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Antagonistische Kräfte ohne Antagonisten

Begonnen von Shin, 30. August 2012, 06:39:43

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Shin

Danke für die vielen Antworten.
Wie immer: Entschuldigung, wenn ich nicht auf alle Beiträge im Detail eingehe, geholfen haben mir alle.

Spaß habe ich gerade sowieso nicht so wirklich am Schreiben, da gerate ich halt schneller ins Grübeln, als wenn ich von einer Geschichte gefesselt bin.

Dass ich keine Geschichte mit einem Knaller-Anta habe, überrascht mich aber. Ich mag die Bösen eigentlich. Und verdorbene Persönlichkeiten sind toll. Könnte sein, dass die eigentlichen Antagonisten deshalb zu meinen Protas werden.  :hmmm:
Ich bin gespannt, was bei mir heraus kommt, wenn ich mich mal konzentriere und mir eine Idee mit klassischem Prota und Anta überlege.

Beziehungsdramen, du hast mich erwischt, Linda. :innocent:
Die stehen in meinen Geschichten wirklich hoch im Kurs. Beziehungsweise: Ich bin froh, wenns zwischendrin knistert und sie sich am Ende vertragen, ne wirklich richtige Beziehungs-Story...
Fantasy ist mir da aber genauso lieb.
"Sometimes all I'm ever doing is trying to convince myself I'm alive."
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"It's OK, I wouldn't remember me either."         
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Kati

Zitat"Und jetzt? Was habe ich davon mitgenommen? Was war eigentlich der Knackpunkt der Geschichte? Was wollte mir der Autor eigentlich mitteilen?"

Es ist auch ein bisschen eine Fehlannahme, dass der Leser immer unbedingt was "mitnehmen" muss. Wenn er sich gut unterhalten oder von der Geschichte bewegt fühlt, ist das doch genug. Man muss in seine Geschichten doch nicht immer eine große Botschaft oder eine Moral einbauen, damit sie etwas wert ist. Mir ist eine reine Unterhaltungsgeschichte, die ich schnell weglesen kann, lieber, als ein Werk voller großer Gedanken, das ich vor Langeweile nicht zu Ende lese. Ein Buch kann natürlich auch unterhaltsam und tiefsinnig sein, aber egal...

Und bei deinen Ideen sehe ich viel Potential, den Leser zu bewegen. Beziehungsgeschichten eignen sich dafür immer gut, besonders, wenn die Charaktere gut ausgefeilt sind.

Man braucht eben nicht immer einen großen Antagonisten, der händereibend den "Guten" Steine in den Weg legt. Man braucht für manche Geschichten gar keinen Antagonisten. Ein Antagonist könnte auch einfach das Problem sein, das es zu überwinden gibt, es muss nicht immer in dem "Bösen" personifiziert werden. Wichtig ist eher, dass es einen Konflikt gibt und in deinen drei Geschichten sehe ich ganz deutlich Konfliktpotential. Der Konflikt ist demnach dein Antagonist.  ;)

Zurvan

#17
Geschichten funktionieren auch ohne Antagonisten, da scheinen wir uns hier ja ziemlich einig zu sein.
Allerdings fällt mir auf, wenn ich meinen Kopf durchgrase auf, dass diese Konstellationen viel häufiger in Filmen und eben im TV auftauchen als in Büchern. Es sei denn man schaut direkt in den Abteil "Romanze".

Ich finde, aus Naturkatastrophen kann man sehr viel herausholen. Sowas wie der Zeichentrick Magnitude 8.0 hat mich zutiefst beeindruckt. Wo es um ein Geschwisterpärchen in Tokio geht, die gemeinsam eine Roboterausstellung besucht haben und durch ein Erdbeben plötzlich ganz Tokio zerstört wird. Nun versuchen sie durch die ganze Stadt durch zurück nach Hause zu kommen.
Obwohl nicht ein einziges Mal offen Blut fließt und die Menschen wirklich alle sehr ruhig und nett sind, spürt man doch an jeder Ecke Gefahr und oft werden Szenen gezeigt, wo man ganz genau weiß, das es nun vorbei ist und die Kinder wissen es genauso gut. Gesprochen wird darüber aber nicht.
Außerdem weiß man bis zuletzt nicht, ob die Eltern der Beiden überlebt haben, was die Dramakurve natürlich in den Himmel ansteigen lässt. Denselben Effekt kann man auch in Texten erzielen.
Und für Beziehungskonflikte ist immer noch Platz darin.

Ich muss Tinka zustimmen, wenn man zu Leserorientiert schreibt, sodass die eigene Geschichte entfremdet, hat man seine Seele verkauft. Ich würde mich schämen sowas zu veröffentlichen.
Das die Antagonisten zu Protagonisten werden kann gut sein, ich hab noch nie einen strahlenden Helden geschrieben und werde es auch wahrscheinlich nie, weil es mir so gar nicht zusagt.
Mal aus der Sicht eines größenwahninnigen Verfluchten schreiben, der eine Heldengruppe argwöhnisch beobachtet und vernichten will, das hat schon eher was. Fürchte aber, das will niemand lesen. Schreiben, tu ich es trotzdem.

Nebenbei erwähnt finde ich es erstaunlich, dass jemand, der Charakterorientiert schreibt, wenige Charaktere hat. Bei mir sprießen sie wie Pilze aus dem Boden. Oft genug hab ich einem Charakter schon die Rote Karte zeigen müssen, damit er sich nicht einmischt. Dabei habe ich auch keine Sidekicks, die man weglassen könnte. Trotzdem komme ich für Längeres unter 3-6 Charaktere in wichtigen Rollen niemals weg. Wobei ich sagen muss, das manche davon im Schatten agieren und den Protagonisten unterstützen ohne aktiv aufzutauchen.
(Beispiel Hacker, Informanten, dämonischer/himmlischer Paktpartner)

Zit

Was an Charakteren so durch die Welt fleucht und kreucht, ist ja nicht automatisch alles Protagonist.
Character-driven heißt, dass man den Fokus auf wenige Charaktere legt, sie tiefer und stärker entwickelt als die restlichen Figuren -- und dass der Plot im Wesentlichen von diesen spezifischen Charakteren und ihren Wünschen & Handlungen geleitet wird. Und der Hauptkonflikt ist etwas, das für die Protagonisten immens wichtig ist, aber nicht unbedingt für die restliche Welt.
Und, ich persönlich habe auch nicht den Nerv, jedem wichtigen Charakter so eine tiefe Entwicklung angedeihen zu lassen, weil irgendwo mag ich auch keine 1k-Seiter mehr plotten, geschweige denn schreiben müssen. (Und irgendwann würde es mich auch von den Protagonisten ablenken.)
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

canis lupus niger

Zitat von: Shin am 30. August 2012, 08:37:43
Hmm...
Da bleibt für mich noch die Frage: Was erwartet der Leser?

Was DER LESER erwartet, kann nur er selber beantworten. Ich als Leser erwarte von einer Geschichte eine Perspektive, in welche Richtung sich die geschilderte Situation weiter entwickelt. Ob das jetzt Richtung Problemlösung/Happy End oder Tragödie/Weltuntergang ist, wäre mir zunächst zweitrangig. Das bleibt dem Autor überlassen und damit darf er mich gerne überraschen. Entscheidend ist, dass die Entwickling schlüssig und intelligent ausgedacht ist. Es gibt nichts langweiligeres als dass der Gärtner der Mörder ist.