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Allgemeinwissen vs. Fachwissen. Was sollte man nehmen ?

Begonnen von Feuertraum, 16. Januar 2009, 19:41:24

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felis

Das Beispiel mit dem Schimmel finde ich suboptimal - eben weil der weiße Schimmel als Musterbeispiel für einen Pleonasmus auch bei Nichtreitern sehr bekannt ist.

Den Begriff Schwarzschimmel gibts übrigends in der Fachsprache nicht . Der heißt korrekt Rappschimmel. Dann gibts noch Grauschimmel, Rotschimmel (Grundfarbe Fuchs), Falbschimmel usw. Will heißen man kombiniert das Wort -schimmel mit eder ursprünglichen Grundfarbe, solange diese sich (beim jungen Pferd) noch erkennen lässt. Das die Eintragung bei Zuchtverbänden idR relativ jung erfolgt, gibts sehr viel solcher Kombibezeichnungen in den Pferdepapieren. Meine inzwischen vollständig ausgeschimmelte (=weiß gewordene) Stute hat Dunkelbraunschimmel im Papier stehen, da sie als Dunkelbraune geboren wurde. Für den Züchter ist U. U. diese Kombination die Hinweise auf die Ursprungsfarbe gibt interessant, wenn er eine bestimmte Farbe bei dem fohlen erzielen will.

Eine Sonderform ist der Silberschimmel, der einen metallischen Glanz in seinem weißen ell hat und der Fliegenschimmel, der sommersprossenartige Tupfen im weißen Fell hat.
Der Apfelschimmel ist auch eine Sonderform - was Laien oft nicht wissen: die Apfelung kann auch bei anderen Pferdefarben auftreten. Ich z. B. habe eine geapfelte Falbstute.

[gelöscht durch Administrator]

Romy

#16
Gerade habe ich den Begriff Pleonasmus im Wiktionary nachgeschaut und auch dort wurde der "Weiße Schimmel" als Beispiel genannt.
Allerdings würde ich mich an so einer Wortkombination in einem Text überhaupt nicht stören, ganz im Gegenteil. Bisher habe ich eher geglaubt, dass Schimmel grau bzw. gefleckt sind. Nach allem, was die Pferdefreunde in diesem Thread geschrieben haben, wäre das wohl ein Apfelschimmel gewesen, den ich bisher vor Auge hatte, wenn ich "Schimmel" gehört habe ...   :hmmm:
Also, im Fall des Schimmels würde ich - Wiktionary hin oder her - dazu tendieren, die Farbe durch einen Zusatz näher zu bestimmen ...

Allerdings wird im Wiktionary auch das Beispiel "Alter Greis" gebracht. In dem Fall finde ich das "Alter" wirklich überflüssig. Man könnte allenfalls noch das genaue Alter dazuschreiben: "Der siebenundneunzigjährige Greis saß in seinem Schaukelstuhl auf der Veranda."

Im Falle des Karmas würde ich dem Kind einfach einen anderen, fiktiven, selbst erdachten Namen geben. Spätestens dann könnte niemand mehr der Autorin vorwerfen, schlecht recherchiert zu haben etc.  ;D

Ja und nun zur Frage ob nun Fachwissen oder Allgemeinwissen. Da kommt es natürlich auch auf den Einzelfall drauf an, aber allgemein würde ich sagen, dass ich ein Mittelding bevorzuge, also das berühmte "Halbwissen"  ;)
Man darf dem Leser schon zumuten (finde ich), dass auch ein Unterhaltungsroman ihm ein paar neue Details beibringt, die ihn überraschen, aber zu sehr ins Detail gehen würde ich da nicht - es sei denn, es wäre sehr sehr wichtig für den Plot, aber dann müsste man sich eine wirklich gute Methode überlegen, das rüber zu bringen, ohne das es langweilig wird.  :hmmm:

Moni

Ein gutes Beispiel für Romane, die schon mehr in Richtung Fachwissen tendieren, sind für mich immer die Seeromane. Sei es Patrick O'Brian oder C.S.Forester, Herman Melville oder Joseph Conrad: in ihren Romanen wird seemännischer Fachjargon benutzt, ohne das es die Leser stört.
Auch in vielen SF Romanen werden technische Fachbegriffe verwendet und niemand meckert. Im Gegenteil, in diversen Genre ist es schon fast verpönt, keine Fachbegriffe zu nutzen.

In der Fantasy ist es naturgemäß schwerer wirkliche Fachsprache zu verwenden, da die Geschichten einfach in einer anderen Welt spielen, die natürlich auch nicht unsere (teilweise ja durch Traditionen gebildete) Fachsprache zur Verfügung haben.

Wobei ich zum Beispiel dazu tendiere, in Szenen die mit Seefahrt zu tun haben auch die passenden Begriffe zu verwenden, oder auch im Bezug auf Bergbau, Landwirtschaft oder ähnliches so verfahren würde.

Fachsprache darf nicht um ihrere Selbst willen benutzt werden, oder um den Lesern zu zeigen, wie toll doch die Bildung des Autors ist. Fachsprache zum Unterstreichen der Glaubwürdigkeit eines Textes finde ich durchaus positiv.
Deutsch ist die Sprache von Goethe, von Schiller...
und im weitesten Sinne auch von Dieter Bohlen[/i]
Stefan Quoos, WDR2-Moderator

»Gegenüber der Fähigkeit, die Arbeit eines einzigen Tages sinnvoll zu ordnen,
ist alles andere im Leben ein Kinderspiel.«[/i]
Johann Wol

Linda

Hallo,

vor allem finde ich Fachsprache praktisch, wenn es um Synonyme geht. Da führt man das Fachwort gleich im Kontext ein und hat statt einem oder zwei Begriffen damit drei zum abwechseln. Sehr angenehm.
Solange es nicht total abwegige Begriffe sind, ist das, auch zur Unterstreichung der Umwelt, nützlich.

Gruß,

Linda

felis

Moni zustimm. Die Forrester Seeromane hab ich ne Zeitlang verschlungen - und mir dabei einen ordentlichen Wortschatz an nautischen Fachbegriffen zugelegt - Lesen bildet.  ;D

Das verwenden (korrekter) Fachbegriffe unterstreicht das Setting - finde ich. Wenn man sie so einfließen lässt, dass man sich halbwegs vorstellen kann, was gemeint ist, empfinde ich sie auch nicht als störend.
Z. B. ist mir der Unterschied zwischen Marssegel und Bramsegel nicht ganz klar - es geht halt um Segel - wenn ich wirklich wissen wollte, welche es sind könnte ichs immer noch nachschlagen. Aber Käptn Hornblower wirkt halt viel glaubwürdiger, wenn er Marssegel sagt, statt "das Segel an der obersten Querstange" (oder wo auch immer )  ;)

TheaEvanda

Wenn die Fachsprache verständlich ist, nehme ich selbige. Allerdings kann das auch nach hinten losgehen:

Bis vor kurzem pflege ich eine Endlos-Diskussion mit meinem Mann. Es geht um - lang lebe der Adel in der Fantasy - Siegel und Siegelstempel.

Das Siegel ist das Ding aus Wachs, Metall oder Lack, das an Dokument und Faden hängt.
Das Typar ist das Ding, das man in die Siegelmasse drückt, um ein Siegel herzustellen.

Jetzt habe ich die einzelnen Begriffe in meinem Manuskript ordentlich verwendet - nicht zuletzt, weil ein Charakter Herold ist - und jeder einzelne Leser hat es mir um die Ohren gehauen, weil's doch niemand ausser mir Geschichtler verstehen würde. Im Endeffekt habe ich aufgegeben und mittels "Suchen und Ersetzen" jedes Typar mit einem Siegel bzw. Siegelstempel ersetzt. Es ist für den Standard-Leser, der Typar und Siegel nicht unterscheidet, anscheinend ein zu feines Detail.

Zu den Segeln - wollt ihr es wirklich wissen? - das Brahmsegel ist das dritte Rahsegel am Mast, manchmal unterteilt in Ober- und Unterbrahm. Die Marssegel (meist unterteilt in Ober- und Untermars) liegen unter der Brahm und über der Fock (wenn am ersten Mast).

Schoene Gruesse,

Thea
Herzogenaurach, Germany

Tenryu

Ich denke, die eigentliche Frage lautet: was kann man dem modernen, bequemen, TV-geschädigten Leser heute noch zumuten.
Ich gehöre zu den altmodischen Autoren und Lesern, die sich nicht entblöden, auch Wörter zu verwenden, die man ggf. im Wörterbuch nachschlagen kann, (bzw. geniere mich nicht, selbst zuweilen zu selbigem zu greifen). Schließlich soll gute Literatur, selbst wenn sie zur Unterhaltung gehört, den Leser auch ein wenig bilden.
Leider habe ich den Eindruck, daß viele Leute anders denken. Von daher ist das wohl immer eine schwierige Gratwanderung, wie weit man den richtigen Ausdruck verwendet oder lieber eine Umschreibung, die auch der Durchschnitts-Leser versteht.

Im Zwiefelsfall würde ich zum richtigen (Fach-)Ausdruck tendieren. Zur Not kann dann immer noch der Lektor etwas anderes vorschlagen.

Moni

Zitat von: felis am 19. Januar 2009, 22:02:11
Moni zustimm. Die Forrester Seeromane hab ich ne Zeitlang verschlungen - und mir dabei einen ordentlichen Wortschatz an nautischen Fachbegriffen zugelegt - Lesen bildet.  ;D

Ich hab mir dann einfach irgendwann die Bücher meines Vaters über Seemannschaft geschnappt und das Ganze dann noch besser verstanden.  ;D

ZitatIch denke, die eigentliche Frage lautet: was kann man dem modernen, bequemen, TV-geschädigten Leser heute noch zumuten.

Seh ich nicht so, ich ignorier sowas grundsätzlich. Der Leser kann auch mal ein bißchen gefordert werden.  ;)
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und im weitesten Sinne auch von Dieter Bohlen[/i]
Stefan Quoos, WDR2-Moderator

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ist alles andere im Leben ein Kinderspiel.«[/i]
Johann Wol

Grey

Es geht ja bei der Entscheidung Fachwissen vs. Allgemeinwissen nicht nur um die Verwendung von Fachbegriffen. Auch mal einen Fachbegriff zu verwenden, macht noch keinen fachsprachlichen Text aus dem Ding - und ich bin der festen Überzeugung, dass man da, was Verständnis angeht, den Lesern noch genau so viel zumuten kann wie vor fünfzig Jahren. Vielleicht sogar mehr, weil das Nachschlagen dank Tante Wiki jetzt noch viel einfacher ist.
Wenn man aber Fachwissen explizit einbringt, reicht ab einem gewissen Grad auch kein Wörterbuch mehr zur Klärung. Dann muss ein Fachbuch zu Rate gezogen werden. Und das Lesen von Unterhaltungsliteratur soll, wie der Name schon sagt, nun mal vorrangig unterhalten. Ich habe dann zumindest keine Lust, mich erst noch durch ellenlange Glossare zu wühlen, bis ich verstehe, was da eigentlich gerade erklärt wird. Optimal finde ich, wenn man merkt, der Autor hat Ahnung von dem, was er da schreibt - und stellt es gleichzeitig so dar, dass ich als kleines Dummerchen es verstehe, ohne noch lange daran herumkauen zu müssen, bevor die Geschichte weitergeht. ;)

Lomax

Zitat von: Tenryu am 20. Januar 2009, 19:42:31
Ich gehöre zu den altmodischen Autoren und Lesern, die sich nicht entblöden, auch Wörter zu verwenden, die man ggf. im Wörterbuch nachschlagen kann
Ich persönlich bin auch ein Freund vor allem alter und ungebräuchlicher Worte. In aller Regel werden sie aus dem Kontext klar, oder ein Missverständnis ist nicht so wichtig. Und wenn ein Leser sie wirklich nicht versteht und unbedingt wissen will, was es heißt, kann er ja nachschlagen.
  Aber. Bei der Entscheidung zwischen Fach- und Allgemeinwissen geht es meist nicht um Dinge, die der Leser entweder nicht versteht oder nachschlagen kann. Es geht um Dinge, die der Leser falsch versteht, falsch verstehen muss - und bei denen er gar nicht auf die Idee käme, nachzuschlagen. Das ist dann nicht mehr den Leser zu geistiger Leistung ermuntern. Das ist den Leser aufs Glatteis führen. Das sollte man gar nicht tun.
  Also: Wenn man etwas verwendet, bei dem man davon ausgehen muss, dass der Leser es nicht sofort weiß, dann muss das Problem zumindest eindeutig sein sein. Die gemeinte Bedeutung muss aus dem Kontext erschließbar sein, zumindest darf es nicht in missverständlichem Kontext präsentiert werden. Da ist ein unbekannter Ausdruck okay. Aber ein Ausdruck, den jeder kennt, und bei dem jeder zu wissen glaubt, was er bedeutet, dann in einer ungewöhnlichen Neben- und Spezialbedeutung zu verwenden, durch deren Unkenntnis der Leser nur sinnlos verwirrt wird - das wäre beispielsweise nicht mehr okay.

Linda

Zitat von: TheaEvanda am 20. Januar 2009, 16:15:59
Bis vor kurzem pflege ich eine Endlos-Diskussion mit meinem Mann. Es geht um - lang lebe der Adel in der Fantasy - Siegel und Siegelstempel.

Das Siegel ist das Ding aus Wachs, Metall oder Lack, das an Dokument und Faden hängt.
Das Typar ist das Ding, das man in die Siegelmasse drückt, um ein Siegel herzustellen.

ich dachte, das Ding zum Siegeln hieße Petschaft. Und das Wort würde ich auch verwenden, und erwarten, dass ein Leser das eruieren kann oder kennt.
Typar habe ich tatsächlich auch noch nie gehört.

Gruß,

Linda

TheaEvanda

"Typar" ist der Sammelbegriff für alles, das man zum Siegeln benutzt.

Petschaft ist ein Typar mit Griff (Stempel), Siegelring ist ein Typar in Ringform etc.
In meinem Fall hatte jemand sein ererbtes Typar aus der Petschaft ausgehebelt und zu einem Kettenanhänger verwurstelt. Also war "Petschaft" nicht treffend, und nach der x-ten Wiederholung von "Medaille" ging mir das Typar durch.

--Thea
Herzogenaurach, Germany

Linda

Zitat von: TheaEvanda am 21. Januar 2009, 13:16:14
"Typar" ist der Sammelbegriff für alles, das man zum Siegeln benutzt.

Petschaft ist ein Typar mit Griff (Stempel), Siegelring ist ein Typar in Ringform etc.
In meinem Fall hatte jemand sein ererbtes Typar aus der Petschaft ausgehebelt und zu einem Kettenanhänger verwurstelt. Also war "Petschaft" nicht treffend, und nach der x-ten Wiederholung von "Medaille" ging mir das Typar durch.

--Thea
Herzogenaurach, Germany

einen hab ich noch, dann ist es genug ot:

Da hilft nur eins: alle Briefe ganz klassisch mit Schwert- oder Dolchknauf siegeln!
"Hilfe, er greift mich mit einem langen Petschaft an."

Gruß,

Linda