchen Dinge gab, die ich heute anders umsetzen würde). Obwohl ich selbst nicht weiß bin, habe ich Fantasy-Tropes reproduziert, bei denen ich im Nachhinein rassistische Anklänge sehe. Der Antagonist eines Herzensprojekts ist die Kinderschreckfigur "Schwarzer Mann", damit bin ich nicht mehr okay. Es gab da auch diese Phase, wo ich angefangen habe, mehr People of Color und Geschlechter in meinen Texten einzubauen, da wurde noch gar nicht so viel über Diversität geredet, ich hatte einfach ein ehrliches Interesse. Aber diese von außen betrachtenden, uninformierten Darstellungen, sehe ich nun, wären unglaublich offensive für viele Betroffene gewesen.

Ich bin froh, dass wir jetzt eine größere Diskussion in der Szene führen. Auch wenn es nicht immer leicht scheint, und glaubt mir, ich habe genauso Angst, Fehler zu machen, halte ich das für sehr wichtig und bin überzeugt, dass da langfristig wesentlich bessere Texte rauskommen werden, nicht nur, was Inklusion angeht.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: FeeamPC am 11. Februar 2021, 15:21:56
[ARY]  :wache!: CN: unangemessene Relativierung.

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Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: DunkelSylphe am 11. Februar 2021, 15:34:31
@FeeamPC: Glaubst du wirklich, ich wüsste das selbst nicht und hätte mich nicht mit dem Thema so weit auseinandergesetzt, dass ich zu entsprechenden Schlüssen gekommen bin? Nichts für ungut.

Für mich (und auch viele Schwarze Menschen) ist es trotz dieser Geschichte unangenehm, eine Angstfigur auf die Farbe "Schwarz" zu reduzieren. Die Verbindung Böses = Schwarz ist eine vielfach produzierte, die Auswirkungen hat auf echte Menschenleben, weil weiße Menschen sie missbrauchen als: "Die Angst vor Dunklem ist natürlich, also ist es okay, wenn Leute sich unbehaglich mit Dunkelhäutigen fühlen." (Nein, ist es nicht.) Das will ich nicht mehr so schreiben, zumal ich Gothic Ästhetik sehr gerne mag. Meine Herausforderung ist also, sollte ich das Manuskript angehen, den Antagonisten anders zu schreiben. Im Nachhinein denke ich mir, dass das eh interessanter ist, weil nur ein gesichtsloser Mann in einem schwarzen Kapuzenmantel ist superlangweilig. Man kann hier viel kreativer werden, was das Thema "Kinderangst" angeht.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Alana am 11. Februar 2021, 15:49:11
@DunkelSylphe Ich habe in letzter Zeit auch häufiger darüber nachgedacht, dass Dunkelheit, Finsternis etc. losgelöst von der Hautfarbe, sondern bezogen auf die Umwelt, also Nacht o.ä. Dinge sind, die Menschen jedweder Kultur Angst einflößen, zumindest würde ich das annehmen, man dieses Argument aber keinesfalls als Entschludigung für rassistische oder auch nur klischeehafte Darstellung nutzen sollte. Deswegen finde ich es sehr interessant, wie man in der Fantasy damit arbeiten könnte, ohne, wie du sagst, diese Dinge ungewollt in einen rassistischen Kontext zu setzen. Ich habe selbst in meinen Romanen schon versucht, der Dunkelheit auch eine andere Bedeutung zu geben und diesbezüglich Klischees aufzubrechen, wobei Hautfarbe sowieso keine Rolle gespielt hat, weil sich diese Dunkelheit nicht auf eine Person bezog, aber das waren bisher nur kleine Ansätze und man könnte sicher noch viele weiter gehen und tolle neue Wege finden.

Langer Rede kurzer Sinn: da du das selbst schon recherchiert hast, hättest du evtl. eine Leseempfehlung für das Thema? Also Blogs, Bücher o.ä. in denen genau dieser Aspekt thematisiert wird?
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: FeeamPC am 11. Februar 2021, 16:25:54
@DunkelSylphe : Du weißt es, ich weiß es, aber ich kenne erschreckend viele Leute, Autoren eingeschlossen, die es nicht wissen.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Maja am 11. Februar 2021, 16:44:53
@FeeamPC
Dennoch warst du diejenige, die angefangen hat zu relativieren, als @DunkelSylphe angesprochen hat, wie problematisch das "Schwarzer Mann"-Trope ist, statt einfach zu akzeptieren, dass sie damit recht hat.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: DunkelSylphe am 11. Februar 2021, 16:51:51
Danke @Maja.

@Alana: Ja, das erfasst es schon gut! Angst vor der Dunkelheit und der Nacht ist ein kulturübergreifendes, viele Menschen verbindendes Thema. Das in der Fantasy zu erörtern, ist total in Ordnung und das mache ich selbst. Es ist nur eben nicht okay, wenn diese Angst als Ausrede für rassistisches Verhalten genommen wird. Und es kann auch problematische Implikationen haben, wenn das Gute ausschließlich hell/weiß und das Böse ausschließlich dunkel/schwarz dargestellt wird.

Mal am Beispiel von Tolkien-Fantasy: Die Guten, gerade die Elfen, sind in vielen Darstellungen nun mal weißhäutig, hell gekleidet, licht und schön dargestellt. Auf der anderen Seite haben wir Orks mit dunklerer Haut, ihre "barbarische Kultur" und meist hässlichen Gesichter. Einzelne Figuren und Aspekte sind kein Problem, die Menge und Verteilung macht's. Ein häufiges Problem, dass ich in dieser Fantasy sehe (und worüber ich demnächst schreiben werde), ist, dass es einerseits kaum bis keine nichtweißen Menschen und guten Figuren gibt, Nichtweißsein aber trotzdem als Coding vorkommt, nämlich auf der Seite der Bösen. Orks haben eine rassistische Coding-Geschichte, beim klassischen Tolkien wird sich an feindlichen Stereotypen von Mongolen bedient, D&D hat das weiterentwickelt zu einem Schwarzen Coding. Zwerge und Goblins wurden immer wieder mal jüdisch und damit antisemitisch gecoded, mit ihrer Goldgier und Hakennasen. Das Bild des "wilden Barbaren" oder Schwarzmagie ausübenden "Schamanen" wird immer wieder mal bedient, und vieles mehr. Und das größte Problem ist natürlich der Völker-Essentialismus, die Idee: Elfen sind so, Zwerge sind so, Orks sind so etc. Das reproduziert die rassistische Idee, dass jemandes Charakter von der eigenen Biologie bestimmt wird. Wenn dann auch noch von "Rassen" statt "Völkern" geredet wird ... uff.

Persönlich denke ich, dass es überhaupt kein Problem ist, das, was wir an klassischer Fantasy mögen, mitzunehmen und gleichzeitig eine zeitgemäße Fantasy zu schreiben, die nicht so rückständig ist, was Ideen über Völker, multikulturelle Konflikte und den Rasse-Begriff angeht. Es würde schon sehr vieles ändern, wenn People of Color auf der Seite der Menschen und Vielfalt bei den jeweiligen Völkern abgebildet werden.

Weil du ja nach Links gefragt hast: Es gibt eine sehr gute Auseinandersetzung von James Mendez Hondes, selbst mixed, bezüglich der Darstellung von Orks als "Kriegerrasse" und was da alles geschichtlich schieflief. Vor allem interessant, weil er darüber spricht, wie schwer es deswegen für ihn war, sich in der D&D-Community wohlzufühlen. Multikulturelle Kinder sind dort nämlich oft nur als Negativ existent, z. B. bei Halborks, die meist Produkte sexueller Gewalt sind. Er hat das nichtweiße Coding bei Orks und Halborks erkannt, eine Verbindung bei ihnen gespürt und sich geweigert, sie als "böse" anzunehmen. Stattdessen hat er gezielt diese Charaktere gespielt, versucht, sie mit seiner eigenen Erfahrung zu füllen und für sich zurückzuerobern.

Den englischen Artikel gibt es hier, eine deutsche Übersetzung ist im Queer*Welten-Zine erschienen.
Teil 1: https://jamesmendezhodes.com/blog/2019/1/13/orcs-britons-and-the-martial-race-myth-part-i-a-species-built-for-racial-terror
Teil 2: https://jamesmendezhodes.com/blog/2019/6/30/orcs-britons-and-the-martial-race-myth-part-ii-theyre-not-human

Auch N. K. Jemisin hat über die Problematik von dem sogenannten Orcing geschrieben: "They are human bodies + bad magic – the essence of humanity, for whatever value that essence might hold: a soul, a mind, aestheticism, whatever. And therefore, in most fantasy settings in which I've seen orcs appear, they are fit only for one thing: to be mowed down, usually on sight and sans negotiation, by Our Heroes. Orcs are human beings who can be slaughtered without conscience or apology." - Den ganzen Artikel gibt es hier: https://nkjemisin.com/2013/02/from-the-mailbag-the-unbearable-baggage-of-orcing

Es gibt auch einen sehr guten Blog, "Writing with Color", wo BI_PoC Schreibtipps für nichtweiße Charaktere geben und erklären, welche Geschichte hinter welchen Tropes steckt: https://writingwithcolor.tumblr.com

Die Lektorin Victoria Linnea hat ein paar Beiträge von ihnen ins Deutsche übersetzt und für unseren Sprachraum kontextualisiert, da sind gerade die Hautfarben-Guides nützlich als erste Anlaufstelle: https://vickieunddaswort.de/hautfarben-guide-farbnamen

Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Alana am 11. Februar 2021, 16:57:23
@DunkelSylphe  :o Wow, danke für den genialen Beitrag, ich wollte dir jetzt gar nicht so viel Arbeit machen.  :versteck: Vielen lieben Dank, da werde ich mich mal durcharbeiten. Vielleicht wäre es auch keine schlechte Idee, diesen Beitrag oder zumindest die Links unter Linktipps einzeln noch mal zu posten, damit man ihn sofort sieht? Nur, wenn du das möchtest, natürlich.

Zitat
Und es kann auch problematische Implikationen haben, wenn das Gute ausschließlich hell/weiß und das Böse ausschließlich dunkel/schwarz dargestellt wird.

Ja, das war der Punkt, den ich meinte, und irgendwie nicht richtig in meine Frage gebracht habe.  ::) Da werde ich mich mal einlesen, danke dir.

Für alle Interessierten: In diesem Thread hatten wir bereits einmal eine ähnliche Diskussion geführt:

Hütet euch vor Orks oder war Tolkien ein Rassist (https://forum.tintenzirkel.de/index.php?topic=24447.msg1167902#msg1167902)
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Maja am 11. Februar 2021, 19:21:46
Danke fürs Raussuchen des Threads, Alana!

Da bei diesem Thema hier der Schwerpunkt auf der konkreten Situation von Own Voice-Autoren auf dem Buchmarkt geht, würde ich gerne für die "Schwarz = Böse"-Diskussion auf den bestehenden Thread verweisen und für die Frage, wie wir selbst inklusiv arbeiten können, auf das Workshop-Board. Vielleicht hat jemand, der schon mal mit Sensitivity Readern gearbeitet hat oder selbst eine*r ist, ein Thema dazu aufmachen? Ich denke, das ist ebenso aktuell wie wichtig, und unter "Buchmarkt" wird vermutlich weniger danach gesucht als im Workshop, wo es um das eigentliche Arbeiten geht.

Danke!
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Mondfräulein am 11. Februar 2021, 22:04:23
Ich habe heute auch nochmal über einen anderen Aspekt nachgedacht, den ich in diesem Kontext wichtig finde. Auch wieder zum Beispiel Alicia Zett. Ich will nochmal betonen, dass es mir nicht darum geht, sie als Person zu kritisieren, sondern dass ich einfach finde, dass man an diesem Fall exemplarisch viele Dinge beobachten kann, die hier insgesamt schieflaufen. Der Fehler liegt nicht nur bei ihr selbst. Man merkt, dass sie trotz allem, was hier schiefgelaufen ist, die besten Absichten hatte.

Alicia Zett hat heute mit Antonia C. Wesseling in einem Livestream auf der Hugendubel-Instagramseite über ihr Buch gesprochen. Da wurde sehr lange von zwei cis Menschen über trans Themen gesprochen und insgesamt fand ich das einfach unglücklich. Nicht, weil die beiden generell darüber sprechen, denn man merkt, dass sie sich bilden wollen und die besten Intentionen haben. Sondern weil Alicia Zett ein Buch zum Thema veröffentlicht hat und weil damit eben auch einhergeht, dass sie die Plattform bekommt, um über dieses Thema zu sprechen. Ein Livestream auf einem Account mit 100.000 Abonnenten ist eine Plattform, die sie nur bekommt, weil sie das Buch geschrieben und veröffentlicht hat, obwohl ich finde, dass an dieser Stelle eine trans Person über das Thema hätte reden sollen.

Wenn ich über eine Gruppe schreibe, der ich nicht angehöre, und die Zugehörigkeit zu dieser Gruppe ein fundamentales Thema meines Romans und ein fundamentaler Teil seiner Prämisse ist, dann bin ich in gewisser Weise auch Sprachroh für diese Gruppe. Natürlich fragen mich Menschen dann auch in Interviews oder Livestreams danach. Aber bin ich dann wirklich die richtige Person, um über diese Gruppe zu sprechen? Selbst wenn ich klar mache, dass ich nicht für diese Gruppe spreche und versuche, ein guter Ally zu sein, ich begebe mich da in eine Situation, in die ich nicht gehöre.

Wie hier schon von vielen gesagt wurde geht es nicht darum, nicht mehr divers zu schreiben, sondern genau darüber nachzudenken, ob ich die Geschichten erzählen sollte, die ich erzähle. Dazu gehört denke ich auch, darüber nachzudenken, ob mich das Buch in der öffentlichen Wahrnehmung zu einem Sprachrohr für eine Gruppe macht, der ich nicht angehöre. Natürlich ist es dann auch eine Frage, wie ich damit umgehe, ob ich meine Position auch nutzen kann, um denen Gehör zu verschaffen, die es verdient haben, aber der Livestream heute hat mich nachdenklich gemacht und ich wollte dieses Thema hier gerne auch nochmal ansprechen.

(@DunkelSylphe Schön hier von dir zu lesen! Deine Tweets und Gedanken zu diesem Thema fand ich schon auf Twitter wirklich lesenswert. :vibes:)
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Elona am 12. Februar 2021, 07:06:32
Vielen lieben Dank für eure offenen und ehrlichen Ausführungen. Ich fände es auch toll, wenn es noch weitere Beiträge zu diesem Themengebiet geben würde.

@Mondfräulein Da bin ich ganz bei dir. Was man aber grundsätzlich eben hätte machen können, dass dann z.B. eine Person mit entsprechenden Hintergrund dabei gewesen wäre. Wenn man seinen Account und sein Buch eben genau dafür verwendet hätte. Wobei ich auch denke, dass gerade das in diesem Fall aufgrund der Umstände schwierig geworden ist.

[Ergänzend wollte ich auch noch mal sagen, dass ich bei meinen vorherigen Kommentaren immer davon ausgegangen bin, dass man als Autor*in in irgendeiner Form involviert ist, weil man anderenfalls ein solches Themengebiet nicht aufgreifen würde.]
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Franziska am 13. Februar 2021, 10:54:48
So wie ich das mitbekommen habe gab es den Shitstorm zu Alicia Zett ja nur, weil sie sich selbst über die kritische Rezension beschwert hat und der Blogger dann von ihren Fans angegangen wurde. Das geht für mich gar nicht. Ob die Kritik am Buch berechtigt ist oder nicht.

@Krähe Was du zum Thema chinesische Fantasy schreibst beschäftigt mich schon länger. In letzter Zeit konsumiere ich fast nur asiatiache Fantasy. Chinesische Serien, koreanische Serien, Anime, Webcomics... Chinesische Fantasy unterscheidet sich stark von westlicher. Ich finde da viele Aspekte interessant und würde sie gerne für eigene Ideen übernehmen. Aber frage mich dann ob ich das machen sollte. Was ich nicht machen würde ist wohl zu sagen, hier chinesische Fantasy, Wuxia. Und mich genau an die Genre halten. Sagen es spielt in China. Ich würde eher eine eigene Welt erschaffen. Eigene Wörter erfinden. Aber ich weiß nicht, ob das reicht.
Wenn man als deutscher Autor nur in westlicher Tradition stehende Fantasy schreiben sollte finde ich das auch schwierig. Andererseits wie einige schon schrieben ist halt die Frage immer: Bin ich die richtige Person um diese Geschichte zu erzählen.

@DunkelSylphe vielen Dank für deinen Einblick und die Links.

Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Trippelschritt am 13. Februar 2021, 12:07:15
Zitat von: Mondfräulein am 11. Februar 2021, 22:04:23

Wenn ich über eine Gruppe schreibe, der ich nicht angehöre, und die Zugehörigkeit zu dieser Gruppe ein fundamentales Thema meines Romans und ein fundamentaler Teil seiner Prämisse ist, dann bin ich in gewisser Weise auch Sprachroh für diese Gruppe. Natürlich fragen mich Menschen dann auch in Interviews oder Livestreams danach. Aber bin ich dann wirklich die richtige Person, um über diese Gruppe zu sprechen? Selbst wenn ich klar mache, dass ich nicht für diese Gruppe spreche und versuche, ein guter Ally zu sein, ich begebe mich da in eine Situation, in die ich nicht gehöre.

(@DunkelSylphe Schön hier von dir zu lesen! Deine Tweets und Gedanken zu diesem Thema fand ich schon auf Twitter wirklich lesenswert. :vibes:)


[ARY]  :wache!: CN: unangebrachter Vergleich mit Romanen aus dem Mafia/Rockermilieu, unangemessene Benutzung des Begriffs "Befindlichkeiten".

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Liebe Grüße
Trippelschritt
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Mondfräulein am 13. Februar 2021, 12:37:45
So wie ich es formuliert habe steht da aber nur "Du solltest dir diese Fragen ernsthaft stellen" und nicht "Das solltest du niemals machen". Eben um Situationen wie den erwähnten Livestream zu vermeiden. Rockstars sind ja auch keine von Diskriminierung betroffene Minderheit. Es geht nicht darum, nicht über Gruppen zu schreiben, denen ich nicht angehöre, sondern genau zu überlegen, über welche Gruppen ich schreibe und ob ich dafür die richtige Person bin. Vielleicht kann ich für ein Buch über einen Rockstar die richtige Person sein, nicht aber für ein Buch über trans Menschen. Das kann man überhaupt nicht vergleichen. Trans Menschen müssen überall darum kämpfen gehört zu werden. Rockstars haben schon eine große Plattform.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Trippelschritt am 13. Februar 2021, 13:16:30
Dem kann ich sofort zustimmen  :vibes:

LG Trippelschritt
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Maja am 13. Februar 2021, 16:16:03
Ich versuche, einen Beitrag zu rekonstruieren, den heute Mittag meine abschmierende Browser-App gefressen hat. Sollte mir eine Lehre sein, längere Texte nur am Rechner zu verfassen.


Wenn ihr einer unterrepräsentierten Minderheit eine Platform bieten wollt, ihre Sichtbarkeit erhöhen und sie zu einer Hauptfigur euches Buches macht, um ihr eine Stimme zu geben - dann ist das erst einmal eure eigene Stimme, die da durch die Figur sprecht. Ihr macht euch damit also zum Sprachrohr einer Gruppe, der ihr selbst gar nicht angehört. Das heißt nicht, dass ihr es lassen sollt. Aber es ist dann nötig, mit Betroffenen zu reden, bevor das Buch draußen ist. »Hey, kann ich mal was an dir vorbeitragen - ich würde euch gern zu mehr Sichtbarkeit verhelfen und habe da das-und-das im Sinn. Kannst du mir helfen, die Thematik so aufzubereiten, dass du dich davon repräsentiert fühlst?«

Wenn man über eine Gruppe schreibt, zu der man selbst schon eine Menge Kontakt hatte - zum Beispiel gehe ich davon aus, dass jeder nicht-queere Mensch queere Menschen im Bekanntenkreis hat - dann kann man auf Basis dieser Kontakte, der Erfahrungen, die man selbst miterlebt hat, und dem eigenen Einfühlungsvermögen seine Geschichte schreiben und sie dann im Idealfall von Sensitivity Readern abklopfen lassen, ob die Feinheiten stimmen oder man sogar grobe Patzer eingebaut hat. Es gibt aber genug Fälle, da reicht das nicht aus.

Wenn ihr über eine Gruppe schreibt, die bis dahin wenig Berührungspunkte mit eurer persönlichen Lebenswelt hatte, die es wirklich gibt und die durch eine falsche Darstellung verletzt werden kann (anders als, zb, Elfen - ich bin kein Elf und kenne auch keine, aber ich kann sie so schreiben, wie ich will), dann sollte man nicht drauflosschreiben und denken, dass es reicht, hinterher einmal drüberzulesen. Redet *vorher* mit den Leuten. Tragt eure Idee an ihnen vorbei, holt ihr Input, bevor ihr euch nur einen Satz geschrieben habt, passt euer Konzept entsprechend an, und wenn ihr Glück habt und die andere Person Lust dazu habt, lasst sie euch durch den Schreibprozess begleiten.

Ein Beispiel: Ich habe kein Problem damit, Bücher über queere Leute zu schreiben, auch wenn die auf eine andere Weise queer sind als ich. Ich kann Leute mit psychischen Erkrankungen darstellen, selbst wenn sie nicht die gleiche Krankeheit haben wie ich - ich recherchiere, ich hole mir beim Überarbeiten Hilfe, aber ich kann davon ausgehen, dass ich alle wichtigen Eckpunkte richtig auf die Reihe bekomme. Aber ich habe seit einigen Jahren den Plan für ein phantastisches Jugendbuch, Arbeitstitel "Seelenlos", dessen Hauptfigur von Geburt an Querschnittsgelähmt ist. Und auch wenn ich sehr interessiert Blogs über den Alltag von Rollstuhlfahrern lese, möchte ich mir nicht anmaßen, alle Aspekte vom Leben mit so einer Behinderung zu kennen.

Wenn ich dieses Projekt einmal wirklich in Angriff nehme, hole ich mir die Hilfe vorher, in der Planungsphase, um erstmal zu sehen, ob die Geschichte überhaupt vom Grundkonzept her funktionieren kann. Eine ehemaligere Tintenzirklerin hat ein Jugendbuch geschrieben, dessen Hauptfigur im Rollstuhl sitzt - wenn ich da sehe, dass der Klappentext beginnt mit "Der 13-jährige Nico ist durch einen Unfall an den Rollstuhl gefesselt", weiß ich auf den ersten Blick, dass bei dem Buch kein Rollstuhlfahrer auch nur gefragt worden ist, weder vorher, noch während, noch danach, und dass da eine Mitleidsschiene gefahren wird, die ich um jeden Preis vermeiden möchte.

Das Internet hat die Welt zu einem Dorf gemacht, wo buchstäblich jeder mit jedem reden kann. Tut das dann auch.



NACHTRAG
Zu dem völlig misratenen Kolonialistenroman, den ich da fabriziert habe, habe ich jetzt einen Blogartikel (https://www.ilisch.de/blog/2021/02/der-romanfriedhof-klagende-flamme.php) verfasst. Ich denke, es ist wichtig, dass wir auch offen über solche Fehler reflektieren, weil jede*r von uns die eigenen Denkmuster mal kritisch unter die Lupe nehmen sollte, egal für wie aufgeklärt und vorurteilsfrei wir uns auch halten mögen.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Kraehe am 14. Februar 2021, 12:24:18
Ich muss ganz ehrlich sagen, ich habe jetzt ein paar Tage gebraucht, um das ein bisschen sacken zu lassen und mir zu überlegen, ob ich hier nochmal antworten möchte, oder was. Ein paar sehr wertvolle Sachen sind inzwischen hier im Thread gesagt worden, nicht zuletzt durch @DunkelSylphe, deren Beiträge dazu wirklich sehr konstruktiv sind. :jau:

Zitat von: Maja am 10. Februar 2021, 21:14:05Ich habe mich sicher falsch ausgedrückt, als ich sinngemäß meinte, im Tintenzirkel ist niemand, also gibt es auch niemanden.
Das hast du. Und es hat mich zum Beispiel wirklich betroffen gemacht. Gerade wegen der Pauschalität dieser Aussage. Und weil es leider nicht nur eine Formulierung ist, sondern das deine Meinung widergespiegelt hat - eine Meinung, die ich von dir nicht erwartet habe. Ich weiß, dass du dir die Frage schon lange stellst. Wir haben da schon drüber gesprochen, vermutlich war das mit eins unserer ersten Gespräche überhaupt. Aber dass das die Antwort ist, zu der du zwischenzeitlich gekommen warst, das hat mich echt sehr überrumpelt.
Und auch hier, wenn jetzt auch nur in der überspitzten Kurzzusammenfassung und vielleicht ein bisschen kleinlich: "Niemand" spricht mir und mindestens fünf anderen BIPoC-Mitgliedern immer noch die Existenz ab. Das ist nicht besonders erbaulich, zumal sich von diesen sechs Mitgliedern sowieso kaum jemals eins in Threads wie diesem zu Wort meldet, sondern sie lieber unbeteiligt bleiben.

Zitat von: DunkelSylphe am 11. Februar 2021, 02:11:24Mich wundert es ehrlich gesagt nicht, dass sich Nichtweiße dann nicht zeigen, weil niemand möchte dem regelmäßig ausgesetzt sein und dann auch noch die Rolle des Erklärbären aufgedrückt bekommen. Been there, done tat.
Das ist sicher auch ein Punkt dahinter. Aber da hört es für mich nicht auf. Nicht nur das Nichtzeigen ist ein Punkt, sondern auch das in offener Sichtlinie verstecken und versteckt werden funktioniert ja oft ganz gut. Zumindest als PoC mit middle eastern Anteilen. Das geht ganz einfach, indem man für alle zum Token für die eigene Vorurteilsfreiheit und zur generellen Ausnahme wird. Zum gut integrierten Exempel dafür, dass es ja auch anders geht. Indem man dann einfach abgesprochen bekommt "anders" zu sein, zumindest solange es bequem und der Sache dienlich ist, die gerade jemand zu beweisen versucht. Dann wird man halt mal ausgeklammert und bekommt im Zweifelsfall die eigene Existenz oder das eigene Erleben abgesprochen oder ausgeklammert. Das passiert oft genug.

DunkelSylphe hat es in Bezug auf Schwarzsein gesagt:
Zitat von: DunkelSylphe am 11. Februar 2021, 02:11:24Oder ihnen wurde ihr Schwarzsein abgesprochen, indem gesagt wurde: "Für mich sind Sie gar kein N*****, die sind dunkler."
Ich möchte da gar keinen direkten Vergleich anstellen, ich bin nicht schwarz, aber ich möchte gerne meine Perspektive ergänzen. Denn auch so entstehen Wahrnehmungsverzerrungen.

Ich mag das nicht. Mich gibt es, und zwar in allen Bereichen und Facetten meiner Existenz.

Ich habe den Beitrag leider nicht mehr finden können, aber im Juni hat beispielsweise ein Zirkelmitglied auf einen meiner Posts sinngemäß mit "Ich hätte nie auch nur gedacht, dass Iraner sich in Deutschland als nicht weiß empfinden könnten, mit deinem Beharren auf deiner eigenen Erlebensrealität verunsicherst du mich jetzt zutiefst" geantwortet.

Das greift in meinem beruflichen Alltag abseits des Zirkels auch. Täglich. Ärztin ist keine Funktion, die unmittelbar für mich vorgesehen ist. Zumindest nicht in den Köpfen der Allgemeinheit.
"Echte" ausländische Belegärzt*innen, die man aus dem Ausland anwirbt, damit sie ihren ach so furchtbaren Ländern entkommen und bei uns Lücken in der Personalplanung füllen können, die gibt es, klar, und die haben auch alles andere als einen einfachen Stand. Aber mich, die sich (allen so offensichtlichen Zeichen zum Trotz!) als Deutsche bezeichnet, und dann auch noch an einem großen Zentrum ausgerechnet als Privatärztin im Allerheiligsten eingesetzt wird? Auch nicht vorgesehen. Also machen wir mich schnell zum integrerten Teil des Teams, zur erfreulichen Ausnahme und sagen auf täglicher Basis Dinge wie "Nimm es jetzt nicht übel, was ich gleich sage - du weißt, das bezieht sich nicht auf dich, bei dir ist das immerhin was gaaaaanz anderes - aber [rassistische Äußerung]."

In der Klinik höre ich oft genug "Ich hätte nie gedacht, dass das für dich überhaupt ein Problem ist!"
Was nämlich auch niemand in meinem etablierten, beruflichen Umfeld mitbekommt, wenn ich es nicht aktiv allen erzähle: wie Leute, für die ich eben nicht inzwischen zum (irgendwie fast weißen) Inventar gehöre, auf mich oder andere wie mich reagieren. Beispielsweise:

Patient fragt, ob man ihm einen Sprachkurs empfehlen kann, denn das eigene Deutsch sei ja so gut geworden. Denn in seiner Welt kann ich von Aussehen und Namen her ja gar nicht deutsch sein.

Man ruft einen Patient an, bekommt die Frau ans Telefon, und die brüllt erst
mal "Diiiiiieeeeeter (Beispielname), da ist eine Ausländerin für dich am Telefon! Keine Ahnung, was die will!" Denn in ihrer Welt ruft eben nicht die Ärztin an, weil eine Ärztin sich mit einem anderen Namen gemeldet hätte.

Ich komme ins Zimmer, Patient schaut gar nicht vom Handy auf, deutet auf sein Essenstablett und sagt "Das können Sie schonmal abtragen, ich bin fertig." Denn in seiner Welt ist jemand wie ich eben maximal als Reinigungskraft existent.

Das sind Fallen, in die tappen wir quasi alle aufgrund unserer Sozialisierung. Ich ertappe mich ja selbst oft genug dabei, denn das sind Denkmuster, von denen ist man eben nicht frei. Aber deswegen ist es m.E. auch beim Schreiben wichtig, zwischen Own Voice und diverser Repräsentation zu unterscheiden, und wie es hier schon oft genug gesagt wurde, kritisch zu hinterfragen, für welche Geschichten aus welcher Perspektive und mit welchen Schwerpunkten man wirklich als Autor*in qualifiziert ist, oder wie man auch bei diverser Repräsentation dazu beitragen kann, die Authentizität zu steigern.

Leser*innen und Menschen allgemein nehmen Repräsentation nämlich wahr. Angehörige der repräsentierten Communities genauso wie "fachfremde" Wahrnehmer. Es beeinflusst Selbst- und Fremdwahrnehmung. Umso wichtiger ist es eben, dass das gut gemacht und nicht nur gut gemeint wird. Da liegt eine echte Verantwortung drin. Erst recht, solange eine große Diversität nicht für alle und in allen Bereichen der Standard ist, und ein bisschen Repräsentation gleich als der Durchbruch gefeiert wird.
Ich war nicht umsonst während der großen Flüchtlingswellen vor ein paar Jahren auf einmal für alle Syrerin oder Afghanin, genauso wenig wie gerade nach Biontech auf einmal alle denken, ich sei Türkin.


Zitat von: DunkelSylphe am 11. Februar 2021, 02:11:24Oder ich habe gelesen, "dass die Rassismus-Debatte etwas einseitig geführt wird, es gibt auch gesunden Rassismus, der gut & natürlich ist".
Nennt mich kleinlich, wenn ich diesen älteren Beitrag wieder ausgrabe, aber das haben wir genau hier vor unserer Nase auch schon gehabt:

Zitat von: Trippelschritt am 17. Juni 2020, 12:15:51
Noch ein ganz anderer Punkt. Rassismus
Sehe ich viel differenzierter als die meisten Duskutanten hier und übehaupt nicht so negativ. Aus meiner Zeit in China, als da Langnasen noch weitgehend unbekannt waren - Langnasen, was für herabwürdigender Begriff, aber ist doch egal, wie die Kurznasen das sehen (ACHTUNG Ironie) - kann ich sehr viele, sehr lustige Geschichten erzählen. Ich bin überall auf Rassismus gestoßen damals um 1980, weil ich so völlig anders aussah. Und selbstverständlich war jede Menge Herablassung des Barbaren dabei. Aber ich habe mit den Schuh nicht angezogen und deshalb auch sehr nette Leute kennengelernt.

Dieser Beitrag wurde abgemahnt und ihm wurde zum Glück von vielen Seiten widersprochen. Er ist ehrlich gesagt trotzdem eins der Statements aus 2020, das für mich auch nach wie vor einen echten Tiefpunkt darstellt und mir schwer im Magen liegt, egal, wie viel Abstand jetzt dazwischen liegt.

Auch, und erst recht, vor dem Hintergrund von Aussagen wie diesen:
Zitat von: Maja am 11. Februar 2021, 12:56:23Meine Hoffnung ist, dass der Tizi wirklich auch für andere der sichere Ort ist, der er für alle sein soll - wenn dir jetzt trotzdem jemand eklig kommen sollte, gib uns bitte Bescheid.

Ich weiß, dass du das genau so meinst, Maja, und ich schätze die Intention sehr. Aber Fakt ist auch, dass nach vorangegangenen Statements wie dem obigen oder diesem (im selben Beitrag getätigten):
Zitat von: Trippelschritt am 17. Juni 2020, 12:15:51Andererseits halte ich einen großen Teil der Überempfindlichkeit für gespielt und Heuchelei. Vor allen in den Fällen, wo jemand versucht, genau damit einen Vorteil zu ergattern.
auch ein Dreivierteljahr später noch immer Statements wie:
Zitat von: Trippelschritt am 13. Februar 2021, 12:07:15Es gibt einige sehr fundiert recherchierte Geschichten über die italienische Mafia, von autoren, die nicht der Mafia angehörten.
Ähnliches gilt für Bücher aus dem Rockermilieu.

Ich gebe aber gern zu, dass es Gruppen gibt, deren Befindlichkeiten nur sehr schwer zu recherchieren sind und dass man dort vorsichtig sein muss.
getätigt werden, und zwar ohne vehementen, breiten Widerspruch und kritische Hinterfragung durch unsere User*innen. Das macht mich wirklich müde.

Wir sind jetzt definitiv ab vom Thema gekommen, das tut mir leid. Diesen Punkt klar herauszukehren hat mich trotzdem die letzten Tage beschäftigt und deshalb wollte ich das nochmal aufgreifen.
Der Zirkel betreibt weder Gatekeeping noch großfächig und aktiv rassistische Diskriminierung. Aber so divers wir in manchen Bereichen sind, so homogen ist der Zirkel in anderen, und in Diskussionen wie hier schlägt sich das nieder. Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass es viele BIPoC Autor*innen gibt, womöglich auch mehr unter den Zirkeluser*innen, als wir wissen. Aber ich verstehe auch jede*n, der/die das weniger öffentlich und kontinuierlich angehen möchte. Ich frage mich selber öfter mal, warum ich mir die Zeit und die Mühe nicht lieber spare, wenn sich am Ende doch so wenig bewegt. Wir sind hier als Gruppe ohnehin klein, BIPoC-Repräsentation kommt zwar immer mehr - und das finde ich begrüßenswert! - in Threads wie diesem, dem Rowlingthread wie im Sommer und anderen auf, startet jedes mal aber eigentlich nur aus "allgemeinen" Diversitätsthemen gemischt mit Queerness, Disability und Neurodiversität heraus, und ist auch sonst in keinem Forenbereich einfach als designierter Bereich vorhanden. Das ist jetzt lediglich eine Feststellung, aber ich denke auch darüber nach, wie wir das ändern könnten, oder woran es eigentlich hakt. Insbesondere im letzten Jahr sehr viel.

Zitat von: Maja am 13. Februar 2021, 16:16:03NACHTRAG
Zu dem völlig misratenen Kolonialistenroman, den ich da fabriziert habe, habe ich jetzt einen Blogartikel (https://www.ilisch.de/blog/2021/02/der-romanfriedhof-klagende-flamme.php) verfasst. Ich denke, es ist wichtig, dass wir auch offen über solche Fehler reflektieren, weil jede*r von uns die eigenen Denkmuster mal kritisch unter die Lupe nehmen sollte, egal für wie aufgeklärt und vorurteilsfrei wir uns auch halten mögen.
Den habe ich gestern Morgen auch schon gelesen, und finde deine kritische Herangehensweise an dein ehemaliges Projekt, wie du es hier im Thread ja schon getan hast, gut. Abrunden würdest du es für mich nur noch mit einem nächsten Blogbeitrag darüber, wie man es dann eigentlich gegenwärtig und zukünftig noch besser machen kann. :innocent:
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Wildfee am 14. Februar 2021, 13:15:47
Es greift ein wenig am Thema vorbei, aber ich bin grade in der letzten Zeit vermehrt auf die Auswirkungen in den Köpfen der Leser gestoßen, wenn Autor*innen über Jahrzehnte hinweg BiPocs in ihren Romanen keinen Raum gegeben haben.

Ich bin Mitbegründerin eines Liebesromanforums und ich muss ehrlich zugeben, dass ich mich mittlerweile dafür schäme. Eben aus dem Grund, weil ein großer Teil der aktiven Mitglieder die "Standarts" von historischen Liebesromanen so sehr verinnerlicht hat, dass sie andere Szenarien schon nahezu reflexhaft ablehnen.
Konkret geht es um die Verfilmung einer Liebesromanreihe, die vor 20 Jahren geschrieben wurde, die "Bridgerton" Reihe von Julia Quinn. Wie in historischen Liros üblich (wenige Ausnahmen gab und gibt es) sind BiPocs in diesen Romanen nicht existent und wenn, dann nur in Nebenrollen als Bedienstete. In den Köpfen der Leserinnen (ich gendere nicht, weil sich nur Userinnen geäußert haben) hat sich also festgesetzt, dass die Figuren weiß zu sein haben.
Dass diese Bücher grundsätzlich herzlich wenig mit der historischen Lebensrealität, wie wir sie zu kennen glauben, zu tun haben, ist geschenkt, DAS ist seltsamerweise den Leserinnen klar. Es ist klar, dass die Bücher Fiction sind, dass es erfundene Geschichten sind, locker leicht mit Happy End.
Und dennoch kam der Aufschrei, als bei der Verfilmung besagter Reihe die Darsteller zu einem großen Teil BiPocs sind.
DAS ginge gar nicht, es gab keine adeligen BiPocs, das wäre historisch nicht korrekt, das stellt die Geschichte auf den Kopf und ähnliche Argumente mehr. Mit der Begründung, das würde dem Geschichtsbild, das die historischen Romane vermitteln, nicht entsprechen und deswegen sei es abzulehnen.

Ich kann mich selbst nicht davon freisprechen, unangemessene Begriffe in meinen alten Postings (in besagten Forum) verwendet zu haben. Aber ich bin jetzt verdammt nochmal in der Lage, das zu ändern, meine Sprache zu reflektieren und mir bewußt zu machen, was ich mit Sprache anrichten kann.

Ich bin erschüttert, wie sehr fiktionale Romane das Geschichtsbild formen können und am allermeisten erschüttert es mich, das so viele dieser Leserinnen (und davon ab auch Freundinnen) diesen Rassismus so sehr angenommen haben und vor allem nicht in der Lage sind, zu erkennen, dass sie rassistisch denken.

Wir als Autor*innen haben in meinen Augen die Pflicht, nicht wegzusehen und unsere Ausdrucksweise kritisch zu hinterfragen, das sind wir uns und allen Leser*innen schuldig.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Maja am 14. Februar 2021, 14:09:50
@Krähe
Danke, dass du dich nochmal hier zurückgemeldet hast.

Ich möchte um Entschuldigung bitten, weil meine Aussagen absolut daneben waren. Manchmal sind Leute blöd, oder verbohrt, oder unfähig, Zusammenhänge zu erkennen und die richtigen Schlüsse zu ziehen, und in diesem Fall trifft das voll auf mich zu.

Ich werde auf meinen Blogbeitrag später nochmal zurückkommen, aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt bin ich nicht die Person, anderen zu sagen, wie man es richtig macht - ich bin da, wo ich meine Fehler sehe und die offen anspreche in der Hoffnung,  dass es dann einen offenen Dialog dazu gibt, aber das heißt nicht, dass ich dann auch gleich die Patentlösung im Angebot habe.

Für das betreffende Buch habe ich schon im Blogbeitrag selbst die Lösungsansätze angesprochen: raus mit den Kolonialisten, weg mit den weißen Zwillingen, und dann die Welt als eigenständiges, vollwertiges Setting behandelt, das völlig ohne Weiße auskommt. Aber das löst nicht das strukturelle Problem, und ich bin gerade die letzte Person, anderen zu sagen, wie es gemacht wird. Ich bin da, wo ich zuhöre, und das tue ich.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Kraehe am 14. Februar 2021, 21:06:17
@Maja: Danke.  :)

Und weil ich nun schonmal (schon wieder) hier bin,  und bevor ich mich wieder ausklinke, eins noch ausführlicher als in meinem letzten Post,nämlich:

Warum Aussagen wie diese problematisch sind und ich mir wünsche, dass ihnen dann auch entsprechend widersprochen wird:
Zitat von: Trippelschritt am 13. Februar 2021, 12:07:15
Es gibt einige sehr fundiert recherchierte Geschichten über die italienische Mafia, von autoren, die nicht der Mafia angehörten.
Ähnliches gilt für Bücher aus dem Rockermilieu.

Ich gebe aber gern zu, dass es Gruppen gibt, deren Befindlichkeiten nur sehr schwer zu recherchieren sind und dass man dort vorsichtig sein muss.
Mehr möchte ich nicht dazu sagen.
1. Was soll das für ein Vergleich sein? Als ich das letzte Mal nachgesehen habe, war es - im Gegensatz zu Kriminalität, Körperverletzung und co. - zum Glück weder illegal noch eine freie Entscheidung, PoC zu sein auf andere Weise einer diskriminierten Minderheit anzugehören.
2. Diskutieren wir hier nicht über Befindlichkeiten verwöhnter Nervensägen, sondern über eine angemessene Art der Repräsentation der täglichen, oft anstrengenden bis hin zu gefährlichen Lebensrealitäten von echten Menschen, die sich das so nicht ausgesucht haben.

Wer die Forderung nach Partizipation und Augenhöhe lediglich als Laune sieht und dann nur deshalb "vorsichtig" agieren möchte, um nicht offen dafür geoutcalled zu werden, sollte es wirklich lieber lassen.
Wir können das besser.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Alia am 14. Februar 2021, 21:38:39
Zitat von: Krähe am 14. Februar 2021, 21:06:17
Als ich das letzte Mal nachgesehen habe, war es - im Gegensatz zu Kriminalität, Körperverletzung und co. - zum Glück weder illegal noch eine freie Entscheidung, PoC zu sein auf andere Weise einer diskriminierten Minderheit anzugehören.

[ARY]  :wache!: CN: unangemessener Vergleich mit Gangs/Mafia
Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Mondfräulein am 14. Februar 2021, 21:46:09
@Alia was du implizierst lese ich an keiner Stelle aus Krähes Post heraus. Mir ist wirklich schleierhaft, wie du darauf kommst. Und auch ich finde es unangemessen, PoC mit der Mafia zu vergleichen. Nicht zuletzt weil PoC in Deutschland immer wieder die Zugehörigkeit zu kriminellen Vereinigungen, Clans oder Kriminalität im Allgemeinen unterstellt wird. Insbesondere wenn es um Menschen aus dem arabischen Raum oder Sinti und Roma geht.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: DunkelSylphe am 15. Februar 2021, 00:39:21
@Alana: Ich rede ja persönlich gern über das Thema, sofern die Ressourcen da, die Leute nett und vor allem bereit sind, zu lernen.  :vibes:

Nachdem @Maja zu Recht darauf hingewiesen hat, dass wir nicht zu sehr abschweifen sollten, kann ich die Links gerne in einen separaten Thread packen. Vielleicht können wir dort generell Tipps zum Schreiben von nichtweißen Figuren sammeln, das wird ja sicherlich einige beschäftigen.



@Krähe: Uff, ich habe hier auch erst nach einer Weile wieder reingeschaut. Mir ging das jetzt nicht so nahe wie dir, aber das liegt wohl nur daran, dass ich hier nicht so aktiv bin und mit blöden Reaktionen gerechnet habe. Danke, dass du schonungslos ehrlich bist und deine eigene Perspektive schilderst. Ohne noch mal zu viel abzuschweifen, möchte ich hierauf eingehen:

Zitat von: Krähe am 14. Februar 2021, 12:24:18
Das ist sicher auch ein Punkt dahinter. Aber da hört es für mich nicht auf. Nicht nur das Nichtzeigen ist ein Punkt, sondern auch das in offener Sichtlinie verstecken und versteckt werden funktioniert ja oft ganz gut. Zumindest als PoC mit middle eastern Anteilen. Das geht ganz einfach, indem man für alle zum Token für die eigene Vorurteilsfreiheit und zur generellen Ausnahme wird. Zum gut integrierten Exempel dafür, dass es ja auch anders geht. Indem man dann einfach abgesprochen bekommt "anders" zu sein, zumindest solange es bequem und der Sache dienlich ist, die gerade jemand zu beweisen versucht. Dann wird man halt mal ausgeklammert und bekommt im Zweifelsfall die eigene Existenz oder das eigene Erleben abgesprochen oder ausgeklammert. Das passiert oft genug.

I feel you so much! Ich bin selbst recht hellhäutig, wenn weiße Menschen wollen, können sie mein Nichtweißsein übersehen. Es ist da, man muss mir eigentlich nur aufmerksam ins Gesicht schauen, und trotzdem passiert das immer wieder. Es hat mehr als einmal Probleme deswegen in meinem Leben gegeben, weil weiße Menschen in einem Raum dachten, sie seien "unter sich", und dann wurden Dinge rausgehauen, die sie in Anwesenheit einer viel dunkelhäutigeren Person vielleicht nicht so von sich gegeben hätten.

Ich bin die Hellste von meinen Geschwistern, deswegen weiß ich sehr gut, wie schwierig die Position von PoC mit hellerer Haut sein kann. Es ist schlimm, dass ein Großteil der Gesellschaft noch nicht rafft, dass wir ein Spektrum sind und dass es viel mehr als Schwarz-Weiß gibt, literally. Mal abgesehen davon, dass auch Schwarzsein ein Spektrum ist, bei dem Weiße nicht zu beurteilen haben, ob jemand "Schwarz genug" sei, um Leute zum Verstummen zu bringen. Gerade diejenigen, die hier nicht Polen zuweisbar sind, und/oder multikulturelle Kinder müssen sich da so viel mit auseinandersetzen, wenn, dann wissen wir am besten über unsere Identität Bescheid und denken uns was bei den Labeln, die wir nutzen.

Was deine herausgestellten Kommentare angeht ... Ich möchte da niemanden zu nahe antreten, aber ich sehe die genauso kritisch wie du und stehe da voll hinter dir. Generell finde es bezeichnend (wenn auch nicht überraschend), dass ich mich hier mal detaillierter zum Thema äußere und sofort sind Kommentare am Start, um reflexhaft etwas von mir abschwächen zu wollen. (Es gibt für dieses Phänomen einen wissenschaftlichen Begriff, "White Fragility", den ich denjenigen, die mehr zum Thema lernen möchten, gerne zu googlen ans Herz legen möchte.) Es ist nicht superfeindlich, aber es ist genau das, was ich im Eingangspost bezüglich weißen Räumen meinte und warum BPoC dort manchmal bewusst still bleiben.

Solltest du hier mal Unterstützung im Forum brauchen, stehen dir meine PNs jederzeit offen, wenn du magst :knuddel:



Damit zurück zum Own-Voices-Thema: Ich habe den Artikel von @Maja gelesen und fand ihn sehr gut, wegen des ehrlichen Umgangs mit eigenen Vorurteilen und wie man sich von diesen wegbewegen kann. Er hat etwas angesprochen, worüber auch einige andere in den letzten Tagen geredet haben, nämlich die Fragen: "Warum nehme ich mir dieser Themen an? Wieso meine ich, über diese Minderheit schreiben zu können?"

Ich glaube, es ist essentiell, diese Fragen zu beantworten, und dass sie viele Probleme offenlegt bei Büchern wie "Not Your Type", die teils negativ von Betroffenen aufgenommen wurden. Wenn die Antwort nämlich nur besteht aus: "Ich mache das, weil niemand anderes das machen kann / niemand anderes das macht", dann kann es schwierig werden. Stichwort Saviour Complex. Wenn man nicht primär für die Sache schreibt oder weil man die Betroffenen als Teil des eigenen Publikums ernstnimmt, sondern das Buch vor allem für ein nichtbetroffenes Publikum ist, und alle reden dann darüber, wie "toll" und "inklusiv" und "wichtig" es sei, und man möchte keine Betroffenen hören, die kritische Meinungen haben ... Geht es dann noch um die Sache, oder nur darum, sich selbst gut darzustellen?

Bei Talkshows, wie jüngst bei dem Desaster "Die letzte Instanz" vom WDR, sagen die meisten inzwischen zu Recht, man sollte mit Betroffenen reden und nicht nur über sie. Vielleicht sollten wir das bei der Kunst ähnlich sehen. Wenn wir uns zum Ziel setzen, Minderheiten zu featuren, ist es nicht nur für die Recherche naheliegend, mit ihnen zu reden, es ist auch fair, sie im Rahmen des Entstehungsprozesses zu beteiligen, diverse Teams in den Verlagen zu haben etc.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Mondfräulein am 15. Februar 2021, 01:07:55
Ich kann im ersten Post auch gerne Threads zum Thema verlinken, in denen es darum geht, wie man Diversität gut umsetzen kann. Ich weiß, dass wir im Forum schon häufig in diversen Threads darüber diskutiert haben. Zu ethnischer Diversität in Fantasy gibt es auf jeden Fall hier einen Thread:

[ARY] :wache!: CN der Thread ist alt (von 2014) und beinhaltet diskriminierende/rassistische Aussagen Das Thema ist dort stellenweise höchst unsensibel diskutiert.

Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.



Zitat von: Maja am 14. Februar 2021, 14:09:50
Ich werde auf meinen Blogbeitrag später nochmal zurückkommen, aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt bin ich nicht die Person, anderen zu sagen, wie man es richtig macht - ich bin da, wo ich meine Fehler sehe und die offen anspreche in der Hoffnung,  dass es dann einen offenen Dialog dazu gibt, aber das heißt nicht, dass ich dann auch gleich die Patentlösung im Angebot habe.

Vielleicht könntest du auch einfach andere Blogs und Personen verlinken, die sich mit dem Thema beschäftigen. Sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und sich dem eigenen Rassismus zu stellen ist ja auch ein Lösungsansatz. Ich finde es legitim, dass du sagst, dass du da selbst keine Empfehlungen geben kannst, aber stattdessen könntest du doch empfehlen, wo man mit der Recherche stattdessen anfangen kann.

Zitat von: DunkelSylphe am 15. Februar 2021, 00:39:21Ich glaube, es ist essentiell, diese Fragen zu beantworten, und dass sie viele Probleme offenlegt bei Büchern wie "Not Your Type", die teils negativ von Betroffenen aufgenommen wurden. Wenn die Antwort nämlich nur besteht aus: "Ich mache das, weil niemand anderes das machen kann / niemand anderes das macht", dann kann es schwierig werden. Stichwort Saviour Complex. Wenn man nicht primär für die Sache schreibt oder weil man die Betroffenen als Teil des eigenen Publikums ernstnimmt, sondern das Buch vor allem für ein nichtbetroffenes Publikum ist, und alle reden dann darüber, wie "toll" und "inklusiv" und "wichtig" es sei, und man möchte keine Betroffenen hören, die kritische Meinungen haben ... Geht es dann noch um die Sache, oder nur darum, sich selbst gut darzustellen?

Das ist finde ich ein ganz, ganz wichtiger Punkt. Wenn ich Repräsentation in meine Bücher einbaue, dann immer mit der Intention, dass Angehörige dieser Gruppe sie lesen werden und dass es vordergründig für sie funktionieren muss. Wenn ich zum Beispiel queere Figuren schreibe, habe ich natürlich auch das nicht-queere Publikum im Hinterkopf und passe auf, dass auch sie die Figuren so verstehen, wie sie verstanden werden sollen. Wenn ich eine bisexuelle Figur schreibe, mache ich deshalb zum Beispiel sehr deutlich, dass sie bi ist und nicht beispielsweise ihre Sexualität auf einmal ändert, weil sie früher mit Männern zusammen war und jetzt mit einer Frau. Bisexuelle Menschen verstehen das, nicht-bisexuelle Menschen haben da aber oft Vorurteile. Dennoch möchte ich vor allem, dass queere Leser sich von der Figur repräsentiert fühlen können. Ich will nicht das Mitleid nicht-queerer Leser wecken, um sie toleranter zu machen. Wäre mir das nicht-queere Publikum wichtiger als das queere Publikum, ginge es dann am Ende nicht nur darum, eine Minderheit zu benutzen statt sie zu repräsentieren? Über eine Gruppe zu schreiben und dieselbe Gruppe gleichzeitig auszuschließen, indem ich meine Repräsentation vor allem für die Mehrheit und nicht die repräsentierte Minderheit schreibe, finde ich problematisch. Es impliziert, dass die Gruppe an sich keine eigene Stimme hat und dass ihre Stimme es nicht wert ist gehört zu werden. Wenn ich diese Haltung habe, dann sollte ich mich hinsetzen und nochmal ganz genau darüber nachdenken, warum ich so denke, und ich sollte niemals Bücher über diese Gruppe schreiben, denn da habe ich etwas wirklich grundlegend nicht verstanden.

Zitat von: DunkelSylphe am 15. Februar 2021, 00:39:21
Bei Talkshows, wie jüngst bei dem Desaster "Die letzte Instanz" vom WDR, sagen die meisten inzwischen zu Recht, man sollte mit Betroffenen reden und nicht nur über sie. Vielleicht sollten wir das bei der Kunst ähnlich sehen. Wenn wir uns zum Ziel setzen, Minderheiten zu featuren, ist es nicht nur für die Recherche naheliegend, mit ihnen zu reden, es ist auch fair, sie im Rahmen des Entstehungsprozesses zu beteiligen, diverse Teams in den Verlagen zu haben etc.

Da kann ich nur zustimmen. Enissa Amani hat danach auf eigene Faust eine Talkshow aufgenommen und da genau das gemacht. Die Sendung findet man auf YouTube unter "Die beste Instanz" und sie ist absolut sehenswert, ich kann sie nur jedem ans Herz legen. Was in diesem Rahmen aber auch zur Sprache kam, ist dass man auch, wenn man mit Minderheiten redet statt über sie, nicht weiterkommt, solange man immer noch die grundlegenden Fragen diskutiert, die seit Jahrzehnten geklärt sein sollten. Eine Diskussion über Rassismus bringt nichts, wenn wir immer und immer wieder diskutieren müssen, ob Rassismus schlecht ist. Ich merke das auch hier im Forum. Ich erinnere mich noch an Diskussionen vor sechs Jahren, in denen wir nie dazu kamen, über Diversität und Repräsentation und deren Umsetzung zu diskutieren, weil erstmal jeder seinen Senf dazu abgeben musste, warum er sie nicht in seine Romane einbaut. Mittlerweile reden wir hier im Forum und auch in der Gesellschaft sonst ganz anders über das Thema, was ich wirklich toll finde.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Maja am 15. Februar 2021, 01:49:14
Zitat von: Mondfräulein am 15. Februar 2021, 01:07:55
Zitat von: Maja am 14. Februar 2021, 14:09:50
Ich werde auf meinen Blogbeitrag später nochmal zurückkommen, aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt bin ich nicht die Person, anderen zu sagen, wie man es richtig macht - ich bin da, wo ich meine Fehler sehe und die offen anspreche in der Hoffnung,  dass es dann einen offenen Dialog dazu gibt, aber das heißt nicht, dass ich dann auch gleich die Patentlösung im Angebot habe.

Vielleicht könntest du auch einfach andere Blogs und Personen verlinken, die sich mit dem Thema beschäftigen. Sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und sich dem eigenen Rassismus zu stellen ist ja auch ein Lösungsansatz. Ich finde es legitim, dass du sagst, dass du da selbst keine Empfehlungen geben kannst, aber stattdessen könntest du doch empfehlen, wo man mit der Recherche stattdessen anfangen kann.

Um das ganz plump zu sagen - ich denke nicht, dass das meine Schuldigkeit ist. Wenn ich so eine Liste hätte, klar, stelle ich sie gerne zur Verfügung. Aber ich habe seit Jahren eine Rubrik in meinem Blog, in der ich Romane vorstelle, die gescheitert sind, aus den verschiedensten Gründen, und beleuchte, was das Problem mit ihnen war und wo ich die Ansätze sehe, es anders zu machen. Ich wollte schon lange über das Problem mit "Klagende Flamme" schreiben und habe diese Diskussion hier zum Anlass genommen, das endlich umzusetzen, bevor ich wieder kneife.

Ich bin jemand, der dabei war, ein abartig schlechtes Buch zu schreiben, das erkannt hat, und das Buch in die Tonne gekloppt hat, mit der Option, die brauchbaren Teile beizeiten in ein besseres Buch zu überführen. Und ich habe das zum Anlass genommen, anderen zu sagen, sie sollen sich auch mal kritisch mit ihren Büchern auseinandersetzen. Aber das heißt nicht, dass ich anderen jetzt eine Lösung schulde, die ich selbst noch nicht habe. Ich arbeite nicht an "Klagende Flamme", weder schreibe ich daran, noch bin ich am Plotten oder Recherchieren. Ich habe eine Deadline im Nacken, ein davon völlig unbeteiligtes Buch abzuliefern und zu überarbeiten, und ich möchte nicht in die Versuchung kommen, stattdessen an einem anderen Buch zu arbeiten.

Wer eine offene Antwort auf meinen Artikel posten möchte, in dem Lösungsansätze vorgestellt werden, darf das herzlich gerne tun, auch unter direkter Bezugnahme auf mich und meine Fehler. Wer eine hilfreiche Linkliste zur Hand hat, darf die auch gern als Kommentar zur Anregung unter meinen Artikel setzen, darüber freue ich mich. Aber ich selbst könnte gerade nur Links zusammenkopieren, die andere hier in den Thread gepostet haben, und wenn ich die dann zu einem eigenen Blogartikel verarbeite, schmücke ich mich mit falschen Federn, das sind keine Lösungen, auf die ich selbst gekommen bin und nicht meine eigene Recherche.

Wenn ich aktiv an "Klagende Flamme" arbeite (Erster Schritt: Einen Arbeitstitel finden, der nicht ausgerechnet aus "Deutschland, ein Wintermärchen" stammt), werde ich das Thema aufgreifen und zeigen, was für Lösungen ich konkret für mich gewählt habe. Aber in diesem Moment, eingespannt bis zum Hals in ein anderes Buch, reicht mir, ein Problem aufgezeigt zu haben. Ich habe mich nackig gemacht und stehe zu meinen Fehlern. Aber in diesem Moment, mit einem Buch, das niemals das Tageslicht gesehen hat und nicht in der Lage war, jemanden aktiv zu verletzen, schulde ich niemandem eine Lösung für diesen Fall.

Hier sind viele tolle Sachen gesagt worden. Nehmt sie, so noch nicht getan, und verbreitet sie auf Twitter, in euren Blogs, etc. Ich hab's verbockt. Ihr könnt das richten. Also tut es.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: DunkelSylphe am 15. Februar 2021, 02:09:12
@Mondfräulein: Danke (?) für den Hinweis zum Thread, ich habe mich entschieden, unbedingt einen eigenen aufzumachen und ihn nicht fortzusetzen, weil: Ufffffffffffffff.

Again, ich möchte niemandem zu nahe treten. Viele Leute, die dort kommentiert haben, meinten sicher nichts Böses. Aber ich merke, dass der Thread alt ist und vieles nicht mit Wissen geschrieben wurde, nett gesagt. Teilweise liest es sich, als würde da nicht über nichtweiße MENSCHEN, sondern wunderlich exotische Kreaturen für das eigene Buch gesprochen, mit entsprechend übler Terminologie.  :schuldig:

Aber wie gesagt, der Thread ist alt. Ich bin mal so naiv zu glauben, dass das gleiche Thema heute anders besprochen würde.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Mondfräulein am 15. Februar 2021, 02:37:02
@DunkelSylphe Ja, das stimmt. Sechs Jahre sind eine lange Zeit und die gesellschaftliche Debatte hat sich seitdem auch sehr verändert. Ich würde meine eigenen Beiträge zum Thema auch nicht mehr so formulieren obwohl ich ganz grundsätzlich eine ähnliche Einstellung zum Thema hatte wie jetzt.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Trippelschritt am 15. Februar 2021, 08:39:48
[ROSENTINTE]  :wache!: CN Relativierung von Rassismus [/ROSENTINTE]
Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Grey am 15. Februar 2021, 10:09:45
[ROSENTINTE] :wache!: CN: Zitat einer unangemessenen Relativierung von Rassismus[/ROSENTINTE]
Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.

@Alia
Bitte, bei allem Respekt für die Lebensrealitäten von Menschen, die den Gruppen angehören, die du beschreibst (und die ganz sicher reell und in keiner Weise kleinzureden sind): Wenn du solche Argumente einbringst, überprüf noch mal genau, in welchem Kontext du sie gegen welche Aussagen in der bisherigen Diskussion stellst. Dahingestellt, dass Menschen, die der Mafia o.ä. Organisationen angehören, tatsächlich oft keine Wahl haben: Es war nicht Krähe, die von "Befindlichkeiten" in Zusammenhang mit diskriminierten Minderheiten *oder* Menschen in anderen bedrohlichen Lebensrealitäten gesprochen hat. Es war @Trippelschritt, der genau das getan hat - Krähe hat sich gewünscht, dass Implikationen wie dieser deutlich widersprochen wird. Und das - pardon my french - verdammt noch mal zu Recht!

Zitat von: Alia am 14. Februar 2021, 21:38:39
Ich will nicht Trippelschritts Aussagen verteidigen - die finde ich daneben.
Genau das tust du damit aber scheinbar. Du relativierst seine definitiv äußerst danebenen Aussagen. Und ich glaube wirklich nicht, dass es das ist, was du willst.

Zitat von: Trippelschritt am 15. Februar 2021, 08:39:48
Mein letztes Posting in dieser Sache.

Da gibt es nichts zu widersprechen.
Doch. Das gibt es. Angefangen damit, dass deine ganze Aussage sich überhaupt nicht auf die Frage bezieht, über die wir hier sprechen. Es geht hier nicht darum, ob man als Autor:in fundiert über eine solche Gruppe schreiben *kann*. Auch nicht in dem Vorposting von @Mondfräulein, auf das du dich so hartnäckig beziehst. Es geht darum, dass man sich fragen soll, ob man die geeignete Person ist, eine solche Gruppe, die jeden Tag aktiv um ihre Gleichstellung, Repräsentation und Akzeptanz kämpfen muss, auf die geplante Weise zu repräsentieren. Es geht hier nicht um Handwerk. Es geht hier darum, wie wir als Autor:innen mit real existierenden sozialen Ungerechtigkeiten umgehen, und zwar in einem Bereich, in dem *wir persönlich* aktiv etwas bewegen können. Und wenn man zu diesem Thema nichts konstruktives beitragen kann oder will und auch nicht vorhat, sich geistig auch nur einen Fingerbreit zu bewegen, dann sollte man wenigstens einfach mal *nichts* sagen, okay?

Zitat von: Trippelschritt am 15. Februar 2021, 08:39:48
Mein Argument richtete sich gegen die Verallgemeinerung des Vorpostings.
Tut es nicht, da es diese Verallgemeinerung, wie gesagt, gar nicht gegeben hast. Du hast sie herbeiinterpretiert, um deine thematisch irrelevanten Ansichten in den Raum zu stellen. Aber da wir schon mal dabei sind: Hier noch ein letzter Widerspruch.

Fundierte Recherche involviert bestenfalls in jedem Fall, zu jedem Thema, das Hinzuziehen von Primärquellen. Recherche bildet uns bestenfalls nicht nur für ein einzelnes Buch, sondern auch fürs Leben. Und wenn es beispielsweise um Alltagsrassismus oder Queerfeindlichkeit geht? Da gibt es lebende, sprechende Menschen, denen man aufmerksam zuhören und sein Gehirn und seine Empathie einsetzen sollte, deren Bücher man lesen und deren Filme man sehen sollte, um Verständnis zu entwickeln, Meinung zu bilden und danach zu handeln. Genau dafür wurden Angebote wie Sensitivity Reading ins Leben gerufen. Aber hier kann man diesen Teil plötzlich als "Befindlichkeiten" bestimmter Personengruppen abtun? Also bitte. Wenn du dich wirklich auf Recherche berufen willst, dann zeig mir erstmal, dass du dieses Thema wirklich in vollem Umfang ernst nimmst, wenn es dabei um echte Menschen geht, die deinen Interpretationen ihrer "Befindlichkeiten" aktiv widersprechen können. Bis hierher hast du in der Hinsicht nämlich noch keine nennenswerten Kompetenzen gezeigt.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Evanesca Feuerblut am 15. Februar 2021, 10:40:51
ZitatEs geht hier nicht um Handwerk. Es geht hier darum, wie wir als Autor:innen mit real existierenden sozialen Ungerechtigkeiten umgehen, und zwar in einem Bereich, in dem *wir persönlich* aktiv etwas bewegen können. Und wenn man zu diesem Thema nichts konstruktives beitragen kann oder will und auch nicht vorhat, sich geistig auch nur einen Fingerbreit zu bewegen, dann sollte man wenigstens einfach mal *nichts* sagen, okay?
Danke für deine Worte, @Grey .
Ich lese hier als mehrfach marginalisierte Person fassungslos und mütend (müde + wütend, Wortschöpfung glaube ich von @federschwarzes ) mit und finde keine Kraft, was zu sagen. Du hast es auf den Punkt gebracht.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Tasha am 15. Februar 2021, 11:48:24
Ich hätte das im Moment nicht so differenziert formulieren können wie Grey, wollte aber erwähnen, dass ich mich anschließe. Ich lese hier sehr interessiert mit und hoffe, dass wir es schaffen, hier nicht mit whataboutism anzufangen, wenn sich Betroffene zu Diskriminierungserfshrungen äußern. Zu einem Thema, das uns alle angeht und mit dem wir uns als Autor*innen meiner Meinung nach beschäftigen müssen.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Franziska am 15. Februar 2021, 12:03:37
Danke @Grey Ich möchte mich in allen Punkten anschließen. Mir geht es gerade wie @Evanesca Feuerblut Aber ich möchte das auch nicht unwiedersprochen lassen.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Mondfräulein am 15. Februar 2021, 12:07:06
Danke @Grey!

Ich weiß immer noch nicht, welche Verallgemeinerungen gemeint sind. Die gab es nie. Aber ich habe das Gefühl, in Diskussionen über Rassismus, Sexismus, Diskriminierung, Homophobie, etc. suchen manche gerne nach Ausnahmen, nur um zu widersprechen. Es ist schwer zu begründen, warum man der Aussage "Diskriminierung ist doof" widersprechen will, aber vielleicht findet man ja ein winzig kleines Detail, dem man widersprechen kann, nur aus Prinzip. "Es ist schlecht homosexuelle Menschen zu hassen" - "Was wenn dieser homosexuelle Mensch meine Familie und meinen Hund getötet hat?" Das bringt einen aber halt auch nicht weiter.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: caity am 15. Februar 2021, 18:05:52
Ich danke auch für die deutlichen Worte @Grey. Nachdem ich selbst dreimal zu einer Erwiderung angesetzt und jeden Ansatz verworfen habe, war ich sehr froh, als deine Nachricht auftauchte.

[Off-Topic]
Ich möchte auch noch eine Sache direkt Trippelschritts Äußerung sagen: Eine Diskussion um die Frage nach guter Repräsentation auf die Frage nach der Darstellung von Nicht-Erlebtem allgemein zu beziehen, ist eine unverschämte und gefährliche Verallgemeinerung: Es bricht die Frage auf ein Thema herunter, das die Lebensrealität von Marginalisierten nicht im Geringsten ernstnimmt.
Ich habe heute früh an einem Beispiel herumüberlegt und ich weiß immer noch nicht, ob es das trifft, daher bitte ich um Korrektur, falls ich etwas falsch auffasse: Nehmen wir mal an, ich habe einen Schiffsbauer, der BPoC ist. Dann kann ich recherchieren, wie man ein Schiff baut und ich kann recherchieren, wie ich BPoC schreibe. Wenn ich sehr gut recherchiere, werde ich beim Schiffsbau vermutlich keinen Fehler machen und selbst wenn, wäre das vielleicht für jemanden, der sich gut mit Schiffsbau auskennt, ärgerlich, aber mal ehrlich: wer geht bitte her und versucht ein Schiff anhand eines Romans nachzubauen? Insofern wird sich meine Beschreibung des Schiffsbau kaum auf die Lebensrealität von irgendjemandem auswirken.
Beim Schreiben einer BPoC-Figur ist das komplett anders. Zum einen kann es extrem schnell passieren, dass ich internalisierte -ismen reproduziere, also Stereotype, Vorstellungen, Vorurteile - Dinge, über die ich mir vielleicht sogar schon einmal Gedanken gemacht habe, die aber dann unbewusst doch wieder in den Text hineinrutschen. Anders als beim Schiffsbau ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich das jedoch auf die Lebensrealität Marginalisierter auswirkt, viel höher. Indem ich Marginalisierte auf eine bestimmte Weise darstelle, trage ich dazu bei, dass sich das Bild dieser Gruppe in den Köpfen meiner Leser*innen verfestigt. Und es gehört leider zur Marginalisierung dazu, dass diese Bilder negativ sind. Deshalb trage ich da als Autorin eine viel größere Verantwortung.
[Off-Topic off]

Zum Thema Chancengleichheit und Own Voices habe ich mir auch schon öfter Gedanken gemacht, insbesondere angestoßen durch den ein oder anderen Tweet. Ich habe für mich diesbezüglich die Entscheidung getroffen, auf keinen Fall Romane über Marginalisierung zu schreiben. Stattdessen versuche ich, insbesondere in neuen Projekten, aber wo es geht auch in alten Projekten, meine Casts divers zu gestalten, also Romane mit Marginalisierten zu schreiben, und ja, da stehe ich auch noch ganz am Anfang, und habe noch extrem viel zu lernen.
Ich bin diesbezüglich sehr dankbar vor allem für die zahlreichen Hinweise, die ich in meiner Twitter-Bubble finde, aber auch für die Rückmeldungen hier oder so tolle Link-Sammlungen wie sie hier jetzt zu finden sind. Diesbezüglich habe ich mich übrigens auch entschieden, lieber viel zu retweeten oder in Instagram in die Stories zu setzen, also, auf andere aufmerksam zu machen. Generell sehe ich es aber auch so, dass für Chancengleichheit die Verlagswelt diverser werden muss. Wie man das umsetzen kann - da habe ich momentan leider noch überhaupt keine Idee, was aber auch daran liegt, dass ich zu wenig Einblick in die Strukturen der Verlagswelt habe. Ich versuche mich zumindest ein Stück weit zu beteiligen, indem ich bewusst Bücher von beispielsweise BPoC kaufe, nach dem Motto: steter Tropfen höhlt den Stein. Aber ich muss zugeben, dass ich mich da oft auch hilflos und ohnmächtig fühle - und mich dann jedes Mal frage, wie es da erst Betroffenen gehen muss  :seufz:
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Kraehe am 15. Februar 2021, 18:23:40
Zitat von: DunkelSylphe am 15. Februar 2021, 00:39:21Generell finde es bezeichnend (wenn auch nicht überraschend), dass ich mich hier mal detaillierter zum Thema äußere und sofort sind Kommentare am Start, um reflexhaft etwas von mir abschwächen zu wollen. (Es gibt für dieses Phänomen einen wissenschaftlichen Begriff, "White Fragility", den ich denjenigen, die mehr zum Thema lernen möchten, gerne zu googlen ans Herz legen möchte.) Es ist nicht superfeindlich, aber es ist genau das, was ich im Eingangspost bezüglich weißen Räumen meinte und warum BPoC dort manchmal bewusst still bleiben.
Das möchte ich unterschreiben. Ganz einfach.

Zitat von: DunkelSylphe am 15. Februar 2021, 00:39:21Solltest du hier mal Unterstützung im Forum brauchen, stehen dir meine PNs jederzeit offen, wenn du magst :knuddel:
:knuddel: Ich weiß das sehr zu schätzen, und das gilt andersrum auch. Vorhin habe ich trotzdem mal den Weg über Twitter gewählt, weil ich mir ehrlich gesagt – schon wieder – nicht sicher war, wie bald ich mich wieder hier einloggen möchte.

Zitat von: DunkelSylphe am 15. Februar 2021, 00:39:21Bei Talkshows, wie jüngst bei dem Desaster "Die letzte Instanz" vom WDR, sagen die meisten inzwischen zu Recht, man sollte mit Betroffenen reden und nicht nur über sie. Vielleicht sollten wir das bei der Kunst ähnlich sehen.
Das Deaster reproduziert sich doch gerade erst wieder. Ich denke da auch sehr konkret an einen anderen dir sehr verhassten (und zurecht in der Versenkung verschwundenen) Thread. :ithurtsandstings!:


@Alia: Ich habe dem von Grey nichts hinzuzufügen. Sie hat es besser und mit viel mehr Containance auf den Punkt gebracht, als ich es gerade könnte oder wollte. Ich möchte niemandem irgendwelche Probleme absprechen, aber ich möchte trotzdem nicht mit einem Hell's Angel gleichgesetzt werden. Das sind und bleiben sehr verschiedene Baustellen, und das ist nicht die Diskussion, die wir hier führen.


Zitat von: Trippelschritt am 15. Februar 2021, 08:39:48
Mein Argument richtete sich gegen die Verallgemeinerung des Vorpostings. Und die einzige Antwort, die bisher Konsens gefunden hat ist die, dass dieser Punkt fallweise betrachtet werden muss.
Dem können Sie nun gerne widersprechen.
Erstens: Vielen Dank, dass Sie mir endlich das Sie angeboten haben.
Zweitens: Es ist bezeichnend, dass es Ihnen wichtiger ist, sich hier als Opfer und missverstanden darzustellen, als sich von Ihren rassistischen Aussagen zu distanzieren. Das hat im Sommer nicht geklappt und tut es auch heute nicht, und damit ist der Fall für mich klar. Ich habe, um einen von mir geschätzten Virologen zu zitieren, besseres zu tun, und werde hier nicht weiter diskutieren. Ihre Aussagen stehen für sich.


Eins möchte ich nochmal sagen, bevor ich wieder Offline gehe. Immerhin habe ich beschlossen, jetzt ganz ehrlich zu sein:
Mir raubt dieser Thread gerade ungemein viel Kraft. Ich habe mich zum ersten Mal seit Jahren mehrfach nach dem Posten oder Einloggversuchen direkt wieder aktiv aus dem Forum ausgeloggt und nur noch als Gast mitgelesen (dummerweise sieht man den Thread trotzdem), weil ich weiß, wenn ich mich einlogge, schreibe ich hier wieder, weil leider immer noch viel zu viele Beiträge hier einfach ohne Widerspruch und kritisches Hinterfragen bleiben, und weil irgendwie niemand die Worte zu finden scheint, einfach mal Nein zu sagen. Es macht mich mütend, wie @Evanesca Feuerblut es so toll sagt.
Die Wahrscheinlichkeit, einen veto-sagenden Mod anzutreffen, oder mehrere veto-sagende Mitglieder anzutreffen, ist in anderen Threads und Themenbereichen sehr, sehr viel höher. Ganz einfach, weil wir dort mehr Mitglieder haben, die es betrifft, weil schärfer hingesehen wird oder eine höhere Sensibilität für die Problematiken besteht. Das ergibt sich schlicht und einfach aus der Demographie des Forums. Aber wir führen diese Diskussion doch nicht zum ersten Mal, und ich frage mich ernsthaft, was dann die letzten Runden gebracht haben, und wofür andere und ich dann schon die letzten Male so viel Zeit investiert haben.
Natürlich haben auch hier nicht alle die Kraft dazu, selbst Einspruch zu erheben, wenn ihnen das Thema ohnehin schon so viel Energie raubt. Aber so viele andere lesen hier mit, denken sich vielleicht ihren – wie ich dann zwischen den Zeilen doch mal lese, sehr wertvollen - Teil und bleiben trotzdem stumm.
Euer Widerspruch zählt. Auch und gerade, weil ihr keine Betroffenen seid, sondern als Allys gefragt seid, und gewissen Stimmen zeigen könnt, dass ihr ihre Meinung eben nicht stillschweigend akzeptiert. Oder mir und anderen zeigen könnt, dass wir nicht absolut überreagieren oder alleine gegen die Wand reden.

Deswegen bin ich jetzt eben doch wieder eingeloggt und schreibe das hier.

Deswegen:
Zitat von: Evanesca Feuerblut am 15. Februar 2021, 10:40:51Ich lese hier als mehrfach marginalisierte Person fassungslos und mütend (müde + wütend, Wortschöpfung glaube ich von @federschwarzes ) mit und finde keine Kraft, was zu sagen. Du hast es auf den Punkt gebracht.

Und deswegen:
Zitat von: Franziska am 15. Februar 2021, 12:03:37Mir geht es gerade wie @Evanesca Feuerblut Aber ich möchte das auch nicht unwiedersprochen lassen.

Irgendjemand muss nein sagen, auch hier, auch wenn das unbequem ist, auch wenn ich selber wirklich genug zu tun habe, das nicht mit dem Forum zusammenhängt. Aber ich wohne immerhin auch bald 11 Jahre hier im virtuellen Wohnzimmer und ich würde das gerne weiter tun können, ohne mich unwohl zu fühlen. Dann gehört so eine Auseinandersetzung jetzt eben auch dazu.


EDIT: @caity: Vielen Dank für deine klare Position.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Malinche am 15. Februar 2021, 18:42:25
Zitat von: Krähe am 15. Februar 2021, 18:23:40
Euer Widerspruch zählt. Auch und gerade, weil ihr keine Betroffenen seid, sondern als Allys gefragt seid, und gewissen Stimmen zeigen könnt, dass ihr ihre Meinung eben nicht stillschweigend akzeptiert. Oder mir und anderen zeigen könnt, dass wir nicht absolut überreagieren oder alleine gegen die Wand reden.
@Krähe: Diesen Abschnitt werde ich mir so abspeichern, dass ich ihn nach Möglichkeit immer sehe - und verinnerlichen. Ich bin eine von denen, die in Diskussionen wie diesen zuletzt viel zu oft nur still mitlesen, und das tut mir leid. Das will ich in Zukunft anders und besser machen.

Danke für deine Beiträge hier und ebenso danke an @DunkelSylphe (auch für die Linkempfehlungen und den neuen Thread dazu).


Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Maja am 15. Februar 2021, 18:56:27
Zitat von: Malinche am 15. Februar 2021, 18:42:25
Ich bin eine von denen, die in Diskussionen wie diesen zuletzt viel zu oft nur still mitlesen, und das tut mir leid. Das will ich in Zukunft anders und besser machen.
Das muss ich auch so unterschreiben. Ich bin auch oft einfach mütend. Ich administriere den Tintenzirkel jetzt seit bald 20 Jahren. Dann kommt irgendwann der Moment, wo man einfach nicht mehr hinter den Leuten herrennen mag und ihnen andauernd sagen "Sei kein Arschloch", denn das sollten alle von selbst wissen. Und dann sind es immer wieder dieselben, die mit immer denselben Kommentaren ankommen, die anfangen zu relativieren, die "das doch nicht so gemeint" haben und "doch wohl noch sagen" dürfen und die "dieses Wort aber immer schon so bentuzt haben und da ist doch nichts dabei" und "ich bin kein Rassist aber" ...

Und dann ist man es leid, und man mag nicht mehr, und dann bleibt diese Scheiße unkommentiert und plötzlich steht man selbst da, nicht als Ally, sondenr als Enabler, und hat die größte Schuld von allen, weil es an einem gewesen wäre, einzuschreiten. Das ist der Punkt, wo wir uns gerade alle an unsere Nasen fassen müssen und das auch tun. Wir haben eine Liste mit einer Handvoll Mitglieder, die wirklich immer wieder und wieder und wieder mit solchen Aussagen auffallen und bei denen wir zu sehr angefangen haben, im Zweifelsfall nur genevt die Augen zu verdrehen, statt einzuschreiten. Da werden wir unser Verhalten in Zukunft ändern.  Wir werden nicht mehr nur Leute für gewaltiglich menschenverachtende Sachen vor die Tür setzen, wie wir das bereits getan haben, wir wollen gegen diesen Rassismus (und Homophobie, etc) im Kleinen angehen, auf die Stammtischparolen, auf den ganzen Scheiß.

Ich habe dieses Forum nicht gegründet, um anderen zu sagen, dass sie kein Arschloch sein sollen. Aber wenn sie es doch sind - dann muss man das sagen, und das gilt für jeden hier. Wenn einer so einen Mist von sich gibt, dann wartet nicht auf einen Mod (auch wenn ihr das gerne gleich an uns melden dürft!) - widersprecht sofort, klar und deutlich, und lasst sie ihre eigene Scheiße fressen, so wie ich vor zwei Tagen verdient meine gefressen habe.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Sunflower am 15. Februar 2021, 19:11:17
Ich habe bis hierher still mitgelesen, weil ich dachte, als weiße Person sollte man manchmal auch einfach den Mund halten und lernen, aber vielleicht war das doch nicht der beste Reflex. Es tut mir leid, was ihr hier erleben musstet und immer noch erleben müsst. Ich lerne jeden Tag sehr viel dazu, ich versuche auf Twitter bewusst BPoC und anderen Menschen aus marginalisierten Gruppen zu folgen und mich selbst kritisch zu reflektieren. Aber ich glaube, ich muss mich öfter eben doch äußern, und sei es nur als Widerspruch, als Unterstützung für euch, denen bei diesen Diskussionen sehr verständlicherweise die Kraft fehlen kann. Danke, dass ihr euch hier trotzdem so einsetzt.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Alana am 15. Februar 2021, 19:11:30
@Krähe Ich schließe mich Maja und Malinche an. Ich wollte schon gestern dazu was schreiben und ich will jetzt nicht die Gründe anführen, warum ich es nicht gemacht habe, weil ich nichts relativieren oder entschuldigen will. Ich möchte nur sagen, dass ich keinesfalls geschwiegen habe, weil ich das Gesagte akzeptabel fand. Ich war von Trippelschritts Post sehr schockiert und hatte versucht, meine Gedanken dazu zu sammeln und sinnvoll aufzuschreiben. Dann kam Mondfräulein mit ihrem Beitrag und ich war einfach nur erleichtert über ihre konstruktive und ruhige Antwort. Und ja, in dem Moment hatte ich nicht die Kraft, selbst auch noch was dazu zu schreiben (Gründe hier unwichtig), sondern habe mich auf ihrer Antwort ausgeruht, unter anderem auch, um nicht zu spammen mit einem simplen "Danke für diese Antwort", das ich sicher hätte zustande bringen können. Dass das in diesem Fall kein Spam gewesen wäre, sondern sehr wichtig für alle, werde ich mir für die Zukunft merken.

Es tut mir sehr leid, dass ich euch mit dieser fehlenden Reaktion im Stich gelassen habe. Ich möchte auf jeden Fall Wege finden, so etwas in Zukunft besser zu machen, damit sich hier wirklich alle wohlfühlen können. Wie Maja sagt, arbeiten wir schon an Möglichkeiten.  :knuddel:
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Fynja am 15. Februar 2021, 19:14:23
Ich gehöre auch zu denen, die zu oft still mitlesen, aber nicht reagieren, auch in besagtem alten Thread, wo eindeutig viel vehementerer Widerspruch nötig gewesen wäre. Da hatte ich ähnliche Gedanken wie Sunflower und Alana, aber ihr habt vollkommen recht. Widerspruch geht immer und ist so wichtig, damit nicht so ein "stummer Konsens" entsteht. Diskriminierende Aussagen, Rassismen, Sexismen usw. haben hier nichts zu suchen und ich werde zukünftig versuchen, aktiver zu widersprechen.
Vielen Dank für eure wertvollen Beiträge, Krähe und Nora!
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Tasha am 15. Februar 2021, 19:45:36
Ich muss was dieses Thema angeht auch noch unglaublich viel lernen und bin euch @Krähe und @DunkelSylphe deswegen unglaublich dankbar, dass ihr euch hier dazu äußerst, denn ich glaube sofort, dass das unheimlich viel Kraft raubt und Energien bindet. Ich weiß es deswegen sehr zu schätzen, dass ihr diese Kraft hier investiert und wir Anderen schulden es euch deswegen auch, unseren Beitrag zu leisten.

Ich denke, wenn der Tintenzirkle inklusiver werden soll, ist es nötig, Benutzer für solche Relativierungen, wie sie hier von Trippelschritt erfolgt sind zu sperren. Eine Verwarnung gab es ja schon im Sommer, als es unter anderen um das Thema transgender und Rowling ging.

So wäre es vielleicht nach und nach möglich, hier einen geschützteren Raum für solche Diskussionen zu bieten, in dem sich bspw. @Krähe und @DunkelSylphe und hoffentlich dann auch irgendwann andere wieder wohlfühlen und wir wirklich versuchen können, etwas zu lernen und dadurch die Darstellungen verschiedener Marginalisierter in unseren Romanen zu verbessern. Wenn man aber immer wieder damit anfängt irgendjemandem erklären zu müssen, warum man nicht z.B. mit Rockern oder Hartz IV Empfängern oder was auch immer anfangen sollte, wenn es gerade um die Darstellung von BI_PoC geht, dann kommen wir nicht weiter. Und unwidersprochen darf sowas auch nicht stehenbleiben, da stimme ich @Krähe absolut zu.

Und ich möchte ausdrücklich darum bitten, dass ich dafür kritisiert werde, wenn etwas an meinen Äußerungen problematisch ist. Ich bin ganz ehrlich dankbar dafür. Ich möchte lernen und das geht nur durch Kritik, so schmerzhaft das manchmal ist.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Coppelia am 15. Februar 2021, 19:47:24
Auch ich habe bisher nur still mitgelesen und nehme die Anregung, in Zukunft aktiver zu widersprechen, von euch mit.
Danke für alle, die ihre Erfahrungen teilen, wie @Krähe und @DunkelSylphe, gerade weil es euch so viel Kraft kostet. Und an Menschen wie @Grey, die gute Gedanken so präzise formulieren.

Ich bin darüber hinaus immer dankbar für alle Hinweise, was ich als Autorin besser machen kann. Eure Beiträge geben mir Input, das eigene Verhalten noch stärker zu reflektieren.

Ich weiß ehrlich gesagt auch nicht, ob das die richtigen Worte sind, und habe etwas Sorge, dass sie es nicht sind. Falls es so ist, bitte ich, das zu entschuldigen. Ich möchte auf jeden Fall signalisieren, dass eure Worte hier auch gehört werden.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Aylis am 15. Februar 2021, 19:51:47
Auch ich möchte mich dem bisher gesagten anschließen und schreiben, was ich sonst vielleicht nicht tun würde. Ohne größere Erklärungen: Auch ich werde in Zukunft versuchen, meinen Reflex, die Klappe zu halten, zu unterbrechen und laut zu werden. Danke für die tollen Beiträge, die hier verfasst wurden. @Krähe , @DunkelSylphe und weitere Personen, die sich hier so ausführlich zu dem Thema geäußert haben. Auch wenn mich vielleicht noch nicht so viele kennen, möchte ich in Zukunft lauter und unterstützender schreiben. Verzeiht mein bisheriges Schweigen.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Ary am 15. Februar 2021, 19:55:44
Zitat von: Natascha am 15. Februar 2021, 19:45:36

Und ich möchte ausdrücklich darum bitten, dass ich dafür kritisiert werde, wenn etwas an meinen Äußerungen problematisch ist. Ich bin ganz ehrlich dankbar dafür. Ich möchte lernen und das geht nur durch Kritik, so schmerzhaft das manchmal ist.

Das möchte ich einfach mal so unterschreiben.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Nikki am 15. Februar 2021, 20:20:42
Ich fühle mich ertappt, dass ich mich von der Gruppendynamik mitreißen habe lassen und mir gedacht habe, wenn die anderen schweigen, dann macht es nichts, wenn ich auch schweige. Das tut mir leid.

ZitatUnd ich möchte ausdrücklich darum bitten, dass ich dafür kritisiert werde, wenn etwas an meinen Äußerungen problematisch ist. Ich bin ganz ehrlich dankbar dafür. Ich möchte lernen und das geht nur durch Kritik, so schmerzhaft das manchmal ist.

Ich finde diesen Satz gut und ich habe ihn auch schon oft gesagt, ich möchte aber zu bedenken geben, dass die Verantwortung für unsere Worte nicht bei anderen liegt, sondern bei uns selbst. Natürlich sollte verzapfter Mist nicht einfach kommentarlos hingenommen werden (wohin das führt, haben wir ja wieder einmal gesehen), aber es ist in meinen Augen nicht die Aufgabe von Leuten, die von Aussagen verletzt werden, darauf hinzuweisen, dass diese Aussagen verletzend waren. Es gibt Situationen im Leben, da würde man gar nicht mehr dazu kommen, durchzuatmen, wenn man jedes Mal anmerkt, dass eine Äußerung schon wieder daneben und/oder verletzend war. Da ist es leichter, sich auszuklinken und sich selbst zu schützen. Ich finde, jede einzelne Person sollte so viel Recherche anstellen, um das eigene Gespür dafür zu schulen, welche Äußerungen indiskutabel sind, anstatt darauf zu warten, dass eine andere Person ihr die rote Karte zeigt.

Nicht, dass ich das den Personen hier unterstelle, die obrige Aussage hört sich für mich nur nach einer bequemen Abkürzung eines Lernprozesses an, den wir alle eigentlich durchmachen sollten.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Rosentinte am 15. Februar 2021, 20:20:56
Vielen Dank für eure Beiträge @Krähe Und @DunkelSylphe.

Ich befinde mich selbst bei diesem Thema noch in einem Lernprozess, der offensichtlich auch beinhaltet, wann ich mich einbringen sollte und wann nicht. Es tut mir leid, dass ich hier nicht früher und proaktiver das Wort ergriffen habe.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: DunkelSylphe am 16. Februar 2021, 05:50:50
Hallo ihr alle. Als ich beschlossen habe, mal wieder im Forum zu lesen und zu kommentieren, konnte ich nicht wissen, dass das eine größere Diskussion für den TiZi auslösen würde. Die Verlinkung von @Mondfräulein zu "Ethnische Diversität in der Fantasy" hat mich zu einem Thread geführt, der für mich offengelegt hat, dass hier echt was im Argen liegt. Ich will ehrlich sein, weil @Krähe es auch war: Ich hatte lange nicht mehr etwas derart Rassistisch-Ignorantes gelesen.

Einen mehrheitsweißen Raum, wo völlig unwidersprochen, auch von Seiten der Moderation, Kommentare möglich waren, wie dass die Besetzung von Heimdall in den Thor-Filmen mit einem Schwarzen Schauspieler "Übelkeit bereite". Es erinnerte mich an die Diskussion im WDR, die zu Recht von den meisten Menschen zerrissen wurde. Dass so was hier möglich war, im öffentlichen Post eines Forums, das Qualitätskontrolle mit Bewerbungen betreiben will, dass weiße Menschen sich hier jahrelang gegenseitig bestärkt haben, Rassismus zu beurteilen oder als "nicht so schlimm" abgetan und nichtweiße Figuren mehr als Gimmick denn Menschen gesehen haben ... Ich hoffe, die meisten werden mir heute nicht widersprechen, dass das ein Problem ist. Nicht nur vom TiZi, ich habe das auch woanders in der Fantasy-Szene erlebt, aber es war ein Schock, das in einem angeblich kontrollierten Raum zu finden, wo viele Mitglieder sind, die ich als Kolleg*innen schätze und gernhabe.

Ich wollte mich erst nicht mehr zu der Sache äußern, weil ich es bereits öffentlich getan und auch die Moderation in Kenntnis gesetzt habe, wollte dann aber Leute wie Krähe nicht im Stich lassen. Eigentlich bin ich hier kein allzu aktives Mitglied. Es tut mir leid für Mitglieder wie sie, aber auch Bekannte wie @Evanesca Feuerblut, die hier in der Vergangenheit queerfeindlich angegangen wurden, dass ihre Stimmen anscheinend lange nicht gehört wurden, nicht genug zumindest, und meine hat plötzlich Gewicht.

Trotzdem will ich @Grey @Maja @Malinche @Maja @Alana dafür danken, dass sie sich hier gleich zu Wort gemeldet und sich nicht erst reflexartig bei mir gerechtfertigt haben. Ich finde es nur richtig und konsequent, dass der Thread von euch archiviert/gelöscht wurde, denn so was kann Schaden anrichten, auch Jahre später. Ihr müsst mir hier nicht mehr ausführlich antworten, weil wir ja schon geschrieben haben, ich habe auch gehört, dass ihr da was tun wollt. Diesen Post mache ich vor allem als Wake-Up-Call für andere Mitglieder.

Zitat von: Krähe am 15. Februar 2021, 18:23:40
Das Deaster reproduziert sich doch gerade erst wieder. Ich denke da auch sehr konkret an einen anderen dir sehr verhassten (und zurecht in der Versenkung verschwundenen) Thread. :ithurtsandstings!:

Als ich meine anderen Kommentare geschrieben habe, kannte ich den Thread noch nicht. Ich habe keinen Überblick, was hier alles bereits in der Vergangenheit vorgefallen ist, aber dein Posting spricht ja Bände. Viele Mitglieder, die damals kommentiert haben, sind zwar heute reflektierter, aber viele sind es auch nicht. Nach wie vor werden Verharmlosungen bezüglich Rassismus gepostet und Betroffene mundtot gemacht. Anscheinend wurde hier die Grenze des Sagbaren jahrelang Stück für Stück verschoben.

Zitat von: Krähe am 15. Februar 2021, 18:23:40
Es ist bezeichnend, dass es Ihnen wichtiger ist, sich hier als Opfer und missverstanden darzustellen, als sich von Ihren rassistischen Aussagen zu distanzieren.

Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

Halt, doch. Ich möchte Danke sagen für die wertschätzenden Kommentare hier, die mir gezeigt haben, dass im TiZi sehr wohl viele Leute unterwegs sind, die sich entwickelt haben und weiterhin entwickeln wollen. Und ich möchte auf das Thread-Thema zurückkommen, Own Voices. Was mich vor allem an dem Thread zur "ethnischen Diversität" schockiert hat, war, dass er zeigte, wie viele der Diskutanten nicht mehr in nichtweißen Figuren sehen konnten als Rassismus.

Da hat man sich auf die Schulter geklopft dafür, nichtweiße Figuren zu haben, die Rassistisches z. B. Slurs sagen, wahrscheinlich die Illusion, subversiv zu sein oder so was, oder die Figuren waren nicht mehr als Plotpoints oder ihre Diskriminierung. Meine anregenden Fragen an euch wären:

Wieso glaubt ihr als weiße Personen, es ist eine gute Sache, dass ihr solche Geschichten erzählt?
Wieso glaubt ihr, etwas zu dem Thema sagen zu können, das die Betroffenen längst nicht gesagt haben oder zukünftig sagen werden?
Warum ist Rassismus das Einzige, was euch in den Sinn kommt, wenn Nichtweißsein thematisiert wird, wieso könnt ihr es nicht in Menschen sehen, die Magier sind oder Könige oder die ein Gasthaus betreiben, als normale Bewohner*innen eurer Fantasy-Welt?

Diese Fragen sind eventuell unangenehm, wenn sie Vorurteile in euch berühren. Aber sie sind essentiell, wenn es darum geht, solche Figuren zu schreiben, und können helfen, die schwierige Frage zu beantworten, welche Geschichten besser Own Voices "gehören" und welche nicht.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Yamuri am 16. Februar 2021, 09:05:42


Ich habe mich bisher nicht geäußert. Das tut mir leid. Ich lerne noch. Das tue ich derzeit, indem ich ganz bewusst nicht aus emotionalen Wellen heraus reagiere, weil ich damit oft alles noch schlimmer mache, obwohl ich helfen möchte. Es tut mir leid, dass ihr euch dadurch allein gelassen gefühlt habt, weil andere geschwiegen haben.

Mich schockieren eure Erlebnisse. Ihr habt euch geöffnet, in dem Vertrauen, dass da Menschen sind, denen ihr euch anvertrauen könnt, ohne Angst haben zu müssen, dass man euch nicht glaubt oder euren Schmerz klein redet. Doch dann wurdet ihr damit konfrontiert, dass genau das passiert ist und niemand eingeschritten ist. Wenn jemand sich öffnet und seinen Schmerz teilt, dann ist es einfach unangebracht diesen Schmerz mit dem von anderen zu vergleichen. Wir wissen alle, dass Ungerechtigkeit in der Welt viele Gesichter hat, aber dieser Thread hat die Ungerechtigkeit zum Thema, mit der PoC auf dem Buchmarkt konfrontiert werden. Darum geht es hier, und das Thema ist komplex genug, da ist kein Platz für andre Themen, denen in eigenen Threads Raum gegeben werden kann, wenn Bedarf besteht.

Generell wäre ein Tipp von mir an alle, denen gegenüber sich jemand öffnet: Wenn jemand seinen Schmerz teilt, einfach mal Inne halten und diesen Schmerz des anderen annehmen, zuhören und keine Vergleiche ziehen. Schmerz darf auch für sich im Raum stehen bleiben und es ist unangemessen den Schmerz eines Menschen zu beurteilen. Der Schmerz ist da, er wird ausgedrückt. Dieser Mensch, der ihn ausdrückt, ist in diesem Moment sehr verletzlich und er zeigt großen Mut, indem er über seinen Schmerz spricht. Menschen, die ihren Schmerz teilen, verdienen es, dass man ihnen zuhört und dass man ihnen in diesem Moment einfach mal eine Schulter zum anlehnen gibt. Nichts weiter, einfach nur den Raum sie selbst sein zu dürfen, ihren Schmerz ausdrücken zu dürfen, ohne Angst, dass man ihnen nicht glaubt oder ihren Schmerz klein redet.

Das ist hier leider passiert. Das ist tragisch und es sollte nicht mehr passieren. Gerade im Internet stoße ich aber immer wieder darauf, dass derartiges passiert, oft weil jemand vorschnell ein Kommentar ablässt, ohne erstmal zu überlegen, ob das was man sagen will a) etwas mit dem Thema zu tun hat und b) an dieser Stelle, in der Weise, in der man es sagen will, angebracht ist, zu Missverständnissen führt oder schlimmstenfalls sehr verletzend ist. Auch mir ist schon passiert, dass ich mich sehr unglücklich ausgedrückt habe, für Verwirrung gesorgt oder andere damit verletzt habe, weil ich mir zu wenig überlegt hatte, wie ich das, was ich eigentlich ausdrücken möchte, so in Worte fasse, dass es auch so verstanden wird, wie ich es meine. Das ist auch einer der Punkte an denen ich arbeite. Denn ich habe hohe Ansprüche an mich, so hohe, dass ich sie leider oft nicht erfüllenkann, aber ich arbeite daran.

Für mich sind PoC kein Gimmick - für mich sind sie tatsächlich Figuren mit denen ich mich besser identifizieren kann und ich freue mich, wenn sie viel Raum bekommen in einer Geschichte. Ich weiß, wie es sich anfühlt ein Außenseiter zu sein, nie dazu zu gehören, einfach keinen Anschluss zu finden. Daher sozialisiere ich mich selbst mit Figuren, die nicht der Norm in einer Geschichte entsprechen.

Deine Fragen @DunkelSylphe finde ich sehr gut. Man sollte sich generell die Frage stellen, welche Wirkung kann mein Text haben und wie kann ich die Wirkung erzielen, die ich gern erzielen möchte.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: phoe am 16. Februar 2021, 09:48:23
Auch ich möchte mich als stille Mitleserin outen, die lieber andere schreiben lässt, als selber etwas zu sagen. Sorry... Das hat Gründe, die ich hier nicht breittreten möchte. Trotzdem sollte mich das nicht davon abhalten, meine Meinung zu sagen, wenn ich etwas unpassend oder ungerecht finde. Ich sollte dann eben nur dreimal drüberlesen und meine Emotionen runterfahren, bevor ich etwas abschicke.

Ich danke euch @Krähe und @DunkelSylphe
Ihr habt viele Dinge gesagt, die mich nachdenklich gestimmt haben. Die mir wieder einmal zeigen, wenn man miteinander spricht und nicht nur übereinader, dann ist ein Füreinander viel leichter.



Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Asterya am 16. Februar 2021, 10:38:54
Danke, @Krähe und @DunkelSylphe , für eure Arbeit, für die Zeit und die Mühen, die ihr hier in die Aufklärung investiert. Und es tut mir leid, dass ihr verletzenden Aussagen ausgesetzt gewesen seid.
Es war falsch von mir, dazu zu schweigen und nur still mitzulesen. Andere haben schon viel besser ausgedrückt, was ich zu dem Thema denke, als ich das kann, aber manchmal macht es auch einfach die Menge an Leuten. Deswegen schließe ich mich meinen Vorgänger*innen an. Ich stehe gegen die rassistischen Aussagen aus einigen Threads hier. Ich wünsche mir, genau wie @Pety ein Miteinander und Füreinander in der Fantasy und zwar sowohl bei Buchfiguren als auch in der schreibenden Community.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Fianna am 16. Februar 2021, 12:43:41
Da er hier bereits von @DunkelSylphe erwähnt wurde und gerade sehr viele Sachbücher empfohlen werden: das Buch Ich bin Linus (https://www.amazon.de/gp/aw/d/B081SJ5D8Q?storeType=ebooks) ist nur heute bei einem Ebook-Deal auf Amazon.
Vielleicht ist das für den einen oder anderen ein Anreiz, sich mit dem Buch zu beschäftigen 
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Kraehe am 16. Februar 2021, 20:01:31
@DunkelSylphe : :knuddel:

Das hier wird meine hoffentlich letzte Wortmeldung in diesem Thread.

Hier ist einiges aufgewühlt worden. Zu recht. Zu spät. Aber immerhin. Und wenn ich sehe, dass der Zirkel jetzt einen - zumindest für den Moment - konstruktiven Umgang damit zu finden scheint, dann war es richtig und wichtig so.

Zitat von: Sunflower am 15. Februar 2021, 19:11:17
Ich habe bis hierher still mitgelesen, weil ich dachte, als weiße Person sollte man manchmal auch einfach den Mund halten und lernen, aber vielleicht war das doch nicht der beste Reflex.
Zu lernen, den Mund zu halten, ist der eine Teil, und in manchen Situationen richtig. Zu lernen, den Mund aufzumachen und Position zu beziehen, ist der zweite und genauso wichtige Part. Nehmt das hier aus der Diskussion mit. Auch nach "da draußen".
Vielleicht können wir dann beim nächsten mal tatsächilich konstruktiv, lösungsorientiert und nicht diskriminierend diskutieren. Wäre schön.

Für mich hat der Thread und die Diskussion jetzt einen Punkt erreicht, an dem ich es erst mal ruhigen Gewissens gut sein lassen kann, nicht weiter aus Frust nachtreten möchte, und auch mal an mich denken kann. Und das tue ich jetzt auch.
Ich kann das, was hier in den letzten Tagen (und auch schon früher) passiert ist, gerade leider nicht einfach so mit einem Schulterzucken abtun. Deswegen werde ich jetzt offline gehen und auch offline bleiben, bis ich wieder genügend Abstand dazu habe. Setzt das, was ihr euch hier vorgenommen habt, bitte in der Zwischenzeit verantwortungsvoll um.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Mondfräulein am 17. Februar 2021, 00:28:01
Mir war tatsächlich gar nicht mehr bewusst, dass das der Thread mit dieser unsäglichen Diskussion war. Ich erinnere mich noch gut daran, habe sie aber wie viele andere Diskussionen auch irgendwie verdrängt. Ich habe mehrere lange, lange Beiträge zum Thema geschrieben und wieder gelöscht. Auf der einen Seite will ich die Diskussion nicht an mich reißen, denn hier gerade geht es um Rassismus und da bin ich einfach nicht betroffen und da spielt meine Meinung keine Rolle. Auf der anderen Seite kennen die meisten hier ja meine Vorgeschichte mit diesem Thema. Der Thread ist jetzt im Archiv, aber das war nicht die einzige kräftezehrende Diskussion hier im Forum.

Ich bin froh darüber, dass wir jetzt darüber reden. Ich sehe, dass sich das Forum in eine positive Richtung entwickelt. Ich hoffe, wir können über die Diskussionskultur im Forum sprechen und etwas verändern. Wir sollten darüber sprechen, wie wir besser zuhören können, vielleicht sollten wir aber auch darüber sprechen, wie wir auf die reagieren, die in solchen Fällen den Mund aufmachen und etwas sagen.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Ary am 17. Februar 2021, 08:57:56
Auch ich oute mich als mütende, stille Mitleserin. Danke @Krähe und danke @DunkelSylphe.
Ich möchte lernen, ich will meine eigenen Fehler erkennen und aktiv daran arbeiten, es in Zukunft besser zu machen. Ich weiß, dass ich als weiße Person mit rassistischen Denkmustern aufgewachsen bin und sicher auch oft unbewusst in diese Denkmuster verfalle. Da will ich raus. Und die Verantwortung dafür liegt bei mir, da muss ich an mir arbeiten. Trotzdem bin ich immer dankbar, wenn ihr mich auf meine Fehler aufmerksam macht.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Maja am 17. Februar 2021, 13:54:47
@Mondfräulein
Zitat von: Mondfräulein am 17. Februar 2021, 00:28:01
Mir war tatsächlich gar nicht mehr bewusst, dass das der Thread mit dieser unsäglichen Diskussion war. Ich erinnere mich noch gut daran, habe sie aber wie viele andere Diskussionen auch irgendwie verdrängt.
In dem Thread hat sich, selbst wenn man die ganz ekligen Rassistensprüche gesondert betrachtet, keiner der Beteiligten mit Ruhm bekleckert. Du warst damals sehr aktiv in dem Thread und hast einige sehr gute und wichtige Sachen dazu beigetragen und andere, die würdest du heute auch sicher nicht mehr so ausdrücken, und ich denke, heute würdest du den rassistischen Kommentaren auch deutlich Widerworte geben.

Wir lernen. Das ist ein Prozess, der gehört dazu, und er tut weh - aber er sollte zur Abwechslung mal uns weg tun und nicht den Leuten, auf deren Rücken dieser Lernprozess überhaupt erst angestoßen wurde. Aber wir müssen uns eben alle kritisch auseinandersetzen mit dem, was wir selbst von uns gegeben haben, auch wenn es schon damals in der Überzeugung passiert ist, dass wir ja die Guten sind und recht haben und unfehlbar sind in unserer moralischen Überlegenheit.

Spaß macht diese Auseinandersetzung damit, was für ein Arsch man war oder immer noch ist nicht, aber darum geht es ja nicht. Nur, dass man nicht lems dazulernen kann, wenn man nicht mit den eigenen Fehlern anfängt. Aus denen der anderen entwickelt man nur einrn falschen Superiority Complex. Wie alle haben eigene Nasen zum dran packen.

Der Thread, den wir dazu in den Interna gepostet haben, ist nicht nur eine Stellungnahme, sondern auch eine Einladung zum Dialog. Wir müssen alle zusammen mitanfassen, um dieses Forum wieder oder besser endlich zu einem Ort zu machen, der sich für alle wie ein warmes Zuhause anfühlt.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Mondfräulein am 17. Februar 2021, 14:16:05
Zitat von: Maja am 17. Februar 2021, 13:54:47
Zitat von: Mondfräulein am 17. Februar 2021, 00:28:01
Mir war tatsächlich gar nicht mehr bewusst, dass das der Thread mit dieser unsäglichen Diskussion war. Ich erinnere mich noch gut daran, habe sie aber wie viele andere Diskussionen auch irgendwie verdrängt.
In dem Thread hat sich, selbst wenn man die ganz ekligen Rassistensprüche gesondert betrachtet, keiner der Beteiligten mit Ruhm bekleckert. Du warst damals sehr aktiv in dem Thread und hast einige sehr gute und wichtige Sachen dazu beigetragen und andere, die würdest du heute auch sicher nicht mehr so ausdrücken, und ich denke, heute würdest du den rassistischen Kommentaren auch deutlich Widerworte geben.

Ehrlich gesagt bin ich mir da nicht so sicher. Ich erinnere mich noch an den Thread und daran, dass die Diskussion unglaublich kräftezehrend war. Selbst für mich und ich bin weiß und erlebe keinen Rassismus. Kati wurde damals ganz am Anfang für einen Beitrag hart angegriffen, den ich eigentlich recht konstruktiv fand. Die Gruppendynamik hat insgesamt sehr dazu beigetragen, dass ich viele Dinge sehr, sehr vorsichtig formuliert habe, nicht weil ich andere nicht angreifen wollte, sondern um mich nicht angreifbar zu machen. Mein Kommentar auf einen sehr rassistischen Kommentar war damals ein Minimalkompromiss, die Alternative war einfach aufzugeben, wie es andere getan haben, weil Gegenstimmen in der Diskussion sofort als toxisch und nicht konstruktiv und respektvoll genug abgetan wurden. Vielleicht drösele ich meine Gedanken dazu irgendwann nochmal ausführlicher auf. Ich freue mich, dass wir diesen Dialog jetzt führen können.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Naudiz am 17. Februar 2021, 15:22:47
Es ist lange her, weshalb ich mich nicht genau erinnern kann, aber ich denke, ich habe in dem Ethnische Diversität-Thread auch einige sehr fragwürdige Aussagen getätigt, für die ich mich heute furchtbar schämen würde. Und auch anderswo im Forum sind sicherlich meine internalisierten Vorurteile durchgeschimmert. Das tut mir sehr leid. Falls irgendjemand sich an so etwas erinnert: Ich weiß, es ist keine gute Entschuldigung, aber ich wusste es schlichtweg nicht besser. Ich habe erst in den letzten fünf Jahren oder so aktiv angefangen, diesen ganzen Müll kritisch zu betrachten und zu entlernen. Und dieser Prozess wird niemals enden, das müssen wir als nicht Betroffene uns bewusst machen. Rassismus wurde uns quasi in die Wiege gelegt, es gibt keinen weißen Menschen, der 100% von sich behaupten kann, in der Hinsicht 'geheilt' zu sein.

Ich möchte mich, wie so viele andere auch, vor allem dafür entschuldigen, nichts gesagt zu haben, wenn mir solche Aussagen aufgefallen sind. Die Gründe sind vielfältig, aber ultimativ läuft es darauf hinaus, dass ich als Ally versagt habe, nur, weil ich nicht das Feuer auf mich ziehen wollte. Ich nehme das für mich als Kritik an und werde daran arbeiten, öfter den Mund aufzumachen und solche Dinge offen zu kritisieren, wenn ich ihnen begegne. (Hier im Forum, ich will ganz ehrlich sein, habe ich oft geschwiegen, weil ich Sorge hatte, dass meine Kritik als Streit anzetteln gewertet wird und ich Ärger mit den Mods bekomme. Doof, ich weiß. Mein Status im Forum sollte nicht wichtiger sein als das Wohlergehen von BIPOC-Mitgliedern.)

Danke, Krähe und DunkelSylphe, dass ihr so offen über all das gesprochen habt. Ich weiß sehr zu schätzen, dass ihr uns belehrt; ich weiß, diese Art Diskussion kann sehr kräftezehrend sein. :knuddel:
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Maja am 17. Februar 2021, 15:32:59
Da der betreffende Thread über sechs Jahre alt ist und nicht mehr einsehbar: Wenn jemand von euch sich aktiv mit dem auseinandersetzen möchte, was er oder sie damals selbst zu dieser Diskussion beigetragen hat (ich selbst wusste zum Beispiel überhaupt nicht mehr, ob ich selbst etwas in dem Thread gepostet hatte): Falls euch das gerade umtreibt, schickt mir oder einem anderen Mod eine PN, und ihr bekommt eine Kopie eurer eigenen Beiträge aus dem Thread. Das sagt nichts mehr darüber, was andere geschrieben haben oder auf welche Post ihr da, wenn nicht wörtlich zitiert, eingegangen seid.

Aber ehe jetzt jemand hier sitzt und in der Grübelspirale ("Was könnte ich damals geschrieben habe, das mir heute leidtut?") landet -wir können nicht ändern, was wir vor sechs Jahren von uns gegeben haben, oder auch nur vor einem, aber wir können unsere Lektionen draus lernen, es heute besser zu machen. Es ist nur ein Thread, er ist exemplarisch und muss nicht der Schlimmste sein, den dieses Forum jemals hatte - ich fürchte, wir werden da noch über einiges stolpern - aber wer sich aktiv mit ihrem/seinem Anteil daran, wie aus einer eigentlich sinnvollen, vernünftigen Ausgangsfrage eine solche rassistische Entgleisung werden konnte, auseinandersetzen möchte: Einfach melden, ich suche die Beiträge raus, falls ihr an diesem Thread beteiligt wart.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Nikki am 17. Februar 2021, 16:21:42
Auch auf die Gefahr hin, meine Kompetenzen als einfaches Mitglied zu überschreiten:

Findet ihr es angebracht, in einem Thread, der eigentlich von Own Voices und Chancengleichheit am Buchmarkt handeln sollte, über einen anderen Thread zu sprechen, in dem überwiegend weiße Personen über nichtweiße Personen/Figuren gesprochen haben und das auf eine völlig untragbare Weise? Ich finde es gut, dass jetzt die Versäumnisse des Forums aufgedeckt wurden, aber ich bezweifle, dass das hier der richtige Ort dafür ist. Ich sage das auch vor dem Hintergrund, dass hier sonst immer penibelst darauf geachtet wird, dass alles am richtigen Ort im Forum ist. Irgendwie ist es bezeichnend, dass eine Diskussion über Own Voices damit endet bzw. einen langen Zwischenstopp dort erreicht, wie sich weiße Personen fühlen.

Würden sich nicht vielmehr Threads anbieten wie "Wie können wir gute Allys sein?" oder/und "Fragwürdige Threads/Stellungnahmen im Forum und wie wir damit umgehen"?
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Maja am 17. Februar 2021, 16:33:30
@Nikki
Wir haben extra das Thema im internen Bereich aufgemacht, damit wir da über das strukturelle Problem sprechen können. Aber dies hier ist der Thread, in dem die Problematik mit dem alten "Ethnien"-Thread aufkam und angesprochen wurde, und da der Thread selbst nicht mehr da ist, ich dann auch hier auf diese Problematik eingegangen bin.

Ein Thread "Wie können wir gute Allys sein" ist eine tolle Idee, aber besser, als mir hier in die Moderation zu grätschen und zu beklagen, dass es diesen Thread noch nicht gibt, mach ihn doch einfach auf.

Zum Rassismusproblem selbst: Bitte nutzt den internen Thread, um auf das Kernproblem einzugehen.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Yamuri am 17. Februar 2021, 16:45:41
Um zum Thema Own Voice und Chancengerechtigkeit auf dem Buchmark zurück zu kommen - was ich in diesem Kontext wichtig finde, ist die Frage: Was kann jeder Einzelne tun, um für Chancengerechtigkeit zu sorgen?

Die beste Möglichkeit, wie ich schon in einem anderen Thread erwähnt habe, ist, so denke ich Bücher von Own Voices zu kaufen, sofern bekannt ist, ob sie Own Voices sind. Denn nicht jeder macht es publik und nicht jede Form des Own Voice ist sichtbar oder wird offen gezeigt. Aber ich denke, indem man Bücher kauft, insbesondere auch von Selfpublisher_innen, die Own Voice sind, kann man auch den Buchmarkt beeinflussen. Wenn die Nachfrage da ist, dann ist der Buchmarkt gezwungen darauf einzugehen und dann kaufen Verlage vielleicht auch mehr Own Voice Romane ein. (Ich spreche hier aber nicht von Sachbüchern, sondern von Own Voice Romanen, also fiktiven Geschichten wie z.B. Children of Blood and Bone von Tomi Adeyemi).

Somit wären wir dann auch wieder beim Thema.  :)
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Naudiz am 17. Februar 2021, 17:58:28
Zitat von: Yamuri am 17. Februar 2021, 16:45:41
Die beste Möglichkeit, wie ich schon in einem anderen Thread erwähnt habe, ist, so denke ich Bücher von Own Voices zu kaufen, sofern bekannt ist, ob sie Own Voices sind. Denn nicht jeder macht es publik und nicht jede Form des Own Voice ist sichtbar oder wird offen gezeigt. Aber ich denke, indem man Bücher kauft, insbesondere auch von Selfpublisher_innen, die Own Voice sind, kann man auch den Buchmarkt beeinflussen. Wenn die Nachfrage da ist, dann ist der Buchmarkt gezwungen darauf einzugehen und dann kaufen Verlage vielleicht auch mehr Own Voice Romane ein.

Die Nachfrage spielt gewiss eine Rolle, aber das Problem ist halt oft, dass Verlage sich trotzdem nicht rantrauen, besonders, weil Own Voices-Medien meines Beobachtens oft eher kritisiert werden als andere Bücher (sei es von nicht marginalisierten Leser*innen oder aus den eigenen Reihen). Und Kritik, selbst wenn sie angebracht ist, hat Abschreckungspotential, sodass Verlage dann oft keine weiteren Bücher in die Richtung haben wollen. Wobei die Thematik wahrscheinlich komplexer ist, als ich sie darstelle; ich kann nur von dem sprechen, was ich persönlich sehe. Nicht ohne Grund sind viele Own Voices-Autor*innen im Selfpublishing. Und nur, weil etwas im SP einen Markt hat, heißt das leider noch lange nicht, dass Verlage ein Stück vom Kuchen abhaben wollen. Da müsste man schon einen SP-Titel zum großen Hit machen, denke ich. Und selbst wenn man dann doch ein Buch bei einem Verlag unterbekommt, dann ist es leider oft der Fall, dass man kein gutes Marketing dafür bekommt, weil, es ist ja irgendwo doch Nische, besser, man steckt da nicht zu viel Geld rein. Und dann hat man schnell einen Teufelskreis.

Ich persönlich unterstütze viele Own Voices-Autor*innen über Plattformen wie Patreon oder Ko-fi. Da ist aber leider das Problem, dass man eben nicht ein komplettes Buch kauft, sondern nur den Prozess unterstützt. So wirklich Chancengleichheit schafft das aber leider nicht. :-\
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Yamuri am 17. Februar 2021, 18:20:44
@Naudiz: Wenn mehr Leute die Bücher kaufen würden und auch positive Rezensionen schreiben, könnte das aber langfristig vielleicht etwas bewirken.  :hmmm:

Was mir allerdings zu deinem Hinweis auf negative Kommentare auch auffällt - leider sind die Deutschen, das ist meine persönliche Wahrnehmung, immer noch extrem konservativ und verbissen was bestimmte Erzählstrukturen und Erzählweisen anbelangt. Es ist aber klar, dass Own Voices, besonders PoC möglicherweise einen neuen, anderen Zugang haben, eine andere Art zu erzählen haben. Ich persönlich mag das. Aber solange die Mehrheit noch festhält an Atlhergebrachtem, ist es schwierig. Ich halte aber SP dennoch für eine Chance mehr Chancengerechtigkeit zu ermöglichen. Gerade hier im TiZi sind viele aufgeschlossen und interessiert. Ich weiß, wenn nur wir PoC und Own Voices generell durch Käufe unterstützen, ist das nicht viel. Aber es ist ein erster Schritt.

Finde das ganz toll, dass du das machst. :) Kannst du mir da Empfehlungen zu Autor_innen geben? Und was ist denn Ko-fi? Davon habe ich noch gar nicht gehört.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Naudiz am 17. Februar 2021, 18:39:02
Zitat von: Yamuri am 17. Februar 2021, 18:20:44
@Naudiz: Wenn mehr Leute die Bücher kaufen würden und auch positive Rezensionen schreiben, könnte das aber langfristig vielleicht etwas bewirken.  :hmmm:

Ich habe gar nicht mehr an Rezensionen gedacht, aber ja, gerade bei den großen Plattformen wie Amazon spielen sie eine große Rolle. Ich glaube, wenn man genug hat, wird man eher beworben? Ich meine, das mal gehört zu haben.

ZitatWas mir allerdings zu deinem Hinweis auf negative Kommentare auch auffällt - leider sind die Deutschen, das ist meine persönliche Wahrnehmung, immer noch extrem konservativ und verbissen was bestimmte Erzählstrukturen und Erzählweisen anbelangt.

Ja, selbiges hier. Wobei der amerikanische Markt jetzt auch nur bedingt besser ist. Es ist schon ein recht umfassendes Problem in der westlichen Welt, meiner Meinung nach.

ZitatFinde das ganz toll, dass du das machst. :) Kannst du mir da Empfehlungen zu Autor_innen geben? Und was ist denn Ko-fi? Davon habe ich noch gar nicht gehört.

Ko-Fi ist eine Plattform, auf der man Künstler mit dem Kauf eines Kaffees unterstützen kann, wobei der Kaffee sinnbildlich für die 3€ einer Standardspende steht (der Preis eines Kaffees im Laden). Der Vorteil von Ko-Fi vs. Paypal ist, dass Ko-Fi keine Gebühren nimmt, der Künstler erhält also das volle Geld.

Ich gebe zu, ich unterstütze momentan nur drei Autor*innen auf Patreon, weil ich nicht gerade in Geld schwimme, und nur eine/r davon ist tatsächlich BIPOC und damit passend zum Thema. Xer Name ist Hajara Mahmud (https://www.patreon.com/duniya), und xe schreibt Fantasy mit Helden, die wie xer schwarz sind. Allerdings auf Englisch.

Ich denke aber nicht, dass Empfehlungen wie diese hierher gehören. Eigentlich wollte ich nur darauf hinweisen, dass es halt auch Autor*innen gibt, die ganz außerhalb des traditionellen Buchmarktes agieren, und viele davon sind auf Patreon vertreten.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Kraehe am 17. Februar 2021, 18:44:54
Zitat von: Mondfräulein am 17. Februar 2021, 00:28:01
Auf der einen Seite will ich die Diskussion nicht an mich reißen, denn hier gerade geht es um Rassismus und da bin ich einfach nicht betroffen und da spielt meine Meinung keine Rolle.
Nein. Wie kannst du am Ende dieser Diskussion noch immer glauben, es wäre egal, dass und wie du zu dem Thema schweigst?

@Nikki: Danke für deinen letzten Beitrag und begründeten Einwand.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Yamuri am 17. Februar 2021, 19:00:22
@Naudiz: Ja, die Empfehlungen gehören wohl eher in den Empfehlungsthread, oder via PN. ;) Danke auf jeden Fall dafür. Ko-Fi scheint mir auch ein gutes Konzept zu sein. Englisch ist für mich zumindest kein Problem (ja, das ist wohl eines meiner Privilegien, dass ich ein Sprachtalent habe :))

Ich denke auch, dass viele Rezensionen dazu führen können, dass man eher beworben wird. Und die Autor_innen werden natürlich auch ermutigt mehr zu schreiben und zu veröffentlichen. :)

ZitatJa, selbiges hier. Wobei der amerikanische Markt jetzt auch nur bedingt besser ist. Es ist schon ein recht umfassendes Problem in der westlichen Welt, meiner Meinung nach.

Ja, leider. Irgendwo habe ich dazu auch mal einen Artikel gelesen. Leider weiß ich nicht mehr wo. Aber auf jeden Fall lohnt sich jeder kleine Schritt, um PoC Sichtbarkeit zu verschaffen. Da fällt mir ein, eigentlich könnte man sich ja als weißer Autor, wenn man PoC Charaktere in seinen Romanen hat nicht nur bewusst mit PoC Autor_innen vernetzen, sondern dann auch Werbung machen in den eigenen Geschichten. Früher hab' ich das in Büchern oft gesehen, dass hinten drin andere Bücher beworben wurden. Sowas könnte man eigentlich auch machen als SPler in Kooperation mit andren SPlern.  :hmmm: Außerdem kann Vernetzung sowieso nicht schaden, weil man von den PoC Autor_innen viel lernen kann über eine gute Darstellungsweise und man sich auch austauschen kann darüber, was sich PoC wünschen.

Es wurde hier ja auch schon erwähnt: Geschichten in denen PoC vorkommen und einfach zum Bestandteil der Welt gehören, ohne dass dies problematisiert wird.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Mondfräulein am 17. Februar 2021, 19:01:20
Zitat von: Krähe am 17. Februar 2021, 18:44:54
Zitat von: Mondfräulein am 17. Februar 2021, 00:28:01
Auf der einen Seite will ich die Diskussion nicht an mich reißen, denn hier gerade geht es um Rassismus und da bin ich einfach nicht betroffen und da spielt meine Meinung keine Rolle.
Nein. Wie kannst du am Ende dieser Diskussion noch immer glauben, es wäre egal, dass und wie du zu dem Thema schweigst?

Das tue ich nicht. Ich habe meinen Beitrag da glaube ich doof formuliert. Es geht mir nicht darum, zu Rassismus zu schweigen und nichts dagegen zu sagen, sondern zur Diskussionskultur im Forum. Weil es solche Diskussionen eben auch zu anderen Themen gab, die mich persönlich betreffen. Wir hatten schrecklich sexistische Aussagen, wir hatten schrecklich queerphobe Aussagen. Wir hatten eine Menge Gaslighting zu diesen Diskussionen von Seiten der Mitglieder und von Seiten der Mods, vieles davon auch nicht öffentlich. Zu all dem habe ich ewig lange Beiträge geschrieben und dann nicht gepostet, weil es mir vorkam, als würde ich die Debatte dadurch an mich reißen, weil es hier um diesen einen Thread ging und nicht um all die anderen. Mit allem, was hier damals passiert ist, ist es aber einfach schwierig für mich, die Themen nicht zu vermischen. Aber ich meinte nicht, dass ich zu Rassismus schweigen will.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt
Beitrag von: Anila am 17. Februar 2021, 19:17:08
Der Zug mag schon ein bißchen abgefahren sein trotzdem möchte ich mich mich noch einreihen in die Gruppe derer, die sich entschuldigen, weil sie zu selten den Mund aufmachen um gegen Rassismus zu kämpfen. Hier im Forum und anderswo.

Der Prozeß des Lernens ist für so mittelalte, "weltoffene" Menschen wie mich gar nicht so einfach. Weil ich denke, dass ich das ja eigentlich alles gar nicht so schlecht mache.
Am meisten hilft mir dabei zuzuhören. So wie dir @Krähe. Über deinen Schmerz zu lesen, den Schmerz und die Wut einer Person, "bei der das doch eigentlich alles gar nicht so schlimm sein kann." Deswegen danke ich dir für die viele Energie, die dich diese und wahrscheinlich auch zukünftige Beiträge gekostet haben/kosten werden.
Titel: Re: Own Voices und Chancengleichheit auf dem Buchmarkt [CN Rassismus]
Beitrag von: Rosentinte am 24. Februar 2021, 09:54:17
Das Moderator*innenteam des Tintenzirkels hat sich entschlossen, diesen Thread zu schließen. Durch rassistische Aussagen und unangemessene Vergleiche wurden in diesem Thread viel Leid verursacht. Leider haben wir als Team in diesem Moment nicht eingegriffen, wofür wir uns noch einmal entschuldigen möchten. Wir werden diesen Thread nicht ins Archiv verschieben, da er einige sehr wichtige und konstruktive Beiträge zum Thema Own Voices und Rassismus enthält. Wir denken aber auch, dass anschließend an die Beiträge in diesem Thread keine Diskussion des eigentlichen Themas mehr möglich ist. Da wir das Thema Own Voices und Repräsentation am Buchmarkt für sehr wichtig erachten, haben wir einen neuen Thread  (https://forum.tintenzirkel.de/index.php?topic=26121.msg1268231#msg1268231)für diese Diskussion eröffnet.