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Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?

Begonnen von Cairiel, 30. Januar 2016, 11:09:33

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Cairiel

Hallo zusammen,

diese Frage beschäftigt mich immer mehr, weswegen ich gerne eure Meinungen dazu hören würde.
Generell heißt es überall, Recherche ist wichtig, muss man ernst nehmen, sich mit den Themen beschäftigen, die der Roman beinhaltet. Und dann lese ich als jemand, der derzeit hauptberuflich mit Pferden arbeitet, ständig Romane, in denen Pferde und Reiterei falsch beschrieben werden. Ständig. Ich habe dieses Thema schon einmal im Kaffeeklatsch angeschnitten, da wurde mir gesagt, der Nicht-Reiter-Autor könnte das ja nicht wissen, und zu meinem Einwand, es hätte mich genau eine kurze Google-Suche gebraucht, um die korrekte Beschreibung herauszufinden, hieß es, viele hätten einfach eine Vorstellung davon, wie Pferde sind und wie das Reiten funktioniert und beschreiben das dann so in ihren Romanen, ohne einen zweiten Gedanken daran zu verschwenden. Ich hatte das Gefühl (subjektiv), dass von mehreren Seiten dem Autor, der das Pferd falsch beschrieben hatte, mehr Verständnis entgegen gebracht wurde als mir, der ich dies bemängelte. Wobei wir uns hier denke ich natürlich alle einig sind, dass es besser ist, den Roman möglichst fachlich korrekt zu schreiben, in jeder Hinsicht. Und natürlich steckt man als Autor nicht in jeder Haut und kann nicht alles wissen.

Ich schreibe gerade an einer Geschichte mit einem Journalisten als Protagonisten. Den Anfang haben jetzt schon ein paar Leute zu Gesicht bekommen und für gut befunden, und nun kommt Franziska daher, die sich mit Journalismus auskennt, und erklärt mir, dass es nicht so wirklich stimmig ist, wie ich den Beruf beschrieben habe. Die bisherigen Leser haben mangels "Fachwissen" nichts daran auszusetzen gehabt.

Natürlich werde ich versuchen, meinen Roman jetzt so umzuschreiben, dass es realistischer und stimmiger ist. Allerdings frage ich mich doch: Was wäre passiert, hätte ich Franziska nicht als Patin gefunden und hätte sich im Überarbeitungsprozess sonst niemand damit ausgekannt, bis hin zum Lektor, falls ich das Manuskript in einem Verlag unterbringen kann? Dann hätte ich den Arbeitsalltag in dem Beruf ziemlich falsch beschrieben. Und es wäre den meisten Lesern nicht aufgefallen. Nur denen, die konkrete Ahnung davon haben. Und mein fauler Schweinehund meldete sich sogleich dazu: Wäre das denn so schlimm gewesen?

Seitdem beschäftigt mich die Frage, wie richtig müssen welche Details in einem Buch eigentlich sein? Bei den Pferden wurde mir schon mehrfach (nicht hier im Forum) gesagt, ich solle mich nicht so haben, der Autor wüsste es halt nicht besser, woher auch? Abgesehen davon, dass man dieses Argument wohl auf vieles anwenden könnte, gibt es aber doch einige Reiter - mehr als Journalisten, wage ich zu behaupten -, die genau merken, dass die "Fakten" falsch sind. Und wenn jetzt da ein Held mit seinem Pferd unterwegs ist und das Vieh benimmt sich einfach permanent komplett unpferdig und falsch, knirscht man als Pferdemensch, der ich nun einmal bin, schon mit den Zähnen.
Wenn ich jedoch den Beruf falsch beschreibe, wird das oftmals fast noch weniger Leuten auffallen, und trotzdem habe ich das Gefühl, wenn ich mich hier im Recherche-Board umsehe, wird darauf deutlich mehr Wert gelegt, selbst wenn das manchmal nur eine nebensächliche Rolle spielt, weil der Prota oftmals nun einmal einen Beruf braucht.

Von daher frage ich mich: Wo zieht man da die Grenze? Warum scheinen manche Sachen in den Augen einiger Autoren relativ okay zu sein (abgesehen davon, dass wir uns hier wie gesagt bestimmt alle einig sind, dass ein Roman so "korrekt" wie möglich sein sollte), und andere wieder komplette No-gos? Wie schlimm ist es, wenn ich etwas aus Laienwissen/-laienvorstellung heraus beschreibe, weil ich mir denke, dass es die allermeisten Leser auch nicht besser wissen werden, und diese Unstimmigkeiten nur "betroffene" Menschen entlarven werden können?
Wenn ich betalese, traue ich mich oft nicht einmal, pferdige Kleinigkeiten anzumerken, weil sind ja nur Kleinigkeiten und ich komme mir da dem Autor gegenüber nervig und überpenibel vor. Mir wurde auch schonmal von einer Autorin (nicht aus dem TiZi) gesagt, das sei doch komplett irrelevant und ihre Pferde würden so passen und Punkt, aus, Ende. Ist ja schließlich Fantasy. Nachdem die Autorin davon abgesehen durchaus Anspruch hat und auch ganz gut und relativ erfolgreich ist für Kleinverlag usw., habe ich angefangen, an mir zu zweifeln. (Und ihre Pferde waren wirklich ausgesprochen "furchtbar" in dem Sinne, dass sie komplett unpferdig waren, und sie waren auch sehr präsent, da es um eine Reise ging. Sie wurden oft beschrieben in Verhalten usw., und es war jedes Mal einfach komplett falsch.)

Natürlich ist das jetzt unabhängig vom Thema, ich habe nur diese als Beispiele herausgegriffen, weil ich sie am eigenen Leib kenne.

Fianna

#1
Hallo Cairiel,

ich finde so etwas sehr wichtig, und würde bei Berufen immer bei jemandem nachhaken, der sich damit auskennt. Im Zweifelsfal nach Fertigstellung des Manuskriptes bei der Pressestelle einer Firma / eines Amtes (und dann wenn es sein muss, Teile des Manuskriptes umschreiben).

Auch Fantasy enthebt den Autor für mich nicht der Recherchepflicht. Ich würde beispielsweise immer genau recherchieren/ausrechnen, wie viel Wegstrecke mit einem trainierten Pferd maximal machbar ist und ansonsten eine Art staatlichen Pass kreieren, der meinem eiligen Boten das Requieren frischer Pferde gestattet. Eine phantastische Variante zum Feuer machen erfinden, wenn die Protagonisten nicht die Fähigkeiten oder die Übung machen, um ein Feuer zu entfachen. [EDIT: Zu solchen Fragen habe ich seit längerer Zeit ein Survivalbuch auf meiner Leseliste, habe aber für die 45 € stattdessen immer anderes gekauft. Wahrscheinlich bestellte ich es erst, wenn ich wirklich mal was nachsehen will.]

Ich schreibe allerdings eher Low Fantasy / S&S, da wird sowieso mehr Wert auf Realitätsnähe gelegt. (Was von manchen Lesern oder Autoren als "metzelig" missverstanden wird, wenn man nur in dem kämpferischen Bereich diesen Realismus hinein nimmt oder wahrnimmt).
Diesen kritischen Blick habe ich aber genau so bei anderen Genres und Medien. Wenn wir einen Filmeabend machen und Charakter meiner Fachrichtun auftauchen, nimmt meine Schwester mir vorher das Versprechen ab, schweigend zu gucken  ;D


Mir würden sicher nur wenige Dinge auffallen, aber was ich interessant finde, bleibt mir im Kopf, und wenn ich später mal jemanden treffe (z.B. einen Journalisten / Journalismusstudent), würde ich mich ärgern und es würde meine persönliche Wertigkeit herab setzen, wenn ich erfahre, dass das alles gar nicht stimmt. Vielleicht würde ich auch davon absehen, das Buch (das mir vorher noch so gefallen hat) zu verschenken oder mein eigenes Exemplar im Bücherschrank aussetzen (je nachdem, wie viele "Fehler" es enthält).

Aber ich bin vielleicht ein bisschen extrem in meiner Bewertung in diesen Punkten. :)

Lothen

#2
Interessante Frage, und nicht ganz leicht zu beantworten.

Ich denke, die meisten dieser "Fehler" entstehen daduch, dass Leute davon ausgehen, sie wüssten genug über ein bestimmtes Thema, um es zu beschreiben, z.B. aus anderen Büchern, Filmen o.ä. Das kann stimmen, kann aber auch ein Trugschluss sein. Als Autor lässt man sich ja auch viel von der eigenen Intuition leiten und beschreibt bestimmte Szenen einfach aus dem Bauch heraus, ohne lange zu überlegen, ob das so auch realistisch ist.

Ich glaube, letztlich ist die Frage nach dem "wie viel" eine Frage des eigenen Strebens nach Perfektion. Ist es mir wichtig, bestimmte Aspekte auch für Profis als realistisch dazustellen, oder gebe ich mich damit zufrieden, die breite Masse anzusprechen?

Man könnte ja einfach eine simple Rechnung aufstellen: Wie viele Personen lesen das Buch und wie viele davon kennen sich möglicherweise perfekt mit einem bestimmten Thema aus, das im Roman thematisiert wird? Das sind in manchen Bereichen vermutlich relativ viele (z.B. Leser mit Schwertkampferfahrung bei einem High-Fantasy-Roman) und in anderen vermutlich eher wenige (z.B. Kriminalbiologen bei einem Thriller). Die Frage, die sich dann hinsichtlich einer Kosten-Nutzen-Rechnung stellt, ist: Wenn von meinen Lesern 3-4 % (wenn überhaupt) bestimmte Recherche-Fehler bemängeln könnten, weil sie Ahnung davon haben, ist es mir das wert, die Zeit zu "opfern"?

Ich glaube, zu viel Recherche kann man nicht betreiben, ich würde persönlich immer darauf achten wollen, Dinge so korrekt wie möglich darzustellen - schon allein, weil ich ja auch meinen Lesern kein falsches Bild einer Berufsgruppe oder eines Hobbys vermitteln will. Allerdings würde ich ein Buch auch nicht in die Ecke werfen, wenn jemand einen bestimmten Fakt inkorrekt darstellt, denn letztlich geht es mir ja darum, unterhalten zu werden. Polizeiarbeit ist so ein Beispiel: Vermutlich ist 90 % davon Papierkram, in einem Krimi oder Thriller wäre es aber ausgesprochen fade, wenn das alles so detailliert ausgeschmückt wäre, wie es sich in der Realität darstellt.

Denamio

Ich glaube das Problem ist eine Art von etablierter Nomenklatur in den jeweiligen Genres. Es sind für mich festgetretene Erwartungen, die auf der einen Seite komplett falsch sind und zugleich zum Genre dazugehören. Sie funktionieren weil hunderte Bücher/Serien/Filme vor einem schon in die gleichen Pfade gewandert sind. Das erreicht dann einen fast schon perversen Punkt, wo das Falsche erwartet wird und das Richtige beim Lesen sauer aufstößt.
Gefühlt ist das dem Leser also egal, wie unrealistisch und verkehrt eine bestimmte Sache ist, solange sie zum etablierten Bild passt. Grundsätzlich finde ich eine gewisse Korrektheit als Anspruch schon wichtig. In der Praxis wird einem da aber viel verziehen, solange man die Spielregeln des Genres beachtet.

Faszinierend wird das Ganze wenn sich im Laufe der Zeit die Nomenklatur ändert. Das ist im Science Fiction momentan sehr stark zu sehen. Da gilt es: Weg von Raumschlachten und Kolonialisierung und hin zu harter Science Fiction mit Massenträgheit und Zentrifugalkraft. Vorher waren Breitseiten etabliert und heute wird die Nase gerümpft, weil sich genug durchgesetzt hat, wie sehr das eigentlich Unsinn ist. Eine ähnliche Bewegung sehe ich im Fantasy Bereich mit den Schwertkämpfen. Hunderte Bücher ließen Schwert auf Schwert klirren, inklusive Funkenflug natürlich. Das gehörte sich einfach so und wurde auch nicht hinterfragt. Mittlerweile regt sich da immer mehr Widerstand gegen diese Art von Kämpfen, weil sich auch hier rumspricht wie wenig Sinn die alte Methode gemacht hat. Im Fantasy ist es noch nicht so stark wie im Science Fiction, aber der Wandel ist glaube ich zu spüren.
Gleiches zeigt sich vielleicht irgendwann auch bei den Pferden, wenn genügend Leute angefangen haben da Sturm zu machen.

Von daher ist die Antwort für mich: Das mit dem Realismus und der Korrektheit ist eine Aushandlung zwischen Leser, Genre und Autor. Bei etablierten Konventionen trumpfen diese mitunter sogar die Wirklichkeit. Korrektes Schreiben ist toll und sollte der Anspruch sein, aber die Genrekonventionen funken da eventuell dazwischen.

Ein wenig zur Beruhigung: In der Soziologie ist das ganze ein spannendes Phänomen was man oft beim Lesen von Zeitungen beobachten kann. Da gibt es eine Art von stillem Vertrauenszuspruch. Journalisten schreiben oft von Themen, in denen sie keine wirkliche Ahnung haben. Computer Experten dreht sich regelmäßig der Magen um, wenn mal wieder ein Artikel über Online Sicherheit auftaucht. DJs meckern wenn ein Artikel das mit einer Playlist abtut. Sie merken in dem Moment: Hey, das stimmt ja garnicht so, da wurde schlampig gearbeitet. Wenn der Artikel nicht richtig ist, wie steht es dann erst mit den anderen? Die Ironie: Keine fünf Seiten weiter hat die Zeitung wieder den Vertrauenszuspruch und die gleiche Person liest weiter als wenn nichts geschehen wäre.

Tigermöhre

Wenn ich über Pferde schreiben würde, und du machst mich auf Fehler aufmerksam würde mich das freuen. Dafür hat man ja auch Betaleser. Damit sie einem die Fehler um die Ohren hauen.
Im Allgemeinen nehme ich Fehler wahr, wenn es aber nur Kleinigkeiten sind, denke ich mir meinen Teil und ignoriere sie dann. Was mich aber wirklich ärgert, ist wenn da grobe Fehler im Setting sind.
Ich habe vor einiger Zeit ein Buch nach dem ersten Kapitel weggelegt, weil die Autorin so überhaupt keine Ahnung hatte. Da holte ein Junge für seine in Wehen liegende Mutter eine Magierin, die sie bei der Geburt begleiten soll. Unterwegs trifft er die Nachbarin und Freundin, die nächsten Tag vorbeikommen will. Auf dem Marktplatz trifft er eine reisende Magierin, die gerade irgendwelche Mittelchen verkauft. Die hat das gesamte Geld für die Saatmittel als Bezahlung genommen, war alleine bei der Frau und erzählte danach dem Vater, er solle nicht reingehen, weil Mutter und Kind schlafen.  Dann war die Mutter tot, das Baby fast tot und ein silberner Kerzenleuchter fehlte. Der große Bruder nahm dann das Baby mit in den Stall und schlief dort mit ihm.
Da fragte ich mich ernsthaft, wo war die Hebamme? Wer hat die Schwangerschaft davor begleitet? (man kann mir nicht erzählen, dass ein Ort mit Marktplatz keine eigene Hebamme hatte.) Warum war die Freundin nicht da? (Geburten liefen früher nicht besonders einsam ab) Warum bezahlen sie einer Wildfremden ihr gesamtes Erspartes? Warum ist der Vater nicht gleich danach reingekommen? Und wie konnte das Baby überleben? Es hat ernsthaft ohne einen Tropfen Muttermilch oder sonstiger Nahrung und stark unterkühlt mindestens den halben Tag und eine ganze Nacht überlebt?
Das ist einfach nur schlecht (oder eher überhaupt nicht) recherchiert.

Asterya

Der von Denamio beschriebene Wandel ist mir auch schon aufgefallen. Gerade in der Science Fiction (Science Fantasy wie Star Wars mal ausgenommen), wo schließlich alles auf irgendeinem wissenschaftlichen Hintergrund fußen sollte, find ich es auch wichtig, dass die Darstellungen dann auch korrekt sind. Gleiches gilt auch für historische Romane.
Beim Thema Fantasy verzeih ich dagegen ziemlich viel. Wenn etwas nicht in unserer Welt spielt, warum sollten dann Pferde, Pflanzen oder Materialien, aus denen Waffen hergestellt werden, genauso sein wie in unserer Welt? Klar, es sollte nicht vollkommen an den Erwartungen vorbei gehen, wenn der Autor "Pferd" schreibt, erwarte ich auch etwas, das sich mit unseren Pferden vergleichen lässt, aber so lange es nur kleine Abweichungen sind, würd es mich nicht stören. Ich habe bisher noch nie ein Fantasybuch aus der Hand gelegt, weil mir zu viele "wissenschaftliche" Fehler aufgefallen sind. Wenn die Geschichte an sich gut ist, die Figuren stimmig, dann stört es mich wenig, wenn etwas falsch dargestellt wird, selbst wenn es ein Thema ist, das mich interessiert.

Wenn ich selbst was schreibe, bin ich jedoch deutlich strenger, zumindest eine kurze Recherche ist ja eigentlich bei den meisten Themen auch ohne großen zeitlichen Aufwand drin. Für meine Reiseszenen hab ich z.B. nachgeguckt, wie viel man mit einem Pferd an einem Tag schaffen kann. Ich "freue" mich auch immer, wenn ich darauf hingewiesen werde, dass etwas nicht passt, dann hab ich ja eine Chance, es besser zu machen.

Bei Berufen würde ich definitiv jemanden fragen, der diesen Beruf ausübt oder darüber recherchieren, gerade wenn der Beruf im Mittelpunkt steht. Dann lockt man ja wahrscheinlich auch einige Vertreter dieser Berufsgruppe als Leser an, die bemerken, ob etwas nicht passt.
You wake up every morning to fight the same demons that left you so tired the night before. And that, my love, is bravery.

HauntingWitch

Diese Frage hat mich auch lange beschäftigt. Ich bin zu dem Schluss gekommen, mich in dieser Hinsicht an King zu halten: "Write what you know." Also, schreibe, was du weisst. Er sagte dazu auch, dass er es nicht als Pauschal-Ratschalg meint und man Themen, über die man nichts oder wenig weiss, deswegen weglassen soll. Aber man muss auch nicht jedes Detail wissen, man kann Dinge auch auslassen. Das zum Einen.

Zum Anderen, der Korrektheit, merke ich, dass ich mich als Leser daran nur teilweise störe. Es stört mich vor allem bei Themen, die mir wichtig sind. Zum Beispiel rege ich mich immer wieder über die völlig verklärte Darstellung sogenannter "Rockstars" (ein Wort, das ich übrigens verabscheue) in Jugendbüchern auf. Das, weil ich einfach so viel über das ganze Business gelesen habe und über die Menschen, die dahinter stehen und daher ebendiese Darstellungen auch bedenklich finde. Das stört mich, weil es ein Thema ist, das mir wichtig ist und mich beschäftigt und über das ich viel weiss. Ich bin aber vermutlich eine der wenigen, der solche Fehler überhaupt auffallen.

Bei anderen Dingen hingegen, stört es mich überhaupt nicht. Ich lese gerade ein tolles Buch von einem gewissen Herr Meyer, in dem eine Darstellung der Schweiz vorkommt. Eine Weg- und Distanzbeschreibung sowie ausführliche Umgebungsbeschreibungen. Nun kenne ich meine Schweiz recht gut und muss sagen: Mensch, ich finde dein Buch super, aber wo die Ecke genau sein soll, musst du mir zuerst zeigen. Aber das habe ich gedacht, als ich die Wegbeschreibung gelesen habe und nun lese ich weiter und es ist mir relativ egal, weil das Buch einfach sonst so super ist.

Daher finde ich aus Autorensicht, dass das Ansichtssache ist. Ich versuche, so genau wie möglich zu recherchieren und die Dinge so gut wie möglich zu beschreiben. Aber wenn ich irgendwo anstehe, dann umschiffe ich das eben oder ich nehme in Kauf, dass der einzige Experte, der das liest, sagt: Du, aber das ist im Fall nicht so. Ich habe einen Vollzeit-Job und einen Single-Haushalt, mir fehlt schlichtweg auch Zeit. In meinem aktuellen Roman kommt eine Orchestermusikerin vor. Ich habe ein Buch über die Organisation eines Orchesters gelesen, mir eine Doku angeguckt und ein wenig nach Klassik-Musikern und ihren Ansichten zu ihrem Job gegoogelt. Ich hoffe, dass ich damit relativ gut abgedeckt bin, aber 100% sicher sein kann ich nicht. Wenn jetzt noch irgendetwas falsch ist, dann ist es das eben Pech, denn irgendwann möchte ich auch noch schreiben können. ;)

Und wie schon gesagt wurde: Viele Leser haben entweder nicht so ein tiefes Wissen über ein bestimmtes Thema oder es kümmert sie nicht so sehr. Ich habe mal an einer Leserunde teilgenommen, bei der eine Expertin dabei war, die einen Fehler der Autorin aufgedeckt hat. Live in der Leserunde! Zuerst dachte ich: Mein Gott, wie schlimm, wenn einem so etwas passiert, das ist total peinlich, da würde ich im Boden versinken. Aber die Leserin hat das Buch letztendlich trotzdem toll gefunden, also war es wohl doch nicht so schlimm.  ;D

PinkPuma

Cairiel, DANKE für diesen Threat! :)

Generell würde ich auch unterschreiben, dass es von den eigenen Ansprüchen des Autors abhängt, wie "reaslistisch" oder "richtig" etwas beschrieben wird. Meine ganz persönliche Meinung ist allerdings, dass es mich richtig aufregt, wenn ich ein Buch lese und merke, dass der Autor keinerlei Ahnung von der Materie hat.

Was du zum Thema "Pferd" schreibst ist mir (als Reiterin) auch schon oft aufgefallen. Und ja, es stört mich enorm.

Nun fragst du nach korrekten Berufsdarstellungen (Journalismus) und ich muss sagen, dass ich es gerade bei Berufen extrem wichtig finde, diese (bzw den Berufsalltag) richtig darzustellen. Warum? Weil es in diesem Falle direkte Auswirkungen auf die Personen hat, die diesen Beruf ausüben, wenn ihre Arbeit in den Medien (Buch aber auch Film) ständig falsch dargestellt wird.

Die meisten hier im Forum wissen ja, dass ich mit einem Polizisten verheiratet bin. Und die meisten werden auch wissen, dass TV-Serien wie "Alarm für Cobra 11" gelinde gesagt nicht unbedingt dem Polizeialltag entsprechen.
Ich höre wahnsinnig oft das Argument "naja, es ist eben die verbreitete Meinung der meisten Leute. Wen stört es denn, wenn Polizeiarbeit unrealistisch dargestellt wird?" Es stört die, die diesen Beruf ausüben und sich täglich mehrmals (!!!) mit Leuten auf der Straße auseinandersetzen müssen, die sich einbilden, ihnen erklären zu können, wie sie ihren Job zu machen haben, weil "ich hab gelesen, dass das so und so geht". Halleluja! Ja, aus mir spricht Sarkasmus und ich bin in dieser Hinsicht vielleicht empfindlicher als andere. Aber kurzum: Ich finde Recherche sehr wichtig und gerade, wenn es um die Darstellung von Berugsalltag geht, finde ich, dass man als Autor, der bewusst Werke in der Öffentlichkeit verbreitet, beinahe schon in der Pflicht ist, sich die Mühe der Recherche zu machen. Denn nur weil die meisten denken, es wäre so und so, kann ich mich als Autor nicht der Recherche entziehen.

OT an Cairiel: Du bekommst ja bald was zum Betalesen von mir. Sollte ich falsche Fakten drin haben, bitte zerreiß den Text in der Luft. Dazu sind Betas da.  ;)

Norrive

Cairiel, ich verstehe deinen Graus mit der Darstellung von Pferden sehr gut - mir geht es immer so mit diversen Dingen aus dem Bereich der klassischen Musik. Ich hab schon das ein oder andere Buch weggelegt, in dem es (zwar nur nebensächlich) um Geigen (und im weiteren Sinne um Musikbusiness, @Witch Rockstars, ich stimme dir SO zu) ging. Völlig an der Realität vorbei.
Allerdings ist klassische Musik ein doch eher seltenes und spezielles Thema, wohingegen Pferde ja gerade in HF oft das Fortbewegungsmittel der Wahl sind.
Für mich ist es wichtig, dass Themen, die einen großen Teil vom Buch ausmachen, sauber recherchiert sind. Ansonsten kann ich bei Nischenthemen auch als Leser ein Auge zudrücken, gerade wenn ich selbst keine Ahnung habe. Ansonsten habe ich es als Leser immer gerne, wenn jemand sich bei speziellen Themen nicht zu sehr in Details verliert, denn dann kann man auch schlechter Fehler machen. Paradebeispiel: "Sie entwaffnete ihn mit einer schnellen Drehung des Handgelenks" vs. "Sie näherte sich ihm und benutzte eine uralte Technik des Aikidos, verlagerte ihr Gewicht, machte einen Schritt, drehte sich um ihre eigene Achse, etc. etc."
Beim ersten Beispiel kann sich jeder darunter etwas vorstellen, bei Beispiel Zwei scheitert oft daran, dass der Autor das selbst noch nie gemacht hat und es daher nicht beschreiben kann. (Davon abgesehen, dass sowas für mich schon fast in Richtung Infodump fällt, und der Autor sich als sehr versiert darstellen will...und wenn man DANN noch Fehler macht ist es für mich vorbei.)

Kurz gesagt, der Rechercheumfang skaliert mit der Wichtigkeit im Buch und der Größe der Nische, aus dem das Thema kommt.

Slenderella

Bei Pferden werd ich auch fuchsteufelswild. Alle "ziehen" immer am Zügel ... halten an, statt dass sie durchparieren, usw.
Nicht mal das Vokabular stimmt bei den meisten Autoren. Dabei ist Reiten echt ein Massensport, irgendwoher kriegt man bestimmt antworten. Zur Not im Reitforum anmelden und Leute fragen. Also, so schwer ist das doch echt nicht.

Ich habe zuletzt ein ganz grässliches Buch mit dem Thema Galopprennen gelesen (hat sogar eine noch fürchterlichere Fortsetzung), wo man gemerkt hat, dass die Autorin ihr Wissen aus Blitz dem schwarzen Hengst hat (was mit Galopprennen so was von falsch umgeht, da wird man als Fachmensch bekloppt vor Raserei).

Mir ist es enorm wichtig, dass ich viel Wissen zu Dingen habe, die Fakten beinhalten. Ich muss zum Glück eher selten recherchieren, weil ich mich da auch an Kings Maxime halte - ich weiß was ich kenne und schlichtweg nie über Autos, oder irgendwelche anderen Dinge schreibe, zu denen ich 0 Ahnung hab - die interessieren mich ja schließlich auch nicht, sonst wüsste ich ja was dazu.

Was den zweiten Weltkrieg angeht, habe ich eine Expertin zur Hand - meine Oma. Die hat den Ausbruch des Krieges live vor Ort mitbekommen in Danzig und hat mir eine Menge Dinge dazu erzählen können. Außerdem ist das ein Thema wo man sich echt schlau googeln kann.

Ich bin sogar so weit gegangen, in meinem Fantasyroman, der 1889 auf deutschen Rennbahnen spielt, sämtliche Starterfelder, Jockeys und Renndaten korrekt zu nennen, weil ich nichts mehr hasse als Faktenuntreue auf dem Gebiet. Dafür musste mir jemand mit Rennkalender aus dieser Zeit assistieren, denn den Kram kann man nicht ergoogeln.

Als Leser finde ich auch nichts schlimmer, als mehr über ein Thema zu wissen als der Autor des Buchs. Nervt mich schon bei Serien (deswegen hab ich auch Spartacus echt gehasst, das hat mich aggressiv gemacht).
Ich brauch noch eine Katze
Und ein Beil wär nicht verkehrt
Denn ich gehe heute abend
Auf ein Splatter-Pop-Konzert

Fianna

Was Pferde angeht, würde ich im Fantasybereich Begriffe wie "durch parieren" vermeiden. Beschreiben musste ich es bisher nicht so detailliert, aber ich würde mir dann mit einer Beschreibung behelfen. Nicht so etwas wie "ziehen" (ausser ich möchte einen schlechten oder groben Reiter darstellen, wo dann Pferd oder Mit-Reiter das zumindest non-verbal bewerten würden), aber eben auch kein klassisches Reitsport-Vokabular.

Guddy

#11
Zitat von: Slenderella am 30. Januar 2016, 16:16:37
Bei Pferden werd ich auch fuchsteufelswild. Alle "ziehen" immer am Zügel ... halten an, statt dass sie durchparieren, usw.
Nicht mal das Vokabular stimmt bei den meisten Autoren.

Die Wortwahl ist für mich ein Grenzfall, da es für mich auch darauf ankommt, aus wessen Sicht erzählt wird und wie viel Detail miteinfließen soll. Mancher Charakter hat selber keine Ahnung und wenn er plötzlich beginnt, mit bestimmten Fachwörtern zu trumpfen, obwohl er noch nie im Leben zuvor ein Pferd gesehen hat... Das ist aber sicher eine Frage der persönlichen Präferenz und des Stils. (edit: Hat sich mit Fianna überschnitten. Sehe ich genau so ;) )

An sich ist mir Korrektheit aber auch sehr wichtig. Falsche Angaben gehören nicht in ein Buch, daher halte ich eine fundierte Recherche für essentiell.

Angela

Nur frage ich mich, ob der 'normale' Leser eines Fantasybuchs mit besonderem Vokabular überhaupt etwas anfangen kann und ob es der Geschichte dient. Mein jetziger Text spielt gerade auf einem großen Segler um 1899, da vermeide ich so einige Ausdrücke, die zwar sachlich richtig wären, aber nur verwirren würden.

Tigermöhre

@Slenderella
Ich muss da den anderen auch zustimmen. Den Begriff "durchparieren" habe ich zwar schon mal gehört, hätte jetzt aber spontan nicht sagen können, was er bedeutet. Wenn ein Roman im Pferdesport spielt, finde ich Fachbegriffe ok, aber in einem normalen Fantasyroman würde ich immer "anhalten" schreiben.

@Angela
Ich finde, da kommt es darauf an, aus wessen Sicht das ist. Wenn es die Sicht eines Matrosens ist, würde ich auch Fachbegriffe nehmen. Wenn es ein unbedarfter Passagier ist, dann würde ich es möglichst einfach halten.

canis lupus niger

Nun ist es ja eine Sache, ob man beim Schreiben über ein Thema aus dem eigenen Fachgebiet nur so mit Fachausdrücken um sich schmeißt, die ein weniger kundiger Leser gar nicht verstehen kann, oder ob man zu einem Thema, von dem man nicht viel weiß, einen fachlichen Fehler nach dem anderen einbaut. Mit Fachausdrücken, die ich nicht kenne, totgeschmissen zu werden, mag ich auch nicht. Ist im Beruf schon immer so schrecklich, wenn alles in Beratersprech-Denglisch ausgedrückt wird und ich in keine Mail lesen kann, ohne mindestens ein Wort nachzuschlagen. Von Unterhaltungsliteratur möchte ich unterhalte werden, und mich nicht als Idiot fühlen müssen.

Aber ebenso schrecklich ist es, wenn man zu einem Thema einen inhaltlichen Fehler nach dem anderen aushalten muss. Ein Graus-Beispiel ist da für mich immer der Autor Peter Freund mit seiner Laura-Reihe. Diese Fantasy-Reihe ist ja ganz offensichtlich für kleine Mädchen geschrieben, nach dem Schema der Harry-Potter-Reihe. Und in diesen Büchern outet sich der Mann als dermaßen unkundig in Sachen Pferde und Reiterei, dass es mich schüttelt. Auch in anderen Themen macht er offensichtlich Fehler, aber darin kenne ich mich nicht so gut aus. Nun ist die Zielgruppe (der kleinen Mädchen) ja anteilig durchaus an Pferdethemen interessiert, so dass es einem sorgfältigen Autor am herzen liegen sollte, sein Wissen nicht nur aus der Bildzeitung und Wildwestfilmen zu holen. Aber offensichtlich IST Peter Freund kein sorgfältiger Autor. Ich denke, das muss jeder Autor sich selber überlegen, wie sorgfältig er schreiben will, und wie sehr er es sich erlauben kann, dummes Zeug abzuliefern.