Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum

Handwerkliches => Workshop => Thema gestartet von: Cairiel am 30. Januar 2016, 11:09:33

Titel: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Cairiel am 30. Januar 2016, 11:09:33
Hallo zusammen,

diese Frage beschäftigt mich immer mehr, weswegen ich gerne eure Meinungen dazu hören würde.
Generell heißt es überall, Recherche ist wichtig, muss man ernst nehmen, sich mit den Themen beschäftigen, die der Roman beinhaltet. Und dann lese ich als jemand, der derzeit hauptberuflich mit Pferden arbeitet, ständig Romane, in denen Pferde und Reiterei falsch beschrieben werden. Ständig. Ich habe dieses Thema schon einmal im Kaffeeklatsch angeschnitten, da wurde mir gesagt, der Nicht-Reiter-Autor könnte das ja nicht wissen, und zu meinem Einwand, es hätte mich genau eine kurze Google-Suche gebraucht, um die korrekte Beschreibung herauszufinden, hieß es, viele hätten einfach eine Vorstellung davon, wie Pferde sind und wie das Reiten funktioniert und beschreiben das dann so in ihren Romanen, ohne einen zweiten Gedanken daran zu verschwenden. Ich hatte das Gefühl (subjektiv), dass von mehreren Seiten dem Autor, der das Pferd falsch beschrieben hatte, mehr Verständnis entgegen gebracht wurde als mir, der ich dies bemängelte. Wobei wir uns hier denke ich natürlich alle einig sind, dass es besser ist, den Roman möglichst fachlich korrekt zu schreiben, in jeder Hinsicht. Und natürlich steckt man als Autor nicht in jeder Haut und kann nicht alles wissen.

Ich schreibe gerade an einer Geschichte mit einem Journalisten als Protagonisten. Den Anfang haben jetzt schon ein paar Leute zu Gesicht bekommen und für gut befunden, und nun kommt Franziska daher, die sich mit Journalismus auskennt, und erklärt mir, dass es nicht so wirklich stimmig ist, wie ich den Beruf beschrieben habe. Die bisherigen Leser haben mangels "Fachwissen" nichts daran auszusetzen gehabt.

Natürlich werde ich versuchen, meinen Roman jetzt so umzuschreiben, dass es realistischer und stimmiger ist. Allerdings frage ich mich doch: Was wäre passiert, hätte ich Franziska nicht als Patin gefunden und hätte sich im Überarbeitungsprozess sonst niemand damit ausgekannt, bis hin zum Lektor, falls ich das Manuskript in einem Verlag unterbringen kann? Dann hätte ich den Arbeitsalltag in dem Beruf ziemlich falsch beschrieben. Und es wäre den meisten Lesern nicht aufgefallen. Nur denen, die konkrete Ahnung davon haben. Und mein fauler Schweinehund meldete sich sogleich dazu: Wäre das denn so schlimm gewesen?

Seitdem beschäftigt mich die Frage, wie richtig müssen welche Details in einem Buch eigentlich sein? Bei den Pferden wurde mir schon mehrfach (nicht hier im Forum) gesagt, ich solle mich nicht so haben, der Autor wüsste es halt nicht besser, woher auch? Abgesehen davon, dass man dieses Argument wohl auf vieles anwenden könnte, gibt es aber doch einige Reiter - mehr als Journalisten, wage ich zu behaupten -, die genau merken, dass die "Fakten" falsch sind. Und wenn jetzt da ein Held mit seinem Pferd unterwegs ist und das Vieh benimmt sich einfach permanent komplett unpferdig und falsch, knirscht man als Pferdemensch, der ich nun einmal bin, schon mit den Zähnen.
Wenn ich jedoch den Beruf falsch beschreibe, wird das oftmals fast noch weniger Leuten auffallen, und trotzdem habe ich das Gefühl, wenn ich mich hier im Recherche-Board umsehe, wird darauf deutlich mehr Wert gelegt, selbst wenn das manchmal nur eine nebensächliche Rolle spielt, weil der Prota oftmals nun einmal einen Beruf braucht.

Von daher frage ich mich: Wo zieht man da die Grenze? Warum scheinen manche Sachen in den Augen einiger Autoren relativ okay zu sein (abgesehen davon, dass wir uns hier wie gesagt bestimmt alle einig sind, dass ein Roman so "korrekt" wie möglich sein sollte), und andere wieder komplette No-gos? Wie schlimm ist es, wenn ich etwas aus Laienwissen/-laienvorstellung heraus beschreibe, weil ich mir denke, dass es die allermeisten Leser auch nicht besser wissen werden, und diese Unstimmigkeiten nur "betroffene" Menschen entlarven werden können?
Wenn ich betalese, traue ich mich oft nicht einmal, pferdige Kleinigkeiten anzumerken, weil sind ja nur Kleinigkeiten und ich komme mir da dem Autor gegenüber nervig und überpenibel vor. Mir wurde auch schonmal von einer Autorin (nicht aus dem TiZi) gesagt, das sei doch komplett irrelevant und ihre Pferde würden so passen und Punkt, aus, Ende. Ist ja schließlich Fantasy. Nachdem die Autorin davon abgesehen durchaus Anspruch hat und auch ganz gut und relativ erfolgreich ist für Kleinverlag usw., habe ich angefangen, an mir zu zweifeln. (Und ihre Pferde waren wirklich ausgesprochen "furchtbar" in dem Sinne, dass sie komplett unpferdig waren, und sie waren auch sehr präsent, da es um eine Reise ging. Sie wurden oft beschrieben in Verhalten usw., und es war jedes Mal einfach komplett falsch.)

Natürlich ist das jetzt unabhängig vom Thema, ich habe nur diese als Beispiele herausgegriffen, weil ich sie am eigenen Leib kenne.
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Fianna am 30. Januar 2016, 11:36:52
Hallo Cairiel,

ich finde so etwas sehr wichtig, und würde bei Berufen immer bei jemandem nachhaken, der sich damit auskennt. Im Zweifelsfal nach Fertigstellung des Manuskriptes bei der Pressestelle einer Firma / eines Amtes (und dann wenn es sein muss, Teile des Manuskriptes umschreiben).

Auch Fantasy enthebt den Autor für mich nicht der Recherchepflicht. Ich würde beispielsweise immer genau recherchieren/ausrechnen, wie viel Wegstrecke mit einem trainierten Pferd maximal machbar ist und ansonsten eine Art staatlichen Pass kreieren, der meinem eiligen Boten das Requieren frischer Pferde gestattet. Eine phantastische Variante zum Feuer machen erfinden, wenn die Protagonisten nicht die Fähigkeiten oder die Übung machen, um ein Feuer zu entfachen. [EDIT: Zu solchen Fragen habe ich seit längerer Zeit ein Survivalbuch auf meiner Leseliste, habe aber für die 45 € stattdessen immer anderes gekauft. Wahrscheinlich bestellte ich es erst, wenn ich wirklich mal was nachsehen will.]

Ich schreibe allerdings eher Low Fantasy / S&S, da wird sowieso mehr Wert auf Realitätsnähe gelegt. (Was von manchen Lesern oder Autoren als "metzelig" missverstanden wird, wenn man nur in dem kämpferischen Bereich diesen Realismus hinein nimmt oder wahrnimmt).
Diesen kritischen Blick habe ich aber genau so bei anderen Genres und Medien. Wenn wir einen Filmeabend machen und Charakter meiner Fachrichtun auftauchen, nimmt meine Schwester mir vorher das Versprechen ab, schweigend zu gucken  ;D


Mir würden sicher nur wenige Dinge auffallen, aber was ich interessant finde, bleibt mir im Kopf, und wenn ich später mal jemanden treffe (z.B. einen Journalisten / Journalismusstudent), würde ich mich ärgern und es würde meine persönliche Wertigkeit herab setzen, wenn ich erfahre, dass das alles gar nicht stimmt. Vielleicht würde ich auch davon absehen, das Buch (das mir vorher noch so gefallen hat) zu verschenken oder mein eigenes Exemplar im Bücherschrank aussetzen (je nachdem, wie viele "Fehler" es enthält).

Aber ich bin vielleicht ein bisschen extrem in meiner Bewertung in diesen Punkten. :)
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Lothen am 30. Januar 2016, 11:50:06
Interessante Frage, und nicht ganz leicht zu beantworten.

Ich denke, die meisten dieser "Fehler" entstehen daduch, dass Leute davon ausgehen, sie wüssten genug über ein bestimmtes Thema, um es zu beschreiben, z.B. aus anderen Büchern, Filmen o.ä. Das kann stimmen, kann aber auch ein Trugschluss sein. Als Autor lässt man sich ja auch viel von der eigenen Intuition leiten und beschreibt bestimmte Szenen einfach aus dem Bauch heraus, ohne lange zu überlegen, ob das so auch realistisch ist.

Ich glaube, letztlich ist die Frage nach dem "wie viel" eine Frage des eigenen Strebens nach Perfektion. Ist es mir wichtig, bestimmte Aspekte auch für Profis als realistisch dazustellen, oder gebe ich mich damit zufrieden, die breite Masse anzusprechen?

Man könnte ja einfach eine simple Rechnung aufstellen: Wie viele Personen lesen das Buch und wie viele davon kennen sich möglicherweise perfekt mit einem bestimmten Thema aus, das im Roman thematisiert wird? Das sind in manchen Bereichen vermutlich relativ viele (z.B. Leser mit Schwertkampferfahrung bei einem High-Fantasy-Roman) und in anderen vermutlich eher wenige (z.B. Kriminalbiologen bei einem Thriller). Die Frage, die sich dann hinsichtlich einer Kosten-Nutzen-Rechnung stellt, ist: Wenn von meinen Lesern 3-4 % (wenn überhaupt) bestimmte Recherche-Fehler bemängeln könnten, weil sie Ahnung davon haben, ist es mir das wert, die Zeit zu "opfern"?

Ich glaube, zu viel Recherche kann man nicht betreiben, ich würde persönlich immer darauf achten wollen, Dinge so korrekt wie möglich darzustellen - schon allein, weil ich ja auch meinen Lesern kein falsches Bild einer Berufsgruppe oder eines Hobbys vermitteln will. Allerdings würde ich ein Buch auch nicht in die Ecke werfen, wenn jemand einen bestimmten Fakt inkorrekt darstellt, denn letztlich geht es mir ja darum, unterhalten zu werden. Polizeiarbeit ist so ein Beispiel: Vermutlich ist 90 % davon Papierkram, in einem Krimi oder Thriller wäre es aber ausgesprochen fade, wenn das alles so detailliert ausgeschmückt wäre, wie es sich in der Realität darstellt.
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Denamio am 30. Januar 2016, 11:58:25
Ich glaube das Problem ist eine Art von etablierter Nomenklatur in den jeweiligen Genres. Es sind für mich festgetretene Erwartungen, die auf der einen Seite komplett falsch sind und zugleich zum Genre dazugehören. Sie funktionieren weil hunderte Bücher/Serien/Filme vor einem schon in die gleichen Pfade gewandert sind. Das erreicht dann einen fast schon perversen Punkt, wo das Falsche erwartet wird und das Richtige beim Lesen sauer aufstößt.
Gefühlt ist das dem Leser also egal, wie unrealistisch und verkehrt eine bestimmte Sache ist, solange sie zum etablierten Bild passt. Grundsätzlich finde ich eine gewisse Korrektheit als Anspruch schon wichtig. In der Praxis wird einem da aber viel verziehen, solange man die Spielregeln des Genres beachtet.

Faszinierend wird das Ganze wenn sich im Laufe der Zeit die Nomenklatur ändert. Das ist im Science Fiction momentan sehr stark zu sehen. Da gilt es: Weg von Raumschlachten und Kolonialisierung und hin zu harter Science Fiction mit Massenträgheit und Zentrifugalkraft. Vorher waren Breitseiten etabliert und heute wird die Nase gerümpft, weil sich genug durchgesetzt hat, wie sehr das eigentlich Unsinn ist. Eine ähnliche Bewegung sehe ich im Fantasy Bereich mit den Schwertkämpfen. Hunderte Bücher ließen Schwert auf Schwert klirren, inklusive Funkenflug natürlich. Das gehörte sich einfach so und wurde auch nicht hinterfragt. Mittlerweile regt sich da immer mehr Widerstand gegen diese Art von Kämpfen, weil sich auch hier rumspricht wie wenig Sinn die alte Methode gemacht hat. Im Fantasy ist es noch nicht so stark wie im Science Fiction, aber der Wandel ist glaube ich zu spüren.
Gleiches zeigt sich vielleicht irgendwann auch bei den Pferden, wenn genügend Leute angefangen haben da Sturm zu machen.

Von daher ist die Antwort für mich: Das mit dem Realismus und der Korrektheit ist eine Aushandlung zwischen Leser, Genre und Autor. Bei etablierten Konventionen trumpfen diese mitunter sogar die Wirklichkeit. Korrektes Schreiben ist toll und sollte der Anspruch sein, aber die Genrekonventionen funken da eventuell dazwischen.

Ein wenig zur Beruhigung: In der Soziologie ist das ganze ein spannendes Phänomen was man oft beim Lesen von Zeitungen beobachten kann. Da gibt es eine Art von stillem Vertrauenszuspruch. Journalisten schreiben oft von Themen, in denen sie keine wirkliche Ahnung haben. Computer Experten dreht sich regelmäßig der Magen um, wenn mal wieder ein Artikel über Online Sicherheit auftaucht. DJs meckern wenn ein Artikel das mit einer Playlist abtut. Sie merken in dem Moment: Hey, das stimmt ja garnicht so, da wurde schlampig gearbeitet. Wenn der Artikel nicht richtig ist, wie steht es dann erst mit den anderen? Die Ironie: Keine fünf Seiten weiter hat die Zeitung wieder den Vertrauenszuspruch und die gleiche Person liest weiter als wenn nichts geschehen wäre.
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Tigermöhre am 30. Januar 2016, 14:19:02
Wenn ich über Pferde schreiben würde, und du machst mich auf Fehler aufmerksam würde mich das freuen. Dafür hat man ja auch Betaleser. Damit sie einem die Fehler um die Ohren hauen.
Im Allgemeinen nehme ich Fehler wahr, wenn es aber nur Kleinigkeiten sind, denke ich mir meinen Teil und ignoriere sie dann. Was mich aber wirklich ärgert, ist wenn da grobe Fehler im Setting sind.
Ich habe vor einiger Zeit ein Buch nach dem ersten Kapitel weggelegt, weil die Autorin so überhaupt keine Ahnung hatte. Da holte ein Junge für seine in Wehen liegende Mutter eine Magierin, die sie bei der Geburt begleiten soll. Unterwegs trifft er die Nachbarin und Freundin, die nächsten Tag vorbeikommen will. Auf dem Marktplatz trifft er eine reisende Magierin, die gerade irgendwelche Mittelchen verkauft. Die hat das gesamte Geld für die Saatmittel als Bezahlung genommen, war alleine bei der Frau und erzählte danach dem Vater, er solle nicht reingehen, weil Mutter und Kind schlafen.  Dann war die Mutter tot, das Baby fast tot und ein silberner Kerzenleuchter fehlte. Der große Bruder nahm dann das Baby mit in den Stall und schlief dort mit ihm.
Da fragte ich mich ernsthaft, wo war die Hebamme? Wer hat die Schwangerschaft davor begleitet? (man kann mir nicht erzählen, dass ein Ort mit Marktplatz keine eigene Hebamme hatte.) Warum war die Freundin nicht da? (Geburten liefen früher nicht besonders einsam ab) Warum bezahlen sie einer Wildfremden ihr gesamtes Erspartes? Warum ist der Vater nicht gleich danach reingekommen? Und wie konnte das Baby überleben? Es hat ernsthaft ohne einen Tropfen Muttermilch oder sonstiger Nahrung und stark unterkühlt mindestens den halben Tag und eine ganze Nacht überlebt?
Das ist einfach nur schlecht (oder eher überhaupt nicht) recherchiert.
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Asterya am 30. Januar 2016, 14:44:44
Der von Denamio beschriebene Wandel ist mir auch schon aufgefallen. Gerade in der Science Fiction (Science Fantasy wie Star Wars mal ausgenommen), wo schließlich alles auf irgendeinem wissenschaftlichen Hintergrund fußen sollte, find ich es auch wichtig, dass die Darstellungen dann auch korrekt sind. Gleiches gilt auch für historische Romane.
Beim Thema Fantasy verzeih ich dagegen ziemlich viel. Wenn etwas nicht in unserer Welt spielt, warum sollten dann Pferde, Pflanzen oder Materialien, aus denen Waffen hergestellt werden, genauso sein wie in unserer Welt? Klar, es sollte nicht vollkommen an den Erwartungen vorbei gehen, wenn der Autor "Pferd" schreibt, erwarte ich auch etwas, das sich mit unseren Pferden vergleichen lässt, aber so lange es nur kleine Abweichungen sind, würd es mich nicht stören. Ich habe bisher noch nie ein Fantasybuch aus der Hand gelegt, weil mir zu viele "wissenschaftliche" Fehler aufgefallen sind. Wenn die Geschichte an sich gut ist, die Figuren stimmig, dann stört es mich wenig, wenn etwas falsch dargestellt wird, selbst wenn es ein Thema ist, das mich interessiert.

Wenn ich selbst was schreibe, bin ich jedoch deutlich strenger, zumindest eine kurze Recherche ist ja eigentlich bei den meisten Themen auch ohne großen zeitlichen Aufwand drin. Für meine Reiseszenen hab ich z.B. nachgeguckt, wie viel man mit einem Pferd an einem Tag schaffen kann. Ich "freue" mich auch immer, wenn ich darauf hingewiesen werde, dass etwas nicht passt, dann hab ich ja eine Chance, es besser zu machen.

Bei Berufen würde ich definitiv jemanden fragen, der diesen Beruf ausübt oder darüber recherchieren, gerade wenn der Beruf im Mittelpunkt steht. Dann lockt man ja wahrscheinlich auch einige Vertreter dieser Berufsgruppe als Leser an, die bemerken, ob etwas nicht passt.
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: HauntingWitch am 30. Januar 2016, 14:58:11
Diese Frage hat mich auch lange beschäftigt. Ich bin zu dem Schluss gekommen, mich in dieser Hinsicht an King zu halten: "Write what you know." Also, schreibe, was du weisst. Er sagte dazu auch, dass er es nicht als Pauschal-Ratschalg meint und man Themen, über die man nichts oder wenig weiss, deswegen weglassen soll. Aber man muss auch nicht jedes Detail wissen, man kann Dinge auch auslassen. Das zum Einen.

Zum Anderen, der Korrektheit, merke ich, dass ich mich als Leser daran nur teilweise störe. Es stört mich vor allem bei Themen, die mir wichtig sind. Zum Beispiel rege ich mich immer wieder über die völlig verklärte Darstellung sogenannter "Rockstars" (ein Wort, das ich übrigens verabscheue) in Jugendbüchern auf. Das, weil ich einfach so viel über das ganze Business gelesen habe und über die Menschen, die dahinter stehen und daher ebendiese Darstellungen auch bedenklich finde. Das stört mich, weil es ein Thema ist, das mir wichtig ist und mich beschäftigt und über das ich viel weiss. Ich bin aber vermutlich eine der wenigen, der solche Fehler überhaupt auffallen.

Bei anderen Dingen hingegen, stört es mich überhaupt nicht. Ich lese gerade ein tolles Buch von einem gewissen Herr Meyer, in dem eine Darstellung der Schweiz vorkommt. Eine Weg- und Distanzbeschreibung sowie ausführliche Umgebungsbeschreibungen. Nun kenne ich meine Schweiz recht gut und muss sagen: Mensch, ich finde dein Buch super, aber wo die Ecke genau sein soll, musst du mir zuerst zeigen. Aber das habe ich gedacht, als ich die Wegbeschreibung gelesen habe und nun lese ich weiter und es ist mir relativ egal, weil das Buch einfach sonst so super ist.

Daher finde ich aus Autorensicht, dass das Ansichtssache ist. Ich versuche, so genau wie möglich zu recherchieren und die Dinge so gut wie möglich zu beschreiben. Aber wenn ich irgendwo anstehe, dann umschiffe ich das eben oder ich nehme in Kauf, dass der einzige Experte, der das liest, sagt: Du, aber das ist im Fall nicht so. Ich habe einen Vollzeit-Job und einen Single-Haushalt, mir fehlt schlichtweg auch Zeit. In meinem aktuellen Roman kommt eine Orchestermusikerin vor. Ich habe ein Buch über die Organisation eines Orchesters gelesen, mir eine Doku angeguckt und ein wenig nach Klassik-Musikern und ihren Ansichten zu ihrem Job gegoogelt. Ich hoffe, dass ich damit relativ gut abgedeckt bin, aber 100% sicher sein kann ich nicht. Wenn jetzt noch irgendetwas falsch ist, dann ist es das eben Pech, denn irgendwann möchte ich auch noch schreiben können. ;)

Und wie schon gesagt wurde: Viele Leser haben entweder nicht so ein tiefes Wissen über ein bestimmtes Thema oder es kümmert sie nicht so sehr. Ich habe mal an einer Leserunde teilgenommen, bei der eine Expertin dabei war, die einen Fehler der Autorin aufgedeckt hat. Live in der Leserunde! Zuerst dachte ich: Mein Gott, wie schlimm, wenn einem so etwas passiert, das ist total peinlich, da würde ich im Boden versinken. Aber die Leserin hat das Buch letztendlich trotzdem toll gefunden, also war es wohl doch nicht so schlimm.  ;D
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: PinkPuma am 30. Januar 2016, 15:25:28
Cairiel, DANKE für diesen Threat! :)

Generell würde ich auch unterschreiben, dass es von den eigenen Ansprüchen des Autors abhängt, wie "reaslistisch" oder "richtig" etwas beschrieben wird. Meine ganz persönliche Meinung ist allerdings, dass es mich richtig aufregt, wenn ich ein Buch lese und merke, dass der Autor keinerlei Ahnung von der Materie hat.

Was du zum Thema "Pferd" schreibst ist mir (als Reiterin) auch schon oft aufgefallen. Und ja, es stört mich enorm.

Nun fragst du nach korrekten Berufsdarstellungen (Journalismus) und ich muss sagen, dass ich es gerade bei Berufen extrem wichtig finde, diese (bzw den Berufsalltag) richtig darzustellen. Warum? Weil es in diesem Falle direkte Auswirkungen auf die Personen hat, die diesen Beruf ausüben, wenn ihre Arbeit in den Medien (Buch aber auch Film) ständig falsch dargestellt wird.

Die meisten hier im Forum wissen ja, dass ich mit einem Polizisten verheiratet bin. Und die meisten werden auch wissen, dass TV-Serien wie "Alarm für Cobra 11" gelinde gesagt nicht unbedingt dem Polizeialltag entsprechen.
Ich höre wahnsinnig oft das Argument "naja, es ist eben die verbreitete Meinung der meisten Leute. Wen stört es denn, wenn Polizeiarbeit unrealistisch dargestellt wird?" Es stört die, die diesen Beruf ausüben und sich täglich mehrmals (!!!) mit Leuten auf der Straße auseinandersetzen müssen, die sich einbilden, ihnen erklären zu können, wie sie ihren Job zu machen haben, weil "ich hab gelesen, dass das so und so geht". Halleluja! Ja, aus mir spricht Sarkasmus und ich bin in dieser Hinsicht vielleicht empfindlicher als andere. Aber kurzum: Ich finde Recherche sehr wichtig und gerade, wenn es um die Darstellung von Berugsalltag geht, finde ich, dass man als Autor, der bewusst Werke in der Öffentlichkeit verbreitet, beinahe schon in der Pflicht ist, sich die Mühe der Recherche zu machen. Denn nur weil die meisten denken, es wäre so und so, kann ich mich als Autor nicht der Recherche entziehen.

OT an Cairiel: Du bekommst ja bald was zum Betalesen von mir. Sollte ich falsche Fakten drin haben, bitte zerreiß den Text in der Luft. Dazu sind Betas da.  ;)
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Norrive am 30. Januar 2016, 16:01:31
Cairiel, ich verstehe deinen Graus mit der Darstellung von Pferden sehr gut - mir geht es immer so mit diversen Dingen aus dem Bereich der klassischen Musik. Ich hab schon das ein oder andere Buch weggelegt, in dem es (zwar nur nebensächlich) um Geigen (und im weiteren Sinne um Musikbusiness, @Witch Rockstars, ich stimme dir SO zu) ging. Völlig an der Realität vorbei.
Allerdings ist klassische Musik ein doch eher seltenes und spezielles Thema, wohingegen Pferde ja gerade in HF oft das Fortbewegungsmittel der Wahl sind.
Für mich ist es wichtig, dass Themen, die einen großen Teil vom Buch ausmachen, sauber recherchiert sind. Ansonsten kann ich bei Nischenthemen auch als Leser ein Auge zudrücken, gerade wenn ich selbst keine Ahnung habe. Ansonsten habe ich es als Leser immer gerne, wenn jemand sich bei speziellen Themen nicht zu sehr in Details verliert, denn dann kann man auch schlechter Fehler machen. Paradebeispiel: "Sie entwaffnete ihn mit einer schnellen Drehung des Handgelenks" vs. "Sie näherte sich ihm und benutzte eine uralte Technik des Aikidos, verlagerte ihr Gewicht, machte einen Schritt, drehte sich um ihre eigene Achse, etc. etc."
Beim ersten Beispiel kann sich jeder darunter etwas vorstellen, bei Beispiel Zwei scheitert oft daran, dass der Autor das selbst noch nie gemacht hat und es daher nicht beschreiben kann. (Davon abgesehen, dass sowas für mich schon fast in Richtung Infodump fällt, und der Autor sich als sehr versiert darstellen will...und wenn man DANN noch Fehler macht ist es für mich vorbei.)

Kurz gesagt, der Rechercheumfang skaliert mit der Wichtigkeit im Buch und der Größe der Nische, aus dem das Thema kommt.
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Slenderella am 30. Januar 2016, 16:16:37
Bei Pferden werd ich auch fuchsteufelswild. Alle "ziehen" immer am Zügel ... halten an, statt dass sie durchparieren, usw.
Nicht mal das Vokabular stimmt bei den meisten Autoren. Dabei ist Reiten echt ein Massensport, irgendwoher kriegt man bestimmt antworten. Zur Not im Reitforum anmelden und Leute fragen. Also, so schwer ist das doch echt nicht.

Ich habe zuletzt ein ganz grässliches Buch mit dem Thema Galopprennen gelesen (hat sogar eine noch fürchterlichere Fortsetzung), wo man gemerkt hat, dass die Autorin ihr Wissen aus Blitz dem schwarzen Hengst hat (was mit Galopprennen so was von falsch umgeht, da wird man als Fachmensch bekloppt vor Raserei).

Mir ist es enorm wichtig, dass ich viel Wissen zu Dingen habe, die Fakten beinhalten. Ich muss zum Glück eher selten recherchieren, weil ich mich da auch an Kings Maxime halte - ich weiß was ich kenne und schlichtweg nie über Autos, oder irgendwelche anderen Dinge schreibe, zu denen ich 0 Ahnung hab - die interessieren mich ja schließlich auch nicht, sonst wüsste ich ja was dazu.

Was den zweiten Weltkrieg angeht, habe ich eine Expertin zur Hand - meine Oma. Die hat den Ausbruch des Krieges live vor Ort mitbekommen in Danzig und hat mir eine Menge Dinge dazu erzählen können. Außerdem ist das ein Thema wo man sich echt schlau googeln kann.

Ich bin sogar so weit gegangen, in meinem Fantasyroman, der 1889 auf deutschen Rennbahnen spielt, sämtliche Starterfelder, Jockeys und Renndaten korrekt zu nennen, weil ich nichts mehr hasse als Faktenuntreue auf dem Gebiet. Dafür musste mir jemand mit Rennkalender aus dieser Zeit assistieren, denn den Kram kann man nicht ergoogeln.

Als Leser finde ich auch nichts schlimmer, als mehr über ein Thema zu wissen als der Autor des Buchs. Nervt mich schon bei Serien (deswegen hab ich auch Spartacus echt gehasst, das hat mich aggressiv gemacht).
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Fianna am 30. Januar 2016, 16:26:47
Was Pferde angeht, würde ich im Fantasybereich Begriffe wie "durch parieren" vermeiden. Beschreiben musste ich es bisher nicht so detailliert, aber ich würde mir dann mit einer Beschreibung behelfen. Nicht so etwas wie "ziehen" (ausser ich möchte einen schlechten oder groben Reiter darstellen, wo dann Pferd oder Mit-Reiter das zumindest non-verbal bewerten würden), aber eben auch kein klassisches Reitsport-Vokabular.
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Guddy am 30. Januar 2016, 16:30:44
Zitat von: Slenderella am 30. Januar 2016, 16:16:37
Bei Pferden werd ich auch fuchsteufelswild. Alle "ziehen" immer am Zügel ... halten an, statt dass sie durchparieren, usw.
Nicht mal das Vokabular stimmt bei den meisten Autoren.

Die Wortwahl ist für mich ein Grenzfall, da es für mich auch darauf ankommt, aus wessen Sicht erzählt wird und wie viel Detail miteinfließen soll. Mancher Charakter hat selber keine Ahnung und wenn er plötzlich beginnt, mit bestimmten Fachwörtern zu trumpfen, obwohl er noch nie im Leben zuvor ein Pferd gesehen hat... Das ist aber sicher eine Frage der persönlichen Präferenz und des Stils. (edit: Hat sich mit Fianna überschnitten. Sehe ich genau so ;) )

An sich ist mir Korrektheit aber auch sehr wichtig. Falsche Angaben gehören nicht in ein Buch, daher halte ich eine fundierte Recherche für essentiell.
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Angela am 30. Januar 2016, 17:16:49
Nur frage ich mich, ob der 'normale' Leser eines Fantasybuchs mit besonderem Vokabular überhaupt etwas anfangen kann und ob es der Geschichte dient. Mein jetziger Text spielt gerade auf einem großen Segler um 1899, da vermeide ich so einige Ausdrücke, die zwar sachlich richtig wären, aber nur verwirren würden.
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Tigermöhre am 30. Januar 2016, 17:48:44
@Slenderella
Ich muss da den anderen auch zustimmen. Den Begriff "durchparieren" habe ich zwar schon mal gehört, hätte jetzt aber spontan nicht sagen können, was er bedeutet. Wenn ein Roman im Pferdesport spielt, finde ich Fachbegriffe ok, aber in einem normalen Fantasyroman würde ich immer "anhalten" schreiben.

@Angela
Ich finde, da kommt es darauf an, aus wessen Sicht das ist. Wenn es die Sicht eines Matrosens ist, würde ich auch Fachbegriffe nehmen. Wenn es ein unbedarfter Passagier ist, dann würde ich es möglichst einfach halten.
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: canis lupus niger am 30. Januar 2016, 18:08:43
Nun ist es ja eine Sache, ob man beim Schreiben über ein Thema aus dem eigenen Fachgebiet nur so mit Fachausdrücken um sich schmeißt, die ein weniger kundiger Leser gar nicht verstehen kann, oder ob man zu einem Thema, von dem man nicht viel weiß, einen fachlichen Fehler nach dem anderen einbaut. Mit Fachausdrücken, die ich nicht kenne, totgeschmissen zu werden, mag ich auch nicht. Ist im Beruf schon immer so schrecklich, wenn alles in Beratersprech-Denglisch ausgedrückt wird und ich in keine Mail lesen kann, ohne mindestens ein Wort nachzuschlagen. Von Unterhaltungsliteratur möchte ich unterhalte werden, und mich nicht als Idiot fühlen müssen.

Aber ebenso schrecklich ist es, wenn man zu einem Thema einen inhaltlichen Fehler nach dem anderen aushalten muss. Ein Graus-Beispiel ist da für mich immer der Autor Peter Freund mit seiner Laura-Reihe. Diese Fantasy-Reihe ist ja ganz offensichtlich für kleine Mädchen geschrieben, nach dem Schema der Harry-Potter-Reihe. Und in diesen Büchern outet sich der Mann als dermaßen unkundig in Sachen Pferde und Reiterei, dass es mich schüttelt. Auch in anderen Themen macht er offensichtlich Fehler, aber darin kenne ich mich nicht so gut aus. Nun ist die Zielgruppe (der kleinen Mädchen) ja anteilig durchaus an Pferdethemen interessiert, so dass es einem sorgfältigen Autor am herzen liegen sollte, sein Wissen nicht nur aus der Bildzeitung und Wildwestfilmen zu holen. Aber offensichtlich IST Peter Freund kein sorgfältiger Autor. Ich denke, das muss jeder Autor sich selber überlegen, wie sorgfältig er schreiben will, und wie sehr er es sich erlauben kann, dummes Zeug abzuliefern. 
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Cairiel am 30. Januar 2016, 18:43:12
Danke für eure Antworten! Sehr interessant, was ihr dazu denkt. Leider fehlt mir gerade die Zeit, detailliert auf jeden einzugehen, deswegen halte ich für heute kurz:

Zitat von: Lothen am 30. Januar 2016, 11:50:06
Ich denke, die meisten dieser "Fehler" entstehen daduch, dass Leute davon ausgehen, sie wüssten genug über ein bestimmtes Thema, um es zu beschreiben, z.B. aus anderen Büchern, Filmen o.ä. Das kann stimmen, kann aber auch ein Trugschluss sein. Als Autor lässt man sich ja auch viel von der eigenen Intuition leiten und beschreibt bestimmte Szenen einfach aus dem Bauch heraus, ohne lange zu überlegen, ob das so auch realistisch ist.
Genau das und was du, @PinkPuma, über die Polizisten schreibst, ist ein wichtiger Punkt. Wenn Pferde in Filmen nur so am Rande vorkommen, wird so vieles falsch gezeigt, dass es mich wenig wundert, wenn Autoren das einfach in den Büchern so übernehmen. Sie haben es ja praktisch schon "live" im Fernsehen so gesehen, dass sich die Tiere augenscheinlich so verhalten, also muss es ja stimmen.  :wums: 

@Norrive, oje, du bringst mich gerade auf einen weiteren Punkt.  ;D  Der Love Interest des Protas meiner erwähnten Geschichte ist hauptberuflich Pianist, und ich habe auch bei ihm eine Heidenangst, dass ich etwas falsch mache ... Ich kenne zwar über ein paar Ecken einen Berufsmusiker und einen, der irgendwas in Richtung Orchester studiert hat und sich gerade abmüht, diesbezüglich einen Platz zu finden, und ich habe die beiden schon miteinander fachsimpeln gehört, aber das ist so mein einziges Wissen aus erster Hand. Beim Rest muss Google helfen. Ich hoffe, ich bekomme das vernünftig hin.  :d'oh:

Zum Thema Vokabular: Ich finde, ein wenig kann man den Leser schon zumuten, so etwas wie das Pferd durchparieren (natürlich immer vorausgesetzt, die Figur kennt sich genügend aus!). Ich würde jetzt garantiert nicht anfangen, über Schulterherein und Travers und Spins zu schreiben, aber bei Kleinigkeiten ... Ein Matrose wird auch nicht dem Leser zuliebe in rechts und links denken, was das Schiff betrifft, sondern von Steuerbord und Backbord, und das kann man auch einem meerfremden Bayern zutrauen.  ;D

@Denamio, das ist mir noch gar nicht so aktiv aufgefallen, aber es macht Sinn, was du schreibst. Da werde ich in Zukunft auch mal ein Auge drauf haben.
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Sascha am 30. Januar 2016, 18:51:03
Naja, als Computerfuzzi ist man ja einiges an grottigen Fehlern in Büchern und Filmen gewohnt. Das geht aber meines Erachtens nicht mal auf das Konto "Der Autor/Regisseur wußte es nicht" sondern eher auf "Scheiß auf Realismus, Hauptsache, es kommt geil."
Meine Frau kriegt immer die Krise bei medizinischen Sachen, ist halt ihr Job.
Aber generell sind wir alle nicht gefeit gegen – auch grobe – Schnitzer. Irgendwie kann man auch nicht jeden Kleinscheiß recherchieren. Ich schreib auch irgendwo ganz rotzfrech, daß Bodyguards normalerweise keine Dirty-Harry-Wummen im Gürtel tragen, sondern kleinere Kaliber im Schulterhalfter. Kleines Kaliber, um nicht gleich die nächsten drei Leute hinter dem Angreifer zu durchlöchern, und Schulterhalfter, weil's nicht so auffällt. Zumindest beim Kaliber weiß ich selbst, daß es auch Manstopper-Munition vom doch recht großen Kaliber 9mm gibt, aber ich hab's trotzdem stehenlassen. Einem Profi mag das durchaus die Fußnägel aufrollen. ;D
Also, ich sehe das schon auch so: Mut zur Lücke! Solange es keine zentralen Themen sind! Das Kernthema des Buches darf natürlich nicht komplett unsachlich geschildert werden. Wobei, siehe oben zur Computerei, das auch noch keinen Blockbuster verhindert hat.

Übrigens: Ja, Du kannst einem Bayern schon backbord und steuerbord zutrauen. Aber "durchparieren" hab ich noch nie gehört und wüßte sowas von garnix damit anzufangen. Wenn das der Fachausdruck für "Anhalten" ist, ja Himmel, dann kann man das auch auf Deutsch hinschreiben, ehrlich. Okay, wenn man einen Pferdetrainer sprechen läßt, dann bitte Fachausdrücke, klar. Und wenn's geht irgendwie übersetzen. Wenn man aber dem Leser beschreibt, daß Old Bill grad seinen Gaul zum stehen bringt, dann bitte so, daß der Leser es auch versteht. Ein Passagier auf dem Schiff würde wohl auch eher in links/rechts denken, obwohl der Kapitän natürlich "back-/steuerbord" sagt.
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Fianna am 30. Januar 2016, 18:53:33
@Sascha
"Durchparieren" ist nicht gleich "anhalten". Erklärung folgt.

@Tigermöhre
Ich habe ja schon gesagt, dass ich durchparieren nicht in einem Fantasyroman verwenden würde. Das eine ist aktiv, das andere passiv.
Das Pferd "hält an" (klingt nach einem Auto :( ), klingt nach einem aktiven Vorgang. Es ist aber passiv, reagiert auf die Aktion des Reiters (der durch pariert).
Beim Anhalten ist es Subjekt (es bestimmt aus eigenem Antrieb die Handlung), beim Durchparieren ist es Objekt (Wen pariert der Reiter durch? Das Pferd).
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Cairiel am 30. Januar 2016, 19:07:46
Zitat von: Sascha am 30. Januar 2016, 18:51:03
Übrigens: Ja, Du kannst einem Bayern schon backbord und steuerbord zutrauen. Aber "durchparieren" hab ich noch nie gehört und wüßte sowas von garnix damit anzufangen. Wenn das der Fachausdruck für "Anhalten" ist, ja Himmel, dann kann man das auch auf Deutsch hinschreiben, ehrlich. Okay, wenn man einen Pferdetrainer sprechen läßt, dann bitte Fachausdrücke, klar. Und wenn's geht irgendwie übersetzen. Wenn man aber dem Leser beschreibt, daß Old Bill grad seinen Gaul zum stehen bringt, dann bitte so, daß der Leser es auch versteht. Ein Passagier auf dem Schiff würde wohl auch eher in links/rechts denken, obwohl der Kapitän natürlich "back-/steuerbord" sagt.
Weißt du, woher ich als Bayer, der in seinem Leben viermal auf einer Fähre gestanden hat und das die komplette Schiffserfahrung war, diese Begriffe kenne? Aus Büchern. Fantasy. Hätte nie ein Autor sowas geschrieben, wäre ich wenn überhaupt erst sehr spät damit konfrontiert worden. ... Nein, vermutlich gar nicht. Ich weiß auch noch genau, welches Buch das war, das ich da als Kind verschlungen habe und diese seltsamen Begriffe um sich warf.  ;D
Deine Logik verstehe ich nicht ganz. JEDER Reiter denkt von durchparieren. Du schreibst, bei einem Kapitän ist es klar, dass er von steuer-/backbord denkt bzw. redet. Aber für einen Reiter gilt das nicht? Und hey, dann muss ein Leser halt mal ein einzelnes Wort nachschlagen, sofern es sich nicht aus dem Kontext ergibt. Hat man was gelernt, wie ich mit den Schiffen.

@Fianna, well, rein begrifflich könnte man ja schreiben, der Reiter hält sein Pferd an. Aber sowas würde ich wie gesagt nur aus Sicht eines Pferdelaien so schreiben.
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Trippelschritt am 30. Januar 2016, 19:08:45
Schwierige und spannende Frage. Meine erste Antwort, so ganz aus dem Bauch heraus, war: Sicher muss man etwas entweder sauber recherchieren, wenn man es nicht weiß oder man muss jemanden fragen, der sich damit auskennt. Und dann kamen die ganzen "abers". Mein Vorbild Ursula Le Guin hat einmal gesagt, dass man nicht überall Fachmann sein muss und von Segeln und Booten versteht sie nichts. Und trotzdem ließ sie ihren Helden in Magier der Erdsee in einem kleinen Segelboot mit Namen Lookfar tagelang übers Wasser shippern. Sie hat ihren Text eben so geschrieben, dass es plausibel und auch korrekt war. Sie hatte eben vieles im Allgemeinen gelassen.
In manchen Fällen geht das aber nicht. Vor allem dann nicht, wenn etwas in die Handlung eingreift. Besonders schlimm in Kampfszenen - egal welcher Art - wenn der absolute Neuling den Könner besiegt/überlistet. Ohne einen Zufall von außen ist das kaum möglich. Pferde ist auch etwas. In Westernfilmen klappt das, weil die alle reiten können, auch wenn da manchmal mexikanische Steigbügel unter Indianerdecken hervorschauen. Das ist geschenkt. Aber in so manchem Tatort wurde es bereits peinlich. Und noch schlimmer, wenn ein bekannter Schauspieler reiten soll, der es nicht kann.

Ich muss immer lachen, wenn jemand über eine jahrhunderte alten geheimen Pfad wandelt, den niemand mehr kennt. Im buschkand ist der nach drei Jahren zugewachsen, im Grasland dauert es länger, aber nicht wesentlich. also Vorsicht bei den Details. Andererseits, ohne Details klingt es selten authentisch.
Das Beste ist also, einen sachkompetenten Betaleser hinzuzuziehen. Von amerikanischen Verlagslektoren kenne ich Beispiel, wo vom Autor eine Bestätigung verlangt wurde, dass das und das Polizeipraxis ist. (Eine mündliche Auskunft mit Quelle reichte dann aber.)

Das kann auch Erfolgsautoren erwischen. Zwei dicke schnitzer in einem historischen Roman waren für mich mindestens ein Schnitzer zu viel. Da konnte der Rest auch gut sein.

Liebe Grüße
Trippelschritt

Edit: Durchparieren ist runterschalten  ;D , nicht unbedingt anhalten.
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Guddy am 30. Januar 2016, 19:13:39
@Fianna Öhm.. und was ist dann mit "Er hielt das Pferd an", "ließ es zum Stehen kommen" usw.?

Ein kleiner Exkurs zum Thema "Zähne": Ich habe damals eine Ausbildung zur Zahnarzthelferin gemacht und kenne mich mit Zähnen, den entsprechenden Fachausdrücken und der Anatomie des Kopfes sehr gut aus. Noch immer, obwohl ich seit ein paar Jahren aus dem Beruf raus bin, denke ich in Zahlen. Wenn jemand mir sagt, welcher Zahn ihm wehtut und um meinen Rat bittet, antworte ich versehentlich so was wie: "Ah, der 37er, puh, klingt als sei die Pulpa gereizt. Darf ich mal eine kleine Perkussionsprobe machen?" Aber nur, weil ich die Begriffe kenne und damals täglich verwenden musste, erwarte ich nicht, dass in einem Roman selbige auch verwendet werden. Da darf der Protagonist gerne davon reden, dass ihm der "Seitenzahn" wehtut oder ihm der Nerv rausgebohrt wurde, obwohl er eigentlich herausgezogen und -geschabt wurde.
Anders sähe es aus, wenn der Autor behauptet, ausnahmslos jeder Mensch habe von Natur aus 32 Zähne oder der 11er habe regulär drei Wurzeln statt eine.
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Trippelschritt am 30. Januar 2016, 19:17:20
Zitat von: Guddy am 30. Januar 2016, 19:13:39
@Fianna Öhm.. und was ist dann mit "Er hielt das Pferd an", "ließ es zum Stehen kommen" usw.?

Anders sähe es aus, wenn der Autor behauptet, ausnahmslos jeder Mensch habe von Natur aus 32 Zähne oder der 11er habe regulär drei Wurzeln statt eine.

Für mich zwei akzeptable Formulierungen, auch wenn ich nicht gefragt wurde.
Und die Zähne? Keine 32? Auch früher nicht, als man noch kauen musste?

Liebe Grüße
Tippelschritt
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Guddy am 30. Januar 2016, 19:21:31
Es gibt durchaus einige Menschen, die zB. zusätzlich zu den Weisheitszähnen noch 9er haben, die entweder auch durchbrechen, oder im Kiefer verbleiben. Außerdem gibt es natürlich auch häufiger mal Leute, die lediglich die Anlagen für bspw. 28 Zähne haben, meist, weil die Weisheitszähne oder die oberen 2er (also die seitlichen Schneidezähne) im Bauplan fehlen.

Das reguläre Gebiss besteht natürlich trotzdem aus 32 bleibenden Zähnen. ;) Aber so selten sind Abweichungen absolut nicht. Sind einfach Feinheiten. Oder Korinthen. ;)
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Angela am 30. Januar 2016, 19:59:48
Mein Jüngster hatte fünf zusätzliche Zähne, eher Zahnanlagen, die aus dem Knochen herausoperiert werden mussten, gemeinsam mit den Weisheitszähnen, der arme Junge.

Steuerbord und Backbord halte ich für Allgemeinbildung, Wanten und Schoten, da frage ich mich dann schon, verwende das aber noch, statt dem Krähennest verwende ich Ausguck, der Smutje zum Beispiel ist bei mir schlicht der Schiffskoch, das versteht jeder. So überlege ich mir, was ist halbwegs gängig, was eher nicht.

Durchparieren habe ich noch nie gehört und lebe auf einer Pferdeinsel, aber ich reite auch nicht. Meine Reiterfreundin kennt es aber auch, hat es mir gerade wie Trippelschritt erklärt.
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: cryphos am 30. Januar 2016, 20:01:53
Sachverhalte in Büchern sollten in der Sache richtig geschildert werden und wenn möglich mit Worten, welche die Mehrheit der Zielleserschaft versteht - Sachbücher und Fachliteratiur mal ausgenommen.
Letzthin habe ich den vierten Teil der Millennium Triologie (sorry, das wurde so angepriesen) als Hörbuch gehört. Abgeshen davon das Teil 4 der Triologie Nonsense ist bekam ich bei der Schilderung der IT-Security und der Hacks Lachanfälle weil vieles für den Fachmann einfach falsch war und das Fachvokabular unterirdisch bzw. falsch gebraucht. Wie bitte will man durch Sourcecode eine Brücke zwischen dem Internet und einem zweiten, vom Internet vollkommen losgelösten Netz, eine Brücke bauen? Klar, mir als Fachmann fällt das auf, aber die Mehrheit der Leserschaft wird es nicht auffallen und sie meinen verstanden zu haben was da passiert.

Oder 2009 habe ich eine älteres Buch gelesen und es wird ein Kampf mit Degen und Florett geschildert. Ich verstehe ein bisschen was vom Fechten, aber die Kampfszene war für mich sterbenslangweilig, weil der Autor selbst Fechter war und im Fachchinesisch alles schilderte. Ich zeigte es zwei Fechtern. Diese waren hellauf begeistert, schnappten sich zwei Besenstiele und spielten die Szene für mich nach. Als ich es sah war ich baff wie gut die Szene choreographiert war. Der Mehrheit der Leserschaft bleibt das aber verschlossen. Hier wäre es toll gewesen, hätte der Autor es  in verständlicheren Worten geschildert.

Angela sprach vorher Seefahrerromane an. Was bringt eine tolle Seeräuberstory, wenn man wegen der ganzen Fachbegriffe zur Seefahrt nichts versteht?

Demnach ist meine Devise: So exakt wie möglich, so frei wie nötig.

Wenn ich meine ein Begriff sei zu sehr im Fachchinesisch oder ich bekomme von Betas gesagt, man versteh das wegen einiger Begriffe nicht, dann versuche ich es mit allgemein bekannteren Worten oder oder ich führe den Begriff ein. Das kann durch eine Fußnote passieren, im Glossar geschehen oder indem ich es in die Geschichte einbinde.
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Fianna am 30. Januar 2016, 20:21:28
Smutje und Krähennest halte ich mit für die leichtesten Begriffe, das wird in so vielen Filmen und Büchern verwendet. Das würde ich bei Erstverwendung evt unauffällig erklären, aber dascwürde ich noch nicht in meiner "Nur x Fremdwörter verwenden"-Regel mit als Fremdwort rechnen.
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Sascha am 30. Januar 2016, 20:51:53
Zitat von: Cairiel am 30. Januar 2016, 19:07:46
Deine Logik verstehe ich nicht ganz. JEDER Reiter denkt von durchparieren. Du schreibst, bei einem Kapitän ist es klar, dass er von steuer-/backbord denkt bzw. redet. Aber für einen Reiter gilt das nicht? Und hey, dann muss ein Leser halt mal ein einzelnes Wort nachschlagen, sofern es sich nicht aus dem Kontext ergibt. Hat man was gelernt, wie ich mit den Schiffen.
Mag ja sein, daß ein Reiter in diesen Begriffen denkt. Aber wenn man sie als Autor verwendet, dann doch bitte auch erklären. Das ist so fernab normaler Sprache, und sorry, aber Reiten ist für mich auch kein Massenphänomen wie von mir aus Fußball. Ich könnte zwar persönlich dem Gaul mehr abgewinnen als 22 Deppen (Disclaimer: Damit meine ich Profi-Fußballer, nicht die Hobbyisten. Ich bin FCB-geschädigt.) auf dem grünen Rasen, aber Begriffe wie etwa Abseits oder Foul sind eben durch die (für mich durchaus nervige) Dauerberieselung mit Fußball aus allen Richtungen schon regelrecht in den normalen Sprachgebrauch übergegangen. "Durchparieren" nicht.
Wenn ich mal etwas zu sehr in die Computerei abdrifte, krieg ich von Tina gleich ein gelangweiltes "Technobabbel!" an den Kopf geschmissen, und dabei versuche ich das Ganze noch verständlich zu schreiben. Obwohl mit dem Computer wesentlich mehr Menschen zu tun haben als mit dem Reiten.

Wenn Reiter unter sich sagen "Parier mal deinen Rappen durch!", wo ich sagen würde "Halt mal den Zossen an!" (mir wurst, ob Rappe, Stute, Wallach oder Sauerbraten), dann sollte das natürlich genauso ins Buch kommen, wie das Seemanssprech unter Matrosen. Ich lach mich scheckig, wenn jemand tatsächlich einen Seemann sagen läßt "Nach links abdrehen!" oder so. Nur sollte dann auch gleich mal die Erklärung für 90% der Menschen hinterherkommen, die eben damit nichts anfangen können. Lassen wir mal die Reiter bei Dir die Hauptrolle spielen, und sie schmeißen ständig mit Begriffen um sich, die ich nicht verstehe, ohne daß Du es mir irgendwie erklärst (obiges Beispiel: "Na gut, wenn es sein mußte, dann hielt er sein Pferd eben an."), dann nervt mich das Buch. Ganz allgemein, egal welches Fachgebiet.

Das hat aber eigentlich nichts mehr mit der Ursprungsfrage nach Recherche zu tun. Schlechte Recherche ist es, wenn man einen Fachmann wie den hinterletzten Laien brabbeln läßt, weil man die Fachsprache nicht kennt. Aber vor allem tatsächlich sachliche Fehler (wie ja eben völlig unnatürliches Verhalten von Pferden oder so, cryphos' Beispiele sind für mich natürlich wesentlich erheiternder) sollten nur bei Nebensächlichkeiten vorkommen, da sind sie verzeihlich. Finde ich.
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Fianna am 30. Januar 2016, 20:55:26
Kommt immer drauf an, in welcher Perspektive man schreibt.
Wer reiten nicht so formell gelernt hat, benutzt durchparieren nicht, wer als Handwerker oder so ein Schiff klaut, spricht von "links" und "rechts" (ausser er/sie ist Schiffsbauer) und so weiter.
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Sascha am 30. Januar 2016, 21:07:26
Zitat von: Fianna am 30. Januar 2016, 20:55:26
Kommt immer drauf an, in welcher Perspektive man schreibt.
Wer reiten nicht so formell gelernt hat, benutzt durchparieren nicht, wer als Handwerker oder so ein Schiff klaut, spricht von "links" und "rechts" (ausser er/sie ist Schiffsbauer) und so weiter.
Das meinte ich ja. Natürlich muß man Fachleute passend sprechen (und denken) lassen.
Verständlich für den Leser muß es aber eben trotzdem noch sein.
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Tanrien am 30. Januar 2016, 23:16:16
Zitat von: Norrive am 30. Januar 2016, 16:01:31
Für mich ist es wichtig, dass Themen, die einen großen Teil vom Buch ausmachen, sauber recherchiert sind. Ansonsten kann ich bei Nischenthemen auch als Leser ein Auge zudrücken, gerade wenn ich selbst keine Ahnung habe. [...]
Kurz gesagt, der Rechercheumfang skaliert mit der Wichtigkeit im Buch und der Größe der Nische, aus dem das Thema kommt.
Hier würde ich noch am ehesten zustimmen, aber ich glaube, ich sehe das sehr, sehr viel entspannter als (fast?) alle hier. Solange ich es im Roman noch glaubwürdig finde, habe ich mit Recherchefehlern kein Problem. Ich bin ja im Bereich Politikwissenschaft und wenn ich mich da jedes Mal aufregen würde, wenn jemand mal wieder einen Staat irgendwie total zufällig aufbaut... Hätte ich keine Nerven mehr. ;) Nein, aber ernsthaft, ich finde es maximal schade, wenn nicht richtig recherchie wurde, weil sich Autoren Sachen ja oft einfach machen und Sachen so biegen, dass es für den Plot passt. Bei richtiger Recherche käme aber vielleicht ein cooles weiteres Hindernis für einen coolen weiteren Plotstrang zustanden. Edit: So halte ich es folglich auch als Autor, das war ja jetzt sehr Leser-Sicht-lastig. Ich recherchiere, damit der Plot komplexer und eingebundener wird. Fachausdrücke deswegen eher nicht, aber ich schreibe ja auch auf Englisch, da muss ich ja teilweise schon mit der regulären Sprache kämpfen.

Das einzige, was mich mit ein bisschen Nachdenken vielleicht doch aufregt, sind Fehler, mit denen dann grob Politik gemacht wird. Ich denke an sowas wie den Stonewall Film. Aber das sind ja auch wieder keine Recherchefehler, sondern wenn Autoren bzw. Macher bewusst etwas verändern, obwohl sie es besser wissen.
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Zit am 30. Januar 2016, 23:19:10
Zitat von: Sascha am 30. Januar 2016, 20:51:53
Ich lach mich scheckig, wenn jemand tatsächlich einen Seemann sagen läßt "Nach links abdrehen!" oder so. Nur sollte dann auch gleich mal die Erklärung für 90% der Menschen hinterherkommen, die eben damit nichts anfangen können.

Das Problem ist doch letztlich, dass du "den Leser" nicht kennst. Woher weißt du, dass 90% keine nautischen Begriffe verstehen? Gerade, wenn es fett als Piraten-Fantasy vermarktet wird, wird das viele Piraten"fans" anziehen, die die entsprechenden Begriffe kennen, oder zumindest sehr viele von ihnen.
Ehrlich gesagt, würde ich mir in dem Punkt um den Leser keinen Gedanken machen. Sondern mich ganz allein auf die Perspektive und den Erzähler stützen. (Meiner Meinung nach sind die besten Texte eh die, die sich selbst erklären und keinen Infodump benötigen.)

Was aber die Recherche hinter der Sache angeht: Wenn Pferde im Roman eine wichtige Rolle spielen oder oft vorkommen, dann sollte man das auch recherchieren. Wann man das macht, ob vor oder nach dem ersten Entwurf, ist jedem selbst überlassen. Als Nichtreiter würde ich mich aber hüten, nur die vorgefertigten Bilder stehen zu lassen, die ich aus den Medien kenne.
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Slenderella am 30. Januar 2016, 23:35:39
Im Fernsehen wiehern Pferde ja auch ständig und steigen, wenn sie "losgehen" sollen. Davon ab, ziehen die den Tieren dann auch meist das Gebiss einmal quer durch die Schnute und das Maul steht sperrangelweit auf. Das ist NICHT reiten :D

Ich bin da hartnäckig und bleibe auch dabei. Man nimmt Zügel auf, nicht in die Hand oder sonst etwas. Genauso wie Bügel. Und wenn ich meinen Roman im Rennsport spielen lasse (als Setting), dann erwarte ich Fachkenntnis, wenn das mein Setting sein soll. Und dann noch in Deutschland. Da könnte man ja mal kurz bei einer Rennbahn vorbei schauen und Recherche machen (kein Witz, bei uns saß plötzlich mal eine mir unbekannte Autorin eine Woche lang zu jeder Morgenarbeit und hat zugeschaut und gefragt). In diesen zwei Romanen die ich da gelesen habe ... da hat sich mir echt alles zusammengezogen und ich bleibe künftig bei Dick Francis. Der weiß wovon er spricht.

Wenn ich etwas nur streife, oder einen Charakter hab, der nichts darüber weiß und dem das auch egal ist, dann kann ich auch vereinfachen, aber wenn ich mir das als Umfeld für meinen Roman gesucht habe, dann muss ich mich damit befassen, das ist meine Pflicht als Autor.
Außerdem ist ja nicht jeder Charakter ein Ich-Erzähler und man kann sehr wohl auch mal mit ein paar Fachbegriffen arbeiten, ohne dass die Leser an Verwirrung sterben.
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Thistle am 30. Januar 2016, 23:50:51
Guten Abend,

Zitat von: Slenderella am 30. Januar 2016, 23:35:39
Wenn ich etwas nur streife, oder einen Charakter hab, der nichts darüber weiß und dem das auch egal ist, dann kann ich auch vereinfachen, aber wenn ich mir das als Umfeld für meinen Roman gesucht habe, dann muss ich mich damit befassen, das ist meine Pflicht als Autor.

Dem stimme ich von ganzem Herzen zu. Ich habe in meinem derzeitigen Buch auch Pferde (klar, ist ja Mittelalter) und zumindest habe ich meine Kollegin, die seit ihrer frühesten Jugend reitet, ausgequetscht und sie hat auch die meisten Pferde-Szenen gelesen. Ich habe zwar auch laienhaft geschrieben, dass das Pferd anhält, aber ich habe eher die Beziehung zwischen Reiter und Pferd beschrieben und die fand besagte Kollegin ganz gut.

Aber zur ursprünglichen Frage: Wenn jemand sogar auf Fehler aufmerksam gemacht wird, sollte man sich auch die Mühe machen, die Szene noch einmal zu überdenken und gegebenfalls zu ändern. Vorstellen kann man sich zwar einiges, aber bevor es peinlich wird, kann einem das gute alte Google dies weitestgehend ersparen.

Wo ich zähneknirschend gelesen habe, waren am Anfang von Eragon die Szenen, in denen er mit Pfeil und Bogen herum hantiert. Da hätte ich das Buch am liebsten in den Kamin geworfen, denn ich habe zwei Jahre lang aktiv den Bogensport betrieben, aber immerhin wurde es später besser und dem Buch ist der Feuertod erspart geblieben.  ;D
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Franziska am 31. Januar 2016, 01:19:27
Hm, ich muss zugeben, dass ich sicher auch einige solcher Fehler in Bezug auf Pferde gemacht habe.  Da wäre ich froh gewesen, hätte mich jemand drauf hingewiesen.  Ich hab so viele  andere Sachen für das Buch recherchiert und habe nachgeguckt, wie schnell und wie lange Pferde laufen etc. aber ich muss auch sagen, ich bin nicht auf die  Idee gekommen, die Fachsprache zu recherchieren. Da ist es mir aber auch wichtiger, der Leser versteht, was passiert. Ich hab schon öfter Bücher abgebrochen, weil es mir zu viele Fachwörter waren, gerade beim Segeln. Wenn ich seitenweise überhaupt nicht verstehe, was passiert, und mir ein Buch übers Segeln kaufen müsste um mitzukommen, ist es mir das ehrlich gesagt nicht wert. Natürlich ist es was anderes, wenn der Protagonist denBeruf ausübt, da würde ich mich schon informieren, wenn ich darüber nichts weiss. Da fallen mir auch Bibliothekare ein, da gibt es auch so ein komisches Bild zu. Es liegt aber denke ich auch an dem medialen Bild.  Gibt es das nicht, recherchiert man eher. Jeder kennt Pferde, jeder  kennt Journalismus etc.
@Cairiel, oh je ich bin jetzt auch nicht der riesen Experte in Journalismus, also verlas dich nicht nur auf mich.

Vielleicht haben die Reiter hier ja mal Lust das zu erklären, was so oft falsch gemacht wird.

 
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Fianna am 31. Januar 2016, 01:33:03
Zu allererst: man steigt auf das Pferd, stürmt irgendwo hin, steigt ab, lässt das Pferdchen stehen, steigt irgendwann wieder auf, stürmt wieder heimwärts und gibt es beim Pferdeknecht ab...
Ich habe als Beta dran geschrieben: "Das ist ein PFERD und kein Mopped!" Bei Pferden muss man die Muskeln aufwärmen, zwischendurch immer wieder mal den Gang runterschalten und es (auch beim Zwischenstopp!) trocken reiben und so weiter... Da wird nicht auf- und abgestiegen und beschleunigt, wie man lustig ist.
Ich glaube, als Gesamt-Fazit hatte ich als Beta zu den Pferdeszenen geschrieben: "Wenn die ihre Pferde immer so behandeln, sterben die ihnen dauernd weg."

Oder das zweite was mir auffällt: jemand recherchiert etwas zur Geschwindigkeit und rechnet das auf x Stunden und auf die Wegstrecke um, die man dann schafft.
Nein.
Zwei Worte dazu: Kein - Mopped.
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Trippelschritt am 31. Januar 2016, 07:07:43
Für die generelle Frage, welches Vokabular man als Autor benutzen sollte, habe ich auch keine Lösung, denn das Problem hört ja nicht bei der Fachsprache auf. Wenn ich Fantasy schreibe, bewege ich mich in einer aus heutiger Sicht alten Welt mit alten Dingen und alten Lebensweisen. Da benutze ich auch ein etwas älteres Vokabular und keine modernen Begriffe. Und bei Fantasy in einer Welt, die mittelalterlich angelehnt ist, erwarte ich vom Leser, dass er sich für diese Dinge interessiert und entweder das grundlegende Vokabular drauf hat oder bereit ist, es sich aus dem Gesamtzusammenhang zu erschließen. Erklärungen gebe ich nie ab, denn Erklärungen sind der Tod jeder Geschichte.
Und in meinem Fall kommt noch einiges hinzu. Altersbedingt ist mein aktiver Wortschatz anders als der junger Leute - sagen wir mal so ab vierzig abwärts. Es hat mich daher auch überrascht, dass mir eine Betaleserin mal sagte, sie habe viele Wörte nachschlagen müssen. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass jemand nicht weiß, was Poularde und Kapaun sind. Kapaun, na ja, aber Poularde hießen die Tierchen noch auf dem Wochenmarkt, als ich als Student einkaufen ging.
Ich befürchte, eine allgemein verbindliche Lösung gibt es daher nicht, aber ich erinnere mich daran, dass sich als Kind mein Wortschatz durch das Lesen von Büchern erweitert hat. Wahrscheinlich gilt wie üblich, dass der goldene Mittelweg der bester ist.

Liebe Grüße
Trippelschritt
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: PinkPuma am 31. Januar 2016, 07:36:53
Zitat von: SlenderellaAußerdem ist ja nicht jeder Charakter ein Ich-Erzähler und man kann sehr wohl auch mal mit ein paar Fachbegriffen arbeiten, ohne dass die Leser an Verwirrung sterben.
Das unterstreiche ich doppelt und dreifach! Ich denke, als Autor sollte man dem Leser einfach ein bisschen mehr zutrauen. Klar muss man nicht gerade mit Fachbegriffen um sich werfen, aber viele Begriffe werden ja auch im Kontext verständlich. Wenn z.B. im Text steht "als das Stadttor in Sichtweite kam, parierte er sein Pferd durch" kann man sich wohl denken, dass durchparieren so etwas wie langsamer machen bedeutet (und wenn der Leser denkt, das Pferd hält an, ist das auch kein Beinbruch).

Zitat von: FranziskaHm, ich muss zugeben, dass ich sicher auch einige solcher Fehler in Bezug auf Pferde gemacht habe.
Ich habe "Sunford" ja gelesen und mir ist zumindest nichts Gravierendes aufgefallen, sonst hätte ich Pferdemädchen mich schon beklagt. ;)
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Slenderella am 31. Januar 2016, 10:40:03
Die Geschwindigkeitssachen sind tatsächlich total schlecht in den meisten Büchern recherchiert. Ein Pferd, wie man es im Mittelalter hat, macht nicht mal eben seine 70km/h wie ein Rennpferd. Und das Rennpferd hält dieses Mordstempo zwischen 60 und 70 km/h keine 2 Minuten aus. 7 Kilometer können die schon zügig galoppieren, inklusive Hindernisse, denn die Grand National ist zum Beispiel so lang. Aber so ein Pferd braucht halt auch mal Pause, ansonsten kommt es nicht nur ins Stolpern, es weigert sich auch irgendwann und wird von selbst anhalten.

Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Vic am 31. Januar 2016, 11:59:18
Also ich finde Recherche schon wichtig ....

Zugegeben in manchen Bereichen ist das schwierig. Sagen wir, ich möchte gerne eine Geschichte über einen CIA Agenten schreiben - ich bin sicher, die CIA ist nicht sonderlich freizügig mit Enthüllungen über ihre geheime Arbeitsweise. ;) Da muss man vermutlich ein bisschen improvisieren, wobei man auch DA Basisdinge herausfinden kann.
Wir leben in einem Zeitalter wo man Online nach ALLEM fragen kann.
Ich wollte mal wissen ob es am Flughafen von Lissabon ein McDonalds gibt und JA SOGAR DAS kann man googlen.

Man muss halt bereit sein sich auch mal in ein Thema einzulesen und das ist natürlich ein gewisser Aufwand.
Aber als jemand der im Krankenhaus arbeitet und sich wirklich GAR KEINE Krankenhausserien angucken kann weil die alle dämlich und schlecht recherchiert sind (mit Ausnahme von Scrubs) finde ich das höchst ärgerlich .... das muss nicht sein.

Also ernsthaft, wenn man zu faul zum recherchieren ist, sollte man kein Schriftsteller werden....
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Guddy am 31. Januar 2016, 12:09:22
Gibt es denn schon Threads von Pferde/Krankenhausprofis hier? Dann könntet ihr dort euer Wissen ja teilen und die häufigsten und nervigsten Fehler auflisten? :) Wenn ihr Zeit und Lust habt, wäre das super nett! Dass man als Autor, wenn man solche Dinge benötigt, natürlich auch selber recherchiert, ist ja auch klar! Hoffentlich. ;D
Ich würde es ja auch machen, aber Zahnarztkram ist nicht so spannend für Autoren und über Archäologie wurde auch schon einiges gesagt, oder?
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: canis lupus niger am 31. Januar 2016, 12:10:59
Ich erwähne zur Leistungsfähigkeit von Pferden immer mal wieder gerne das Langstreckenrennen des deutschen und österreichschen Militärs von Wien nach Berlin im Jahr 1892, das über 572 Kilometer ging. Der Sieger schaffte die Strecke in einer Gesamtzeit von 71 Stunden und 26 Minuten, worin rund 11 Stunden Pausen enthalten waren. Er erhielt 20.000 Mark Preisgeld sowie den Ehrenpreis des Kaisers Wilhelms und den Roten Adlerorden 4. Klasse. Der Verlierer war sein Pferd, das wenige Stunden nach dem Rennen starb. Dabei war es "nur" mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von knapp 10 km pro Stunde unterwegs (ohne die Pausenzeiten zu berücksichtigen). Und dabei handelte es sich bei den Teilnehmerpferden sicherlich um die besttrainierten Kavalleriereitpferde ihrer Zeit und das Rennen fand im hochzivilisierten Mitteleuropa mit gut ausgebauten Straßen und Brücken statt, nicht in der Wildnis einer barbarischen Fantasywelt. Pferde sind wirklich keine Moppeds!
https://de.wikipedia.org/wiki/Distanzritt_Berlin-Wien,_Wien-Berlin_1892 (https://de.wikipedia.org/wiki/Distanzritt_Berlin-Wien,_Wien-Berlin_1892)

Aber um vom Pferdethema weg und wieder zurück zur Ausgangsfrage nach der Korrektheit von Bücher zu kommen:

Meine persönliche Meinung ist, dass man als Autor für den Leser der Zielgruppe angenehm lesbar und verständlich schreiben sollte. Das bedeutet für mich auch den Verzicht auf die Verwendung ausgesprochener Fachnomenklatur (wie Durchparieren, entschuldige, Cairiel!  ;)). Es bedeutet aber nicht den Verzicht auf Korrektheit. Ich kann etwas allgemeinverständlich ausdrücken, aber dabei trotzdem sachlich richtig darstellen.

Wenn ich das nicht kann, versuche ich das "schwierige" Thema irgendwie zu umschiffen, z.B. einen Perspektivträger zu verwenden, der ebenfalls keine Ahnung hat, und dem ein Leser seine Unwissenheit nachsehen kann. Und natürlich recherchiere ich zumindest ein wenig darüber, um keinen Mist zu produzieren.

Und Themen, von denen ich keine Ahnung habe, mache ich auf keinen Fall zu zentralen Themen meiner Geschichten, nicht nur, um keinen Mist zu produzieren, sondern schon allein, weil es mir keinen Spaß macht, darüber zu schreiben. Wenn sie mir Spaß machen würden, würde ich mich ja automatisch damit beschäftigen und wüsste logischerweise auch mehr darüber. Als Hobbyautorin habe ich glücklicherweise die Freiheit, nicht irgendwas schreiben zu müssen, sondern das schreiben zu dürfen, was mir gefällt.
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Fianna am 31. Januar 2016, 12:24:50
Ich hasse es, wenn bei Kampfszenen steht, dass jemand mit seinem Schwert "ausholt".
Da habe ich ein Bild vor Augen, dass der Krieger seinen Arm unheimlich weit nach hinten biegt (fast so, als würde er einen Ball weit werfen wollen - auf jeden Fall aber das Schwert bzw. dessen Spitze irgendwie hinter dem Körper hält).
Dann feuere ich seinen Gegner in Gedanken immer an, die Gelegenheit zu nutzen und ihm schnell in die Schulter oder Brust zu stechen.
Aber nein, der Gegner wartet schön, bis der Krieger seinen Arm wieder nach vorne schwingt, und dann wird auf die Klinge gehauen.

Wir haben bei einem Autorentreffen mal Kampfszenen durchgespielt - 2 Leute spielen, was einer parallel aus seinem Text vorliest. Das war zwar nicht 100 % realistisch, weil wir wegen des Körperkontaktes nur Larp-Waffen genommen haben, aber meist war der Held in einer Szene von seinem Gegner mehrfach abgestochen worden, weil er seine Waffe so hielt, dass er absolut seine Deckung öffnet. (Es waren Szenen ohne Schilde.)
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: canis lupus niger am 31. Januar 2016, 12:40:56
@Fianna
So ein Visualisieren durch Nachstellen der geschilderten Situation ist eine geniale Idee, zumindest was die Plausibilität von Choreografie betrifft.  :rofl:

Dazu fällt mir ein, dass mal jemand die Redezeit für einen fast nur aus "Kneipenerzählungen" bestehenden Roman ausgerechnet hat. Was der Autor zeitlich in einem Abend untergebracht hat, hätte tatsächlich mehrere Tage gefüllt. Dabei handelte es sich um "Old Shurehand II" von Karl May.   ;D
 
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Fianna am 31. Januar 2016, 12:47:40
Zitat von: canis lupus niger am 31. Januar 2016, 12:40:56
@Fianna
So ein Visualisieren durch Nachstellen der geschilderten Situation ist eine geniale Idee, zumindest was die Plausibilität von Choreografie betrifft.  :rofl:
Das war ziemlich lustig. Eine Freundin hatte sich viele besondere Bewegungsbaläufe ausgedacht, aber praktisch ist es teilweise schon daran gescheitert, dass man seine Arme und Schultern so gar nicht bewegen kann. Und es gab sehr viele Möglichkeiten, wie der Kampf schon beendet ist, bevor die Szene zu Ende ist.

Eigentlich kann ich sowas nur jedem empfehlen. Mit Metallwaffen wäre natürlich besser. Ich habe einen fetten blauen Fleck kassiert, weil ich für eine Abwehrbewegung zuwenig Kraft eingesetzt habe (bei einem Metallschwert hätte das Gewicht des Knaufes die Bewegung so sehr unterstützt, dass es sich fast von selbst gedreht hätte. Mein Larp-Schwert ist deswegen auf halb acht hängen blieb und ja, das Bein wäre dann durch gewesen  ;D)
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Trippelschritt am 31. Januar 2016, 12:49:10
Zitat von: canis lupus niger am 31. Januar 2016, 12:10:59
Meine persönliche Meinung ist, dass man als Autor für den Leser der Zielgruppe angenehm lesbar und verständlich schreiben sollte. Das bedeutet für mich auch den Verzicht auf die Verwendung ausgesprochener Fachnomenklatur (wie Durchparieren, entschuldige, Cairiel!  ;)). Es bedeutet aber nicht den Verzicht auf Korrektheit. Ich kann etwas allgemeinverständlich ausdrücken, aber dabei trotzdem sachlich richtig darstellen.

Hier, muss ich sagen, habe ich jetzt Verständnisschwierigkeiten. Wieso gehört der Begriff Durchparieren zu einer Fachnomenklatur? Welches Fach soll das denn sein? Und entsprechend würde mich interessieren, wie es denn ein Reiter/Ritter nennen würde, wenn er sein Pferd vom Galopp in den Trab, vom Trab in den Schritt oder aus irgendeiner Gangart zum Halten bringt. In einer Zeit, wo Reiten so selbstverständlich wie Autofahren war, gab es auch eine Sprache oder Begriffe für das, was man tat.

Liebe Grüße
Trippelschritt
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Lothen am 31. Januar 2016, 12:56:29
Zitat von: TrippelschrittWelches Fach soll das denn sein?
Na ja, Reitsport zum Beispiel? ;) Ich finde den Begriff jetzt auch nicht toal abgehoben, ich denke, man würde ihn durchaus verstehen - aber das diente ja auch nur als Beispiel. Wir diskutieren ja auch über Recherche allgemein und nicht im Konkreten über Reitsport.

Ich finde, Canis hat meine Ansicht dazu gut auf den Punkt gebracht:

ZitatMeine persönliche Meinung ist, dass man als Autor für den Leser der Zielgruppe angenehm lesbar und verständlich schreiben sollte. Das bedeutet für mich auch den Verzicht auf die Verwendung ausgesprochener Fachnomenklatur (wie Durchparieren, entschuldige, Cairiel!  ;)). Es bedeutet aber nicht den Verzicht auf Korrektheit. Ich kann etwas allgemeinverständlich ausdrücken, aber dabei trotzdem sachlich richtig darstellen.

Es macht schon einen ziemlichen Unterschied, ob man nun Fakten wirklich falsch darstellt oder einfach Details weglässt, die nur einen Fachmann/eine Fachfrau wirklich ansprechen können.

Ob man ein Pferd nun anhält oder durchpariert ist im Grunde egal - gemeint ist dasselbe, und jeder Leser wird vermutlich verstehen, was gemeint ist. Oder ob ich nun beim Bogenschießen einen Pfeil auf die Sehne lege oder annocke. Dasselbe gilt vermutlich auch für Computersprache, Fechtsprache oder anderes Fachjargon. Gerade in einer personalen Erzählform finde ich auch wichtig, ob der jeweilige Perspektivträger diese Fachsprache überhaupt kennt.

Sicher ist das schick, wenn man die entsprechenden Fachausdrücke kennt, aber teilweise hab ich auch das Gefühl, dass der Autor das nur macht, um mir als Leser zu zeigen, wie fein er recherchiert hat. ;) Da ich ja als Leser sowieso davon ausgehen, dass der Autor das getan hat, finde ich das nicht unbedingt erforderlich. Außer natürlich, man will ganz gezielt ein Fachpublikum ansprechen oder klarstellen, dass der Perspektivträger ein totaler Profi in einem bestimmten Gebiet ist.
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Denamio am 31. Januar 2016, 13:07:39
Naja, die Menge macht es halt, oder nicht? Außerdem kann man einzelne Ausdrücke ja durchaus kurz erklären und etablieren. Prinzipiell kann man einen Sachverhalt so schreiben:

ZitatDie exemplarische Artikulation transitioneller Schrittschwäche bei Probanden im sekundären Bildungsbereich, manifestiert eine soziokulturell notwendige Intervention im Bereich der liminalen Phasierung.

Oder man schreibt:
ZitatDie Schüler haben Schwierigkeiten beim Übergang aus dem sekudären Bildungsbereich, es ist daher notwendig in den Übergangsphasen gezielt einzugreifen.

Als Leser wünsche ich mir definitiv zweiteres, auch wenn die Aussage eigentlich unsauber ist. Das ist keine perfekte Übersetzung aber der Sinnverhalt bleibt erhalten. Ein Problem an der Sache ist wohl, dass nur wer etwas wirklich verstanden hat, es auch klar und deutlich wiedergeben kann. Da sind wir wieder bei der Recherche. Speziell bei Sachverhalten macht es denke ich Sinn wenn man zwei verschiedene Pole prüft.

a) Versteht ein Laie das?
b) Weint der Profi oder knirschen nur die Zähne weil es nicht exakt genug ist?

Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Trippelschritt am 31. Januar 2016, 13:23:06
Zitat von: Lothen am 31. Januar 2016, 12:56:29
Zitat von: TrippelschrittWelches Fach soll das denn sein?
Na ja, Reitsport zum Beispiel? ;) Ich finde den Begriff jetzt auch nicht toal abgehoben, ich denke, man würde ihn durchaus verstehen - aber das diente ja auch nur als Beispiel. Wir diskutieren ja auch über Recherche allgemein und nicht im Konkreten über Reitsport.

Leider nein. Für einen Fachterminus aus dem Reitsport hätte mich Canis' Argumentation überzeugt. Aber der Begriff Durchparieren ist nicht auf den Sport beschränkt, sondern ein Begriff des Reitens. Wurde auch von der ländlichen Reiterei früher benutzt und heute von Freizeitreitern. Ich denke mal, obwohl ich das nicht weit, wird es einen ähnlichen Begriff in allen Berufssparten geben, die mit Pferden arbeiten.
Und ja, ich bin noch im allgemeinen Thema, denn die Suche nach dem angemessenen Ausdruck einer vorher recherchierten Angelegenheit zieht sich ja durch die ganze Diskussion. Daher meine Neugier.

Liebe Grüße
Trippelschritt
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Akirai am 31. Januar 2016, 14:07:28
Eine gute Frage - und es gibt eigentlich keine allgemeingültige Antwort. Ich würde es für mich mal so aufdröseln:

a) Es hängt vom Genre ab. Bei einem historischen Roman erwarte ich mehr Fakten, als bei einem Fantasyroman (da können die Helden auch mal weit mit dem Schwert ausholen - tschuldigung, Fianna  :versteck: ).

b) Es hängt von der Zielgruppe ab. Wenn ich ein Nischenthema besetze, muss ich mir wohl mehr Zeit für Recherche nehmen, da mein Lesepublikum vermutlich aus prozentual mehr Fachmenschen bestehen dürfte.

c) Es hängt von der Fachsprache ab. Manche Fachwörter haben es in die deutsche "Allgemeinsprache" geschafft (die Fundgrube stammt z.B. aus der Bergmannssprache *klugscheiß  ;D *), andere nicht. Und ganz ehrlich, mich hätte durchparieren aus der Geschichte geholt, da ich das Wort nicht kenne und es dementsprechend nur ein "Öhm, ja, ähm - was soll das jetzt heißen?" bei mir auslöst  :versteck: .

d) Es hängt von der gewählten Figur ab. Um mal beim Seemann und dem nach "links abdrehen" zu bleiben: Ich hätte die Stirn gerunzelt, weil ein Seemann eben backbord / steuerbord verwendet hätte, also die an sich korrekte Fachsprache. Ein Laie hätte dagegen "nach links abdrehen" benutzt.
Und um das durchparieren-Beispiel noch mal zu verwenden: Wenn ich den Satz lese "Er parierte sein Pferd durch" löst das bei mir die Vorstellung aus, dass der Autor / die Erzählstimme zwar ein gelernter Reiter sein mag, die Figur es aber nicht unbedingt sein muss. Haut mich, aber ich geh mal davon aus, dass der durchschnittliche Fantasy-Held keine Fach-Reit-Sprache beherrscht  ;)
Wenn der Käpitän dagegen übers Deck brüllt: "Hart Steuerbord!", dann stimmt hier die Verwendung der Fachsprache mit meinem Bild der Figur überein (der Kapitän ist ja der Fachmann).
(... und jetzt hoffe ich, ich hab mich klar genug ausgedrückt ... Man sollte dazu sagen: ich bin weder Reiter noch Segler.)

Also ich würde die reine Frage, wie korrekt Bücher sein müssen, von diesem Faktoren abhängig machen. Aber da stellt sich nur die Frage, ob man als Autor soviel Zeit in die Vorüberlegungen stecken möchte / kann.

LG
Aki
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Churke am 31. Januar 2016, 14:17:35
Zitat von: Cairiel am 30. Januar 2016, 11:09:33
Was wäre passiert, hätte ich Franziska nicht als Patin gefunden und hätte sich im Überarbeitungsprozess sonst niemand damit ausgekannt, bis hin zum Lektor, falls ich das Manuskript in einem Verlag unterbringen kann?

Dann wäre dein Buch auf jeden Fall schlechter. Garantiert.
Ein Freund von mir schreibt Krimis. Ich hasse Krimis, aber da ich beruflich mit der Materie zu tun habe, bin ich für gewisse Recherchen sein Ansprechpartner. Und bei seinen Szenen sah ich als Fachmann sofort, dass seine Vorstellungen von Polizeiarbeit zu 90 % aus amerikanischen Serien stammen. Das stört wahrscheinlich nicht, weil die Leser das genauso erwarten, aber...
Nach einem recht intensigen Bertungsgepräch  ;D hat er den Plot nach meinen Anregungen umgeschrieben, die Szenen geändert und die Dialoge angepasst. Das ist jetzt wirklich WELTEN besser als vorher. Gute Recherche fließt eben auch in die Story und desern Ausarbeitung ein.

Zitat von: Fianna am 31. Januar 2016, 12:24:50
Ich hasse es, wenn bei Kampfszenen steht, dass jemand mit seinem Schwert "ausholt".
Also ich schreibe das nicht nur, ich mache das auch. Das lehren mehrere Kampfkünste so, man muss es "nur" richtig machen.

Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: canis lupus niger am 31. Januar 2016, 15:00:34
Zitat von: Trippelschritt am 31. Januar 2016, 12:49:10
Hier, muss ich sagen, habe ich jetzt Verständnisschwierigkeiten. Wieso gehört der Begriff Durchparieren zu einer Fachnomenklatur?
Die korrekte Definition mag eine andere sein, aber für mich beginnt Fachnomenklatur dort, wo das allgemeine Sprachverständnis eines Laien aufhört.

Zitat von: Trippelschritt am 31. Januar 2016, 12:49:10Welches Fach soll das denn sein?
Reitsport, würde ich sagen ...
Ich reite selber seit meiner Kindheit, also im Prinzip seit 40 Jahren, und habe in meinen Geschichten das Wort 'Durchparieren' noch nicht so oft verwendet. Wenn, dann nur so, dass sich die Bedeutung aus dem zusammenhang ergibt. Weil ich sie nicht nur für Reiter schreibe.

Zitat von: Trippelschritt am 31. Januar 2016, 12:49:10Und entsprechend würde mich interessieren, wie es denn ein Reiter/Ritter nennen würde, wenn er sein Pferd vom Galopp in den Trab, vom Trab in den Schritt oder aus irgendeiner Gangart zum Halten bringt. In einer Zeit, wo Reiten so selbstverständlich wie Autofahren war, gab es auch eine Sprache oder Begriffe für das, was man tat.

Tja, aus der Ritterzeit sind leider keine Texte über Reiterhilfen überliefert. Die ältesten Sachen, die ich gelesen habe, stammen entweder aus der Antike, z.B. von Xenophon, oder aus der Zeit nach dem Mittelalter, z.B. von von Max von Weyrother oder von Guerinière (als Zitate in moderneren Reitlehren). Und ich gehe davon aus, dass die Mehrheit der Nichtreiter unter meinen Lesern eine noch geringere Kenntnis von mittelalterlichen Reiterhilfen und deren Bezeichnungen haben, als ich. Und vermutlich haben sie auch ebensowenig Lust, jedesmal nachzuschlagen, wenn sie etwas ihnen Unverständliches lesen. Orginalmittelalterliche Sprache liest sich ganz lustig, wenn man es mit einigen Sätzen zu tun hat, aber auf Dauer finde ich sie recht anstrengend und die Fachbegriffe unüblich und lästig nachzuschlagen. Zwei Beispiele aus dem 18. JH?
Zitat"Nach diesem letzten Manöver theilte sich die ganze Cavalcade in zwei Parteien, jede zu zwölf Rittern mit ihren Knappen, die mehrere so zierliche als rasche Evolutionen ausführten, bei welchen sie sich abwechselnd untereinander mengten, ..."
Und eine Bildunterschrift von Johann Elias Ridinger: Dargestellt ist eine
ZitatTraversiré aus der Volte gege der Säule mit dem Kopf ein u. der Crouppe auswarts
Die erläutert er wie folgt:
ZitatDiese Lection [...] ist darum nothwendig, dadurch lernet das Pferd sich wenden, und wird sehr gelenckicht auf denen Schultern, und machet daß es sich auf dem Hinterteil hält.
Alles verstanden?

Ich würde mich vermutlich so ähnlich ausdrücken, wie Du es gerade getan hast. Oder einfach das verpönte 'Anhalten' verwenden, oder ich würde den allgemeineren Begriff 'Zügeln' verwenden, wo er hinpasst, auch wenn eine Parade, die z.B. einen Gangartwechsel vorbereiten soll, nicht nur mit den Zügeln, sondern auch mit den Schenkeln und vorrangig mit dem Hintern gegeben wird, je nach Reitweise. Aber das geht jetzt zu sehr ins Detail. Für mich ist entscheidend, einem Leser nicht demonstrieren zu wollen, wie tief ich in der Materie drinstecke (und er nicht), sondern neben dem sachlich richtigen Inhalt auch Lesevergnügen zu vermitteln.
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Fianna am 31. Januar 2016, 15:11:13
Also, wenn der Autor sich an ein mittelalterliches Setting orientiert, denke ich nicht an Kendo oder was immer Du meinst. Die Bekleidung bei diesen bewegungsintensiveren Kampfkünsten dürfte sich auch von einem mit Kettenhemd oder Platte beschwertem Krieger unterscheiden?

Aber am besten sondern wir uns mal ab (evt beim BuCon wenn ich frei bekomme) und Du zeigst, was genau Du meinst, sowas geht immer besser als erklären.
Vielleicht spreche ich gerade ja von einer anderen Bewegung als Du meinst. :)
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Pygmalion am 31. Januar 2016, 19:44:38
Interessantes Thema, da stehe ich glaube ich auf auch auf dem Standpunkt, es kommt aufs Genre und den Anspruch an das Werk an.
Ich nehme jetzt mal meinen eigenen Beruf, Archäologe als Aufhänger und muss sagen, dass ich Indiana Jones trotzdem gut finde, auch wenn das soviel mit Archäologie zutun hat wie Pferde mit Moppeds. Arbeitsalltag ist einfach unglaublich öde für den gemeinen Zuschauer, das gilt vermutlich für die allermeisten Berufe. Indiana Jones möchte aber auch gar nicht authentisch sein und das finde ich auch einen wichtigen Punkt. Das will einfach unterhalten und so verstehe ich es auch. Der Beruf des guten Herrn Professors spielt eine völlig untergeordnete Rolle. Der Film hat überhaupt nicht den Anspruch, da korrekt zu sein. Wäre es ein besserer Film, wenn die Arbeit eines Archäologen korrekt dargestellt werden würde? Nein, denn den Film gäbe es gar nicht.
So sehe ich das generell auch bei Büchern.
Schreibt jemand einen historischen Roman und will das so realistisch rüber bringen wie möglich (zumindest laut eigenem Nachwort), macht aber Ingelheim zur Zeit Karls des Großen zu einem völlig unbedeutenden Dorf und baut hunderte weitere historische Fehler ein, wie z.b. Mais in derselben Zeit, (Ich lese gerade die Päpstin... nicht empfehlenswert!) dann nervt mich das.

@Angela:
ZitatSteuerbord und Backbord halte ich für Allgemeinbildung, Wanten und Schoten, da frage ich mich dann schon, verwende das aber noch, statt dem Krähennest verwende ich Ausguck, der Smutje zum Beispiel ist bei mir schlicht der Schiffskoch, das versteht jeder. So überlege ich mir, was ist halbwegs gängig, was eher nicht.

Mh, da würde ich aber wirklich nochmal stark überlegen, ob du wirklich auf solche Begriffe verzichten möchtest, für mich sind die auch ziemlich weit verbreitet und gehören irgendwie in ein Setting das AUF einem Schiff spielt dazu. Du kannst wohl von Leuten, die ein Buch kaufen, das auf einem Schiff spielt, erwarten, dass sie solche Wörter schon mal gehört haben. Zur Not macht man hinten ein Fachwörterglossar. Ich bin mir sicher, die Hornblower bücher von C.S. Forester wären nur halb so gut, hätte sie das Vokabular nicht authenisch wiedergegeben und die Manöver des Schiffes unsinnig beschrieben.
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Guddy am 31. Januar 2016, 19:45:57
Zitat von: Pygmalion am 31. Januar 2016, 19:44:38Wäre es ein besserer Film, wenn die Arbeit eines Archäologen korrekt dargestellt werden würde?
Der Film wäre furchtbar!  ;D
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Fianna am 31. Januar 2016, 19:56:13
Wenn ich mich nicht irre, betont Indy solche Sachen wie "Kein X hat je auf einer Karte einen Punkt markiert" und dass man praktisch nur in der Bibliothek oder dem Museum hockt... Ich habs in Erinnerung, dass er bei diesen Lehr-Szenen besser ist. Er nimmt sich selbst von dieser Regel anscheind aus ;D
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Araluen am 31. Januar 2016, 20:23:19
Gute Recherche macht ein Buch um einiges besser, wenn sie richtig verwendet wird. Der Autor sollte isch gut über das Thmea informieren, über das er schreibt, auch über Randthemen. Wenn die Heldengruppe nun ein mal von A nach B reitet, sollte man als Autor zumidnest ein grobes Wissen über das Reiten sich angelesen haben. So vermeidet man grobe Schnitzer. Allerdings braucht man den Leser nicht mit Fachwissen erschlagen, nur um zu zeigen, dass man sich informiert hat. Einen Teil der Leserschaft mag es interessieren, wie genau die kriminalistische Arbeit von statten geht oder eine Genanalyse vorgenommen wird. Die meisten Leser werden solche Stellen dann einfach quer lesen oder ganz überblättern.
Wie bereits gesagt wurde, kommt es darauf an, was man schreibt und für wen.
Indiana Jones soll Spaß machen und tut es auch. Mit Archäologie hat das wenig zu tun, braucht es auch nicht. George Lucas hat sich bei Star Wars trotz der zahlreichen Planeten nicht einmal ansatzweise mit Astronomie und Geologie beschäftigt, möchte man meinen. Zumindest ergeben seine Planetensysteme wissenschaftlich keinen Sinn. Macht aber nichts. Interessiert an dieser Stelle niemanden. Laserschwerter sind da viel spannender und auch die entbehren jeder Physik (außer man macht aus Laser glaub Plasma, aber egal) - interessiert auch niemanden.
Würden "Bibi und Tina", "Wendy" "Ponyclub xy" und wie die ganzen Pferdeserien alle heißen den Kindern so viel Spaß machen und Freude an Pferden bereiten, wenn der Umgang mit dem Pferd absolut realistisch dargestellt werden würde und super recherchiert wäre? Ich glaube nicht. Hier wollen die Leser die heile rosa Pferdewelt, wo das Pferd dein bester Freund ist und alles Glück der Welt auf dem Rücken der Pferde liegt. Komplizierte Details stören da nur.
Wäre Yakari so ein großer Erfolg bei den Kindern und auch Eltern, wenn das Leben der Sopux-Indiander richtig dargestellt wäre? Für das Erwachsene Publikum kann man auch Winnetou nehmen.
Beim PFerdeflüsterer aber zum BEispiel hätte ich mir wirklich etwas mehr Recherche gewünscht vor allem beim Film.
Je nach Genre oder Zielgruppe müssen eben Abstriche gemacht oder eben auch mehr Wert auf Details gelegt werden.
Recherchieren und informieren sollte der Autor sich auf jeden Fall trotzdem. So fühlt er sich heimisch in seinem Setting und kann sich ganz natürlich darin bewegen. Das gibt der Geschichte mehr Authentizität.
Mein Projekt "Cementuri" ruht derzeit auch ein wenig, weil ich mich nach einem Settingwechsel nun über Florenz informieren muss. Im Prinzip kann mir die Stadt egal sein. Für die Geschichte ist sie nicht mehr als eine Kulisse. Für genaue Details fehlt mir da der Raum. Außer ich stricke die ganze Geschichte um. Trotzdem informiere ich mich, damit ich nicht plötzlich Dinge einbaue, die es vielleicht gar nicht gibt oder völlig untypisch sind. Außerdem möchte ich einfach wissen, in was für einer Stadt meine Charaktere nun leben. Ob ich all das angelesene WIssen auch einbaue? Wahrscheinlich nicht.

Lange Rede kurzer Sinn: Auf jeden Fall gut recherchieren und dann sehen, was man wirklich davon braucht. Vielleicht reicht das allgemeingüötige Klischee. Manchmal muss man aber auch darüber hinaus gehen.
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Trippelschritt am 31. Januar 2016, 20:50:06
@ canis lupus niger

Danke, jetzt weiß ich, was du  meinst. Übrigens "zügeln" halte ich für ein gutes Wort, weil jeder sich etwas darunter vortstellen kann. Ich nutze auch manchmal etwas mit "gegen die Bewegung des Pferdes" je nachdem, was der Reiter gerade macht.

Liebe Grüße
Trippelschritt
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Thistle am 31. Januar 2016, 22:56:08
Zitat von: Araluen am 31. Januar 2016, 20:23:19

Würden "Bibi und Tina", "Wendy" "Ponyclub xy" und wie die ganzen Pferdeserien alle heißen den Kindern so viel Spaß machen und Freude an Pferden bereiten, wenn der Umgang mit dem Pferd absolut realistisch dargestellt werden würde und super recherchiert wäre?

Ich glaube, in diesen Serien hat noch nie jemand einen Stall ausmisten müssen, und wenn doch, dann hat es tierisch viel Spaß gemacht.  ;)

Zitat von: Pygmalion am 31. Januar 2016, 19:44:38
Du kannst wohl von Leuten, die ein Buch kaufen, das auf einem Schiff spielt, erwarten, dass sie solche Wörter schon mal gehört haben. Zur Not macht man hinten ein Fachwörterglossar.

So etwas habe ich in der Art mal in einem Jugendbuch gesehen (jetzt fragt mich bitte nicht, wie das hieß, das ist ungefähr zehn Jahre her  ???). Da war ein junges Mädchen mehrere Monate auf einem Schiff unterwegs und hinten im Anhang war eine Zeichnung eines Schiffes, wo mit Pfeilen erklärt wurde, wie welches Teil richtig heißt. Das fand ich damals schon eine gute Idee.
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Araluen am 31. Januar 2016, 23:20:30
Zitat von: Thistle am 31. Januar 2016, 22:56:08
Zitat von: Araluen am 31. Januar 2016, 20:23:19

Würden "Bibi und Tina", "Wendy" "Ponyclub xy" und wie die ganzen Pferdeserien alle heißen den Kindern so viel Spaß machen und Freude an Pferden bereiten, wenn der Umgang mit dem Pferd absolut realistisch dargestellt werden würde und super recherchiert wäre?

Ich glaube, in diesen Serien hat noch nie jemand einen Stall ausmisten müssen, und wenn doch, dann hat es tierisch viel Spaß gemacht.  ;)
Genau so sieht es aus ;)

Zitat von: Thistle am 31. Januar 2016, 22:56:08
Zitat von: Pygmalion am 31. Januar 2016, 19:44:38
Du kannst wohl von Leuten, die ein Buch kaufen, das auf einem Schiff spielt, erwarten, dass sie solche Wörter schon mal gehört haben. Zur Not macht man hinten ein Fachwörterglossar.

So etwas habe ich in der Art mal in einem Jugendbuch gesehen (jetzt fragt mich bitte nicht, wie das hieß, das ist ungefähr zehn Jahre her  ???). Da war ein junges Mädchen mehrere Monate auf einem Schiff unterwegs und hinten im Anhang war eine Zeichnung eines Schiffes, wo mit Pfeilen erklärt wurde, wie welches Teil richtig heißt. Das fand ich damals schon eine gute Idee.
Sowas ist wirklich eine gute Sache. Ich mag solche Verzeichnisse auch im Fantasybereich, solange einem das Nachschlagen dort nicht die Geschichte vorweg nimmt. Zumindest im Silmarillion fand ich das sehr nervig. Da hatte ich die Assoziation zu dem einen Namen vergessen (Es war der Riesenhund, der Beren die Hand abbiss) und bekam im Verzeichnis dann die gesamte Geschichte des Hundes zusammengefasst erzählt. Hund im Dienste Morgoth hätte mir da gereicht in dem Fall.
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Fianna am 01. Februar 2016, 01:33:05
Solche Verzeichnisse sind super, aber nicht die Norm oder es gibt viele Zufalls-Leser, die nicht danach suchen und das Buch entnervt abbrechen oder sich später ärgern, dass es ja hinten ein Glossar gibt. Da müsste in jedem Fall vorne (am besten fett) ein Hinweis hin, dass es hinten ein Glossar gibt ab Seite X.
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: LinaFranken am 01. Februar 2016, 04:08:33
Als leidenschaftlicher Sammler von Sach- und Fachbüchern und Recherche-Junkie habe ich vielleicht eine strenge Meinung, aber ich denke: Man kann gar nicht zu viel Wissen haben. Und man kann nach meiner Ansicht auch nicht zu viel Wissen in ein Buch packen.
Argumente wie Zielgruppe und Genre finde ich zwar interessant und irgendwo auch berechtigt, würde sie aber persönlich beim Schreiben komplett ignorieren. Was der Leser nicht weiß, kann man ihm ja beibringen. Sicher ist es ein Aufwand Informationen in die Story einzubringen ohne einen Infodump zu fabrizieren oder die strenge Lehrerin zu spielen, aber wer sagt, das Schreiben einfach sein soll? Ich denke diese Mühe kann man sich machen.

Zum einen hat man im besten Fall den Leser klüger gemacht als er vorher war, was doch ein wundervoller Effekt ist. Als kleines Beispiel: Ich hab im Physik früher herrlich durchgeschlafen und hätte nicht mal sagen können, was ein Teilchenbeschleuniger ist, wenn mein Leben von abhinge. Dan habe ich Dan Browns Illuminati gelesen und wusste plötzlich ganz viel über Teilchen und Materie. Zudem hat es mehr Spaß gemacht als der öde Physik-Unterricht. -Hier hat der Autor was gutes geschafft, er hat die kleine, dumme Lina ne Ecke klüger gemacht  :jau:

Zum anderen stellt sich die Frage nach der Herkunft der Informationen und ihrer Korrektheit. Das liegt dann nach meiner Ansicht definitiv in der Verantwortung des Autors und ich finde es keineswegs zu viel verlangt, dass ein Autor sich mal durch das eine oder andere Fachbuch durcharbeitet. Schreibt man z.B. über Pferde und das auch noch öfter, finde ich schon das man dann erwarten kann, dass der Autor zumindest einige Fachbücher gelesen hat, wenn er schon nicht die Möglichkeit hatte, eigene Erfahrungen auf dem Gebiet zu sammeln. Sicher ist es nicht gesagt, das man nach paar Fachbüchern gleich die Weisheit mit Löffeln verschlungen hat, aber man kann zumindest guten Gewissens von dem Thema sprechen, ohne fürchten zu müssen, dass man mit Anlauf in ein Fettnäpfchen springt. Zum Beispiel habe ich letztens ein ganzes Buch über gotische Architektur gelesen, nur um eine kleine Kirche beschreiben zu können, die in nur einem Kapitel auftaucht.

Und hier könnte man mit den Gegenargumenten anfangen:
-Ich hab einen Haufen Zeit vergeudet um ein Fachbuch zu lesen, das für Architektur-Studenten gedacht ist, obwohl die blöde Kirche letztendlich in nur einem Absatz auftaucht
-Ich nerve den Leser mit Architektur, die ihn nicht die Bohne interessiert
-Ich schwafel zu viel herum (wäre ja nix neues  ;) )
-Ich hab nicht mal 3% vom dem erworbenen Wissen in dem Text untergebracht
-etc..etc.. etc...

ABER: ich habe dieses Wissen! Und was auch immer ich mir vorwerfen lassen kann, ich muss mir nicht vorwerfen lassen, ich würde über Dinge sprechen, von denen ich keine Ahnung hab. (Höchstens das ich dieses Wissen nicht gut umgesetzt habe. -Aber dafür gibt es liebevolle Beta-Leser, die das einem um die Ohren hauen können.) Und ich persönlich finde nichts peinlicher auf der Welt, als doof zu wirken. (Liegt vielleicht an persönlichen Erfahrungen, aber trotzdem.) Vor Fehlern ist man nie gefeit, aber man kann sich zumindest bemühen und warum sollte man sich beim Schreiben nicht bemühen, wenn man das als Beruf oder Hobby ernsthaft und gut machen möchte? Für mich persönlich gilt daher fürs Schreiben und für Recherchieren die Devise: Lernen, lernen und noch mal lernen! Dankbar sein für jeden Fehler, den man aufgezeigt bekommt und dann weiter lernen bis zum Grab.  ;) Wirklich doof ist nur, wer glaubt, schon klug genug zu sein. Weder das Gehirn des Autors, noch das des Lesers hat ne beschränkte Kapazität, da geht immer noch was rein.
Wie man die Fachbegriffe, Beschreibungen etc dann letztendlich in das Buch einbaut um niemanden zu verwirren oder zu langweilen, ist dann natürlich eine Frage des Stils, verschiedener Techniken etc. Aber das kann man üben, herumprobieren, Erfahrung sammeln.
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Trippelschritt am 01. Februar 2016, 07:41:36
Du sprichst mir aus der Seele Lina. Denn ich erinnere mich immer gern daran, was ich aus Romaen - nicht aus Fachliteratur - alles gelernt habe. Ganz spontan fallen mir Clavell und dick Francis ein. Von Clavell habe ich mehr über Ostasien erfahren, als aus jedem Sachbuch und Dick Francis hat jedes seiner Kriminalfäll um ein bestimmtes Sachthema herumgebaut. Meist war der Protagonist Fotograf oder Banker oder Küchenchef oder er hatte eine Spedition oder ...
Das hat auch alles nichts mit Infodump zu tun. Infodump ist ein handwerklicher Fehler beim Schreiben. Und keiner dieser Autoren kam auf die Idee, irgend etwas erklären zu müssen. Bestenfalls in einem Halbsatz. Lesen bildet und viele Leser möchten aus einem buch aus etwas Neues erfahren. Und das auf eine möglichst interessante und spannende Weise. Für den Autor bedeutet das eine Herausforderung, die er aber gerne annehmen sollte.

Liebe Grüße
Trippelschritt
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: JarlFrank am 01. Februar 2016, 11:52:10
Man sollte als Autor auf jeden Fall die Basics von dem, was man da schreibt, beherrschen. Wer in einem Krimi beschreibt, wie eine Schusswaffe abgefeuert wird, und das ganze falsch darstellt, wird einen Leser, der selbst im Schützenverein ist irritieren, weil er dann merkt: da stimmt was nicht. Ähnlich bei Science Fiction die so tut, als wäre sie wissenschaftlich korrekt, dabei aber viele Sachfehler mit einbaut. Es gibt für alles irgendwo irgendwen, der sich damit auskennt weil er es als Hobby betreibt, und darunter sind viele Aktivitäten, denen auch unsere Fantasyhelden des öfteren nachgehen (Bogenschießen, Schwertkampf, Reiten etc). Wenn man also ganz grobe Fehler einbaut riskiert man, dass ein paar Leser dadurch aus der Geschichte herausgerissen werden, weil sie feststellen: so wie der Autor das beschreibt funktioniert das gar nicht!

Deshalb ist Recherche wichtig. Man möchte ja eine überzeugende Welt bauen, mit überzeugender Handlung und überzeugenden Charakteren, und das funktioniert nur dann richtig, wenn man keine versehentlichen Sachfehler in die Geschichte eingebaut hat. Man muss ja nicht mit Fachwissen um sich werfen, das keinen interessiert, aber man sollte wenigstens ein wenig Recherche zu dem betreiben, worüber man schreibt, damit es auch authentisch rüberkommt. Ein Charakter sollte zum Beispiel die Fachbegriffe seiner Zunft kennen, je nachdem was er so tut: wenn ein Seemann auf dem Schiff von "rechts und links" statt von "backbord und steuerbord" redet, dann merkt man, dass der Autor einfach nicht genug recherchiert hat.

Allein um sowas zu vermeiden, ist Recherche wichtig. Und sie lohnt sich auch auf Dauer: dadurch, dass man sich ein breites Allgemeinwissen aneignet, kann man Dinge besser beschreiben und kann auch oft schöne kleine Einschübe bringen, wenn sie gerade zur Situation passen (wichtig! Es muss immer in die Geschichte passen, einen Charakter einfach mal eine ganze Seite lang über sein Hobby reden lassen weil man sich als Autor gerade darüber belesen hat ist keine gute Idee).

Ich stimme also zu 100% Lina Franken zu: sich in verschiedenen Bereichen zu belesen lohnt sich!

Und was noch dazukommt: vielleicht hat man ja eine zündende Idee für eine gute Geschichte, während man sich durch Sach- und Fachliteratur liest. Ein Artikel über astronomische Phänomene könnte zu einer Sci-Fi Story inspirieren, die sich genau mit diesem Phänomen beschäftigt. Oder irgendein reales Ereignis aus einem Geschichtsbuch ist so faszinierend, dass man das in einem fiktionalen Werk aufgreifen möchte.
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Slenderella am 01. Februar 2016, 21:11:55
Tatsächlich sind das meist bei mir die zündenden Ideen. Ein Spiegelbericht über Grytviken? Machen wir mal einen Horrorroman a la HP Lovecraft.

Ein Bericht über Müllstrudel im Pazifik? War Chant :D

Ich mag das. Ich hantiere auch ständig mit der NASA Seite herum, aber da ist der Plot einfach noch nicht spruchreif :D
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Judith am 01. Februar 2016, 21:46:20
Zitat von: Lina Franken am 01. Februar 2016, 04:08:33
Zum einen hat man im besten Fall den Leser klüger gemacht als er vorher war, was doch ein wundervoller Effekt ist. Als kleines Beispiel: Ich hab im Physik früher herrlich durchgeschlafen und hätte nicht mal sagen können, was ein Teilchenbeschleuniger ist, wenn mein Leben von abhinge. Dan habe ich Dan Browns Illuminati gelesen und wusste plötzlich ganz viel über Teilchen und Materie. Zudem hat es mehr Spaß gemacht als der öde Physik-Unterricht. -Hier hat der Autor was gutes geschafft, er hat die kleine, dumme Lina ne Ecke klüger gemacht  :jau:
Nur kurz mal vorsichtig eingeworfen: ein Bekannter von mir ist Physiker und bekommt noch immer Lachkrämpfe, wenn man den Roman erwähnt. Da stellt sich dann die Frage, wieviel richtiges und wieviel falsches Wissen man eigentlich aus Büchern mitnimmt, wenn sie eben nicht so ganz korrekt recherchiert sind.
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Fianna am 02. Februar 2016, 00:39:26
Ich hane auch einen detailreichen historischen Roman einer Amerikanerin gelesen, der vor Fehlern strotzte. Da ich schon einen sehr gut recherchierten Roman und von deren Autorin empfohlene Veröffentlichungen zu dieser Person/Zeit gelesen hatte, ist mir das eben aufgefallen.

Sonst hätte ich das auch nicht gemerkt und mir falsche Sachen gemerkt.
Den Namen der schlampigeren Autorin weiss ich nicht mehr, weil ich das Buch schon vor Jahren ausgesetzt habe.
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Dämmerungshexe am 03. Februar 2016, 17:26:45
Ich bekenne mich mal ganz offen als recherchefaul. Was nicht heißt dass ich gar keine betreibe, ich vergraben mich nur nicht leidenschaftlich in solchen Dingen.
Wichtig finde ich vor allem das als Details, die für die Handlung und die Logik der Geschichte wichtig sind, korrekt und fundiert sind. Geht es nur darum beim Leser ein Bild zu schaffen, damit er sich in etwa orientieren kam, muss es meiner Meinung nach nicht immer einhundert Prozent korrekt sein. Wichtiger ist mir da, dass auf jeden Fall nichts absolut falsches geschrieben wird und vor allem, dass die Sachverhalte stringend sind (also wenn ich eine Sache beschreibe muss ich sie immer auf die gleiche Art beschreiben und nicht "nach Bedarf" anpassen, das verwirrt jeden Leser, nicht nur für, die sich mit einem speziellen Thema gut auskennen.)
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Big Kahuna am 04. Februar 2016, 10:41:06
Also ich bin in der Hinsicht relativ gnadenlos. Meiner Meinung nach sollte ein Autor, wenn er über etwas schreibt, sich damit auch auskennen. Anderenfalls läuft der Autor in meinen Augen Gefahr, sich zu blamieren, wenn er tatsächlich mal auf einen Leser trifft, der sich mit der Materie auskennt.
Gut, dass im Eingangspost das Beispiel Pferde genannt wurde. Ich stand nämlich vor einem ähnlichen Problem. Mein Prota ist Ritter und hat auch einen besonderen Bezug zu seinem Pferd bzw. zu Pferden im Allgemeinen. Also fand ich es wichtig, dass es glaubhaft und vor allem korrekt ist. In dem Fall hatte ich den Vorteil, dass meine Mutter früher geritten ist und meine Tante eine Pferdepension besitzt. Die hab ich gleich beide mal zum Interview eingeladen und sie alles Wissenswerte über die Reiterei gefragt (und habe dabei sogar scheinbar unwichtige Details wie etwa die Wichtigkeit des Fellbürstens erhalten).
Ebenso die Schmiedekunst - auch hier habe ich als LARPer den Vorteil, einen waschechten Waffenschmied zu kennen. Auch den hab ich mir geschnappt und alles Wissenswerte zusammengetragen. Wie viel man davon verwendet, muss man natürlich abwägen und man sollte auch nicht zu sehr mit seinem Wissen prahlen oder ganze Passagen einbauen, die einem Fachbuch ähneln.
Aber nur eine Vorstellung reicht in meinen Augen auf keinen Fall.

Wobei ich da auch etwas pingelig bin - ich muss beispielsweise bei vielen Kampfszenen immer lachen, denn wenn ich mir diese im Geiste vorstelle und dann mit dem vergleiche, was ich trainiere, weiß ich sofort, dass das so nicht funktionieren wird. Allerdings bin ich da etwas nachsichtig, da authentische Kampfszenen mit dem Schwert wirklich langweilig zu lesen wären.
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Sternsaphir am 04. Februar 2016, 11:20:38
Ich finde, man sollte als Autor schon gewisse Grundkenntnisse von dem haben, worüber man schreiben will.
Früher war ich auch sehr recherchefaul, aber inzwischen habe ich den Ehrgeiz, Korrektes wiederzugeben.
Wie lange braucht man zu Fuß für eine bestimmte Wegstrecke? Können Häuser so gebaut werden? Würde die Falle so funktionieren? Ist dieser Kampf realistisch?
Vor allem bei geologischen Themen bin ich seit meinem Studium sehr pingelig und hab auch bei Büchern und Filmen ein Argusauge darauf.
Man muss ja kein Fachidiot sein und alles bis ins kleinste Detail aufschlüsseln. Aber der Leser sollte zumindest das Gefühl haben, dass da jemand Ahnung vom Thema hatte.
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Feuertraum am 25. Februar 2017, 08:58:52
Weil das Thema "Korrektheit" kurz im Kaffeeklatsch auftauchte und auf diesen Thread verwiesen wurde (der - Asche auf mein Haupt - irgendwie vollkommen an mir vorbeigegangen ist), will ich auch etwas dazusenfen.
Recherche ist wichtig, zumindest in dem Sinne, dass man keine extrem groben Schnitzer baut, also die Sahara nicht in Kanada liegt oder der 30jährige Krieg nicht von 1720 - 1750 stattfand.

Jetzt erlaube ich mir aber mal, ein Gegenbeispiel zu bringen, bei der man Fachwissen unter Umständen ignorieren sollte. In meinem Krimiprojekt gibt es eine Szene, in denen die Protas einen "etwas größeren" Schallplattentonabnehmer "basteln" müssen. Da sie kein geeignetes Material dafür zur Verfügung haben, müssen sie improvisieren.
Durch einen Zufall hatte ich (ohne das es geplant war) in einer früheren Szene eine Taschenuhr aus einem bestimmten Material erwähnt und in einer vorher geschriebenen Szene eine Tiffanylampe. Ich hatte das Problem, dass ich einen langen Stock und ein Teil der Uhr miteinander verbinden musste, und dafür musste nun die Tiffanylampe, genauer das Lötzinn, mit dem die einzelnen Glasscheiben verbunden sind, daherhalten. Um das Zinn zu schmelzen und somit dafür zu sorgen, dass sich "Nadel" und "Arm" "küssen", habe ich den Lampenschirm zerstört und einzelne Scherben mit Lötzinn an die improvisierte Nadel gehalten. Dann mittels Glühkörper zum Schmelzen gebracht und somit verbunden.
Allerdings flossen dann doch ein paar korrekte Rechercheergebnisse ein:

1. Die Helden konnten wissen, dass die Nadel aus Saphir sein konnte, da es zu diesem Zeitpunkt schon Tonabnehmer gab, deren Nadel aus Saphir bestanden.

2. Die Glühlampe selber jedoch bringt keine so große Leistung, dass sie das Lotzinn hätte schmelzen können.

3. Der Wolframfaden hingegen schon.

4. Macht man Glühlampe kaputt, zerstört man automatisch auch den Wolframfaden.

5. Wenn man die zerstörte Glühlampe dennoch in ihrer Fassung legt, die Lampe wieder ans Stromnetz angeschlossen und angeschaltet wird, entwickeln die Stäbe, die den Strom eigentlich an den Wolframfaden leiten, soviel Hitze, dass das Lötzinn doch schmelzen würde.

Gut, wird sich  jetzt wohl ein jeder sagen, wenn dass alles möglich ist, ist es doch sauber recherchiert und alles korrekt.
Klar.
Aber wenn ich bei Punkt 5 hätte schreiben müssen: Die Stäbe entwickeln auch nicht genügend Hitze, um das Lötzinn zu verflüssigen, dann hätte ich mir die künstlerische Freiheit erlaubt zu sagen: "Und wenn schon: Die Idee ist klasse, darum mache ich es genau so." Und dann ist es mir persönlich egal, ob jetzt die drei Elektrikermeister, die den Roman lesen und bei der Stelle die Augn verdrehen, sagen: Das geht aber nicht.
Manchmal muss Korrektheit der Spannung weichen. Oder - um Sascha zu zitieren -: Geht zwar nicht, ist aber geil. Und ich glaube, dass ist es, was ein bisschen die Oberhand behalten sollte. Wie beim Rollenspiel: Das System hat Regeln, aber wenn diese Regeln das Abenteuer unmöglich zu spielen machen, dann biege und breche sie.
Und ganz ehrlich: Ich würde lieber in einem Roman am Schluss lesen wollen, dass es natürlich nicht möglich ist, so und so zu agieren oder dass es physikalisch nicht möglich ist, dass dies oder das passiert, also sozusagen ein nachträgliches Aufklären, als dass ich als Leser/Autor auf eine Idee verzichte, die ich als so knorke empfinde, dass ich sie unbedingt drin haben WILL und mir deshalb die "künstlerische Freiheit" erlaube.

 
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Trippelschritt am 26. Februar 2017, 10:27:50
Ach, wie lange habe ich das Wort Knorke nicht mehr gehört.  :vibes:

Ich habe Verständnis für diese Einstellung, teile sie aber nicht. Ich hätte mit den Elektrikermeistern geredet und überlegt, wie man dieses Problem auch noch lösen kann.

Liebe Grüße
Trippelschritt
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Churke am 26. Februar 2017, 11:16:08
Ich sag's mal so: Für mich gehört zur Idee dazu, dass sie zumindest physikalisch funktionieren muss.
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Yamuri am 19. Mai 2017, 14:18:25
Das ist eine gute Frage.
Ich persönlich versuche gut zu recherchieren und realistisch zu schreiben.
Daher benutze ich gerade wenn es um historisch relevante Themen geht auch gerne Fachtermini, wozu Leser dann notgedrungen im Glossar würden nachschlagen müssen oder aus dem Text selbst erschließen, was gemeint ist.
In einem Nebensatz erkläre ich Fachwörter beim ersten Vorkommen normalerweise.

Dennoch empfinde ich es als in Ordnung sich Freiheiten in der Darstellung heraus zu nehmen.
Wenn es Fantasy ist, dann ist es durchaus möglich Berufe und Tiere anders zu präsentieren.
Allerdings würde ich in so einem Fall bewusst ein andere Wort erfinden für den Beruf oder das Tier.
Beispielsweise ein anderer Begriff für Pferd und dann erläutern, dass das Tier äußerlich dem was wir unter einem Pferd verstehen würden sehr ähnlich sieht.
Ich werde so einen Fall haben in meinem Hauptwerk.
Darin kommen Tiere vor, die im Prinzip Pferden ähnlich sind, aber wie Dromedare/Kamele über sehr lange Zeit ohne Wasser klar kommen. Damit es zu keiner Irritation kommt, plane ich einen anderen Begriff einzuführen für diese Tiere.
Auch der Berufsalltag der Menschen in dieser Welt wird sich zum Teil unterscheiden vom Berufsalltag der Menschen in unserer Welt, einfach weil dort andere Bedingungen herrschen.
Auch da stellt sich mir die Frage, bzw. sie hat sich bereits gestellt ob ich anstelle Militär nicht einen anderen Begriff verwende, da es ein Militär wie es dieses bei uns gibt, in meiner Welt nicht gibt, da eine solche Struktur dort nicht notwendig ist. Die Abteilungen, die dem Gouverneur direkt unterstehen umfassen wesentlich mehr Bereiche und haben mit echtem Militär nur noch wenig gemeinsam, wie ich festgestellt habe.

Das wäre bezüglich der Frage wie realistisch es sein soll meine Lösung, zumindest wenn es um Science-Fiction, Phantastik, Fantasy, Mystery etc. geht, einfach andere Begriffe erfinden, wenn ein Tier/Beruf bewusst anders dargestellt werden soll.
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Silvasurfer am 19. Mai 2017, 19:10:31
Ich finde Youtuber echt hilfreich, welche detailliert auf Themen wie Burgen, Waffen und Rüstungen im Fantasy-Genre eingehen.
Die Fehler auf die sie in Filmen und Serien hinweisen sind wirklich extrem unauthentisch, ohne dass es einem jedoch als Leihe einfällt.
Zum Beispiel leuchtet es ein, dass zierliche Helden und Heldinnen, anders als Fantasyautoren es darstellen, niemals mit Pfeil und Bogen kämpfen würden. So ein Bogen braucht Durchschlagskraft und aus diesem Grund ist er aus massiven Holz gefertigt, sodass man ein ganz schöner Muskelprotz sein soll um ihn spannen zu können. Auchdass es vollkommen unsinnig ist, das Zwerge mit Äxten kämpfen würden wird einem sofort klar, wenn man das erst einmal aus dem Standpunkt eines realistischen Kampfes betrachtet.

Die meisten Leser sind zwar keine Nerds, allerdings kann man sich auf diese Weise mit Liebe zum Detail etwas abheben, vor allem da man als Autor erzählerisch das Thema erläutern kann

Shadiversity (Waffen, Burgen, Rüstungen etc): https://www.youtube.com/channel/UCkmMACUKpQeIxN9D9ARli1Q.

Scholagladiatora: (Kampftechniken mit diversen Waffen, Schlachten etc.) https://www.youtube.com/channel/UCt14YOvYhd5FCGCwcjhrOdA
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Churke am 08. Juni 2017, 16:20:15
Ich will, dass sich die Leser auf alles, was ich schreibe, verlassen können. Besonderes Augenmerk richte ich auf die unglaublichen Teile. Je absurder es klingt, desto wahrscheinlicher ist es Regel recherchiert und aus dem Leben gegriffen. 99,9 % der Leser werden es natürlich niemals merken...  :engel:

Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Asuka am 11. Juni 2017, 15:26:41
Ein sehr interessantes Thema!

Ich gehöre (leider) auch eher zu den recherchefaulen Autoren, weshalb bei mir auch noch kein Held Pfeil und Bogen hatte. Ich recherchiere zwar gerne über Mythologie, Sagen und dergleichen, aber bei trockenen Themen wie Waffen und deren Benutzung vergeht mir schnell die Lust.
Eine andere Sache ist, wie viel ich als Autor an Grundwissen dem Leser übermitteln muss. Im schlimmsten Fall muss ich immer davon ausgehen, dass der Leser von der Materie keine Ahnung hat. Will ich ihn dann seitenweise mit Abhandlungen oder Erklärungen zu Fachbegriffen nerven?
(Ein Beispiel: Ich würde liebend gern mal ein Buch über einen Koch schreiben. Mein Mann ist leidenschaftlicher Hobbykoch (neudeutsch nennt man das jetzt Gastrosexueller - kein Scherz!  :pfanne:), wodurch ich auch schon einiges an Fachbegriffen aufgeschnappt habe. Worte wie Mise en Place oder Julienne geschnittenes Gemüse gehören bei uns zum normalen Wortschatz. Das wird aber beim Durchschnittsleser nicht der Fall sein. Meine Angst ist, mich dabei entweder in zu vielen oder zu wenigen Erklärungen zu verlieren. Entweder langweile ich den Leser oder ich gebe ihm nicht die benötigten Informationen)
Wobei im Fantasy-Bereich ja vieles offen ist. Wenn ich der Meinung bin, dass in meiner Welt die Schweine fliegen können, dann können sie da eben fliegen. Und gerade bei Fantasy finde ich, dass man auch mal die Kirche im Dorf lassen sollte. (Meine Lektorin hat kürzlich bemängelt, dass meine Heldin mit einer Peitsche kämpft. Das wäre eine Waffe, die man kaum kontrollieren könnte. Mag sein, aber bei Indiana Jones hat auch keiner gemeckert  :hmmm:)
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Sternsaphir am 11. Juni 2017, 15:42:43
Wichtig bei der Recherche ist die Glaubwürdigkeit. Es muss nachvollziehbar sein und halbwegs logisch aufgebaut.
Bei Kampfszenen scheiden sich die Geister. Während Laien vielleicht beeindruckt sind, kräuseln sich einem Kampfsportler die Fußnägel.
Indiana Jones hat auch nur in einigen wenigen Szenen mit der Peitsche, der Rest sind Faustkämpfe oder Schießereien. Wenn man ein zwei exotische Moves einfügt, finde ich das nicht schlimm, es erhöht sogar den Endruck, dass der Prota ein besonderer Kämpfer ist. Ihn aber z.B. ohne einen Kratzer durch die Heerscharen von Feinden rennen zulassen, klingt zu sehr konstruiert und macht den Prota nicht glaubwürdig. Ebenso wenig wie manche "Helden" stundenlang wild miteinander kämpfen ohne aus der Puste zu kommen.

Fachbegriffe würde ich nicht unbedingt verwenden, denn die versteht kein Laie. Aber man kann es ja umschreiben. Und wenn man sich nicht gut genug mit Waffen auskennt, dann kann man es ja nur oberflächlich schreiben wie z.B. "X spannte den Bogen und zielte". Man braucht da nicht über Körperhaltung und Fingerstellung zu philosophieren. Dem Leser geht es dann um den Kampf und wie dieser verläuft. Es sei denn, man schreibt explizit über die Ausbildung eines Bogenschützen in einer Gilde oder so.
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Soly am 11. Juni 2017, 17:21:22
Zitat von: Sternsaphir am 11. Juni 2017, 15:42:43
Bei Kampfszenen scheiden sich die Geister. Während Laien vielleicht beeindruckt sind, kräuseln sich einem Kampfsportler die Fußnägel.
[...]
Wenn man ein zwei exotische Moves einfügt, finde ich das nicht schlimm, es erhöht sogar den Endruck, dass der Prota ein besonderer Kämpfer ist.
[...]
Fachbegriffe würde ich nicht unbedingt verwenden, denn die versteht kein Laie. Aber man kann es ja umschreiben.

Meine Taktik bei Kampfszenen ist die, dass ich einen Karate-Kampf nehme, der so auch bei mir im Training hätte ablaufen können, als Gerüst nehme und meine Figuren, Waffen und Fähigkeiten darum herumbaue. Alles, was während des Kampfes nicht realistisch ist, passiert dann auf der Grundlage von fantastischen Gimmicks oder Fähigkeiten und ist somit deutlich erkennbar.
Die Beschreibung mache ich mit Begriffen wie "Kampfstand", "Block" oder "gerader Schlag", aber ich benutze nie Fachtermini wie Giaku zuki oder dergleichen. Dadurch ist es anschaulich und detailliert genug, dass der gemeine Leser ein deutliches Bild vom Ablauf des Kampfes hat, ohne Hintergrundwissen zu brauchen; gleichzeitig bleibt es so verschwommen, dass ein Kampfsportler die Abläufe auf realistische Weise nachvollziehen kann und sich nicht vor die Stirn schlägt.
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Churke am 11. Juni 2017, 18:19:38
Zitat von: Asuka am 11. Juni 2017, 15:26:41
(Meine Lektorin hat kürzlich bemängelt, dass meine Heldin mit einer Peitsche kämpft. Das wäre eine Waffe, die man kaum kontrollieren könnte.

Kommt auf die Länge an.  ;)
https://www.youtube.com/watch?v=PftCh7er2p4
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Asuka am 11. Juni 2017, 19:41:57
Zitat von: Churke am 11. Juni 2017, 18:19:38
Zitat von: Asuka am 11. Juni 2017, 15:26:41
(Meine Lektorin hat kürzlich bemängelt, dass meine Heldin mit einer Peitsche kämpft. Das wäre eine Waffe, die man kaum kontrollieren könnte.

Kommt auf die Länge an.  ;)
https://www.youtube.com/watch?v=PftCh7er2p4

Haha, genial  :rofl: (Obwohl ich das nicht als Peitsche bezeichnet hätte. Das sieht eher aus wie ein zu lang geratener Pornoschw- ... Ähm ... Ist das nicht ein fabelhaftes Wetter heute?  :vibes:) Etwas länger ist sie in meinem Buch schon, aber keine zwei Meter oder gar länger. Aber das Video ist interessant! Vielen Dank für den Tipp!
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Evanesca Feuerblut am 11. Juni 2017, 19:51:41
Ein bisschen kommt es vermutlich auch auf die eigene Pingeligkeit an. Ich bin pingelig, wenn ich Bücher lese (ich kann das ums Verrecken nicht abstellen, aber mir geht es z.B. sehr gegen den Strich, wenn ich offensichtlich falsche Geschichtsfakten etc. lese. Wenn ich nicht weiß, dass die Fakten falsch sind - Glück gehabt. Aber oft finde ich es heraus, wenn ich mit anderen Leser*innen diskutiere und dann kann es mir alles verderben) und da ich nur das schreiben möchte, was ich auch guten Gewissens lesen würde, recherchiere ich auch pingelig.
Da kann es schon mal sein, dass zwei Stunden Recherche dafür draufgehen, dass ich genau EINEN Satz im Manuskript geschrieben habe, der dafür aber faktentechnisch astrein ist.
Was mich leider nicht davon abhält, in Fallen zu tappen und Dinge als richtig anzunehmen, die es nicht sind. Das ist mir jedes Mal unendlich peinlich.
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Kadeius am 11. Juni 2017, 23:28:18
Kommt auch immer drauf an, ob das ein gesundes Verhältnis ist. Wenn zu viele abgefahrene Ideen drinstecken, würde ich mich als Leser ggf. eher unwohl fühlen, da ich permanent im Auge behalten muss, was angeblich funktioniert und was alles möglich ist. Wenn es ein paar weltimmanente Dinge sind, die entweder vom Himmel fallen oder sogar erklärt sind, ist das eine andere Sache. Ich persönlich freue mich auch, wenn die detailverliebten an ein oder zwei Stellen auf ihre Kosten kommen.
Bei mir tragen z. B. die Soldaten einer bestimmten Nation viel schwarz: Direkte Frage eines Lesers war, wie die sich das leisten konnten, da qualitativ gut schwarz zu färben wohl gar nicht so günstig war. Habe mir dann eine Erklärung einfallen lassen, würde ich aber auch nicht an jeder Stelle machen. Ich würde sagen, wenn man eine gute Erklärung und eine gute Idee hat, unbedingt einbringen. Wenn nicht, würde ich trotzdem nicht von der Darstellung abweichen, denn es ist immer noch die eigene Idee und die kommt nicht von ungefähr. :)
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Cailyn am 21. Juni 2017, 21:19:48
Ach, die Recherche ... ein Quälgeist sondergleichen!
Mit meinem Historienroman bin ich da eine besonders Leidende.  :buch:

Was mir häufiger passiert als dass ich ungenau recherchiert habe, sind Kritiken über falsche Recherche, die gar nicht falsch ist. Also dass Betaleser glauben, ich hätte etwas falsch recherchiert, obwohl es gar nicht so ist. Oft sind das natürlich Fakten, die andere glauben zu kennen, weil man es aus Filmen so vorgesetzt bekommt. Vermute ich jetzt mal. Aber auch wenn meine Recherche dann korrekt war, frage ich mich dann: Werden die Leser auch denken, ich hätte falsch recherchiert? Ich meine, letztlich will man mit guter Recherche erreichen, dass man als Autorin kompetent rüberkommt. Wenn die Leser dann aber trotzdem überzeugt sind, dass Fakten unmöglich stimmen können, wirke ich alles andere als kompetent. Aber die Fakten dann falsch wiedergeben, weil die Mehrheit denkt, es wäre richtig so, bringe ich dann auch nicht über mich. Irgendwie ein Zwickmühle.  ::)

Ich finde, es kommt schon sehr auf das Genre an, ob alles 100% korrekt sein muss. Gerade bei Abenteuergeschichten, Komödien und dergleichen finde ich, kann man die 5 auch mal gerade sein lassen.
Und generell ärgern mich Ungereimtheiten und falsche Fakten nur, wenn es sich um zentrale Elemente in der Geschichte handelt. Wenn Helden eine Reise tun und dies auf Pferden, und diese Pferde haben keine weitere Funktion als ein Transportmittel zu sein, dann verzeihe ich es rasch, wenn da die Pferde "unpferdisch" sind. Wenn aber der Held eine tiefe Beziehung zu seinem Pferd hat, so quasi als Freund und Helfer, dann würde es mich stören, wenn die Pferde-Fakten nicht stimmen.
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Fledermaus am 21. Juni 2017, 23:44:53
Oh, das ist ein sehr schwieriges (aber interessantes) Thema. Prinzipiell würde ich dazu sagen: Bei spezifischen Fachgebieten, in denen ich nicht bewandert bin, fällt es mir als Leserin oft gar nicht auf, wenn Fakten teilweise einfach nicht stimmen. Dennoch verstehe ich es, dass es sehr ärgerlich ist, wenn man sich selbst in einem Bereich gut auskennt und es in einem Buch einfach völlig verkehrt dargestellt wird.

Beim Lesen ist mir selbst so etwas aber eigentlich eher selten untergekommen.
Das einzige, was mir manchmal auffällt, liegt weniger im Bereich "Faktenwissen" ... Es geht mehr um psychische Zustände, die manchmal so einfach nicht stimmig sind. Manche AutorInnen bauen eben Themen ein - vor allem wenn es um psychische Krankheiten oder ähnliches geht - bei denen man einfach merkt, dass sie selbst nie "hautnahe" Erfahrung damit gemacht haben. Das kann schon teilweise ein seltsames Gefühl verursachen. Ein Extrembeispiel ist etwa, wenn in Büchern z.B. das Thema "selbstverletzendes Verhalten" behandelt wird. Manchmal fühlt sich so etwas dann für mich als Leserin an wie ein Mittel zum Zweck um den Plot voranzutreiben, und beim Lesen merkt man, wenn der Autor bzw. die Autorin sich nicht wirklich mit den psychologischen Hintergründen etc. beschäftigt hat (oder gerademal den Wikipedia-Artikel gelesen hat). Das fühlt sich dann schon komisch an.

Deshalb versuche ich schon, immer so gut wie möglich zu recherchieren. Interessanterweise hakt es bei mir oft bei medizinischen Themen. Ich habe sogar einen Medizinstudenten im engen Freundeskreis, der in dieser Hinsicht immer bereitwillig meine Fragen beantwortet ... Und manchmal ist es zugegebenermaßen richtig ärgerlich, wenn sich eine Tatsache einfach nicht so verhält, wie ich mir das vorgestellt habe. In diesen Fällen versuche ich dann meist, einen Mittelweg zu finden: Entweder ich muss irgendwie erklären, warum sich die Tatsache nicht so verhält wie normalerweise ... Was im Bereich Fantasy tatsächlich oft einfacher ist. Oder ich muss eben den Plot ein bisschen umgestalten, sodass es wieder einigermaßen passt.

Aber bis jetzt haben sich diese Punkte im Endeffekt eigentlich immer recht einfach lösen lassen. Deshalb werde ich vermutlich dabei bleiben, erstmal draufloszuschreiben und beim Korrigieren alles nochmal auf Fakten zu überprüfen (und wenn nötig einen Absatz umzuschreiben). Bis jetzt hat das ganz gut geklappt, mal sehen wie es in Zukunft sein wird.
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Lothen am 22. Juni 2017, 11:41:07
Zitat von: Silvasurfer am 19. Mai 2017, 19:10:31Zum Beispiel leuchtet es ein, dass zierliche Helden und Heldinnen, anders als Fantasyautoren es darstellen, niemals mit Pfeil und Bogen kämpfen würden. So ein Bogen braucht Durchschlagskraft und aus diesem Grund ist er aus massiven Holz gefertigt, sodass man ein ganz schöner Muskelprotz sein soll um ihn spannen zu können.
Das erstaunt micht, woher hast du denn diese Information?

Ich bin wirklich kein Muskelprotz, aber selbst ich kann einen 30-Pfund-Bogen spannen - und ich kenne Mädels, die zierlicher sind als ich, die auch mit 40 oder 50-Pfund-Bögen klar kommen. Ja, die englischen Langbögen gingen auch mal rauf bis 70 oder mehr, aber das entspricht nicht der Norm. Gerade Reiterbögen müssen leicht zu spannen sein, weil auf dem Pferderücken gar nicht die Stabilität da ist für schwere Bögen.

Hängt halt auch immer davon ab, für welche Gegner die Pfeile gemacht sind. Durch Kettengeflecht schlagen Pfeile mit der richtigen Spitze leicht durch, durch Platte natürlich weniger.

@Fledermaus : Psychische Krankheiten sind echt ein schwieriges Thema, gerade deswegen, weil jeder Betroffene sie anders erlebt. Fragt man Person A nach ihren Erfahrungen, kann Person B mit derselben Diagnose sagen: "So ein Quatsch, das stimmt gar nicht." In dem Themenkomplex finde ich es total wichtig, den Charakter im Auge zu behalten, die Figur. Wie geht sie damit um, wie erlebt sie diese Zustände. Eine objektiv-fassbare Wahrheit wird man ohnehin nicht finden. Aber es kann natürlich helfen, sich mit Betroffenen oder mit der Diagnose auseinanderzusetzen.
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Sascha am 22. Juni 2017, 12:24:55
Zitat von: Churke am 11. Juni 2017, 18:19:38
https://www.youtube.com/watch?v=PftCh7er2p4
Aua! Das tut ja schon beim Hinschauen weh.

Zitat von: Sternsaphir am 11. Juni 2017, 15:42:43
Ebenso wenig wie manche "Helden" stundenlang wild miteinander kämpfen ohne aus der Puste zu kommen.
Man sehe sich dazu nur mal ein paar Videos auf der Tube an, aus der beliebten Reihe "Instant Karma – Bully Fails". Da steht ein Brocken von Kerl, irgendwas zwischen 1,90 und 2 Metern, und kriegt exakt eine gewischt. Zack, er liegt am Boden. Bestimmt können manche mehr einstecken als andere (sieht man ja bei jedem Boxkampf), aber die Vorstellungen vieler Leute in der Hinsicht sind wohl doch arg übertrieben.

Jaja, die Recherche ... da sucht man im Netz nach allen möglichen Angaben zu Rechten und Pflichten der Polizei, und dann haut einem unser Churke das alles als falsch um die Ohren ... :wums:
Und eine Feuerwehr, die mir dabei hilft, ein Haus in die Luft zu sprengen (natürlich rein literarisch), finde ich irgendwie auch nicht. Die Antworten nicht mal auf meine Mails. :(
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Churke am 22. Juni 2017, 13:36:08
Zitat von: Cailyn am 21. Juni 2017, 21:19:48
Was mir häufiger passiert als dass ich ungenau recherchiert habe, sind Kritiken über falsche Recherche, die gar nicht falsch ist.

Wenn sich die Leser Wikinger wie in "Prinz Eisenherz" von 1954 vorstellen, ist das aber nicht deine Schuld.  ::)

Man kann zwar nicht jeden erreichen, aber ich glaube doch, dass ein guter Autor seine Leser überzeugen kann. Bei Emile Zola schuften alleinerziehende Bergarbeiterinnen halbnackt unter Tage. Das scheint allem zu widersprechen, was wir über das 19. Jahrhundert wissen. Aber wäre Zola der Autor des Naturalismus, wenn er es frei erfunden hätte?
Ein solches Standing kann man sich als Autor nur erarbeiten, wenn man immer absolut exakt arbeitet.

Zitat von: Fledermaus am 21. Juni 2017, 23:44:53
Manche AutorInnen bauen eben Themen ein - vor allem wenn es um psychische Krankheiten oder ähnliches geht - bei denen man einfach merkt, dass sie selbst nie "hautnahe" Erfahrung damit gemacht haben.

Och, das ist nur eine Unterform von "keine Ahnung, aber was geschrieben". Max Frisch lässt seinen Homo Faber im Jeep querfeldein durch den Dschungel fahren. Da wusste ich, dass Frisch es nie versucht hat. Im Buch ist das nebensächlich, aber wenn der Plot auf so ewas aufbaut... äh, ja.  :wart:

Zitat von: Lothen am 22. Juni 2017, 11:41:07
Ich bin wirklich kein Muskelprotz, aber selbst ich kann einen 30-Pfund-Bogen spannen - und ich kenne Mädels, die zierlicher sind als ich, die auch mit 40 oder 50-Pfund-Bögen klar kommen. Ja, die englischen Langbögen gingen auch mal rauf bis 70 oder mehr, aber das entspricht nicht der Norm.

Die 137 Langbögen der Mary Rose fangen bei 100 Pfund an und hören bei 185 Pfund auf. HUNDERTFÜNFUNDACHTZIG Pfund!
https://de.wikipedia.org/wiki/Mary_Rose

An den Skeletten von Langbogenschützen lassen sich massivste Rückenmuskeln und belastungsbedingte Deformationen nachweisen.

Zu den mongolischen Kompositbögen habe ich mal Zahlen bis über 200 Pfund gelesen, wobei diese bauartbedingt schwerer auszuziehen sind als Langbögen.
Da versteht man, was "Mongolensturm" wirklich bedeutete.
Ich kann nicht Bogen schießen, aber ich habe mich wegen eines Romans damit befasst. Eine Figur fliegt auf einem Drachen und verbreitet mit einem Kompositbogen Angst und Schrecken. Der Bogen ist so abartig stark, dass die Feinde ihn für verzaubert halten.

Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Fledermaus am 22. Juni 2017, 15:09:39
Zitat von: Lothen am 22. Juni 2017, 11:41:07Psychische Krankheiten sind echt ein schwieriges Thema, gerade deswegen, weil jeder Betroffene sie anders erlebt. Fragt man Person A nach ihren Erfahrungen, kann Person B mit derselben Diagnose sagen: "So ein Quatsch, das stimmt gar nicht." In dem Themenkomplex finde ich es total wichtig, den Charakter im Auge zu behalten, die Figur. Wie geht sie damit um, wie erlebt sie diese Zustände. Eine objektiv-fassbare Wahrheit wird man ohnehin nicht finden. Aber es kann natürlich helfen, sich mit Betroffenen oder mit der Diagnose auseinanderzusetzen.
Stimmt, klar, da hast du auch wieder recht. Das ist nur wirklich fast der einzige Themenbereich, in dem mir als Leserin manchmal etwas "komisch" oder eben nicht stimmig vorkommt. Vermutlich weil ich einfach nicht so viel Expertenwissen in irgendeinem Bereich habe (wie zum Beispiel Bogenschießen oder so).

Zitat von: Churke am 22. Juni 2017, 13:36:08
Zitat von: Fledermaus am 21. Juni 2017, 23:44:53
Manche AutorInnen bauen eben Themen ein - vor allem wenn es um psychische Krankheiten oder ähnliches geht - bei denen man einfach merkt, dass sie selbst nie "hautnahe" Erfahrung damit gemacht haben.

Och, das ist nur eine Unterform von "keine Ahnung, aber was geschrieben". Max Frisch lässt seinen Homo Faber im Jeep querfeldein durch den Dschungel fahren. Da wusste ich, dass Frisch es nie versucht hat. Im Buch ist das nebensächlich, aber wenn der Plot auf so ewas aufbaut... äh, ja.  :wart:
Ja, stimmt. Ich meine ja übrigens auch gar nicht, dass jeder gleich z.B. Medizin studieren muss um ein medizinisches Thema einzubauen, im Dschungel Jeep fahren muss, oder sich (um auf mein Beispiel zurückzukommen) eine psychische Krankheit zulegen muss, um darüber zu schreiben. Wenn gut recherchiert wird, merkt man das ja oft gar nicht (also, dass der Autor das noch nie selbst gemacht hat/erfahren hat). Deshalb fallen bei diesem Thema denke ich fast nur die Negativbeispiele auf.

P.S.: Übrigens hoffe ich gerade sehr, dass mein Post irgendeinen Sinn ergibt ;D Die Hitze macht mich gerade etwas verwirrt!
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Fianna am 22. Juni 2017, 15:47:40
Zitat von: Cailyn am 21. Juni 2017, 21:19:48
Was mir häufiger passiert als dass ich ungenau recherchiert habe, sind Kritiken über falsche Recherche, die gar nicht falsch ist. Also dass Betaleser glauben, ich hätte etwas falsch recherchiert, obwohl es gar nicht so ist. Oft sind das natürlich Fakten, die andere glauben zu kennen, weil man es aus Filmen so vorgesetzt bekommt. Vermute ich jetzt mal. Aber auch wenn meine Recherche dann korrekt war, frage ich mich dann: Werden die Leser auch denken, ich hätte falsch recherchiert? Ich meine, letztlich will man mit guter Recherche erreichen, dass man als Autorin kompetent rüberkommt. Wenn die Leser dann aber trotzdem überzeugt sind, dass Fakten unmöglich stimmen können, wirke ich alles andere als kompetent. Aber die Fakten dann falsch wiedergeben, weil die Mehrheit denkt, es wäre richtig so, bringe ich dann auch nicht über mich. Irgendwie ein Zwickmühle.  ::)
Dazu gibt es doch das Nachwort. Da kann man nicht nur schreiben "Ich habe diese Begegnung zwischen x und y um 5 Jahre vorverlegt" oder "Es ist nicht belegt, das abc so passiert ist, aber es wirkte wie das realistischste Szenario und passte auch am besten zur Geschichte - es ist doch auch, um solche populären Irrtümer oder äußerst unwahrscheinliche Fakten zu belegen.
Wenn Deine Betaleserinnen Dir da Rückmeldung gegeben haben, ist das doch schon ein guter Hinweis, welche Dinge man im Nachwort aufgreifen könnte.

Ich habe mir sogar schon Bücher gekauft, die in einem Nachwort genannt wurden zum Beleg für die Richtigstellung populärer Irrtümer oder als "further reading" Empfehlung.


So etwas macht für mich ein gutes Nachwort zu einem historischen Roman aus, diese drei Dinge. Romane ohne Nachwort verlieren bei mir automatisch etwas, vor allem, wenn ich beim Lesen die Stirn gerunzelt habe und mich schon freue, dass ein besonderer Umstand im Nachwort aufgegriffen wird - und dann kommt nichts.

Und wenn bei Amazon dann jemand vollkommen korrekte Fakten als falsch anprangert - Berufsrisiko? Das ist doch im Prinzip dasselbe wie "Das Buch ist einfallslos, die Figuren flach und man weiß nach 30 Seiten, wie es ausgeht."
Man? Nein. Der, der es gelesen hat. Ist genau dasselbe wie die Behauptung, irgendwas sei falsch. Ist mir im Prinzip nur begegnet mit einzelnen Fakten, die auch nachprüfbar sind.  ::)
Schwierig wäre es nur, wenn sich jemand mit dem Thema auskennt, einen anderen Ansatz an das Thema als richtig ansieht und dann mehrere Punkte als vermeintlich falsch darstellt oder mit Literaturbelegen um sich wirft. Aber darum kann man sich den Kopf zerbrechen, wenn es soweit kommen sollte.
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Cailyn am 23. Juni 2017, 19:57:43
Fianna

Ja, das wäre die sicherste Lösung. Aber mir gefällt sie nicht, weil es mir zu viel Aufwand generiert. Wenn man das richtig machen will, muss man mehrere Quellen für den gleichen Fakt vorweisen, denn sonst kommt irgendwer und sagt: "Aber dort habe ich es anders gelesen." Das Aufführen von mehreren Quellen zieht dann das Ganze in die Länge. Unnötig. Ich bin Romanautorin und nicht Wissenschaftlerin. Mir macht es so gar keinen Spass, Qellentexte aufzubereiten. Ich weiss, das ist reine Faulheit  ::)
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Kati am 23. Juni 2017, 20:13:23
Wenn du dir sicher bist, dass du es richtig gemacht hast, hast du keinen Grund dich über solche Kritiken auch nur aufzuregen, finde ich.  :knuddel: Sollen sie doch glauben, sie wüssten es besser, wenn du dir sicher bist, dass es richtig ist, reicht das. Als Autor Quellen angeben halte ich für total unnötig. Quellen lesen ist unabdingbar, aber die muss man nirgendwo hinterher breittreten. Wir schreiben Romane und keine wissenschaftliche Fachliteratur und falls jemand mehr über die Epoche wissen will, ist es eigentlich nicht meine Aufgabe als Autorin, ihm da zu sagen, was er lesen soll. Ich gebe auf Anfrage gern Buchtipps, habe ich über mein Blog auch schon öfter gemacht, aber sollte ich mal was Historisches veröffentlichen, werde ich da nicht meine gesamte Literatur angeben. Nachwort ist schon eine schöne Idee, für mich aber persönlich auch nicht unbedingt nötig. Ich lese Nachworte ehrlich gesagt selten, es sei denn, im Roman ist wirklich etwas aufgetaucht, das ich erklärt haben möchte. Ich würde wahrscheinlich persönlich ein Nachwort schreiben um zu erklären, wieso ich gerade über diese Epoche und dieses Thema geschrieben habe, auch, wenn ich Nachworte selbst selten lese, aber es gibt ja durchaus viele Leute, die die Hintergründe interessieren.

Quellentexte lesen würde ich aber allen Autoren von historischen Romanen raten. Es müssen nicht zehn sein und man muss sie auch nicht von vorn bis hinten durcharbeiten, aber für mich gehören Quellen zur Recherche dazu, weil sie einen viel besseren Einblick in die Epoche geben, als reine Fachliteratur. Lesen ist aber beim Recherchieren auch nicht alles.
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Fianna am 23. Juni 2017, 20:41:43
Zitat von: Cailyn am 23. Juni 2017, 19:57:43
Aber mir gefällt sie nicht, weil es mir zu viel Aufwand generiert. Wenn man das richtig machen will, muss man mehrere Quellen für den gleichen Fakt vorweisen, denn sonst kommt irgendwer und sagt: "Aber dort habe ich es anders gelesen."
Es doch nicht um das Anführen von Quellen, schließlich schreibt man einen Roman. Es reicht auch schon, wenn man wenig Bücher liest, dafür aber die richtigen (da kann man sich ja etwas entsprechend empfehlen lassen) und quellenkritisch. Ich habe sehr viele Bücher zu Hause, die mir von Leuten der entsprechenden Fachrichtung als umfassend, guter Einstieg oder sonstwas empfohlen wurden. So eine Kaltstart Recherche ist schwieriger und langwieriger, aber das muss man ja nicht machen.

Oder es reicht schon, wenn man einen Kontakt an einer entsprechenden Fakultät hat, der die Sachlage (oder sogar den Roman) prüft und sagt: das ist durchaus eine verbreitete Ansicht, in dem Lager xyz, die ebenfalls folgenden Umstand als wahrscheinlich ansehen. Dann gibt es noch das Lager abc, die das anders sehen weil... Und dann kann man sich raussuchen, was man für historisch zutreffend bzw. passend für den Plot hält.
Wenn man nicht will, muss man sich doch nicht so elend tief hinein arbeiten. Man sollte in dem Fall nur eine Kontaktperson haben, die einem die recherchierten (für den Plot relevanten) Fakten einordnet und bewertet.

Zitat von: Cailyn am 23. Juni 2017, 19:57:43
Mir macht es so gar keinen Spass, Quellentexte aufzubereiten.
Wie gesagt, das ist nicht unbedingt erforderlich. Zudem kann man die meisten Primärquellen gar nicht richtig einordnen und bewerten, Primärquellen sind nicht der ideale Einstieg in ein Thema.

(Das nervt mich auch ein bisschen an dem Geschichtsforum, das immer jedermann auf die Primärquellen abzielt. Da denke ich mir immer: und was willst du dann damit anfangen?! Wer ist der Urheber, an wen richtet sich das, was ist der Zweck, wie glaubwürdig ist die Quelle.... steht da alles nicht bei. Aber ist bestimmt ganz unwichtig  ::)) 

Zitat von: Cailyn am 23. Juni 2017, 19:57:43
Ich bin Romanautorin und nicht Wissenschaftlerin.
Ja, aber wenn das Ausmass der Recherche ein gewisses Maß unterschreitet, denke ich mir: Mensch. Warum schreibst du keine historisch inspirierte Fantasy?
Da ich nicht weiß, wieviel Du recherchierst, ist das jetzt nicht auf Dich gemünzt.
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Churke am 23. Juni 2017, 23:58:40
Bei historischen Themen arbeite ich fast ausschließlich mit Primärquellen. Warum? Ein Autor liest eine Quelle unter anderen Vorzeichen als ein Historiker. Der Autor gräbt nach dem Skandal, dem Knall-Effekt. Er braucht die subjektive, vielleicht sogar falsche, Sicht der Zeitgenossen für seine Figuren. Als Autor interessiert mich nicht, ob Nero ein Opfer von Geschichtsfälschung wurde oder ob es wirklich Orgien im Vatikan gab. Wenn ich so eine Platte finde, dann lege ich sie auf und drehe die Lautstärke nach rechts. Bis zum Anschlag.
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Zit am 24. Juni 2017, 00:14:33
Wenn man die entsprechende Sprache kann, ist das toll. Ansonsten ist man ja nur doch wieder auf die Übersetzung angewiesen und da kann dann nochmal allerlei anderes schief gehen.
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Fianna am 24. Juni 2017, 05:50:37
Zitat von: Churke am 23. Juni 2017, 23:58:40
Bei historischen Themen arbeite ich fast ausschließlich mit Primärquellen. Warum? Ein Autor liest eine Quelle unter anderen Vorzeichen als ein Historiker. Der Autor gräbt nach dem Skandal, dem Knall-Effekt. Er braucht die subjektive, vielleicht sogar falsche, Sicht der Zeitgenossen für seine Figuren. Als Autor interessiert mich nicht, ob Nero ein Opfer von Geschichtsfälschung wurde oder ob es wirklich Orgien im Vatikan gab.
Die Quelle hat immer recht? Interessant.

Bei mir ist es genau umgekehrt, ich recherchiere sehr quellenkritisch. Wenn alle (eigentlich sehr heterogenen) Quellen sich in der Bewertung einer Person überraschend einig sind, mache ich mir Gedanken über den Grund. Und wenn diese Bewertung mir nicht so gut in den Plot passt, verwende ich einen oder mehrere dieser Gründe für eine abweichende Darstellung.
Man könnte also sagen, dass ich in gewissen Punkten eine alternative Geschichte erschaffe, allerdings immer in Übereinstimmung mit den Quellen.
Ich drehe Sachen ungern einfach um - ich glauhe, sowas habe ich bisher nie gemacht. Stattdessen gebe ich "in-time" eine Darstellung, die die abweichende Quellendarstellung erklärt.

Z.b. habe ich mal aus einem überlieferten Brand, der laut Quelle durch eine umgefallene Kerze verursacht wurde, eine unerkannte Brandstiftung gemacht.
Das passte zur Quellenlage. Eine Art terroristischen Akt oder ähnlich Aufsehen erregende Umstände hätte ich jedoch nicht ausgewählt, weil es der Quellenlage widerspricht.
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Cailyn am 24. Juni 2017, 07:39:35
Charlotte
Ja, ich halte es so wie du. Romane sind mir lieber als wissenschaftliche Exkursionen.  ;)

Fianna
Mit Fantasy hat mein Roman gar nichts zu tun. Es ist ein Historienroman, für den ich ausgiebig recherchiert habe. Ich bin auch gar nicht zu faul zum recherchieren, im Gegenteil. Ich bin nur zu faul (oder habe zu wenig Lust), meine Recherche in irgendeiner Form für Leser aufzubereiten. Das ist einfach nicht mein Ding und muss es meiner Meinung nach auch nicht sein. Ich lese viel, halte meine Recherchen auch fest, aber ich verpacke sie nicht für den Leser in ein schönes Packet - ausser eben im Roman selber.
Die Frage ist für mich also weniger, ob ich als Nachtrag Quellen wiedergeben oder meine Recherche erklären soll, sondern eher, ob ich im Buch selber etwas ändern sollte, damit keine Fragen offen bleiben. Doch ich glaube, das ist ein Fass ohne Boden. Man weiss ja nicht, welcher Leser an welcher Stelle irgendwas bezweifelt.

Churke
Deine Vorgehensweise finde ich gut. Nur gibt es natürlich Fakten, mit denen man nicht so verfahren sollte. Dazu gehören z.B. auch alle Belange, die in einer Epoche gesetzlich geregelt waren wie Erbrecht, Handhabung mit Delikten, Eheschliessung, Grundstückbesitz. Wenn da geschlampt wird, läuft das nicht mehr unter "künstlerischer Freiheit", sondern es ist einfach schlecht recherchiert.
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Fianna am 24. Juni 2017, 08:09:49
Schade. Auch wenn man kein Nachwort machen möchte, so etwas eignet sich doch gut als Bonusmaterial, auf dem Blog oder auf andere Art.
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Churke am 24. Juni 2017, 10:32:53
Zitat von: Fianna am 24. Juni 2017, 05:50:37
Die Quelle hat immer recht? Interessant.

Das heißt nicht, dass sie recht hat. Aber "toll trieben es die alten Päpste", historisch belegt, ist das, was die Leute lesen wollen. Da wäre ich schlecht beraten, den Augenzeugenbericht des Zeremonienmeisters als unglaubwürdig zu verwerfen und aus der Orgie einen Hausmusikabend zu machen.
Wo ich das noch wichtiger finde, ist die Wertung historischer Personen. Die heutige Geschichtswissenschaft ist extrem zurückhaltend und gibt nur Noten zwischen 2 und 4. Wie schön ist da Prokopios von Caesarea, der für das Kaiserpaar Justinian und Theodora jeweils die 6- vergibt. Davon lasse ich mich gerne inspirieren...  :D
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Kati am 24. Juni 2017, 11:59:01
Quellenkritik ist absolut wichtig, aber ebenso wichtig ist es auch kritisch mit Fachliteratur umzugehen, vielleicht am Ende sogar wichtiger, weil man da immer auf den Bias des Verfassers Acht geben muss. Wenn ich eine Quelle vor mir habe, habe ich zumindest eine zeitgenössische Interpretation vor mir, mit der ich arbeiten kann. Wie Churke schon sagte, es muss ja nicht wahr sein, was da berichtet wird, aber es ist zumindest eine zeitgenössische Meinung zu den Geschehnissen. Bei großen historischen Events kann man sich aus mehreren Quellen schöne Flickenteppiche zusammensetzen, die einen Überblick über verschiedene Meinungen und Interpretationen zu den Ereignissen ergeben. Es ist auch viel zu oft gar nicht möglich, wirklich herauszufinden, welche der Schilderungen jetzt der Wahrheit am nächsten ist, also finde ich auch Fiannas Herangehensweise richtig gut, einfach aufgrund der Quellen zu interpretieren, was gewesen sein könnte.

Fachliteratur finde ich oft viel schwerer umzusetzen, wie gesagt, wegen dem Bias. Confirmation Bias begegnet man da total oft: Der Autor hat eine Meinung, untermauert die mit Quellen und Fakten und lässt alles, was nicht dazu passt, unter den Tisch fallen. Ist normal, lernt man an der Uni ja auch teilweise so, wenn es ums wissenschaftliches Schreiben geht, man soll ja von seinem Standpunkt überzeugt sein und die meisten Bücher werden ja auch mit Fragestellung geschrieben, die man dann eben beantwortet. Für Autoren ist es aber nicht so toll, weil es sehr einseitig ist und man dann noch andere Werke mit Gegenposition dazuziehen muss (Ich habe hier im Moment zwei kurze Bände liegen, die komplett das Gegenteil von einander behaupten  ;D). Dazu kommt dann leider, dass man Probleme kriegt, wenn man über Minderheiten schreiben will, weil die besonders in älterer Fachliteratur gern mal vergessen werden, womit ich mich in letzter Zeit rumschlagen muss. Aber auch, wenn man das Problem nicht hat, schwingt bei Fachliteratur immer schon ganz stark die Interpretation des Autors mit, weshalb es nie verkehrt ist, sich die Originalquellen selbst auch nochmal kritisch anzuschauen, solang man das kann. Bei meinem momentanen Projekt kann ich das auch nur in der Übersetzung und muss halt darauf vertrauen, dass die Übersetzer mich da nicht im Stich lassen. Das ist halt manchmal so.
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Churke am 24. Juni 2017, 13:05:59
Der Bias ist regelmäßig mehr als eine persönliche Meinung. Die Karriere eines Historikers hängt seit jeher davon ab, politisch korrekte Geschichte abzuliefern. Auch wenn alle Fakten stimmen, kann man sie doch so oder so gewichten.
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: Barra am 08. Juli 2017, 14:53:00
Wie korrekt sollten Bücher sein?
So korrekt es geht und der Autor es kann.
In den ganzen Seiten Diskussion hier, habt ihr alles schon genannt, was mir auch wichtig dabei ist. Vom Pferd und Reitsport angefangen, bis über back- und steuerbord, Bogenspannen und Kampftechniken sowie Aus-der-Puste-kommen.
Das sind tatsächlich so ,große' Punkte, die mir auch immer wieder auffallen. (Science Fiction lass ich da mal raus.) Das berühmte ,,Schußwaffenhand-Drehen" und dann abdrücken im ,,Gangster-Style" ist eines dieser markanten Beispiele, die fast schon zu einem modernen Mythos der Richtigkeit geworden waren. Jeder im Schützenverein kann da nur noch müde drüber lachen inzwischen. Rückschlag, Stabilisierung, Zielen - ach brauch' doch niemand.

Natürlich wird sich jemand, der sich in einem bestimmten Feld auskennt, die Nase rümpfen. (Bogenschütze, Reiter, Apotheker...) Die Frage ist also, wie viele der potentiellen Leser sind so spezifiziert? Fantasyromane: Da wird es einige Laien Schwertkämpfer und Reiter drin geben (müsste man mal statistisch erheben). Ärzte und Polizisten als Krimi-Leser könnten auch einige dabei sein.
Apropos Ärzte, ich persönlich habe ein ganz großes Problem mit einer ,guten' Darstellung/ Beschreibung von Heilmagie. Feuerball werfen? - Kein Ding, stell dir vor, du wirfst einen Ball. Aber ,Heilen' ist eine wirklich fiese Sache und ich kenne einige Sanitäter, Ärzte und den ein oder anderen Ersthelfer, die gern und viel lesen aber bei denen ,Heil-Magie' im ,,VulleVulle-HeileHeileGänschen"-Verfahren sehr sauer aufstösst. Da kannst du noch so viel recherchieren - wie will man auch zu Magie recherchieren? - du stößt unweigerlich auf Grenzen. In dem speziellen Fall finde ich es immer am besten, wenn man doch wieder fragt und sich rückbesinnt auf Naturheilkunde und Fachwissen. Nicht nur ,Handauflegen' sondern verstehen wie ein Körper aufgebaut ist und durch Magie eine Erleichterung schaffen, aber nicht das Wissen eines Arztes unter den Tisch fallen lassen. Und muss ich überhaupt Magie anwenden oder sind Kräuter/ Verbände ratsamer und was ist mit der Erholungszeit oder auch mit einer Reha? (Mutantenmäßige oder Vampirdurstmäßige Regeneration ist nun wirklich eher die Ausnahme.) Wie realistisch kann man in diesen Bereichen bleiben und was kann man recherchieren? (Das geht dann auch weiter mit Levitations-Zaubern und vielen anderen Dingen, über die wir nichts wissen können - ähnlich der technischen Entwicklungen im Bereich Science Fiction.)

Kleine Recherchen
Mal von diesen großen Kalibern weg, fängt bei mir die Korrektheit schon klein an. Nehmen wir als Beispiel: Eine Frau ist schwanger. Es stellt doch tatsächlich einen Unterschied dar, ob die Frau (wie hier schon mal erwähnt in einem der Beiträge) alleine im Wald wohnt oder in einem Dorf. Ob es eine Hebamme oder Magiekundige gibt. Aber damit ist es noch lange nicht getan. Was, wenn die Frau Zwillinge oder gar Drillinge erwartet? Es ist wahrscheinlich(er), dass ihre Niederkunft viel eher als beim Durchschnitt eintreten wird. So was kann und darf man ruhig berücksichtigen - egal in welchem zeitlichen Setting. Solche Dinge fallen aber oft unter den Tisch, schließlich macht man sich beim Schreiben einer solchen Kleinigkeit ja auch nicht gleich eine Notiz an den Rand zum Thema: ,,Check' noch mal Mehrlingsgeburten, europäischer Raum, 17. und 18. Jhd." Warum auch, was soll da groß anders gewesen sein? Hausgeburt, trockene Tücher und heißes Wasser! Ist doch nur eine Geburt, kommt doch nur kurz vor: ist doch nicht wichtig.

Für mich schon und ja, tatsächlich, nimmt ein Autor Rücksicht auf besondere Umstände bei vermeintlichen Kleinigkeiten imponiert mir das. Und ich bin noch nicht einmal bei Fachbegriffen.
Ich schließe mich euren Aussagen an, man kann sich in Recherchen (wie zB der hier genannten architektonischen Studentenlektüre) verlieren und viel zu viel Wissen anhäufen. Aber man stolpert in solchen Suchen ja auch über neues Wissen, das man später gut gebrauchen kann an anderer Stelle oder eben über Kleinigkeiten die alles abrunden. Dadurch muss weder der Charakter überschlau daherkommen oder der Autor als belehrend. Auch ein Autor kann nicht alles wissen und profitiert von Verbesserungen und Vorschlägen, wenn ein Spezialist daraufhinweist (ist aber natürlich schade, wenn die Feuerwehr sich zwecks korrekter Darstellung einer Sprengung nich zurückmeldet - Anmerkung: Vielleicht lieber gleich die Mythbusters fragen).

Aus eben jenen Gründen habe ich eine Geschichte, die ich schreiben wollte, gar nicht erst verwirklicht.
Es ging um einen Mythos. Einen überführten Missetäter lebendig einmauern? Soll ja vorgekommen sein (Ich kenn' da so einen Film...). War es in dem Fall nicht und ich sah nicht ein, diese ,,Lüge" (diese kleine Sage im Lokalkolorit) weiterzutratschen. Eine schöne Idee ist es, aber rein fiktiv. Da ich etwas realeres suchte, wanderte die Idee auf den: ,,Falls einer meiner Charaktere mal eine Gruselgeschichte erzählen will"-Stapel.

Das ist ein sehr großes Thema bei mir zur Zeit. Und ich freue mich immer über gute Recherchen. Klar, kann das auch mal anders sein als meine Informationen (wenn ich es überhaupt weiß). Nostradamus ist so ein Fall, als Person. Kann man viel zu recherchieren, erwischt man aber diese oder jene Übersetzung seiner Vorhersagen, dann reibt es sich schnell auf.

Eine Sache noch zum Abschluss: Wikipedia ist keine Quelle, die ich als Leser im Nachwort sehen will. Ich gebe gern zu, dass die Seite sich durchaus weiterentwickelt hat und für einen ersten Anlauf gut ist, wenn man so gar keine Ahnung hat was ein/e XYZ ist. Das war es dann aber auch. Wiki aufschlagen ist nicht gleich Recherchearbeit.

PS: Ich habe mir jetzt nicht die Namen herausgeschrieben, auf deren Beiträge ich verallgemeinert eingegangen bin - ich hoffe es ist so in Ordnung für euch.
Titel: Re: Recherche: Wie korrekt sollten Bücher sein?
Beitrag von: AlpakaAlex am 30. März 2022, 15:11:53
Recherche ist für mich so ein zentrales Thema. Da spielt auch ein wenig mein Autismus mit rein, dass ich dahingehend eventuell auch ein wenig übertreibe. Wer weiß auch welchen FBI-Listen ich stehe?  :rofl:

Nein, aber ehrlich: Ich recherchiere immer sehr viel und erwarte eigentlich auch von anderen Autor*innen - selbst wenn ich es natürlich nicht immer bewerten kann.

Da ich meistens Urban Fantasy schreibe, recherchiere ich üblicherweise solche Sache wie gesprochene Sprachen (Fakt ist: An vielen Orten sind es nicht nur die Landessprachen), Örtlichkeiten (Google Maps ist mein bester Freund), Verbindungen/Wege (again: Google Maps), lokale Traditionen und Umgangsformen (das ist häufig schwerer) und dann viel zu viel über etwaige bestimmte Orte. Und natürlich versuche ich halt mir ein Bild über die dargestellten Gruppen zu machen, um diese vernünftig repräsentieren zu können - spreche dahingehend auch gerne mit Menschen, die selbst Mitglieder der Gruppen sind. Außerdem natürlich so technische und mythologische Details (meine Geschichten tendieren dazu mit "Clap your hands if you believe" zu arbeiten - also sehr viel mythologische Einflüsse).

Und ja, so Standard der Witz auch ist: Bei der Recherche zu Mosaik habe ich wirklich teilweise den Eindruck, dass ich auf irgendwelchen Listen gelandet sein könnte. Ich meine, klar, ich habe halt viel mit Veteranen gesprochen, was eine Sache ist. Ebenso ist es eine Sache, dass ich die superlieben Menschen von Green Point in Kapstadt ausfragen durfte. Aber dann habe ich halt eben auch solche Sachen recherchiert wie: Wie funktionieren bestimmte Feuerwaffen? Woher bekommt man sie? Wie schmuggelt man sie? Wie funktionieren Granaten? Wie groß ist der Radius einer Granate? Wie baut man eine Bombe? Wie viel kostet ein Auftragsmord? Wie viel kosten in der modernen Welt Sklaven? As you do. Es ist halt ein Urban Fantasy Thriller, der in der kriminellen Unterwelt von Südafrika spielt.

Neuerdings schreibe ich auch sehr viel Solarpunk - zumindest Kurzgeschichten. Dafür muss ich allerdings weniger recherchieren, weil die Sachen, die ich dort fürs Worldbuilding brauch, kenne ich größtenteils aus dem Studium und weil ich mich mit so etwas eh sehr viel in meiner Freizeit beschäftige.

Was mich in Geschichten halt vor allem immer wieder stört, sind falsche Informationen über Computer (oder die Versuche Computer irgendwie aus Urban Fantasy herauszubringen). Oder falsche Informationen über Örtlichkeiten - vor allem natürlich, wenn ich diese Örtlichkeiten kenne. Und falsche Informationen über alles, was mit dem Stromnetz zu tun hat, weil ... Ugh. Die Informationen sind so leicht zugänglich. Und wenn ihr einfach nur "Sendung mit der Maus" schaut.

Eine Buchreihe, wo mich der Mangel an Recherche total aufgeregt hat, sind übrigens die Dresden Files. Es ist so, so deutlich, dass Butler absolut keine Ahnung von Chicago hat - und das zeigt sich vor allem auch darin, dass in den Büchern viel zu wenig marginalisierte Gruppen vorkommen. Tatsache ist: Illinois ist mit einer der diversesten Staaten in den USA. Grund dafür ist eben, dass sie lange Zeit die progressivsten Gesetze im Land haben. Da Chicago die größte Stadt dort ist, hat sich die Diversität vor allem da konzentriert. Das bedeutet: Fast die Hälfte der Bevölkerung der Stadt sind nicht-weiß. Von der weißen Bevölkerung ist fast die Hälfte slawischer Herkunft. Es gibt unglaublich viele queere Menschen. Und in den Büchern? Praktisch alle Figuren weiß. Nur eine Figur slawisch. Nur eine Figur queer. Und halt auch die Örtlichkeiten sind auch absolut falsch dargestellt.

Und genau solche Sachen stören halt.