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LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt

Begonnen von Nachtblick, 23. Oktober 2013, 20:51:35

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Maja

Zum Thema Exposee:
Ich erwähne im Exposee nicht, wenn eine Nebenfigur ohne direkten Handlungszusammenhang homosexuell ist. Warum sollte ich? Das interessiert auch keinen Lektor. Wenn es eine Hauptfigur ist oder wirklich plotrelevant, oder beides, dann erwähne ich es in der Plotzusammenfassung, soweit es genug Relevanz hat. So ist in der "Gauklerinsel" z.B. Trosca, der Gegenspieler meines Helden, schwul. Im Exposee tritt er aber auf als das, was er in erster Linie ist: Ein schweinereicher Kaufmann und Verschwörer. Die Szene, in der Roashan sich mit dem falschen Codewort Zutritt zu seinem Haus verschafft und zu Trosca vorgelassen wird, weil die Dienerschaft ihn für einen Strichjungen hält, und in deren Folge Roshan mit einem nur sehr unzureichend bekleideten Herrn Konversation treibt, ohne auch nur einmal zu begreifen, was für ein Missverständnis da vorliegt, liebe ich sehr, aber sie ist nur eine Szene in einem 700-Seiten-Wälzer und muss darum nicht näher thematisiert werden.

Auch im Exposee der "Mohnkinder" wird mit keinem Wort erwähnt, dass Percy im Folgeband eine Affäre mit einem Mann beginnt. Sollte sich ein Verlag ernsthaft für die Geschichte interessieren und ich in dem Zusammenhang darauf zu sprechen kommen, dass es auch schon Fortsetzungen (eine abgeschlossen, zwei in Arbeit) gibt, werde ich diese Konstellation wohl erwähnen müssen, weil es dann durchaus handlungsbestimmend wird, und wenn dann der Verlag davon Abstand nehmen möchte, auch nur den ersten Teil zu machen, muss ich damit leben. Aber ich denke nicht, dass man einen Lektor da vorwarnen müsste. Es ist nicht jeder wieder der Herr G. vom S.-Verlag, den ich da gestern zitiert habe.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Cairiel

#76
Gut geschrieben, Maja. Ich gebe dir recht, das ist auch ein sehr wichtiger Punkt und hat ja auch mit Diversität zu tun. [Nachtrag: Bezieht sich auf deinen Beitrag zum Thema Frauen. Ich schreibe offensichtlich zu langsam.  ;D ]

Ich muss gestehen, ich tendiere in meinen "richtigen" Romanen auch eher zu männlichen Figuren (in Fanfictions oder dergleichen hingegen eher zu weiblichen  :hmmm:). Serrashil, die Heldin meiner Winterchroniken, entstand einzig und alleine deswegen, weil ich jemanden brauchte, der Caraths Geschichte miterlebt, weil ich sie nicht aus seiner Sicht schreiben konnte. Das war damals ihr einziger Daseinsgrund. Ich habe mir grob Gedanken über sie gemacht, damit sie nicht blass wirkt, und ansonsten den Fokus auf meinen anderen Figuren gelassen. Im zweiten Band sollte sie dann vollständig durch Anteram als Protagonist ersetzt werden.

So war der - für mich zugegeben nicht sehr ehrvolle - Plan. Sie hat aber nicht mitgespielt, und dafür bin ich ihr ewig dankbar.  ;D  Auf einmal hat sie Wünsche und Träume und Ziele und Vorlieben und Abneigungen entwickelt, hat sich mit Göttern und Ränkeschmieden angelegt und alle meine Männer in den Hintergrund gedrängt. Weder hat sie sich mit Carath verkuppeln noch durch irgendjemanden ersetzen lassen und jetzt wird sie auch im zweiten Band meine wichtigste Figur bleiben. Sie hat mich davon überzeugt, dass ich mit weiblichen Figuren mindestens so viel anfangen kann als mit männlichen.
Mittlerweile hat sich meine Quote drastisch verbessert und mindestens 50 % aller Heratia-Romane haben eine Protagonistin. Ungeplant. Hat sich einfach so ergeben.

Gerade wenn ich eine Geschichte mit schwulen Figuren schreibe, fällt es mir ebenfalls schwer, Frauen einzubauen. Aber ich habe Arashi aus meinem schwulen NaNo-Roman zu einer Frau gemacht, obwohl ich dafür auf ein Schwulenpärchen und eine Affaire meines Protas verzichten musste, und ich bereue es nicht. Im Gegenteil, es kribbelt aufregend.  ;D  Falls Hao beschließt, trotzdem mit ihr eine Affaire zu beginnen, wird er eben bisexuell. Oder ihr schwuler bester Freund.


Zitat von: Schneeleopardin
Zurück zu meiner Frage - würdet ihr im Exposé oder im Anschreiben eine Anmerkung machen? Ggf. erfährt es der Leser ja irgendwann in der Geschichte, aber irgendwie finde ich es falsch da eine Anmerkung zu machen.
Beim Windkind würde ich es dazuschreiben, weil ... So aus Reflex eben irgendwie.  :hmmm:  Bei dem Roman, den ich derzeit in der Schublade habe, habe ich es tatsächlich nicht dazu geschrieben und mich auch bei ein paar "normalen" Verlagen beworben, die nicht explizit LBGTQ-Themen im Programm haben. Angesprochen worden bin ich darauf niemals, der Ablehnungsgrund war immer ein anderer. Wobei ich mir auch nicht sicher bin, ob das so explizit aus dem Exposé hervorging. *nachles* Hm. Auslegungssache. Es wird zumindest klar, dass sich meine beiden Kerle sehr nahestehen.

Aber du bringst mich mit deiner Frage zum Nachdenken, und das ist gut. Ich glaube, wenn ich mich mit Windkind jemals irgendwo bewerben sollte, dann werde ich es nicht erwähnen.


Zitat von: Maja am 25. Oktober 2013, 21:53:36
Also, ehe das mit der Arbeitsgruppe jetzt missverstanden wird: Die Elterngruppe ist für die Eltern. Die Jugendgruppe ist für die Jugendlichen. Die Manisch Kreastiven sind für die Psychisch Kranken. Die LGBT-Gruppe wäre also für die schwul-lesbische Community des Tintenzirkels, wo weniger literarische, als mehr alltägliche Probleme besprochen werden können. Also keine geschlossene Gruppe für "Wie erstelle ich schwul-lesbische Literatur" - solche Fragen gehören für mich nicht hinter verschlossene Türen, sondern sind etwas, von denen jeder profitieren kann. Meine Bauchschmerzen wegen dieser potenziellen Gruppe ist, dass sie schon wieder zwischen "Wir" und "die anderen" unterscheidet und die Kluft noch weiter vergrößern kann. Auf der anderen Seite ist man als schwul/lesbisch/bisexuelle/trans Person im Alltag Problemen und Anfeindungen ausgesetzt, die andere eben nicht haben, die man nicht im ganzen Forum breittreten möchte, aber für dich es trotzdem gut ist, wenn man jemanden für den gemeinsamen Austausch hat, einfach zum labern.
Oh, dann habe ich dich auch missverstanden. An so einer Gruppe hätte ich kein Interesse, dafür habe ich genügend Austauschmöglichkeiten andernorts und innerhalb des TiZis fühle ich mich nicht einer bestimmten Gruppe zugehörig. Und für einen Austausch diesbezüglich sehe ich persönlich für mich hier keinen Bedarf.

Nachtblick

#77
Ich lese jetzt seit sechs Seiten fast nur mit. Wir beschränken uns hier zwar auf einen kleinen Kreis Diskutierender, aber das ist trotzdem super, und die Meinungen sind ja verschieden genug. ;) Ich muss ganz schnell was dazu loswerden, dass ich die ,,offizielle" Bezeichnung benutze. Ich persönlich sage im Gespräch und in Diskussionen meist Queer-Community, was für mich ein Regenschirm-Wort ist (umbrella term?) und alles abdeckt, ansonsten benutze ich eben LGBT oder LGBTIA. Dass man das nicht aussprechen kann, ist klar, aber bevor man auf Wortschnipsel wie ,,Homo", ,,Gay" und ,,Schwulen-" zurückgreifen muss, dann lieber ,,Queer". Geschrieben ist es da deutlich leichter.
Ich verstehe auch absolut deinen Punkt, Maja, wenn du sagst, dass wir alle Menschen sind und dass die Beschreibungen und Etikette dich stören. Aber da sind eben alle anders, und genauso, wie es Menschen gibt, die stockhetero sind, gibt es Menschen, die stocklesbisch sind. Besonders, wenn man trans* ist, ist es mit ,,wir sind alle Menschen" nicht getan. Die Oberkategorie ist selbstverständlich Mensch – aber meine queere Identität ist ein wichtiger Bestandteil meiner Persönlichkeit, auf den ich stolz bin und den ich auch gern als solchen benenne.
Was eine LGBTIA-Gruppe anginge, hätte ich auch gedacht, es ginge um einen Workshop. Ich finde aber, dass passt gut in diesen Thread, deshalb habe ich das ,,und wie man sie schreibt" dazugepackt.

Und wo ich gerade sowieso kreuz und que(e)r (hahaha) alles aufschreibe, erzähle ich jetzt was über meine Figuren, ignore me!
Mein (ruhender) Fantasyroman hat mehrere queere Paare. Weil er vermutlich drei Bände lang wird, habe ich Platz, um Figuren aus dem gesamten Spektrum zu schreiben. I mean it. Wortwörtlich das ganze Spektrum. In dem dystopischen Kurzroman, den ich im November schreiben werde, ist meine Protagonistin 11 Jahre alt und lebt in einer postapokalyptischen Welt mit Gewehren, wilden Hunden und Gelegenheitskannibalismus. Eines Tages stößt sie im Wald auf einen Mann, der dort an einen Baum gekettet ist. Nach einigem Hickhack befreit sie ihn, und sie teilen sich misstrauisch ein karges Essen. Er erzählt ihr seine Geschichte und sie ihm ihre. Irgendwann fragt er sie, ob sie sich nicht ein Haus mit einem hübschen Mann wünschte. Sie sagt ihm, dass sie mit einer hübschen Frau leben würde, und auch kein Haus, sondern eins in den Bäumen, wo es sicherer ist. Er reagiert nicht im Geringsten überrascht. Ende der Unterhaltung.
(Zugegeben ist die Novelle ein bisschen darauf angelegt, solche Erwartungen nicht zu erfüllen: In dieser Postapokalypse werden auch nicht Frauen gejagt und vergewaltigt und als Sklaven gehalten (wow, Book of Eli, ich kotze immer noch). Jeder hält gleichberechtigt eine Waffe, und jeder muss Angst haben, dass ihm oder ihr etwas passiert. Vergewaltigungen sind verpönt.)

Zum Thema ,,Ins Exposé oder nicht": Ich sitze gerade vor genau dem Problem. Es gibt viele Dinge, die ich an meinem Jugendroman mag und auf die ich stolz bin, aber besonders stolz bin ich darauf, dass ich lesbische, schwule und bisexuelle Figuren habe und dass das Thema Homosexualität als gewöhnlich und akzeptiert behandelt wird, obwohl es 1982 in Amerika spielt (in einem Staat mit Geldstrafen). Ich bin auch stolz auf meine vielen Frauencharaktere (50/50, mit einem Mädchen in der Hauptrolle) und darauf, dass ich nicht nur eine schwarze Person untergebracht habe. Während ich im Exposé natürlich problemlos auf das Frauenverhältnis hinweisen kann, ist es bei Hautfarbe und Sexualität deutlich schwieriger.
Harriet und Schill, die Zieheltern meiner Protagonistin Sofia, sie lesbisch, er schwul, sind eine Zweckehe eingegangen, um Ärger aus dem Weg zu gehen. Harriet hat nebenher eine Fernbeziehung geführt, bis sie in die Brüche gegangen ist, Schill hat später im Buch eine Affäre. Sofia hat kein Problem mit der Sexualität der beiden, und das macht sie auch deutlich.
Die beiden sind zwar nicht die einzigen queeren Charaktere, aber ich habe manchmal ein wenig Kopfschmerzen wegen ihnen, weil sie immerhin als Mann und Frau zusammenwohnen (auch wenn sie nicht verliebt sind, sondern gute Freunde) und als Ehepaar erscheinen. Sie machen zusammen sogar einen besseren Job als die Eltern von Sofias bestem Freund. Ich will auf keinen Fall die Botschaft ,,heirate doch einfach heterosexuell, dann wird sich alles lösen" vermitteln. Schill und Harriet sind unglücklich, obwohl sie Sofia lieben. Am Ende des Romans (so wie es derzeit geplant ist) stimmen sie zu dritt ab, dass sie, wenn Sofia 18 ist, die Stadt verlassen und sich trennen. Sofia wird dann im Endeffekt zwei zu Hause haben, und Harriet und Schill werden Freunde bleiben.

TheaEvanda

Im Expose würde ich nicht-herterosexuelle nur dann erwähnen, wenn der Plot in etwa so aussieht:

Vorher war er sein bester Freund. Nun ist sie perfekt!

Annas Leben beginnt als Mann mit XY-Genen. Sie hat einen besten Freund, Xaver. Irgendwann erkennt nocht- nicht-Anna, dass sie eine Frau im Männerkörper ist, und beginnt den langen Weg zur Frau. Xaver unterstützt sie ohne Vorbehalte. Doch als Anna wirklich Anna wird, ist es um die Freundschaft geschehen. Xaver verliebt sich in seinen besten Freund - und überschreitet die Grenzen zum Stalking. Weder körperlich noch seelisch in der Lage, sich gegen die Übergriffe Xavers zu verteidigen, zieht Anna in eine weit entfernte Stadt und bricht alle Kontakte zu ihrer Familie und ihren alten Freunden ab. Xaver dagegen kann die Niederlage nicht hinnehmen und ...

Ist die sexuelle Orientierung nicht plotrelevant, hat sie nichs im Expose verloren. Meine schattenhaften nicht-hetero-Charaktere wurden auch nur von sehr findigen Lesern ausgemacht. Zugegeben, bei den Auftragsarbeiten bin ich auch immer sehr vorsichtig in der Darstellung. In zwei Schubladenprojekten habe ich Dreiecksbeziehungen zwischen bisexuellen und heterosexuell orientierten Charakteren. Ich gehe nicht davon aus, dass die Projekte wegen der (im Expose nicht explizit erwähnten) Ausrichtung der Charaktere abgelehnt wurden. :D

In diesem Thread lese ich viel von "schlechter" LBGT... - Darstellung. Die kenne ich auch zur Genüge.

Ich habe mal eine Gegenfrage: Welche Standardprobleme hat man als LBGT... in unserer Gesellschaft? Die Schwulen und Transsexuellen in meiner Bekanntschaft erzählen nicht viel von entsprechend gelagerten Problemen - aber sie arbeiten auch im Theater und in der Regie, also in den Zentren der anerkannten Homosexualität in unserer Gesellschaft.

Ursprünglich hielt ich den Thread für einen Ideensteinbruch in Sachen nonkonforme Charaktere. Welche mir unbekannten LBGT... Probleme kann man im Roman thematisieren? Majas Beitrag mit dem dreigeteilten Herzen hat mir ganze Welten eröffnet. Vielleicht könnten auch Andere davon profitieren?

--Thea
Herzogenaurach, Germany


Veldrys

#79
Vic: Es sollte eine Geschichte über den transsexuellen Werwolf geben! Das Thema klingt unglaublich originell!  ;D

TheaEvanda: Welche Probleme hat man als Homosexueller oder Transsexueller in unserer Gesellschaft? Wie ich in einem früheren Beitrag geschrieben habe, ist es, besonders in ländlichen Gebieten, noch immer ein Problem, homosexuell oder transsexuell zu sein. Wenn zum Beispiel in meinem alten Heimatdorf zwei Männer händchenhaltend herumspazierten, würden sie sehr schnell bei allen unten durch sein. Auf jeden Fall würde sehr viel getratscht werden.

Ein schwuler Bekannter meinerseits musste zum Beispiel den Kontakt zu seinen sehr katholischen Eltern abbrechen, weil sie seine sexuelle Orientierung nicht akzeptieren konnte.

Oft scheint es so zu sein, dass die Menschen ein Musterbeispiel an Toleranz sind - solange ihre eigene Familie "normal" ist. Ich habe eigentlich noch keine Eltern erlebt, die freudenstrahlend gerufen haben: "Hurra, mein Kind ist schwul/lesbisch!"

Transsexuelle andererseits werden mit ihrer Aussage, eigenlich den falschen Körper zu haben, nicht immer ernst genommen. Dazu kommt, dass die notwendigen Therapien sehr teuer sein können (allein die vorgeschriebene Psychotherapie kann bis zu 100 Euro pro Sitzung kosten) und dass die Krankenkasse nicht immer alles bezahlt. Besonders für (ältere) transsexuelle Frauen ist es ein Problem, dass man ihnen oft noch die männliche Vergangenheit ansieht. Dazu kommt die Frage, wie man seinem Partner sagt, dass man früher anders aussah und die Tatsache, dass man seine Vergangenheit oft nie ganz los wird.

Es gibt einiges, dass man thematisieren könnte.

Simara

Zitat von: TheaEvanda am 26. Oktober 2013, 11:40:37
Ich habe mal eine Gegenfrage: Welche Standardprobleme hat man als LBGT... in unserer Gesellschaft?

Ich selbst bin nur bei sehr wenigen Personen "geoutet" (Ich hasse dieses Wort...) und gebe daher niemandem die Chance mich für meine Bisexualität zu diskriminieren. Was ich (vor allem früher) sehr belastend fand, war die Tatsache, dass viele Leute in meiner Umgebung sich oft und öffentlich negativ und zum Teil auch beleidigend über Homosexualität geäußert haben- selbst Lehrer und Verwandte. Ich wohne ja eher ländlich, auf meiner Insel, und hier werden solche "heiklen" Themen von den Erwachsenen totgeschwiegen und den Jugendlichen verhöhnt. Dadurch entsteht auch schnell ein gewisses Gefühl der Einsamkeit, weil man das Gefühl hat, als einzige nicht der Norm zu entsprechen, obwohl dass natürlich Blödsinn ist. Doch wenn man keine anderen queeren Jugendlichen in seiner Umgebung hat, kann es schon sehr nerven, wenn die beste Freundin einen verkuppeln möchte und man ihr nicht ins Gesicht sagen kann, dass man in Mitschülerin XY verknallt ist. (Und mir kann keiner Nachsagen, ich hätte nicht versucht besagte Freundin einzuweihen. Aber sie glaubt mir nicht und denkt, es ist ein Scherz...  ::) )




Cairiel

Zitat von: Veldrys am 26. Oktober 2013, 12:18:51
Oft scheint es so zu sein, dass die Menschen ein Musterbeispiel an Toleranz sind - solange ihre eigene Familie "normal" ist. Ich habe eigentlich noch keine Eltern erlebt, die freudenstrahlend gerufen haben: "Hurra, mein Kind ist schwul/lesbisch!"
Es geht aber auch umgekehrt. Wie schon erwähnt war mein Vater ziemlich homophob, bis wir das ausgerauft haben und er mittlerweile - zumindest Homosexuellen gegenüber - ein wenig toleranter ist. Blöde Sprüche von ihm kommen ab und an (bei einem Lespenpaar: "Die macht im Bett bestimmt das Männchen! *auf eine der beiden deut*"  :wums: ), aber im Großen und Ganzen ist es besser mit ihm geworden, weil er einen schwulen Sohn hat.

@ Simara, das klingt ja echt übel ... Vor allem mit deiner Freundin.  :no:  Ich lebe auch auf dem Land und habe damit auch so meine Probleme, aber nicht so schlimm wie du. V. a. meine Freundinnen haben mich recht schnell akzeptiert, bei den Jungs in der Schule musste ich halt mit blöden Kommentaren rechnen, ging aber alles in allem und ich hatte auch männliche Freunde. Nur ab und zu kamen so Dinge, die mich wirklich gestört haben, wie z. B. als ich mit meiner damals besten Freundin spätabends über ein Volksfest schlenderte und plötzlich von ihr (zu mir!) kam: "Iiiih, da knutschen zwei Männer. Ist das abartig! Gehen wir weg ..." Was soll man zu sowas noch sagen?

canis lupus niger

#82
Zitat von: Maja am 25. Oktober 2013, 22:02:54
Ich erwähne im Exposee nicht, wenn eine Nebenfigur ohne direkten Handlungszusammenhang homosexuell ist. Warum sollte ich? Das interessiert auch keinen Lektor. Wenn es eine Hauptfigur ist oder wirklich plotrelevant, oder beides, dann erwähne ich es in der Plotzusammenfassung, soweit es genug Relevanz hat.

Im Exposee ist für Nebensächlichkeiten ohnehin nicht genug Platz, und ich finde es großartig, dass die sexuelle Ausrichtung eines Menschen inzwischen wirklich eine Nebensächlichkeit ist - zumindest, wenn sie nicht plotentscheidend ist, wie in Deinem Beispiel.

In einem von mir sehr geschätzten, neueren Fantasyroman ist ein wichtiger Nebencharakter ein schwuler Schwertkampflehrer, also trotz seiner Homosexualität ein 'richtiger Mann'. Das wäre vor zehn, aber ganz bestimmt noch vor zwanzig Jahren völlig ausgeschlossen gewesen. Heutzutage ist das kein Problem mehr.

Zitat von: Simara am 27. Oktober 2013, 12:41:27
Ich selbst bin nur bei sehr wenigen Personen "geoutet" (Ich hasse dieses Wort...) und gebe daher niemandem die Chance mich für meine Bisexualität zu diskriminieren. Was ich (vor allem früher) sehr belastend fand, war die Tatsache, dass viele Leute in meiner Umgebung sich oft und öffentlich negativ und zum Teil auch beleidigend über Homosexualität geäußert haben- selbst Lehrer und Verwandte. Ich wohne ja eher ländlich, auf meiner Insel, und hier werden solche "heiklen" Themen von den Erwachsenen totgeschwiegen und den Jugendlichen verhöhnt. Dadurch entsteht auch schnell ein gewisses Gefühl der Einsamkeit, weil man das Gefühl hat, als einzige nicht der Norm zu entsprechen, obwohl dass natürlich Blödsinn ist. Doch wenn man keine anderen queeren Jugendlichen in seiner Umgebung hat, kann es schon sehr nerven, wenn die beste Freundin einen verkuppeln möchte und man ihr nicht ins Gesicht sagen kann, dass man in Mitschülerin XY verknallt ist. (Und mir kann keiner Nachsagen, ich hätte nicht versucht besagte Freundin einzuweihen. Aber sie glaubt mir nicht und denkt, es ist ein Scherz...  ::) )

Naja, auf dem Land ist die soziale Entwicklung schon noch ziemlich hinterher. Vermutlich liegt das an der geringen Personenzahl, mit der man sich austauschen und vergleichen kann. Es gibt zu wenige Alternativen zu der vorhandenen Personen und Gruppen. Wer weiß, wer von den  anderen nicht ebenso wie Du sein Päckchen mit sich herumträgt. Nur trauen sie sich nicht, aus dem Gruppenzwang auszubrechen. Das ist der Mechanismus, der Mobbing ermöglicht. Niemand will die Zielscheibe sein, auf die alle anderen sich einschießen. Und "geschossen" wird in jedem Fall, denn man muss ja demonstrieren, dass man selber natürlich NIEMALS aus der Reihe tanzen würden.
Je eingeschränkter die Alternativen sind, desto geringer die Toleranz. Mit diesem Mechanismus habe ich leider auch schon zu tun gehabt.

Naudiz

Zitat von: Judith am 25. Oktober 2013, 21:38:38
Hier möchte ich gern noch einhaken und zwar deshalb, weil ich es interessant finde, dass genau die beiden einmal ein Beispiel dafür liefern, wie man gut mit homosexuellen Figuren umgeht (nämlich im Buch) und einmal ein Beispiel dafür, wie man schlecht mit ihnen umgeht (nämlich in der Serie).
In den Büchern kann man lange lediglich zwischen den Zeilen herauslesen, dass die beiden schwul sind, weil die beiden sich eben nicht nur darüber definieren. Sie sind eben interessante Nebenfiguren, die zufällig schwul sind, ebenso wie viele andere interessante Nebenfiguren eben zufällig heterosexuell sind.
In der Serie hingegen werden sie sofort (und im weiteren Verlauf auch fast ausschließlich) über ihre Sexualität definiert. Dazu wird Loras auch noch sozusagen als Klischee-Schwuler dargestellt - dadurch wird er noch mehr über seine Sexualität definiert und noch weniger als individueller Charakter gezeichnet.
Und was die sexuelle Komponente betrifft: Auch da gebe ich dir im Bezug auf die Serie recht, im Bezug auf die Bücher aber gerade nicht. Ich sage dazu nur: "When the sun has set, no candle can replace it."

Oh, das habe ich irgendwie vergessen, dazuzusagen: Mit Goldauge und Royal meinte ich die Darstellung in der Serie, nicht im Buch.

Malachit

So, dann will ich den illustren Kreis mal mit meinem Senf beglücken.  ;D
Ich gebe zu, ich habe nur die ersten beiden Seiten gelesen und bitte um Verzeihung, falls ich schon Gesagtes wiederhole.

Zuerst einmal möchte ich erwähnen, dass ich erst vor Kurzem zwei Thriller gelesen habe, bei dem die Protagonistinnen lesbisch waren. Bei dem einen Roman spielte das nur am Rande eine Rolle (war nahezu selbstverständlich), bei dem anderen war es für die Handlung wichtig, wobei es dabei im Grunde um das Verlieben in die falsche Person ging. Es geht also.  ;D

Ansonsten muss ich ehrlich sagen, wer, wenn nicht der Autor kann Welten schaffen, in denen die sexuelle Orientierung kein Problem darstellt? Gerade in der Fantasy? Wer Elfen, Trolle, Dämonen usw. zum Leben erwecken kann, hat doch wohl auch die Macht, die Liebe und Zuneigung zu einem Menschen vom Geschlecht unabhängig als wichtig zu erklären.
Wir sind es, die mit dieser Selbstverständlichkeit in unseren Geschichten die Welt vielleicht ein kleines bisschen verändern können.

Ich möchte nicht darüber nachdenken müssen, ob es jetzt passt, wenn mein Prota schwul oder lesbisch oder hetero ist. Viel wichtiger als das mit wem er eine Beziehung hat, ist doch, DASS er eine feste Beziehung hat (oder eben nicht). Denn DAS sagt etwas über seinen Charakter oder sein Leben aus.

Außerdem fände ich die Welt viel schöner, wenn wir auch im realen Leben die Menschen mehr danach beurteilen würden, wie sie sich verhalten und nicht danach, mit wem sie in die Kiste steigen. Denn darauf wird es doch letztendlich bei Homosexuellen reduziert. Wie sagte ich neulich zu meiner Ma... Bei verheiratet Paaren diskutiert doch auch keiner darüber, ob Herr X noch mit seiner Frau regelmäßig GV hat.  :hmhm?:

Und wenn ich jemanden liebe, dann liebe ich den Menschen, denn im Grunde ist Liebe geschlechtsunabhängig. Genauso wie die Liebe zu jedem Menschen anders ist, weil eben auch jeder Mensch anders ist.

Übrigens gibt es mittlerweile Studien, die zeigen, dass nur die wenigsten Menschen rein homosexuell oder rein heterosexuell sind. Die große Mehrheit der Menschen bewegt sich dazwischen, auch wenn sie es nicht wahrhaben wollen (Wen es interessiert, dem kann ich gern den entsprechenden Artikel zukommen lassen).

Im Übrigen ticken mittlerweile auch in manchen Gegenden auf dem Dorf diesbezüglich die Uhren anders. Mein Heimatkaff (100 Einwohner) hat eine lesbische Bürgermeisterin, der Stellvertreter hat sich vor 2 Jahren als schwul geoutet und die Bürgermeisterin wurde von ihrer Freundin für einen Mann verlassen. Wie in einer Seifenoper. Trotzdem wurde sie als Bürgermeisterin gewählt, wobei das schlimmere Manko an ihr eher war, dass sie eine Zugezogene ist, hehehe.
Getratscht wir im Dorf so oder so und wenn du nichts zu bieten hat, denken sich die Tratschweiber eben etwas aus (spreche da aus Erfahrung).

Die Homophobie, die vielerorts anzutreffen ist, hat sicher verschiedene Gründe. Zum einen lässt sich schwer etwas so "plötzlich" als richtig erklären, was jahrhundertelang strafbar war. Mensch fremdelt eben damit. Und dann... glaube ich schon, dass einige schlicht Angst davor haben, selber homosexuelle Gefühle zu haben.

Vorurteile gibt es übrigens nicht nur gegen Homosexuelle, sondern auch von Homosexuellen gegen Bisexuelle. Eine lesbische Freundin meinte mal zu mir "Man müsse sich eben entscheiden." Nee, muss man nicht. Wer sagt das, dass man das muss?

Tja, und in den von uns erfundenen Welten muss man das schon mal gleich gar nicht. Da gilt: Nichts muss, aber alles kann.

Tanrien

Auf meinem tumblr-Dashboard ist endlich mal wieder eine dieser LGBT-Literatur-Listen aufgetaucht, wenn also jemand eine Liste mit Beispielen will... Lesbian Themed Booklists, auch mit so Links zu Listen wie "Asexual Lesbian" oder "Transgender Women in Lesbian Relationships in Fiction" oder "Lesbians in Space".

Bianca Jones

Ich bin wirklich begeistert von dieser sehr interessanten Diskussion! Und muss mich auch mal kurz zur Wort melden.

Schreibtechnisch bin ich wirklich noch eine Anfängerin und stecke noch immer in meinem Erstling; deswegen habe ich jetzt noch keine große Erfahrung in der Erschaffung/Entwicklung von Figuren - kann also da noch nicht von einer Gewichtung sprechen, was sexuelle Orientierung angeht - als (hetero-) Feministin sehe ich mich eher weiblichen Figuren zugetan, obwohl meine männlichen Protas oftmals "stärker" sind, also sich mehr aufdrängen als weibliche Figuren. Was mich schon manchmal nervt... 

Nun führe ich meinen ersten homosexuellen Charakter ein und bin doch beim Schreiben sehr über meine eigenen Klischees gestolpert. Obwohl ich das im "richtigen" Leben immer blöd finde, wenn da von den "schrillen Schwulen" gesprochen wird. Da hat die Diskussion hier viele tolle Fragen aufgeworfen, am meisten fasziniert hat mich die von Maja, warum den selbst in High-Fantasy-Welten Queer-Menschen (um jetzt mal einen Begriff zu nutzen) noch immer Verfolgung ausgesetzt sind. Auch in meiner Welt ist das so (weil es hier ein hohes Ideal der "Familie" gibt) - und ich hab mich das wirkich noch nie gefragt. Sicher liegt das auch daran, dass ich - als Anfängerin - ja immer sehr nach Konflikten suche, um die Geschichte am Laufen zu halten. Aber daran werde ich jetzt noch mal arbeiten und natürlich auch an einer tiefschichtigen Figurendarstellung.

Liebe Grüße!


Kati

Zitat von: Bianca JonesDa hat die Diskussion hier viele tolle Fragen aufgeworfen, am meisten fasziniert hat mich die von Maja, warum den selbst in High-Fantasy-Welten Queer-Menschen (um jetzt mal einen Begriff zu nutzen) noch immer Verfolgung ausgesetzt sind. Auch in meiner Welt ist das so (weil es hier ein hohes Ideal der "Familie" gibt) - und ich hab mich das wirkich noch nie gefragt. Sicher liegt das auch daran, dass ich - als Anfängerin - ja immer sehr nach Konflikten suche, um die Geschichte am Laufen zu halten.

Ich glaube, das liegt auch oft einfach daran, dass man es ohne groß nachzudenken als "normal" einschätzt, dass jeder, der nicht hetero und cis ist, von der Gesellschaft benachteiligt wird. Bei uns ist das so, also denkt man gar nicht um viele Ecken und macht es im eigenen Roman ähnlich, auch, wenn der in einer Fantasywelt angesiedelt ist. Das ist ja auch nicht immer schlecht. Fantasy kann ja auch Gesellschaftskritik sein und, wenn man in einer Fantasywelt versucht, dieses Problem zu lösen, kommen da sicherlich nette Ansätze bei rum, die Menschen zum Nachdenken bringen können. Wenn man es aber nur macht, weil es im echten Leben auch so ist, finde ich das weniger ideal, weil es ja stimmt: Wir idealisieren uns unsere Fantasywelten wie wir wollen, Fabelwesen leben akzeptiert unter Menschen und dergleichen, aber viele können die Muster ihrer eigenen Gesellschaft trotzdem nicht abschütteln.

Das Problem daran, aus LGBTQ-Figuren einen Konflikt zu machen, sehe ich darin, dass es wieder eine Art "Rechtfertigung" ist, wieso diese Figur überhaupt im Roman mitspielen darf. Ich habe letztens erst etwas Ähnliches zu der Verteilung von Hautfarben in Kinderfilmen gelesen. Helden, die nicht weiß sind, werden immer mit dem Setting gerechtfertigt, das Setting ist für die Geschichte unheimlich wichtig, während bei weißen Figuren oft kein bestimmtes Setting angegeben wird, das könnte überall spielen und ist für die Geschichte auch nicht weiter wichtig. Ähnlich ist das mit LGBTQ-Figuren: Wenn sie dabei sind, wird daraus oft ein Konflikt gesponnen, mit dem man sich hinterher rechtfertigen kann, weshalb die Figur überhaupt da ist. Das ist auch alles schön und gut, aber es wäre mal schön mehr Romane und Filme zu haben, in denen die Figuren einfach sind wer sie sind, ohne große Rechtfertigung.

Fianna

Ich habe bei dem Bastei Lübbe Thriller Wettbewerb ein Expose mit einem homosexuellen Mordopfer eingereicht. Ihre Halbschwester schleust sich in ihren Betrieb ein, weil sie sich nicht vorstellen kann, dass ihre Halbschwester Selbstmord begangen habe.
Ein entscheidender Hinweis ist dann die vehemente Meinung der Arbeitskollegen, die sei ja nicht (mehr) homosexuell gewesen - weil jemand einen Mann in ihr Zimmer gehen sah. Natürlich der Mörder, der seinen Medikamentencocktail plazieren musste, damit der Mord wie ein Selbstmord aussieht.
Da der Augenzeuge auch "Selbstmord" begangen hat, ist es für die Protagonistin etwas knifflig, erstmal dahin zu kommen, dass sie weiß, warum diese Meinung (ist doch hetero) vorherrscht, und aus dem Tratsch heraus zu kitzeln, wie der Mann denn ausgesehen haben könnte. Sie kann den Augenzeugen ja nicht mehr selbst fragen.

Das Mordopfer ist auch nur Opfer geworden, weil der Mörder vorher ihre Exfreundin umgebracht hat, und sie ihn durch einen geschenkten Gegenstand mit dem Mörder in Verbindung bringen konnte.

Klingt jetzt so, als wäre die Homosexualität ein großes Ding, aber eigentlich dreht es sich mehr um das Selbstmordmotiv mehrerer Personen, obwohl das in Wirklichkeit alles Morde waren, und die Verdächtigungen und Ängste der Protagonistin, ihre neuen Arbeitskollegin seien kaltblütige Mörder (oder zumindest einer davon).

Aber nachdem ich diesen Thread zur Akzeptanz gelesen habe, kann ich meinem Freund ja mit einem Grund untermauern, warum ich dauernd "Das wird eh nichts!" sage.

Werde das aber wahrscheinlich trotzdem weiter schreiben, weil es ziemlich Spaß gemacht hat. Es spielt in einem Hotel, und ich habe da einen experimentierfreudigen Chefkoch, der sich gerne mit dem Direktor anlegt, weil er meint, man müsse doch mal Molekularküche anbieten, um sich besser zu positionieren. Das durchbricht dann schön Gespräche, die ihr Hinweise hätten geben können. Am Ende überlegt sie, ob die alle unter einer Decke stecken. Natürlich ist der Mörder aber jemand anderes.

Tanrien

Da es in dem Thread ja darum geht, wie man queere Charaktere auch besser schreiben kann und negative tropes vermeidet: Hast du noch andere queere Charaktere, Fianna, möglicherweise Freunde des Mordopfers, etc.? Das wird in deinem Beitrag jetzt nicht so klar und queere Charaktere sind ja schon viel zu häufig Mordopfer, da ist es immer besser (und natürlich realistischer) noch wen einzubauen.