Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum

Handwerkliches => Workshop => Thema gestartet von: Siara am 04. Februar 2015, 12:02:58

Titel: "Ich hab's getan, weil ..." - die Motivation der Charaktere
Beitrag von: Siara am 04. Februar 2015, 12:02:58
Huch, gibt es zu diesem Thema wirklich noch keinen Thread? Also mich würde schon interessieren, was eure Protagonisten und (mindestens ebenso spannend) eure Antagonisten eigentlich antreibt.

Die Motivation ist schließlich oft das, was die Handlung ins Rollen bringt, und sie ist beinahe ausnahmslos das, was sie in Bewegung hält. Spannung zu erzeugen wird schwer, wenn es kein absehbares Ziel gibt, für - oder gegen - das sich zu kämpfen lohnt. Ob im Großen, das sich über mehrer Teile einer Trilogie erstreckt, oder im Kleinen, das den Charakter dazu bringt, einen weiteren Schritt zu machen: Irgendetwas treibt ihn an.

Erst einmal die Grundfrage: Wie plausibel muss das Verhalten der Charaktere für euch erklärt sein? Brandon Sanderson sagte in seinem Kurs, dass reale Menschen schließlich oft unstet sind und sich teilweise wider jeden Verstandes (oder sogar Gefühls) entscheiden. Manchmal tut man etwas einfach und fragt sich im Nachhinein, was einen wohl geritten hat. Charaktere in Geschichten sind verlässlicher, und Autoren suchen für jede Handlung die passende Motivation. Ist es gut so, oder wären "realistische" unberechenbare Charaktere ebenso eine Möglichkeit? (Meiner Meinung nach braucht ein Charakter übrigens eine Motivation, andernfalls erscheint es mir wie ein billiger Trick).

Auf einige Motivationen und auch einige Grundprinzipien ist Fynja hier (http://forum.tintenzirkel.de/index.php/topic,16224.msg713459.html#msg713459) noch einmal genauer eingegangen. Dankeschön!

Einige Grundbegriffe für Motivationen würde ich gerne in einer Liste festhalten und mit euren Vorschlägen ergänzen. Manchmal sucht man schließlich in einer Situation noch nach einem Antrieb, und vielleicht kann ein Oberbegriff den Anstoß in die richtige Richtung bringen:


Außerdem finde ich spannend, welche Motivationen ihr für besonders interessant haltet und welche ihr vermeidet, wo es geht - und warum.

Eine zeitlang hatte ich eine echte Schwäche für moralische Motivation, allerdings für den Antagonisten und den Protagonisten gleichermaßen. Besonders aufregend wird es aber erst, wenn beide im Grunde dieselbe oder eine ähnliche Vorstellung von "gut" haben. Allerdings unterscheiden sie sich stark in den gewählten Wegen dorthin. (Vielleicht heiligt ja für den einen der Zweck die Mittel, während der andere diese für ethisch nicht vertretbar hält?) Die Grenzen zu Ideologie/Glaube sind hier natürlich fließend.

Auch die Gewohnheit halte ich für spannend, vor allem dann, wenn sie in den ungewohnten Situationen, in die die Charaktere stolpern, zu Gefahr oder komischen Momenten führen. Auch das "Ich will einfach meine Ruhe haben" zähle ich übrigens zu diesem Punkt.

Meine persönlich unliebste Motivation ist die Rache. Sie ist sicherlich ein extrem starker Antrieb, aber als Hauptmotivation reicht sie mir einfach nicht. Das liegt vor allem daran, dass sie so frustrierend ist. Entweder, der Charakter versagt auf halber Strecke, oder er bekommt zwar seine Rache, aber diese ist wenig erfüllend. Beim Lesen (und Schreiben) gibt es somit zwar ein "Ziel", aber eines, das sich in meinen Augen nicht zu erreichen lohnt.

Sadismus (und damit meine ich nicht SM) sehe ich ebenso kritisch, zumindest als Motivation des Antagonisten. Sie ist mir zu einfach. Jemandem, der Böses tut, einfach, weil er Spaß daran hat, fehlt in meinen Augen das Format. Aber auch das ist natürlich persönliche Meinung und Sadisten haben schließlich durchaus ihre Fans. Als Charakterzug bei einem Protagonisten hingegen könnte es wiederum extrem spannend werden ... ;D

Ich bin gespannt auf eure Antworten, Erfahrungen und Meinungen dazu. :)
Titel: Re: "Ich hab's getan, weil ..." - die Motivation der Charaktere
Beitrag von: Ary am 04. Februar 2015, 12:27:28
Hi Siara,

danke für das Thema!
Motivation ist eines meiner großen Probleme - ich bin schon oft von Betas darauf hingewiesen worden, dass sie die Motivation meiner Figuren nicht fassen können. Meist sind das genau die Geschichten, die sich mir beim Schreiben sperren und mit denen ich auf keinen grünen Zweig komme. Die Motivation ist das Problem.

Wenn ich die Motivation der Figur dann endlich mal am Wickel habe, dann läuft es in meinen Geschichten oft darauf heraus, dass sich der Figur eine Aufgabe stellt, die sie lösen müssen. Diese Aufgabe kommt nicht platt von einem Auftraggeber, sondern eher aus einer Notwendigkeit heraus. Da will jemand einen Fluch brechen, um sein Dorf zu retten. Aber nicht Rache nehmen an dem Verflucher, denn das erlöst das Dorf auch nicht. ich arbeite wie du nicht gern mit Rache, es sei denn, die ganze Geschichte dreht sich nur darum. Dann endet es aber meist damit, dass sich Rache nur im ersten Moment befriedigend anfühlt und dann die Leere kommt.Manchmal kann das passen oder sinnig sein, aber nicht immer.

Gern arbeite ich mit Liebe als Motivation - wobei nicht immer "und sie lebten glücklich bis an ihr Ende" herauskommen muss, Liebe als Motivation kann schließlich auch sehr zerstörerisch sein. Vor allem, wenn sie zu Besessenheit wird.


Titel: Re: "Ich hab's getan, weil ..." - die Motivation der Charaktere
Beitrag von: FeeamPC am 04. Februar 2015, 12:47:48
Macht und Dominanz auf der einen Seite, Auflehnung auf der anderen, das ist bei meinen derzeitigen Figuren die Haupt-Motivation.
Titel: Re: "Ich hab's getan, weil ..." - die Motivation der Charaktere
Beitrag von: Sipres am 04. Februar 2015, 12:53:23
Ich liebe die Motivation "Kann das kein anderer machen? - Nope - Ja, ich mach's...". Quasi diese Zwangsrekrutierung zum Weltenretter. Natürlich ist das nur Teil. Im Laufe der Geschichte kriegt mein Prota noch andere Motivationen, aber ganz vorne steht immer dieses "Alle sagen, nur ich kann das machen".

Die Prota aus meinem Nebenwerk hingegen hat eine ganz andere Motivation. Ihr geht es nur ums Prinzip. Sie ist zu früh gestorben, also will sie ihr untotes Dasein hinter sich lassen und wieder menschlich werden. Nicht, weil sie ihr untotes Dasein hasst oder so. Es geht, wie schon gesagt, nur ums Prinzip.
Titel: Re: "Ich hab's getan, weil ..." - die Motivation der Charaktere
Beitrag von: Cythnica am 04. Februar 2015, 12:53:50
Also bezüglich meiner Antagonisten werden da einige natürlich immer von Macht und dergleichen Angetrieben - meine Protagonisten schwanken oft irgendwo zwischen Moral, Rache und dem Interesse etwas ganz Bestimmtes zu schützen -

mein Liebster Bösewicht hingegen tut das meiste was er tut aus Neugier - er versucht ein altes System zu durchbrechen und gewissermaßen sogar die ganze Welt zu befreien - aber weniger aus dem puren Interesse heraus jemandem etwas gutes oder schlechtes zu tun - sondern viel mehr um zu sehen, was dann passiert. Man könnte es auch Forschungsdrang oder ähnlich bezeichnen.
Titel: Re: "Ich hab's getan, weil ..." - die Motivation der Charaktere
Beitrag von: Lazlo am 04. Februar 2015, 12:58:42
Was ich noch ergänzen kann, ist die "Anerkennung" als Motivation. Wenn z.B. der Protagonist darum kämpft, von Gleichaltrigen anerkannt zu werden und versucht, seinen Ruf als Feigling oder Looser loszuwerden. Er muss sich etwas ausdenken, um sein Image zu verbessern. Oder wenn er sich von seinen Eltern zurückgesetzt fühlt, weil sie sich nicht um ihn kümmern und ihm keine Aufmerksamkeit schenken. Er kämpft dann nicht nur um deren Liebe , sondern auch um ihre Anerkennung, dass sie sehen, was er leistet. Ich glaube die Motivationen "Anerkennung und Akzeptanz" spielen gerade in Kinder- und Jugendbüchern eine wichtige Rolle.
Titel: Re: "Ich hab's getan, weil ..." - die Motivation der Charaktere
Beitrag von: Windfeuer am 04. Februar 2015, 12:59:06
Meine Prota und die Nebenprotas werden von negativen Erinnerungen und dem bewahren ihrer Geheimnisse, sowie von Moral angetrieben. Meine Antagonisten dagegen werden von dem Wunsch nach Macht, persönlicher Feindschaft, und zwei von ihnen von ihren Ideologien angetrieben.

Das ist das erste Mal das es mir leicht fällt, die Motivation von allen zu bestimmen - sie zu wissen. Normalerweise tappe ich zum Großteil im dunkeln.  :P

Titel: Re: "Ich hab's getan, weil ..." - die Motivation der Charaktere
Beitrag von: Churke am 04. Februar 2015, 12:59:54
Zitat von: Siara am 04. Februar 2015, 12:02:58
Einige Grundbegriffe für Motivationen würde ich gerne in einer Liste festhalten und mit euren Vorschlägen ergänzen. Manchmal sucht man schließlich in einer Situation noch nach einem Antrieb, und vielleicht kann ein Oberbegriff den Anstoß in die richtige Richtung bringen:

Gier
Ehrgeiz

Was ich auch für sehr wichtig halte, ist das soziale Umfeld einer Figur. Gruppendruck. Berater, die in die eine oder andere Richtung beeinflussen. Was treibt Obama an? Der Typ, der den Teleprompter betextet? Je nach Anwort bekommt die Figur einen ganz anderen Spin. So kann aus dem brutalen Diktator ein überforderter Angsthase werden. Und Menschen können sehr dumme Dinge tun, wenn sie sich in einem Kollektiv befinden. Nach dem Prinzip "Gemeinsam in den Untergang".

Titel: Re: "Ich hab's getan, weil ..." - die Motivation der Charaktere
Beitrag von: Ary am 04. Februar 2015, 13:06:02
Oh ja. Herdentrieb. Oder Teil einer Gruppe sein zu wollen, auch wenn man eigentlich gar nicht hinter dem steht, was die Gruppe antreibt. Es gibt genug Menschen, die sich verbiegen, um anderen zu gefallen, oder um in angesagte Cliquen zu kommen oder so etwas in der Art. 
Titel: Re: "Ich hab's getan, weil ..." - die Motivation der Charaktere
Beitrag von: Fafharad am 04. Februar 2015, 13:09:23
Hallo Siara! Schöner Thread, den du da aufgemacht hast  ;)!

Eine real leider extrem verbreitete Motivation ist Geldgier. Die grenze ich bewusst von den Geldsorgen (oder wirtschaftlicher Not) ab, weil ich hier wirklich den niederen Beweggrund meine: Die Gier nach mehr, obwohl man schon genug hat, oder die Versuchung, auf den Weg zum Geld die Abkürzung zu nehmen.
Ebenfalls sehr verbreitet: Herdentrieb (könnte man als Form von Angst sehen).

Persönlich liebe ich die komplexen, situationsbedingten Motive, die sich schwer kategorisieren lassen. Gerne nach dem Strickmuster: "Ängstlicher Gutmensch will es eigentlich GAR NICHT tun, aber wenn niemand sonst es macht ..." oder "Arrogantes Ar*****ch entdeckt sein Gewissen, nachdem er durch sein Verhalten jemandem geschadet hat, und versucht, seinen Fehler wiedergutzumachen".
Na gut, ersteres ließe sich mit Moral oder Ideologie verschlagworten, letzteres mit Schuld und Reue.
Eine sehr spezielle (besser: atavistische) Motivation spielt in meinem aktuellen Projekt eine Rolle: Arterhalt. Vielleicht sollten wir Befriedigung von Grundbedürfnissen einlisten  ;).

Im Grunde ist deine Liste schon ziemlich vollständig  :).







Titel: Re: "Ich hab's getan, weil ..." - die Motivation der Charaktere
Beitrag von: Lothen am 04. Februar 2015, 13:11:41
Uff, dazu könnte ich jetzt glaube ich einen Roman schreiben, ich versuche mich mal kurz zu fassen. :D

Als problematisch habe ich dieses Thema zum Glück noch nie empfunden. Ich glaube, wenn man aus dem Pen&Paper/Live-Rollenspiel-Bereich kommt, ist man gewohnt, für den Charakter Motivationen zu entwickeln, sonst würde der ja nie zum RPG-Helden werden, sondern nur zuhause sitzen und Däumchen drehen ;).

Zitat von: Siara am 04. Februar 2015, 12:02:58
Erst einmal die Grundfrage: Wie plausibel muss das Verhalten der Charaktere für euch erklärt sein?
Das finde ich eine sehr spannende Frage! Ich schwanke oft auf diesem schmalen Grat zwischen: "Die Charaktere sollen sich lebendig und authentisch verhalten, also auch manchmal was tun, was blödsinnig ist" und "Charaktere sollen für den Leser konsistent und greifbar wirken und eine gewisse Kontinuität im Verhalten aufweisen".

Ich glaube, das entscheidende ist, dass das Verhalten der Person irgendwo reflektiert wird, sodass dem Leser klar wird: "Ah, das war jetzt eine Kurzschlussentscheidung. Das würde er/sie sonst nicht machen." Oder: "Das war eine Extremsituation, deswegen hat er/sie so gehandelt". Psychologisch gesehen ist das eben der Unterschied zwischen Traits (also stabilen Persönlichkeitsmerkmalen) und States (aktuellen Zuständen). Solange die Traits irgendwo stimmen, können die States sicherlich auch mal abweichen, ohne, dass es absurd wirkt. 

Ich muss sagen, bei den Charakteren, die ich gut kenne, denke ich oft gar nicht mehr so arg über ihr Verhalten nach. Im Zweifel versuche ich dann im Nachhinein für mich selbst zu rechtfertigen, warum er/sie so gehandelt hat. Und das klappt soweit wohl ganz gut. ;)

ZitatMeine persönlich unliebste Motivation ist die Rache.
Hihi, ich mag Rache als Motiv - um es dann im Laufe der Handlung eiskalt zu demontieren. ;D Ich habe durchaus ein paar Protas, die sich Rache auf die Fahne geschrieben haben, und dann aber doch irgendwann merken, dass sie damit nicht glücklich werden. Meistens aber erst nachdem der Leser das schon lange bemerkt hat. ;)

Oh, jetzt erst gesehen, dass Aryana das auch schon gut zusammengefasst hat:
Zitat von: Aryana am 04. Februar 2015, 12:27:28Dann endet es aber meist damit, dass sich Rache nur im ersten Moment befriedigend anfühlt und dann die Leere kommt.Manchmal kann das passen oder sinnig sein, aber nicht immer.
Das unterschreibe ich so. ;)

Zitat von: Cythnica am 04. Februar 2015, 12:53:50mein Liebster Bösewicht hingegen tut das meiste was er tut aus Neugier. Man könnte es auch Forschungsdrang oder ähnlich bezeichnen.
Stimmt, "Neugier" oder "Wissendrang" würde ich in der Liste auf jeden Fall noch ergänzen.

"Familie" würde ich auch noch hinzufügen (Eltern, Geschwister usw.).

Im Übrigen würde ich sagen, dass ein Prota in der Regel mehr als eine Antriebsfeder hat (und meistens ist das eine ja eng mit dem anderen verwoben), außer, eine ist extrem stark und überlagert alles andere. Eine Mehrzahl von Motivatoren ist in meinen Augen auch ein Hinweis darauf, dass die Motivation stimmt.

Oh und ich fürchte, die primär vertretene Motivation meiner Protas ist eine Kombination aus Traumata und Widerstand. :rofl:
Titel: Re: "Ich hab's getan, weil ..." - die Motivation der Charaktere
Beitrag von: pyon am 04. Februar 2015, 13:20:51
Bei meinem derzeitigen Prota ist es so, dass er mehr oder weniger in das Abenteuer gestolpert ist, weil er die richtigen, beziehungsweise die falschen (je nachdem) Freunde hat. Aber im Laufe der Geschichte wird sich die Motivation natürlich weiterentwickeln. Über diese Hineinstolpern kommt noch Neugierde, Gerechtigkeitssinn, Abenteuerlust, Freundschaft und so weiter hinzu.
Man muss - zum Glück - nicht nur bei einer einzigen Art der Motivation bleiben, sondern kann seinen Charakter sowohl hin und her springen lassen, als auch mehrere Möglichkeiten den Antriebes geben.

Zitat von: Lothen am 04. Februar 2015, 13:11:41
Im Übrigen würde ich sagen, dass ein Prota in der Regel mehr als eine Antriebsfeder hat (und meistens ist das eine ja eng mit dem anderen verwoben), außer, eine ist extrem stark und überlagert alles andere. Eine Mehrzahl von Motivatoren ist in meinen Augen auch ein Hinweis darauf, dass die Motivation stimmt.

Ich finde Lothen hat das alles ganz gut zusammengefasst, was mir eigentlich auch bei einem Roman wichtig ist. Deshalb reicht mir bloße Rache als Motiv auch gar nicht, vor allem, da es meiner Meinung nach doch ein wenig klischeehaft geworden ist.
Titel: Re: "Ich hab's getan, weil ..." - die Motivation der Charaktere
Beitrag von: heroine am 04. Februar 2015, 14:23:45
Den Punkt "Macht" versteh ich nicht. Geht es darum Macht zu gewinnen (was für mich auch Gier wäre) oder weil der Zwang durch äußere Macht kommt? Einige der Motive überschneiden sich meiner Meinung nach auch, z.B. "Ideologie" und "Religion", sind für mich beides Wertvorstellungen und eng verknüpft mit der Moral. Und bei anderen ist es eben nur ein Ausdruck von einer anderen Sache. Z.B. Sadismus trifft meiner Meinung nach nicht komplett den Kern des Antriebs: Lustbefriedigung. Es geht zu sehr in eine (negative) Richtung. Etwas ähnliches passiert ja auch bei einem Helfersyndrom.

Ein paar weitere Gefühle, die Motive sein können:

Das schlimmste Motiv ist dabei Langeweile. Wenn meinen Charakteren langweilig ist drehen sie total durch und machen den größten Mist überhaupt!  :versteck:

Wobei ich trennen würde zwischen Motiven, die von außen kommen und relativ klar, selbst vom Charakter erkannt werden können: Zwang, Pflicht, Erwartungen (dazu zählen auch eingebildete Erwartungen), Regeln, u.U. Beherrschungszauber, Kultur, Religion, Moral, Gesetze, selbstgesteckte Ziele o.ä. Also kurz das was der Charakter meistens ohne mit der Wimper zu zucken auf die Frage mit "Warum tust du das?!" antwortet.

Daraus, sowie aus dem individuellen Charakter und dem Umfeld ergeben sich dann die weniger klaren Motive: die Gefühle. Ein Charakter wird vielleicht sagen: "Ich tue das, weil ich dich liebe." aber er wird kaum antworten "Ich tue das weil deine Anwesenheit mir Unwohlsein bereitet, wir seit 10 Jahren eine offene Rechnung haben und ich den fixen Gedanken hatte, das könnte eine gute Idee sein."
Titel: Re: "Ich hab's getan, weil ..." - die Motivation der Charaktere
Beitrag von: Fafharad am 04. Februar 2015, 14:46:34
Was mir noch einfällt:
Die Begriffe Motiv und Motivation werden gerne in einen Topf geworfen, stellen aber durchaus unterschiedliche Antriebsfedern dar.
Beispiel Roadmovie (Sorry, kein Buch ;)): Zwei Protagonisten haben klar dasselbe Motiv (einen Zielort zu erreichen), sind aber in der Regel ganz unterschiedlich motiviert.
Okay, hier könnte ich "Motiv" auch einfach durch "Ziel" ersetzen ... Dann wären wir bei der Schneeflockenmethode nach Ingermanson  ;).

Stellt euch mal folgende Fragen:
- Was treibt meinen Protagonisten an?
- Warum entscheidet/verhält sich mein Protagonist in dieser Szene so und nicht anders?
Ich hoffe, dadurch wird klar, was ich mit meinem Geschwafel eigentlich meine ... :)

Im realen Leben treffen wir ja gerne "Bauchentscheidungen" und können hinterher gar nicht so genau sagen, warum wir etwas so und nicht anders gemacht haben. Vielleicht, weil es sich richtig angefühlt hat. Und wenn es falsch war? Dann sind wir angepisst, wenn jemand die Frage nach dem "Warum" stellt  :P.
Bauchentscheidungen können den Protagonisten durch die ganze Story tragen. Und ich wette, wenn wir ihn als authentisch erleben, fragen wir nicht nach seinen Motiven. Wir hätten uns womöglich auch nicht anders verhalten :).
Titel: Re: "Ich hab's getan, weil ..." - die Motivation der Charaktere
Beitrag von: Szazira am 04. Februar 2015, 15:21:24
Mir fehlt noch der Überlebenswille in der Liste.

Ein Teil meiner Figuren möchte nämlich nur mit heiler Haut aus der Sache rauskommen, die ich Ihnen eingebrockt habe (oder sie sich selbst). Dadurch müssen sie sich für oder gegen Dinge entscheiden, wenn sie sich nicht entscheiden oder zu lange warten, passieren eben andere Dinge als wenn sie die Sache selbst in die Hand genommen hätten. Auch sich nicht entscheiden, ist im Grunde eine Entscheidung.

Man kann natürlich argumentieren, dass Überleben ein Ziel und keine Motivation ist, für mich gehört es definitiv zum Graubereich.

Obwohl... man könnte 'Überlebenswille' unter 'Hoffnung' ablegen...
Titel: Re: "Ich hab's getan, weil ..." - die Motivation der Charaktere
Beitrag von: Churke am 04. Februar 2015, 15:23:24
Zitat von: Fafharad am 04. Februar 2015, 14:46:34
Bauchentscheidungen können den Protagonisten durch die ganze Story tragen. Und ich wette, wenn wir ihn als authentisch erleben, fragen wir nicht nach seinen Motiven. Wir hätten uns womöglich auch nicht anders verhalten :).

Wenn die Figur tut, was der Leser auch tun müsste, braucht man nicht viel zu erklären.  ;) Wirklich interessant sind indes die Fälle, in denen die Figur sich so verhält, wie es weder der Leser noch der Autor tun würden. Sei es, weil sie damit den anerkannten Wertekanon verletzt. Sei es, weil sie damit eine Riesendummheit begeht.
Da muss man schon etwas weiter ausholen. An welchen Schrauben muss ich drehen, damit die Entscheidung der Figur plausibel wird?
Titel: Re: "Ich hab's getan, weil ..." - die Motivation der Charaktere
Beitrag von: Lothen am 04. Februar 2015, 15:31:28
Zitat von: Churke am 04. Februar 2015, 15:23:24Wirklich interessant sind indes die Fälle, in denen die Figur sich so verhält, wie es weder der Leser noch der Autor tun würden. Sei es, weil sie damit den anerkannten Wertekanon verletzt. Sei es, weil sie damit eine Riesendummheit begeht.
Oder weil es - wie in den meisten Romanen - verdammt gefährlich und riskant werden könnte. ;)

Klar, ob mein Prota jetzt in der Kneipe Bier oder Wein bestellt, ist wahrscheinlich keine Entscheidung, die ich gezielt hinterfrage (außer, es gibt Gründe das zu tun) - da wird auch der Leser nicht anfangen, die Motivation dafür zu hinterfragen.

Aber ich denke, Siaras Frage zielte eher auf die Motivation des Charakters im Großen und Ganzen ab, quasi: Waurm wird der Charakter zum Protagonisten oder Antagonisten einer Geschichte?
Titel: Re: "Ich hab's getan, weil ..." - die Motivation der Charaktere
Beitrag von: Sunflower am 04. Februar 2015, 15:55:51
Oh, was für ein tolles Thema. Motivationen sind unheimlich wichtig, eine "un-motivierte" Figur ist nämlich einfach nur platt und langweilig. Es sei denn, wir nehmen unmotiviert wörtlich ..

Zitat von: heroine am 04. Februar 2015, 14:23:45
]Bequemlichkeit/Faulheit (!= Gewohnheit)

Denn das finde ich auch sehr wichtig.

Eine weitere Motivation, die ich ziemlich wichtig finde und die ich in der Form jetzt noch nirgendwo gesehen hatte - vielleicht auch überlesen?: Der Wunsch, Normalität wiederherzustellen. Das ist vor allem eine Motivation, wenn der Protagonist (oder auch der Anta) aus seiner gewohnten Welt herausgezogen wird und in der neuen alles ganz doof findet, wieder "zurück" möchte. Der Protagonist aus Neil Gaimans Neverwhere (ich schon wieder mit Gaiman ::)) hat diese Motivation. Er wird gegen seinen Willen in die Gegebenheiten eines unterirdischen London gezogen und eine seiner Motivationen ist, zurück nach Hause zu finden. Das ist deshalb so interessant, weil
Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.


Zitat von: Lothen am 04. Februar 2015, 15:31:28
Aber ich denke, Siaras Frage zielte eher auf die Motivation des Charakters im Großen und Ganzen ab, quasi: Waurm wird der Charakter zum Protagonisten oder Antagonisten einer Geschichte?

Im besten (mMn) Fall könnte ein Antagonist ja auch der Protagonist sein, wenn man die ganze Geschichte aus seiner Perspektive erzählen würde. Ein Anta sollte eher nicht "einfach nur böse sein", sondern nur "durch die Augen des Protagonisten" böse sein. Oder zumindest gegen die Ziele des Protagonisten arbeiten und deshalb zum Antagonisten werden. Aber ein Anta braucht genauso nachvollziehbare Motivationen wie ein Protagonist.

Letztes Jahr im September war ich auf einem Schreibworkshop und mit eine der wertvollsten Lektionen war die: Schreib dir auf, was dein Protagonist a) nie sagen würde, b) nie denken würde, c) nie tun würde. Bring ihn in Situationen, wo er genau a) sagt, b) denkt und c) tun muss.
Genau das Gleiche mit dem Antagonisten und am besten mit allen Figuren, die irgendwie einigermaßen relevant sind.

Edit: Typo ausgebessert ;)
Titel: Re: "Ich hab's getan, weil ..." - die Motivation der Charaktere
Beitrag von: Siara am 04. Februar 2015, 16:24:42
Danke für eure ganzen Antworten. Die neuen Punke auf der Liste werde ich gleich ergänzen, da sind noch einige extrem wichtige dabei. :) Noch zu ein paar Einzelheiten:

Zitat von: Lothen am 04. Februar 2015, 13:11:41Psychologisch gesehen ist das eben der Unterschied zwischen Traits (also stabilen Persönlichkeitsmerkmalen) und States (aktuellen Zuständen). Solange die Traits irgendwo stimmen, können die States sicherlich auch mal abweichen, ohne, dass es absurd wirkt.
Das finde ich einen sehr interessanten Punkt, der bei genauem Überlegen auch immer wieder in Büchern auffällt. Dasselbe gilt meines Erachtens nach nicht nur für die Persönlichkeit, sondern auch für die Motivation. Die meisten Geschichten werden eine übergeordnete Motivation haben, die auf ein endgültiges Ziel hinführt. Aber auf dem Weg dahin gibt es häufig kleinere Motivationen, die den Charakter in diese oder jene Richtung lenken. Die Verflechtung von "kleinen, momentanen" Antrieben und dem großen Antrieb ergibt ein schönes Netz. Zumal die beiden ja auch durchaus mal kollidieren können.

"Familie" zähle ich übrigens nicht als eigenes Motiv. Man kann es je nachdem unter "Liebe", "Hass" oder "Herdentrieb" ordnen, die sich ja durchaus auf verschiedene Lebensbereiche erstrecken können.

Eben schon kurz angesprochen, aber auch das finde ich irre wichtig: Selten hat ein Charakter nur eine einzige Motivation, die sein ganzes Denken und Handeln bestimmt. Manchmal wirken die verschiedenen Motivationen in eine Richtung und Verstärken sich gegenseitig. Das kann bedeutsam sein, wenn der Charakter am Rand seiner Belastbarkeit steht und so noch einmal einen Kraftschub erhält. Genauso können die Motivationen sich aber auch gegenseitig im Weg stehen - dann wiederum heißt es, eine Entscheidung zu treffen. Auch hier können interessante Konflikte entstehen.

Zitat von: heroine am 04. Februar 2015, 14:23:45
Den Punkt "Macht" versteh ich nicht. Geht es darum Macht zu gewinnen (was für mich auch Gier wäre) oder weil der Zwang durch äußere Macht kommt?
Mit "Macht" meinte ich das Erlangen von Gewalt über einen Einzelnen, eine Gruppe von Menschen oder ein ganzes System. Mit "Gier" (die ich auch aufnehmen werde) würde ich es nicht gleichsetzen, weil diese sich ebenso auf Materialistisches beziehen kann.

Zitat von: heroine am 04. Februar 2015, 14:23:45Einige der Motive überschneiden sich meiner Meinung nach auch, z.B. "Ideologie" und "Religion", sind für mich beides Wertvorstellungen und eng verknüpft mit der Moral.
Es stimmt natürlich, viele Motivationen ähneln und überschneiden sich. Trotzdem wollte ich diese hier getrennt aufführen. "Religion" als einzelner Punkt, weil er sehr oft vorkommt und nicht unbedingt praktische Ziele verfolgen muss. Eine Ideologie hingegen muss nicht religiöser Art sein. Und eine Moral spielt sicher bei beiden eine Rolle, kann aber ebenso gut in kleinerem Maßstab zum Tragen kommen, ohne gleich Teil einer ganzen Ideologie zu sein.

Was den Sadismus angeht, hast du recht: Im Grunde zählt es zu Spaß/Vergnügen und beschreibt einfach nur eine Vorliebe. Daher werde ich es auch wieder aus der Liste streichen.

Zitat von: Sunflower am 04. Februar 2015, 15:55:51Im besten (mMn) Fall könnte ein Antagonist ja auch der Protagonist sein, wenn man die ganze Geschichte aus seiner Perspektive erzählen würde. Ein Anta sollte eher nicht "einfach nur böse sein", sondern nur "durch die Augen des Protagonisten" böse sein.
Da sprichst du auch einen interessanten Punkt an. Weiter ausgewälzt führt er zwar schon wieder vom Thema weg, aber ich finde genau diese Geschichten ebenfalls am aufregensten. Oftmals wird der Antagonist derjenige sein, der von (Macht-)Gier angetrieben wird, sodass der Leser sich leicht auf eine Seite stellen kann - obwohl es eine plausible Motivation gibt. Gerade deswegen spiele ich beim Antagonisten auch gerne mit den ungewöhnlicheren Motivationen.
Titel: Re: "Ich hab's getan, weil ..." - die Motivation der Charaktere
Beitrag von: Lothen am 04. Februar 2015, 16:31:28
Zitat von: Sunflower am 04. Februar 2015, 15:55:51Schreib dir auf, was dein Protagonist a) nie sagen würde, b) nie denken würde, c) nie tun würde. Bring ihn in Situationen, wo er genau a) sagt, b) denkt und c) tun muss.
Boah, das ist witzig! Ich glaube, in Teilen habe ich das sogar berücksichtigt ... Vielleicht spiele ich mich damit mal. :D

Überreizen würde ich dieses Prinzip aber trotzdem nicht - wenn die Charaktere dauernd das Gegenteil von dem tun, was sie eigentlich tun sollen/wollen, wirkt das vermutlich auch recht erzwungen. Und es erschwert es dem Leser, sich in die Personen und ihre Motivation einzufühlen. Aber als Anregung finde ich das sehr gelungen!
Titel: Re: "Ich hab's getan, weil ..." - die Motivation der Charaktere
Beitrag von: Windstoß am 04. Februar 2015, 16:54:07
Pflicht oder Pflichtgefühl.

Auf der einen Seite eine eher schwache Motivation, die aber im Alltag häufig vorkommt: Man tut etwas, weil man glaubt, dass die anderen/die Gesellschaft das von einem erwarten.

Als starke Motivation empfinde ich die Pflicht sich selbst, seinen eigenen Überzeugungen und Idealen gegenüber. Dadurch tut man möglicherweise Dinge, die man nicht mag, die unangenehm oder schmerzhaft sind - nur aus dem Grund, weil es einem selber wichtig ist.
Titel: Re: "Ich hab's getan, weil ..." - die Motivation der Charaktere
Beitrag von: Christopher am 04. Februar 2015, 16:59:40
Den Punkt "Macht" würde ich vielleicht sogar rausnehmen. Ich kenne das von einem meiner Charaktere. Sie versucht letztendlich auch an Macht zu gewinnen, aber dabei geht es nicht um die Macht an sich, sondern darum, über die Macht etwas zu erreichen. Macht als Motivation "nur um sie zu haben" finde ich extrem unnachvollziehbar und gestellt. Jeder der Macht haben will, will sie eigentlich, um etwas anderes damit erreichen zu können.
Titel: Re: "Ich hab's getan, weil ..." - die Motivation der Charaktere
Beitrag von: Churke am 04. Februar 2015, 17:20:58
Zitat von: Christopher am 04. Februar 2015, 16:59:40
Den Punkt "Macht" würde ich vielleicht sogar rausnehmen. Ich kenne das von einem meiner Charaktere. Sie versucht letztendlich auch an Macht zu gewinnen, aber dabei geht es nicht um die Macht an sich, sondern darum, über die Macht etwas zu erreichen. Macht als Motivation "nur um sie zu haben" finde ich extrem unnachvollziehbar und gestellt. Jeder der Macht haben will, will sie eigentlich, um etwas anderes damit erreichen zu können.
Das sehe ich anders. Es gibt sogenannte "Macht-Menschen", denen es wirklich nur darum geht, Macht auszuüben. Macht-Menschen sind materielle Dinge egal und deshalb sind sie meist auch nicht korrupt.
Ob man Macht alleine als Motivator sehen kann, ist allerdings eine andere Frage.
Titel: Re: "Ich hab's getan, weil ..." - die Motivation der Charaktere
Beitrag von: Fafharad am 04. Februar 2015, 17:27:47
Zitat von: ChristopherMacht als Motivation "nur um sie zu haben" finde ich extrem unnachvollziehbar und gestellt. Jeder der Macht haben will, will sie eigentlich, um etwas anderes damit erreichen zu können.
Verhält es sich nicht genau so mit dem Wunsch, berühmt zu werden? Irgendwo weiter oben fiel schon das Schlagwort "Anerkennung" (hab's nicht wiedergefunden).
Das ist ein Motiv, das ganz gut als Selbstzweck funktioniert und das gerade wir (ohne jemandem nahe treten zu wollen  ;D) als Autoren sicher gut nachvollziehen können.
Natürlich wäre es toll, von der Schreiberei die Familie ernähren zu können, aber die greifbarere Währung ist nun mal die Anerkennung für die eigene Leistung.
So wie ich als Autor meine Motivation aus dem Wunsch nach Anerkennung schöpfe, kann ich mir auch gut unsympathische Charaktere vorstellen, die das Gefühl genießen, Macht über andere auszuüben - ohne damit etwas erreichen zu wollen, nur zur Befriedigung des Egos. (Wobei - damit dient sie ja doch wieder einem Ziel  :wums:.)
Um ehrlich zu sein - ich kenne solche Typen sogar in der Realität. Traurig genug  :'(.
Titel: Re: "Ich hab's getan, weil ..." - die Motivation der Charaktere
Beitrag von: HauntingWitch am 04. Februar 2015, 17:29:53
Ein spannendes Thema. Ich gehöre auch zu denen, die mit Motivation Mühe haben. Ich habe mir das bisher gar nie so genau überlegt. Ich schreibe ja sehr intuitiv und wenn man mich fragt, warum meine Protagonisten sind, wie sie sind, dann sage ich: "Weil er eben so ist."  ;D Ich weiss genau, warum sie so handeln und nicht anders, aber ich kann das nicht erklären. Es ist für mich einfach klar. Aber vielleicht sollte ich mir darüber wirklich mehr Gedanken machen.

Wenn ich das nun so aufdrösele, stelle ich fest, dass die meisten meiner Antagonisten tatsächliche Machtgier oder Rache, oft verbunden mit Frust/Verbitterung als Antrieb haben. Meine Protagonisten hingegen handeln meistens eher aus Notwendigkeit heraus, weil ein äusserer Umstand ihr gemütliches Leben stört. Im Verlaufe der Geschichte kommen da natürlich noch andere Dinge hinzu, wie z.B. Liebe. Und einen habe ich, der vor allem aus Pflichtgefühl heraus agiert, das ganze sich für ihn dann aber zu einer Sinnsuche entwickelt.

In einem neuen Projekt habe ich zum ersten Mal von Anfang an Liebe als Motivation für den Prota. Mir wird gerade klar, dass es aber nicht so einfach ist. Oft sind es ja mehrere Dinge, die einen antreiben und nicht nur eines. Interessant wird es wohl, wenn zwei Motivationen derselben Figur sich widersprechen. Insofern stimme ich mit Brandon Sanderson überein, Menschen verhalten sich manchmal durchaus vermeintlich unlogisch oder widersprüchlich. Ergo dürfen Buch-Charaktere das auch. Das Problem dabei ist nur, dass es weiterhin glaubwürdig wirkt. Ein Mensch hat ein Unterbewusstsein, in dem diverse Dinge abgespeichert sind, die ihn zu dem machen, was er ist. Als Autor einen Charakter zu erschaffen, der auch nur annähernd so komplex ist wie ein realer Mensch, halte ich für so gut wie unmöglich. Natürlich versucht man das und natürlich können auch Buch-Charaktere tiefgründig sein. Aber es ist nicht vergleichbar mit einem realen Menschen. (Man könnte jetzt natürlich dagegen halten, dass es auch reale Menschen gibt, die flacher sind als manche Buch-Charaktere, aber ich glaube, das ist eine andere Diskussion. ;))
Titel: Re: "Ich hab's getan, weil ..." - die Motivation der Charaktere
Beitrag von: Miezekatzemaus am 04. Februar 2015, 17:49:07
Bei meinen aktuellen beiden Hauptprojekten sieht das so aus: Bei Projekt eins ist die Motivation der drei Protagonisten Abenteuerlust, später das Verlangen nach Aufklärung über etwas. Die Motivation des Antagonisten ist Anerkennung.

Bei Projekt zwei ist die Motivation der Wunsch einer anderen Person, die für das Leben der Protagonistin sehr wichtig war (in diesem Fall ihre Mutter). Genau genommen handelt es sich um den letzten Wunsch der Mutter, direkt danach stirbt sie. (Dramatisch, ich weiß, aber mir gefiel's für die Geschichte gut.) Das ist natürlich auch eine Art von Druck, aber er kann sowohl positiv als auch negativ sein - auf jeden Fall aber war er eine positive Vorstellung (bei meiner Geschichte, nicht bei allen!) von jemand anderem.
Titel: Re: "Ich hab's getan, weil ..." - die Motivation der Charaktere
Beitrag von: Christopher am 04. Februar 2015, 18:01:07
Zitat von: Churke am 04. Februar 2015, 17:20:58
Das sehe ich anders. Es gibt sogenannte "Macht-Menschen", denen es wirklich nur darum geht, Macht auszuüben. Macht-Menschen sind materielle Dinge egal und deshalb sind sie meist auch nicht korrupt.
Ob man Macht alleine als Motivator sehen kann, ist allerdings eine andere Frage.

Ich hab so einen Menschen noch nie gesehen, höchstens in Filmen/Büchern Figuren, die so dargestellt werden (bzw. die ich so wahrgenommen habe). Und ich kann es mir auch nicht vorstellen. Ich kann mir z.b. durchaus vorstellen, was einen Menschen dazu bringt, sich selbst in die Luft zu sprengen um anderen zu schaden (was ja schon eine höchst abnormale Handlung ist) aber Macht haben wollen nur um der Macht willen? Nein. Das kann ich mir nicht vorstellen. Da steht immer ein anderer Grund dahinter, auch wenn man den vielleicht nicht sehen kann.

EDIT: Etwas schlecht ausgedrückt. Also, ich kann mir durchaus vorstellen, dass Menschen schlicht nach Macht streben, aber dann eben aus einem Antrieb heraus. Also Macht nicht als Motivation, sondern eben wie bereits gesagt um Anerkennung, Selbstbestätigung o.ä. zu bekommen.
Titel: Re: "Ich hab's getan, weil ..." - die Motivation der Charaktere
Beitrag von: Aylis am 04. Februar 2015, 18:19:06
Ich finde am interessantesten die Überzeugung, etwas zu ändern.
Also im Prinzip Rebellion, Freiheitsdrang, Umsturz der bisherigen Lebensumstände.
Da kann man viel draus machen, weil natürlich Manipulation und Rücksichtslosigkeit mit im Spiel sind.
Und dieser Konflikt zwischen Weltverbesserungswunsch und der Gefahr, dass danach alles noch schlimmer ist bzw. seine moralischen Überzeugungen über den Haufen zu werfen, gefühlt mir total.
Titel: Re: "Ich hab's getan, weil ..." - die Motivation der Charaktere
Beitrag von: Siara am 04. Februar 2015, 18:23:28
Zum Thema Macht als Motivation: Ich bin mir sehr sicher, dass es diese Motivation durchaus gibt. Die meisten der aufgeführten Punkte können ja schlecht allein stehen, sondern lassen sich immer irgendwie verbinden. Rache hängt eng mit persönlicher Feindschaft ebenso wie mit Liebe zusammen, Anerkennung kann mit Gruppenzwang verknpüft sein und läuft wiederum auf eine Art von Zufriedenheit und damit Spaß hinaus. Kurz: Eine Motivation ist zwangsläufig nie Selbstzweck, sondern hat immer Hintergründe, die sich verbinden lassen.

Ein Grund, um nach Macht zu streben, kann auch Angst sein. Wer sich vor anderen fürchtet, sucht eine Machtposition, um sie kontrollieren zu können. Er handelt also aus Angst und Argwohn. Nach einer Weile kann sich die Macht aber durchaus zum Selbstzweck entwickeln - und zu einer Sucht, was wiederum eine andere Motivation ist. Ich möchte Macht ungern aus der Liste streichen. Wenn die Macht als einzelner Punkt nicht zählt, weil sie (zumindest anfangs) meist zu einem anderen Zweck angestrebt wird, könnte man auf gleiche Weise auch alle anderen Punkte entkräften. Dann gäbe es nur noch eine einzige Motivation mit dem Titel: Bedürfnisbefriedigung

Pflichtgefühl und auch die Wünsche eines anderen werde ich noch mit aufnehmen.

@Aylis: Alles interessante Punkte, die du ansprichst. Gerade die Weltverbesserer ergeben die schönsten Helden für Tragödien, finde ich. ;D Rebellion würde ich unter Widerstand werten und den Weltverbesserer unter Ideologie. Da Freiheitsdrang aber auch im Kleinen stattfinden kann, kommt das gleich noch mit in die Liste.
Titel: Re: "Ich hab's getan, weil ..." - die Motivation der Charaktere
Beitrag von: Fynja am 05. Februar 2015, 19:55:24
Sehr interessantes Thema! Und danke für die ausführliche Auflistung, Siara. :)

Erst mal generell: Ich finde Motive unglaublich wichtig. Natürlich muss man nicht jede kleine Entscheidung hinterfragen, aber jeder hat irgendwelche Motive, die das Handeln beeinflussen, ob er sich dessen bewusst ist oder nicht. Diese Motive müssen nicht explizit im Buch stehen, aber es muss doch erkennbar sein, dass es Gründe für relevante Aktionen gibt, sonst kommt eine Romanfigur meines Erachtens nach einfach nicht glaubwürdig rüber. Das Gefühl, eine Figur zu kennen, kommt erst, wenn ich ihre Motive kenne, das gilt sowohl für fremde Bücher wie auch für meine eigene. Es ist bereits mehr als einmal vorgekommen, dass ich mit einigen Figuren Probleme hatte, bis mir irgendwann aufgefallen ist, dass das daran liegt, dass ich selbst zwar die Taten meiner Protas oder Antas kenne, aber nicht ihre Motivation dafür. Seitdem ist das bei mir ein sehr wichtiger Punkt in der Charakterentwicklung. Bei meiner Dystopie, die ich zurzeit schreibe, ist die Motivation meiner Prota teils Ideologie, teils Moral (beides hängt zusammen, aber es gibt dennoch Unterscheidungen, die ich da treffe - besonders bei Dystopien wichtig.) und teils Liebe/ Beschützerdrang zu bestimmten Menschen. Bei meinem Anta, der im Laufe der Geschichte immer mehr Prota wird, ist es erst ebenfalls Ideologie, interessanterweise teilt er sich diese Ideologie mit meiner Prota, was aber zu unterschiedlichen Handlungsweisen führt, weil er seine Ideologie über die Moral stellt und meine Prota eben nicht. Hoffentlich klingt das nicht zu wirr. Und eine dritte wichtige Instanz in der Geschichte ist die Regierung, deren Motiv Kontrolle/ Macht ist.

Achtung, ich werde jetzt ein wenig klugscheißern. ;D Aber ich hatte letztes Semester erst ganz viele Vorlesungen zum Thema Motivation und vor kurzem eine Vorlesung in Entwicklungspsychologie darüber. Vielleicht hilft dem einen oder anderen ja dieses Wissen. Teilweise überschneiden sich die Motive, die ich aufzählen werde, sicherlich mit der Liste im Anfangspost, aber vielleicht ist meine Aufzählung ja trotzdem hilfreich zum Ergänzen.

Erst einmal wären das allgemein die Befriedigung der biogenen Bedürfnisse, also alles, was zum Überleben wichtig ist, Nahrung usw. Diese Motive sind angeboren und logischerweise bei jedem Menschen vorhanden, können aber eben in unterschiedlicher Stärke als Motive für Handlungen fungieren.
Angeboren sind auch noch Neugierde, wurde hier ja auch schon genannt, und Leidvermeidung - erklärt sich wohl auch von selbst.
Eines der wichtigsten angeborenen Motive ist außerdem das Bindungsmotiv. Bei Neugeborenen selbsterklärend, aber auch bei Erwachsenen äußert sich das in Form von der Suche nach Zugehörigeit, nach Anschluss/ Affiliation. Wurde hier ja auch schon genannt, aber da es eines der stärksten Motive ist, wollte ich es nochmal erwähnen.
Das Anschlussmotiv wird oft zusammen mit dem Machtmotiv und dem Leistungsmotiv zu den "Big Three" der Motivation gezählt. Die letzteren entwickeln sich allerdings erst zwischen dem 4. und 6. Lebensalter, sind also nicht angeboren, sondern eher antrainiert/ angelernt. Für Geschichten find ich es hier immer wichtig, wenn eines dieser Motive im Spiel ist, den Hintergrund zu erklären, wie es dazu gekommen ist, dass eines dieser Motive so stark ausgeprägt ist. Macht gilt also sehr wohl als eigenständiges Motiv, mit dem Ziel, Kontrolle über andere auszuüben - allerdings, und das könnte bei Antagonisten sehr interessant sein, geht das Machtmotiv oft mit der Furcht, selbst von anderen dominiert zu werden, einher.
Beim Leistungsmotiv gibt es auch noch einen interessanten Aspekt, nämlich dass dieses anfangs sehr stark von außen kommt, aber im Laufe der Entwicklung interiorisiert wird. Hier geht es um das Erfüllen eines Tüchtigkeitsmaßstabs, der sozial vermittelt wird, aber irgendwann hat man diese Maßstäbe so verinnerlicht, dass das Motiv auch von innen kommen kann. Hierbei unterscheiden sich Leute beim genauen Anreiz für die Leistung: einige sind eher erfolgsorientiert, bei anderen liegt der Antrieb darin, Misserfolg um jeden Preis zu vermeiden. Auch das führt zu teilweise ganz unterschiedlichem Verhalten, obwohl das eigentlich gleiche Motiv aktiviert ist.
Auch Prosozialität gilt als eigenes Motiv, hier kann man aber natürlich auch darüber diskutieren, ob bedingungsloser Altruismus möglich ist oder nicht doch irgendeinem anderen Zweck dient, auch wenn es nur der ist, dass man sich nicht schlecht fühlt. Bedingungslos altruistische Protas nerven mich meistens, normalerweise hat man nämlich dennoch irgendwelche Gründe, anderen zu helfen, und selbst, wenn es Liebe ist, ist auch die nicht bedingungslos altruistisch.  ;D Das ist aber jetzt natürlich keine fachliche, sondern nur meine subjektive Meinung.

Bei alldem können sich verschiedene Motive natürlich überschneiden oder ineinander übergehen. Wir haben auch die Unterscheidung getroffen zwischen funktionell autonomen Motiven, also solchen, die als Motiv alleine fungieren (zum Beispiel Leistung), oder nicht autonomen Motiven, also solchen, die eigentlich der Befriedigung eines anderen Motivs dienen (zum Beispiel Agression).
Was außerdem wichtig ist, ist das, was Lothen schon angemerkt hat: Die Unterscheidung zwischen trait und state. Sehr oft spielt die Situation eine viel größere Rolle für die Handlung einer Person, als Außenstehende denken würden. In Film und Literatur gibt es da sicherlich genügend Beispiele dafür, dass nicht jeder, der Böses tut, von Grund auf boshaft ist, stattdessen können Dinge wie Gruppenzwang usw sehr vieles ausrichten. (Dazu gibt es auch noch das schöne Wörtchen "Konformität").
Titel: Re: "Ich hab's getan, weil ..." - die Motivation der Charaktere
Beitrag von: Siara am 05. Februar 2015, 20:16:30
Vielen Dank für die Ausführungen, Fynja, das hat gerade noch einmal sehr viel mehr Licht in das Thema gebracht. Ich werde deinen Beitrag mal im Startpost verlinken, dann haben wir es bei den Hauptinfos. :)

Zitat von: Fynja am 05. Februar 2015, 19:55:24
Beim Leistungsmotiv gibt es auch noch einen interessanten Aspekt, nämlich dass dieses anfangs sehr stark von außen kommt, aber im Laufe der Entwicklung interiorisiert wird.
Das finde ich sehr interessant, und ich kann mir vorstellen, dass es auf ähnliche Art auch bei anderen Motivationen funktionieren kann. Dass die Handlungs- und Denkweisen, die sich aus einer Motivation ergeben, zur Gewohnheit und damit selbst zum Antrieb werden. Was Charaktere angeht, ließe sich sicher gut damit arbeiten, wenn längst verinnerlichte Antriebe/Ziele aufgrund einer neuen Motivation hinterfragt werden müssen.

Zitat von: Fynja am 05. Februar 2015, 19:55:24
Bedingungslos altruistische Protas nerven mich meistens, normalerweise hat man nämlich dennoch irgendwelche Gründe, anderen zu helfen, und selbst, wenn es Liebe ist, ist auch die nicht bedingungslos altruistisch.  ;D
Hehe, das habe ich auch schon mal festgestellt. So gesehen sind Menschen in ihrem Kern einfach ausnahmslos egoistisch, selbst die Selbstlosen.
Titel: Re: "Ich hab's getan, weil ..." - die Motivation der Charaktere
Beitrag von: Snöblumma am 05. Februar 2015, 22:11:59
Schöner Thread.  :pompom:

Die Motivation der Charaktere ist für mich eigentlich immer der Dreh- und Angelpunkt der ganzen Geschichte. Solange ich nicht verstanden habe, warum die Figur das macht, was sie mir so erzählt, kann ich die Geschichte nicht schreiben. Und damit meine ich gerade nicht das äußere Warum, sondern wirklich die innere Antriebskraft, die hinter dem allen steckt. Meistens ist das ja auch etwas, das die Figuren selbst nicht wirklich bewusst wissen, sondern mehr etwas, das aus ihrer gesamten Geschichte heraus kommt, vielleicht sogar aus der Familiengeschichte - das muss ich immer alles wissen, ehe ich schreiben kann. Gewissermaßen lege ich meine Figuren auf die Couch, ehe ich schreiben kann ;).

Häufige Motivationslagen sind bei mir der Wunsch nach Anerkennung, Zugehörigkeit, Bindung, wie Fynja es so schön geschildert hat. Noch lieber spiele ich allerdings mit Macht, und da bin ich durchaus der Meinung, dass die pure Macht Motivation genug sein kann. Ich kenne es auch aus dem echten Leben, dass es manchen Menschen einfach nur darum geht, mehr zu sagen zu haben als alle anderen - das kann zusätzlich motiviert sein von Angst, Ehrgeiz, Anerkennung, was auch immer, aber ich kenne durchaus die Typen, denen es einfach nur darum geht, Dinge zu machen, weil sie sie eben machen können. Ich finde das ein wahnsinnig interessantes Bündel, das man seiner Figur mitgeben kann, auch und gerade weil Macht eben nie ohne Probleme kommt.
Titel: Re: "Ich hab's getan, weil ..." - die Motivation der Charaktere
Beitrag von: Churke am 06. Februar 2015, 10:35:29
Im Zusammenhang mit Macht gibt es noch etwas, das man in der Fantasy vielleicht mal gebrauchen kann:
Die Vision einer besseren Welt.

Metternich wollte den Kalender auf 1788 zurückstellen. Woodrow Wilson führte einen Weltkrieg "to make the world safe for democracy", Julian Apostata wollte den Lauf der Geschichte ändern und die Welt zum Heidentum zurückführen.

Solche Figuren können Schurken sein, Verbrecher, Diktatoren, Volltrottel, Ideologen, Glücksritter, Beamte, Zivilversager - aber auch Männer von außerordentlicher Integrität.
Titel: Re: "Ich hab's getan, weil ..." - die Motivation der Charaktere
Beitrag von: Sunflower am 21. Februar 2015, 12:21:32
Writers Write hat auf Facebook gerade noch einen Link zu einem Charakter Motivation Sheet gepostet (bei Deviant Art). Ist alles auf Englisch und das meiste wurde auch schon genannt, aber ich lasse es trotzdem mal hier. Klick (http://anikaandaj.deviantart.com/art/Character-Motivation-Sheet-383688366)
Titel: Re: "Ich hab's getan, weil ..." - die Motivation der Charaktere
Beitrag von: Reman Akarak am 09. März 2015, 21:39:32
Ein sehr aufschlussreicher Thread mit sehr aufschlussreichen Kommentaren.
Ich danke dafür.  :)


Ich finde die Form des Macht-Motivs wie es Churke zuletzt benannt hat mit am stärksten, wenn
man wirklich Charaktere erschaffen möchte, die nicht nur etwas sondern die ganze Welt verändern
möchten. Motive für dieses Motiv könnte man dann denke ich mal aber ebenso zahlreich aufführen.
Schließlich kann die Vision einer besseren Welt sich sowohl an die Vergangenheit (früher war alles besser)
also wahre Begebenheiten, als auch an die Zukunft in Form von Ideologien etc. (wenn wir das erst einmal
so gestalten wird alles besser).
Wobei ich diese Eigenschaft die Welt verändern zu wollen, eher Charakteren gebe, die bereits über Macht verfügen.
Sie fallen in diesem Hinblick also schon fast dem Größenwahn anheim und sehen sich dazu in der Lage die Welt zu verändern und ihre
Vorstellungen durchzusetzen. Jene welche kaum Macht besitzen und diesen Wunsch trotzdem verspüren, scheitern bei mir meist an den Zwängen der Gesellschaft in Sinne von Recht und Moral.

Interessanter finde ich dann aber die Ausarbeitung weshalb diese Charaktere von diesem Gedanken so überzeugt
sind, dass sie wirklich etwas verändern möchten.
Im Beispiel eines Antagonisten gebärt dieser aus der Angst vor dem Tod, dem freiwilligen Ableben seiner Gefährten und der Einsamkeit zuerst Selbsthass gegenüber seiner eigenen Schwäche - die Sterblichkeit. Er erkennt, dass man (zumindest hier im Falle von Magiern) den Tod umgehen kann. Dennoch bleibt die Verachtung für zerbrechliches Leben und wird so zum Hass gegenüber allen sterblichen Nicht-Magiern, weil er in ihnen immer wieder die eigene Schwäche sieht, die einst in ihm selbst wohnte und die ihn seine Freunde genommen hatte. In seiner Vision wird es eine perfekte Welt ohne den Tod der geliebten Mitmenschen geben, selbst wenn dies erst einmal die Ausmerzung der genannten "Schwäche" bedeuten sollte.

An sich vereint allein die Vision einer besseren Welt, wie sie dieser Antagonist besitzt viele Aspekte, die weit über den der Macht hinausgehen.
Und andere Charaktere können sich diesem Bild aus ihren eigenen Motiven anschließen. Die Angst vor Verfall treibt jemand besonders eitles dazu dem Versprechen nach ewiger Jugend/ Schönheit nachzukommen. Jeder, der Unvergänglichkeit sucht kann sich in diesem Bild verstricken.

Man  bedient sich vieler Motive und genau das macht ja erst die Komplexität des Charakters aus. Er hat eine Hauptmotivation, aber Vieles, was ihn noch beeinflusst und seiner Vision entweder entgegenspielt oder sie sogar beflügelt.


Ich bin gespannt auf all die noch folgenden, spannenden Kommentare zu diesem wirklich fruchtbaren Thema.  :)
Titel: Re: "Ich hab's getan, weil ..." - die Motivation der Charaktere
Beitrag von: Leygardia am 13. März 2015, 22:20:00
Also bei meinem 1. Projekt ist es der Drang nach der Wahrheit, die Neugier, die Eifersucht und die Liebe, die meine Prota`s momentan antreibt, während bei meinem 2. Projekt der Drang nach Gerechtigkeit, Zielstrebigkeit sowie die Sucht nach Macht und Dominanz die Charaktere nach vorn treibt. Wovon ich auch ein Fan bin, ist Rache auszuüben, nur fällt es mir irgendwie schwer, so etwas zu schreiben, da ich selber kein Mensch bin, der an Rache denkt, wobei ich es gerne lese, wenn sich jemand an einem rächen will, vorallem dann, wenn ich in der Situation das gleiche getan hätte. Dann fühle ich mich irgendwie mit der Person verbunden..  :hmmm:
Titel: Re: "Ich hab's getan, weil ..." - die Motivation der Charaktere
Beitrag von: Christopher am 14. März 2015, 09:47:15
Das führt zu einem interessanten zweiten Gedanken:

Inwiefern beeinflussen diese Gründe, ob wir die Charaktere mögen oder nicht?
Es fällt den meisten wohl nicht schwer mit Charakteren zu sympathisieren, die an sich arbeiten, sich verbessern und ihre Ziele erreichen (wie auch immer die aussehen mögen) oder mit solchen, die uneigennützig etwas gutes tun o.ä.

Aber auch die Anderen, die weniger gute Dinge/Ziele im Fokus haben, können ja für Leser interessant sein. Die Ziele und Gründe der Charaktere sind ja, wie Leygardia schon gezeigt hat, einer der wichtigsten Punkte, warum man überhaupt seine Geschichte hören will.

Also: Warum ist dieses oder jenes Motiv eher dazu geneigt, euch weiterlesen zu lassen? Oder welches lässt euch aufhören?
Titel: Re: "Ich hab's getan, weil ..." - die Motivation der Charaktere
Beitrag von: Siara am 16. März 2015, 22:54:35
@Christopher: Das sind für mich zwei verschiedene, interessante Punkte.

Zum einen, welche Motivationen sympathisch sind. Dazu muss ich sagen, dass mir reine Gutmütigkeit meist zu einfach und unrealistisch ist. Egoismus in einem gesunden Maße halte ich für wichtig, alleine schon, weil ein starker Antrieb dahinter glaubwürdiger ist. Allgemein sind mir gegenläufige Motivationen sympathisch, also keine reine Machtbesessenheit oder reine Ritterlichkeit. Das hängt dann allerdings auch wieder damit zusammen, dass ein Gemisch von Interessen die Charaktere tiefgründiger wirken lässt. Und Authentizität ist mir extrem wichtig.

Die zweite Frage ist, welche Motivationen zum Weiterlesen anregen. Ich persönlich breche Bücher so gut wie nie ab, selbst wenn sie noch so schlecht sind. Wenn ich über Seite 20 hinaus bin, lese ich sie auch zu Ende. Trotzdem binden einige Motivationen natürlich mehr an die Geschichte als andere. Rache beispielsweise hat auf mich wenig Anziehungskraft. Es geht schließlich immer um die Frage, ob der Charakter sein Ziel erreicht, und ausgeübte Rache bringt selten Befriedigung. Damit ist das Ziel für mich nicht erstrebenswert und der Plot weniger interessant. Angst ist eine tolle Motivation, weil gerade die Überwindung dieser fesseln kann. Verliebtheit bis zu einem gewissen Grad, als alleiniger Antrieb ist es mir zu wenig, weil es quasi eine "Ja/Nein"-Frage ist. Allgemein gefällt mir alles, was Charakterentwicklung und besonders das innere Wachsen der Figuren nach sich zieht: Angst, Stolz, Traumata, Auflehnung gegen Unterdrückung, etc.

Bei diesen geht es nämlich nicht nur um die Frage, ob ein bestimmtes Ziel erreicht wird, sondern auch, auf welchem Weg. Und Geschichten, in denen die Charaktere über sich hinauswachsen, trage ich noch am längsten mit mir herum.
Titel: Re: "Ich hab's getan, weil ..." - die Motivation der Charaktere
Beitrag von: Churke am 17. März 2015, 13:01:00
Zitat von: Christopher am 14. März 2015, 09:47:15
Also: Warum ist dieses oder jenes Motiv eher dazu geneigt, euch weiterlesen zu lassen? Oder welches lässt euch aufhören?

Ich weiß nicht, ob das eine Frage des Motivs ist. Macbeth lässt sich von seiner Frau überreden, den König zu ermorden und nach der Krone zu greifen. Als er dann König ist, wird er zum Getriebenen, zum Tyrannen kraft Amtes.

Das Motiv dient ja dazu, das Tun einer Figur zu erklären, und es ist zuerst das Tun, das eine Figur sympathisch macht oder nicht.  Ich sehe das wie Siara: Der Weg ist das Ziel. Das Motiv ist bedeutungslos, wenn eine Figur nichts tut, und unwichtig, wenn eine Figur Böses tut. Nehmen wir Don Carlos bei Schiller: Ich habe den immer gehasst, weil der nur rosa Luftballons aufbläst, aber nichts auf die Reihe kriegt.

Gegenbeispiel:
In Kleists Hermannsschlacht lockt Hermann den arglosen Varus mit Lug und Trug und List und Tücke in die Falle. Ein Motiv dafür liefert Kleist gerade nicht. Das finde ich genial, weil es nämlich wirklich niemandem auffällt. Aber es bewirkt, dass man Hermanns Schweinereien hinterfragt.
Titel: Re: "Ich hab's getan, weil ..." - die Motivation der Charaktere
Beitrag von: funkelsinlas am 18. Mai 2015, 09:03:56
Ich finde es cool, wenn der Antagonist eigentlich das stärkere Motiv hat. Also eines, gegen das niemand etwas sagen kann, etwas, was ihm unstrittig zusteht, aber er bekommt es nicht und greift jetzt zu den falschen Mitteln.
Ein weiteres Motiv für die Liste ist "jemanden Stolz machen wollen" damit fühlen sich die Personen ja etwas verpflichtet und haben dann so tolle Reaktionen, wenn man an dieser wichtigen Person rüttelt.
Für manchen Charakter zieht auch wunderbar die Motivation Schuldgefühle oder psychische Probleme. Dass sind dann Handlungen, die keinen Sinn machen, für den Charakter aber der einzige Ausweg sind. Ich habe so einen Ritter, der genau weiß, dass was im Busch ist, aber es nicht über sich bringt, eine junge Frau zu attackieren um ihr Antworten und einen verdächtigen Brief zu entreißen, nur weil sein Vater gegen über solchen Leuten, eben auch seiner Amme, sehr gewalttätig war.
Titel: Re: "Ich hab's getan, weil ..." - die Motivation der Charaktere
Beitrag von: FeeamPC am 18. Mai 2015, 13:48:06
Übrigens gebe ich noch zu bedenken, dass nicht nur die Helden und Antagonisten selbst sich im Laufe einer Geschichte (meist) ändern, sondern auch ihre Motive.
Was als Rachefeldzug beginnt, kann in einer machthungrigen "ich verbessere die Welt"- Tyrannei enden. Oder damit, dass der Held sein eigenes Tun als frevelhaft erkennt und ins Kloster geht. Oder dass er selbst am Ende der wirkliche Antagonist des Buches wird. Es können zusätzliche Motive im Laufe der Erzählung auftreten und Überhand gewinnen, der Prota kann massiv beeinflusst werden, usw.
Dann ist die Kunst, dem Leser diese Entwicklung plausibel zu erklären, und, falls es um den Helden geht, dafür zu sorgen, dass er trotz geänderter Motivation des Lesers Liebling bleibt. Oder eben im Buch eine zweite Figur rechtzeitig aufzubauen, die den Helden-Liebling ablöst, möglichst ohne dass der Leser sofort dahinterkommt, was der Autor vorhat.
Titel: Re: "Ich hab's getan, weil ..." - die Motivation der Charaktere
Beitrag von: Kadeius am 20. Mai 2015, 13:44:50
Ich bin zwar nicht abgeneigt, wenn es um Klassiker wie Rache, Eifersucht und Gerechtigkeit geht - Joe Abercrombie zumindest beweist, dass es offensichtlich noch ankommt - doch ich muss sagen, sowohl bei anderen als auch bei meinen Projekten können die Charaktere noch so mitreißend, spannend und nachvollziehbar sein: Es geht aber nichts über einen Charakter, dessen Motivation überhaupt nicht klar ist oder nur zu vermuten ist, vielleicht, wenn Andeutungen gemacht werden. Ich habe oft von Charakteren gelesen, die aus o.g. Motiven etwas tun, aber am spannendsten sind die geheimnisvollen, die nur deshalb geheimnisvoll sind, weil sie nicht viel preisgeben und nur solange spannend bleiben, solange sie nicht viel mehr preisgeben. Ein Beispiel dafür ist Varys aus A Song of Ice and Fire von George Martin, der eine oder andere wird ihn kennen.

Im Augenblick arbeite ich auch an der Fortsetzung meines Erstlings und so richtig hat sie erst eine Figur ins Rollen gebracht, die teils aus Forschungsdrang handelt, teils aus Langeweile, bis sie feststellt, dass sie es kann, weil sie die Macht dazu hat. Und diese Macht gefällt meinem Anta. Zwar ist ihm und auch dem Leser klar, dass er alles damit erreichen könnte, was er wollte, aber wozu? Dass er es nicht tut, ist wiederum ein Geheimnis, bis man eventuell zu dem Schluss kommt, dass ihm der Status quo gefällt.

Es hat etwas gedauert, bis ich realisiert habe, warum ich gerade diese Art von Charakter so unheimlich spannend finde, aber ich denke, es ist die Ungewissheit oder das Schleierhafte der eigentlichen Motivation. Es ähnelt ein bisschen Kleists Hermannsschlacht, wie Churke ansprach. Die Figur ist auch für mich nur deshalb so interessant, weil ich Fragen an ihn, bzw. an ihren Autor über sie habe und sie nicht eindeutig beantworten kann.
Titel: Re: "Ich hab's getan, weil ..." - die Motivation der Charaktere
Beitrag von: SLis am 20. Mai 2015, 14:24:38
Ich kann mich Kadeius in dem Punkt anschließen, dass unklare Motive mich, als Leser, am meisten anziehen.
Eine meiner Figuren aber selbst mit einer solch geheimnisvollen Aura auszustatten, und sie dann auch zu halten, kann ich nicht. Für meinen roten Faden brauche ich einen nachvollziehbaren Grund, ich neige zum Erklären, Veranschaulichen, Nahbar machen. Selbst wenn die Motivation bloß aus einem 'Weil ich es eben kann' besteht, was meiner Meinung nach auch eines der unberrechenbarsten Motive hervorbringen kann: Mancher will die Welt einfach nur brennen sehen.

Rache, Gerechtigkeit, Verzweiflung, dem Streben nach einem besseren Leben/einer besseren Welt sind für mich Dauerbrenner, die nach wie vor gut sein können oder auch alles völlig in den Sand setzen. Nachvollziehbarkeit kann von Leser zu Leser sehr unterschiedlich sein. Wo der eine Zustimmt und die ihm dargestellte Motivation völlig akzeptiert, schüttelt der andere nur mit dem Kopf und beschimpft die Figur als Sensibelchen. Manch einer ist zu abgestumpft, neigt zum Vergleich und schreckt zurück, wenn er den ein oder andere Beweggrund so, oder so ähnlich, einmal zu oft gelesen hat.
Vorallem wenn dann alles auf ein 'das Leben war so ungerecht zu mir' zusammengestaucht wird, möchte ich manchmal schreiend davonlaufen. Man kann auch dies spannend und facettenreich verpacken, aber weil XY meine Eltern getötet hat, ziehe ich nun raubend und brandschatzend los, bis ich jeden seiner Blutlinie erwischt habe, greift bei mir nicht mehr. Ich empfinde es als übertrieben. Dies scheint etwas zu sein, dass ich einmal zu oft gelesen/gesehen habe.
Der Protogonist, oder/und sein Gegenspieler, dürfen gebrochen sein, aber dann bitte aus einem verdammt guten Grund, und damit wäre man wieder bei dem Problem, dass die Meinungen, was denn ein guter Grund ist, weit auseinander gehen. Ich kann eine - für mich - magere Motivation aber verkraften, wenn das Handeln der Figur eine gewisse Intelligenz zeigt. Inrigen und Machtspielchen hervorbringt, die mich zum mitdenken und mitfiebern anregt. Dann ist es mir gleich, welches Schicksal diesen Charakter formte und dazu brachte zu tun, was er eben tut. Hauptsache er macht es gut.  ;) Und damit sind wir wieder beim unklaren Motiv angelangt, denn nicht immer ist es nötig, mit dem Finger drauf zu zeigen, um einem Charakter folgen zu können. Aber das gut umzusetzen, ist eben eine Kunst, die nicht jeder (und ich schon gar nicht) beherrscht.

@Kadeius, deinem Vergleich mit Varys kann ich so aber nicht ganz folgen. Es stimmt, er gibt nicht viel Preis, aber
Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.
Titel: Re: "Ich hab's getan, weil ..." - die Motivation der Charaktere
Beitrag von: AlpakaAlex am 30. August 2021, 21:37:03
Charaktermotivation ist auch so ein Thema, das mir unglaublich wichtig ist. Ein häufiger Grund für mich, Bücher zur Seite zu legen, ist, dass ich nicht nachvollziehen kann, warum die Charaktere denn machen, was sie machen. Wenn sie sich einfach nur mit dem Plot mittreiben lassen, weil der Plot halt passieren muss. Dabei bin ich nicht sehr anspruchsvoll, was die Motivation angeht. Von mir aus reicht eine rein finanzielle Motivation vollkommen aus (die ich übrigens nicht zwangsläufig als Gier bezeichnen würde - wenn der Charakter im Rahmen der Handlung seinen Job macht, dann macht er eben seinen Job).

Schauen wir uns meine Geschichten an, so haben wir in Mosaik erst einmal ein reines Streben nach Bezahlung, aber auch ansehen. Das wandelt sich allerdings im Verlauf der Geschichte zu einem Sinnen nach Gerechtigkeit und "Redemption" (wofür es immer noch kein gutes deutsches Wort gibt, ich prangere das an!).

Bei Dämonenbann wird die Protagonistin am Anfang ein wenig in die Handlung gedrängt, macht dann aber, was sie macht, weil sie sich gegenüber der verschwundenen Person schuldig fühlt.

Bei 7 Nächte wird die Protagonistin in erster Linie durch ihre (vermeintlich) unerwiderte Liebe zu Miriam motiviert.

Und aktuell bei Sturmjägerinnen haben wir drei Protagonist*innen, die halt in erster Linie ihren Job als professionelle Schatzjägerinnen machen. Sie wollen halt ihren guten Ruf behalten und Geld verdienen. Die Motivation wandelt sich allerdings auch im Verlauf der Geschichtee ...