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Unfreiwillige Komik

Begonnen von Coppelia, 05. Februar 2009, 06:58:51

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Coppelia

Mal ein Thema, das wir, glaube ich, noch nicht hatten.

Was ist für euch unfreiwillige Komik? Wie geht es los? Welche Bedingungen sind günstig für die Entwicklung unfreiwilliger Komik? Nennt ein Beispiel. ;)



Linda

#1
Hallo,

für mich ist das vor allem:

übertriebener Schwulst oder Melodramatik, nicht mal nur in der Handlung (aber da auch), sondern im Ausdruck. Adjektive mit der Schneeschippe verteilt und ohne Synonymwörterbuch.

Der mitternachtsblaue Mantel umhüllte dramatisch den bis an die Zähne bewaffneten Krieger in dessen muskelbepackter Seite 8 blaubefiederte Pfeile steckten. Trotz der Wunden und dem pfauenblauen Auge, schleppte er sich seit 28 Tagen ohne köstlich blaues Nass, ohne eine Happen Blaukraut, durch die Enzianberge. Seine Indigo-Augen loderten in blauem Feuer. Über sich nur den stahlblauen Himmel, in sich nur den innigsten Wunsch den lichtblauen Kristall der Aufopferung zu finden, um sein Land vor den schwärenden schwarzen Rittern auf ihren Rapphengsten zu retten ...


Besonders grässlich, wenn so ein Stil außerhalb des Kontextes als "genretypisch" verstanden wird.

Gleich im Bündel dazu:
Helden die Unsägliches und Unmögliches vor allem an Schmerzen und Entbehrungen ertragen. s.o. Medizinische Wunder, gebrochene Beine, auf denen man dennoch laufen kann usw. Das finde ich einfach lächerlich und Fantasy hin oder her, das ist unmenschlich und auf solche hart wie Felsgestein-Typen kann ich verzichten.

Sprachlich da sind es vor allem Redewendungen, die falsch zusammengesetzt oder verwendet werden, die mich auflachen lassen:

Der Halbelf drang derart in den Krieger ein...


statt

Der Halbelf drang in ihn ...

Ersteres ist Sex, zweiteres eindringliche Argumentation. Kleiner Unterschied.

Gruß,

Linda

gefion

Sätze und Ausdrücke, die unfreiwillig eine zweite Bedeutung haben, die überhaupt nicht zum Thema passt.
Ich musste z.B. mal entsetzlich lachen, als sich ein Mann ins Kraushaar fasste - obwohl das sich laut Folgesatz auf dem Kopf befand. Aber es gibt für mich Wörter/Wendungen, die gehören in eine bestimmte Kategorie. Krauskopf nicht ... krauses Haar ist auch okay, aber ins Kraushaar zu fassen würde ich jedem empfehlen, in der Öffentlichkeit zu meiden.

Übertriebene Wörter, Superlative, auch im Satzbau oder in der Erzählung an sich - etwa superschöne superschnell Genesende, finde ich nicht unfreiwillig komisch. Bestenfalls lässt mich das kalt, schlimmstenfalls finde ich es so ärgerlich, dass ich aufhöre zu lesen.

Ich reagiere also am ehesten auf unfreiwilligen Wortwitz und Druckfehler. Längere Passagen hingegen können mich nur dann zum Schmunzeln bringen, wenn das beabsichtigt ist.

LG
Gefion

Julia

#3
Weitere Beispiele: Liebesszenen, die alles andere als anregend sind.  ;D Anscheinend gibt es immer noch genug Autoren, die glauben, das viel auch viel wirkt. Da muss man manchmal Sachen lesen (und ich meine jetzt keine Nackenbeißer-Romane) ...

Bei mir im Schrank liegt immer noch ein historischer Roman, den ich eigentlich zu Recherchezwecken lesen wollte. Als ich ihn in einem unbedachten Moment einmal mittig aufschlug, sprang mir folgender Satz ins Auge:
"Sag jetzt nichts und mach's mir einfach."
Äh, ja. Ich weiß natürlich nicht, welche 300 dramaturgisch hochwichtigen Seiten dieser Äußerung vorausgingen, aber irgendwie hadere ich immer noch mit mir, dieses Buch überhaupt zu lesen.
Nicht, dass ich etwas gegen (gut geschriebene) horizontale Liebesszenen hätte - aber dieser Satz hat bei mir ein mittleres Trauma ausgelöst ...  :gähn:

Abgesehen davon sorgen bei mir aber auch immer wieder Beschreibungen am und ums Pferd für Erheiterung. Da greift der Bösewicht in die Trense (in die Zügel könnte ich ja noch verstehen), die Pferde erwidern sein Starren mit feurigem Blick oder die Dame reitet stolz mit dem Falken auf der einen und den Zügeln in der anderen Hand auf die Jagd (den heute bekannten Damensattel gab es im Mittelalter noch gar nicht - die Damen saßen seitlich auf dem Pferd, die Füße auf einem Brettchen abgestützt. Einwirkung hatten sie dabei keine, die Tiere mussten geführt werden).
Das Ganze läßt sich dann eigentlich nur noch von den Westernsätteln in den Robin-Hood-Filmen toppen ...


Churke

Unfreiwillig komisch?

http://www.bundeskanzlerin.de/nn_46996/Content/DE/Podcast/2008/2008-05-10-Video-Podcast/2008-05-10-video-podcast.html

Unfreiwillige Komik entsteht, wenn der *Komiker* entweder die Wirkung seiner Worte oder seiner Person falsch einschätzt, sprich sich lächerlich macht, oder aber, wenn der *Komiker* unter anderen Wertvorstellungen leidet. Manchmal ist es auch nur der Zeitgeist...


"Äußerst wichtig für die Volkswohlfahrt ist nun doch der Umstand, daß einer frühzeitigen Heirat nach Erfindung des Pessarii cclusivi nichts mehr im Wege steht, weder Krankheit noch Armut. Wenn die Ungunst der Einkommensverhältnisse der Eheleute diesen vorläufig auch noch nicht die Erzeugung von Kinder gestattet, so übt doch an sich die Ehe, indem sie für zwei Menschen den eigenen Herd schafft und sie vor dem Schmutze der Berührung mit der feilen Liebe behütet, einen nicht zu unterschätzenden, sittlich erziehenden Einfluß aus. Frühes Heiraten ist das beste. Es verschafft Keuschheit, erzieht das Gemüt und erhält die Gesundheit."

Platen, Die Neue Heilmethode

eclipse

Mir entlockt es immer ein Schmunzeln, wenn "aus alter Gewohnheit" eifrig Klischees bedient werden. Das hat den Beigeschmack von Parodie oder grauenvoll schlechten, alten, viel zu dick aufgetragenen Sword&Sorcery-Schinken und ich kann es einfach nicht mehr ernst nehmen, selbst wenn es so gemeint ist...
Klassische Beispiele dafür wären Phrasen wie "Tötet sie, tötet sie alle!" oder die berühmten Pfeil- und Kugelhagel-Szenen, in denen alle Bösewichte sterben, während den Helden kein einziges Härchen gekrümmt wird...

Manja_Bindig

Mein Bösewicht.
Stellenweise verhält er sich so schön klischeehaft-undurchsichtig-zwielichtig und ist immer so schön klischeehaft in Halbdunkel getaucht(in meinem Kopf jedenfalls) - und kaum flutscht ihm mal was aus den Fingern, dreht er so durch vor Wut...

Er ist putzig.
Und trotzdem mag ich ihm nciht im Dunkeln begegnen.

Steffi

Ich lese gerade mein Rezensionsexemplar von Darling Jim und stoße haufenweise über unfreiwillige Komik. Dass Morde aus Leidenschaft passieren, kann ich verstehen. Dass es aus alles verbrennender Leidenschaft geschieht, weil jede Frau diesem Gothic-Byronic-Hero-Verschnitt verfällt bleibt im Setting des Romans einfach irgendwie...blöd.
Sic parvis magna

Coppelia

Jetzt hab ich mich noch gar nicht selbst zu dem Thema geäußert. Tut mir Leid. Ich hab das irgendwie verschusselt. :)

Ich finde, eine gewisse Voraussetzung für unfreiwillige Komik ist pathetische (oder kitschige, jedenfalls irgendwie überzogene) Sprache. Je doller die Sprache, desto eher ist etwas komisch. Komisch ist es für mich meist dann, wenn es den Erwartungen irgendwie widerspricht (wobei auch das von pathetischer Sprache ausgedrückt sein muss) oder sie in überzogener Weise erfüllt.
Die Sprache muss zum Inhalt passen.
Sehr schön sind auch unpassende Vergleiche.
Kennt ihr z. B. dem Anfang der Wolfsläufer-Romane von Tara Harper? Da geht es seitenweise unfreiwillig komisch zu, wenn die wunderschöne Heldin verletzt im Wald rumhängt. Man ist ja zuerst noch gewillt, sie ein bisschen zu bedauern, denn immerhin hält sie ihren Bruder für tot, und ihre Verletzung ist sicher schmerzhaft. Aber wenn auf jeder Seite wieder neu mit hochtrabendsten Worten und blumigsten Vergleichen geschildert wird, WIE schmerzhaft ihre Verletzung ist, muss man irgendwann doch eher kichern. Ich fand auch die Vergleiche a la "ihre Akupunkturnadeln lagen überall verstreut wie die Knochen der Toten" sehr misslungen.

Auch das Epos, das ich grad untersuche, hat starke Tendenzen zu unfreiwilliger Komik. Dabei finde ich vor allem die Darstellung von Cato immer sehr lustig. Ich hab ja schon ein paar Mal drüber geschrieben. Man darf eben einfach nicht anfangen, sich die Ereignisse bildlich vorzustellen, dann kann man sie oft nicht mehr recht ernst nehmen. Es gibt z. B. eine Episode, in der Soldaten von Giftschlangen gebissen werden und auf unterschiedliche Art grausam sterben. Es ist auch detailliert beschrieben. Ganz schlimm. Aber spätestens, wenn jemand bei lebendigem Leib weggeätzt wird, bis nur noch ein Schleimklumpen bleibt oder jemand sich aufbläht wie ein Ballon und dann platzt, konnte ich nicht mehr ernst bleiben. Ich sah im Geist eine Art Trickfilm. Manche Dinge sind einfach zu unglaubwürdig.

Ich bin allerdings relativ sicher, dass man durch eine schlichte Sprache unfreiwillige Komik fast völlig vermeiden kann. Was man damit noch nicht kann, ist, dass es komisch wirkt, wenn man es gern hätte.

Ary

Was mich immer wieder den Kopf schütteln lässt, sind wilde Kampfszenen sowohl in Buch als auch Film, aus denen die Bösen entweder gar nicht oder von Kopf bis Fuß schlammbespritzt wider rauskommen und die Helden sehn immer noch aus wie frisch aus dem Stylingsalon. Irgendwer aus meinem Internetbekanntenkreis regte sich mal per Mail darüber auf, dass ihm die Protagonisten in den Herr der Ringe-Filmen zu dreckig waren, insbesondere der Herr Aragorn. Ich fand's endlich mal realistisch dargestellt. Jemand, der sich Waldläufer schimpft und eher selten ein festes Haus um sich hat, KANN einfach nicht picobello sauber sein.

Worüber ich auch nur noch gequält grinsend die Augen verdrehen kann, sind schwülstige Beschreibungen gutaussehender Protagonistinnen, insbesondere, wenn diese blond und blauäugig sind und Vergleiche mit Edelmetallen und blau blühenden Blümchen anfangen (veilchenblaue Augen bringen mich nicht zum Dahinschmelzen, sondern eher dazu, das Buch in die Ecke zu werfen). Schönheitsbeschreibungen wirken, wenn übertrieben, nur noch lächerlich.
Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

Falckensteyn

Schlechte oder nicht sinngemässe Übersetzungen lesen sich oft auch lustig. Ich habe mich letztes Jahr an ein paar Warcraft-Romane gewagt, die ich oft mit einem Schmunzeln las. Der Roman "Tag des Drachen" war sehr zweifelhaft übersetzt. An einen Satz mag ich mich noch sehr gut erinnern:

ZitatDann hatte er ihn.

Gemeint war damit, dass der Anta einen Darsteller in einem Gespräch überführte und durchschaute. Das hätte man anders übersetzen können.

Ary

Dieser Übersetzungsmurks ist einer der Gründe, warum ich in letzter Zeit viel im Original gelesen habe, wenn denn das Original Englisch ist.
Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

Grey

Zitat von: Aryana am 09. Februar 2009, 07:38:50
veilchenblaue Augen bringen mich nicht zum Dahinschmelzen, sondern eher dazu, das Buch in die Ecke zu werfen

Wieso denn? Die wollen doch nur andeuten, dass die Schönheit auch noch ein Raufbold ist und ordentlich einstecken kann, wenn sie gleich auf jedem Auge ein Veilchen hat ;)

Manja_Bindig

@Aryana: übersetzungen - ich erwähne nur das Grauen, das man im ersten Anlauf aus Lynn Flewellings "Nightrunners" gemacht hat. ;_; Das tat wirklich weh - und komisch war es auch nicht mehr. Vor allem, da die Frau ja doch eher spärlich mit Erotik umgeht. Nicht, dass es mich stört, in einem Roman mit Plot ist es eher kontraproduktiv, wenn die Helden von einemBett ins nächste wälzen. Aber das bisschen, was da ist, sollte den geneigten Leser ansprechen und ihnm keine Lachkrämpfe verursachen, weil die Übersetzung so heulig ist.

Wo wir grad von Übersetzungen reden - ich übersetz nebenbei noch eine Geschichte ins deutsche. Und quäle mich immer wieder mit passenden Wortspielereien. Wenn ein Homosexueller z.B. "as straight as a circle" ist, verfluche ich die Deutsche Sprache dafür, nicht ähnlich dezente und ohne Probleme witzig zu gebrauchende Synonyme für "schwul" oder "Hetero" zu besitzen.
Ist zwar nicht SO witzig - die Blüten, die auf der Suche nach einer passenden Forumlierung entstehen, aber schon. (ich hab schon verdammt viele SMARTs und Trabbis von der schnurgeraden Straße in den Graben geschickt und so viele Packungen SMARTIES aufgerissen um zu gucken, ob die bunt oder einheitlich gefärbt sind, es ist wahnsinn.)

Schreiberling

Zitat von: Aryana am 09. Februar 2009, 07:38:50
insbesondere, wenn diese blond und blauäugig sind und Vergleiche mit Edelmetallen und blau blühenden Blümchen anfangen

Nur mir kommt es so vor, als wollten immer mehr Autoren blond-blauäugige Protagonistinnen vermeiden. Stattdessen nehmen sie jetzt einfach dunkelhaarige Mädchen mit braunen Augen. Auf Dauer auch nicht sehr viel besser.