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Handwerkliches => Workshop => Thema gestartet von: Lastalda am 01. Januar 1970, 01:00:00

Titel: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Lastalda am 01. Januar 1970, 01:00:00
Hat irgendwer von Euch schon mal eine längere Geschichte in Ich-Perspektive (Erzähler ist 1. Person Singular und an der handlung beteiligt) geschrieben?
Ich habe nämlich beim schreiben des 4. Kapitels zu "Schwerttänzer's Lied" (das ab dort großteils in ebendieser perspektive erzählt wird) festgestellt, dass ich das irgendwie überhaupt nicht kann. In der 3. Person kriege ich Dichte rein, aber wenn ich das selbe in der 1. Person versuche, kommt es mir nur lächerlich vor.

Hilfe!

Hat nicht jemand ein paar gute Tipps auf Lager oder kann mir vielleicht sogar an konkreten Stellen helfen (ich weiß, das wäre sehr sehr zeitaufwendig)...?

Lastalda
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Arielen am 01. Januar 1970, 01:00:00
Ich habe im Prinzip auch nichts längeres in der Ich-Form geschrieben, aber meine Erzähungen aus der 3. Perrson sind auch sehr personenbezogen, ich verrate im Prinzip auch nicht mehr als die Person selber wahrnehmen kann.

Im Prinzip gehe ich immer davon aus, ich versuche mir genau vorzustellen und z. B. abends im Bett auszuspielen, was er oder sie wahrnimmt und das dann später aufzuschreiben. Auch als Meister im Rollenspuiel habe ich meinen Charakteren die Umgebung und die Ereignisse aus ihrer Sicht geschildert, also nicht, "ihr steht in einem 3 x 4 m  großen Raum mit zwei Türen an den schmalen Seiten", sondern "Ihr geht in einem raum, der etwa so lang wie breit ist, und euch gegenüber ist eine weitere Tür." Versuche also in deinen Charakter zu schlüpfen und alles andere auszuschalten...
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Lastalda am 01. Januar 1970, 01:00:00
Ja, theorethisch ist mir das auch klar. Das Problem ist, dass meine hauptfigur, Kiara, ihre eigene Vergangenheit erzählt, und wenn man in diesem Kontext genauso detailliert vorgeht wie wenn das Geschehen "jetzt" wäre, klingt das oft gestelzt und falsch... Und ich habe keine Ahnung, wie man dieses Problem löst...

Lastalda
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Moni am 01. Januar 1970, 01:00:00
Also, ich hab mal was in der 1.Person verbrochen, eine Vampirgeschichte, die ich mittlerweile überabeite und in die 3.Person gesetzt habe. Ich finde 1.Person keine schöne Erzählperspektive, außer vielleicht für einige Szeneneinschübe. Aber das ist natürlich sehr subjektiv...

Moni
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Shaevairc am 01. Januar 1970, 01:00:00
Also ich habe bisher erst zwei Kapitel einer Story in der Ich-Perspektive geschrieben und dabei kam ich eigentlich relativ gut klar. Die Geschichte ist allerdings nicht besonders ernsthaft, was das ganze etwas erleichtert hat. (is online unter: http://futurefire.de/fireproject/fireproject-index.html )
Im Prinzip wollte ich gar nicht aus der Ich-Perspektive heraus schreiben, es hat sich nur so ergeben. Bei einer anderen Geschichte, die ich aus der 1. Person schreiben wollte, hab ich nach einer Zeit auch umgewechselt auf die 3.
Woran das lag, keine Ahnung.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: .Alice am 01. Januar 1970, 01:00:00
Also geschrieben hab ich selbst noch nicht in der Ich-Perspektive, aber mir gefallen die Romane von Jennifer Roberson sehr gut (und die sind alle im Ich geschrieben). Die Schwerttänzer-Serie. Vielleicht kannst Du da mal gucken und Anregungen holen?

Lg, Alice
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Moni am 01. Januar 1970, 01:00:00
Die Schwerttänzerromane sind tatsächlich eine löbliche Ausnahme.. stimmt.. sind in 1.Person geschrieben... hatte ich glatt vergessen. Mir fielen gerade nur einige historische Romane ein, die in der 1.Person sind und die sehr zäh zu lesen waren.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Lastalda am 01. Januar 1970, 01:00:00
Die Schwerttänzer-Romane sind in ich-Form? Hm, das ist noch ein grund mehr, sie endlich zu lesen...
Aber nicht alle Bücher von Jennifer Roberson sind das - die Herrin der Wälder zum Beispiel nicht, soweit ich mich erinnere...

Lastalda
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: .Alice am 01. Januar 1970, 01:00:00
Ups  ;) sorry, wusste nicht, dass J.Roberson auch andere Romane geschrieben hat *g*

Lg, Alice
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Lastalda am 01. Januar 1970, 01:00:00
doch, und soweit ich weiß eine ganze menge. Ich hab da was im Regal stehen, das Cheysuli-Zyklus heißt, auch von ihr, aber noch nicht gelesen.
Tja, so kann man sich irren! ;D

Lastalda
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: OgerBoy am 01. Januar 1970, 01:00:00
Hab mal was ind er Ich perspektive geschrieben, war allerdings nicht so doll.
Man kann viel weniger aus dem Bauch heraus schreiben, da man immer überlegen muss, wie konnte der Erzähler das wissen. Und damit es nicht unglaubwürdig wurde, habe ich dann immer schnell eine Erklärung beigefügt. Vom erzählerischen her, schlecht geschrieben, es wollte einfach keine Stimmung aufkommen. Deswegen habe ich danach  davon die Finger gelassen. Vielleicht später mal, wenn ich meine Lebensgeschichte aufschreibe, hehe, dauert noch ein bischen.
ich habe aber auch sachen gelesen, die klasse Atmosphäre gebildet haben, gerade dadurch das es aus der EGO Perspektive kommt. Ich schau mal nach was das war.

Bis später
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Linda am 01. Januar 1970, 01:00:00
Hallo,

ich habe bislang auch erst einen sehr kurzen Text in der Ich-Perspektive geschrieben (liegt Maja vor). Ich mag sie nicht unbedingt gerne lesen, bei den Schwerttänzern hätte sie mich beinahe komplett rausgehauen (dieses Geschmachte am Anfang, wie toll und schön und stark Del nun ist... Buch im Laden angelesen, zugeklappt und die Reihe erst einige Jahre später für wenig Geld erworben)
1. Person erscheint mir als Leser immer etwas aufdringlich  :). Da "zwingt" mir jemand seine Sichtweise auf und der Autor möchte damit vermutlich die Identifikation mit dem Helden erleichtern. Und bei diesen Gedanken habe ich schon keine Lust mehr.  
Vermutlich schreibe ich deswegen auch nicht darin. Es gibt aber auch Mischformen: 1. Person-Erzähler in der Gegenwart und trotzdem noch mehr darin. "Aber damals konnte ich noch nicht wissen, dass dieser Tag mein Leben verändern würde"
Da greift der Erzähler gewissermaßen dem Verlauf der Geschichte vor... Nun ja, auch das soll Spannung erzeugen, aber zu häufig verwendet wirkt es auch nicht mehr gut.

ZitatMan kann viel weniger aus dem Bauch heraus schreiben, da man immer überlegen muss, wie konnte der Erzähler das wissen.

Das würde ich differenzierter sehen. Bei einer eng personalen Perspektive wird auch nur erwähnt, was die Figur wissen und fühlen kann, das dürfte also keinen Unterschied machen. Nur bei der Mischung von personal/auktorial kann man kurzzeitig die Figur verlassen und objektive Dinge einfügen.
Richtig angewandt kann die Ich-Perspektive allerdings auch sehr mitreißend sein.

Gruß,
Linda
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Moni am 01. Januar 1970, 01:00:00
Zitatdoch, und soweit ich weiß eine ganze menge. Ich hab da was im Regal stehen, das Cheysuli-Zyklus heißt, auch von ihr, aber noch nicht gelesen.
Tja, so kann man sich irren! ;D

Lastalda

Den Cheysuli-Zyklus hab ich bis Band 6 im Regal stehen , gelesen glaub ich bis Band 4... Sind eigentlich nicht schlecht, wenn es einem nichts aus macht, das jeder Band in einer anderen Zeit spielt und andere Hauptpersonen hat. Es geht in den Bänden 2- 9 (?) um die Nachfahren der Personen aus Band 1. Diese Bücher sind übrigens in auktorialer Erzählsicht geschrieben.

LG

Moni
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Lastalda am 01. Januar 1970, 01:00:00
@Linda:

In meinem Fall wird es auch eine Mischform. Die macht auch Sinn, wenn man weiß, dass der ich-Erzähler es zu einem betimmten, späteren Zeitpunkt rückblickend erzählt, und das ist in meiner Geschichte ja der Fall.
Auch die Athmosphäre scheint mir mittlerweile einigermaßen zu gelingen. Womit ich immer noch Probleme habe, ist der Wechsel zwischen Szenen und Zeitpunkten. In einer 3.-Person-Geschichte macht man einfach einen Absatz und leitet die neue Szene ein, doch wenn es in der Rahmenhandlung eine durchgängige Erzählung darstellen soll, muss man bei der Ego-Perspektive Überleitungen schaffen, die nicht szenisch sondern eher übergreifend sind, und die werden dann wiederum schnell langweilig... *seufz*

Lastalda
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Linda am 01. Januar 1970, 01:00:00
@Lastalda

da hilft nur eines: am besten ein oder zwei Romane der Ich-Perspektive lesen, querlesen oder zumindest durchblättern (irgendeinen hat jeder im Haushalt, und wenn es ein Karl May ist) und schauen, wie die anderen Autoren das Problem gelöst haben. Sich dadurch etwas abzugucken ist ja nicht verwerflich :-))

Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Lastalda am 01. Januar 1970, 01:00:00
*seufz* Ich weiß, deswegen les ich ja momentan massenweise davon. Aber da ich so einen konkreten Fall noch nicht gefunden habe (worüber ich andererseits ganz froh bin; was es schon zigmal gibt, braucht man ja nicht mehr zu schreiben), hilft mir das leider nur bedingt weiter.

Lastalda
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Moni am 01. Januar 1970, 01:00:00
Ich kann dir einen Roman empfehlen, der superklasse ist: Anonymus Rex von Eric Garcia.
Ich lese es gerade und muß immer wieder aufpassen, daß ich in der Bahn nicht zu laut lache.
Es geht um einen Velociraptor, der in L.A. als Privatdetektiv arbeitet . Ach ja, die Dinosaurier sind nicht ausgestorben, sie leben in Latexkostümen mitten unter uns  ;D.
Es ist wirklich witzig und, obwohl in der Ich-Perspektive und im Präsens geschrieben, sehr gut lesbar.

LG
Moni
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Termoniaelfe am 01. Januar 1970, 01:00:00
Hallo Leute,

ich habe ein großes Problem damit, dass ich hin und wieder einen Perspektivwechsel mache, den ich gar nicht wollte und den ich vor allem, beim schreiben gar nicht merke. Es sind dann Andere, die mich hinterher darauf aufmerksam machen.
Das ist sehr ärgerlich für mich, da es sehr viel Arbeit macht, sich dann durch sein gesamtes Werk zu wühlen um diese Sache wieder auszubügeln. Ich möchte natürlich nicht, dass meine Leser unsicher werden und nicht mehr recht wissen, um welches Schicksal sie sich nun sorgen müssen.

Habt ihr eine Idee, wie ich dieses Problem von vornherein vermeiden kann?

LG
Renate
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Maja am 01. Januar 1970, 01:00:00
Ich selbst ärgere mich beim Lesen über kaum etwas mehr als über Autoren, die in der dritten Person von einer Perspektive zur anderen springen. Dabei finde ich es selbst sehr einfach, die Perspektive zu halten ...
Vielleicht liegt es daran, daß ich Rollenspielerin bin. Wenn ich perspektivisch schreibe - und das mache ich eigentlich immer - richte ich mich so sehr darauf ein, daß ich zu der Person werde, aus deren Sicht ich gerade schreibe.
Das bedeutet zunächst einmal: Nur diese Person hat die Möglichkeit, ihr Innenleben auszubreiten. Alle anderen Gedanken und Gefühle können höchsten gemutmaßt werden - also nicht "Fritz war zum Speien zumute", sondern "Fritz sah aus, als müsse er sich jeden Moment übergeben".
Zugleich bedeutet es: Die Person, in der ich drinstecke, sieht sich selbst niemals von außen, sondern nur von innen - was bedeutet: Sie sieht sich in den allermeisten Fällen (solange keine spiegelnde Oberfläche da ist) gar nicht. Mimik kann also aktiv ausgeführt werden, aber nicht wahrgenommen werden. Z.B. "Erstaunt hob Gabriele eine Augenbraue", aber nicht "Verwirrung trat in Gabrieles Gesicht".
Wichtig ist auch, daß die Erzählsprache dem Sprachgebrauch des Erlebers angepaßt wird - ein jugendlicher Dieb gebraucht sicher andere Worte als ein abgeklärter Magier oder ein weltfremder Elf. Dazu gibt es hier einen passenden Thread:
http://www.tintenzirkel.de/forum/cgi-bin/yabb/YaBB.pl?board=workshop;action=display;num=1117913841

Perspektivisches Schreiben in der dritten Person ist - von der Grammatik abgesehen - nicht viel anders, als würde man in der Ich-Perspektive schreiben. Nur, daß es deutlich einfacher ist, zwischen den Kapiteln die Perspektive zu wechseln. Ich habe mich einmal (und da war ich vierzehn) an einer Geschichte mit wechselnder Ich-Perspektive versucht und dann aufgegeben, obwohl die Idee sicher interessant war, und für eine Vierzehnjährige geradezu revolutionär.
Einen Thread zu dem Thema hatten wir schon mal hier:
http://www.tintenzirkel.de/forum/cgi-bin/yabb/YaBB.pl?board=workshop;action=display;num=1100805821

Die wenigsten Bücher in der Dritten Person sind komplett in einer einzigen Perspektive geschrieben. Ich wollte ausprobieren, ob das möglich ist, und so gibt es in der ganzen "Spinnwebstadt" auf 780 Seiten nur eine einzige Sichtweise - die des jugendlichen Anti-Helden.
Es hat zur Folge, daß der Leser die Geschichte sehr intensiv erlebt - wenn er jedoch die Hauptfigur nicht mag oder keine Beziehung aufbauen kann, wird ihn das ganze Buch kaltlassen, denn eine Alternative gibt es nicht. Es führt auch dazu, daß am Ende viele Fragen unbeantwortet bleiben: Wie im wirklichen Leben. Niemand erfährt jemals alles.
Es hat großen Spaß gemacht, das Buch so zu schreiben, aber bei den nächsten Geschichten habe ich mich doch für wechselnde Perspektiven entschieden. Es ist spannend, aber man darf es nicht zu sehr abnutzen.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Termoniaelfe am 01. Januar 1970, 01:00:00
Hallo Maja,

vielen Dank für Deine schnelle Antwort. Die Perspektivwechsel innerhalb einer Szene muss ich natürlich beseitigen.

ZitatNur diese Person hat die Möglichkeit, ihr Innenleben auszubreiten. Alle anderen Gedanken und Gefühle können höchsten gemutmaßt werden - also nicht "Fritz war zum Speien zumute", sondern "Fritz sah aus, als müsse er sich jeden Moment übergeben".

Das leuchtet mir schon ein, aber was mache ich ,wenn die Person, aus deren Sicht ich erzähle gar nicht in Fritzchens Nähe ist, ich aber seinen Zustand trotzdem beschreiben möchte? Kann ich das dann aus Fritzchens Perspektive tun?

Das nächste Problem in meiner Geschichte, sind Kathy und ihre Mutter Susan. Eine Bekannte, die das MS gerade liest, schrieb mir folgendes:

Du hast zwei Hauptfiguren; Kathy und ihre Mutter.
Das ist insofern ungewöhnlich, weil beide Figuren unterschiedliche Leserschichten ansprechen. Entweder ist es aus Verlagssicht ein Jugendbuch
(und da hat Kathys Mutter schlechte Karten) oder  es ist Erwachsenenfantasy (dann hat Kathy schlechte Karten).


Es ist in erster Linie Kathy, aus deren Sicht ich schreibe.
Aber jetzt bin ich total unsicher geworden. Soll ich mich jetzt tatsächlich von Susan trennen? Das bringe ich nicht übers Herz. Dann müsste ich ja noch einmal von vorne anfangen.

Ich bin so unsicher, dass ich mir deswegen die halbe Nacht um die Ohren geschlagen habe.

LG
Renate

Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Maja am 01. Januar 1970, 01:00:00
Zum Problem 1:

Fritzchen, in Raum A, ist übel. Karlchen, in Raum B, hat die Erzählperspektive: Woher soll Karlchen wissen, daß Fritzchen spucken muß? Nur Gott sieht alles.
Muß der Leser auch alles wissen? Wenn ja, gibt es zwei Möglichkeiten:
a) Karlchen erfährt es zu einer späteren Gelegenheit, beispielsweise, weil Fritzchen es ihm erzählt, oder weil Fritzchen sich tatsächlich übergibt und es danach in Raum A seltsam riecht, oder weil eine dritte Person sagt "Sag mal, was ist den mit dem Fritz los, richtig käsig sah der heute aus".
b) eine andere Szene, parallel zur anderen angesiedelt und durch Leerzeilen eindeutig abgesetzt, beschreibt die Ereignisse aus Fritzens Sicht (Zur Gleichen Zeit im Schloß)
Ansonsten ist die plausibelste Lösung, daß Karl und Leser es nie erfahren. Macht das Ganze ja auch spannend. Um es wie Mowsal aus der Spinnwebstadt zu sagen: "Das Leben schreibt dir keine Klassenarbeit, und nicht mal die Streber können alle Fragen beantworten".

Zum Zweiten Problem:
Wo soll nun das Problem sein? Wieso darf man nicht aus Perspektive eines Erwachsenen und eines Kindes schreiben? Natürlich können sich Kinder mit einem jugendlichen Protagonisten besser identifizieren. Aber in einem Erwachsenenbuch kann man ohne Probleme Dinge aus Kindersicht beschreiben - es ist nur eine Gradwanderung, ob man die kindliche Weltsicht hinbekommt oder nicht.
Im Elomaran-Zyklus habe ich Erzählperspektiven von zwölf bis 36 Jahren. Man muß den Unterschied rausarbeiten - aber ich wüßte nicht, welches Problem da sonst sein sollte.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Termoniaelfe am 01. Januar 1970, 01:00:00
ZitatFritzchen, in Raum A, ist übel. Karlchen, in Raum B, hat die Erzählperspektive: Woher soll Karlchen wissen, daß Fritzchen spucken muß? Nur Gott sieht alles.  
Muß der Leser auch alles wissen? Wenn ja, gibt es zwei Möglichkeiten:  
a) Karlchen erfährt es zu einer späteren Gelegenheit, beispielsweise, weil Fritzchen es ihm erzählt, oder weil Fritzchen sich tatsächlich übergibt und es danach in Raum A seltsam riecht, oder weil eine dritte Person sagt "Sag mal, was ist den mit dem Fritz los, richtig käsig sah der heute aus".
b) eine andere Szene, parallel zur anderen angesiedelt und durch Leerzeilen eindeutig abgesetzt, beschreibt die Ereignisse aus Fritzens Sicht (Zur Gleichen Zeit im Schloß)
Ansonsten ist die plausibelste Lösung, daß Karl und Leser es nie erfahren. Macht das Ganze ja auch spannend. Um es wie Mowsal aus der Spinnwebstadt zu sagen: "Das Leben schreibt dir keine Klassenarbeit, und nicht mal die Streber können alle Fragen beantworten".

Ja, dass habe ich jetzt geschnallt.


ZitatZum Zweiten Problem:
Wo soll nun das Problem sein? Wieso darf man nicht aus Perspektive eines Erwachsenen und eines Kindes schreiben? Natürlich können sich Kinder mit einem jugendlichen Protagonisten besser identifizieren. Aber in einem Erwachsenenbuch kann man ohne Probleme Dinge aus Kindersicht beschreiben - es ist nur eine Gradwanderung, ob man die kindliche Weltsicht hinbekommt oder nicht.
Im Elomaran-Zyklus habe ich Erzählperspektiven von zwölf bis 36 Jahren. Man muß den Unterschied rausarbeiten - aber ich wüßte nicht, welches Problem da sonst sein sollte.


Danke, Maja.
Du hast mir den Tag gerettet. Vielleicht sollte ich dich beim nächsten Mal gleich um Rat fragen. :)

LG
Renate
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Zealot am 01. Januar 1970, 01:00:00
Ahllo, mir ist mal wiedr ein seltsamer Einfall gekommen, zu dem ich gerne mal eure Meinunghätte....
Und zwar tauchen in meiner Geschichte nun 2 neue Pro/Antagonisten auf. Während ich so vor mich hin schrob, merkte ich, dass ich begonnen hatte den Sprachstil dieser Charas (beides Edle Persönlichkeiten), auch in meinen Erzählstil zu verwenden. Während ich wenn ich über den ersten Protagonisten (der Minenjunge, ihr erinnert euch??) ebenfalls einen für ihn typischen Umgangston in den Erzählungen verwendete...
Meine Frage:
Ist das zulässig? ich meine würde das gut ankommen/euch gefallen.
Weil, mir gefällts :D
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Schelmin am 01. Januar 1970, 01:00:00
Hi!
Hm, schwer zu sagen. Interessant klingt das schon, daher ist es sicher ein Experiment wert.
Wahrscheinlich ist ausschlaggebend, was am Ende dabei herauskommt und wie es sich anhört.
Am besten mal ein bißchen was schreiben und dann die Beispiele einstellen. Ich weiß nur nicht, ob hier dann der rechte Ort dafür ist, oder besser das Federfeuer.
Schelmin
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Arielen am 01. Januar 1970, 01:00:00
Es wird zwar selten gemacht, und sehr oft dann auch wieder von den Lektoren verwässert, aber ja, es wird benutzt und dürfte schon recht interessant klingen. Versuche es einfachmal, es dürfte den Figuren mehr Charakter geben.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Maja am 01. Januar 1970, 01:00:00
Ich mag wechselnde Erzählstile. Ich finde, sie sind das A&O beim perspektivischen Schreiben. Zur Zeit experimentiere ich in "Klagende Flamme" damit, jedem meiner vier Protagonisten einen eigenen Stil zuzuordnen.

#1, Byron Fadar, der verhinderte edle Ritter, erzählt seine Parts immer selbst auf seine unverfälscht naive Art in der ersten Person.

#2, Telya, ist Puppenspielerin und in der Gosse großgeworden, sie hat eine recht abgeklärte Sicht auf die Welt, ist aber zugleich in ihrem Glauben so tief verfestigt, daß sie damit manchmal ein wenig übers Ziel hinausschießt. Ihr Stil ist am ehesten so, wie ich auch sonst immer schreibe, mit viel Dialog

#3, Lharkan, ist eine Art Schamanin aus einem nomadischen Naturvolk mit ererbter Sonnenallergie. Ihr Stil soll mystisch werden und sehr nach innen gekehrt. Mystisch kann ich noch nicht so gut, also gibt es erst drei Seiten Lharkan

#4, Jarvis, ist der Dieb und Byrons Bruder. Er sieht die Welt ohne große Leidenschaft, wenn es nicht gerade um seine Diebeskunst geht. Ich arbeite mit einem ziemlich nüchternen Stil, arbeite mit Wortwiederholungen und Stilmerkmalen der Kurzgeschichte, auch viel Dialog, und gehe ein Wagnis ein: In Jarvis Teil (bevor die vier aufeinandertreffen, gönne ich jedem seinen eigenen ausgeprägten Hintergrund) habe ich die Kapitel in umgekehter Chronologie angeordnet. Das soll den Effekt haben, daß Jarvis immer mehr weiß als der Leser (denn er weiß, was war), und zugleich der Leser immer mehr als Jarvis (denn er weiß, was kommt). Das soll es für beide Seiten spannend machen, aber ob das irgend ein Leser verstehen wird, muß sich erst noch zeigen. Und wo nach der Zusammenführung dann Jarvis' Kapitel hinkommen, ob ich sie auch anachronologisch einstreue oder sie dahin packe, wo sie passieren, weiß ich noch nicht.

Aber weg vom Beispiel, zurück zur Frage:
Schau mal in diesen Thread: Erzählperspektive Dritte Person (http://forum.tintenzirkel.de/YaBB.pl?board=workshop;action=display;num=1126461638)
in diesen hier: Sprachgebrauch (http://www.tintenzirkel.de/forum/cgi-bin/yabb/YaBB.pl?board=workshop;action=display;num=1117913841)
und diesen hier: Ego-Perspektive (http://www.tintenzirkel.de/forum/cgi-bin/yabb/YaBB.pl?board=workshop;action=display;num=1100805821)
Und das bitte nächstes Mal, bevor du den vierten Workshop zum Thema aufmachst...
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: MarkOh am 31. Juli 2006, 11:09:18
Hallo Ihr

Weiß jetzt gar nicht, ob das hierher gehört, aber wenn nicht, dann bitte einfach verschieben.
Und zwar habe ich ein kleines Problem hinsichtlich des mehrmaligen Änderns der Perspektive.
So habe ich jetzt ein neues Buch begonnen, in welchem sich am Anfang eine alte Frau aus der Ich-Perspektive an alte Zeiten erinnert. Ähnlich wie in den alten Geschichten nach dem Motto: "Ich kann mich noch gut erinnern, als ich damals..."usw... Es gibt also eine Art Rückblende mit der das erste Kapitel auch enden wird.
Mit Beginn des zweiten Kapitels möchte ich dann aber gerne wieder in meine "Beobachterperspektive" wechseln, die wohl für den Rest des Buches so bleiben würde.
Am Ende dann, praktisch als Schlusselement würde ich dann vielleicht wieder in die Ich-Perspektuive der alten Frau wechseln.

Geht das so überhaupt? Und mal so nebenbei... Aus welchen Perspektiven schreibt Ihr meistens?

Lieben Gruß
MarkOh
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Termoniaelfe am 31. Juli 2006, 11:37:11
Hallo MarkOh,

also ich finde da jetzt nichts Verwerfliches dran. Warum sollte das nicht machbar sein. Du beginnst mit der alten Dame und endest mit ihr. Ich bin allerdings auch kein Experte auf dem Gebiet. Ich selber schreibe in meinem Termonia Roman aus zwei Perspektiven, die ständig wechseln. (aber niemals innerhalb eines Kapitels) Und ich bin nicht sicher, ob das so zulässig ist. Am Anfang schreibe ich aus Kathys Perspektive und dann aus der ihrer Mutter. Beide werden, im Lauf der Handlung von einander getrennt und ich erzähle mal davon, wie es  Kathy ergeht (also Kathys Sichtweise) und  mal davon, was ihre Mutter so alles durchmachen muss, bis sie wieder vereint sind.  Ich denke, wichtig ist bei Perspektiv- Wechseln nur, dass der Leser nicht aus dem Fluß kommt und immer weiß, wo er sich gerade befindet. Ich persönlich denke, das Perspektiv- Wechsel, wenn sie gut gemacht sind, dem Text durchaus eine  gewisse Vitalität und Vielfältigkeit geben können.

LG
Termi
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Papiervogel am 31. Juli 2006, 13:10:03
Natürlich geht das, kommt auch relativ häufig vor. Manche Autoren schreiben dann die Person, aus deren Sicht erzählt wird, in die Kapitelüberschrift, aber wenn es nur ein Rahmen ist, dürfte das gar nicht nötig sein.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Elena am 31. Juli 2006, 13:20:10
Hm, in dem Buch "Dreckskind" von Uta-Maria Heim wird da so gemacht. Ich empfand es nicht als verwirrend oder als störend, sondern war recht interessant, weil die Person nicht benannt wurde, aber natürlich in der Geschichte vorkam und man sich immer fragte: Wer ist es denn jetzt?
Leider blieb das ganze recht ungenutzt, da das Erzählte mit der Geschichte irgendwie nur wenig zusammenhing (ich hab den Schluss einfach nicht kapiert), selbst als man wusste, wer diese Person war.

Aber es ist eine nette Abwechselung - wenn man weiß, was man damit bezwecken will.

Liebe Grüße,

Elena
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Rei am 31. Juli 2006, 13:41:27
Hmm, als Prolog und Nachwort geht das sicherlich... Ich bin kein Freund von vielen Perspektivenwechseln. Eine Perspektive reicht mir als Autor und als Leser. *schulterzuck* Keine Ahnung, warum ich das Hopping nicht mag...

In "Hoffnung der Menschheit II" ist alles aus Elijahs Perspektive geschrieben, also muß er sich die Infos von den Erlebnissen der anderen zusammenfragen.  Zum Beispiel hilft seine Freundin Mao-Ling bei seiner Befreiung mit, aber er weiß nicht, wie sie das geschafft hat. Also gibt es ein Kapitel, in dem Mao-Ling einfach nur erzählt, was passiert ist, unterbrochen durch Elijahs Fragen. So habe ich das gelöst.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Lastalda am 31. Juli 2006, 15:14:57
Grundsätzlich ist gegen Perspektivwechsel nichts einzuwenden. Die gibt's ja sogar im Herrn der Ringe, oder nicht?
Ich persönlich erzähle Geschichten gerne aus zwei Perspektiven, sodas ich im Endeffekt häufig eher zwei antagonistisch agierende Protagonisten als einen Protagonisten und einen Antagonisten habe. Genau das reizt mich.

Was ich nicht haben kann, sind Perspektivsprünge innerhalb eines Absatzes, mitten im Text. Alles zu wissen, was in sämtlichen Köpfen vorgeht, nimmt einfach jeden Reiz.
Aber ich glaube, das ist ohnehin eher ein klassischer Anfängerfehler...

Für eine Rahmenhandlung, wie in Deinem Fall, ist soetwas sogar sehr beliebt. Da es jeweils um die endständigen Kapitel geht, würde ich die an Deiner Stelle als Prolog und Epilog vom Text absetzen. Aber das ist durchaus kein Muss.

Witzigerweise schreibe ich an einer Geschichte, die genau anders herum funktioniert - also die Rahmenhandlung spielt im "jetzt" und die Haupthandlung wird rückblickend erzählt. Allerdings taucht dort das "jetzt" immer wieder zwischen drin auf, um die Auswirkungen des Erzählten zu zeigen... :)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Rei am 31. Juli 2006, 18:53:57
Zitat von: Lastalda am 31. Juli 2006, 15:14:57
Was ich nicht haben kann, sind Perspektivsprünge innerhalb eines Absatzes, mitten im Text. Alles zu wissen, was in sämtlichen Köpfen vorgeht, nimmt einfach jeden Reiz.
Aber ich glaube, das ist ohnehin eher ein klassischer Anfängerfehler...
Das denke ich auch. So habe ich angefangen und jetzt bin ich bei einer Perspektive gelandet. *schulterzuck* Weiß nicht, gefällt mir persönlich einfach besser. Aber Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden.

Zitat von: Lastalda am 31. Juli 2006, 15:14:57
Für eine Rahmenhandlung, wie in Deinem Fall, ist soetwas sogar sehr beliebt. Da es jeweils um die endständigen Kapitel geht, würde ich die an Deiner Stelle als Prolog und Epilog vom Text absetzen. Aber das ist durchaus kein Muss.
Genau, dieser Meinung bin ich auch. Prolog und Epilog kommen irgendwie immer gut. Sie haben was "Mystisches" und machen eine Geschichte (hauptsächlich Fantasy-Geschichten) irgendwie runder... Schwer zu beschreiben, aber ich hoffe, Ihr wißt, was ich meine...
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Lastalda am 31. Juli 2006, 20:40:20
Ein gut gemachter Rahmen ist was Wundervolles. Es gibt leider grade in der Fantasy, die völlig unverständliche Prologe ohne echten Textbezug schreiben, um cool zu sein. Aber davon sollte man sich nciht beeindrucken lassen. Wenn man einen sinnvollen Rahmen oder etwas dergleichen hat, dann sollte man den auch verwenden. :)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Linda am 31. Juli 2006, 22:04:15
Zitat von: Lastalda am 31. Juli 2006, 20:40:20
Ein gut gemachter Rahmen ist was Wundervolles. Es gibt leider grade in der Fantasy, die völlig unverständliche Prologe ohne echten Textbezug schreiben, um cool zu sein. Aber davon sollte man sich nciht beeindrucken lassen. Wenn man einen sinnvollen Rahmen oder etwas dergleichen hat, dann sollte man den auch verwenden. :)

Jph, sehe ich genauso.
Am Anfang von "Schicksalstanz" steht ein Prolog (auch in meinen Textbeispielen zu finden) eine Legende zu den Hintergründen des Romans und der Antagonist wird eingeführt. Am Ende des Romans steht die Legende, die (später) aus den Geschehnissen des Romans entstanden ist.  Das ist für mich ein sehr schöner Rahmen, der mir deshalöb auch wichtig ist.

Gruß,

Linda
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Arielen am 13. August 2006, 20:34:47
Zitat von: Linda am 31. Juli 2006, 22:04:15
Jph, sehe ich genauso.
Am Anfang von "Schicksalstanz" steht ein Prolog (auch in meinen Textbeispielen zu finden) eine Legende zu den Hintergründen des Romans und der Antagonist wird eingeführt. Am Ende des Romans steht die Legende, die (später) aus den Geschehnissen des Romans entstanden ist.  Das ist für mich ein sehr schöner Rahmen, der mir deshalöb auch wichtig ist.


Stimmt. Und der aber auch einiges Verrät, was man jedoch erst blickt, wenn man den Roman kennt. Das kommt dann auch gut!

So was wirkt dann durch einen Perspektivenwechsel auhc nicht schlecht!
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: MarkOh am 14. August 2006, 13:06:54
In dem von mir genannten Rahmen könnte man es sich ( filmlich gesehen ) so vorstellen, dass eine alte Frau aus der Ich Perspektive am offenen Fenster über ihr vergangenes Leben philosphiert, man dann eine recht nebulöse Überleitung erfährt, und im Weiteren aus der Beobachterperspektive die Jahrzehnte zurückgedreht werden, bis die Geschichte schließlich wirklich anfängt und die alte Frau als junges Mädchen zeigt.

Macht im Film wohl so 5 Minuten, im Buch ein kurzes Einleitungskapitel...
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Kalderon am 14. August 2006, 17:08:17
Zitat von: MarkOh am 14. August 2006, 13:06:54
In dem von mir genannten Rahmen könnte man es sich ( filmlich gesehen ) so vorstellen, dass eine alte Frau aus der Ich Perspektive am offenen Fenster über ihr vergangenes Leben philosphiert, man dann eine recht nebulöse Überleitung erfährt, und im Weiteren aus der Beobachterperspektive die Jahrzehnte zurückgedreht werden, bis die Geschichte schließlich wirklich anfängt und die alte Frau als junges Mädchen zeigt.

Macht im Film wohl so 5 Minuten, im Buch ein kurzes Einleitungskapitel...

Du meinst wohl so wie in Titanic? ;)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Schelmin am 14. August 2006, 18:33:23
Im Film kommt das oft vor. In Titanic eben, oder in Edward mit den Scherenhänden. Nur da können eben dann Bilder erzählen. Wenn man schriftlich umschwenken muß, ist das nicht so einfach.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: MarkOh am 15. August 2006, 09:55:32
Ausschnitt Kalderon:
ZitatDu meinst wohl so wie in Titanic?

Stimmt, daran hatte ich jetzt gar nicht gedacht.
;)
Und ich muss ehrlich zugeben, dass ich damals schon kurz vorm hyperventilieren war. Ewig versucht, die DVD zu bekommen ( Kino hatte ich verpasst ), eingelegt... Und? Bei dem Anfang hatte ich schon befürchtet, den falschen Film ergattert zu haben.

Ich habe es in ein erstes Kurzkapitel untergebracht, so dass mit dem zweiten Kapitel die eigentliche Story losgehen kann. Denke, es ist gar nicht mal so schlecht...
;)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Coppelia am 15. August 2006, 12:29:24
Perspektivenänderung von einem zum anderen Kapitel finde ich in Ordnung. Allerdings denke ich, dass man nie beliebig die Perspektive wechseln sollte. Man sollte immer gucken, welche Personen "Perspektiventräger" sind und welche nicht, und ich würde nie alle zu Perspektiventrägern machen. Wenn die Perspektive wechselt, würde ich es auch bevorzugt mit dem Kapitelende machen, auf keinen Fall mitten im Text. Ich mag dieses "Hopping" auch nicht.

Bei einer Rahmenhandlung wäre ich aber vorsichtig, ob sie nicht langweilig ist. Besonders, wenn jemand rückblickend erzählt, nimmt das ja schon etwas vorweg. Und eine ganze Geschichte als einzige lange Rückblende? Das finde ich inzwischen nicht mehr sinnvoll (früher fand ich es mal "edel").
Dann hat mir mein Verlag die ganze Rahmenhandlung gecancelt! Ich war erst furchtbar sauer.
Inzwischen sehe ich aber die Argumentation ein, dass es langweilig ist, und werde es nur noch im Sonderfall so machen. ;)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Moni am 15. August 2006, 12:53:52
Perspektivenwechsel zwischen den Kapiteln ist auch eine schöne Möglichkeit, den Spannungsbogen einer Geschichte zu erweitern. Wenn eine Geschichte aus verschiedenen Perspektiven erzählt wird, sind  Cliffhanger am Ende eines Kapitels z.B. recht leicht zu erzielen.

Ein Buch, das ich kürzlich gelesen habe, ist in drei Teile aufgeteilt (in einem Band) und jeder Teil ist aus der Perspektive einer anderen Person. Das hebt nicht nur die Spannung, sondern macht es auch interessant zu lesen, da jede Person verschieden charakterisiert ist.
Wen es interessiert: Die Pristerin der Türme, Band 1 von Die Insel der Stürme  von Heide S. Göttner
ISBN 3-492-75004-4 , 19,90 €  Gebundene Ausgabe (gerade neu erschienen, noch kein TB in Sicht!)
übrigens ein Beispiel für einen gelungenen deutschen Fantasytitel bei Piper!
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Schelmin am 13. November 2006, 18:41:27
Hi!
Mich würde mal interessieren, was ihr zu diesem Thema zu sagen habt. Der auktoriale Erzählstil ist ja irgendwie ein bißchen verpönt, was ich nicht unbedingt immer nachvollziehen kann. Ich finde ihn gar nicht so schlimm.
Ganz klar, wenn man eine Hauptfigur hat und dicht an ihr bleibt, ist das sehr packend.
Nur kaue ich jetzt auf einer Geschichte herum, in der ich drei Freunde habe, die gleichzeitig und gleichwertig agieren. Ich kann nicht einen zum Haupthelden machen.
Wie macht ihr das denn, wenn ihr mehrere Hauptfiguren habt? Wenn ich versuche "draußen" zu bleiben und immer nur zu beschreiben, was sichtbar ist, wirkt das sehr nüchtern. Wenn ich in die Figuren hineinschlüpfe, läßt sich ein Perspektivenwechsel kaum vermeiden, auch innerhalb einer Szene nicht, weil mindestens zwei immer voll dabei sind. Oft agiert auch die Gruppe gemeinsam, und dann steht da sowas wie "sie fürchteten sich".
Wie macht ihr das denn?
Schelmin
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Kalderon am 13. November 2006, 18:45:12
Das Problem habe ich auch. Ich habe eben auch mehrere Perspektiventräger. Es ist kein Problem, solange sie alleine oder mit Nicht-Perspektiventrägern zusammen sind. Aber was soll man machen, wenn die Perspektiventräger alle zusammenkommen?
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Schelmin am 13. November 2006, 18:46:42
Bei mir sind sie eigentlich NUR zusammen. Es kann mal sein, daß einer noch schläft oder so. Aber ansonsten sind sie immer zusammen (auf einer Reise).
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Kalderon am 13. November 2006, 18:51:11
Nun ja. Du könntest kapitelweise wechseln. Oder Absatzweise. Ich denke, das erfordert viel Geschick, wie das Schneiden eines Films. Du musst immer genau wissen, wann du überblenden musst.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Maja am 13. November 2006, 21:43:09
Ganz, ganz liebe Bitte.
Bitte eröffnet nicht den hundertsten Workshopthread zum gleichen Thema. Niemand mag gern wiederkäuen, was bereits hier diskuttiert wurde:
http://forum.tintenzirkel.de/index.php?topic=405.0
http://forum.tintenzirkel.de/index.php?topic=619.0
http://forum.tintenzirkel.de/index.php?topic=981.0
Bei Unklarheit verweise ich auf die ausgezeichneten Suchfunktionen des Forums.

EDIT:
Ich habe das hier jetzt mit dem zweitgenannten Thread vereint. Soll ja auch was übersichtlich bleiben.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Linda am 15. November 2006, 12:45:25
Hi Schelmin,

dass es in Romanen oder in Kapiteln nur eine Erzählperspektive geben darf und alles andere ih bah ist, ist eine Erfindung der sog. Schreibschul-Jünger. Also der Art von Kritikern, die jeden Text auf die Handvoll Faustregeln hin abklopfen, die sie sich mal gemerkt haben und ihn quasi an den eigenen Beschränkungen messen.
Literatur ist komplexer, das Leben ist komplexer und die Gehirne der meisten Leser sind es auch.
Das bedeutet, dass es eine so strikte Trennung nicht gibt und geben muss. Wie jede Faustregel dient auch diese nur der Schadensbegrenzung, wenn etwas total aus dem Ruder läuft und unverständlich wird. Denn folgende Regel ist tatsächlich eine - es muss immer deutlich sein, wer da gerade spricht, denkt oder handelt.

An Beispielen, wo Perspektiven in Szenen und Abschnitten gewechselt werden, fallen mir gerade der "Dante Club" ein sowie die Trilogie vom Alten Königreich von Garth Nix (Sabriel, Lirael, Abhorsen). Zum Teil recht schroffe Perspektivwechsel und das innerhalb einer Szene.

Es gibt Leser, die haben Probleme damit, in den Köpfen verschiedener Figuren "herumzuspringen". Es gibt genug, die das nicht haben. Leider werden Produkte oft nach dem Kleinsten gemeinsamen Nenner hin ausgerichtet und daran sollte man einfach denken.

Was bedeutet das nun praktisch?
Wenn du bsp. auktorial/personal schreibst kannst du Perspektiven brechen und wechseln. Du musst das nur u. U. immer wieder gegen nölige Betas verteidigen und damit rechnen, dass das inzwischen auch als Mangel angesehen wird - Manche "Rezensenten" geilen sich an sowas gerne auf, wenn ihnen der Text nicht gefallen hat. (Komisch, zu dem Nix habe ich diesbezüglich nicht eine einzige negative Kritik gelesen). Nach dem Motto: was mir nicht gefällt, muss ja fehlerhaft sein.

Also, wenn du die anderen Sichtweisen brauchst, dann machst du innerhalb einer Szene gelegentliche kurze Zwischensequenzen, in denen die anderen Figuren agieren und trennst diese mit einer Leerzeile ab.

"Blabla kämpfte gerade mit dem Oger und biss sich an seinem Arsch fest. Das Ungeheuer schüttelte sich. Das schaffe ich nie, dachte Blabla verzweifelt, hatte aber keine Möglichkeit um Hilfe zu rufen. Würde sein Leben so enden?

Blubberi sah ihre Gelegenheit, endlich in den Kampf einzugreifen. Sie musste sich entscheiden.
"Für die Freiheit der niederen Täler", schrie sie und stach mit ihrem Sonnenschirm auf den Kopf des Ogers ein. Blinde Wut erfasste sie, als sie bemerkte, wie das gute Stück in die Brüche ging. Aber besser der Schirm als das Leben des geliebten Blabla.

"Ich komme!" Auch für Brabbel gab es nun kein Halten mehr. Er löste sich aus dem Bann des magischen Ogerfurzes und stürzte sich in das Handgemenge.

Endlich konnte sich Bla Bla von seinem Gegner lösen. Er spuckte Haare und Undefinierbares. "Danke Blubberi", stieß er würgend hervor...


Eine Szene, drei Blickwinkel. Aber es ist immer klar, wer was tut und warum. Wobei es bei dieser Methode hilfreich ist, wenn man einem Hauptcharakter folgt und die anderen Figuren nur gelegentlich eigens beleuchtet und ansonsten mitnimmt.

Gruß zum guten Gelingen,

Linda

Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Felsenkatze am 15. November 2006, 12:49:32
Schelmin: zu hastige Wechsel zwischen den Perspektiven würde ich zu vermeiden versuchen, weil das den Leser eher verwirrt. Wenn du magst, kann ich mir eine dieser Szenen gerne mal durchlesen, und sagen, wie es wirkt, meistens ist Arbeit am konkreten Beispiel ja geschickter. Oder ist das ohne Vorkenntnisse nicht zu verstehen?

Kapitelweise Perspektivenwechseln muss ja nicht sein, aber den absatz- oder abschnittsweisen Wechsel fände ich in diesem Fall ganz gut, um ein bisschen Konstanz in den Erzählstil zu bekommen. Du musst ja nicht unbedingt die Gedanken aller zu einer Szene darstellen, und wenn doch, kannst du das ja vielleicht in eine Art "Rückblende" verpacken.

Zum Beispiel:
Deine Figuren streiten sich. Der Streit wird aus Perspektive A geschildert.
Absatzwechsel, Perspektivenwechsel - Figur B denkt drüber nach, wie man den Streit hätte vermeiden können/ist immer noch sauer/hat ein schlechtes Gewissen.

Ich weiß nicht, ob das jetzt ein irgendwie sinnvoller Vorschlag war...  :hmmm:

@Linda: coole Ogergeschichte. Schreibst du die mal? ;)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Linda am 15. November 2006, 12:55:57
Zitat von: Felsenkatze am 15. November 2006, 12:49:32@Linda: coole Ogergeschichte. Schreibst du die mal? ;)

mit magischen Ogerfürzen?  :P

Mh, ich fürchte nicht. Aber man kann ja nie wissen :-)

Gruß,
Linda
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: caity am 15. Dezember 2006, 14:19:06
Hallo,

also ich mache das gerne. Ich finde das gehört in einem gewissen Sinne auch zu einer Multiperspektive dazu. Wenn man aus der Sicht eines Charakters erzählt, sollte man auch Ansatzsweise seine Sprache durchbringen. Es muss nicht von ihr durchdrängt und vollkommen in ihrer Sprache erzählt sein, aber es sollte in die Richtung gehen.
Ich lese gerne solche Bücher und ich schreibe fast ausschließlich mit dieser Methode.
Ein Grund, warum jeder Charakter auch ein bisschen was von mir selbst hat.

Bye
caity
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: caity am 15. Dezember 2006, 14:29:56
Hallo Schelmin,

alles kann gut sein - wenn es gut gemacht ist! Und ich bezweifle nicht, dass du das hinbekommst  ;D

Bye
caity
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Antigone am 26. Januar 2007, 09:38:41
Hallo!

Mir ist auch nach einigem Studium der einschlägigen Literatur sowie der Foren immer noch nicht klar, was genau eine Szene ist.  Ist das quasi wie im Film, wo eine Szene zwar aus mehreren Einstellungen besteht, aber sobald das Gesamtbild wechselt, eine neue Szene ist? Ist eine Szene so lange, wie etwas bestimmtes passiert, und wenn etwas neues kommt, ist es eine neue Szene?

Und dazu: es scheint ja zum guten Ton zu gehören, Perspektive maximal nach einem neuen Absatz zu wechseln (besser noch kapitelweise). Was mache ich aber, wenn ich eine Szene aus der Sicht von allen vier Hauptpersonen kommentiert haben möchte? Sprich, jeder von denen macht sich zu einer bestimmten Sache Gedanken, und die möchte ich alle beschreiben?  Im Film ginge das, da könnte man mit jeder neuen Einstellung auch die Perspektive wechseln.

War das jetzt zu wirr? Kennt sich da jemand aus?

Lg, Antigone
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Manja_Bindig am 26. Januar 2007, 11:36:24
Hm...
Szene... ich verstehe darunter einen Abschnitt, in dem eine in sich mehr oder weniger geschlossene Handlung abläuft, der Raum der gleiche bleibt(es sei denn, die PErsonen laufen - auf jeden Fall keine plötzlichen Ortswechsel)  - einfach die Ramenbedinungen die gleichen sind.
Eine Szene endet entsprechend, wenn eine oder mehrere der wichtigen Agirenden den Handlungsschauplatz verlassen, die Handlung abgebrochen wird, etc - der Rahmen wird gesprengt.

Zumindest meine Definition... leider haben die uns im Studium immer noch nicht gesagt, was eine "Szene" per Definition ist. Aber ich hab mir das aus dem Theater abgeleitet, indem ich die Szenen angeguckt und oben genannte Bedinungen zusammengesucht hab.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Tesla am 26. Januar 2007, 12:19:30
Gibts dazu eigentlich ne "feste" Definition? Ich weiß es jetzt selber auch nicht! Würde mich aber auch mal interessieren.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Manja_Bindig am 26. Januar 2007, 12:23:34
Wikipedia hilft uns da auch nciht weiter... wie gesagt, ich leite meine Definition aus Film und Theater ab.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Breanna am 26. Januar 2007, 13:22:31
Eine Szene ist für mich eine abgeschlossene Handlungseinheit, die meistens örtlich begrenzt ist. Es ist nicht das gleiche wie eine Beschreibung, in einer Szene wird etwas dargestellt, etwas gezeigt. Endet dies, hat man häufig auch das Ende der Szene.

Ich hab als eine Art Definition gefunden:
ZitatDas szenische Darstellen löst den scheinbar kontiniuierlichen Geschehensstrom in einzelne Segmente auf und überspringt den Zwischenraum, weil er entweder unwichtig ist oder weil er, um die Ungewißheit und damit die Spannung zu erhöhen, bewüßt ausgespart werden soll. Im szenischen Darstellen wird vergegenwärtigt, nicht nur beschrieben oder "behauptet". Der Autor entwirft einen Orts- und Zeitrahmen, in dem er seine Personen auftreten läßßt, die häufig  wie "in W irklichkeit" - miteinander reden.
Fritz gesing - Kreativ schreiben

Zum Perspektivwechsel:
Es wird geraten, die Perspektive nicht zu oft zu wechseln, besonders nicht innerhalb der Szene, da das für den Leser verwirrend sein kann und er Schwierigkeiten hat, sich richtig in die Personen einzudenken. Aber du bist frei das so zu machen wie du willst.
Solltest du einen Perspektivwechsel innerhalb einer Szene machen, empfiehlt sich ein Absatz, damit der WEchsel klar ist. Ich hasse nichts mehr, als dass ich nicht mitbekomme, dass der Autor zwischendrin die Perspektive wechselt und auf einmal aus der Sicht von B und nicht mehr von A erzählt.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Rei am 26. Januar 2007, 13:31:30
Zitat von: Manja am 26. Januar 2007, 11:36:24
Hm...
Szene... ich verstehe darunter einen Abschnitt, in dem eine in sich mehr oder weniger geschlossene Handlung abläuft, der Raum der gleiche bleibt(es sei denn, die PErsonen laufen - auf jeden Fall keine plötzlichen Ortswechsel)  - einfach die Ramenbedinungen die gleichen sind.
Eine Szene endet entsprechend, wenn eine oder mehrere der wichtigen Agirenden den Handlungsschauplatz verlassen, die Handlung abgebrochen wird, etc - der Rahmen wird gesprengt.
So würd ich das auch beschreiben.

Innerhalb einer Szene bleibe ich immer bei einer Person, alles andere verwirrt nur. Früher habe ich nur aus der Perspektive einer Person geschrieben, aber inzwischen bin ich der Meinung, daß der Geschichte dann einfach was fehlt, wenn man nur aus einer Sicht schreibt. Ist wie bei einer guten Diskussion: Ohne ne andere Meinung ist das nicht das Wahre...

Wie Du nun alle Vier unterbringst... Vielleicht mit einem Dialog, in dem jeder sagt, wie er sich in der Situation fühlt...? ??? So nach dem Motto: Na ja, wenn er das damals so gefühlt hat...  ;D
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: THDuana am 26. Januar 2007, 13:36:27
Für mich hat eine Szene nicht ungebdingt etwas mit der Örtlichkeit zu tun.
Ich kann das jetzt nicht so generell erklären, deshalb bediene ich mich mal einem Beispiel.

Sasha fährt mit dem Fahrrad vom Dedektivhauptquatier nach Hause und denkt gerade noch über die neuen Erkenntnisse nach, als er angefahren wird. Der Fahrer flüchtet und Sasha bleibt gestürzt, mit gebrochenen Bein zurück.

Oder

Sasha redet mit seinem Freund über die Einbrecher und ihre Vermutungen. Sie warten auf Lisa, die sich verspätet. Irgendwann hören sie auf zu reden, und warten schweigend.
Szenenende.
Szenenanfang.
Lisa kommt viel zu spät und es wird gesagt, dass Sasha und sein Freund während der drei Stunden, die sie gewartet haben, nur zwei Kakao jeweils getrunken haben.

Im zweiten Beispiel sehe ich nicht unbedingt einen Wechel des Ortes, oder das Abgehen von Agirenden. Oder täusche ich mich da?
Wäre das eine Szene?


Und zum Perspektivenwechsel:
Ich meine das von zB TKKG zu kennen.
Da springt das einfach. Zuerst erzählt der Autor aus der Sicht von Tim, und als dieser beginnt mit einem ein Radrennen zu fahren, wird aus Gabis Sicht weiter erzählt.
Jedoch ist da dann immer ein Absatz gemacht.

Ich stelle mir das schwierig vor, dem Wechseln dann noch zu folgen, aber ausprobieren kannst du es ja. Das Schlimmste was passieren kann, ist Unverständlichkeit und dann musst du umschreiben.



THDuana
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: caity am 26. Januar 2007, 13:40:30
Hallo,

also für mich gibt es 3 Möglichkeiten von Szenenwechseln:

1. Perspektivenwechsel (das sollte man NIEMALS innerhalb einer Szene machen)
2. Ortwechsel
3. Zeitsprung

Ich an deiner Stelle würde mir noch einmal sehr genau überlegen, ob du die "Gedanken" aller 4 in dieser einen Szene brauchst. Eventuell kannst du aus der Sicht einer Person, die sich darüber Gedanken macht, auch die Gedanken der anderen dastellen, stößt etwas beispielsweise auf Ablehnung, kann das durch Gesten gezeigt und von der jeweiligen Person, aus deren Sicht du schreibst, so interpretiert werden. Erklärungen zu dieser Ablehnung könnten schon früher einfließen.
Beispiel:
X hasst Katzen. Das weißt du schon früh.
Y schlägt vor, sich doch eine Katze zu holen.
X ist da vollkommen dagegen. Grund kennt man schon.
Z macht sich seine Gedanken über das Verhalten der beiden und über G der unbeteiligt daneben steht.
o.ä.
Das ist zwar schwieriger, aber imho "professioneller"

Bye
caity
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Isabel am 26. Januar 2007, 14:39:16
Zitat von: caity am 26. Januar 2007, 13:40:30
1. Perspektivenwechsel (das sollte man NIEMALS innerhalb einer Szene machen)

Hm, also das würde ich nicht unbedingt zum Gesetz erheben. Ich kenne durchaus Romane, in denen der Autor fröhlich innerhalb einer Szene die Perspektiven wechselt - z.B. Neil Gaimans Niemalsland, William Nicholsons Windsänger-Trilogie oder auch Wolfram Fleischhauers Die Frau mit den Regenhänden.

Der Trick dabei ist, es so zu machen, dass der Leser weiterhin der Geschichte folgen kann. Der Leser sollte immer nachvollziehen können, in wessen Kopf er gerade schaut. Sofern es nicht ausartet und man als Autor nach jedem Absatz völlig willkürlich die Perspektive wechselt (und der Leser die Orientierung verliert und ebenso die Lust am Lesen), finde ich eine solche Erzählweise in Ordnung.

Ansonsten schließe ich mich caitys Vorschlag an: Man kann stattdessen nur in den Kopf einer einzigen Figur schauen und die Reaktionen der anderen durch Mimik, Gestik und Dialog darstellen. Ich denke, diese Variante ist sogar einfacher in den Griff zu bekommen, da man bei der anderen evtl. doch dazu neigt, mit den verschiedenen Perspektiven durcheinander zu kommen. Aber da muss jeder selbst ausprobieren, was ihm eher liegt.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: caity am 26. Januar 2007, 14:50:45
Hallo Isabel,

Solche Romane habe ich in der Tat noch nicht gelesen.
Vielleicht nehme ich mir mal einen der von dir genannten vor um mir selbst ein Bild dieser Methode zumachen.
Allgemein halte ich es nämlich wirklich für ausgeschlossen oder zumindest für grässlich.
Ich habe das bisher nur in "zu korrigierenden" Ausschnitten gelesen und ich fand's grausig. ^^"

Bye
caity
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: unbekannter_Auotr am 14. Februar 2007, 17:54:11
Hallo alle zusammen!
Dann gleich mal ohne Umschweife zu meinen Fragen:

1) Ist es in Ordnung wenn ich aus den Sichtfeldern von 7 unterschiedlichen Personen schreibe oder ist das
    zuviel (ich widerhole keine Szene)?
2) Kann man die Gedanken mehrerer Personen in einem Abschnitt aufschreiben oder sollte man den Stil (von
     Anfang an nur aus der Sicht EINER Person) beiberhalten?
3) Ich möchte gerne ein schwarzen Magier in meinen Roman aufnehmen. Nur soll der Leser nicht gleich
    wissen, dass es sich um solch einen handelt. Habt ihr Tipps, wie man ihn zugleich mächtig und doch wieder
    nicht (hört sich verwirrend an, ich weiß) erscheinen lässt, ohne das der Leser was merkt oder der Respekt des
     Magiers "verfliegt"?
4) Meistens hab ich das Geschehen perfekt "vor Augen", nur kann ich es einfach nicht in Worte kleiden (liegt nicht
      am mangeldem Wortschatz). Ich fühle fühle z.B. (als eine Person meines Romanes) eine gewaltige Kraft, aber
     mit so einer unglaublichen Insentität, dass ich es einfach nicht mit Worten ausdrücken kann. Kann mir jemand
    helfen?
5) Für "meine Welt" benötige ich Namen von Ortschaften, Gebieten, Charakteren, etc. Woher nehmt ihr eure Ideen?


Danke schon einmal im Vorraus für die Antworten und eure Mühe!
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Manja_Bindig am 14. Februar 2007, 20:32:29
Hallo da!

1) Das  ist legitim. Du kannst gerne auch aus der sicht von hundert Leuten schreiben, wenn du es schaffst, den Leser NICHT zu verwirren. Was schwieriger Wird, je mehr Charaktere es sind. Aber wenn du es schaffst, deutlich zu machen, wer wann welchen PArt hat - warum nciht? Ich meine, Frau Anne rice macht es sich da einfach: sie schreibt über das entsprechende Kapitel wer dran ist. So gehts auch(ist allerdings die plumeste Art, die es gibt.

2) Ist die eine PErson Telepath? Wenn nicht, besser lassen. Aus einer Sicht, das ist personaler Erzähler - aber der hat keinen Einblick in die Köpfe anderer. Es sei denn, er ist Telepath.

3) Umgib ihm mit autoritärer aura. Zeig, dass man vor ihm Respekt hat - lass ihn vielleicht etwas fürstlich, herrschaftlich rüberkommen. Macht ist nciht gleich Macht. Du hast Macht, etwas zu tun und du hast Macht, dass andere auf dich hören, weil sie dich als Führung anerkennen. Lass ihn erst als Führung auftreten. Oder eben als jemand, vor dem man Angst haben sollte - undurchsichtiges Gehabe. :)

4) das Problem haben wir alle des Öfteren. :) Was man aufgrund eines "Zu Viels" nciht beschreiben kann, sollte man vielleicht nur skizzieren und Raum lassen.

5) Die Namen sind bei mir einfach da. Ich hab eine grobe Vorstellung, wie was heißen soll. Ansonsten - Atlanten, Wörterbücher, alles, wo es lustige wörter gibt. Oder Generatoren. Siehe auch Thread "Namensfindung - wie macht ihr das?"

PS: Schau in Zukunft bitte, ob es Threads mit ähnlichen Themen wie deinen schon gibt und stell deine Fragen dort. Das hält das forum etwas übersichtlicher. :)

Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Rumpelstilzchen am 15. Februar 2007, 10:41:12
Muss mich Manja soweit anschließen, nur finde ich, dass man die Gedanken mehrere Personen in einem Abschnitt durchaus beschreiben kann, solange es passt und gut gemacht ist, sonst endets in einem kompletten Durcheinander und das stelle ich mir sehr schwierig vor.
Probierts doch einfach mal an einer Szene aus und lass sie von jemandem beurteilen.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Artemis am 04. April 2007, 12:23:38
Hallo!

Wollte mal wieder ne neue Diskussion anzetteln  ::)

Also, hab mir gestern mal in einer schrecklichen Attacke der hochgradigen Langeweile ein Buch aus meinem Regal gefischt und mich ins Schmökern gestürzt. War das Buch "Die Wanderhure" von Iny Lorenz.
Tja, auf jeden Fall habe ich nach gut zehn Seiten einen dermaßen bösen Nervenzusammenbruch bekommen, dass ich das Buch quer durchs Zimmer geschmissen hab.

Warum?

Weil die ehrenwerte Frau Autorin irgendwie keinerlei Ahnung hat, dass es so was wie "Leitfäden" für Schriftsteller gibt. Was würdet ihr von einer kurzen Szene halten, in der knapp 5 Personen vorkommen und vielleicht einen Zeitraum von knapp 10 Minuten ausfüllt - und dabei wird alle paar Sätze die Perspektive gewechselt! Zuerst hört man, was Magd A denkt, dann kommt die Magd B dann, irgendwann darf auch mal die Protagonistin was denken, und dann kommt noch irgend so ein alter Freund hinzu, der natürlich auch was zu denken hat.

Ich meine... öh... hä?  :gähn:
Wie kann man so was denn machen? Heißt es nicht, dass es ein absolutes No-Go ist, in einer Szene die Perspektive zu ändern? Oder hab ich da was nicht mitgekriegt?  :hmhm?: Es lautet doch immer unter Autoren: Eine Szene - ein Protagonist. Ferdisch. Man soll sich eine Figur aussuchen, die in der Szene besonders wichtig ist, und aus deren Blickwinkel alles betrachten und beschreiben.

Ich persönlich finde so wildes Gehopse von einer Person zur nächsten brutalst irritierend. Ok, in manchen Szenen gehts einfach nicht anders, aber solange man sich da auf zwei Charaktere beschränkt, fällt das weniger auf. Aber dermaßen durch die Köpfe der Figuren zu huschen, ist doch nur verwirrend für den Leser! Da ist man dauernd am Grübeln, in welchem Kopf man denn jetzt grade steckt...  :hmmm: Außerdem wird einem da ja nie klar, WER denn nun der Hauptcharakter ist. Und außerdem: Wer interessiert sich schon so genau für die Gedankenwelt der unwichtigen Nebendarsteller?

Ich dache ja immer, dass hinter so berühmten und großen Roman gute Lektoren sitzen, aber hier scheint jemand gewaltig gepennt zu haben...  :nöö:

Wie handhabt ihr so was in euren Romanen? Und wir denkt ihr über Texte, in denen es solche böse Patzer gibt? Würd mich mal interessieren  ;D


Liebe Grüße

Artemis
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Tasman am 04. April 2007, 12:38:24
Mach etwas einmal und mann nennt es Fehler, mach es immer und man nennt es Stil.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Geli am 04. April 2007, 12:47:48
zunächst: was Du für Herumgehopse erklärst, nennt sich auktoriale Perspektive.
Der Autor ist  Gott, somit allwissend, sieht in die Köpfe alle Akteure und kann
somit dem geneigten Publikum haarklein mitteilen, was Person A, B, C und D
sich denken.

Kannst auch Märchenstil dazu sagen,
... ist heutzutage aus der Mode gekommen. War aber noch Mitte 20. Jg.
durchaus roman-gängig.

Zweitens: ich warne allerdringstens davor, sich auf sogenannte No-go's zu versteifen.
Dass man heute! Romane am liebsten so liest, wie man sie auch in einem Film sehen
könnte, liegt in der Tat an der Veränderung der Lesegewohnheiten von Romanlesern.
Wir sind so TV-gefüttert, dass wir es einfach gewöhnt sind, eine Perspektive vorgesetzt
zu bekommen.

Dass kann man machen, man MUSS aber nicht!

Unabhängig davon gilt der Satz: Lektoren sind nur so gut wie die Autoren, die sie
lektorieren.

Und: nicht der Inhalt diktiert den Marktwert, sondern der Käufer.

Schau Dir Bestseller-Autoren an: Stephen King bereitet den Leser gerne am Ende eines
Kapitels auf die Schrecken vor, die im nächsten geschehen werden.
Eigentlich ein No-go. Cliffhanger adé.

Anne Rice arbeitet über ganze Buchteile mit mit ausufernden Rückblenden
ein weiteres No-go, das Dir und mir noch der schlechteste Lektor um die Ohren hauen würde.

Nur: diese beiden Herrschaften verkaufen sich wie Brot.

Traust Du Dich dann als Lektor im Ernst, ihnen zu widersprechen - und damit
den Käufern, die Dein Gehalt letztlich zahlen? Spätestens der Verlagsleiter
belehrt Dich eines Besseren.

Wir, die wir (noch) nicht in der glücklichen Lage sind, dass sich die Leute auf
der Straße nach uns umdrehen und sich zuwispern: da geht der berühmte
Schrifststeller XY, wir sollten uns natürlich wenigstens für den Anfang an
die Regeln halten.

Und sie dann beim Schreiben ganz schnell wieder vergessen.
Eine verkrampft bemüht auf eine Perspektive geschriebene Szene, ein
Kapitel sind noch mehr ein No-go.

Will sagen: wenn es nicht funktioniert, dann eben nicht.
Geht es aber locker - warum den Stress und mehr als eine Person mit Innensicht?



Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: THDuana am 04. April 2007, 12:48:43
Hallo Artemis,

Ich kenne das Buch nicht, also bleibe ich mal generell.
Ich schreibe momentan in dem Roman, an dem ich arbeite, nur aus einer Perspektive, muss jetzt aber umstrukturieren.
Tendenziell mache ich es so, dass wenn es zwei oder mehr Perspektiven gibt, ich die an zwei verschiedene Orte setze, denn das gleiche Geschehen aus zwei Sichten liegt mir nicht. Andererseits mache ich das manchmal, wenn nach einer besonders entscheidenden Handlung der Protagonist zB in den Wald geht, um nach zu denken und sein bester Freund im Lager bleibt, dann schreibe ich auch mal aus zwei Perspektiven.

Zitat von: Tasman am 04. April 2007, 12:38:24
Mach etwas einmal und mann nennt es Fehler, mach es immer und man nennt es Stil.
Ganz so würde ich das jetzt aber auch nicht sagen.
Es gibt viele Dinge, die zum Stil gehören, aber wenn man mit seinem Stil bei den meisten (zahlenden) Lesern daneben liegt, ist das auch nicht gerade das Gelbe vom Ei.
Und zu den Lektoren... ich habe manchmal auch das Gefühl, dass sie da nicht gerade gründlich waren (im 5. HP zum Beispiel ist mitten im Wort eine 8 - ich finde, so etwas sollte nicht in ein gedrucktes Buch).

Der Wechsel der Autorin wäre vielleicht in sofern berechtigt, wenn die Gedanken der ,,nicht so wichtigen" Nebenpersonen eine entscheidende Rolle spielen, dem Leser einen Vorteil geben oder mehr zur Handlung verraten. Wie gesagt, ich kenne das Buch nicht, weiß also nicht, wie anstrengend das zu lesen ist und ob es etwas bringt.

*das Buch wieder einsammel und ins Regal stell* Aber ich finde, kein gedrucktes Werk hat es verdient, durch den Raum zu fliegen, weil der Leser wütend ist. ;)


Duana
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Pandorah am 04. April 2007, 13:24:35
Ich finde nicht, dass ein Buch oder sein Autor generell Tod und Verderben verdient, nur weil Perspektiven gewechselt werden.

Ich schreibe vielfältig in dieser Hinsicht - mal ganze Romane aus einer Perspektive, mal Geschichten, in denen in jedem Kapitel oder jeder zweiten Szene die Perspektive gewechselt wird, aber auch genauso Geschichten (besonders im Teamwork mit anderen Autoren) in denen grundsätzlich in die Köpfe der Hauptcharaktere gespickt wird [allerdings weniger in die aller Nebencharaktere, das würde vermutlich ausarten].

Es liegt am Geschmack des Lesenden und natürlich auch klar des Schreibenden - und vermutlich auch am Geschick des Autors, wie er das verbindet. Meine Lektorin hat die große Keule durchaus schon eingesetzt, weil ich mich verhudelt habe. Dann heißt es umschreiben.

Es liegt aber auch in der Erwartung eines Lesers. In meinem Hauptgenre passiert das oft, dass aus mehreren Perspektiven geschrieben wird, so dass sich der Leser von vorneherein darauf einstellt und es in gewisser Hinsicht oft auch erwartet.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Artemis am 04. April 2007, 13:26:01
Ok, in den Punkten muss ich euch wohl Recht geben. Jeder Autor hat seinen Stil. Zum Glück ist das Buch eine der wenigen Ebenen unserer Gesellschaft, in der es noch keine strengen Regeln gibt. Wenn man als Schriftsteller da noch an die Kandare genommen wird, hat man wohl irgendwann keinen Bock mehr.

Dann wundere ich mich aber darüber, dass es so viele Experten gibt, die behaupten, dass man etwas so und so schreiben sollte - und der Kollege macht es dann genau umgekehrt! Als Anfänger ist man ja immer etwas verwirrt und weiß nicht, in welchem Bereich man sich bewegen darf. Sind es Verstöße, oder bildet man da gerade seinen eigenen Stil? Darf man sich an großen Autoren ein Beispiel nehmen, oder sind deren Eigenarten zu hoch für einen selbst? Was mag der Leser, was nicht? Wie reagieren die Kritiker?

Da ist es vollkommen klar, dass man irgendwann an seinem eigenen Schreibstil Zweifel bekommt. Man sucht nach einem "roten Faden", findet im Internet gut gemeinte Tipps, will sie anwenden - und entdeckt mit Schrecken, dass so viele Kollegen die vollkommen unwichtig finden! Wenn man dann diese sogenannten "Verstöße" (es sind keine direkten Verstöße, ich weiß, aber jeder Autor bildet ja sein eigenes Regelwerk im Kopf, nach dem er fährt) selbst anwendet und es anderen zum Lesen gibt, heulen die plötzlich rum und sagen, es gefällt ihnen nicht.

Klar, jeder darf so schreiben wie er will, dem einen gefällts, dem anderen nicht. Das ist gut so, und das tastet keiner an - ich auch nicht.  ::) Aber wenn ich Bücher lese und mir den Schreibstil anderer Autoren betrachte, um ihn insgeheim mit meinem zu vergleichen, stolpere ich halt öfter über Eigenarten, die mir persönlich dann nicht so gefallen. In dem Fall wars halt der Perspektivenwechsel. Mich irritiert so etwas, andere mit Sicherheit auch, also vermeide ich es möglichst in meinen Büchern. Das ist jetzt kein Angriff auf den Stil des Schriftstellers, sondern meine persönliche Meinung  :innocent:
Und solang es verschiedene Meinungen gibt, wird wohl jeder Autor einen Leser finden, der dessen Bücher toll findet  ;D


Liebe Grüße

Artemis
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Maja am 04. April 2007, 13:40:14
Ich weiß nicht, was dies im Sprachbastelboard zu tun hätte - es geht ja nicht um einzelne Forumulierungen oder Satzbau, sondern um das Thema Perspektive.
Zum dem schon hundert Themen eröffnet wurden, die ich *alle* im Bereich Workshop sammle und bündle. Wirklich, es gibt keinen Grund, das Thema immer wieder neu anzufangen!
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Manja_Bindig am 05. April 2007, 16:29:10
Tja... ich mag Iny Lorenz nicht SO sonderlich(die Romane sind mir alle irgendwie... zu ähnlich?)

Allerdings neige ich ebenfalls dazu, in einer Szene Blicke in mehrere Köpfe zu werfen. Warum auch nicht? Das wichtige bei der Geschichte ist dann aber, dass es nicht so verwirrend ist, dass man die Geschichte verzweifelt beiseite legt.
Das war auch mein Problem, was mich dazu veranlasst hat, die "Wanderhure" nach 30 Seiten aufzugeben und ad acta zu legen.
Es war zu durcheinander und du wusstest erst nach einer halben Ewigkeit, wer jetzt was gedacht hat. DAS sollte man vermeiden. Aber mehrere Gedanken in einer Szene finde ich durchaus legitim.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Papiervogel am 05. April 2007, 16:44:33
Jau, da gebe ich Manja Recht, die Bücher sind zu ähnlich!
Zuerst fand ich das Konzept ja ganz spannend, aber wenn sich die vierte Frau hintereinander als Mann verkleidet, fühlt man sich doch etwas ver...äppelt.
(Das tut die Wanderhure ja immerhin nicht, wäre wahrscheinlich auch eher geschäftsschädigend! :D )
Der Kritik in Bezug auf die Perspektiven kann ich mich allerdings nicht anschließen. Da liest man sich ein.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Grey am 10. April 2007, 11:07:17
Also... ich mag es auch nicht sonderlich, wenn in einer szene die perspektive gewechselt wird. entweder, man schreibt aus der sicht eines charakters und bleibt für den verlauf der szene auch dabei. oder man schreibt eben aus der sicht des allwissenden autors - das sollte dann aber auch deutlich werden.

was ich aber mag und auch selbst immer wieder parktiziere, ist das spielen mit sichtweisen, also aus verschiedenen perspektiven zu erzählen. also den leser in jeden kopf quasi mal reingucken zu lassen. damit kann man den leser auch ganz fantastisch in die irre führen und - meiner ansicht nach - ist es auch interessanter, als wenn man die ganze zeit nur bei dem gleichen charakter bleibt. aber, perspektivenwechsel eben nur zwischen den szenen, nicht mittendrin! vor allem nicht für wenige sätze!
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Immortal am 10. April 2007, 11:20:07
Ich mag Bücher in denen mehrere Perspektiven beschrieben werden auch viel mehr und schreibe selbst auch nur welche in denen auch einmal die Perspektive gewechselt wird. Zwar nicht innerhalb einer Szene, denn das ist schon irgendwie komisch, aber so auf den ganzen Roman verteilt. Und am Ende laufen alle Stricke zusammen.

Markus Heitz' Ulldart Reihe finde ich gerade wegen den wechselnden Perspektiven so klasse. So erlebt man den ganzen Kontinent einmal und bleibt nicht in einem Land hängen.

Aber bitte nicht in einer Szene  :hand: Ich hab das schon einmal irgendwo in einem Buch gelesen. Ich glaube das war als ich mal in die Wanderhure reingespickt habe. Aber ansonsten hat mir das Buch ehrlich gesagt für den ersten Blick gut gefallen :)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Steffi am 10. April 2007, 11:38:54
Ich versuche gerade, mir einen strengen, personalen Erzählstil anzueignen. Am liebsten wirklich nur von einer einzigen Figur aus, wenn es möglich ist. Sobald der Schauplatz wechselt geht das natürlich nicht, aber auch dann versuche ich mich auf eine Person festzulegen. Finde ich irgendwie spannender, auch zum Schreiben :)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Lisande am 10. April 2007, 11:55:18
Zitat von: Steffi am 10. April 2007, 11:38:54
Ich versuche gerade, mir einen strengen, personalen Erzählstil anzueignen. Am liebsten wirklich nur von einer einzigen Figur aus, wenn es möglich ist. Sobald der Schauplatz wechselt geht das natürlich nicht, aber auch dann versuche ich mich auf eine Person festzulegen. Finde ich irgendwie spannender, auch zum Schreiben :)

Aber wenn man die Perspektive zwischen den einzelnen Personen wechselt, kann man wunderschön darlegen, dass das Missverständnisse bestehen, die durch ziemlich einfaches Reden ausgemerzt werden könnten - wenn die Charas denn mal reden würden.
Auch das kann sehr spannend sein (oder sehr nervtötend, kommt immer drauf an, wie man es schreibt).
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Darkstar am 11. April 2007, 20:22:26
Es kommt ganz auf die Länge der Szenen an, ob ich solch häufige Perspektiven-Wechsel als angenehm wahrnehme, oder nicht. (Aber bin jetzt neugierig, und werde mal in der Buchhandlung in das Buch reinlesen).
Gerade in der Anfangsszene eines Romans kann ich es sogar verstehen, wenn man auf ein paar kurzen Seiten im Prolog verschiedene Sichtweisen anspricht - dass das zwangsläufig mit Perspektivenwechsel zusammenhängen muss, ist natürlich nicht der Fall.

Generell mag ich auch eher den eindimensional ausgerichteten Stil (was die Sichtweise angeht!). Das zieht einen oft tiefer ins Geschehen. Gerade, wenn es noch eine gute Ich-Perspektive is, um das zu toppen.

Natürlich hat auch George Martin gezeigt, dass es anders geht: Multi-POVs (Point of Views) und jetzt folgen zahlreiche Fantasy-Autoren nach diesem Schema, dass doch sehr einer TV-Serie ähnelt - und deswegen nicht weniger faszinierend ist. :-)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Antigone am 12. April 2007, 09:49:52
Ich gestehe, auch ich kiefle ziemlich angestrengt an dem Perspektivenproblem herum, seitdem ich meinen ersten Schreibratgeber gelesen habe. Davor bin ich auch munter von einer Person zur nächsten gehüpft.

Allerdings kann ich die Meinung, häufiger Perspektivenwechsel würde den Leser verwirren, nicht nachvollziehen. Die Wechsel sind mir grad bei Fr. Lorentz auch extrem aufgefallen, aber ich wusste immer, welche Person grad gemeint ist, und verwirrt hat mich das gar nicht. Ich find es eher nett, die Gedankengänge meherer Leute kennenzulernen.

Außerdem fand ich´s eher tröstlich, dass auch etablierte Schriftsteller diesen Schreibregeln zuwiderhandeln - das gibt doch Hoffnung für alle, die sich auch nicht so dran halten?

Lg, A.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Niniel am 01. Mai 2007, 15:58:12
Ich persönlich schreibe immer in der Erzählperspektive, aber aus der Sicht einer der Figuren. Soll heißen, ich weiß über eine genau Bescheid und diese stellt dann auch Vermutungen über die anderen an.
Damit ist es am spannendsten, denke ich.
Aber ich wechsle die PErspektive immer. Ich mache einen Absatz und lasse eine Zeile frei und wechsle meistens auch die Ortschaft oder die Zeit. Also ich wechsle nie innerhalb einer Situation einfach so.

Meiner Meinung nach macht es das sehr spannend, weil man dann nicht immer sofort weiß, wie es weiter geht und so auch verschiedene Handlungen, die zur gleichen Zeit spielen, unterbringt.

Was haltet ihr davon und wie schreibt ihr am liebsten?
Ich-Erzähler?
"Gott"? (Also der alles sieht und weiß und auch erzählt)
Oder so wie ich ?
Oder kennt ihr noch andere Perspektiven?
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: caity am 01. Mai 2007, 16:45:42
Hallo Niniel,

das nennt sich personale Erzählhaltung, was du beschreibst.
Dein "Gott" heißt auktorialer Erzähler.
Ich persönlich bevorzuge den personalen Erzähler, wie du. Wenn es mehrer gibt eben mit Multiperspektive, das kommt ganz darauf an, ob ich eine Kurzgeschichte oder einen Roman schreibe (bei letzterem benutze ich gerne mehrere Perspektiven, bei ersterem lieber nur eine, der Übersicht zu liebe). Die Ich-Perspektive benutze ich auch manchmal, aber eher seltener. Auktorial habe ich bislang nicht erzählert. Ehrlich gesagt traue ich mir das auch noch nicht zu, aber irgendwann werde ich es mal versuchen ^^"

Bye
caity
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Niniel am 01. Mai 2007, 17:13:00
*hastig wink*  :psssst:
Ich weiß doch wie das heißt, aber ich benutze doch so gerne selbsterfundene Wörter ^.^'
Der Deutschunterricht ist zwar langweilig, aber hin und wieder lernt man auch hier was ;D

Naja, ich finde auktorial 'Gott gefällt mir immer noch besser' irgendwie ein bisschen langweilig, weil man das meistens konsequent durchziehen muss, damit es wirkt. aber dann kann man zwar dinge vorwegnehmen, aber das gefällt mir nun nicht besonders.

Ich brauchte personale Erzählhaltung (alles auf einmal und gleichzeitig, so wie bei mir immer), weil ich dann selbst nicht das Interesse verliere. Wenn mir da nichts einfällt, geht eben zur anderen Handlungsperspektive oder zum anderen Handlungsort. Deshalb habe ich auch nie nur einen Protagonisten (Es gibt keine Hauptprotagonisten *sing*), sondern meist eine Gruppe, oder zumindest zwei oder drei unabhängig voneinander. Außerdem finde ich die Erzählweise aus der Sicht des Bösern auch sehr interessant. aber man kann ja nicht ein ganzes Buch aus seiner Sicht erzählen. Also man kann doch, aber ich würde/will es (noch) nicht machen.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Warlock am 01. Mai 2007, 20:38:19
Ich finde die (personale?) ER Erzählung am besten, sodass sich der Leser mit der Sichtweise einer Person (mit Wechsel) zufrieden geben muss.

Ich denke mal, dass die meisten Romane so geschrieben sind, aber wie gesagt, dass ist lediglich meine Meinung.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Ary am 01. Mai 2007, 22:14:07
Ich schwanke im MOment zwischen personal und auktorial. So sehr, dass mein Roman beim Überarbeiten wahrscheilich komplett neu geschrieben wird. *Args*
Diese beiden Erzählformen mag ich persönlich am liebsten. Die Ich-Perspektive mochte ich früher mal sehr gern, inzwischen finde ich sie allerdings eher nervig, sowohl beim Lesen als auch beim Schreiben.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Niniel am 01. Mai 2007, 22:22:58
Ja, die Ich-Perspektive finde ich auch nicht gut. Da man hier davon ausgehen muss, dass die PErson auch wirklich erzählt, oder denkt. Und dann muss man auch einbeziehen, dass sie zu sich selbst nicht ehrlich ist und das geht auf Dauer auf die Nerven, finde ich.
Ich spiele gerne mit dem PErspektiven, sodass es interessanter wird. Das verlangt einem Teil der Geschichte, der zum Beispiel von einer Schlacht handelt, viel ab. Da man ja normalerweise keine Lust hat, 20 Seiten schlacht zu lesen, andererseits aber das große Finale nicht einfach zusammenfassen kann.
Wir dübersichtlicher und spannder und man bekommt als Leser wesentlich mehr von der Welt und den Leuten mit. Und es kann auch mal ein Guter sterben.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Lisande am 01. Mai 2007, 22:24:38
Zitat von: Aryana am 01. Mai 2007, 22:14:07
Ich schwanke im MOment zwischen personal und auktorial. So sehr, dass mein Roman beim Überarbeiten wahrscheilich komplett neu geschrieben wird. *Args*

Ist mir noch nicht aufgefallen, aber ich werde bei der Schlussbeta ganz gewaltig drauf achten! :)

[/quote]Diese beiden Erzählformen mag ich persönlich am liebsten. Die Ich-Perspektive mochte ich früher mal sehr gern, inzwischen finde ich sie allerdings eher nervig, sowohl beim Lesen als auch beim Schreiben.
[/quote]

Ja, geht mir ähnlich. Ein Ich-Erzähler wird zuschnell zum narzistischen Superhelden (oder zum Anti-Helden, der sein Licht scheinbar ganz bewusst unter den Scheffel stellt, um bescheiden zu wirken). Nur sehr wenige Autoren kriegen es hin, die Ich-Erzählung nicht übertrieben wirken zu lassen.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Manja_Bindig am 02. Mai 2007, 21:21:11
Liebe Niniel,

schau bitte erst nach, ob ein soches Thema nciht schon in ähnlicher Form existiert. Wir haben hier recht oft Threads zur Perspektive, wenn du also dazu was sagen oder fragen willst, tu das dort, ja? :)  :wache!:
Danke.

(Und ich verschieb mal in den Workshop)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Moni am 03. Mai 2007, 12:58:51
Ich habe jetzt alle Threads, die sich mit Perspektive beschäftigen hier zusammen gefasst. Leider hab ich gepennt, und alle alten Threadtitel ersetzt. Sorry, jetzt müßt ihr etwas blättern, wenn ihr ein bestimmtes Posting sucht...
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Anathor am 05. Mai 2007, 23:21:03
also ich schreib mein bisher einziges Werk in der ich- perspektive. Ich hab eine Art Tagebuch- Form gewählt, der Held hat bei mir einen bestimmten Grund eins zu verfassen.
Ich komm überhaupt nicht mit der 3. Person klar. Ich habs versucht bin aber gescheitert. Mit der 1. Person läufts aber ganz gut.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: THDuana am 05. Mai 2007, 23:23:50
Hallo Anathor,

ich persönlich lese die Ich-Perspektive ungern, aber gu hast Recht, man kann den Leser unter Umständen besser ins Geschehen einführen.
Dennoch empfinde ich es als ein wenig seltsam, wenn ich lese:
Ich nahm sie am Arm und zerrte sie durch die Gasse.
Das klingt für mich nicht sehr natürlich, lieber:
Er nahm sie am Arm und zerrte sie durch die Gasse.

Klar, der Leser ist vielleicht etwas näher dran, aber das ist eben Geschmackssache.


Duana
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: maggi am 30. Dezember 2008, 19:53:51
Hallo ihr Lieben,

ich hab da mal eine Frage an euch. Wie macht ihr das eigentlich mit den Perspektive? Bis jetzt habe ich immer fest an einer Person festgehalten, durch dessen Augen die Geschichte erzählt wurde, aber in letzer Zeit denke ich immer häufiger darüber nach, welche tollen Story-Optionen ich hätte, wenn ich die Perspektive regelmäßig wechseln würde. In TV-Serien hatt man ja oft viele verschiedene Charaktäre mit verschiedenen Storylines und das funktioniert. Könnte das bei einem Buch auch funktionieren? Oder ist das zu verwirrend? Braucht der Leser einen festen Protagonisten, um sich zu identifizieren? Braucht er eine lineare Story-Line um bei der Stange zu bleiben?
Was habt ihr da für Erfahrungen gemacht?

(Momentan arbeite ich an einem Projekt, dass so ähnlich aufgebaut ist, wie Harry Potter. Heißt: Contemporary Fantasy mit Jugendlichen und Geschichten die hauptäschlich in einer Schule spielen. Ich würde aber auch ganz gerne die Geschichten meiner älteren Protagonisten mit einfließne lassen. Eventuell eine Spion-Geschichte als B-Plot und eine Politik-Geschichte als C-Plot)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Aarous am 30. Dezember 2008, 20:16:18
Zwei oder mehr Handlungstränge funktionieren auch im Buch, wenn sie gut umgesetzt werden kann das sicher nicht schaden (in der Hinsicht finde ich den Schwarm genial). Dem einen oder anderen Leser wird es vllt sauer aufstoßen, plötzlich aus ner anderen perspektive zu lesen, aber das ist dann deren Problem ;D
Ich kenne dein Projekt nicht, aber wenn die Geschichten der erwachsenen Protas für das Geschehen an der Schule unwichtig ist, würde ich wohl darauf verzichten - einfach weil es nicht zum eigentlichen Plot gehört und deshalb maximal in einem anderen Buch erzählt werden sollten.

Prinzipiell ist nichts an mehreren Handlungssträngen auszusetzen, aber sie sollten sich schon irgendwann treffen/überschneiden sonst wirkt das als wären zwei Bücher in einen Einband gepappt worden.
Ich persönlich scheue aber davor zurück, weil es mMn anspruchsvoller ist, so einen Plot zu entwerfen und den dann auch konsequent umzusetzen.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: eclipse am 30. Dezember 2008, 20:18:55
Sicher funktioniert das, ich für meinen Teil finde Bücher, die nicht nur aus einer Perspektive geschrieben sind, meist sogar spannender. Ich lege damit gern falsche Fährten, gebe dem Leser ein paar Infos mit, die der Hauptfigur fehlen, oder nutze es einfach, um Charaktere facettenreicher rüberzubringen. Hast du dich zu dem Thema schon durch den "Alles zur Perspektive"-Thread im Workshop geschmökert? Da dürftest du einiges zu dem Thema finden.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: caity am 30. Dezember 2008, 20:31:45
Hallo,

grundsätzlich: Ja, klar, kein Problem. Aber (und jetzt kommt das große aber ^^") man darf es auch nicht übertreiben. Ich hatte mal als Stichwert für einen 300-400-Seiten langen Roman 5 Personen als Höchstwert genannt bekommen. Mittlerweile finde ich, das man das nicht zu eng sehen darf. Tatsache ist aber, dass der Leser sich natürlich auf die verschiedenen Personen einlassen muss und je mehr Personen innerhalb einer Geschichte auftreten, desto verwirrender wird das Ganze mitunter. Auch würde ich davon abraten, verschiedene Geschichten in ein Buch einzubauen, die nicht viel bis gar nichts miteinander zu tun haben. Wenigstens irgendwie schneiden müssen sich die Storylines, sonst ärgert sich der Leser im nachhinein und fragt sich, warum er nicht nur einen Charakter vorgesetzt bekommen hat, wenn die anderen doch gar nichts damit zu tun haben.
Mein Hauptrojekt umfasst 3 Protagonisten mit jeweils eigener Geschichte, die im Laufe des ersten Romans zusammenwächst. Mir macht das Spaß und ich finde es auch schön.
Ehrlich gesagt bin ich aber überrascht, dass du selbst keine Bücher zu kennen scheinst, die das machen - vielleicht irre ich mich, aber deine Frage hörte sich danach an ::)

Bye
caity
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Churke am 30. Dezember 2008, 23:22:32
Zitat von: maggi am 30. Dezember 2008, 19:53:51
In TV-Serien hatt man ja oft viele verschiedene Charaktäre mit verschiedenen Storylines und das funktioniert. Könnte das bei einem Buch auch funktionieren?
Dazu muss ich gleich mal was sagen: Ein Buch ist ein anderes Medium als ein Film. Der Leser muss sich mit dem Protagonisten identifzieren, sich in seine Situation hinein versetzen und mit ihm mitleiden. Dies setzt entsprechend lange Erzählabschnitte voraus. Wenn ich Story schreibe wie einen Film, dann habe ich ständig Brüche in der Handlung. Sofern man das nicht beabsichtigt, sollte man es bleiben lassen.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Tenryu am 31. Dezember 2008, 00:33:37
Dazu würde ich sagen: Ja, gerade wegen des Fernsehens kann und darf man so etwas heutzutage machen. Denn die Leser sind solche Erzählstrukturen eben von dem täglichen Fernsehkonsum gewöhnt.

Ich würde sogar so weit gehen und sagen, daß der moderne Leser (insbesondere von Unterhaltungsliteratur) viel mehr Abwechslung, Szenische Darstellungen, Perspektivwechsel und visuelle Assoziationen erwartet, als das früher der Fall war. Würde man heute so schreiben wie Charles Dickens, Jules Verne oder Kar May, dürfte man ernste Probleme bekommen, einen Verleger (und Käufer) zu finden.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Churke am 31. Dezember 2008, 09:43:40
Nimm dir mal vor, eine Geschichte mit der Erzählstruktur von "24" zu schreiben. In der zig Protagonisten jeweils 2-3 Minuten Zeit bekommen, um die Geschichte voran zu treiben. Versuch es einfach mal. Ich glaube nicht, dass du mit der Wirkung zufrieden sein wirst.  :hmmm:

ZitatIch würde sogar so weit gehen und sagen, daß der moderne Leser (insbesondere von Unterhaltungsliteratur) viel mehr Abwechslung, Szenische Darstellungen, Perspektivwechsel und visuelle Assoziationen erwartet, als das früher der Fall war.

Wenn ich mich in ein Figur hinein versetzt habe, dann will ich gerade nicht die Figur wechseln, weil es ja gerade so schön spannend ist. Der Wechsel ist ein dramaturgischer Kniff, um die Spannung zu steigern, und er ist m.E. nur gerechtfertigt, wenn der zweite Handlungsstrang ebenso fesselt wie der erste. Ich muss gestehen, es gibt Bücher, da habe ich komplette Handlungsstränge überblättert, weil sie mich langweilten.  :gähn: Der Punkt ist einfach: Langeweile kann man nicht beheben, indem man am strukturellen Aufbau eines Romans herumdoktert. Die von dir geforderte Abwechslung ist das Sahnehäubchen, aber jeder weiß, dass zum Sahnehäubchen noch ein Dessert gehört.  :vibes:
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Moni am 31. Dezember 2008, 12:08:34
Hallo maggi,

das Thema Perspektive wurde schon mehrmals in diesem Forum besprochen. Die Suchfunktion mit dem Wort "Perspektive" bringt einiges an Ergebnissen.

Bitte die Regeln dieses Boards beachten, daß nicht sofort ein neues Thema aufgemacht wird, sondern auch erst mal in entsprechenden älteren gesucht werden soll.

Hier der Link zum Workshopthread Alles zur Perspektive (http://forum.tintenzirkel.de/index.php?topic=198.0).

Diesen Thread hier schließe ich jetzt.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Felsenkatze am 04. Juni 2009, 13:16:28
*ausgrab*

Jetzt habe ich mich durch diesen Thread gelesen, bin aber immer noch nicht schlauer. Also stelle ich doch mal eine Frage:

Bisher habe ich immer nur Geschichten mit Perspektivwechsel geschrieben, wenn sich die Charaktere an unterschiedlichen Orten befanden - zum Beispiel die Prinzessin in ihrem Schloss und dann (zeitgleich) den Ritter auf seiner Queste (das nur zur Verdeutlichung). Ich meine auch, in irgendeinem Schreibratgeber mal gelesen zu haben, dass Perspektivenwechsel auch möglichst mit einem Ortswechsel verbunden sein sollten. Denn es gäbe keinen Sinn und wäre zu verwirrend, wenn sich alle Perspektivträger an einem Ort aufhalten - dann könne man ja gleich nur einen nehmen.

Nun habe ich aber mein altes Zentaurenprojekt ausgegraben, in dem es viele wunderbar ausgearbeitete Charaktere gibt, und ich überlege, wie ich das in Zukunft mal angehen könnte. Ursprünglich war ein junges Mädchen der Perspektiventräger, aber jetzt glaube ich, dass ein Wechsel der Erzählfiguren der Geschichte gut tun würde.
Es handelt sich bei dem Setting um eine Art Harem, im Haus eines Magierfürsten, und das ist eine Umgebung, in der sehr viel "hinter den Kulissen" passiert - Intrigen, die das Mädchen nicht mitbekommt, politische und persönliche Auseinandersetzungen und so weiter. Ich würde mir nun gerne drei oder vier der Figuren herauspicken und als Perspektiventräger einsetzen - nur: die sind nun alle im selben Haus bzw. der selben Stadt, und manches, was sie mitbekommen, wird sich auf jeden Fall überschneiden. Ich hatte zwar nicht vor, Sachen doppelt zu erzählen, aber natürlich werde ich zum Beispiel in einer Szene nach einem Streit den Streit aus der Sicht des neuen Perspektiventrägers aufgreifen (müssen).
Mein Ziel mit diesem Plan ist es einerseits die Vorgänge besser herausarbeiten zu können, und andererseits auch die verschiedenen Charaktere besser ins Licht zu rücken.

Was denkt ihr, ist so etwas möglich, oder ist es einfach unsinnig, mehrere Perspektiventräger an ein und demselben Ort zur gleichen Zeit zu haben?
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Coppelia am 04. Juni 2009, 13:31:45
Nö, das geht doch super? Ich hab das schon häufiger gemacht (nicht zuletzt bei Lotti, was du ja auch kennst, Ronja ;)).
Z. B. habe ich eine Reise zweier Charaktere abwechselnd aus der Sicht der Charaktere erzählt. Das war aber auch eine sehr charakterzentrierte Geschichte, sodass es wichtig war (fand ich), die Einstellung beider Charaktere zu den Dingen zu hören.
Oder eine Geschichte über 4 "Agenten", die für dieselbe Organisation arbeiteten, aber alle unterschiedliche Einstellungen zueinander und zum Geschehen hatten.
Ich glaube, Sinn macht das nur nicht dann, wenn alle Perspektiventräger auch dieselbe Ansicht haben. Es muss schon für die Geschichte wichtig sein und sie bereichern.
Aber übertreiben sollte man das wohl nicht. Was ich ja hasse, ist, wenn aus der Perspektive einer Figur erzählt wird und sie dann am Ende der Perspektive stirbt - und das das ihr einziger Perspektivenauftritt war! Mark, mein Coautor, hat das gemacht ... das fand ich jarnich juht.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Antigone am 04. Juni 2009, 13:44:16
Sieh dir mal veröffentlichte Bücher an. Da wird in vielen munter die Perspektive gewechselt, dass dem Leser nur so der Kopf schwirrt. (wobei ich finde, dieses "Da wird der Leser verwirrt" maßlos überschätzt wird. Ein bisschen Mitdenken ist dem Leser ja durchaus zuzumutbar)

Was ich damit sagen will: in Schreibratgeber steht viel drin, was dann in der Praxis nicht befolgt wird. Perspektivenwechsel nur in Verbindung mit einem Ortswechsel wäre mir viel zu streng.

Ich habe das Problem für mich so gelöst: ich trachte danach, Perspektiven nicht innerhalb einer Szene zu wechseln. Und wenn es sich partout nicht vermeiden lässt, mach ich zumindest einen Absatz.

lg, A.

Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Churke am 04. Juni 2009, 14:29:32
Zitat von: Felsenkatze am 04. Juni 2009, 13:16:28
Ich meine auch, in irgendeinem Schreibratgeber mal gelesen zu haben, dass Perspektivenwechsel auch möglichst mit einem Ortswechsel verbunden sein sollten. Denn es gäbe keinen Sinn und wäre zu verwirrend, wenn sich alle Perspektivträger an einem Ort aufhalten - dann könne man ja gleich nur einen nehmen.

Das halte ich für Käse. Allerdings sollte man sich - wie Coppelia ja schon angedeutet hat - genau überlegen, warum man die Perspektive wechseln will. Ständiges Herumspringen kann schnell dazu führen, dass man seinen Erzählstrang zerhackstückt - womit man sich selbstredend keinen Gefallen tut.
Das ist eben die alte Regel: So wenige Perspektivträger wie möglich und so viele wie nötig. 

Zitat
Was denkt ihr, ist so etwas möglich, oder ist es einfach unsinnig, mehrere Perspektiventräger an ein und demselben Ort zur gleichen Zeit zu haben?
Wenn du die Träger für deine Geschichte brauchst, dann brauchst du sie. Fertig. Man könnte höchstens einwenden, dass die Geschichte nicht funktioniert, aber das ist ein ganz anderes Thema.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Jara am 04. Juni 2009, 15:46:50
Ich denke auch nicht, dass es ein größeres Problem sein sollte, mehrere Perspektivträger am gleichen Ort zu haben.
Wahrscheinlich sind ja auch nicht alle tatsächlich an der gleichen Stelle, sondern bekommen an unterschiedlichen Schauorten Verschiedenes, ohne das die Handlung nicht funktionieren würde, mit.

Ich halte es in einem Projekt sogar so, dass meine zwei Protas sich die Perspektive teilen, wenn sie zusammen sind.
Nacheinander wird eine Szene vom einen, die darauffolgende vom zweiten erzählt. Das ist nötig, weil ich in die Köpfe beider schauen muss, am Anfang ihre Vorurteile offen legen und später ihre Beziehung zueinander beleuchten muss.

Letztendlich ist das wohl immer Umsetzungssache. Wenn ich einen Roman schlüssig, spannend und fesselnd erzählen kann, obwohl oder gerade weil ich mehrere Perspektivträger - auch auf engstem Raum - benutze, spricht nichts dagegen.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Franziska am 14. Juni 2009, 16:37:28
Ich habe gerade diesen Thread durchwühlt, weil ich ein Problem mit meinem Ich-Erzähler habe. Ich schreibe und lese eigentlich gerne in der Ich-Form. Bei meinem aktuellen Projekt habe ich jedoch das Problem, dass einmal Ereignisse aus der Kindheit und dann zehn Jahre später als Erwachsener erzählt werden sollen und meine Testleser meinten, es wäre nicht gut, dass in verschiedenem Stil zu schreiben, es wäre besser, alles in der Rückblende zu erzählen. Da habe ich grundsätzlich nichts gegen, dass würde die logischen Probleme lösen. Nur muss ich mir jetzt ausdenken, wem, wie und warum er alles erzählt und auch noch, ohne zu viel vorwegzunhemen. Vielleicht kann mir da jemand gute Beispiele nennen. Ich habe schon "Im Namen des Windes" gelesen, wo es auch so gelöst ist, aber der Erzählstil, der sich so ergibt ist nicht ganz meins, auch wenn mir das Buch gut gefallen hat.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Feather am 14. Juni 2009, 18:24:58
Ich schrieb auch bis vor kurzem in der Ich-Perspektive und habe meinen Prota "denken" lassen. Er erinnerte sich an verschiedene Dinge und lebte sie in Gedanken nocheinmal durch. Oder es werden Erinnerungen wachgerüttelt wenn dein Prota bestimmte Handlungen ausführt z.B. von früher oder bestimmte Gegenstände ansieht, wobei er zurückdenkt wie hat es angefangen...
Oder du lässt deinen Prota einen Tagebucheintrag machen und einige Seiten zurück blättern und das Geschriebene nocheinmal durchlesen.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Churke am 14. Juni 2009, 22:58:42
Zitat von: Franziska am 14. Juni 2009, 16:37:28
meine Testleser meinten, es wäre nicht gut, dass in verschiedenem Stil zu schreiben, es wäre besser, alles in der Rückblende zu erzählen.

Was mir dazu einfällt: Anstelle von Rückblenden zwei Erzählebenen bzw. Handlungsstränge, eine im Präteritum, eine im Präsens. Vielleicht ein wenig literarisch, aber irgendwie stelle ich mir das cool vor...  :buch:
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Franziska am 17. Juni 2009, 15:39:14
hi

das mit dem Tagebuch oder Erinnerung zu machen geht leider nicht. Eine ellenlange Rückblende am Anfang finde ich auch nicht so toll. Ich denke, es wäre schon das Beste, wenn mein Prota alles für eine andere Person aufschreibt. Ich dachte, vielleicht kennt jemand ein gutes Beispiel dafür, das würde mir hoffentlich ein paar Ideen bringen.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Sprotte am 17. Juni 2009, 17:59:53
Jepp, Stephen King, The Last Stand (Das letzte Gefecht): Der taubstumme Nick schreibt seine Lebensgeschichte für den Sheriff auf (kurz bevor die Pandemie startet).
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Leon am 17. Juni 2009, 20:11:59
Ein genialer Roman!  :)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Franziska am 22. Juni 2009, 12:53:31
danke, das Buch werde ich mir besorgen.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Wollmütze am 02. März 2010, 20:17:47
Ich frag einfach mal hier:
Ich habe einen Ich-Erzähler in meiner Geschichte, der gesamte erste Teil im ersten Buch wird aus seiner Sicht erzählt, kann ich jetzt den zweiten Teil im ersten Buch aus der Sicht eines anderen Protagonisten in der 3.Person schreiben? Ich bin mir nicht ganz sicher, gibt es Bücher mit so einem Perspektivwechsel? Über Beispiele und Meinungen würde ich mich freuen  :)

Grüße,
Wolli
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Kati am 02. März 2010, 20:38:31
ZitatWas mir dazu einfällt: Anstelle von Rückblenden zwei Erzählebenen bzw. Handlungsstränge, eine im Präteritum, eine im Präsens. Vielleicht ein wenig literarisch, aber irgendwie stelle ich mir das cool vor...

"Das Licht des Nordens" von Jennifer Donnelly ist in der Art geschrieben. War cool... ;D

Wolli: Ich weiß nicht. Mich würde das unglaublich stören, wenn plötzlich der Erzähler weg ist und ich gar nicht erfahre, wie es mit ihm weiter geht. Baut die Handlung so sehr auf einander auf, dass du nicht kapitelweise wechseln kannst oder so etwas?
Ich weiß nicht ob es Romane in der Art gibt. An irgendwas denke ich da gerade, aber es will mir nicht einfallen...

LG,

Kati
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Kuddel am 02. März 2010, 21:13:11
Hi,

ich bin mir nicht ganz sicher, ob der letzte Band von der Biss-Reihe nicht solche Perspektiv-Wechsel hatte. Ich weiß nur, dass der Mittelteil von Jakob erzählt wird, aber ob aus der 3. oder 1. Person weiß ich nicht mehr.

Prinzipiell ist es kein Problem, wenn du es sauber durch Kapitel trennst. Der Lesefluss sollte allerdings beibehalten werden. Oder du machst das wie z.B. James Clemens. Der hat zwei Bücher in einem gemacht. Zwar aus derselben Erzählperspektive, aber das kann man anders machen. Wenn der zweite Bereich für sich alleine steht und die Geschichte weitererzählt, warum nicht?

Du musst dich nur fragen, ob du es nicht auch anders gestalten kannst.

Liebe Grüße,
Kuddel
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Wollmütze am 07. März 2010, 12:27:05
Zitat von: Kuddel am 02. März 2010, 21:13:11
ich bin mir nicht ganz sicher, ob der letzte Band von der Biss-Reihe nicht solche Perspektiv-Wechsel hatte. Ich weiß nur, dass der Mittelteil von Jakob erzählt wird, aber ob aus der 3. oder 1. Person weiß ich nicht mehr.

Hi,
ich hab grad bei Wiki nachgeguckt und ja: Die letzte Story von Bellward ist in drei Teile unterteilt:
1.Bella(1.Person)
2.Jakob(ich glaube auch 1.Person)
3.Wieder Bella(1.Person)

Genauso meinte ich das auch, nur, dass ich den zweiten Teil aus der 3.Person schreibe. Ich werde das wohl auch so machen, weil ich am Anfang nicht ständig hin und her springen will und meine Geschichte nur so von der Zeit her stimmig ist  :)

Grüßle,
Wolli
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Silvia am 20. Februar 2011, 23:04:56
Vor Jahr und Tag begann ich eine Geschichte, die Hauptpersonen waren zwei Geschwister. Da sie längere Zeit getrennt voneinander unterwegs waren, bekam jeder immer abwechselnd ein Kapitel aus seiner Sicht zugeteilt. In der Zeit, wo sie zusammen unterwegs waren, schrieb ich innerhalb der Szenen abwechselnd aus der Sicht der beiden, so dass jeder immer mal das Geschehen kommentierte, beider Gedanken und Gefühle beschrieben wurden.
Jetzt, fast 10 Jahre später, überarbeite ich diese Geschichte und wollte eigentlich, der Norm folgend, die Perspektiven strikter trennen. Und plötzlich stelle ich fest, dass mir der Wechsel innerhalb der Szenen fehlt. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich in den letzten Jahren viele Forenrollenspiele hinter mir habe und es immer sehr spannend fand, die Gedankengänge der anderen Charaktere relativ zeitgleich im Geschehen mitverfolgen zu können.

Ist es eine absolut blöde Idee, dieses Schema noch einmal aufzugreifen, oder würde mir im Fall einer Veröffentlichung (falls es jemals so weit kommt) der Lektor mit dem Rotstift drübergehen und mich wieder auf 1 Perspektive pro Kapitel oder Szene zurechtstutzen? Dementsprechend sollte ich es vielleicht lieber gleich lassen und mir die doppelte Arbeit sparen?
Wie seht ihr das als Leser - ist der Wechsel der Erzählperspektive innerhalb einer Szene überhaupt akzeptiert oder fühlt man sich als Nicht-Foren-Rollenspielschreiber davoh eher irritiert?
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Kerimaya am 20. Februar 2011, 23:34:25
In Amerika wird das im Liebesroman ständig gemacht, in Deutschland befürchte ich, wird da ein bisschen strenger drauf geguckt. Ich würd es dennoch einfach mals ausprobieren und dann schauen, welcher Gedankengang besser funktioniert. Überarbeiten kann man später noch alles :)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: KaPunkt am 20. Februar 2011, 23:41:47
hmmm, schwierig.

Ich hatte das gleiche Problem.

Über Perspektiveträger hatte ich mir nie Gedanken gemacht und immer fröhlich dessen Gedanken beschrieben, die gerade am coolsten waren.
Dann ist ein Lektor drüber gegangen.
Ich habe meinen Rüffel bekommen und mich mit mir selbst und allen Stimmen in meinem Kopf auf ein paar Perspektivträger geeinigt und überarbeitet.

Nachdem ich 'Die Drei Musketiere' gelesen habe, kann ich den Grund dahinter auch komplett nachvollziehen. Da springt die Perspektive ständig innerhalb der Szenen hin und her, und ich fand das als Leser anstrengend bis nervig.

Allerdings erlaube ich mir gelegentlich, eine Szene aus verschiedenen Blickwinkeln zu beschreibe. Diese Sprünge sind dann aber immer durch Leerzeilen abgesetzt.
Beispiel:
Wir haben die Konfrontation: Der Dialog wird beschrieben aus einer Perspektive. Dann kommt ein Schnitt. Eine andere Figur beobachtet den Dialog aus der Entfernung, verfolgt dabei eigene Pläne und versucht sich auf das Geschehen einen Reim zu machen.

Eine Szene, zwei Perspektiven.
Ich hoffe, das hilft dir weiter.

Liebe Grüße,
Kirsten
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Artemis am 20. Februar 2011, 23:44:26
Ein gutes (deutsches) Beispiel ist für mich die Wanderhure - besonders in den ersten Kapiteln wird mehrmals in einer Szene gesprungen, und das teilweise so unglücklich, dass man als Leser oft mit den Personen durcheinander kommt.

Ich finde solche Wechsel ehrlich gesagt unangenehm, lese sie nicht gerne und vermeide sie auch in meinen Geschichten. Vor allem ist es bei mir der Fall, dass ich meine Szenen im Schreibstil ändere, je nachdem, welche Figur gerade Perspektiventräger ist. Ein rascher Wechsel ohne strengen Cut würde bei mir zu einem heillosen Chaos mutieren.

Wenn die Wechsel allerdings passend sind und nicht mehr als 3 Personen mitmischen, ist es durchaus sinnvoll. Alles eben mit Maß und Ziel - und gekonnt  ;)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Farean am 21. Februar 2011, 10:05:21
"Du mußt wissen, wann du die Regel brechen darfst." Grundsätzlich ist es immer eine gute Idee, den Grundsatz "eine Szene = eine Perspektive" einzuhalten. Manchmal aber ist es einfach eine Gefühlssache, wann der Sprung mitten in der Szene besser zur Stimmung beiträgt, ja, geradezu notwendig ist.

Isaac Asimov zum Beispiel hält sich in seinen Romanen normalerweise sehr strikt daran, in jeder Szene bei einer Perspektive zu bleiben. Normalerweise. In "Auf der Suche nach der Erde" jedoch, während einer sehr entscheidenden Konferenz, wechselt er mitten während des verbalen Schlagabtausches kurz aus dem Kopf des Protagonisten in den seiner Hauptgegnerin. An dieser Stelle, ich kann es nicht anders sagen, fühlt es sich einfach richtig an, es verlangt geradezu danach.

Aber solche Textstellen sind selten. In 99% aller Fälle gilt: halte die Regel besser ein. Für das verbleibende Prozent gilt: It's magic, not science. :shrug:
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: zDatze am 21. Februar 2011, 11:23:07
Ob mich diese Perspektivensprünge als Leser stören, kann ich jetzt nicht beurteilen. Dazu müsste ich es erste lesen.
Ich habe vor kurzem Schätzing "Limit" angelesen und da kommen anfangs auch ein paar solche Sprünge - oder eher Übergänge? - vor. In einer Szene von einer Figur zur nächsten und dort hat es mich nicht gestört, auch wenn ich diese Methode als ungewöhnlich empfunden habe. Das einmal vorweg.

Mir ist letztens auch fast ein Perspektivensprung am Ende eine Szene reingerutscht. Wobei mir der Sprung dann doch zu krass/ungewöhnlich/auffällig war, da ich von einer personalen Erzählerin auf einen Ich-Erzähler gewechselt hätte. Von der Szene her hat es mich echt in den Fingern gejuckt und finde auch, dass es passt. Nur war da eben diese Stimme in meinem Kopf, die meinte: Neee, das kannst du nicht machen.
Aber je mehr ich darüber nachdenke, desto eher neige ich dazu meiner Intuition zu folgen und die Szene so zu schreiben, wie es sich "richtig" anfühlt.

Das ist vielleicht jetzt nicht die Hilfe, die du dir erhoffst, doch: Wenn es sich richtig anfühlt und wenn du glaubst dass durch die striktere Trennung deine Geschichte an Charme verliert, dann würde ich an deiner Stelle auf die Norm pfeifen.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Farean am 21. Februar 2011, 11:26:51
Zitat von: zDatze am 21. Februar 2011, 11:23:07
Mir ist letztens auch fast ein Perspektivensprung am Ende eine Szene reingerutscht. Wobei mir der Sprung dann doch zu krass/ungewöhnlich/auffällig war, da ich von einer personalen Erzählerin auf einen Ich-Erzähler gewechselt hätte.
Das klingt wirklich krass. :) Du machst mich glatt neugierig. Hast du die Szene irgendwo zum Nachlesen?
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: KaPunkt am 21. Februar 2011, 11:38:07
Ein tolles Beispiel zum plötzlichen Perspektivwechsel ist auch Schwerttänzer von Jennifer Roberson.
Das ganze Buch ist aus Ich-Perspektive geschrieben.
Als dieser Erzähler als Sklave in die Mienen kommt und daran zerbricht, wechselt der Erzähler zum Er. Gruselig und richtig gut.

Das nur so nebenbei.

Liebe Grüße,
Kirsten
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Rosentinte am 21. Februar 2011, 15:30:25
Hallo,
ich bin auch in einer ähnlichen Situation. Ich habe mich dafür entschlossen zwar mehrmals innerhalb eines Kapitels aber nie während wichtigen Szenen die Perspektive zu wechseln. Grund ist, dass das die Dynamik, die eine Szene aufnimmt, oft zerstört, weil der Leser sich wieder neu orientieren muss.
Finde ich persönlich eher verwirrend.
Wenn ich Szenen aus zwei Perspektiven erzählen will, dann "erzählt" die eine immer, was "damals" passiert ist.
Hoffe, ich konnte helfen, Rosentinte
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Alia am 21. Februar 2011, 15:52:00
Bei der Wanderhure habe ich zeitweise auch etwas grübeln müssen, wer jetzt gerade erzählt. (Das Buch gefällt mir aber gut  :vibes:)

Ich habe schreiberisch gerade ein wenig einen toten Punkt und überarbeite deshalb jede Menge. Man, was habe ich früher für ein Durcheinander an Perspektiven geschrieben.  :hmhm?: Allein auf den ersten 100 Seiten habe ich 7 gezählt. Und die auch noch wild durcheinander Mitten in der selben Szene. Ich habe jetzt gnadenlos gekürzt, geändert und bin bei vier Hauptperspektiven gelandet und alle Sprünge in einer Szene sein gelassen. Die 4 Perspektivträger brauche ich allerdings auch, weil sich die Protas nachher trennen und ich von überall einen "Reporter" haben möchte.

Innerhalb einer Szene zu wechseln finde ich (mittlerweile) furchtbar. Meinem Gefühl nach stockt man als Leser jedes mal und muss neu sortieren, wer gerade erzählt. Ich muss aber den Vorschreibern Recht geben: Es gibt zu jeder Regel eine Ausnahme. Und manchmal schreit das Buch an einer Stelle geradezu nach einer solchen. Davon lasse ich jetzt aber erstmal die Finger - wenn ich das andere kann, dann überlege ich vielleicht mal über Ausnahmen.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Silvia am 23. Februar 2011, 22:07:15
Habe gerade festgestellt, dass Cahterine Fischer (Nebelträumer) auch gern mitten in der Szene mal den Kopf dessen wechselt, der gerade Hauptperspektivträger ist - und es ist mir sowas normal vorgekommen. Also rein gar nicht störend, es passte einfach. Dem entgegengesetzt hat mich Tad Williams ziemlich genervt, als er in Otherland ständig mehr als 10 Perspektiventräger an unterschiedlichsten Orten alle 7 Seiten wechseln ließ.
Da gefällt mir der Wechsel von 2 Leuten innerhalb der gleichen Szene am gleichen Ort weitaus mehr.
Hm. Einer passenden Antwort für mich bin ich immer noch nicht näher.
;D
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Churke am 23. Februar 2011, 22:18:16
Zitat von: Alia am 21. Februar 2011, 15:52:00
Die 4 Perspektivträger brauche ich allerdings auch, weil sich die Protas nachher trennen und ich von überall einen "Reporter" haben möchte.

Also das finde ich jetzt nicht zwingend. Wenn es wirklich nur darum geht, dass du Perspektivträger für *später* brauchst, dann sehe ich keine Notwendigkeit, sie schon vor der Trennung als Perspektivträger zu verwenden.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Olecranon am 23. Februar 2011, 23:05:29
So lange du die Sprünge in Grenzen hältst, kann das durchaus spannend sein. Kommt eben auf die genaue Szene, die momentane mentale Agilität deines Lesers(ließt er das Buch als Bettlektüre oder aufmerksam am Tag?) und zum größten Teil auf den Geschmack des jeweiligen Lesers an. Mich als Leser würde es denke ich nicht abschrecken - allerdings hat mir sowohl Tad Williams als auch die Wanderhure hervorragend gefallen.
Andererseits hat es durchaus einen Grund warum der "Mainstream" dem "eine-Perspektive-pro-Szene/Kapitel/Buch-Trend" folgt. Es ist in jedem Fall flüssiger zu lesen und es spricht die breite Masse der Leser bei Weitem mehr an als komplexe Gedankenspielereien.

Fazit: Wenn du den Roman verkaufen willst, wirst du dir mit großer Wahrscheinlichkeit mit der 1-Perspektiven-Variante leichter tun. Allerdings muss man dann halt für sich selbst überlegen, ob man sich damit dann selber treu bleibt...

LG Lukas
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Sanjani am 24. Februar 2011, 22:19:57
Hallo Silvia,

ich an deiner Stelle würde es so schreiben, wie es mir richtig erscheint und dann mal ein oder zwei Leute lesen lassen. Ich finde, es kommt oft darauf an, wie man das einflechtet. Es gibt Möglichkeiten das geschickt zu machen, aber leider auch welche, wo das überhaupt nicht gut funktioniert. bei Alfred Bekkers Die Elben ist mir das z. B. in allen drei Bänden negativ aufgefallen, dass er ständig aus einer anderen Perspektive erzählt hat, aber es gibt sicher auch gute Beispiele, wobei mir gerade keins einfällt :innocent:

Ich selber hab bei mir bisher auch eher schlechte Beispiele entdeckt :(

LG und viel Spaß bei deiner Geschichte,

Sanjani
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Satoshi am 07. März 2011, 21:30:05
Also ich bin ja auf jeden Fall für Perspektivenwechsel.
Es ist interessant zu sehen wie sich die Subjektive Weltanschauung ändern kann wenn man nur einen Meter weiter rechts steht, und ich arbeite eigentlich sehr gerne mit Perspektivenwechseln, das gibt einen die Möglichkeit Szenen ganz anders aussehen zu lassen.
(Beispiel was ich demnächst auch zu Papier bringen will: wahnsinniges Mädchen. Aus ihrer Sicht einfach hungrig und verzweifelt, aus der Sicht von ihren Mitgefangenen, ein kicherndes, geisteskrankes, sabbernes Kind mit einem verdammt grossen Messer in der Hand)
Das einzige was gefährlich ist, sind Wechsel in Perpektiven von plötzlich vorkommenden, unbekannten Personen, die nach zwei Seiten wieder verschwinden, weil man sich einfach unötig viele Namen und Ansichten merken muss.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Atischara am 13. März 2011, 21:47:53
Ich habe das nicht publiziert und deshalb keine Ahnung, ob und in welchem Maße es durchgehen würde, aber ich mache das ständig: Wenn ich einen Dialog zwischen zwei wichtigen Figuren habe, dann springe ich immer mal auf die eine und die andere Seite, und ich finde es auch blödsinnig, diese erstklassige Gestaltungsmöglichkeit von vornherein zu disqualifizieren.

Es ist richtig, daß es Tempo aus der Szene nimmt, und ich weiß auch nicht, ob ich das überall so lassen werde, aber da ich sowieso ständig in den Köpfen meiner Figuren herumhänge, wird das Tempo auch reduziert, wenn ich nur eine Perspektive verwende (auch da werde ich bei der Überarbeitung entscheiden, wieviel davon am Ende übrig bleiben darf).

Wie gesagt, ich bin mir noch nicht sicher über das Ausmaß, in dem ich das in der Überarbeitung beibehalten werde, und ich habe auch Szenen aus nur einer Perspektive, aber die richtig interessanten Dialogszenen haben in der Regel zwei Perspektiven. Natürlich hat das auch Methode: Ich habe diese Technik schon vor ein paar Jahren an historischem Material entwickelt, und zwar unabsichtlich. Dabei ist mir klar geworden, daß diese Technik meinem Anliegen entspricht, immer mehrere Perspektiven auf ein und dieselbe Situation aufzuzeigen, und zwar so, daß erkennbar wird, daß alle Perspektiven in sich betrachtet berechtigt und plausibel sind. Ich denke, das ist ein guter Maßstab, um dann später zu entscheiden, wo das Springen wirklich sinnvoll ist und wo nicht. Ehrlich gesagt, glaube ich nicht, daß es beim Lesen stört, wenn klar ist, in wessen Kopf man sich gerade befindet. Aber ich muß zugeben, daß ich bewußt noch kein Buch gelesen habe, in dem das so gemacht wird. Werde mir also eure Beispiele mal anschauen, um einen Eindruck davon zu bekommen, wie das für den Leser ist.

Perspektivenwechsel in einer Szene hat übrigens noch einen bestechenden Vorteil, der mir kürzlich aufgefallen ist, als ich mit den Perspektiven in einer Szene Probleme hatte: Man kann beide Dialogpartner in einer Szene beschreiben. Das erspart vor allem am Anfang der Geschichte viel Aufwand und die üblichen blöden Verrenkungen im Stile von "Er betrachtete sein Spiegelbild im Wasser: die blonden Haare waren verfilzt und..." oder, noch schlimmer, Feststellungen im Stile von: "Sie war groß für ihr Alter, und trotz der wilden braunen Locken und der strahlend grünen Augen konnte man sie nicht wirklich als hübsch bezeichnen...".  :wums:

Solche Passagen gibt es sogar in den Büchern von wirklich guten und erfolgreichen Schriftstellern (wenn auch eher als Ausnahme denn als Regel), und ich finde sie mehr als unelegant. Aber wenn sich eine Figur mit einer anderen unterhält, die ihr aus irgendeinem Grund wichtig ist und die sie vielleicht schon längere Zeit nicht gesehen hat, dann kann man nachvollziehen, daß ihr bestimmte Äußerlichkeiten auffallen, finde ich. Oder wenn sich eine Figur Sorgen um die andere macht, dann schaut sie viel genauer hin, wie ihr Mienenspiel aussieht. Und noch schöner finde ich es, wenn die Figuren ein gespanntes Verhältnis zueinander haben, sich aber gut kennen und womöglich im Grunde mögen. Dann sagen sie eine Sache und schaffen es vielleicht, ihren Tonfall zu beherrschen, aber die andere Figur sieht ganz andere Dinge im Mienenspiel oder der Körperhaltung oder dem, was das Gegenüber mit den Händen anstellt. Und wenn man das hin und her bewegt, weiß der Leser hinterher über beide mehr, aber über keinen alles. Ich weiß nicht, ob so abstrakt klar wird, was ich meine, aber ich finde grundsätzlich, daß Perspektivenwechsel innerhalb der Szene ein wirkungsvolles Instrument sein kann und sehe nicht ein, warum man sich das grundsätzlich verbieten sollte.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Bastian am 17. März 2011, 00:35:42
Hm  :)

Da hast du mir aber jetzt was zum Grübeln gegeben Atischara  ;D
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Lavendel am 17. März 2011, 08:51:54
Zitat von: Atischara am 13. März 2011, 21:47:53
Ich habe das nicht publiziert und deshalb keine Ahnung, ob und in welchem Maße es durchgehen würde, aber ich mache das ständig: Wenn ich einen Dialog zwischen zwei wichtigen Figuren habe, dann springe ich immer mal auf die eine und die andere Seite, und ich finde es auch blödsinnig, diese erstklassige Gestaltungsmöglichkeit von vornherein zu disqualifizieren.

Es gibt sicherlich Szenen, in denen man einen Perspektivwechsel innerhalb einer Szene rechtfertigen kann, in denen er sogar einen beeindruckenden Effekt erzielen kann. Passiert er aber ständig, wird der Text nicht nur zäh, sondern auch unübersichtlich. Zunächst sollte man als Autor einmal seine eigene Perspektive verschieben. Du als Autor hast keine Schwierigkeiten, trotz Perspektivenwechsel den Überblick über deine Figuren zu behalten. Für einen Leser sieht das vielleicht schon ganz anders aus.

Wenn man sich ernsthaft in die Position des Lesers versetzt, dann sprechen einige Punkte durchaus dagegen, die Perspektive innerhalb einer Szene zu wechseln. Dazu sollte man vielleicht erstmal einen Blick darauf werfen, was perspektivisches Schreiben eigentlich bedeutet. Es ermöglicht uns, 'durch die Augen eines anderen' zu sehen. Wir erfahren, was die Figur erlebt, was sie sieht, fühlt, riecht, schmeckt, was sie denkt und was sie emotional bewegt. In dieser Hinsicht versetzt uns das perspektivische Erzählen als Leser in eine ganz besondere Position, denn in der Realität können wir uns in keinen Menschen so detailliert und intensiv hineinversetzen, wie in eine Romanfigur, die ihr ganzes Selbst mit uns teilt (wobei eine Romanfigur nicht die Komplexität eines realen Menschen wiederspiegelt, aber das ist ein anderes Thema). Dann ist es aber unerlässlich bei der Figur zu bleiben. Das bedeutet nicht, dass nicht über den Roman hinweg verschiedene Perspektiven beleuchtet werden könnten, aber wenn man innerhalb einer Szene zwischen zwei oder mehr Positionen hin und her springt, dann gibt man den einen großen Vorteil auf, den das perspektivische Schreiben nunmal hat, nämlich die Nähe. Als Leser wird es schwierig, sich auf die Figuren einzulassen und sie zu verstehen, wenn man sie nicht eine gewisse Zeit lang begleiten darf.

Es kann zu Verwirrung führen, wenn nicht 100prozentig klar ist, welche Figur nun was gedacht oder gefühlt hat. Das passiert nur allzu leicht, wenn die Bezüge im Text und die Sytax nicht absolut unmissverständlich sind, was eine schwierige Angelegenheit sein dürfte. Man muss sich nur mal vorstellen, man hätte einen Dialog zwischen zwei Damen. Ein Personalpronomen, das sich auf beide Figuren beziehen kann - da ist das Chaos fast vorprogrammiert.

Es geht beim Schreiben ja auch nicht unbedingt darum, alles sofort zu erzählen. Dinge anzudeuten und später aufzuklären, baut ja auch Spannung auf. Die Perspektive Szenenweise zu wechseln ist sowieso legitim und entspricht den Leseerwartungen. Man hat also trotzdem genug Spielraum unterschiedliche Sichtweisen auf die Dinge darzustellen.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Atischara am 17. März 2011, 16:12:27
@ Lavendel: Selbstverständlich gibt es Gründe, Perspektivenwechsel in einer Szene zu vermeiden. Für jede erprobte Regel gibt es sinnvolle Gründe.  ;)
Ich habe auch deutlich gesagt, daß ich bei der Überarbeitung noch einmal gründlich prüfen muß, an welchen Stellen der Wechsel wirklich etwas bringt und funktioniert und an welchen er eher Probleme erzeugt. Dazu gehört natürlich auch, einmal verschiedene Leute drüberschauen zu lassen, wie die Szene jeweils auf den Leser wirkt.
Was ich aber meine, ist, daß es auch von Vorteil sein kann, in der Szene die Perspektive zu wechseln, weil es z.B. den Effekt erzeugt, zwei Perspektiven auf dieselbe Situation nicht nur zu zeigen, sondern fühlbar zu machen. Andererseits kennt man hinterher nicht alle Gedanken und Gefühle beider beteiligter Personen (wenn man nur in einer "drinsteckt", weiß man nachher auch alles, was sie bewegt hat). Aber man bekommt einen Einblick in beide Seiten, den man als normaler Beobachter und selbst als Beteiligter nicht bekommen könnte. Ich halte das für eine Gestaltungsmöglichkeit, die gerade der Roman bietet, eben weil man den einzelnen Figuren trotzdem über ausreichend lange Strecken folgen kann, um sich auf sie einzulassen.
Ich finde auch nicht, daß das sehr viel mit der Länge der Passage zu tun hat, in der aus der Perspektive einer bestimmten Figur erzählt wird, sondern mehr damit, ob ihre Gedanken und Gefühle einen packen. Natürlich ist es am Anfang gut, erst einen Eindruck von der jeweiligen Figur zu bekommen, um sich in sie hineinversetzen zu können. Aber danach spricht nichts dagegen, daß man auch mal öfter in eine andere Perspektive wechselt. Mich nervt es auch als Leser eher, wenn sich eine Perspektive sehr lange hinzieht und dann abbricht, wenn man es sich gerade darin gemütlich gemacht hat. Da ist mir schnellerer Wechsel lieber. Und bei Perspektivenwechsel innerhalb einer Szene hat man im Grunde ja die ganze Zeit beide Perspektiven. Aber, wie gesagt, mir fällt gerade spontan kein Buch ein, in dem ich bewußt festgestellt hätte, daß die Perspektive in einer Szene wechselt. Wenn es gut gemacht ist, sollte es einem aber beim Lesen auch nicht besonders auffallen. Ich werde mich mal auf die Suche machen, um Eindrücke aus Lesersicht zu sammeln.  :)
Und ich finde, gerade wenn sich der Perspektivenwechsel beim Schreiben von selbst ergeben hat, also nicht forciert worden ist, gibt es dafür wahrscheinlich einen internen Grund. Dann muß man nicht alles krampfhaft ändern, nur weil es eine Regel gibt, die Perspektivenwechsel innerhalb einer Szene verbietet. Vielmehr sollte man prüfen, ob der Wechsel an dieser Stelle vielleicht sogar von Vorteil ist. Wenn nicht, kann man das ja ändern. Deshalb meine ich, man muß sich solche Möglichkeiten nicht aus reiner Regelhörigkeit gleich von vornherein verbauen. Und darum ging es doch in der Eingangsfrage: Perspektivenwechsel in der Szene fühlt sich besser an, aber die Regel spricht dagegen, soll man es also ändern?
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Lavendel am 17. März 2011, 18:30:13
Ich kann jetzt nicht darüber urteilen, wie was in deinem speziellen Text wirkt, aber man muss nicht immer alles erzählen. Das Offene, Raum für Vorstellung und Interpretation zu lassen ist die mächtigst Waffe, die ein Autor hat ;).

Über das 'sich von selbst ergeben' ist wohl keine ganz unproblematische Sache. Dem Schreiben liegt ein Handwerk zu Grunde, man trifft bewusste Entscheidungen, aus bestimmten Gründen, und man macht manchmal bewusst etwas anders als es 'im Lehrbuch' steht. Nicht unbewusst. Der 'Autor als Genie', dem die Inspiration aus dem Himmel zufällt, ist ein Mythos aus dem 18. Jahrhundert.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Atischara am 17. März 2011, 23:39:19
Offensichtlich gibt es ja eine ganze Menge gelungener Beispiele für Perspektivenwechsel innerhalb einer Szene, wie ich diesem Thread entnehme. Werde mir mal einige davon anschauen. Interessant ist, daß gerade Tad Williams genannt wurde, dessen "Geheimnis der drei großen Schwerter" ich einerseits sehr mag, mir aber andererseits wegen der langen Verweildauer bei einer Perspektive manchmal auch zu schaffen macht (lese gerade wieder den letzten Teil).

Aber anscheinend scheiden sich an diesem Punkt die Geister. Bin wirklich gespannt, was meine Probeleser sagen werden, wenn ich mal mit dem Überarbeiten soweit bin, daß ich meinen Roman an jemandem ausprobieren kann. Ich habe auch so langsam eine Idee, woher meine Vorliebe für Perspektivenwechsel in Dialogszenen kommen könnte. Auf alle Fälle hat mich dieser Thread dazu gebracht, darüber nachzudenken, was schon sehr interessant war.  :)

@ Lavendel: Schon klar, daß im Schreiben ein großer Teil Handwerk steckt, und dieses Handwerk versuche ich auch, möglichst gut zu lernen. Gute Schriftsteller fallen natürlich genauso wenig vom Himmel wie gute Automechaniker oder gute Wissenschaftler. Aber ich bleibe dabei, daß kreatives Schreiben für meine Begriffe trotzdem erheblich mehr erfordert als bloßes Handwerk. Da klappt der Vergleich mit dem Automechaniker nicht mehr, es sei denn, wir reden von einem Automechaniker, der eigentlich ein Ingenieur ist (z.B. neue Konstruktionsideen hat etc.). Unter Handwerk in einem herkömmlichen Sinne verstehe ich die weitgehend mechanisierte (oder mechanisierbare) Anwendung erlernter Techniken auf Material. Solche Techniken sind eine notwendige Bedingung für kreative Arbeit, aber eben keine hinreichende. Zumindest nicht nach meinem Verständnis. Wahrscheinlich entwickelt sich ein (treffendes) Gespür dafür, was gut und was schlecht funktioniert, aufgrund von Erfahrung (und zwar möglicherweise auch aufgrund von Leseerfahrung). Ganz sicher wird man nicht damit geboren. Aber ich kann mir, ehrlich gesagt, nicht vorstellen, wie man ganz ohne so ein Gespür auskommen soll - egal, in welchem kreativen Beruf (Wissenschaft eingeschlossen ;)). Deshalb finde ich auch, man sollte das nicht einfach so abtun, sondern besser darüber nachdenken, ob es im jeweils gegebenen Fall berechtigt ist. (Mal abgesehen davon, daß man durchaus Schreibratgeber finden kann, die empfehlen, auch auf das eigene Gefühl zu achten und nicht nur mechanisch Regeln anzuwenden.) - Klar ist auch, daß man nicht nur nicht alles sagen muß oder sollte, sondern daß man gar nicht alles sagen KANN. An sich war ich auch der Meinung, daß mein Beitrag deutlich gemacht hat, daß es mir darum gerade nicht geht. Oder war das mißverständlich?  ??? In diesem Zusammenhang muß ich wohl für weitere Ausführungen den Thread wechseln, denn ich hätte da noch Überlegungen zum Thema Beschreibung der Charaktere...  :D
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Atischara am 21. März 2011, 23:37:56
Und hier noch eine Art DuZ (Dank und Zusammenfassung) von mir zu diesem Thread :D:

Die Diskussion hier hat mich wirklich weiter gebracht, denn ich habe durch die intensive Beschäftigung mit dem Thema

1) erkannt, woher meine Mehrperspektiventechnik innerhalb von Szenen wahrscheinlich kommt: schätzungsweise aus dem Film- und Fernsehbereich, denn da bekommt man im besten Fall in einem Dialog auch immer einen oder mehrere Kameraschwenks auf beide beteiligten Personen, und offenbar habe ich den Drang, in einige meiner Dialogszenen solche "Kameraschwenks" einzubauen, nur daß eben noch etwas aus dem Innenleben der Person hinzugefügt wird, die gerade nicht zu sehen ist (weil wir in ihrem Kopf stecken);

und ich habe

2) eine Idee entwickelt, wie ich das bei der Überarbeitung gezielter und damit hoffentlich besser umsetzen kann, als bisher in der ersten Version meiner Szenen geschehen.

Außerdem frage ich mich, ob die Technik, mehrere Perspektiven in eine Szene einzubinden, die offensichtlich doch in einigen Büchern zu finden ist, sich mit dem stärkeren Einfluß von Film und Fernsehen als normal durchsetzen wird. Hat jemand beobachtet, ob das ein neuerer Trend ist? Auf jeden Fall werde ich das in Zukunft aufmerksamer beobachten.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Kraehe am 22. März 2011, 09:53:47
Wenn du selbst sagst, dass es dich ans Fernsehen und die Filmtechniken erinnert: stimmt. Aber das Fernsehen arbeitet ja generell auch ein wenig mit anderen Mitteln als das Tippen.
Nur so hingestellt.
Ich habe vor zwei Wochen "Midwinter" von... Matthew Sturges gelesen. Dort wurde auch innerhalb von Szenen oder so - oder zumindet nach jeder sehr kurzen Szene - sehr oft die Perspektive gewechselt. (Und ist dabei auch nichtmal immer tief in die Gedankenwelt der Protas eingetaucht.)
Mir fiel auch ziemlich bald auf, dass es mich an einen Film erinnert.
Und ich fand es einfach... naja. Vielleicht ist es eine Frage der Gewöhnung. Weil es kein Buch in dem Sinne ist, wie man es kennt.  Mich hat es angestrengt. Ich lese ja, damit ich ein Buch vor mir habe, kenen Film in Wörtern. ;)

Aber im Endeffekt kommt es auch auf die Umsetzung und den Lesergeschmack an, denke ich...
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Atischara am 24. März 2011, 01:03:48
 :hmmm: Anstrengend sollte es natürlich nicht sein.
Und es ist auch klar, daß Buch und Film jeweils eigene Mittel haben, die sich nicht übertragen lassen. Aber speziell bei den Perspektiven habe ich den Gedanken, daß man die Vorzüge beider Medien miteinander verbinden könnte. NICHT in die Gedankenwelt der Figuren einzutauchen, wäre also nicht mein Ding - weder als Leserin noch als Autorin.  ;)
Werde einfach mal weiter experimentieren und sehen, was dabei rauskommt.
Und ich werde auf jeden Fall mal ein paar von den hier genannten Büchern lesen, in denen Perspektivenwechsel in der Szene vorkommen - will jetzt doch wissen, wie das auf mich als Leserin wirkt.  :)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Drachenfeder am 03. April 2011, 18:14:38
Hallo zusammen,

ich hoffe das Thema passt hier gut rein, wollte keinen neuen Thread aufmachen.


Für mein aktuelles Projekt habe ich bereits (fast) 3 Kapitel geschrieben. Im Vergleich zu meinem ersten Roman, sind es sehr große Kapitel von ca. 50 - 60 Seiten.
Alle Teile habe ich in der dritten Person geschrieben, dabei will ich auch bleiben. Jedoch habe ich im viertel Abschnitt vor, aus der Sicht eines Nebencharakters die Geschichte weiter zu erzählen. So etwas liest man ja häufig. Meistens wechseln diese Ansichten von Kapitel zu Kapitel ab. Ich möchte dies aber nur in Nummer 4 machen. Dieser Charakter ist bereits im ersten Teil vorgekommen und wird ebenso am Ende wieder scheinen.

Könnt ihr Euch so etwas vorstellen? Oder seit ihr eher der Meinung, wenn Ansichtswechsel, dann in regelmäßigen Abständen?

Drachenfeder
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Zit am 03. April 2011, 18:20:45
Ich weiß gerade nicht, was du wechselst. Auch ein personaler Erzähler kann in der dritten Person schildern.
:hmmm:
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Malinche am 03. April 2011, 18:23:15
Ich bin grad nicht ganz sicher - meinst du, dass du dann ein Kapitel aus der Ich-Perspektive schreibst? Wobei, da steht ja, dass du in der 3. Person bleiben möchtest.

Wenn du bei der 3. Person bleibst, sehe ich kein Problem damit, den Perspektivträger zu wechseln, und sei es auch nur für ein Kapitel. Denn wenn das für die Handlung von Bedeutung ist, wird es meiner Meinung nach auch stimmig wirken. Der Leser muss halt nur nachvollziehen können, warum dieses Kapitel aus der Sicht eines Nebencharakters erzählt wird. Aber als Problem sehe ich das an sich nicht.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Smaragd am 03. April 2011, 18:35:13
Natürlich geht das. Gerade von etwas episch angehauchter Fantasy kenne ich es durchaus, dass ein Nebencharakter gelegentlich  - nicht regelmäßig - als Perspektivträger auftaucht. Ich mag das auch - jedenfalls, wenn die aus Sicht des Nebencharakters erzählte Szene nicht damit endet, dass er stirbt. Dann fühle ich mich eher ver...albert, weil ich ihn gerade erst ansatzweise kennen gelernt habe. Aber das ist bei dir anscheinend nicht der Fall. Von daher - nur zu!
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: caity am 03. April 2011, 18:39:01
Ich denke auch: wieso nicht? Ich kann mir so einen Wechsel gut vorstellen, versuchs doch einfach aus und wenn es absolut bescheuert wirkt, wird dich schon irgendwann ein Betaleser oder Lektor zurecht sutzen, aber ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass das nicht funktioniert ;)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Drachenfeder am 03. April 2011, 19:30:17
Zitat von: Malinche am 03. April 2011, 18:23:15
Ich bin grad nicht ganz sicher - meinst du, dass du dann ein Kapitel aus der Ich-Perspektive schreibst? Wobei, da steht ja, dass du in der 3. Person bleiben möchtest.

Ja, ich bleibe in der 3 Person.
Nur soll das vierte Kapitel nicht aus Sicht meines Wächter zählt werden, sondern aus der eines Charas der bis jetzt nur kurz im ersten Kapitel vorkam.

Was mich etwas wanken lässt ist halt, dass es nur ein einziger Abschnitt im Buch werden soll.

@Smaragd
nein, diese Person wird definitiv nicht sterben (zumindest vorerst nicht). Dieses Textabschnitt wird die Story auch nicht verändern oder erheblich beeinflussen, sondern soll sie erklärend unterstützen.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Kraehe am 03. April 2011, 20:25:00
...Ich würde sagen, du kannst das machen.
Regelmäßige Wechsel finde ich sowieso langweilig. Allerdings muss es wirklich einleuchtend sein, warum dieser Chara diese eine Szene erzählen soll.
Sonst... entweder, ich finde seine Perspektive dann blöd und frage mich, was das jetzt sollte, oder ich finde seine Perspektive eventuell einfach zuuu toll und frage mich, ob und wann er denn endlich wieder darf ;)
Aber als generelles Problem sehe ich das nicht - solange er nicht eben nur erzählt, um seinen Tod zu erzählen.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Drachenfeder am 05. April 2011, 14:23:21
Ich schreibe mein dritte Kaptitel jetzt erst mal zu Ende. Im Urlaub werde ich den Wechsel  der Sicht einfach mal ausprobieren. Wenn ich merke, dass es nichts ist, werde ich mir etwas anderes einfallen lassen.

Danke für eure Antworten.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Alana am 09. März 2012, 19:23:13
Hallo,

ich überlege mir gerade, dass ich beim 1. Teil meiner Trilogie Prolog und Epilog aus der Sicht eines anderen Charas schreibe, als den Rest. Das zweite Buch würde ich dann aus Sicht beider Charaktere in wechselnder Perspektive schreiben. Immer kapitelweise.
Meint ihr, das kann man machen, oder weckt das falsche Erwartungen bzw. verwirrt den Leser?

Danke :)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: HauntingWitch am 10. März 2012, 11:06:51
Huhu Alana

Nun, ich denke, das sollte möglich sein, solange du irgendwie deutlich machen kannst, wer jeweils gerade spricht. Sergei Lukianenko hat das bei seiner "Wächter der Nacht"-Reihe auch gemacht: Die Prologe werden allwissend geschildert, das erste Buch danach komplett aus Sicht eines Hauptcharas. Im zweiten Buch macht er dasselbe mit den Prologen (pro Teil-Geschichte einen), erzählt aber jede Teil-Geschichte mit einem anderen Ich-Erzähler, eine davon mit dem Prota aus Buch 1. Klingt ganz schön verwirrend? Nun, beim Lesen wird es einem sehr schnell klar. Da ich die Geschichte so toll fand, habe ich mich nur kurz gefragt, was das sollte und bin zu dem Schluss gekommen, dass es anders gar nicht machbar wäre.

Also, wenn das die beste Lösung für deine Geschichte ist, würde ich sagen: Wag es einfach.  ;)

LG Witch
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Debbie am 10. März 2012, 12:06:12
@Alana: Ich mag sowas - weiß aber von anderen, dass sie es ganz oft störend finden, v. a. wenn der Prolog dann noch geheimnisvoll oder kryptisch formuliert ist  ::)

So geschehen bei "Engel der Nacht", wo der Prolog aus Sicht eines übergeordneten Erzählers geschrieben ist - und die Geschichte dann aus Sicht der Prota. Der Prolog kam bei allen meinen Freundinnen nicht so gut an  :-\ Sie fanden ihn verwirrend und überflüssig... Ich fand ihn toll  :vibes:

Da ich in meiner Story durchweg zwei Viewpoint Charaktere habe (mit unterschiedlicher Gewichtung), beginne ich den Prolog aus Sicht der Prota; der ist aber nur ca. zwei Normseiten lang - dann kommt der Viewpoint eines anderen Hauptcharakters für zwei Szenen, ehe ich zurück zur Prota schwenke... Dabei ist mir jetzt ehrlich gesagt auch nicht so wichtig, wie die anderen das empfinden - es ist meine Geschichte, und die ist halt so!  :ätsch:
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Aphelion am 10. März 2012, 12:42:15
Ich finde eher problematisch im ersten Band nur eine Perspektive zu nehmen und im zweiten dann zwei. Nicht schlimm, aber es ist irgendwie inkonsequent. Wenn der Prolog aber immer (wenn du für jeden Band einen schreibst) aus einer "anderen" Perspektive ist, sehe ich darin überhaupt kein Problem. :)

(Es gibt übrigens vier! "Wächter"-Bücher. ;))
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Alana am 10. März 2012, 20:42:01
Danke für eure Einschätzungen!

@Aphelion: Das ergibt sich daraus, dass ich im ersten Band nicht aus seiner Perspektive schreiben kann, ohne den Twist vorweg zu nehmen. Im zweiten Band will ich aber seine Perspektive schildern, weil es sehr stark um seine Charakterentwicklung gehen soll.

Und dann noch ein Edit: Was sagt ihr zum "heranzoomen"?
Also man beginnt eine Szene oder das ganze Buch erzählend, von außen und schlüpft dann nach und nach in den Prota hinein, aus dessen Sicht dann das restliche Buch geschrieben wurde. Wie ist soetwas zu bewerten? Kann das funktionieren? Ich meine, dass das bei Harry Potter auch so gemacht wurde und ich es nicht als störend empfunden habe.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Mika am 10. März 2012, 21:03:13
Hm... Heranzoomen, ich weiß ehrlich gesagt nicht so recht. Persönlich fände ich es nicht so prickelnd und wäre wohl beim Lesen auch eher erstmal etwas verwirrt. Ich denke man sollte sich von Anfang an für eine Distanz zu einer Figur entscheiden. Natürlich kann sich diese Distanz im Laufe einer Geschichte verändern, allerdings muss das dann irgendwie begründet sein. Zum Beispiel könnte ich mir vorstellen nach und nach von einer Figur wegzurücken, wenn sie unnahbarer wird. Anders herum, also wie von dir vorgeschlagen, wäre es wohl eher weniger mein Fall, aber das ist jetzt mehr meine persönliche Meinung ;D
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Alana am 10. März 2012, 21:32:44
@mika: Ich sehe das eigentlich ähnlich und denke, dass ich es doch so machen werde, bei einer Perspektive zu bleiben.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: HauntingWitch am 12. März 2012, 16:02:20
Zitat von: Aphelion am 10. März 2012, 12:42:15

(Es gibt übrigens vier! "Wächter"-Bücher. ;))

[OT]Ach du liebe Güte, ich habe tatsächlich "Trilogie" geschrieben. Dabei stehen sie alle hier im Regal.  :versteck: Wird geändert, danke für den Schubs, Aphelion. [OT aus]
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Rosentinte am 12. März 2012, 17:29:38
Zitat von: Alana am 10. März 2012, 20:42:01
Und dann noch ein Edit: Was sagt ihr zum "heranzoomen"?
Also man beginnt eine Szene oder das ganze Buch erzählend, von außen und schlüpft dann nach und nach in den Prota hinein, aus dessen Sicht dann das restliche Buch geschrieben wurde. Wie ist soetwas zu bewerten? Kann das funktionieren? Ich meine, dass das bei Harry Potter auch so gemacht wurde und ich es nicht als störend empfunden habe.
Also ich finde das eher störend. Ich lese momentan so ein Buch und ohne ersichtlichen Grund wird da ran- oder weggezoomt. Das finde ich extrem irritierend, vor allem weil es keinen ersichtlichen Grund dafür gibt.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: caity am 13. März 2012, 15:44:54
Hallo,

Zoomen, mmh, das ist auch so eine Frage, wie es gemacht wird.
Ich habe das erst neulich bei einer Kurzgeschichte ausprobiert und da aber bewusst am Anfang reingezoomt und am Ende wieder hinausgezoomt, das fand ich passend, weil es so einen Kreisschluss ergeben hat, die Geschichte fängt an mit einem Bus und endet mit einem Taxi, die sich beide durch die Straßen schlängeln und in denen beide Male die Protagonistin sitzt. Der Nachteil, insbesondere am reinzoomen, ist, dass der Leser am Anfang etwas orientierungslos gelassen wird. Der Vorteil ist imho, dass er gleich von Anfang an aus dem Blickwinkel des Protagonisten sieht und in seine Situation hineingestoßen wird. Ich denke, zu langsam darf nicht gezoomt werden, der Protagonist sollte schon so früh wie möglich genannt werden und persönlich empfinde ich es auch oft als störend, wenn erst eine andere Person auftritt und mir dann plötzlich mitgeteilt wird, dass ich mich gar nicht in der Person befinde, die gerade agiert, sondern dass die agierende Person von meinem Perspektivträger von außen betrachtet wird.

Ansonsten glaube ich aber, dass Zoomen ein sehr beliebtes Mittel ist. Habe gerade mal in ein paar Bücher reingelesen und die meisten Szenen fangen eigentlich nicht mit dem Perspektivträger an, sondern beschreiben erst einmal sein Umfeld, in das er dann hinein handelt. Vom Umfeld, das die Person wahrnimmt, wird auf die Person selbst und ihr Handeln hingezoomt. Und so eine Art Zoom finde ich eigentlich auch in Ordnung.

Letztendlich ist bei so etwas natürlich immer die Frage, wie es gemacht ist und da geht eben nichts über: ausprobieren ;)

Bye
caity
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Sunflower am 13. März 2012, 22:22:08
Ich finde, Zoomen ist eine ziemlich praktische Technik, wie caity schon gesagt hat. Mir gefällt Hin- besser als Wegzoomen, aber das ist wohl Geschmackssache.
Bei mir ist es sogar fast Standart, dass ich Kapitel aus einer allgemeineren Perspektive beginne und erst einmal das Wetter/die Umgebung/die Landschaft/die Stimmung/etc. beschreibe und dann auf den Perspektivträger eingehe. Ich finde, dann kann der Leser sich besser in die Szene einfühlen und hineinversetzen.
Wegzoomen dagegen verwende ich eigentlich nicht, da ich die Szenen lieber mit den Perspektivträgern aufhören lasse und diese dann mitten in einer Handlung "im Regen stehen lasse" und aus einer anderen Sicht weiterschreibe.

Zoomen allgemein wirkt ja eher verlangsamend und gerade im Epilog finde ich das Wegzoomen dann doch irgendwie passend. Schließlich nimmt man dann Abschied von den Figuren und auch in Filmen ist es ja so, dass am Ende noch einmal ein Bild aus der Vogelperspektive gezeigt wird.

Letztendlich muss das aber jeder für sich entscheiden.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Kaeptn am 11. Oktober 2012, 16:27:02
Hallo,

ich belebe mal wieder, weil ich gerade mit meiner Lektorin nicht ganz einer Meinung bin, was die Strenge bei der Auslegung der Perspektive angeht. Sie ist der Meinung, bei personalem Erzähler (kein ICH-Erzähler) können wirklich nur Dinge erzählt werden, die der Perspektivträger auch mitbekommt. Sie geht dabei so weit, dass Sätze wie "Ihm entging, dass ..." oder "Ohne es zu bemerken tat Perspektivträger diesunddas..." ihr nicht in den Kram passen, da würde man die Perspektive verlassen, denn wie gesagt, was der Perspektivträger nicht mitbekommt, kann man auch nicht aus seiner Sicht schreiben.

Nun weiß ich genau, dass ich solche Sätze schon tausendfach gelesen habe, und auch da war es kein auktorialer Erzähler und es waren auch keine literarischen Vollpfosten die das geschrieben haben. Manchmal tut man nunmal unbewusst etwas, oder ich will, dass der Leser etwas mehr weiß, als der P-Träger.
Oder irre ich mich da? Legen das viele so streng aus?

Und falls ihr auf meiner Seite seid, habt ihr Munition für mich, sprich Gegenargumente, Beispiele oder auch Abhandlungen (Links) dazu?

Erwähnen sollte ich vielleicht noch, dass es um ein Kinderbuch geht - wobei die Lektorin aber generell viel wert auf Perspektivtreue legt.

Danke
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Arcor am 11. Oktober 2012, 16:37:38
Aus gegebenem Anlass meiner Abschlussarbeit verweise ich da einfach mal auf Barry Unsworths The Songs of the Kings, Kaeptn. Der Autor ist wahrlich kein literarischer Vollpfosten, sondern wie ich finde ein erstklassiger Autor, der 1992 den Booker Prize gewonnen hat und dessen Bücher nahezu durch die Bank gute Kritiken bekommen haben.

In dem Buch wechselt Unsworth wiederholt innerhalb einzelner Szenen die Perspektive. Ich bin da beim ersten Lesen etwas drüber gestolpert, allerdings ist es notwendig, um das Geschehen aus den verschiedenen Blickwinkeln darzustellen und das Innere der Figuren so offen zu legen, wie es die Absicht des Autors war. Ohne diese Technik hätte er 20 Szenen mehr gebraucht, die alle rückwärts gerichtet gewesen wären, um bereits einmal Erzähltes noch einmal aus einer anderen Sicht zu beleuchten - viel zu unnötig und sperrig und ausbremsend.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Malinche am 11. Oktober 2012, 16:42:20
Das ist schwierig. Denn eigentlich versuche ich auch, solche Sätze zu vermeiden, eben aus den Gründen, die deine Lektorin angeführt hat: Es ist schwer, etwas zu beschreiben, was man selbst gar nicht merkt. Ich bin jetzt keine professionelle Lektorin, aber ich neige auch dazu, mir selbst und beim Betalesen solche Konstruktionen anzukreiden.

Allerdings denke ich, dass es Grauzonen gibt bzw. Möglichkeiten, solche unbewussten Handlungen doch darzustellen:
"Seine Hand blutete, aber er merkte es kaum" ist für mich damit beispielsweise vertretbar, "Seine Hand blutete, aber er bemerkte es gar nicht" hingegen nicht, weil es - aus seiner Perspektive - einfach keinen Sinn ergibt.

Eine andere Alternative wäre, dass dem Perspektivträger nach einer Weile auffällt, was da passiert (und darüber begreift, dass ihm beispielsweise in den letzten zehn Minuten das Bluten seiner Hand entgangen sein muss).

Gut möglich, dass es häufig irgendwo zu lesen ist, ich habe da gerade keine Beispiele im Kopf bzw. zur Hand. Trotzdem würde ich damit nicht unbedingt argumentieren. Wenn der Leser mehr wissen soll als der Perspektivträger, gibt es meiner Meinung nach ebenfalls andere Möglichkeiten - das wäre vielleicht sogar einen eigenen Thread wert, wenn wir das noch nicht haben? -, das zu erreichen, als mit einer inkonsequenten und unsauberen Perspektive. Dass das wiederum sauschwierig ist,  ist eine andere Sache. ;D

[EDIT] Und natürlich stellt sich die Frage, welche Prioritäten man setzt. Mir persönlich ist eine sauber durchgehaltene Perspektive mittlerweile sehr wichtig, wobei es natürlich Bücher gibt, wo häufiger Perspektivwechsel auch ein gezieltes Stilmittel sein kann.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Sprotte am 11. Oktober 2012, 16:55:57
Ich stimme Malinche zu. Ich kreide es ebenfalls an. "Tim bemerkte nicht, wie sein Feind sich hinter ihm anschlich." Geht für mich nicht.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Zit am 11. Oktober 2012, 17:14:16
Zitat von: Sprotte am 11. Oktober 2012, 16:55:57"Tim bemerkte nicht, wie sein Feind sich hinter ihm anschlich." Geht für mich nicht.

Ich mag solche Konstrukte auch nicht. Allerdings aus dem Grund, dass sie mir zu passiv sind. Und in dem speziellen Beispiel nimmt man sich ja auch selbst die Spannung oder vielmehr den Schrecken, was man Lesern bereiten könnte. :D
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Angela am 11. Oktober 2012, 17:21:20
Ich bin da inzwischen auch ganz empfindlich und verliere schnell die Lust, einen solchen Text zu lesen. Einfach, weil es mich aus der Geschichte reißt. (Was einem Leser, der nicht auf diese Dinge achtet, unter Umständen überhaupt nicht auffallen mag.)
Andere Beispiele als Beweis heranzuziehen? Das wird die Lektorin nicht beeindrucken, denke ich. Malinches Alternativenvorschlag wäre sicher besser.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Aphelion am 11. Oktober 2012, 18:21:36
Es macht in meinen Augen einen deutlichen Unetrschied, ob die Perspektive "ständig" wechselt, oder nur an zwei Stellen auf x Seiten. Ersteres ist ein Stil (den man mögen kann, aber nicht muss), letzteres leichte Inkonsequenz. Ob diese Inkonsequenz durch einen übergeordneten Sinn gerechtfertigt ist, kommt auf den Kontext an. In den meisten Fällen gibt es imho jedoch keine solche (tatsächliche) Rechtfertigung: Entweder, man baut die Information anders ein, oder die (diese eine) Perspektive ist nicht 100%ig die richtige für diese Textstelle.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Debbie am 11. Oktober 2012, 18:54:27
@Kaeptn:

Ja, solche Fälle, wie du beschreibst, gibt es zuhauf. In HP gibt es ein paar solcher "Fokalisierungs-Wechsel". Und in Thomas Manns Tristan.

In der klassischen Perspektivaufteilung ist für solche Dinge tatsächlich kein Platz. Dort ist es strengstens verboten, zwischen der Personalen und der Auktorialen zu wechseln. Im Literaturwissenschaftsstudium haben wir allerdings gelernt, nicht in "Perspektiven" sondern in "Fokalisierung" zu denken und zu analysieren. Ich denke, die Erzähltheorie nach Genette ist noch nicht überall Standard, macht aber tatsächlich, gerade bei der Fokalisierung, oftmals mehr Sinn - v. a. wenn man Texte analysieren muss. Denn diese kleinen Perspektivwechsel gibt es in ungemein vielen Werken; auch wenn sie meist unbemerkt bleiben. Da gibt es ein ganzes Buch dazu, aber ich denke bei Wikipedia ist es ganz gut zusammengefasst.

http://de.wikipedia.org/wiki/Fokalisierung

Nach Genette, ist deine Erzählweise also möglich - dennoch finde ich es (als Leser) besonders wichtig, den Wechsel von der Internen in die Nullfokalisierung nur spärlich und in bedeutenden Ausnahmefällen zu verwenden. Z.B. bei einer Art "Foreshadowing" am Ende eines wichtigen Kapitels. Für Banalitäten, wie die Sache mit der blutenden Hand, würde ich keinen Wechsel einsetzen. Und ich würde dann auch ein "Nichtbemerken" nicht aus Sicht der Figur schildern - das beißt sich für mein Gefühl irgendwie.

Zitat von: Sprotte am 11. Oktober 2012, 16:55:57
Ich stimme Malinche zu. Ich kreide es ebenfalls an. "Tim bemerkte nicht, wie sein Feind sich hinter ihm anschlich." Geht für mich nicht.

Für mich auch nicht. Aber das wäre für mich in Ordnung: "Tim zog sein Schwert aus dem leblosen Körper, der zu seinen Füßen lag, während sich der sichere Tod unbemerkt von hinten näherte." oder: "Tim zog sein Schwert aus dem leblosen Körper, der zu seinen Füßen lag. Siegesschreie hallten durch die Katakomben. Niemand bemerkte den sicheren Tod, der sich lautlos (oder unsichtbar) von hinten näherte." (Als Kapitelende wohlgemerkt, innerhalb eines ansonsten intern fokalisierten Textes, würde ich es nicht anwenden.)




Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Kaeptn am 11. Oktober 2012, 19:18:10
Danke für die vielen Wortmeldungen. Fokalisierung, meine Güte, noch nie gehört... muss mir das jetzt peinlich sein ;) Vielen Dank, werde es mal studieren.

Jedenfalls bin ich ja nicht verbohrt, werde nach den hier geäusserten Meinungen also demütig die Änderungsvorschläge meiner Lektorin abwarten und dann mal schauen, was wir daraus machen.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Sprotte am 11. Oktober 2012, 19:36:26
Ein Beispiel für so einen Perspektivbruch hab ich noch.

ZitatSie starrte ihn an. Man sah ihm an, daß er Sport trieb.
Wo ich nur fragte: Wer ist "man"? Sieht sie es ihm nicht an?
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Debbie am 11. Oktober 2012, 19:47:59
ZitatSie starrte ihn an. Man sah ihm an, daß er Sport trieb.

"Man" schließt die Prota ja mit ein - und soll gleichzeitig verallgemeinernd wirken (im Sinne von "jeder kann es sehen"), und so bedeuten, dass es "offensichtlich" ist. Als Perspektivwechsel oder -bruch würde ich das nicht bezeichnen. Eventuell wäre es vielleicht als rhetorisches Stilmittel zu betrachten:

http://de.wikipedia.org/wiki/Pluralis_Modestiae
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Mogylein am 18. Oktober 2012, 12:46:00
Ich bin aktuell in der Überlegung, welche Perspektive ich für mein nächstes (diesjähriges NaNo-)Projekt wählen möchte. Ich habe sehr lange in einer sehr personalen, an einen Charakter gebundenen Perspektive gearbeitet (die letzten... fünf Jahre?) doch diesmal stehe ich vor einem Problem: Ich will dem Leser mehr Information geben als meiner Protagonistin.
Es geht um das "Geheimnis", die Motive der mitreisenden, zweiten Hauptfigur, welches der Leser erfahren möglichst mit einer aktiv geschriebenen Rückblende erfahren soll.
Zwei getrennte Perspektiven für zwei Menschen, die eigentlich 80% der Zeit zusammen reisen finde ich aber verwirrend.

Was denkt ihr, ist die schlauste Variante? Einmalig in die andere Perspektive reinrutschen? Eine auktorialere Erzählweise (scheint mir in den letzten Jahren sehr verpöhnt)? Oder ganz auf meinen Wissensvorsprung vom Leser verzichten und die Informationen irgendwie anders unterbringen?
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Churke am 18. Oktober 2012, 13:03:13
Zitat von: Mogylein am 18. Oktober 2012, 12:46:00
Zwei getrennte Perspektiven für zwei Menschen, die eigentlich 80% der Zeit zusammen reisen finde ich aber verwirrend.

Aus dem Bauch heraus würde ich sagen, dass es darauf ankommt, wie stark sich die beiden Perspektivträger und ihre Motive und Ziele unterscheiden.
Beispiel: Ein Pastor reist zusammen mit einem Raubmörder, der sich fest vorgenommen hat, den arglosen Pfaffen vor dem Ziel aufzuschlitzen.

Was mir allerdings arge Bauschmerzen bereiten würde, wäre, eine "normale" Perspektive und eine begleitende, rückblendenlastige Perspektive zu haben. Das ist ein formaler und innerer Bruch.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: pink_paulchen am 18. Oktober 2012, 13:10:25
Zitat von: Mogylein am 18. Oktober 2012, 12:46:00
Eine auktorialere Erzählweise (scheint mir in den letzten Jahren sehr verpöhnt)?
Also ich bin gerade fast durch mit dem "Albtraumreich des Edward Moon". Dort gibt es einen auktorialen Erzähler und das wird als Stilmittel kunstvoll verwendet. Ich habe an einigen Stellen laut gelacht und fand diese Erzählmethode wirklich grandios. Einen Eindruck was ich meine, bekommst du in dieser Rezension:
http://literatopia.de/index.php?option=com_content&view=article&id=1594:das-albtraumreich-des-edward-moon-jonathan-barnes&catid=62:fantasy&Itemid=98
Ich hätte total Lust sowas zu schreiben, wenn ich gerade anfangen würde. Vielleicht passt etwas in der Art auch für dich...
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Mogylein am 18. Oktober 2012, 13:22:16
Zitat von: Churke am 18. Oktober 2012, 13:03:13
Was mir allerdings arge Bauschmerzen bereiten würde, wäre, eine "normale" Perspektive und eine begleitende, rückblendenlastige Perspektive zu haben. Das ist ein formaler und innerer Bruch.

Wenn ich die Perspektive auf zwei aufteilen würde, wäregäbe es nur an einer Stelle eine Rückblende. Vielleicht noch etwas der-Vergangenheit-hinterhertrauern oder leicht angedeutete Erinnerungen bei bestimmten Schauplätzen, aber rückblendenlastig wäre sie nicht.
Rückblendenlastig wäre sie allein dann, wenn ich nur ein Mal auf die Perspektive meines Zweithelden zurückgreifen würde, denn dann wären 100% seiner Perspektive Rückblenden.

@pink_paulchen
Die Idee finde ich toll und ich würde so etwas auch gerne einmal schreiben, aber aufgrund der Ernsthaftigkeit des Plots - und auch meiner noch sehr ausbaufähigen Fähigkeiten - würde ich das erstmal auf ein späteres Projekt schieben.
Danke dir auf jeden Fall für deinen Vorschlag.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Lemonie am 18. Oktober 2012, 17:40:01
Ich denke, zwei Perspektiven sind da durchaus möglich, das mach ich auch manchmal (obwohl die Charaktere die meiste Zeit zusammen sind).

Wenn du die zweite Perpsektive vor allem wegen der Informationen brauchst, kannst du ja ihren Anteil verringern, das heißt, den großen Teil Prota, und zwischendurch immer mal ein Kapitel 2. Person... allerdings ohne die Perspektive auf die Informationen zu reduzieren, ich würde dann als Leser auch erwarten, dass eine neuer Perspektivträger auch "frischen Wind" reinbringt...
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Debbie am 18. Oktober 2012, 18:20:40
Wieviel Zeit die Protas da miteinander verbringen finde ich eher irrelevant - ich bin der gleichen Meinung wie Churke: Wenn die Charaktere unterschiedlich und ihre Erzählerstimmen authentisch genug sind, geht das ohne Probleme. Dann finde ich es sogar spannend, wenn man von ein und demselben Vorfall zwei verschiedene Sichtweisen geliefert bekommt ... Das lässt soviel Platz für "starke" Charakterisierung - was ich persönlich besonders schätze - und kann, wenn die Motive beider Seiten gut dargestellt werden und zur Identifikation einladen, den Leser in einen Zwiespielt bringen. Eine ganz eigene, subtilere Art von Spannung  :vibes:

Geht das mit der Identifikation aber schief, kann das desaströse Folgen haben. Im schlimmsten Fall wartet der Leser am Ende nur noch auf die Szenen, in der aus Sicht von Charakter X erzählt wird, weil er auf dessen Triumphieren hofft und die Gründe von Charakter Y überhaupt nicht nachvollziehen kann - oder noch schlimmer, sie ihm egal sind  :o

Ich finde aber durchaus, dass du ein Kapitel dazwischen schieben kannst, in dem du die Geschehnisse z. B. aus der Neutralen (evtl. auch aus der Auktorialen) erzählst (http://www.buecher-wiki.de/index.php/BuecherWiki/NeutraleErzaehlperspektive), sodass dem Leser zwar die Fakten präsentiert werden, er aber das Ganze entweder noch nicht einordnen kann, oder ihm die Konsequenzen daraus noch unklar sind, oder ihm einfach nur die Gefühlswelt des betreffenden Protas noch verborgen ist. Das hält den Spannungsbogen - bis zu einem gewissen Grad - aufrecht, und lässt dir Spielraum bei der "Enthüllung", bzw. den Höhepunkt des Konflikts.

Übrigens hat auch J.K. Rowling so was ähnliches mal angewandt - in "HP und der Feuerkelch" wird das erste Kapitel in der Auktorialen erzählt.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Lemonie am 18. Oktober 2012, 22:08:53
Zitat von: DebbieWenn die Charaktere unterschiedlich und ihre Erzählerstimmen authentisch genug sind, geht das ohne Probleme. Dann finde ich es sogar spannend, wenn man von ein und demselben Vorfall zwei verschiedene Sichtweisen geliefert bekommt ... Das lässt soviel Platz für "starke" Charakterisierung - was ich persönlich besonders schätze - und kann, wenn die Motive beider Seiten gut dargestellt werden und zur Identifikation einladen, den Leser in einen Zwiespielt bringen. Eine ganz eigene, subtilere Art von Spannung  :vibes:

Sehe ich genauso :)

Und ja, die Szene in HP habe ich auch noch im Kopf, da fand ich das ziemlich gut gemacht (kam später nochmal, oder? Im 6., glaub ich...) Kann aber sein, dass es mitten im Buch etwas merkwürdiger kommt, am Anfang reißt es einen nicht so raus.
Spoiler (Harry Potter): Hat sich das Ganze im ersten Kapitel vom Feuerkelch nicht als Traum von Harry rausgestellt? Bzw ein Teil davon?
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Debbie am 19. Oktober 2012, 09:02:11
@Lemonie: Stimmt! Man weiß nicht so genau, wo die auktoriale Erzählung aufhört und Harry's Traum beginnt. Im 6. Band gestaltet sich das Ganze als "Dumbledore's gesammelte Erinnerungen" - soweit ich weiß, werden die aber aus der Personalen erzählt (der betreffenden Personen, nicht Harry's).
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Mogylein am 23. Oktober 2012, 11:15:38
Ich danke euch für eure Ideen und Einblicke. Zu einer festen Entscheidung bin ich zwar noch nicht gekommen, aber ich werde es erstmal ausprobieren, angefangen von den zwei personalen Perspektiven. Dadurch, dass die beiden einen sehr unterschiedlichen Bildungsstand haben, denke ich, dass ich zwei unterschiedliche Erzählstimmen hinbekomme.
Debbies Argument mit der subtilen Art von Spannung hat gezogen - und ich kann mir auch schon gut vorstellen, wie das funktioniert.


Sollte ich damit aber nicht zu Rande kommen, werde ich auch eine distanziertere Perspektive ausprobieren. Vielleicht ist das ja gerade das, was ich nach so vielen personalen Geschichten brauche.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Kaeptn am 24. Oktober 2012, 20:43:06
So, ich nochmal.

Wir haben jetzt noch einen konkreten Punkt in Sachen "personaler Erzähler" und Perspektive.

Es geht um Formulierungen wie "platzte es aus ihm her/hinaus", "brach es aus ihm her/hinaus." Muss es da wirklich "hinaus" heißen, wenn die Worte aus dem Mund des Erzählers kommen? Für mich klingt das einfach komisch.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: HauntingWitch am 25. Oktober 2012, 11:56:43
Das stimmt, das klingt irgendwie sperrig (obwohl es dauernd verwendet wird und wir es gewohnt sind). Aber ich würde nicht das "hinaus" weglassen, sondern das "aus ihm/aus mir". Wenn wir über uns reden sagen wir ja auch: "Es ist mir herausgeplatzt" und nicht: "Es ist aus mir (heraus)geplatzt/gebrochen".  ;)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Debbie am 25. Oktober 2012, 14:24:15
Abgesehen davon, dass der Duden "hinausplatzen/hinausbrechen" nicht kennt (hat das überhaupt schon mal jemand gehört) und man deshalb alleine schon davon ausgehen muss, dass es schlicht "falsch" ist, kann man das Ganze dann damit begründen, dass beide Ausdrücke feststehende Begriffe sind, die nicht der her-/hin-Regel unterworfen sind.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: HauntingWitch am 25. Oktober 2012, 17:04:56
Zitat von: Debbie am 25. Oktober 2012, 14:24:15
Abgesehen davon, dass der Duden "hinausplatzen/hinausbrechen" nicht kennt (hat das überhaupt schon mal jemand gehört) und man deshalb alleine schon davon ausgehen muss, dass es schlicht "falsch" ist,

Entschuldigt, danach lasse ich das Feld etwas offener. ;) Aber da muss ich widersprechen. Wenn der Duden uns sagen würde, was "richtig" und was "falsch" ist, ist jedes nicht in Anführungszeichen gesetzte Nee, Menno, Hach, u.ä. auch falsch. Möchte ich aber meinen Leser möglichst nahe an den Perspektivträger heranbringen, gelingt mir das am besten, indem ich auch in den erzählten Passagen, (die nicht direkte Rede oder eindeutig als Gedanken deklariert sind), in den Worten schreibe, in denen mein Protagonist denkt. Und manche Leute denken nun mal eher: "Ach, nee" als: "Oh, nein". Dann schreibe ich auch in meinen erzählten Text: "Ach nee, jetzt musste der hier auch noch auftauchen." Ah und stimmt: Steht "oh" im Duden?  ;) Nicht, um den Duden in Frage zu stellen. Ich würde mich einfach nicht alleine darauf verlassen - zumindest alles was Stil- und Geschmacksfragen, die über Rechtschreibung und Grammatik hinausgehen angeht.

Ein weiterer Aspekt ist natürlich, ob du einen Ich-Erzähler hast oder nicht. Beim Ich-Erzähler plädiere ich sowieso für oben erwähnte Vorgehensweise. Bei der 3. Person, ist es wie gesagt eine Frage der Nähe, denke ich.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Debbie am 25. Oktober 2012, 22:22:41
ZitatWenn der Duden uns sagen würde, was "richtig" und was "falsch" ist, ist jedes nicht in Anführungszeichen gesetzte Nee, Menno, Hach, u.ä. auch falsch. Möchte ich aber meinen Leser möglichst nahe an den Perspektivträger heranbringen, gelingt mir das am besten, indem ich auch in den erzählten Passagen, (die nicht direkte Rede oder eindeutig als Gedanken deklariert sind), in den Worten schreibe, in denen mein Protagonist denkt. Und manche Leute denken nun mal eher: "Ach, nee" als: "Oh, nein". Dann schreibe ich auch in meinen erzählten Text: "Ach nee, jetzt musste der hier auch noch auftauchen." Ah und stimmt: Steht "oh" im Duden?  ;) Nicht, um den Duden in Frage zu stellen. Ich würde mich einfach nicht alleine darauf verlassen - zumindest alles was Stil- und Geschmacksfragen, die über Rechtschreibung und Grammatik hinausgehen angeht.

Natürlich kann der Duden nicht jedes Wort in diversen Dialekten wiedergeben - noch werden "Ausrufe", die mehr an Laute als Worte erinnern, dort erfasst. Der Duden ist für korrektes Deutsch zuständig, und "hinausplatzen"/"hinausbrechen" sind (falsche) hochdeutsche Begriffe, die in der deutschen Sprache einfach nicht existieren. Das hat auch überhaupt nichts mit der Erzählperspektive zu tun - die Worte gibt es nicht.

Und was "Dialekt" in Texten angeht: Auch da würde ich persönlich immer vorsichtig sein. Wenn es sich nicht gerade um einen Teenager handelt, führt ein "salopper" Ton - egal ob in wörtlicher Rede oder als Gedanken - schnell zu dem Eindruck, der Sprecher sei ungebildet. Ist das gewollt, ist das natürlich perfekt.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Arne am 01. Dezember 2012, 09:22:16
Ich gestehe, nicht den ganzen Thread gelesen zu haben. Aber dennoch möchte ich einen kleinen Hinweis zur ersten Person hinterlassen. Ich selbst verwende etwas, das ich "versteckte" erste Person nenne. Dazu bin ich gekommen, da auch in dritter Person die ständigen Erklärungen, wie sich jemand fühlt oder aber auch die zu umfassenden Beschreibungen bei genauerem Hinsehen irgendwie... aufgepfropft wirken können. In erster Person fühlte es sich regelrecht aufdringlich für mich an.
Was genau meine ich? Mein großer Leitsatz ist: Show, don't tell. Wenn ich zeigen kann, dass mein Protagonist genervt ist, ohne es zu sagen, dann tue ich das. Dazu bietet sich an, dass Du ohnehin schon die ungefilterten Gedanken Deines Protagonisten nutzen willst. Pass die Formulierungen und Kommentare an die Situation an und Du hast gleich ein "Ich" weniger in Deinem Text und die erste Person drängt sich nicht so sehr auf.
Beispiel: Statt "Ich wurde langsam ungeduldig." ein "Wo blieb/bleibt er denn, verdammt?" (die Zeit in solchen Gedanken ist ein anderes Thema).
Konsequent durchgezogen lässt sich so eine Geschichte quasi in erster Person schreiben, ohne sie direkt zu verwenden. Du benutzt die Perspektive als Wahrnehmungsfilter, aber nicht die entsprechenden Pronomen. So habe ich es mit meinem letzten Roman gemacht - 105000 Wörter ohne ein einziges protaginistenbezogenes Pronomen außerhalb des gesprochenen Teils von Dialogen, nicht mal sein Name wird genannt, sofern ihn nicht jemand laut ausspricht (es gibt nebenbei nur diese eine Perspektive).
Es muss natürlich nicht dieses Extrem sein. Aber ich denke, dass sich die subjektive Aufdringlichkeit der ersten Person auch durch ein konsequentes "Show, don't tell" weit genug abmildern lässt, dass es angenehmer zu lesen ist. Lass den Perspektivcharakter die Geschichte einfach mehr erleben, als sie erzählen.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Ryadne am 23. Januar 2013, 23:35:48
Ich bin gerade etwas überfordert; ich habe zwei Ich-Erzähler, allerdings ist mir die Idee gekommen, einen von beiden umzubringen. Aber es kommt mir total seltsam vor, den einen dann halt sterben zu lassen, den anderen aber noch weitererzählen zu lassen. Bei sterbenden Ich-Erzählern ist es ja in der Regel so, dass sie sozusagen einem imaginären Zuhörer nochmal alles erzählen, während sie den Tod herannahen sehen... aber das gibt für mich nur Sinn, wenn das Ende dann die Gegenwart ist. Aber dann kann ich ja schlecht die andere Figur weiter im Präteritum erzählen lassen.  :no: Oder muss man beim Tod eines Ich-Erzählers gar nicht ins Präsens wechseln, steh ich nur gerade auf dem Schlauch?

Edit: Habe gerade mal probeweise angefangen, den bald toten Ich-Erzähler in einen personalen umzuwandeln. Jetzt hab ich abwechselnd eine Ich-Erzählerin und einen personalen Erzähler. Klingt das noch seltsamer?  :-\

Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: DEckel am 24. Januar 2013, 09:38:35
Ich denke das macht so mehr Sinn.

Du hast schon Recht - Wenn der Ich-Erzähler stirbt und danach von seinem Tod erzählt käme mir das komisch vor (ausser du hast Geister in deiner Geschichte)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Ryadne am 24. Januar 2013, 10:43:26
Naja, er erzählt ja nicht hinterher noch weiter, das erledigt dann der andere. Aber solange ich nicht im Präsens schreibe, kommt mir das trotzdem komisch vor. Aber im Präsens zu schreiben, ist keine Option - das gibt bei mir immer ein Zeitenkuddelmuddel.

Version 2 kommt mir vom Lesen her jetzt eigentlich auch besser vor. Ist zwar irre viel Arbeit, jetzt alles umzuschreiben... aber wenigstens klärt sich das Problem damit. Ein bisschen zumindest.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Churke am 24. Januar 2013, 13:48:48
Zitat von: Ryadne am 23. Januar 2013, 23:35:48
Aber dann kann ich ja schlecht die andere Figur weiter im Präteritum erzählen lassen.  :no: Oder muss man beim Tod eines Ich-Erzählers gar nicht ins Präsens wechseln, steh ich nur gerade auf dem Schlauch?
Das Präteritum ist die Erzählzeit. Das hat mit der Zeitachse nicht unbedingt etwas zu tun. Ich sehe also keinen Grund, nach dem Tod von Ich-A nicht mit Ich-B im Präteritum weiter zu machen. Ob das eine gute Lösung ist, steht auf einem anderen Blatt. Erfahrungsgemäß sind ungewöhnliche Lösungen suboptimal, sonst wären sie nicht ungewöhnlich.  ;)

Zitat
Edit: Habe gerade mal probeweise angefangen, den bald toten Ich-Erzähler in einen personalen umzuwandeln. Jetzt hab ich abwechselnd eine Ich-Erzählerin und einen personalen Erzähler. Klingt das noch seltsamer?  :-\
Habe da neulich ein Buch gelesen, in dem das so war. Ich fand das ziemlich anstrengend, aber ich denke, dass das eher am schwer verdaulichen Inhalt lag als an der Erzählform.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Leann am 24. Januar 2013, 14:04:33
Allein vom "Lesegefühl" her finde ich es seltsam, wenn ein Ich-Erzähler stirbt.
Das fühlt sich komisch an, fast wie Betrug. Am Schlimmsten ist das, wenn es über viele Seiten hinweg nur diesen einen Ich-Erzähler gab und die Perspektive erstmalig nach seinem Tod gewechselt wird.

Aber das könnte auch nur persönlicher Geschmack sein. Was gar nicht geht ist meiner Meinung nach, wenn der Ich-Erzähler seinen Tod beschreibt, in der Art von "Dann fiel ich um und war tot."

Wenn beide Ich-Erzähler schon seit geraumer Zeit "nebeneinander" im Roman vorkommen, finde ich es nicht ganz so schlimm, wenn einer von ihnen stirbt und der andere weitererzählt.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Erdbeere am 27. Januar 2013, 21:24:37
Ich habe ein Problem bei meinem ersten Baby. Entstanden vor zwei Jahren nach langer Schreibabstinenz während des Nano (sagt, glaub ich, schon alles). Geschrieben habe ich es so, wie ich vor Jahren FanFictions geschrieben habe - Perspektiven wild durcheinander, sogar innerhalb einer Szene mehrere Wechsel von Protagonist zu Protagonist. Wie in einem Film: Fokus auf den Hauptdarsteller - Schnitt - Fokus auf den Nebendarsteller - Schnitt - Fokus auf den Love Interest - Schnitt und wieder von vorne. Dazwischen rücke ich immer wieder für einen Augenblick von den Figuren weg.
Alles in allem ist es stellenweise ziemlich mühsam zu lesen und auch verwirrend. Das Tempo ist durchgehend schnell, weil auch viel passiert. Das Schwierige für mich ist nun bei der Überarbeitung, die Szenen genau zu definieren und einzelnen Perspektivträgern zuzuteilen, aus deren Sicht ich die Szenen neu schreiben muss. Eigentlich müsste ich den ganzen Roman ab dem dritten Kapitel neu schreiben :d'oh:, denn sobald meine Protas aufeinander treffen, "clashen" auch die Perspektiven.

Allerdings mag ich das auch irgendwie. Neil Gaiman schreibt sehr ähnlich (nur so viel cooler und besser :innocent:). Wenn ich das auch so cool hinkriege, kann ich den schnellen Perspektivwechsel teilweise auch drin lassen.

Bei meinen neueren Sachen habe ich das Problem nicht mehr, weil langsam Routine reinkommt. Da weise ich gleich zu Beginn zu, wer welche Szene kriegt.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: KaPunkt am 27. Januar 2013, 21:40:03
Was genau ist jetzt deine Fragestellung?

Allgemein kann ich dir sagen, dass ich bei meinem Erstling das gleiche Problem habe / hatte und das mir bis jetzt jeder Lektor deswegen auf die Finger gehauen hat.
Und zwar ordentlich. (Der erste hat mir zum Thema 'so macht man das richtig' eines meiner Lieblingsbücher als Positiv Beispiel empfohlen. Das hat gesessen.  :pfanne: )
Ich lese gerne Neil Gaiman (kenne bisher nur American Gods, Neverwehre und Good Omens ) aber ehrlich gesagt sind mir da irgendwelche Besonderheiten in Bezug auf die Perspektiv-Wechsel nicht gewärtig.
Mir ist es bei den Drei Musketieren aufgefallen. Und da hat es mich gestört. *schulterzuck*

Liebe Grüße,
KaPunkt
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Alana am 27. Januar 2013, 21:46:25
Ich habe erst kürzlich einen Roman gelesen, wo man wirklich ständig in den Köpfen herumgesprungen ist. Ich fand das ganz schrecklich, weil sich da kein Spannungsbogen und keine emotionale Nähe zu den Figuren aufbauen konnte. Aber ich mag es sowieso nicht, wenn es zu viele Perspektivträger gibt. Das ist sicher auch Geschmackssache.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Erdbeere am 01. Februar 2013, 09:27:58
Ich arbeite zur Zeit hart an meinem Roman und bin froh, dass ich ihn ausgedruckt habe. Im ersten Drittel ist es mit den perspektivischen Wechseln noch nicht ganz so schlimm, aber ich sehe, dass ich immer wieder kurz, für nur 2-3 Sätze, in die andere Person geschlüpft bin. Das lässt sich einigermassen leicht beheben.

Was ich mich jetzt aber frage ist folgendes (und das habe ich oben vergessen zu erwähnen @KaPunkt): Ich habe drei Perspektivträger bzw. drei Protagonisten. Ab wann sind Perspektivwechsel zu viel, verwirrend, störend?
Ich nehme als Beispiel gerne wieder Neil Gaiman (weil ich wirklich ähnliche Wechsel habe wie er). Teilweise schreibt er lange aus der Sicht einer Person, dann ein Absatz (und diese Sternchen dazwischen), ein paar Sätze aus der Sicht einer anderen Person, Absatz, zurück zur ersten etc.
Auf die Sternchen zwischen den Absätzen verzichte ich, weil das sonst zu ähnlich wäre (nur im ersten Kapitel, da habe ich sie drin, weil die drei Protas eingeführt werden und die halbe Welt zwischen sich haben). Ich habe auch kein bestimmtes Schema, z.B. habe ich kein einziges Kapitel einer bestimmten Person zugeteilt oder habe eine Reihenfolge der Perspektivträger, die ich einhalte.
Einer meiner Betas fragte mich, ob das ein Stil und so gewollt sei. Ehrlich gesagt, ich habe keine Ahnung. Ich schreibe so. Ich sehe meine Geschichte wie einen Film vor mir, und so schreibe ich auch.

Haut mich, falls ich zu verwirrend bin. :gähn:
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: HauntingWitch am 03. Februar 2013, 14:47:17
Ich habe auch nie ein bestimmtes Schema. Ich finde, man kann einer Person durchaus einen so langen oder kurzen Abschnitt geben, wie es für die Geschichte eben passend ist und dass das nicht immer gleich viel ist, ist für mich nur logisch. Die Perspektiven pro Kapitel aufzuteilen oder zu sagen, nach so und so vielen Seiten muss ein anderer Prota zum Zuge kommen, wäre mir zu zwanghaft.

Das andere: Ich denke, es kommt sehr stark auf die Sequenz an, die man gerade schreibt. Es gibt einfach Passagen, die sich seitenweise aus derselben Perspektive zeigen lassen, weil es auch gar nicht mehr braucht. Aber wenn ich nun etwas zeigen möchte, dass dieser Protagonist gar nicht weiss und nur der 2. Protagonist weiss, dann muss ich an der Stelle dem 2. Protagonisten eine Perspektive geben. Und wenn dann der 2. Protagonist nur eine halbe Seite lang spricht und der 1. die zehn Seiten drumherum (also die 5 davor und die 5 danach), dann ist es eben so. Oder wenn ich eine Actionszene habe, in der zwei Personen an zwei verschiedenen Stellen kämpfen und ich will dass der Leser alles in "real time" mitbekommt - dann haben die Absätze halt nur fünf Zeilen oder mal mehr und mal weniger. Ich glaube, wir "modernen" Autoren machen uns viel zu viele Gedanken darüber, was man darf und was nicht. Dann lese ich ältere Bücher und sehe diese - aus heutiger Sicht - Anarchie, wenn man so will, die dort betrieben wird. Und trotzdem liest man diese Bücher gerne und sie hatten Erfolg, sonst würden sie ja nicht immer noch gelesen werden. 

Also, Erdbeere, ich würde sagen, schreib so, wie du es als richtig empfindest. Das ist das einzig Richtige, wenn du versuchst, sie in ein Korsett zu zwängen, machst du sie am Ende noch kaputt.  ;)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Alana am 03. Februar 2013, 14:54:36
Das mit den Sternchen ist nicht von Neil Gaiman erfunden worden, denke ich, also kannst du das ruhig verwenden, ich mache das zumindest auch.

Zu den Perspektivwechseln: Ich denke, es kommt darauf an, warum man das macht. Wenn man in einer Persepktive bleiben will, dann muss man aus der Sicht dieser Person schlüssig darstellen, was eine andere Person wahrscheinlich denkt und fühlt. Das ist nicht immer leicht, aber gerade das macht für mich den Reiz einer Geschichte aus. Zu häufiges Springen reißt mich dagegen immer raus.
Wenn es für den Wechsel aber einen Grund gibt, einen, der den Plot vorantreibt oder die Spannung erhöht, dann finde ich das nachvollziehbar.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Serena Hirano am 03. Februar 2013, 15:25:33
Zitat von: Ryadne am 23. Januar 2013, 23:35:48
Habe gerade mal probeweise angefangen, den bald toten Ich-Erzähler in einen personalen umzuwandeln. Jetzt hab ich abwechselnd eine Ich-Erzählerin und einen personalen Erzähler. Klingt das noch seltsamer?  :-\

Das habe ich auch schon gemacht. Und ebenso einen Roman in Ich-Perspektive geschrieben, wobei ich auf Grund des Lesens von diesem Thread beim Bearbeiten eindeutig mal ein paar Dinge mit meiner Prota diskutieren muss *hüstel*

Auch kenn ich Buchreihen, in denen das erste nur aus einer Sicht bestand und in den Folgenbänden mehrere Sichtweisen der Hauptpersonen hinzukamen...

Im Grunde stimme ich Alana zu. Man sollte wissen, warum man es macht. Und wenn es dann wirklich passt und gut geschrieben ist, dann wird es im Leseverhalten auch nicht sauer aufstoßen. Wenn ich nun zwei Annsichten brauche, um die komplette Story rüberzubringen, dann werd ich als Leser froh sein, zwei Perspektiven kennenzulernen. Ansonsten bliebe ja nur einer und der müsste den halben Roman lang denken, mutmaßen, fühlen, glauben, schätzen etc... Das würde mich dann eher stören.
Ich hab aber auch schon Sachen gelesen, in denen so oft hin und her gehüpft wurde, dass man sich vorkam wie in ner Schulhofdiskussion von 7jährigen. Alles wurde so schnell wie möglich mit so viel Info wie möglich aneinandergereiht. Sowohl als Zuschauer, wie als Leser, steht man dann ja aher mit nem Fragezeichen überm Kopf da.

Ich hab das hier gelesen und mich (positiv) erschrocken, was es alles für Kleinigkeiten gibt, die man so falsch machen kann. Werd ich bei mir alles mit berücksichtigen.
Aber mal im Ernst (Anmerkung, den Fokalisierungslink werd ich mir dringend zu Gemüte führen, Danke!) zählt nicht unter dem Strich am meisten, wie flüssig und logisch sich die Geschichte am Ende aufnehmen lässt?
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Coppelia am 19. März 2013, 20:14:59
Ich hab schon länger überlegt, ob ich noch mal in diesen Thread schreibe. In den letzten Jahren habe ich mich ja viel mit literaturwissenschaftlicher Theorie zur Erzählperspektive beschäftigt. Das hat meinen Blick darauf, wie man "richtig schreiben muss", sehr verändert.
Ich lege allen, die sich dafür interessieren, vor allem zwei Bücher ans Herz, "Narratologie" (glaube, dass es so heißt) von Wolf Schmid, und "Narratology" von Mieke Bal. Mit dem letzten hab ich meine Diss bestritten. ;) Ich schätze vor allem ihr Ebenenmodell der Fokalisierung. Es hat mir sehr geholfen, zu erkennen, wann überhaupt Figurenperspektive vorliegt und wie man sie am besten erkennen kann, und mir die Illusion von Objektivität abzuschminken.

Selbst wenn durchgängig Figurenperspektive vorliegt, ist man als Leser immer unterschiedlich nah "dran" an den Figuren. Es gibt Mittel wie z. B. die erlebte Rede, die einen sehr nah an die Figuren heranbringt. Allerdings kann man aus der Sicht einer Figur auch distanziert schreiben, wenn man es darauf anlegt. Was mich fast am meisten gefreut hat zu erfahren: Viele Betaleser meinten, dass sich in meine Sätze wie "Die Götter hatten einen miesen Humor" Umgangssprache hineinverirrt hat, die verschwinden muss. Ich wusste schon immer, dass das nicht stimmt, und weiß nun auch, was hier passiert ist: Ein Wort aus dem Kopf oder dem Sprachgebrauch der Figuren zeigt sich im sonstigen Text, der ja vom Erzähler wiedergegeben wird. Man (bzw. Wolf Schmid) bezeichnet das als Textinterferenz (Figurentext steht im Erzählertext).

Bevor ich mich mit diesem Kram beschäftigt habe, war ich total überzeugt, genau zu wissen, wie Figurenperspektive sein muss, damit man "richtig" schreibt, z. B. dass es ein No-Go ist, schnell vom Kopf einer Figur in den einer anderen zu springen. Ich denke, es gibt in heutiger (Unterhaltungs?-)Literatur eine Tendenz, Figurenperspektive auf eine bestimmte Art zu verwenden, die auch von den Lesern gern angenommen wird. Das heißt aber nicht, dass es nur so "richtig" ist und auf eine andere Weise "falsch" (wie ja auch HauntingWitch schon geschrieben hat). Wenn man die Möglichkeiten kennt, die verschiedene Arten von Figurenperspektive bieten, und sie sinnvoll einsetzt, kann man meiner Meinung nach gute Texte schreiben, die nicht dem "Standard" entsprechen. Wenn die Leser allerdings darauf nicht eingestellt sind, könnten sie irritiert sein, und es besteht die Möglichkeit, dass ihnen Texte nicht gefallen. Vielleicht mögen sie sie aber auch deswegen besonders?

Meine Art zu schreiben hat die ganze lange Beschäftigung mit Figurenperspektive kaum verändert. Auch ich schreibe meist "Standard": Vor allem aus der Sicht von einer Figur. Aber irgendwie hat es mir geholfen, toleranter zu sein mit mir selbst und mit den Texten anderer Autoren. Ich versuche, genauer zu analysieren, was ich selbst geschrieben habe, welche Wirkung die Perspektive an dieser Stelle hat, ob es Methoden gibt, die Wirkung zu optimieren und so weiter. Ich kann z. B. inzwischen auch relativ deutlich erkennen, wann der Erzähler spricht. Es ist ja nicht so, dass nur Figuren Perspektive haben könnten, sondern auch der Erzähler kann das. Es ist gar kein Problem, wenn der Erzähler einmal "allein" spricht: Auch das ist eine Möglichkeit. Aber ich habe selbst an meinen alten Texten gemerkt, dass es mir manchmal im Eifer des Gefechts gar nicht aufgefallen ist, wenn ich die Figurenperspektive verlassen habe und in die Erzählerperspektive hineingeraten bin. Ich hoffe mal, das passiert mir jetzt nicht mehr so schnell. Aber ich habe ab und zu den Erzähler auch schon bewusst eingesetzt. :)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: pink_paulchen am 01. Juni 2013, 19:52:33
In meinem aktuellen Projekt habe ich folgende Situation: Alles, was in dem Buch spannend ist, erlebt die Heldin, bzw. erkennt es irgendwann. Der Leser braucht keine Informationen über das, was nicht unmittelbar mit ihr und ihren Erlebnissen zusammenhängt. Ich habe deshalb die Vorstellung, dass der komplette Roman in der Ich-Perspektive gut funktionieren kann. Der Leser soll die Handlung im Kopf meiner Heldin miterleben. Er soll genau wissen, was sie zum Zeitpunkt weiß. Das Ganze soll ein hochspannender Computer-Thriller werden, darum fände ich die Gegenwart auch recht passend.
Im Wesentlichen wird es also Texte geben, wie "Mein kleiner Finger zittert widerwillig, als ich auf die Enter-Taste drücken will. Was wenn das nicht klappt? Verflucht, ich darf nicht zögern, es muss jetzt sein. Jetzt oder nie!" - Also eine Mischung von dem was sie sieht, was sie tut und dem was sie denkt. So weit, so gut.
Jetzt die Frage: An einigen Stellen drängen sich Textstellen auf, in denen die Protagonistin den Leser direkt ansprechen könnte, und wo ich das Gefühl habe, das gäbe der Sache Mehrwert. Würde euch das rausreißen?
Fühlt sich das für euch komisch an, wenn die Szene da oben beispielsweise als nächstes so klingt?: "Haben Sie mal jemanden mit dem Computer getötet? Das klingt bedeutend einfacher als es in Wahrheit ist. Ich verrate Ihnen ein Geheimnis. Meine Entertaste ist nichts anderes, als der Abzug am Revolver von Maximilian Kramm."
Und falls ihr das ganz interessant findet, wie ist im Vergleich diese Variante? Da habe ich mal den Tonfall an die Heldin angepasst: "Hast du schon mal jemand mit dem Computer getötet? Das klingt echt einfacher als es in Wahrheit ist. Ich sag dir was: Meine Entertaste ist nichts anderes, als der Abzug am Revolver von Maximilian Kramm."
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Alana am 01. Juni 2013, 21:19:09
Das käme drauf an, wie es gemacht ist. Ich kann mir das prinzipiell schon vorstellen. Ein Problem sehe ich darin, dass der Leser differenzieren müsste zwischen Stellen, wo er angesprochen ist und wo die Protagonistin jemand anderen anspricht. Ob mich sowas aus dem Lesefluss reißen würde, kann ich so ganz schwer sagen. Ich mag Filme nicht so, bei denen dieser Effekt eingesetzt wird, aber auch da gibt es Ausnahmen. Deine Beispielsätze klingen durchaus vielversprechend.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Sanjani am 01. Juni 2013, 23:52:32
Hallo pinkes Paulchen :)

puh, ich glaube, das ist ganz stark Geschmacksache. Ich z. B. lese keine Bücher, die in der Gegenwart geschrieben sind. Ja, wir haben auch einst im Deutschunterricht gelernt, Präsens bringt die Leute näher ran und so, aber ich kann dem absolut nix abgewinnen, weil ich finde, dass die deutsche Sprache im Präsens auch ganz fürchterlich klingt. Also für mich wär das schon mal das erste No-go.

Jemanden als Leser anzusprechen mag ich persönlich auch nicht besonders. Und wenn du es machen wolltest, dann noch eher in der Du-Form als in der Sie-Form. Ich finde, Sie klingt so distanziert und kontrolliert und gerade bei dem, was du da schreibst, passt das für mich nicht. Sie würde für mich auf jeden Fall eher die Spannung herausnehmen. Du würde ich vermutlich akzeptieren, aber einen Mehrwert hätte es für mich nicht. Ich finde so was eher albern.

Ich weiß nicht, was die Literaturwissenschaft zu so etwas sagt, aber ich persönlich mag beides nicht besonders. Ich fürchte, das ist jetzt nicht so hilfreich für dich :( Du wirst immer Leser finden, die es mögen, und solche, die es nicht mögen.

LG Sanjani
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Coppelia am 02. Juni 2013, 05:30:27
Die Literaturwissenschaft sagt: ;)
Alles ist möglich, und das Ansprechen des Lesers ist zwar in heutigen Büchern eher aus der Mode gekommen, war aber noch vor einigen Jahrzehnten relativ üblich, und davor war es gang und gäbe. Mach es, wie du willst, und wenn ein Lektor später möchte, dass du es änderst, ändere es, wenn es dir nicht so wichtig ist.

Worin genau siehst du denn den Mehrwert?
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Naudiz am 02. Juni 2013, 08:08:44
Mich als Leser würde so ein direktes Ansprechen nicht stören. Im Gegenteil, in manchen Romanen mag ich das sogar sehr gern. Neil Gaiman macht das ab und an, und auch in meinem Gegenwarts-Roadtrip-Roman findet es Verwendung. Im Großen und Ganzen kommt es aber wohl, wie Sanjani schon sagte, stark auf den jeweiligen Geschmack an. Manche mögen es, manche nicht. Ein Risiko besteht da immer.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Angela am 02. Juni 2013, 08:53:45
Wenn das von Anfang an so läuft, finde ich es in Ordnung. Man darf nur nicht das Gefühl bekommen, das es nur dazu dient, Dinge zu erklären, die man sonst nicht versteht. Eher wie ein gleichberechtigter Dialog mit nur einer Person, oder so.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: pink_paulchen am 02. Juni 2013, 14:42:59
Aha, also die Mehrheit reisst es nicht aus dem Fluss. @Coppi: Ich habe das Gefühl die Heldin wird für den Leser realer. Sie spricht mit mir, das rückt mich irgendwie ran...schwer zu sagen.
@Alana: Ich glaub, dafür brauch ichs nicht. Immerhin könnte sie ja auch alles für sich denken, was sie zum Leser sagt.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Verwirrter Geist am 02. Juni 2013, 15:56:26
Ich ganz persönlich mag es nicht, direkt angesprochen zu werden, weil es mir als Leser meine eigene Position raubt. Ich lasse mich zwar auch gerne in eine Geschichte saugen, möchte aber selbst entscheiden, wie und wann ich das zulasse. Ein solches direktes Ansprechen des Leser setzt imho eine bestimmte emotionale Komponente vorraus, die ich nur bei sehr wenigen Büchern auch empfinden würde.
Aber ganz grundsätzlich spricht natürlich nichts gegen diese Variante und ich kann mich aus meinen Literaturkursen erinnern, dass es insbesondere Anfang des letzten Jahrhunderts total "hip" war.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Alessa am 02. Juni 2013, 16:00:33
Mh? Als Leser würde ich persönlich erst einmal überrascht sein und vielleicht sogar aus dem Lesefluss fallen. Denn wenn ich mich erst einmal so richtig in die Perspektivträgerin hineinversetzt habe, dann fühle und denke ich mit ihr und eine direkte Frage von der Heldin an mich, also den Leser, würde mich aus diesem Verhältnis hinauswerfen. Denn damit werde ich wieder der 'bloße' Leser, der der die Zeilen einfach nur liest und nicht das gleiche 'im Kopf' erlebt, wie die Protagonistin.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Amaya am 02. Juni 2013, 16:10:45
Ich persönlich versuche gerade auch eine Geschichte in der Ich-Perspektive, aber nicht aus Sicht der Heldin zu schreiben und finde es ziemlich schwer, weil sich besagte, erzählende Figur frecher Weise immer mehr in den Vordergrund drängelt.
Nicht gerade leise Stimme aus dem ...*räusper räusper*... Hintergrund: Was, ich bin nicht die Hauptperson?
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Rynn am 02. Juni 2013, 17:12:10
Ich würde das, was Alessa gesagt hat, gern noch mal betonen. Das kann ich nämlich nur unterschreiben. Genau davor würde ich auch warnen: Durch einen Ich-Erzähler im Präsens kommst du unheimlich nah ran, lässt den Leser total im Text versinken – und zerstörst dir diesen tollen Effekt, sobald du mit irgendwelchen Anreden daherkommst. Ich liebe Ich-Erzähler, ich liebe Ich-Erzähler im Präsens, und auf mich persönlich wirkt direkte Anrede meistens (nicht immer, aber doch eben meistens) wie schlechter Stil. Und dann gerade bei einem Ich-Erzähler? Das passt für mich absolut nicht.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Amaya am 02. Juni 2013, 17:19:30
Es ist vielleicht nicht so schwer für den Leser, wenn man den (oder doch das) Präsens weglässt und die Ich-Person als Erzähler mit Kommentaren und so einbaut.
Ein personifizierter Erzähler eben.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: HauntingWitch am 03. Juni 2013, 17:01:21
Ich würde die Anreden weglassen, aus einem ganz einfach Grund: Du möchtest das so beschreiben, als ob sie es genau jetzt in dieser Sekunde erlebt, richtig? Sprichst du in deinen alltäglichen Gedanken irgendeinen fiktiven Leser an?  ;)

Etwas anderes wäre es, wenn deine Protagonistin eine Erzäherin ist, die sich bewusst an den unbekannten Leser oder Zuhörer wendet, à la: "Ich möchte Ihnen eine Geschichte erzählen. Vielleicht haben Sie selbst schon einmal..." ...blablabla. Das wirkt unterschiedlich.

(Also persönlich mag ich ja das Präsens nicht so, aber ich denke, das ist wirklich Geschmackssache.)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: pink_paulchen am 03. Juni 2013, 17:33:53
Ok, diesen Einwand kann ich nachvollziehen. Tatsächlich scheint er der Grund zu sein, warum ich gezögert habe Präsens und diese Anreden zusammen zu verwenden. Beides einzeln gefällt mir, aber es wirkt zusammen "falsch". Ich glaube die Entscheidung wird dann für den Präsens, gegen die Anrede des Lesers fallen. Mein Beispiel kann als innerer Monolog trotzdem überleben. (Bevor ich das erste mal jemand mit einem Computer umgebracht habe, dachte ich, das wäre einfach. Ist es nicht. Meine Entertaste ist kein bisschen leichter zu drücken, als der Abzug am Revolver von Maximilian Kramm.)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Cailyn am 08. September 2013, 08:35:24
Ich bin schlaflos und irgendwie zermürbt.
Es ist mir nämlich erst jetzt, wo ich bereits am Feinschliff des Buches bin, klar geworden, dass ich eine auktoriale Erzählform hätte wählen sollen. Ach... ich überlege ernsthaft, den ganzen Mist neu zu schreiben. sorry, wenn ich grad etwas melodramatisch rüberkomme. Liegt wohl am Schlafentzug.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Lavendel am 08. September 2013, 09:43:20
Liebe Cailyn,

es liegt vermutlich auch am Schlafentzug, dass die die Shifttaste nicht mehr gefunden hast, weder im Threadtitel noch im Eingangspost - viel entscheidender ist allerdings, dass die bei so einem Thread keiner helfen kann. Du schreibst nichts über dein Projekt und nichts über die aktuelle Erzählform. Im Grunde genommens stellst du nicht einmal eine Frage an die anderen, was wiederum bei mir die Frage aufwirft, warum du diesen Thread überhaupt erstellt hast.
So einen Kommentar kannst du natürlich gern in der Schreibbar posten, da darfst du dich auch gern einfach mal bemitleiden lassen, aber einen eigenen Thread ist das in dieser Form zumindest nicht wert.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Cailyn am 08. September 2013, 10:05:56
Entschuldige, du hast natürlich Recht, Lavendel.

Also meine Überlegung ist folgende:
Eine Fantasy-Welt zu transportieren, erfodert es, dem Leser genügend Infos über dieses Fremde zu geben. Momentan habe ich eine personale Erzählperspektive gewählt, ausgehend von 3 Figuren. Die Welt lasse ich quasi aus deren Sicht zeigen. Dies erfordert allerdings sehr viel mehr Worte.

Gestern habe ich einige meiner Lieblings-Fantasywerke zur Hand genommen und festgestellt, dass allesamt autkorial geschrieben wurden, und dass dies dafür sorgt, viel Wichtiges von der neuen Welt zeigen zu können. Ezählt man nur aus der Perspektive einer Figur, wie z.B. seine Heimatstadt aussieht und ist, dann muss man a) einen Grund haben, dass die Figur überhaupt darüber nachdenkt und muss b) beim erzählen viele Infos weglassen, weil diese Figur ja meist nicht alles weiss. Also wird die Stelle, wo die Stadt vorgestellt wird bestimmt schon mal doppelt so lang.

Daher bin ich zum Schluss gekommen, dass generell bei Fantasy-Geschichten ein zumindest "leicht" auktoriales Erzählen einfacher ist.

Was haltet ihr von den Erzählperspektiven und ihren Vorzügen?
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Cairiel am 08. September 2013, 11:07:57
Also ... Ich bin absolut kein Fan von einer auktorialen Erzählperspektive. Mir ist ein persönlicher Erzähler um Welten lieber, weil ich so direkt mit ihm mitfiebern kann und den Eindruck habe, tiefer in die Geschichte einzutauchen. Deutlich tiefer.

Zitat von: Cailyn am 08. September 2013, 10:05:56
Gestern habe ich einige meiner Lieblings-Fantasywerke zur Hand genommen und festgestellt, dass allesamt autkorial geschrieben wurden, und dass dies dafür sorgt, viel Wichtiges von der neuen Welt zeigen zu können.
Das wundert mich sehr - ganz spontan könnte ich dir kein einziges von mir gelesenes Fantasy-Werk nennen, das auktorial geschrieben wurde. "Der Hobbit" vielleicht noch, wobei mir der eher größtenteils eher objektiv in Erinnerung ist. Welche meinst du denn? Werke, die mich wirklich begeistert haben, wie "Der Name des Windes", die Bücher von Trudi Canavan, von Bernhard Hennen, von Markus Heitz ... Alle werden mit einem persönlichen Erzähler erzählt, wenn ich mich recht erinnere. Ich bin schon so sehr daran gewöhnt, dass es mir regelrecht seltsam vorkommt, wenn ich doch mal eines mit einem auktorialen Erzähler erwische - gerade geschehen bei einem historischen Roman, kein Fantasy, wohlgemerkt. Und da passt es, weil ich mich sonst als Europäer nicht so sehr in der mittelalterlichen japanischen Kultur zurechtgefunden hätte.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Rakso am 08. September 2013, 11:19:57
Ich persönlich finde mich mit in auktorialen Erzählform nicht zurecht, auch wenn sie besonders im Bereich Fantasy und Sci-Fi oft genutzt wird, da es so einfacher ist dem Leser die fiktionale Welt näher zu bringen. Dies Form des Erzählens ist zwar praktisch, aber ich finde sie auch ziemlich unelegant. Dem Leser werden so Informationen regelrecht eingehämmert (kommt auf den Autor an)

Ich verwende lieber einen personalen Erzähler. Besonders wenn man mehrere Perspektivträger hat, kann man so die Informationen schön streuen. Bei der Beschreibung einer Stadt/eines Landes kann A die ersten Informationen liefern und B baut darauf auf, oder revidiert sie. Ich finde, so kann man ein bisschen spielen und auch die Charaktäre besser umreißen.

Zitat von: Cailyn am 08. September 2013, 10:05:56
Daher bin ich zum Schluss gekommen, dass generell bei Fantasy-Geschichten ein zumindest "leicht" auktoriales Erzählen einfacher ist.

Es gibt ja noch die Harry-Potter-Methode. Der Protagonist wird über von anderen Figuren über die Welt aufgeklärt, sie teilen ihm ihre Informationen mit, und somit auch dem Leser. In der Regel sind solche Erzählweisen eher personal. Wobei diese Art des Erzählens auch überaus nervig sein kann.

Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Christopher am 08. September 2013, 11:28:48
Zitat von: Cairiel am 08. September 2013, 11:07:57
... wenn ich doch mal eines mit einem auktorialen Erzähler erwische - gerade geschehen bei einem historischen Roman, kein Fantasy, wohlgemerkt. Und da passt es, weil ich mich sonst als Europäer nicht so sehr in der mittelalterlichen japanischen Kultur zurechtgefunden hätte.

Na, aber das ist doch gerade ihr Punkt. Jede Art High-Fantasy (oder zumindest mit großangelegtem Weltenbau) ist für den Leser wie die mittelalterliche japanische Kultur für dich.

Trotzdem stimme ich der Aussage, dass auktorial nicht zwingend erforderlich ist grundsätzlich zu.

Sofern du nicht die hardcore Ich-Perspektive gewählt hast (wo wirklich NICHTS ausser den fünf Sinnen der Figur erzählt wird) hast du doch immer den Freiraum etwas abzuschweifen, den Körper der Figur zu verlassen und die Umgebung ein wenig zu beschreiben.

Wer sagt überhaupt, dass man während einer Erzählung die Erzählperspektive nicht wechseln darf? Wieder so eine sogenannte Regel, die einem so einiges kaputtmachen kann. Dass das stilistisch nicht immer sinnvoll ist und man dazu neigen kann, zu oft zu springen und de Leser zu verwirren/nerven ist natürlich richtig - aber als vollkommenes no-go würde ich das nicht sehen.

Solange es dem Leser nicht unangenehm aufstößt, gibt es da gar kein Problem für mich. Ich "zoome" während meines Erzählens gerne ein wenig rein und raus, will heissen: nähere mich in meinem erzählen dem Charakter um den Leser besser mit diesem mitfühlen zu lassen, danach nehme ich aber wieder etwas abstand wenn ich die Umgebung und seine Bewegung darin beschreibe... Bis jetzt hat sich kein Betaleser darüber beschwert.
Massive, unangekündigte Sprünge von Hardcore-Ich auf auktorial mögen etwas anstrengend sein, aber da hat man ja jede Menge Möglichkeiten, diese Wechsel anzukündigen oder in die Erzählung einzubinden, sodass sie nicht so abruppt wirken....

Ich hör hier glaub ich erstmal auf, ich schweife zu sehr ab ;D
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Cailyn am 08. September 2013, 11:57:52
Cairiel,
Also um hier mal meine drei "auktorialen" Lieblinge zu nennen: Lord Of The Rings, Die Saga um Osten Ard (Drachenbeinthron) von Tad Williams, Das Lied von Eis und Feuer von George R.R. Martin
Natürlich ist nur Tolkien ein extrem auktorialer Erzähler. Bei den anderen wirkt es personal, ist es aber nicht. Es wird nur mit Auktorialem sehr dezent umgegangen.

Szaiko,
Unelegant...das finde ich jetzt spannend, denn ich hab eigentlich das Gefühl, ich könnte meine Infos viel eleganter zu Papier bringen, wenn sie auktorial erzählt werden. Ich hab's auch schon mal mit dem Anfang eines Kapitels ausprobiert. Sprachlich war das Auktoriale besser, und ich brauchte nur eine halbe Seite anstelle von zwei für die Einleitung des Kapitels.
Die Harry-Potter-Methode ist mir soweit noch gar nicht aufgefallen. Aber das funktioniert natürlich nur sehr wohl dosiert, weil es eben sonst nerven kann.  ;)

Christopher,
Die Idee, es zu mischen, ist mir auch gekommen. Daran studiere ich jetzt herum. Mir schwebt vor, bei den einzelnen Szenen, wo die Protas auftreten, die personale Perspektive beizubehalten, aber z.B. am Anfang oder als Einschub mal auktorial über was aufgeklärt wird. Ob ich das dann mache, muss ich noch überlegen. Bin eben noch ein bisschen hin- und her gerissen, ob das bei den Lesern ankommt.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Malinche am 08. September 2013, 13:59:45
 :wache!: Hallo Cailyn,

ich war so frei, dich mal in den Workshop zu verschieben, da ich den Eindruck habe, hier geht es nicht direkt um ein spezielles Plotproblem.

Die Diskussion um Erzählperspektiven ist immer wieder spannend, ich möchte hier trotzdem kurz dazwischengrätschen und dir einen Vorschlag machen:
Wir haben hier (http://forum.tintenzirkel.de/index.php/topic,198.195.html) einen Thread namens "Alles zur Perspektive", in dem auch schon einige solcher Fragen diskutiert worden sind - magst du da kurz raufgucken, ob dein Anliegen mit hineinpasst, und mir Bescheid geben? Dann könnte dein Thread dort angeklebt werden.

Danke!
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Mondfräulein am 08. September 2013, 15:25:16
Zitat von: Cailyn am 08. September 2013, 11:57:52
Das Lied von Eis und Feuer von George R.R. Martin

Als ich eben kurz nochmal reingelesen habe, kam mir das aber wirklich eher personal vor als auktorial. Vielleicht ist der Stil dann eine Lösung für dich, weil er zumindest personal wirkt? Auktoriale Erzählformen halte ich persönlich für Romane ungeeignet. Es ist mir lieber, nicht alle Informationen auf dem Silbertablett zu bekommen als auf Emotionen verzichten zu müssen. Außerdem solltest du aufpassen, dass du nicht in die Infodump-Falle gerätst, das kann leicht passieren, fürchte ich. Vielleicht lässt du mal einen Betaleser drüber schauen, der von deiner Welt wenig Ahnung hat und fragst ihn, welche Informationen er für notwendig hält und welche nicht?
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: RockSheep am 08. September 2013, 15:44:02
Also ich denke, die bevorzugte Erzählform hängt sehr davon ab, wie du den Leser mit Information füttern willst. Das hängt natürlicha auch davon ab, wie du die Information überhaupt einbringst. Die grosse Frage dabei ist ja irgendwie, muss der Leser mehr wissen als die Charakteren? Wenn dem so ist, dann fällt dir das mit der auktorialen Weise bestimmt leichter.

Bei deinem Beispiel mit der Stadt kannst du natürlich eine sachliche Beschreibung des Ortes einbringen, wenn du findest, dass der Leser als diese Information braucht. Gleichzeitig kannst du vieles auch gut über die Erfahrungen deiner Charakteren reinbringen. Dies wird dann bestimmt nicht gleich ausführlich und, wie du schon sagst, wirst du eine Menge mehr Worte dazu brauchen, aber ich als Leser finde solche Beschreibungen eigentlich spannender zum Lesen als, blöd gesagt, der Wikipedia-Artikel einer Stadt.

Aber wie gesagt, das ist natürlich extrem abhängig von der Art der Information und dem Wissens-Verhältnis des Lesers zum Protagonisten.

Aber ich denke auch, dass du vielleicht einen Betalesen anheuerst, der die ersten Kapitel liest und dir dann Feedback gibt. Dabei muss aber auch gesagt werden, dass es Leute gibt, die gerne ganz genaue Angaben zu einer Welt haben und andere, die sich die vielen Details lieber selber reinmalen.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Cailyn am 09. September 2013, 09:35:23
Zitat von: Malinche am 08. September 2013, 13:59:45
:wache!: Hallo Cailyn,

ich war so frei, dich mal in den Workshop zu verschieben, da ich den Eindruck habe, hier geht es nicht direkt um ein spezielles Plotproblem.

Die Diskussion um Erzählperspektiven ist immer wieder spannend, ich möchte hier trotzdem kurz dazwischengrätschen und dir einen Vorschlag machen:
Wir haben hier (http://forum.tintenzirkel.de/index.php/topic,198.195.html) einen Thread namens "Alles zur Perspektive", in dem auch schon einige solcher Fragen diskutiert worden sind - magst du da kurz raufgucken, ob dein Anliegen mit hineinpasst, und mir Bescheid geben? Dann könnte dein Thread dort angeklebt werden.

Danke!
Malinche,
Das wäre für mich überhaupt kein Problem. Genau diesen Thread zum Thema habe ich per Suchfunktion übersehen. Würde aber sicher Sinn machen, den dort anzusiedeln. Nur zu!  ;D
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Cailyn am 09. September 2013, 09:41:23
Mondfräulein und RockSheep

Betalesen würde sich hierfür sicher anerbieten. Ist mir noch gar nicht in den Sinn gekommen  :pfanne:  ;)

Das mit dem Silbertablett oder dem Wikipedia-Feeling geschieht natürlich dann, wenn die Infos trocken und blöde transportiert werden, was ich sicher zu vermeiden versuche. atürlich halte ich auch nicht viel von der Art, die Infos wie ein Lexikon-Eintrag zu bringen.

Es kommt doch dann drauf an, wer der auktoriale Erzähler überhaupt ist. Man kann in solche Beschreibungen unheimlich viel Wertung oder Humor oder Dramatik reinbringen. Das hat jetzt perse nichts mit meinem Buch zu tun, aber man stelle sich z.B. mal vor, der auktoriale Erzähler wäre der unsichtbare Agonist oder ein Teufel, der die Welt zerstören will. Das gäbe dem Ganzen ja eine spezielle Würze, ohne langweilig zu werden, oder nicht?

Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Christopher am 09. September 2013, 10:19:59
Es ist die Frage, wie weit du diesen auktorialen Erzähler ausmalen kannst, ohne dass er dem eigentlichen Protagonisten die Show stiehlt. Oder ob du ihn gar als weiteren Charakter deines Buches annehmen willst. Problem ist dann nur, dass er dementsprechend sympathisch oder interessant sein sollte. Anderenfalls sind die Leser das ganze Buch lang damit geschlagen, alles von diesem Typen den sie nicht leiden können erzählt zu bekommen.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Malinche am 09. September 2013, 10:50:07
Zitat von: Cailyn am 09. September 2013, 09:35:23
Malinche,
Das wäre für mich überhaupt kein Problem. Genau diesen Thread zum Thema habe ich per Suchfunktion übersehen. Würde aber sicher Sinn machen, den dort anzusiedeln. Nur zu!  ;D

Prima, ich habe jetzt umgetopft. Frohes Weiterdiskutieren! :)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Cailyn am 09. September 2013, 13:09:02
Malinche,
Thanks ! Interessant ist es allemal, einen 43-jährigen Thread wiederzubeleben  ;) ;) ;)

Christopher,
Das mit dem Teufel war ja jetzt nur ein Beispiel. Ich würde wohl weniger einen Bösewicht nehmen, der das Buch "kommentiert". Aber es ist ohnehin mehr eine Gedankenspielerei. Ich müsste da arg lange darüber nachdenken, überhaupt sowas in Erwägung zu ziehen.

Interessant wäre doch jetzt noch, warum ihr eine bestimmte Perspektive gewählt habt...
Entscheidet ihr zu Gunsten des Lesers oder schreibt ihr so, wie ihr es am besten könnt oder geht ihr nach Wünschen der Verlage?
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Christopher am 09. September 2013, 13:12:11
So wie ich es am besten kann und wie es meiner Erzählung am besten dient. Der zweite Punkt ist da etwas schwierig. Manchmal wäre eine Ich-Perspektive deutlich einfacher um Gedanken, Gefühle und Eindrücke zu vermitteln. Dabei muss ich mich dann aber darauf beschränken, das Geschehen aus der Sicht der Figur zu schreiben ohne Ich-Perspektive. Denn das wäre ein zu krasser Bruch wie ich finde.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Nirahil am 09. September 2013, 13:16:32
Ich habe bisher nur die personale und die Ich-Form versucht - die Ich-Form war noch relativ einfach, aber beim personalen Erzähler bin ich grundsätzlich immer wieder an einigen Stellen ins auktoriale abgerutscht. Ich finde es irgendwie schwer, beides zu trennen. Oder ich bin noch nicht genug darin geschult, es sofort zu erkennen. Mir mussten erst Betaleser die Passagen anstreichen, weil ich selbst immer wieder darüber gestolpert bin, ohne den Erzählstilbruch selbst zu bemerken. Aber: ich für meinen Teil finde einen Mix aus Personal und Auktorial nicht grundsätzlich schlimm. Ich kann mir vorstellen, dass es verwirrend ist, wenn der auktoriale Erzähler ständig Erwähnung findet, aber ich finde auch, in Maßen kann das sehr viel aus einem Text heraus holen. Was Verlage am Ende sehen wollen, steht aber natürlich auf einem anderen Blatt.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Malinche am 09. September 2013, 13:20:24
Zu dem erzählenden Teufel fällt mir irgendwie gerade noch Zusaks »Bücherdiebin« ein, wo ja aus der Sicht des Todes erzählt wird. Das ist eine sehr interessante Perspektive, und in meiner Erinnerung wird der Autor ihr das ganze Buch über gerecht und der Fokus bleibt trotzdem auf der Geschichte und ihren Figuren. :)

Zitat von: Cailyn am 09. September 2013, 13:09:02
Interessant wäre doch jetzt noch, warum ihr eine bestimmte Perspektive gewählt habt...
]Entscheidet ihr zu Gunsten des Lesers oder schreibt ihr so, wie ihr es am besten könnt oder geht ihr nach Wünschen der Verlage?

Ich habe meistens zwei bis drei (selten mehr) personale Perspektiven, die je nach Kapitel/Handlungsstrang wechseln. (Auktorial finde ich persönlich sehr, sehr schwierig und wage mich da selbst nicht ran). Meine Überlegung bei der Perspektivenwahl ist vorher meistens, welche Figuren sich rein dramaturgisch dafür eignen (durch ihren Anteil am Plot oder auch aufgrund ihrer eigenen Erzählstimme).

Es ist mir auch schon passiert, dass ich mich quasi selbst schachmatt geschrieben habe und bei einer bestimmten Szene merke, dass ich das nur über einen anderen Perspektivträger lösen kann. Meistens mache ich mir aber schon im Vorfeld Gedanken, wer da jetzt am besten in Frage kommt, und wenn in einer Szene zwei Perspektivträger aufeinander treffen, gucke ich eben, wer von beiden mehr Dynamik in die betreffende Szene bringen kann. Ein Stück weit schwingt da sicher auch die Überlegung mit, was dann für den Leser interessanter ist: Der strahlende Held, der voller Siegessicherheit in die Szene kommt und alles durch die Linse seiner Überlegenheit betrachtet? Oder sein gebeutelter Gegner, der voller Wut im Bauch und mit einer gewissen Düsternis erzählt? Beides kann spannend sein, das muss dann jeweils auch im Kontext des restlichen Buches abgewogen werden (geht mir zumindest so).

Und ich denke auch, dass ein Autor dafür ein immer besseres Gefühl entwickeln kann. In der Rohfassung meines ersten Romans hatte ich ein Kapitel, dessen Perspektivträgerin eine Figur war, die an der wesentlichen Handlung erstmal gar nicht beteiligt war, und die ließ sich dann alles von einer anderen Figur erzählen, die es selbst erlebt hatte. Das Kapitel haben mir meine Betas zu Recht um die Ohren gehauen, es war zu distanziert und schwerfällig, und in der Überarbeitung habe ich die Perspektiven getauscht und die zweite Figur nicht erzählen, sondern erleben lassen. Das hat es um Welten besser gemacht, und das merkte ich beim Schreiben auch selbst.

Mit Verlagswünschen zur Perspektive habe ich noch keine Erfahrung. Aber ich meine, z.B. auf Danis Blog gelesen zu haben, dass sie auf Wunsch ihrer Agentur die Perspektive in ihrer Thriller-Reihe verändert hat und damit dann wohl auch selbst zufriedener war. :)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Kati am 09. September 2013, 13:28:44
ZitatSofern du nicht die hardcore Ich-Perspektive gewählt hast (wo wirklich NICHTS ausser den fünf Sinnen der Figur erzählt wird) hast du doch immer den Freiraum etwas abzuschweifen, den Körper der Figur zu verlassen und die Umgebung ein wenig zu beschreiben.

Als Autorin, die bisher bloß in Ich-Perspektive geschrieben hat, möchte ich dazu mal sagen, dass es zwar möglich ist, auch aus der Ich-Perspektive heraus ganze Welten zu beschreiben, aber es ist schwer. Es schränkt ein und man hat immer bloß den Blick der einen Figur auf alles und dadurch ist sicherlich einiges nicht so objektiv, wie bei einem auktorialen Erzähler. Aber das muss auch am Ende gar nicht mal etwas Schlimmes sein. Man kann die Umgebung auch aus der Ich-Perspektive beschreiben, allerdings hat man dann natürlich eher "Wie sieht meine Figur den Marktplatz" und nicht "Wie sieht der Marktplatz wirklich aus". Abwechslung kann man trotzdem reinbringen, indem zum Beispiel eine andere Figur den vom Ich-Erzähler als hässlich und blöd beschriebenen Marktplatz in den höchsten Tönen lobt.

Allerdings gibt es wohl einen Grund, weshalb High Fantasy mit eigenen Welten und drum und dran immer eher aus der personalen oder auktorialen Perspektive geschildert wird. Ich lese nicht viel High Fantasy, aber ich kenne zwei gute Bücher, in denen die Beschreibung der fremden Welt trotz Ich-Perspektive ziemlich gut gelungen ist. Es ist also möglich, aber ich stimme zu, dass es definitiv schwerer ist, als aus der auktorialen Perspektive einfach runterzuschreiben, wie es dort aussieht.

ZitatInteressant wäre doch jetzt noch, warum ihr eine bestimmte Perspektive gewählt habt...
Entscheidet ihr zu Gunsten des Lesers oder schreibt ihr so, wie ihr es am besten könnt oder geht ihr nach Wünschen der Verlage?

Für mich fühlt sich alles, was nicht Ich-Perspektive ist, beim Schreiben irgendwie nicht richtig an. Das liegt sicherlich daran, dass ich seit ich angefangen habe, nie eine andere Perspektive ernsthaft in Betracht gezogen habe. Ich habe in letzter Zeit hin und wieder mal einen personalen Erzähler ausprobiert, nur so zum Spaß, und es fühlte sich für mich falsch an. Ich schreibe also aus ganz eigennützigen Gründen immer aus der Ich-Perspektive. ;D Wie ich es mit der Perspektive dem Leser recht machen sollte, verstehe ich auch nicht ganz. Ich kenne viele Leser, die eine bestimmte Perspektive bevorzugen, aber die lesen trotzdem auch andere Perspektiven ganz gern. Und ich denke, Verlagen ist die Perspektive egal, wenn der Inhalt stimmt. Oder irre ich mich da? Gibt es Fälle, in denen der Verlag deutlich um eine andere Perspektive gebeten hat?
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Valaé am 09. September 2013, 14:30:24
ZitatAllerdings gibt es wohl einen Grund, weshalb High Fantasy mit eigenen Welten und drum und dran immer eher aus der personalen oder auktorialen Perspektive geschildert wird. Ich lese nicht viel High Fantasy, aber ich kenne zwei gute Bücher, in denen die Beschreibung der fremden Welt trotz Ich-Perspektive ziemlich gut gelungen ist. Es ist also möglich, aber ich stimme zu, dass es definitiv schwerer ist, als aus der auktorialen Perspektive einfach runterzuschreiben, wie es dort aussieht.

Einspruch  ;D. Ich wage zu behaupten, dass es hier keinen "einfachen" Weg gibt. In der auktorialen Erzzählperspektive unterhaltsam, nicht trocken, ansprechend und interessant eine Welt zu beschreiben ist verdammt schwer. Das wird so schnell zum ausschweifenden "Wikipdedia-Artikel" (ich klau das mal von , der Vergleich ist genial!), wie man nicht mal "auktorial" sagen kann. Das richtig gut zu machen ist möglich, aber es erfordert so viel Fingerspitzengefühl ... dass es auch nicht einfach ist. Personal wiederholt sich das Problem auf einer anderen Ebene: Man neigt dazu, das, was ein auktorialer Erzähler sagen würde einfach in Figurenrede oder in ausschweifenden Grübeleien unterzubringen - die oft nicht weniger trocken sind. Auch hier ist es nicht einfach, das so zu verpacken, dass es interessant wird. Zudem ist man in der personalen Perspektive ja durchaus auch eingeschränkt.
In der Ich-Perspektive fällt es leichter, nicht so auszuschweifen, aber dafür ist man sehr, sehr eingeschränkt und ausführliche Weltenbeschreibungen, die über das Personenwissen hinaus gehen, werden unmöglich. Sowieso muss man da dann irre aufpassen, dass man Figurenwissen und Autorwissen nicht über einen Haufen schmeißt und das man sich bewusst ist, nur ein subjektives Bild zu vermitteln.
Ich denke, es ist eine Frage dessen, was man selbst einfacher umschiffen kann. Bin ich gut darin, mich selbst vor Ausschweifungen abzuhalten? Dann eignet sich für mich die personale oder die auktoriale Perspektive möglicherweise besser, oder sie kommt mir einfacher vor.
Bin ich gut darin, Figuren- und Autorwissen zu trennen und kann ich wirklich mit einer Figur verschmelzen? Dann kommt mir die Ich-Perspektive sicher einfacherer vor.

Natürlich ist das nicht der einzige Grund, weswegen man diese oder jene Perspektive wählt, aber es spielt mit hinein. Ich denke, dass die Fantasy so oft in der auktorialen oder personalen Perspektive erzählt wird, hat vor allem einen Grund: Gerade in der Zeit der Entstehung der modernen Fantasy waren ausschweifende Beschreibungen weit anerkannter als heute und daher weniger als Problem empfunden. Dazu kommt, dass die großen, gewaltigen Welten in dieser Zeit eigentlich so etwas wie der "Verdienst" der Fantasy war, das "Neue" - somit waren sie besonders wichtig und man war eher bereit, sich ausschweifende Erklärungen durchzulesen. Heute ind so viele Welten schon beschrieben worden, das viele Leser mehr an der Geschichte, oder an einer guten Mischung aus Welt und Geschichte interessiert sind und sie verzeihen den Autoren weniger Ausschweifungen. Die Perspektivenvorlieben haben sich aber noch nicht ganz an diese Entwicklung angepasst - sie sind allerdings gerade dabei.
Zumindest ist das mein Empfinden.

ZitatInteressant wäre doch jetzt noch, warum ihr eine bestimmte Perspektive gewählt habt...
Entscheidet ihr zu Gunsten des Lesers oder schreibt ihr so, wie ihr es am besten könnt oder geht ihr nach Wünschen der Verlage?
Zuallererst: Ich habe jetzt noch nie von einem Verlag gehört, der diese oder jene Perspektive bevorzugt, also zumindest sind mir solche Wünsche nicht bekannt, ich kann mich also auch nicht nach ihnen richten.
Ich richte mich auch nicht wirklich direkt nach dem Leser ... auch wenn er durchaus mit hinein spielt.
Meine Perspektivenwahl funktioniert auf verschiedenen Ebenen:
1. Persönliche Vorliebe: Wie Kati liebe ich die Ich-Perspektive und zu dieser Vorliebe stehe ich. Es ist jedoch nicht eine am häufigsten benutzte Perspektive - das ist die personale. Das zeigt, dass ich zwar meine Vorliebe habe, sie aber nicht endgültig ausschlaggebend ist. Die persönliche Meinung ist jedoch ausschlaggebend, bei meiner Hassperspektive: Ich schreibe sehr sehr ungerne auktorial. Dementsprechend nutze ich sie nur sehr, sehr selten weil ich mich nicht wohl mit ihr fühle. Es ist also hier nicht so, dass ich eine andere Perspektive lieber mag, sondern ich fühle mich regelrecht unwohl in der auktorialen Perspektive und baue auch oft Fehler rein, indem ich in eine andere hineinrutsche - ich muss sie also durchaus auch noch üben, beherrsche sie nicht richtig. Bei jeder ach so kleinen Gelegenheit werden meine Gedanken von alleine in eine andere Perspektive rutschen.

2. Die Figur und ihre Rolle: Nicht jede Figur eignet sich für jede Perspektive. Das fängt schon einmal bei der auktorialen Perspektive an: Wenn man einen Perspektivträger will, kann man auktorial vergessen oder man wählt einen der Geschichte übergeordneten Erzähler wie einen Gott, einen Chronisten der wirklich alles weiß, einen Autor, der die von ihm geschriebene Geschichte erzählt (dessen Allwissenheit ich dann aber aus eigener Erfahrung anzweifeln würde!) oder sonst eine allwissende Macht. Ansonsten hat man eben keinen Perspektivträger sondern einen Erzähler, der selbst nicht auftaucht.
Fast alle Figuren eignen sich für die personale Erzählperspektive, zumindest ist mir noch keine untergekommen, die es nicht würde. Bei manchen muss man mehr aufpassen als bei anderen, aber mit ein wenig Fingerspitzengefühl gehen sie alle - ich lasse mich gerne eines Besseren belehren, wenn jemand eine Figur hat, die sich nicht für eine personale Perspektive eignet.
Manche Figuren eignen sich nicht für die Ich-Perspektive. So zum Beispiel Figuren, die zu viel wissen. Da die Ich-Perspektive stark in den Kopf eintaucht, kann zu viel Wissen in dieser Perspektive sehr sehr fatal werden, da es entweder nicht mehr möglich ist, die Ich-Perspektive gut auszuführen, oder man spoilert den Leser. Dann habe ich noch Figuren gehabt, die von ihrer Denkart einfach so andersartig und anstrengend waren, das zu viel Zeit in ihrem Kopf Leser und Autor durchaus kirre machen können - Verrückte sind da immer ein Kandidat für, aber auch andere Charaktere mit sehr starken, dominanten Zügen neigen dazu, so anstrengend zu denken und zu fühlen, dass ein dauerhafter Aufenthalt in ihrem Kopf der Geschichte und/oder dem Empfinden des Lesers schaden kann. Diese Figuren eignen sich nicht oder nur bedingt für eine Ich-Perspektive.

3. Die Form und der Inhalt der Geschichte
Ich muss wissen, was ich erzählen will und nicht jede Perspektive eignet sich für jede Geschichte. Schreibe ich ein episches, breit angelegtes Abenteuer, in dem die Welt mit ihren Besonderheiten eine große, vielleicht sogar die tragende Rolle spielt und die Handlung selbst etwas weniger wichtig, die Charaktere noch weniger wichtig sind, so brauche ich eine Perspektive mit möglichst viel und auführlicher Außensicht. Die Innensicht kann vernachlässigt werden. Das Erzähltempo ist hier meistens eher träge und daher ist Dynamik zwar durchaus auch an bestimmten Stellen wichtig, aber die Perspektive muss nicht auf Dynamik ausgelegt sein, sondern lediglich fähig, sich dorthin zu entwickeln. Für solche Geschichten ist die Ich-Perspektive auf keinen Fall zu wählen, weil sie nicht die Möglichkeit der breiten Weltdarstellung hat und viele Informationen so nicht geliefert werden können. Die personale Perspektive ist möglich, aber sie hat Einschränkungen und ist nicht optimal. Hier bietet sich die auktoriale Perspektive wirklich an, weil sie alle Vorraussetzungen für eine solche Geschichte erfüllt. Ebenso eignet sie sich gut für Märchen, Sagen oder Chronistenberichte. Da kommt man sogar meistens gar nicht ohne sie aus.

Wenn ich eine "plot-driven Story" erzählen möchte, bei der die Handlung im Vordergrund steht und Welt und Charaktere zwar nicht unwichtig sind, aber zumindest geringer gewichtet bei ihrer Rolle für den Plot, dann brauche ich eine Perspektive, die viel Dynamik von allen Seiten zulässt und sich nicht zu sehr auf eine Figur konzentriert. Innensicht und Außensicht können beide wichtig sein, meistens halten sie sich hier sogar die Waage, das Erzähltempo ist meistens schneller und es gibt viel Handlung, die szenisch dargestellt werden sollte. Je nach Gewichtung ist die Ich-Perspektive hier zwar durchaus möglich, aber sie verschiebt das Augenmerk der Geschichte ein wenig zugunsten des Charakters. Dessen sollte man sich dann bewusst sein. Ansonsten ist die personale Erzählperspektive hier sehr gut geeignet. Sie ist nicht so träge, wie auktorial gerne wird, näher an der Figur und erlaubt dadurch eine direktere Vermittlung der Handlung. Zudem ist die personale Perspektive sozusagen ein Mittelweg zwischen auktorial und Ich-Perspektive. Sie kann alle Vor-und Nachteile beider Perspektiven haben, denn je nachdem, wie sie genutzt wird, kann sie sehr nah an einer Ich-Perspektive sein (wenn man enorm nah an den Charakter herangeht) oder sehr nah an einer auktorialen (wenn man sich sehr weit von den Figuren entfernt) - sie ist damit die flexibelste der Perspektiven, muss nicht immer einen Schwerpunkt haben und kann auch schwanken. dafür ist sie nicht gut brauchbar, wenn man in die Extrembereiche hinein muss (detaillierte Weltbeschreibung mit Wissen, das keine Person haben kann oder totaler unvermittelter Inneneinblick in eine Figur).

Die Ich-Perspektive eignet sich gerne bei dem Protagonisten einer "character-driven Story", die hauptsächlich durch den spezifischen Charakter einer Figur vorangetrieben wird. Da sie die engste Sicht an den Charakter aufweist und sozusagen den totalen Blick in den Kopf ermöglicht, kann man so den Charakter gut ausleuchten und die Beweggründe deutlicher machen. zudem erzeugt es eine enorme Nähe an der Figur, die oft schneller zu Sympathien oder auch Antpathien seitens des Lesers führt - eine Identifizierung mit oder zumindest eine Gefühlsentwicklung für eine bestimmte Figur ist bei solchen, auf den Charakter fokussierten Geschichten, ja meistens essentiell wichtig und dazu braucht man eine tiefe Innensicht, eine beschränkte oder bewertete Außensichtdurchaus auch gerne mit limitierter Glaubwürdigkeit, sowie eine möglichst große Nähe am Charakter. Daher eignet sich die Ich-Perspektive hier mit am Besten.

Natürlich sitze ich nicht da und ordne meine Geschichten einem der drei Schemata zu und entscheide dann kategorisch. Was ich sagen will ist: Jede Perspektive hat ganz spezifische und deutliche Vor- und Nachteile und eignet sich aus genau diesem Grund analysierbar besser für diesen oder jenen Zweck. Daher kann es ganz pragmatische, handwerkliche Gründe haben sich für eine Perspektive zu entscheiden. Das tue ich meistens allerdings unterbewusst, weil ich ja instinktiv weiß, welche Geschichte ich erzählen will, zu welchem Zweck, ob die Figur sich hierfür oder dafür eignet und am Ende führt dann der Weg meistens nur zu einer bestimmten Perspektive, die für dieses Buch und/oder diese Figur die Richtige ist. Aber wenn ich später darüber nachdenke, warum ich jene oder diese Perspektive gewählt habe, stellt es sich immer heraus, dass die instinktive Entscheidung im Sinne der oben genannten Kriterien geschehen ist. Man kann daher wahrscheinlich auch umgekehrt gehen und sich im Zweifelsfall die Fragen stellen: Was will ich erzählen und wo liegt mein Fokus? Was brauche ich dafür? Welche Perspektive liefert das? Ist die gewählte Figur (falls es eine gibt) in der Lage, diese Perspektive zu tragen oder handle ich mir damit Probleme ein? Meistens bleibt ganz schnell nur eine Perspektive übrig.

Ich bin auch allgemein der Meinung, dass es eigentlich keine "bessere" oder "schlechtere "Perspektive gibt, weder für einen Verlag, noch für einen Leser, noch für einen Autor. Es gibt persönliche Vorlieben, das ist eine Sache, legitim und wir alle haben welche. Aber vollkommen unabhängig davon gibt es auch das Zusammenspiel zwischen Form und Inhalt. In diesem Fall ist die Form die Perspektive. Passt die gewählte Perspektive nicht zum Inhalt, passieren schneller Fehler - so neigen Fantasy Autoren, die eine auktoriale Perspektive für eine Geschichte, deren Fokus auf der Handlung liegt, schnell dazu, unnötig zu "Schwafeln". Weil die auktoriale Perspektive einfach mehr Fokus auf das Außenrum legt und zu Weltenbeschreibungen verleiten kann. Genauso schleichen sich in Weltenbeschreibungen mit personaler Perspektive, oder Ich-Perspektive schneller Fehler, weil die Perspektiven sich nur bedingt für diese Beschreibungen eignen und man aufpassen muss, dass man nichts durcheinander wirft. Das ist kein Fall von "jene Perspektive ist schlecht(er)", sondern ein Fall von: Die Form passt nicht zum Inhalt, was ein handwerklicher Mängel ist.

Daher bin ich immer wieder gezwungen, mich gegen meinen Liebling zu entscheiden, weil die Ich-Perspektive sich nicht für alles eignet. Auch bin ich nicht zufrieden damit, dass mir die auktoriale Perspektive Probleme bereitet, da ich denke, um alle Fälle als Autor abdecken zu können, muss ich auch alle Perspektiven beherrschen. Ich darf Vorlieben haben. Aber ich muss mir bewusst sein, dass ich unter Umständen gezwungen sein kann, entgegengesetzt meiner Vorlieben zu handeln, um der Geschichte einen Gefallen zu tun. Meistens klappt das dann auch und die eigentlich verhasste Perspektive wird beim richtigen Inhalt leichter und schöner.

Das ist zumindest meine Erfahrung und bisher hat diese "Methode" auch immer funktioniert.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: FeeamPC am 09. September 2013, 15:32:58
@Kati:
Ich habe einen Verlag, und ich habe schon mal dem einen oder anderen Autoren nahegelegt, die Perspektive zu ändern, weil die Geschichte sonst nicht richtig zog.
Der Leser braucht immer eine Perspektive, bei der er richtig mitfiebern kann, und die ihn etwas fühlen lässt. Auktorial geht das natürlich auch. Aber der Stil muss zur Geschichte und zum Zielpublikum passen. Ich würde sagen, je jünger das Zielpublikum, desto wahrscheinlicher braucht die Geschichte eine personale Perspektive.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Churke am 09. September 2013, 15:34:17
Zitat von: Valaé am 09. September 2013, 14:30:24
In der Ich-Perspektive fällt es leichter, nicht so auszuschweifen, aber dafür ist man sehr, sehr eingeschränkt und ausführliche Weltenbeschreibungen, die über das Personenwissen hinaus gehen, werden unmöglich.
Unmöglich? Weshalb? Ich kann dem Erzähler jedes Wissen über die Welt geben, das ich brauche. Wenn die Geschichte im Präteritum geschrieben ist, kann er dieses Wissen auch außerhalb der Handlung (also nachträglich) erworben haben.
Dabei wäre es sogar absolut plausibel, dass der Erzähler aus dramaturgischen Gründen nur einen Teil seines Wissens offenbart.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Valaé am 09. September 2013, 16:12:53
@ Churke: Nein, man kann dem Ich-Perspektivenerzähler nicht jedes Wissen über die Welt geben, das man braucht. Ja, er kann Wissen außerhalb der Handlung erworben haben, aber er kann beispielsweise Veränderungen innerhalb der Welt, die während der Geschichte passieren, währenddessen er eindeutig an einem anderen Ort ist, wo er davon nichts mitbekommen haben kann, nicht wissen. Zum Beispiel. Ich sagte ja, Wissen, das über das Personenwissen hinaus geht, kann man in dieser Perspektive nicht beschreiben. Wie man das Personenwissen dann aber anlegt, ist eine andere Frage. Natürlich kann der Charakter Dinge vor der eigentlichen Handlung erfahren haben. Anders als beim auktorialen Erzähler ist es jedoch dann oft vonnöten, zu erklären, wie eine Person, die nicht eindeutig bereits die Voraussetzungen mitbringt, um gewisse Dinge zu wissen, an jenes Wissen kam, sonst leidet die Glaubwürdigkeit. Deswegen werden enorm ausführliche Weltenbeschreibungen bei vielen Ich-Perspektiventrägern unmöglich, da für die ganz spezifischen Details von x Ländern und Städten, ihrer Vergangenheit, Bräuche etc. etc. eine so umfassende Bildung vonnöten wäre, die die meisten Ich-Perspektiventräger innerhalb von Fantasy nicht haben.

Aber das Argument an sich ist richtig, deswegen habe ich ja gesagt, Beschreibungen die über das Figurenwissen hinausgehen. Wenn man eine Figur mit sehr großem Figurenwissen hat sind ausführliche Weltenbeschreibungen natürlich möglich. Die Frage ist jedoch, ob ich einen solchen Charakter in meiner Geschichte habe und wenn nicht, wie viel Wissen ich einer Figur andichten kann, ohne unglaubhaft zu wirken.

Edit: Ich habe vorhin etwas überlesen. Was du ansprichst ist ein Ich-Erzähler, der im Präteritum erzählt, also rückblickend auf eine Geschichte, die er selbst erlebt hat. Ja, dann ist eine zusätzliche Aneigung nach der eigentlichen Handlung auch möglich, aber auch dann ist er eben nicht allwissend und es wird Bräuche und Dinge in der Welt geben, über die er nicht gestolpert ist, oder von denen er nicht wissen kann. Die ganz genauen Handlungen des Antagonisten beispielsweise wird ein Ich-Erzähler vermutlich auch später nie wieder ganz genau so rekonstruieren können, wie sie waren, nicht in allen Details. Versucht er es, ist er ein wenig unglaubwürdig, womit man spielen kann, aber die wenigsten Fantasyromane gehen so weit.
Es gibt Mittel und Wege, wie bei jeder Perspektive, die Mittel der Perspektive zu dehnen. Aber man sollte sich dann bewusst sein, das die Perspektive normalerweise nicht so gut für solche Dinge zu gebrauchen ist und um die Gefahr wissen, dass man dabei schnell unglaubwürdig wird. Ein Ich-Erzähler, auch wenn er erst nach der Handlung erzählt, der wirklich über jedes kleinste Detail Bescheid weiß, sei es innerhalb der Welt, der Handlung oder gar den inneren Beweggründen anderer Charaktere ist für mich unglaubwürdig und strapaziert das Figurenwissen zu sehr - immerhin ist ja gerade das, dass der Ich-Erzähler nicht alles weiß ein Gewinn dieser Perspektive.
Ausnahme besteht dann, wenn der Ich-Erzähler selbst irgendein allwissendes Wesen sein sollte. So was soll es auch geben. Aber auch dann stimmt der Satz: Jede Beschreibung über das Figurenwissen hinaus ist unmöglich. Ein allwissener Ich-Erzähler hat ein allwissendes Figurenwissen. Ein sehr umfangreich informierter hat ein sehr umfangreiches Figurenwissen. Aber dann muss die Figur entsprechend konzipiert sein und das auch rüberbringen. Die wenigsten Ich-Erzähler in Fantasyromanen sind jedoch allwissend oder sehr umfassend informiert, genauso wie die wenigsten eindeutig aus der Vergangenheit erzählen.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Malinche am 09. September 2013, 16:22:26
Zitat von: Valaé am 09. September 2013, 16:12:53
@ Churke: Nein, man kann dem Ich-Perspektivenerzähler nicht jedes Wissen über die Welt geben, das man braucht. Ja, er kann Wissen außerhalb der Handlung erworben haben, aber er kann beispielsweise Veränderungen innerhalb der Welt, die während der Geschichte passieren, währenddessen er eindeutig an einem anderen Ort ist, wo er davon nichts mitbekommen haben kann, nicht wissen. Zum Beispiel. Ich sagte ja, Wissen, das über das Personenwissen hinaus geht, kann man in dieser Perspektive nicht beschreiben. Wie man das Personenwissen dann aber anlegt, ist eine andere Frage. Natürlich kann der Charakter Dinge vor der eigentlichen Handlung erfahren haben.

Churke erwähnte ja außerdem die Möglichkeit, dass der Ich-Erzähler Dinge auch nachträglich erfahren haben kann. Also nach und nicht vor der Handlung. Wenn er die Geschichte überlebt und sie zehn Jahre später erzählt, kann man es also schon legitim hinbekommen, dass er uns auch über etwas informiert, das zu einer Zeit an einem anderen Ort passiert und wovon er damals nichts mitbekommen hat. In dem Sinne von: Erst später erfuhr ich, dass die Korsaren von Hayabiti in die Stadt vorgedrungen waren, während wir noch in der Oasenfestung picknickten ...

Ich glaube, das wird auch tatsächlich öfter mal so gemacht (dieses Erzählen. Nicht das Picknicken), aber ich stimme dir auf alle Fälle zu, dass es sowohl zur Geschichte als auch zur Figur passen muss. Glaubwürdigkeit ist ein großer Faktor. Aber: Es lassen sich schon Wege finden, wie ein Ich-Erzähler Dinge wissen und erzählen kann, die er nicht selbst miterlebt hat.
Reizvoll ist es sicher auch, ihn mit bruchstückenhaftem Wissen zu versehen, das er vielleicht mal aufgeschnappt hat, oder ihm Schwierigkeiten beim Erinnern anzudichten. Ich schreibe selten in der Ich-Perspektive, aber ich denke, da gibt es viele spannende Kniffe, mit denen man die Möglichkeiten der Perspektive ausloten und den Erzähler gleichzeitig glaubwürdig und authentisch wirken lassen kann.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Kati am 09. September 2013, 16:31:21
Zitat von: ValaéIch wage zu behaupten, dass es hier keinen "einfachen" Weg gibt.

Oh, ich wollte keineswegs behaupten, dass es leichter wäre aus einer auktorialen Sicht zu schreiben. Ich meinte bloß diese Art von Buch, in der seitenlang die Welt erklärt wird, so frei nach dem Motto: "Bevor die Geschichte anfängt, erzähl ich mal genau, wie da alles aussieht und funktioniert." Das ist aber sicher kein Problem der auktorialen Perspektive, wie mir gerade einfällt, theoretisch könnte ich das auch einen Ich-Erzähler machen lassen. Ich glaube ich meinte: In der auktorialen Perspektive fällt es leichter, es sich leicht zu machen und einfach alles im Wikipedia-Stil runterzuschreiben. Ob das spannend oder flüssig zu lesen ist, steht auf einem völlig anderen Blatt.  :) Es ist natürlich nicht leichter aus der auktorialen Perspektive zu schreiben, ich könnte das überhaupt gar nicht. Jede Perspektive hat ihre Tücken und ich glaube nicht, dass eine leichter ist, als die andere.

FeeamPC: Das finde ich jetzt interessant, ich habe sowas noch nie gehört. Aber so, wie du es beschreibst, klingt das alles ziemlich logisch. Passiert das oft, oder ist es öfter, dass Stil, Perspektive und Geschichte harmonieren?

Zitat von: ChurkeUnmöglich? Weshalb? Ich kann dem Erzähler jedes Wissen über die Welt geben, das ich brauche. Wenn die Geschichte im Präteritum geschrieben ist, kann er dieses Wissen auch außerhalb der Handlung (also nachträglich) erworben haben.

Da ist auch wieder was dran. Es bleibt aber das Problem, dass ein Ich-Erzähler immer wertet. Ein völlig objektiver Ich-Erzähler, der dem Leser bloß erzählt, wie alles aussieht, ohne seine Meinung dazu zu sagen, liest sich sehr kalt und emotionslos. Da man sich natürlich immer wünscht, dass der Leser emotional in die Geschichte eintaucht, wäre das kontraproduktiv, weil es abblockt. Wenn ein Ich-Erzähler ganz objektiv keine seiner Emotionen preisgibt, fällt es umso schwerer mit ihm mitzufühlen und in die Geschichte einzutauchen.

Ein Ich-Erzähler kann natürlich jedes Wissen über die Welt haben, die man braucht, aber man kann mit einem Ich-Erzähler dieses Wissen nur sehr schwer für den Leser objektiv vermitteln. Wenn man natürlich gar nicht will, dass der Leser sich von Anfang an selbst eine Meinung bildet (was meistens der Fall ist), ist das natürlich auch kein Problem. Aber ich glaube, ein sachliches Bild von Orten, Personen oder Begebenheiten zu malen, ist aus dem Kopf einer Figur heraus schwer. 
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Valaé am 09. September 2013, 16:34:22
Hm ich werde das Gefühl nicht los, missverstanden zu werden.

Also noch mal: Ich habe nie behauptet, dass ein Ich-Erzähler Dinge, die er nicht selbst erlebt hat, nicht wissen kann. Ich habe lediglich gesagt, es ist in der Ich-Erzähler Perspektive unmöglich, Beschreibungen zu bringen, die über das Figurenwissen hinausgehen. Oder schlicht gesagt: Ein Ich-Erzähler kann nicht erzählen, was er nicht weiß. Aber er kann wissen, was er nicht erlebt hat.

Natürlich gibt es da Mittel und Wege, das habe ich doch auch nirgendwo bestritten  :hmmm:?

Das mit dem hinterher erfahren haben hatte ich beim ersten Mal überlesen, ja, aber trotzdem ist das hinterher etwas Erfahren ein Erweitern des Figurenwissens, das klar gemacht sein muss und dann ist es möglich, aber dann liegt das Erzählte doch wieder im Bereich des Figurenwissens.

Ansonsten bezogen sich meine Einschränkungen, was er vielleicht nicht wissen kann, auch weniger auf wirkliche Plotstränge, die er hinterher erfahren haben kann, sondern auf kleinste Details.
Beispielsweise wird er wohl kaum später noch erfahren, wie das Badewasser des Anführers der Korsaren von Hayabithi gerochen hat, bevor er das Bad verlassen hat und in die Stadt vordrang.
Ebenso wage ich zu bezweifeln, dass er, auch Jahre später noch, von jeder Stadt in der Welt jede kleine Gasse, die gesamte Vergangenheit dieser Gasse und jeden hohen Herren kennt, der einmal einen Fuß in diese Gasse gesetzt hat - wohlgemerkt von jeder Stadt. Auch ginge es mir schon zu weit, wenn eine Geschichte einer High Fantasy Welt eine Reise durch 5 Länder unternimmt, er den Ursprung jeder einzelnen Sprache kennt, den Urvater jedes Volkes, alle Städte in diesen Ländern, ihre Währungen, Bräuche etc.
Wenn er ein Universalgelehrter ist, dann ja. Aber nicht, wenn er das nicht ist.
Und diese Details sind es, auf die sich meine Einschränkung für die Ich-Perspektive bezieht. Nicht die groben Handlungsstränge. Die kann er mitbekommen, die kann er später erzählt bekommen, keine Frage.
Es gibt Mittel und Wege, ja. Das habe ich nie bestritten. Alles was ich abstreite ist: Das man einem Ich-Erzähler ohne Einschränkung jedes Wissen über die Welt geben kann. Also mit allen Details. Nur, wenn es zur Person passt und klar ist, woher er das Wissen hat. Es gibt also Einschränkungen durch den gewählten Erzähler und durch die Glaubwürdigkeit, was er noch wissen kann und was nicht. Ein Ich-Erzähler kann die Welt nicht so umfassend kennen wie ein auktorialer Erzähler, sonst wäre er allwissend. Es kennt ja auch kein Mensch jede Blume und jedes Staubkorn auf der Erde.

Darüber hinaus habe ich nur gesagt, dass ein Ich-Erzähler nicht erzählen kann, was er nicht weiß. Das er nicht erzählen kann, was er nicht erlebt habt, legt ihr mir jetzt ein wenig in den Mund, denn es steht nicht im Zusammenhang mit meiner Behauptung.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Malinche am 09. September 2013, 16:52:30
Ich glaube, mein Post hat sich einfach mit deinem Edit überschnitten. Mich hatte es irritiert, dass du nur auf die Möglichkeit "Wissen vor der Handlung erwerben" eingehst, deswegen habe ich Churkes Beispiel noch ein wenig näher ausgeführt. :) Jenseits davon wollte ich dir nichts in den Mund legen. Dass ein Ich-Erzähler nicht erzählen kann, was er nicht weiß, da sind wir uns einig, aber ich sehe es eben als relativ gut machbar an, dass man als Autor dafür sorgt, ihn alles wissen zu lassen, was er erzählen soll - eben, indem man es zum Figurenwissen macht.

Das mit den Details stimmt natürlich auch - größtenteils. Wobei man da z.B. wiederum damit arbeiten kann, dass die Figur eine blühende Phantasie hat, eine Szene ganz oft im Traum erlebt hat oder sie ihr so oft erzählt wurde, dass sie schon selbst meint, dabei gewesen zu sein - und dann hat der Ich-Erzähler vielleicht wirklich den Badezusatz des Korsaren von Hayabiti (;D) in der Nase, während er diese Szene beschreibt, obwohl er gleichzeitig klar machen kann, dass er es so genau gar nicht weiß. Klingt jetzt ein wenig konfus, aber ich denke, es gibt Möglichkeiten, mit Details und Sinneseindrücken zu erzählen, dass der Leser intensiv miterlebt - selbst, wenn es sich nicht um die reale Erinnerung des Ich-Erzählers handelt. Deswegen schrieb ich auch noch von Möglichkeiten wie:

]quote]Reizvoll ist es sicher auch, ihn mit bruchstückenhaftem Wissen zu versehen, das er vielleicht mal aufgeschnappt hat, oder ihm Schwierigkeiten beim Erinnern anzudichten. Ich schreibe selten in der Ich-Perspektive, aber ich denke, da gibt es viele spannende Kniffe, mit denen man die Möglichkeiten der Perspektive ausloten und den Erzähler gleichzeitig glaubwürdig und authentisch wirken lassen kann.[/quote]

Auch hier gilt natürlich, da stimme ich dir uneingeschränkt zu, es muss zur Welt, zur Geschichte und zur Figur passen.
Und jetzt habe ich Lust, eine Geschichte mit badenden Korsaren zu schreiben ...  :hmmm:
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Valaé am 09. September 2013, 17:09:18
Hm und ich war einfach ein wenig enttäuscht, dass ich mir so viel Mühe mache, zu betonen, dass alles Einschränkungen sind und das nichts davon wirklich ein Paradigma ist, das es x Möglichkeiten gibt, aber das man dann eben aufpassen muss, die nicht zu sehr zu dehnen weil man sonst nicht glaubwürdig ist und dann eben (gefühlt) darauf festgenagelt zu werden, ich hätte gesagt, dass Weltenbeschreibung in der Ich-Perspektive nicht anständig möglich ist. Ist sie, nur eben mit Einschränkungen verbunden, die man beachten muss. Und wenn es nur die Einschränkung ist, das man irgendwie klar machen muss, ob es Wissen oder Vermutung ist und wenn Wissen, woher das Wissen stammt.

Ah, mit der blühenden Fantasie machst du aber ein ganz anderes Fass auf  ;). Das ist ja dann kein Wissen mehr. Ich habe spezifisch nur über Wissen gesprochen und auch wiederum nie erwähnt, dass er das Badewasser und das darauf schwimmende Entchen nicht beschreiben kann - nur dass er darum wohl nie wissen wird und wenn er es beschreibt, ist es Vermutung oder Fantasie - das wiederum gibt einen ganz anderen Ton in die Erzählung und bringt wieder andere Einschränkungen, Möglichkeiten usw. mit sich.
Natürlich gibt es Möglichkeiten, mit einem Ich-Erzähler Details, Sinneseindrücke etc. zu erzählen, auch die, die er nicht wissen kann. Wie gesagt, ich sage nur, man kann einem Ich-Erzähler nicht ohne Einschränkung jedes Wissen über die Welt mitgeben. Mann kann ihm sehr viel Wissen mitgeben. Und man kann ihn ohne Einschränkung erzählen lassen. Nur ist seine Erzählung dann nicht mehr von der gleichen Glaubwürdigkeit wie die eines auktorialen Erzählers, der vermutlich sogar weiß, dass zusammen mit dem Kommandanten der Korsaren auch sein Stellvertreter im Bad saß, welche Seife der benutzt hat und seit wann sich beide nicht mehr gewaschen hatten. Der Ich-Erzähler kann das auch erzählen - ob es sich dann aber so wirklich zugetragen hat ist wieder eine andere Frage.

Bruchstückhaftes Wissen und auch die Fantasie sind unglaublich wertvolle Mittel der Ich-Perspektive, die große Vorteile von ihr ausmachen, gar keine Frage. Ich schreibe ja sehr sehr oft in ihr und verwende da auch ganz gerne solche Kniffe. Oben ging es bei mir ja nur um die Einschränkungen, wann sich eine solche Perspektive eher nicht eignet.
Andere Vorteile der Ich-Perspektive liegen in ihrer ganz spezifischen Subjektivität oder auch ihrer Beirrbarkeit. Man kann einem Ich-Erzähler von einer anderen Figur einreden lassen, Dinge seien so oder so geschehen und dann waren sie ganz anders. Man kann den Ich-Erzähler auch nach genau den Details, die er nicht wissen kann, suchen lassen und seine eigene Unwissenheit damit thematisieren. Nur um kurz anzudeuten, dass wir bezüglich der Kniffe, die du da erwähnst, durchaus einer Meinung sind. Ich halte nicht umsonst die Ich-Perspektive ganz persönlich für eine der spannendsten.
Nur all die Details die viele Fantasyautoren zum Beschreiben ihrer Welt nutzen, wirklich als Figurenwissen darzustellen um der Anforderung: Mein Ich-Erzähler weiß alles, wass ich für diese Schilderung brauche - gerecht zu werden, übersteigt zumindest die Qualitäten der meisten Ich-Erzähler. Sie können es sich vorstellen. Sie können davon hören (aber auch dann ist es ein anderes Wissen, nämlich ein vermitteltes, das durchaus auch trügen kann). Sie können danach forschen. Aber kompromisslos wissen? Eher wenige.

Wie gesagt, das heißt überhaupt nicht, dass sich daraus Einschränkungen in der Ausführlichkeit der Darstellung ergeben müssen. Man hat dann nur die Wahl: Schränke ich die Ausführlichkeit ein? Oder die Glaubwürdigkeit meines Erzählers? Die allerdings ist bei einem Ich-Erzähler wiederum sowieso nie 100%, allein durch seine subjektive Erzählhaltung.

;D Das kann ich irgendwie verstehen.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: FeeamPC am 09. September 2013, 17:27:48
@Kati:
Ich kenne derartige "Regieanweisungen" der Verlage besonders aus den Genre-Romanen, z.B. Romanzen aller Art möglichst aus der Perspektive der Frau, möglichst in der 3. Person Vergangenheit, und die Perspektive wenn möglich strickt durchgehalten.
Urban Fantasy wird vom Publikum gerne mit Ich-Erzähler akzeptiert, Historisches nicht so gerne. usw.
Beim Krimi geht beides, auch Gegenwartsform, beim Thriller personal, aber in der 3. Person,. usw.

Zusätzlich haben natürlich manche Verlage noch eine eigene Hausordnung für bevorzugte Erzählformen.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Churke am 09. September 2013, 17:41:39
Zitat von: Valaé am 09. September 2013, 16:34:22
Ansonsten bezogen sich meine Einschränkungen, was er vielleicht nicht wissen kann, auch weniger auf wirkliche Plotstränge, die er hinterher erfahren haben kann, sondern auf kleinste Details.
Beispielsweise wird er wohl kaum später noch erfahren, wie das Badewasser des Anführers der Korsaren von Hayabithi gerochen hat, bevor er das Bad verlassen hat und in die Stadt vordrang.
Da hast du recht. Doch auch der auktoriale Erzähler muss natürlich, obwohl er allwissend ist, eine Vorauswahl treffen, was er erzählt und was nicht. Ob das wirklich hilft, wenn er seitenlang etwas breit tritt, was der Ich-Erzähler für unwichtig hält?
Jede Erzählform hat ihre Vor- und Nachteile. Den Nachteil des Ich-Erzählers sehe ich eher darin, dass er keine Perspektivwechsel erlaubt (oder erlauben sollte - ich drücke es vorsichtig aus).

ZitatDas man einem Ich-Erzähler ohne Einschränkung jedes Wissen über die Welt geben kann. Also mit allen Details. Nur, wenn es zur Person passt und klar ist, woher er das Wissen hat.
Das erscheint mir, wie oben ausgeführt, in der Praxis weniger relevant. Und das Problem, dass eine Figur in der richtigen "Position" sein muss, um die Geschichte zu erleben, hat man mit jeder Erzählperspektive. Nur kann man beim Nicht-Ich-Erzähler bei Bedarf einfach wechseln oder etwa eine dringend benötigte neue Figur als Perspektivträger einführen.

Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Valaé am 09. September 2013, 18:16:49
ZitatDas erscheint mir, wie oben ausgeführt, in der Praxis weniger relevant. Und das Problem, dass eine Figur in der richtigen "Position" sein muss, um die Geschichte zu erleben, hat man mit jeder Erzählperspektive. Nur kann man beim Nicht-Ich-Erzähler bei Bedarf einfach wechseln oder etwa eine dringend benötigte neue Figur als Perspektivträger einführen.

Hm, das sehe ich anders:
In der High Fantasy werden oft derart viele Weltdetails breit getreten (ganz so breit wie das Badewasser muss es jetzt nicht sein, aber trotzdem), das es schwierig wird, eine Person in der geeigneten Position zu finden. Und nein, dieses Problem hat man nicht bei jeder Perspektive: Der auktoriale Erzähler ist allwissend und niemand zweifelt das an - dementsprechend kann er alles so breit treten wie er will. Ob er das allerdings sollte, das steht auf einem anderen Blatt, wie ich dir vollkommen zustimme und oben auch erwähnt habe, dass ich das sogar als eine Gefahr der auktorialen Perspektive sehe.
Die Sache ist nur die: Nur weil ich selbst kein großer Freund von ewig langen Weltenbeschreibungen bin, kann ich ihre Existenz nicht vernachlässigen. Es gibt sie und manche wollen sie schreiben. Andere wollen sie sogar lesen. Ich halte sie nicht für das schönste Lesevergnügen, aber wenn jemand das Hauptaugenmerk auf die Welt und ihre Beschreibung in aller Breite und eben mit genau diesen Details legt, ist er mit der auktorialen Perspektive vermutlich besser beraten als mit der Ich-Perspektive. Und das ist alles was ich sage und gesagt habe  ;).

Perspektivenwechsel ... das ist auch wieder eine andere Sache. Also dass der Ich-Erzähler den Einbezug einer anderen Perspektive verhindert sehe ich nicht so. Öfter gibt es Bücher, die zwischen den Kapiteln einen Wechsel zwischen einer Ich-Perspektive und einer anderen, einer personalen Perspektive haben. Darin sehe ich persönlich auch nichts auszusetzen, solange diese Perspektiven nicht innerhalb einer Szene wechseln, aber innerhalb einer Szene können auch andere Perspektivenwechsel den Leser stark verwirren.
Ich denke jedoch, du meintest mit Perspektivwechsel jetzt nicht den Wechsel zwischen zwei Kapiteln wo definitiv und eindeutig von einer Perspektive in eine andere gewechselt werden kann, da sowieso eine neue Einheit aufgemacht wird, sonden den Wechsel innerhalb eines Kapitels.
Hier stimme ich dir zu, dass man bei personalem und auktorialem Erzähler wechseln kann - es bei dem Ich-Erzähler jedoch eher bleiben lassen sollte. Wenn man gerne Perspektivwechsel benutzt, aus welchem Grund auch immer, kann das ein Nachteil sein, da stimme ich zu.

Ich habe daran deswegen nicht gedacht, weil ich in keinen Perspektivwechseln innerhalb eines Kapitels keinen Nachteil erkennen kann, aber das ist vermutlich meiner eigenen Sichtweise geschuldet. Ich bin kein großer Freund von Perspektivwechseln innerhalb eines Kapitels. Manchmal können sie sinnvoll sein, aber meistens halte ich eine Perspektive durch, daher empfinde ich es eher als Vorteil nicht zum "Perspektiven-Hopping" verleitet zu werden. Aber das ist sicher Geschmacksache.
Einen anderen Blickwinkel kann man jedoch mit einer Ich-Perspektive trotzdem hinein bringen, da ja nicht jede Geschichte nur einen Erzähler hat und man mit einem zweiten Ich-Erzähler und/oder einem weiteren personalen Erzähler viel Ambivalenz erreichen kann.

ZitatJede Erzählform hat ihre Vor- und Nachteile.
Nichts anderes habe ich behauptet, ich glaube, da sind wir uns hier alle einig.

Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Churke am 09. September 2013, 21:23:18
Zitat von: Valaé am 09. September 2013, 18:16:49
In der High Fantasy werden oft derart viele Weltdetails breit getreten (ganz so breit wie das Badewasser muss es jetzt nicht sein, aber trotzdem), das es schwierig wird, eine Person in der geeigneten Position zu finden. Und nein, dieses Problem hat man nicht bei jeder Perspektive: Der auktoriale Erzähler ist allwissend und niemand zweifelt das an - dementsprechend kann er alles so breit treten wie er will.
Der Grund für meinen vehementen Widerspruch ist, dass ich den ausladendsten Infodump in der Ich-Form geschrieben habe. Für beides gab es handfeste literarische Gründe, die hier nichts zur Sache tun, aber es hat jedenfalls gut funktioniert.

Zitat
Öfter gibt es Bücher, die zwischen den Kapiteln einen Wechsel zwischen einer Ich-Perspektive und einer anderen, einer personalen Perspektive haben. Darin sehe ich persönlich auch nichts auszusetzen,
Frage: Sind diese Bücher gut?
Ich für meinen Teil habe es selten gesehen und es hat noch seltener was getaugt. Der Ich-Erzähler verlangt grundsätzlich nach einer geschlossenen Form. Er erzählt seine Geschichte und es wäre nicht mehr die seine, wenn das ein anderer übernähme. Wenn sich ein anderer Erzähler oder Perspektivträger einmischt, ist die Sache nicht mehr aus einem Guss. Ich sage nicht, dass man es nicht machen kann, aber es wird in der Mehrzahl der Fälle eine suboptimale Lösung sein. 

Zitat
Ich denke jedoch, du meintest mit Perspektivwechsel jetzt nicht den Wechsel zwischen zwei Kapiteln wo definitiv und eindeutig von einer Perspektive in eine andere gewechselt werden kann,
Doch, genau den.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Valaé am 09. September 2013, 22:13:37
ZitatDer Grund für meinen vehementen Widerspruch ist, dass ich den ausladendsten Infodump in der Ich-Form geschrieben habe. Für beides gab es handfeste literarische Gründe, die hier nichts zur Sache tun, aber es hat jedenfalls gut funktioniert.
Wenn du einen Ich-Erzähler hast, der dieses Figurenwissen hat ist da ja auch nichts auszusetzen, wie ich schon erklärt habe. Nur sind solche Ich-Erzähler eher selten und es ist auch die Frage welcher Art der Infodump ist. Ich habe nie behauptet, das ein Ich-Erzähler keinen Infodump produzieren kann  ;).


ZitatFrage: Sind diese Bücher gut?
Ich habe mehrere selbst auf diese Art geschrieben und nie fand es ein Betaleser schlecht. Ich habe auch selbst bereits einige dieser Art gelesen und kann zumindest an dieser Erzählweise nichts aussetzen. Ob die Bücher dann gut sind kann ich nicht pauschal sagen, aber genausowenig möchte ich sie pauschal verurteilen.

ZitatDer Ich-Erzähler verlangt grundsätzlich nach einer geschlossenen Form. Er erzählt seine Geschichte und es wäre nicht mehr die seine, wenn das ein anderer übernähme.
Das ist zumindest nicht literaturwissenschaftlich festgelegt, also keine definitionsmäßig verankerte Tatsache. Weder, dass der Ich-Erzähler nach einer geschlossenen Form verlangt, noch dass er seine eigene Geschichte erzählt. Die Definition des Ich-Erzählers schließt sogar ausdrücklich mit ein, dass er seine eigene oder eine Geschichte, an der er nur am Rande mitgespielt hat, erzählen kann. Ein Ich-Erzähler kann eine ganz banale Nebenfigur sein und trotzdem Ich-Erzähler. Jemand, der die Hauptfiguren nur beobachtet. Und gerade dieses "nicht aus einem Guss" sein ist ja das, was das Spiel mit der Ich-Perspektive so reizvoll macht. Es hat großes Potential einer so eingeschränkten Perspektive eben eine objektivere gegenüber zu stellen, gerade um einen solchen Bruch zu erzeugen. Ein Bruch ist doch nicht immer etwas Negatives? Er kann spezifisches, gewolltes Stilmittel sein.
Und sogar wenn man nun wirklich den Ich-Erzähler als Hauptfigur hat, der seine eigene Geschichte erzählt spricht doch absolut nichts dagegen, wenn man eine zweite Perspektive dazu führt, um die sehr subjektiven Handlungen und Gedankenstränge zu relativieren. Gerade bei sehr extremen Charakteren ist das manchmal die einzige Möglichkeit, um einen Gegenpol aufzustellen.
Natürlich kann man dann sagen, das ist nicht mehr "aus einem Guss". Aber muss es das sein? Soll es das sein? Wieso? Aus welchem Grund müsste ich danach streben, nur eine einzige, klare subjektive Sichtweise darzustellen, gerade wenn diese möglicherweise durch bestimmte Faktoren stark gefärbt ist und diese Färbung essentieller Bestandteil meines Themas ist?
Manchmal geht es gar nicht "aus einem Guss". Ich sehe auch nicht, was Bücher, die sich auf eine bestimmte Perspektive beschränken, jetzt zwangsläufig besser macht als Bücher, die das nicht tun und sich darum bemühen, eine Vielfalt von Perspektiven darzustellen. Je nach Thema und Art des Buches kann beides sinnvoll sein. Manchmal, da stimme ich zu, ist es nötig, dass keine andere Erzählstimme "stört". Aber manchmal ist ja gerade die Subjektivität eines Ich-Erzählers essentieller Bestandteil der Aussage und muss in ihrer Subjektivität, vielleicht sogar einer deutlichen Fehldeutung entlarvt werden. Dann kann eine zweite Erzählerstimme doch enorm wichtig und gut sein.
Ist nicht auch das eine Frage dessen, wie es gemacht wird?
Allerdings sprechen wir vielleicht auch über unterschiedliche Art von Geschichten, gehen von anderen Vorraussetzungen aus und haben andere Erfahrungen. Ich für meinen Teil habe solche Bücher nämlich durchaus schon recht oft gesehen und ich kann auch nicht sagen, das sie schlechter waren als andere. Oder besser. Die Bewertung hatte nie etwas mit diesem spezifischen Merkmal zu tun, eher, wie damit umgegangen wurde.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: HauntingWitch am 05. Februar 2014, 11:03:33
Ich lese gerade "White Horse" von Alex Adams als Zweitbuch und bin über etwas gestolpert. Die Perspektive ist eine Ich-Erzählerin präsens, etwas, das ich auf so langen Strecken ganz schlimm finde und zwar untere anderem wegen solchen Dingen:

ZitatWas nun folgt, spielt sich innerhalb von wenigen Sekunden ab.

Ja. Wenn die mir das genau jetzt in diesem Moment erzählt, woher weisst sie dann, wie lange das jetzt gleich dauern wird?  :hmmm: Das ist doch völlig falsch und störend. Einerseits verstehe ich, dass der Autor mir irgendwie sagen möchte, dass dieser kurze Kampf, der auf diesen Satz folgt, sehr schnell geht. Aber gleichzeitig weiss ich, dass die Protagonistin das in diesem Moment noch gar nicht wissen kann.

Ich verstehe auch, was das soll mit diesem Ich-Erzähler präsens. Wenn man nicht wissen soll, ob die Protagonistin am Ende überlebt oder nicht und um Spannung zu erzeugen. Meiner Meinung nach funktioniert das aber nur bei Kurzgeschichten mit wenig Seiten. Ich finde es sehr sperrig und anstrengend zu lesen.

Was meint ihr dazu?
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Coppelia am 05. Februar 2014, 11:24:03
Erzähltheoretisch spricht der Ich-Erzähler meistens von einem späteren Zeitpunkt aus bzw. der "ich"-sagende Perspektiventräger ist eine andere (meist jüngere) Version seiner selbst. Und Präsens ist einfach nur eine Wahl der Erzählzeit, ebenso wie Präteritum. Insofern sind solche Konstruktionen natürlich möglich. Ob sie sinnvoll sind oder von den Lesern gern gelesen werden, ist eine andere Frage. :hmmm:
Ich denke auch, es soll die Illusion erschaffen werden, dass alles genau in dem Zeitpunkt passiert, in dem es erzählt wird. Das ist aber auch wirklich nur eine Illusion. Allein durch die Formulierung, die Auswahl der Handlung und nicht zuletzt Sätze wie den von dir zitierten zeigt sich, dass hier ein Erzähler aktiv ist, der nicht mit dem Perspektiventräger übereinstimmt.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Chris am 05. Februar 2014, 11:54:12
Zitat von: HauntingWitch am 05. Februar 2014, 11:03:33
Ich verstehe auch, was das soll mit diesem Ich-Erzähler präsens. Wenn man nicht wissen soll, ob die Protagonistin am Ende überlebt oder nicht und um Spannung zu erzeugen. Meiner Meinung nach funktioniert das aber nur bei Kurzgeschichten mit wenig Seiten. Ich finde es sehr sperrig und anstrengend zu lesen.

Es kommt sehr auf die Autorin oder den Autor an. In "Die Königin der Weißen Rose", einem historischen Roman, nutzt Philippa Gregory das Ich-Präsens, was für historische Romane als No-go gilt  ;) - und sie schreibt derart gut, dass ich erst nach etwa 30 Seiten dachte: "Hmm, irgendwas ist hier anders."

Dieses "Was nun folgt, spielt sich in wenigen Sekunden ab." gefällt mich auch nicht, was aber nicht nur am Präsens liegt, sondern für mich stark nach "tell, don't show" klingt - hier merke ich sehr den Autor, der mir etwas sagen will.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Sanjani am 05. Februar 2014, 12:04:05
Ich persönlich mag Präsens generell nicht, weder als Ich-Erzähler noch als Er-Erzähler. Ich finde es einfach spärrig zu lesen. Im Deutschunterricht haben wir mal gelernt, dass man durchs Präsens noch näher an der Situation ist, aber zumindest auf mich trifft das überhaupt nicht zu.

Die andere Sache mit der Vorausdeutung, da hast du natürlich Recht, dass das nicht funktionieren kann, aber ich glaube, das Präsens beim Erzählen ist einfach eine Stilform, wo nicht alles durch und durch logisch sein muss. Rückblenden schreiben wir ja, wenn sie länger sind, auch nicht im Plusquamperfekt, obwohl wir das machen müssten, sondern wechseln irgendwann ins Präteritum, um einen besseren Lesefluss zu gewährleisten. Vorausdeutungen selber mag ich persönlich übrigens auch überhaupt nicht, obwohl Leute wie Frey ja meinen, das wäre total wichtig für die Geschichte. Na ja ...

LG Sanjani
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Pygmalion am 06. Februar 2014, 12:44:25
Also, das beste Buch, das ich bisher mit einem Ich-Erzähler gelesen habe, war "Im Westen Nichts Neues" Da funktioniert das. Generell irritiert mich der Ich-Erzähler sowieso erstmal, ich bin mehr gewohnt, aus der 3. Person zu lesen. Ich muss aber immernoch testen, wie das bei den Tributen von Panem funktioniert ;)

Der Satz den du zitiert hast, ist sitilisch insgesamt unschön, unabhängig von der Präsens-Ichform, finde ich.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Siara am 15. Februar 2014, 14:05:27
Ich schreibe größtenteils ebenfalls in der Ich-Perspektive und sehe das wie Drachenkrieger.

Zitat von: Drachenkrieger am 15. Februar 2014, 01:54:30
Noch näher ran an eine Figur geht nicht.

Ich weiß nicht, wie es anderen geht, ich muss hin und wieder jedenfalls etwas aufpassen, nicht zu viel von mir selbst in die Figur zu projizieren. Aber ich fühle mich meinem Protagonisten einfach dann am nächsten, wenn ich die Welt durch seine Augen sehe. Das geht mir übrigens auch beim Lesen so. Ich komme mit beidem gut klar, 1. und 3. Person, aber eine Beziehung zur Person baue ich in der 1. Person schneller auf.

Allerdings muss ich zugeben, dass es in der 1. Person schwerer fällt, die Geschichte "reif" genug klingen zu lassen. Es ist auf jeden Fall möglich (siehe Rothfuss), die Erzählung auch in der Ich-Perspektive schön klingen zu lassen, sodass beim Lesen nicht der Eindruck eines Kinderbuches entsteht. Einfacherer ist es für mich allerdings in der 3. Person.  ;)

Mal eine Frage an alle, die in der 1. Person schreiben: Inwieweit passt ihr euren Schreibstil dem Hintergrund der Person an? Denkt z.B. ein recht ungebildeter Prota in kürzeren Sätzen und in einfacheren Worten als ein gebildeter?
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Churke am 15. Februar 2014, 14:20:31
Zitat von: Siara am 15. Februar 2014, 14:05:27
Mal eine Frage an alle, die in der 1. Person schreiben: Inwieweit passt ihr euren Schreibstil dem Hintergrund der Person an? Denkt z.B. ein recht ungebildeter Prota in kürzeren Sätzen und in einfacheren Worten als ein gebildeter?

Ja, das ist aber bei jeder personalen Erzählform so. Ein gegebener Sachverhalt wird von einem Polizeiobermeister nun mal anders wahrgenommen und wiedergegeben als von einem Junkie, und das sollte sich auch in jedem Satz ausdrücken. Egal, ob in der 1. oder 3. Person.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Christian Svensson am 15. Februar 2014, 15:51:53
Doch, es geht noch näher heran - und das ist das Beispiel, in dem der Ich-Erzähler auf einmal aus der erzählten Vergangenheit für einige Zeit in der Gegenwart erzählt und danch wieder auf die Gegenwart " zurückschaltet. Dient dazu, einen Vorgang noch näher heranzubringen, schneller, emotionaler zu machen.
Das wird allerdings meistens beim personalen Erzähler verwendet, in der Ich-Form eher seltener.
Beispiel: Otto Marchi, "Landolts Rezept"

Zum generellen Thema der Ich-Perspektive in einem Roman hat James N. Frey eigentlich sehr viel gesagt. Ein Zitat daraus, was mir sehr gefällt:
"In J.D. Salingers 'Fänger im Roggen' und Raymond Chandlers Marlowe-Geschichten sieht das alles ganz einfach aus. J.D. Salinger und Raymond Chandler tragen die Verantwortung für viele gescheiterte Erstlingsromane."
Aus: James N. Frey: "Wie man einen verdammt guten Roman schreibt" Auszug S. 126, Herman-Josef Emons Verlag 1993
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Siara am 15. Februar 2014, 17:58:01
Zitat von: Churke am 15. Februar 2014, 14:20:31
Ja, das ist aber bei jeder personalen Erzählform so. Ein gegebener Sachverhalt wird von einem Polizeiobermeister nun mal anders wahrgenommen und wiedergegeben als von einem Junkie, und das sollte sich auch in jedem Satz ausdrücken. Egal, ob in der 1. oder 3. Person.

Ja, stimmt schon, das hat eher etwas mit dem Personalen zu tun. Hatte mich falsch ausgedrückt, tut mir leid  ;)

Dennoch finde ich es dann schwer, wenn die Erzählperson ein sehr krasses Bildungsniveau hat (unabhängig davon, ob nun ein extrem niedriges oder extrem hohes). Bei beidem stelle ich es mir für den Leser äußerst unschön vor. Wenn ich z.B. aus welchen Gründen auch immer einen sehr "dummen" oder schlicht ungebildeten Menschen als personalen Erzähler einsetzen würde, würde ich natürlich einfachere Worte wählen. Aber trotzdem würde ich es vermutlich nicht so extrem ausprägen, wie es vom Bildungsstand eigentlich angebracht wäre. Also keine falsche Grammatik, etc.

Das macht das Erzählen zwar weniger realistisch, weil auf diese Weise die Gedanken und Beschreibungen der Person verzerrt werden. Aber ich denke einfach, dass in einem solchen Extremfall niemand etwas lesen wollen würde, das komplett realistisch geschrieben ist, mitsamt allen grammatikalischen Fehlern und womöglich falschen Bezeichnungen (siehe z.B. Verwechslung "personal" und 1. bzw. 3 Person  ::) )
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Zit am 15. Februar 2014, 18:06:35
Realismus hat schon seine Fans. ;D Auch wenn ich nicht dazu gehöre.
Was meinen Stil angeht, so ändert der sich nicht wirklich, egal, ob ich jetzt eine extrem gebildete Figur habe oder nicht. Allerdings schreibe ich auch als auktorialer/ personeller Erzähler, da kann ich mir das erlauben. Ansonsten könnte ich nie Figuren als Perspektivträger verwenden, die über meinem Bildungshorizont liegen.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: HauntingWitch am 20. März 2014, 09:33:23
Ich, mal wieder. Lange habe ich das für mich behalten, weil ich es zuerst beobachten wollte, aber nun interessiert mich doch auch eure Meinung. Stichwort Perspektivenreiterei. Immer wieder höre ich den Ausdruck "Perspektivbruch", wenn innerhalb einer Zeile von der Ansicht von Person A zur Ansicht von Person B gewechselt wird. Das ist nicht schön, meinen wir, ich bin selbst ein Fan von diesem "stay in character"-Prinzip (ich nenne es so), bei dem man möglichst nahe bei einer Person sein und bleiben soll. Daher "darf" man dann theoretisch auch keine Perspektivbrüche und plötzliche Wechsel machen. Aus demselben Grund bin ich auch kein Fan vom auktorialen Erzähler. Soweit so gut.

Nur wird diese Theorie mir beim Lesen immer wieder in Frage gestellt. Dauernd bekomme ich Bücher in die Hand, in denen ebensolche Brüche vorkommen, in denen einfach mal so vom Ich-Erzähler zum Auktorialen gewechselt wird, in denen in einem Absatz Person A denkt und im nächsten Person B und das innerhalb derselben Seite, ohne Abstände oder Pausen oder auch nur Ankündigungen. Aus obigen Gründen fällt mir das zwar auf. Aber keines dieser Bücher ist deswegen schlechter oder liest sich unangenehm. Wenn mir ein Buch gefällt, stört mich das nicht. Was nicht stört, spielt keine Rolle, sage ich immer. Also ist dieses selbst auferlegte Dogma vom Perspektive einhalten möglicherweise doch völlig falsch?
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Sternsaphir am 20. März 2014, 09:40:28
Ich denke, das hängt ganz von der Geschichte ab und wie sie erzählt wird. Ich hab beides schon gelesen und es hat mich auch nicht sonderlich gestört, sondern ich fand es passend.
Früher habe ich in meinen Geschichten auch mitten im Satz die Perspektive gewechselt, weil aber auch das Hauptaugenmerk nicht allein auf dem Prota lag, sondern das Innenleben von (fast) allen Hauptpersonen (auch dem Anta) einfließen sollte. Wenn man sich beim Plotten für dieses Schema entscheidet und die ganze Geschichte darauf aufbaut, ist da nichts Störendes daran. Man sollte aber dann dieses Prinzip beibehalten und nicht plötzlich wechseln, wenn man zuvor nur aus einer oder zwei festen Perspektiven erzählt hat.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Sanjani am 20. März 2014, 09:41:19
Hallo Witch,

Zitat von: HauntingWitch am 20. März 2014, 09:33:23
Nur wird diese Theorie mir beim Lesen immer wieder in Frage gestellt. Dauernd bekomme ich Bücher in die Hand, in denen ebensolche Brüche vorkommen, in denen einfach mal so vom Ich-Erzähler zum Auktorialen gewechselt wird, in denen in einem Absatz Person A denkt und im nächsten Person B und das innerhalb derselben Seite, ohne Abstände oder Pausen oder auch nur Ankündigungen. Aus obigen Gründen fällt mir das zwar auf. Aber keines dieser Bücher ist deswegen schlechter oder liest sich unangenehm. Wenn mir ein Buch gefällt, stört mich das nicht.

Mich schon. Das kann dann der Grund sein, warum das Buch keine 5 Sterne bekommt, sondern nur 4. Aber ich gebe zu, ganz früher hat mich das auch nicht so gestört, da habe ich aber auch keinen so großen Wert auf Stil gelegt, zumindest nicht als Konsument. Mein Gefühl ist, dass ich anspruchsvoller werde, was solche Sachen angeht, je mehr ich selber als Schreiberling dazu lerne. Ich find es sogar ganz fürchterlich, wenn ständig die Perspektive gewechselt wird. Da kommt bei mir kein Feeling auf, und mag das Buch noch so brillant sein. Aber da ist sicher jeder ganz individuell gestrickt :)

VG Conni
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Judith am 20. März 2014, 10:24:18
Also prinzipiell sind Perspektivenwechsel und eine personale Multiperspektive kein Perspektivenfehler. Das strenge Dranbleiben an einer Figur ist eine recht moderne Erscheinung, aber eine, die sich so derartig durchsetzt, dass alles andere inzwischen fast als Fehler/Bruch betrachtet wird. Ich finde das ziemlich schade, weil auch Perspektive etwas ist, womit man spielen kann und wo einem auch unterschiedliche Möglichkeiten offenstehen.
Wie Sternsaphir schon geschrieben hat, hängt es einfach von der Geschichte ab und davon, wie sie erzählt wird. Wenn man bewusst zwischen Perspektiven wechselt, um damit eine bestimmte Wirkung zu erzielen, sehe ich darin überhaupt kein Problem. Problematisch wird es meiner Meinung nach erst, wenn man das Gefühl hat, dass der Autor es nicht bewusst macht, also unabsichtlich aus der Perspektive rutscht oder völlig wahl- und ziellos zwischen den Personen wechselt, ohne dass man einen Sinn dahinter erkennt.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Churke am 20. März 2014, 10:51:39
Zitat von: HauntingWitch am 20. März 2014, 09:33:23
Aber keines dieser Bücher ist deswegen schlechter oder liest sich unangenehm.

Woher weißt du das?
Welches ist dein Vergleichsmaßstab?

Die Fragen müssten lauten:
a) Warum hat der Autor die Perspektive verlassen?
b) Wie wäre das Buch, wenn er die Perspektiven eingehalten hätte?

Sammeln wir mal
ad a)
- falsche Perspektive/Erzählform gewählt
- falsche Perspektivträger gewählt
- falsche Szenen gewählt
- Unvermögen, etwas im Subtext auszudrücken
- individuelle Gründe

ad b)
???
Hier lautet meine These, dass das Buch in den meisten Fällen besser wäre.

Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Christian Svensson am 20. März 2014, 11:51:59
Ich denke, wir sollten erstmal klären, von welchen Büchern wir reden, bevor wir sie als Beispiel heranziehen. Reden wir von gedruckten Bestsellern, von Eintagsfliegen oder von Betaleserprojekten hier im TiZi?

Ich weiß von meiner Betaleserin und auch von einer professionellen Lektorin meiner Kurzgeschichten, dass sie mir auch den kleinsten Perspektivenbruch gnadenlos um die Ohren hauen. Das hat dazu geführt, dass ich auch gekaufte Bücher mit einem wesentlich kritischeren Auge lese.

Dann hängt es davon ab, ob ich streng "show, don't tell" befolge. Tue ich das und schreibe ich in der personalen Perspektive, fällt jeder Bruch sofort auf. Bei der auktorialen (wenn sie nicht neutral ist) ist das kein Thema. Da die Wahl der Perspektive(n) ja ein Kriterium ist, das entschieden sein sollte, bevor die erste Zeile geschrieben ist, stellt sich doch die Frage, warum das so wichtig ist. In fast jedem Schreibratgeber ist die Meinung dazu einhellig: Perspektivenwechsel nicht innerhalb eines Kapitels. Die meisten Autoren, die solche Ratgeber verfassen (nicht alle :-) ), wissen, wovon sie schreiben.
Wenn ich es schaffe, einen Leser in meinen Protagonisten hineinzuziehen, ihn sich mit ihm identifizieren zu lassen, also ihn ganz nahe heranzuholen - schmeiße ich den Leser mit jedem Wechsel wieder hinaus, ich stoße ihn ab. Die meisten werden nicht wissen, warum, aber Lesen ist auch Fühlen.
Letzten Endes stellen sich bei einem Perspektivenwechsel/-Bruch tatsächlich die Fragen, die hier schon genannt wurden:
- war es Unwissen/Unfähigkeit
- möchte jemand besonders künstlerisch wertvoll herüberkommen
- hat jemand seine Hausaufgaben nicht gemacht
- geschah es mit einem bestimmten Ziel und wurde das Ziel damit erreicht
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: HauntingWitch am 20. März 2014, 13:16:15
Zitat von: Churke am 20. März 2014, 10:51:39
Woher weißt du das?
Welches ist dein Vergleichsmaßstab?

Mein Empfindung sagt mir das. Ich finde diese Bücher nicht schlechter, als jene, die sich an über längere Zeit (sprich ganze Kapitel oder mehrere, vielleicht sogar für's ganze Buch) an eine Perspektive halten. Mein Vergleichsmasstab ist alles, was ich lese und gut finde.  ;)

Zitat von: Bardo djel Liores am 20. März 2014, 11:51:59
Ich denke, wir sollten erstmal klären, von welchen Büchern wir reden, bevor wir sie als Beispiel heranziehen. Reden wir von gedruckten Bestsellern, von Eintagsfliegen oder von Betaleserprojekten hier im TiZi?

Ich denke an durchaus erfolgreiche, teilweise auch Bestseller-Autoren. Z.B. Stephen King oder gerade bei mir aktuell Jodi Picoult. Aber auch an Philipp Pullman kann ich mich gut erinnern. Es gibt gewiss noch andere, aber diese kommen mir spontan in den Sinn.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Sanjani am 20. März 2014, 14:58:28
Zitat von: Judith am 20. März 2014, 10:24:18
Wenn man bewusst zwischen Perspektiven wechselt, um damit eine bestimmte Wirkung zu erzielen, sehe ich darin überhaupt kein Problem. Problematisch wird es meiner Meinung nach erst, wenn man das Gefühl hat, dass der Autor es nicht bewusst macht, also unabsichtlich aus der Perspektive rutscht oder völlig wahl- und ziellos zwischen den Personen wechselt, ohne dass man einen Sinn dahinter erkennt.

Interessant wäre ja auch, ob der Autor bspw. ein Ziel damit verfolgt hat, der Leser das aber nicht verstanden hat. Mir fällt zum Thema Perspektivbrüche immer zuerst Alfred Bekker ein, ich glaube die Reihe hieß "Die Elben" oder so ähnlich. Ich mochte den Plot, aber diese ständigen Perspektivwechsel haben mich ganz arg gestört. Aber vielleicht hat er ja ein Ziel verfolgt, nur ich war zu blöd, um es zu bemerken :)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Siara am 20. März 2014, 16:19:22
Für mich macht es auch auf jeden Fall einen Unterschied

- ob der Autor damit aus seiner eigenen Regel fällt (weil er bisher z.B. immer nur aus einer Perspektive geschrieben hat). Und sei es auch nur, weil er keinen anderen Weg sah, etwas Bestimmtes mit einfließen zu lassen

- oder ob er den Perspektivwechsel als Stilmittel benutzt. Ich sehe es wie Judith, mit der Perspektive kann man spielen wie mit allem anderen auch. Vielleicht möchte man den Leser ja aus irgendeinem Grund aus seinem bisher "sicheren" und bekannten Erzähler reißen. Auch damit kann man etwas vermitteln, dem Leser andere Sichtweisen eröffnen oder ihn dazu bringen, die Ansichten des bisherigen personalen Erzählers kritischer zu hinterfragen.


Es ist meiner Meinung nach ein Werkzeug, mit dem man umgehen lernen muss und das, wie alle Stilmittel, unbedacht angewandt schädlich ist. In der Regel merke ich beim Lesen, ob ein Perspektivwechsel beabsichtigt war oder willkürlich gesetzt wurde und damit ein Logikfehler ist. (Oder ich ahne es wenigstens). Letzteres ist unangenehm. Bücher, die bei ihrer Perspektive bleiben, stören mich auf jeden Fall nicht. Bereichern kann ein Wechsel die Geschichte aber dennoch.

Ich persönlich ändere gern die Perspektive, um bestimmte Effekte zu erzeugen, aber ich belasse es innerhalb eines Kapitels bei einer Perspektive. Mitten im Absatz zu wechseln und es richtig rüber zu bringen, traue ich mir nicht zu, aber das heißt schließlich nicht, dass andere es nicht womöglich können  ;D   
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: canis lupus niger am 20. März 2014, 16:25:36
Zitat von: Bardo djel Liores am 20. März 2014, 11:51:59
Letzten Endes stellen sich bei einem Perspektivenwechsel/-Bruch tatsächlich die Fragen, die hier schon genannt wurden:
- war es Unwissen/Unfähigkeit
- möchte jemand besonders künstlerisch wertvoll herüberkommen
- hat jemand seine Hausaufgaben nicht gemacht
- geschah es mit einem bestimmten Ziel und wurde das Ziel damit erreicht

Wenn mir ein Buch ansonsten gefällt, stelle ich mir diese Fragen eigentlich nicht. Das ist bei mir allgemein so beim Lesen: Ich nehme ein Buch zuerst im Ganzen wahr, lasse mich davon einhüllen und "erfühle" es, wie Du schon geschrieben hast. Erst wenn dieses Gefühl nicht stimmt, dann fange ich an, Fragen danach zu stellen, was an der Geschichte nicht stimmt. Aber tatsächlich sind in der Regel solche Bücher besser zu lesen, deren Autor mit der Perspektive ebenso gekonnt arbeitet, wie mit den anderen Stilmitteln.

"Personale Multiperspektive" ist ein Begriff, den ich bisher noch nicht kannte, der mich aber sofort in seinen Bann geschlagen hat. Eine altmodische Art, zu erzählen, wie schon gesagt wurde, aber wo sie hinpasst, finde ich sie nicht unangenehm. Wenn jemand allerdings grundsätzlich aus der Perspektive eines bestimmten Charakters schreibt, und diese dann für einige Sätze verlässt, dann ist das in meinen Augen ein offensichtlicher Fehler und kein gewolltes Stilmittel.

Wenn ich selber schreibe, wechsele ich inzwischen gerne die Perspektive (allerdings nicht innerhalb eines Satzes, sondern möglichst bei einem neuen Kapitelanfang), wenn die Handlung aus der bisherigen Perspektive nicht vernünftig/lebendig/nahe genug weiter erzählt werden kann. In meinem aktuellen Projekt versuche ich das so umzusetzen, als würden sich die Perspektivträger die Handlung wie einen Ball gegenseitig zuwerfen. Die Perspektive springt bei einer eigentlich linearen Handlung von einem (von vier) Perspektivträgern zum anderen. Macht ziemlich viel Spaß. So was musste ich aber auch erst lernen und bin immer noch dabei (es zu lernen). In meinem Debüt habe ich leider ein paar diesbezüglich Stellen, die mir inzwischen ziemlich peinlich sind. *rotwerd*

*edit*
Oh, ähm, da haben sich unsere Beiträge wohl überschnitten.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Christopher am 20. März 2014, 16:33:39
Für den Effekt eines Perspektivwechsels fällt mir spontan Joe Abercrombies "Heldenklingen" ein. Der Anfang einer Schlacht wird aus der Perspektive eines Soldaten gezeigt, in dem Moment wo er getötet wird springt die Perspektive auf seinen Mörder, der wird kurz darauf von einem Pfeil getroffen, stirbt ebenfalls und dann springt die Perspektive zu demjenigen über, der ihn dann ausraubt.

Hat mich das gestört? Nein. Abercrombie wollte damit (denke ich) mehrere Perspektiven auf die Schlacht einbringen, zeigen, dass jeder dabei auf banalste Art und Weise oder wegen Dummheit der Kommandanten o.ä. umkommen kann usw.

Kurz: Es war geplant und es hat Sinn gemacht für den Effekt den er erzielen wollte.
(Alles übrigens in einem einzigen Kapitel. Und Abercrombie verkauft sich besser als die meisten, so viel also dazu.)

Wenn hingegen mitten in einem Dialog die Perspektive von Person A zu Person B springt, dann kurz die inneren Gefühle beschrieben werden die Person B hat um dann wieder zu A zu springen - dann stinkt das nach Unvermögen. Unvermögen, diese Gefühle auch über die Wahrnehmung von Person A zu vermitteln, bzw. mangelnde Vorbereitung, anhand derer der Leser diese Gefühle ahnen/nachvollziehen kann/könnte.
DAS wiederum ist dann eher schlecht gemacht als gewollt gut eingesetzt.

Pauschal sagen, dass Perspektivwechsel niemals in einem Kapitel stattfinden sollten halte ich also für Blödsinn. Ein Gegenbeispiel hab ich ja gebracht. Wo da die Grenze zu ziehen ist, muss aber von Fall zu Fall betrachtet werden. Ich denke, der Ansatz von Churke ist da schon ganz gut, ich würde ihn nur leicht ändern:

Warum hat der Autor die Perspektive verlassen?
Musste er die Perspektive verlassen, um zu zeigen was er gezeigt hat?

Wenn es handwerklich irgendwie anders machbar ist und der Perspektivenwechsel keinen weiteren Sinn hat, als das handwerkliche Unvermögen auszugleichen, dann ist der Perspektivenwechsel schlecht. Hat er hingegen einen weiterführenden Sinn, kann man es denke ich schon machen.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Christian Svensson am 20. März 2014, 16:37:24
Es passt gerade so gut, da ich im Moment einen Roman schreibe, in dem ich aus der personalen Perspektive von drei Personen erzähle. Wenn wir über Perspektive reden, ist auch das Thema "Erzählstimme" nicht weit. Das wäre dann der nächste Schritt. Was meine ich damit? Wenn ich in einem Kapitel aus der personalen Perspektive eines Hafenarbeiters mit niederer Bildung erzähle und in einem anderen Kapitel aus der personalen Perspektive einer Hochschulprofessorin, muss ich auch die Erzählstimme anpassen. Daran wird oftmals nicht gedacht. Muß bei der Planung eines Buches aber auch berücksichtig werden.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Siara am 20. März 2014, 16:46:25
Zitat von: Bardo djel Liores am 20. März 2014, 16:37:24
Wenn ich in einem Kapitel aus der personalen Perspektive eines Hafenarbeiters mit niederer Bildung erzähle und in einem anderen Kapitel aus der personalen Perspektive einer Hochschulprofessorin, muss ich auch die Erzählstimme anpassen.
Das hatten wir in diesem Thread ab dem 15.02 dieses Jahres schon mal angerissen. Kannst ja mal nachsehen  ;)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Coppelia am 20. März 2014, 17:46:41
Früher war ich der Meinung, Perspektive müsse streng eingehalten werden. Dann habe ich meine Diss über Erzählperspektive geschrieben und bin nun ziemlich genau der entgegengesetzten Ansicht. Judith hat es bereits schön formuliert:
ZitatAlso prinzipiell sind Perspektivenwechsel und eine personale Multiperspektive kein Perspektivenfehler. Das strenge Dranbleiben an einer Figur ist eine recht moderne Erscheinung, aber eine, die sich so derartig durchsetzt, dass alles andere inzwischen fast als Fehler/Bruch betrachtet wird. Ich finde das ziemlich schade, weil auch Perspektive etwas ist, womit man spielen kann und wo einem auch unterschiedliche Möglichkeiten offenstehen.
Da ich durch meine Arbeit darauf spezialisiert bin, zu erkennen, ob aus einer bestimmten Perspektive erzählt wird und ob Wechsel erfolgen, fällt mir das jetzt bei Büchern auch noch stärker auf. Ich musste feststellen, dass einige meiner Lieblingsbücher ständig Perspektivenwechsel haben, dabei sicher auch sehr viele unbeabsichtigte. Früher war mir das nicht ins Auge gefallen.

Beim Schreiben besteht für mich ein Teil der Freude darin, ganz nahe an einer Person "dran" zu sein und aus ihrer Sicht alles zu erleben. Ich glaube, dass das auch für viele Leser die Freude am Lesen ausmacht. Am besten verkaufen sich Bücher, wenn sie spannend sind, und spannend sind sie, wenn man mit den Figuren mitfiebert, und das tut man dann, wenn man nah an ihnen dran ist, und das ist man, wenn aus ihrer Perspektive erzählt wird.

Meinen Schreibstil habe ich nicht geändert, aber ich habe viel über die Möglichkeiten von Erzählperspektive gelernt.
Einen Perspektivenwechsel als Fehler zu betrachten, habe ich mir komplett abgewöhnt. Gut ist es aber sicher, wenn man sich als Autor über die Möglichkeiten im Klaren ist und seine Chancen erkennt, um das zu erreichen, was man möchte. Kein Erzählwerkzeug ist so "mächtig" wie Perspektive. Nichts manipuliert den Leser so sehr.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Judith am 20. März 2014, 19:04:30
Zitat von: HauntingWitch am 20. März 2014, 13:16:15
Ich denke an durchaus erfolgreiche, teilweise auch Bestseller-Autoren. Z.B. Stephen King oder gerade bei mir aktuell Jodi Picoult. Aber auch an Philipp Pullman kann ich mich gut erinnern. Es gibt gewiss noch andere, aber diese kommen mir spontan in den Sinn.
Rebecca Gablé fällt wechselt manchmal nur für ein paar Sätze in eine andere Perspektive - da ist es mir tatsächlich eher störend aufgefallen. Aber sie hat zig begeisterte Leser, denen das offensichtlich nichts macht.
Gerade habe ich von Tanja Kinkel "Das Spiel der Nachtigall" gelesen und da finden auch Perspektivenwechsel innerhalb eines Kapitels statt. Guy Gavriel Kay balanciert irgendwo zwischen auktorialem Erzähler und wechselnden personalen Erzählern und ist im englischen Sprachraum sehr beliebt.
Das sind jetzt nur ein paar weitere Beispiele, aber man könnte wohl eine ganze Weile weiter aufzählen. Es gibt viele Bestsellerautoren, die auch innerhalb eines Kapitels die Perspektive wechseln und trotzdem gut bei Lesern ankommen. Ich sehe also wirklich kein Problem, in einem Kapitel die Perspektive zu wechseln.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Anj am 20. März 2014, 20:07:37
Also für mich ist die Perspektive eine der komplexesten Dinge beim Schreiben. Denn es zählt nicht nur Nähe und Distanz der Perspektiv-Kamera, sondern auch ihre Ausrichtung (schaut sie in einen Kopf oder sitzt sie im Kopf und schaut durch die Augen hinaus, die zeitliche Komponente (wann und wie wird die Geschichte erzählt) und die Erzählerpersönlichkeit, bzw. ihr Wissensstand und die Stärke mit der der Erzähler in den Text miteinfließt. Denn Figur und Erzähler sind im Grunde nie deckungsgleich, nichtmal beim Ich-Erzähler (Ausnahme: Präsenstexte, auch wenn ich persönlich diese nicht anders empfinde, als Präteritumtexte)
Letztlich kann man fast alles machen, wenn man die sich darüber klar ist, wer wann erzählt und wo die Kamera platziert ist. Die Ich-Perspektive ist eingeschränkter, aber in der dritten Person kann ich nahezu alle Varianten nutzen. Meiner Meinung nach muss für den Leser lediglich die ganze Zeit ersichtlich und nachvollziehbar sein, was die Perspektiv-Kamera gerade macht.
Das bedeutet für mich, dass die Sprünge in verschiedene Köpfe bei einer multipersonalen Ebene ausgewogen sein müssen, bei einem auktorialen Erzähler die Distanz der Kamera zu den Köpfen, sprich der Blick von außen, gewahrt bleiben muss und der Ich-Erzähler immer aus seiner Perspektive erzählen muss. Wobei hier allerdings die zeitliche Ebene wieder Freiraum gibt, denn der Erzähler weiß in der Regel mehr, als die Figuren, weil er die Geschichte und ihr Ende bereits kennt. (Ausnahmen sind auch hier die Präsenstexte)  Und auch die Interpretationsleistungen von Menschen durchaus genutzt werden kann. Wenn ich jemanden gut kenne, dann kann ich meist an nonverbalen Signalen die Grundstimmung erkennen, oder aber ich kenne seine Meinung gut genug, um diese sicher benennen zu können. Dann kann ich das als erzählende Figur einfach behaupten, ohne dass die Kamera ihre Position verlässt.
Für mich als Leser muss dabei im Grunde nur erkennbar sein, ob sich die Perspektiv-Kamera bewegt, die Figur ihre Erfahrungen und ihr Wissen nutzt oder ob der Erzähler auf seinen Wissensvorsprung zurückgreift.
Das wäre Dinge, das ich nicht wild mischen würde, sondern im Vorfeld festlegen und den Text dementsprechend aufbauen würde. (Bzw. einen plotlosen Text darauf prüfen würde)
Ob es dafür konkrete Regeln gibt, auch für das Erkennen, weiß ich nicht, ich gehe da nach Gefühl vor. Aber wenn es konsistent gemacht ist, empfindet man beim Lesen meist keinen störenden Bruch. (Das zumindest zeigen mir einige Texte, die von mehreren Betas (unter anderem auch Profis) kommentiert werden)
Dann kommen auch noch Genreerwartungen dazu, denke ich. Bei Romanzen fällt es vermutlich nicht so schnell störend auf, wie bei einem Krimi.

Als wirklich störend empfinde ich es nur, wenn das überwiegende Konzept unterbrochen wird. Das letzte Beispiel, dass mich wirklich gestört, sogar geärgert hat, war, dass ein Autor wild in alle Köpfe gesprungen ist (das war ungewohnt und nicht wirklich mein Geschmack, aber durchaus legitim), dann aber plötzlich vor einem Kopf halt macht und über die bevorstehende, wichtige Entscheidung der Figur rätselt. Das war eindeutig der Versuch, Spannung zu erzeugen, hat bei mir aber nur dazu geführt, dass ich mich über diesen plumpen Schachzug einfach nur tierisch geärgert habe. Das ganze kam in den zwei Dritteln des Buches, die ich gelesen habe exakt zweimal in dieser Form vor.
Eben deswegen bin ich inzwischen der Meinung, man kann sich für fast alles Varianten entscheiden, aber innerhalb der Varianten muss das Ganze dann auch konsequent durchgezogen werden.

Soweit sind das meine laienhaften Erkenntnisse und Gedanken zum Thema Perspektive. Ich hoffe, es ist nachvollziehbar, was ich geschrieben habe^^
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Christian Svensson am 20. März 2014, 21:06:49
Es gibt da so einen schönen Spruch: "Grau ist alle Theorie". In der Praxis muss ein solches Manuskript mit "wilden" Perspektivwechseln auch vom Lektor und vom Verlag akzeptiert werden. Und da hätte ich dann die Frage an die hier, die Autoren von verlagsseitig gedruckten und verkauften Büchern sind:
Wie ist da die Position?

Sorry, wenn ich da gerade einen Unterschied mache, aber da ich meinen Roman gerne eines Tages in Buchläden sehen will, interessiert mich das schon sehr.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Alana am 21. März 2014, 00:22:38
Ja, das ist sicher eine wichtige Frage, die man sich stellen muss, wen man veröffentlichen will.

Kopf-hüpfen ist meiner Meinung nach ein absolute No-Go. Das ist für mich kein Stilmittel, sondern schlichtweg schlechte Technik oder Unwissenheit. Zumindest in den Fällen, die mir bisher begegnet sind. Ich meine damit allerdings nicht echte Wechsel, wie sie zum Beispiel in den Romane von Catherine Gaskell stattfinden, über längere Abschnitte hinweg. Sondern wirklich das absatzweise springen von Kopf zu Kopf, nach wenigen Sätzen. Das hat für mich keinen erzählerischen Wert, außer vielleicht mal ganz kurz mit voller Absicht eingesetzt. Wenn man die Techniken beherrscht, kann man ja eigentlich alles machen.

Für mich besteht aber gerade der Reiz einer Geschichte darin, nicht einfach in den anderen Kopf zu wechseln, wenn man die Gedanken des anderen darstellen möchte, sondern durch den aktuellen Perspektivträger darzustellen, was der andere gerade denkt. Das wirkt für mich viel lebensechter und macht die Geschichte interessanter. Mir macht es Spaß zu überlegen, wo ein Wechsel stattfinden soll, in welchem Kopf der Leser an welcher Stelle ist und so weiter. In der Szene kurz zu wechseln, nur um die Gefühle einer Person durch deren Gedanken schnell mal darzustellen, ist für mich meist ein Zeichen von Bequemlichkeit.

Aber ich will auch betonen, dass ich nichts davon dogmatisch sehe. Man kann mit allem spielen und wenn man es richtig macht, kann man aus allem eine gute Leseerfahrung erzeugen. Ob es sich allerdings verkaufen lässt, ist eine ganz andere Frage und hängt sicher auch sehr stark vom Genre ab.

Von Verlagsseite wurde mir gesagt, dass man Perspektiven nach Möglichkeit immer streng nach Kapitel trennen soll. Besonders gilt das für alle Romance-Genres und ganz besonders für Romane mit zwei Ich-Erzählern. Außerdem ist wichtig, dass jeder Erzähler eine gut erkennbare eigene Textstimme hat. Man soll also sofort an der Sprache erkennen können, in wessen Kopf man sich gerade befindet.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Coppelia am 21. März 2014, 05:53:43
Wildes Kopf-Hopping ist mir in den tollen Büchern von Susan Cooper aufgefallen, dem "Wintersonnenwende"-Zyklus. Ich finde sie immer noch großartig.
Eins meiner absoluten Lieblingsbücher, "Unten am Fluss", ist ohnehin antiker Epik sehr ähnlich und hat auch dementsprechend einen häufigen Wechsel zwischen Figurenperspektive (und zwar der Perspektive mehrerer Figuren) und reinem Erzählertext.
Bei beiden Autoren nehme ich eher an, dass diese Erzählformen keine Absicht waren.
Aufgefallen ist es mir - allerdings negativ - bei den Büchern von David Clement-Davies, die mir mein Vater letztens ausgeliehen hat. Die scheinen sich sehr gut verkauft zu haben.
Und obwohl ich versuche, immer in-Perspektive zu bleiben, fallen mir in meinen eigenen Geschichten auch manchmal Stellen auf, wo ich mich frage: "Wessen Wahrnehmung ist das? Der Figur? Des Erzählers?" ::)

ZitatVon Verlagsseite wurde mir gesagt, dass man Perspektiven nach Möglichkeit immer streng nach Kapitel trennen soll. Besonders gilt das für alle Romance-Genres und ganz besonders für Romane mit zwei Ich-Erzählern. Außerdem ist wichtig, dass jeder Erzähler eine gut erkennbare eigene Textstimme hat. Man soll also sofort an der Sprache erkennen können, in wessen Kopf man sich gerade befindet.
Dahinter steht vermutlich der Wunsch, es dem Leser besonders einfach zu machen. Und wie ich schon vorher gesagt habe: Es macht die Geschichten spannend und besser verkäuflich. Wem das wichtig ist, der sollte wohl am besten nicht groß die Perspektiven wechseln.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: HauntingWitch am 21. März 2014, 08:33:15
Ich sehe schon, das Thema ist komplexer, als ich gedacht habe.  :)

Zitat von: Alana am 21. März 2014, 00:22:38
Außerdem ist wichtig, dass jeder Erzähler eine gut erkennbare eigene Textstimme hat. Man soll also sofort an der Sprache erkennen können, in wessen Kopf man sich gerade befindet.

Das finde ich teilweise sehr schwierig. Wenn ich eine 200 Jahre alte Hexe aus einer anderen Welt und einen 30-jährigen modernen Stadtmenschen habe, geht das problemlos. Aber wenn ich nun 2 dieser modernen Stadtmenschen habe, die beide mit einem ähnlichen Bildungshintergrund aufgewachsen sind, dann werden die eine recht ähnliche Sprache haben.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Coppelia am 21. März 2014, 10:49:43
Das mit der Textstimme finde ich auch problematisch, auch weil ja jeder Autor einen eigenen Stil hat. Generell hat jede Figur ihre eigene Denkweise, ihre eigenen Prioritäten, Vergleichswerte und zum Teil auch ihr eigenes Vokabular. Manche Figuren denken sehr assoziativ, andere stringent und logisch. Daher sollte man am Text theoretisch schon erkennen können, wer Perspektive hat, ob das aber in jedem Fall "sofort" geht, wage ich zu bezweifeln. Es geht unter Umständen tatsächlich sofort, dann kann es aber sein, dass man mit "heftigen" Mitteln wie Kraftausdrücken einsteigen muss. Manchmal sind die Unterschiede auch eher von der subtilen Sorte, vor allem eben, wenn die Figuren alle einen ähnlichen Hintergrund haben (wie meine Kessler Politiker)

Wenn Vokabular einer Figur im Erzähltext auftaucht (ein Kennzeichen von Figurenperspektive) heißt das nach Wolf Schmid "Textinterferenz". Es ist ein relativ einfaches Mittel, einer Figur eine Stimme zu geben. Manchmal geht es dezent: Ein Anwalt kennt juristisches Fachvokabular, ein Feldherr militärisches, ein Schulkind kennt beides nicht. Auch die Wahrnehmung einer bestimmten Person mit unterschiedlichen Bezeichnungen ist typisch. Z. B. könnte der Anwalt Jürgen Schulz von unterschiedlichen Personen als "Jürgen", "Schulz", "Papa", "Onkel Jürgen", "Schnuffel", "der Anwalt", "der Winkeladvokat", "Laber-Schulz" oder noch auf andere Weise wahrgenommen und entsprechend auch im Text bezeichnet werden. Direkte Rede ist dafür nicht nötig.
Meine Studis mussten für Textinterferenz mal ein Textbeispiel aus "Ronja Räubertochter" analysieren, wo Birk im Text als "Hosenschisser" u. ä. bezeichnet wurde, ein Zeichen für Ronjas Perspektive in diesem Abschnitt.
Was ich nicht so gern mag: Wenn eine Figur keine schöne Sprache oder Denkweise hat, z. B. viele Kraftausdrücke verwendet, und dann sehr viel Textinterferenz verwendet wird. Mag ja authentisch sein, aber bitte nur, wenn es zur Geschichte passt.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Christian Svensson am 21. März 2014, 10:55:47
Danke @Coppelia, enthält viele Anregungen für mich.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: HauntingWitch am 21. März 2014, 11:33:59
Danke für die Tipps, Coppelia.  :)

Textinterferenz ist in dem Fall etwas, das ich bereits mache. Aber ich habe bisher die Denkweise/Sprache und die entsprechenden Unterschiede gar nie so genau analysiert.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Churke am 21. März 2014, 12:26:31
Zitat von: HauntingWitch am 21. März 2014, 11:33:59
Textinterferenz ist in dem Fall etwas, das ich bereits mache. Aber ich habe bisher die Denkweise/Sprache und die entsprechenden Unterschiede gar nie so genau analysiert.

Ich weiß auch nicht, ob einem die Analyse hilft, wenn man es praktisch nicht umsetzen kann.

Ich wollte aber noch auf etwas anderes hinweisen: Figuren können den gleichen sozialen Hintergrund, die gleiche Erziehung/Ausbildung und trotzdem völlig andere Werte und Überzeugungen haben. Das einfachste Beispiel sind politische Ansichten. Ein Monarchist argumentiert im Zweifel anders als ein Republikaner.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Coppelia am 21. März 2014, 14:40:27
Die Analyse lehrt nichts und schreibt nichts vor und bevorzugt keine Texte. Sie ist dazu gemacht, bestimmte Phänomene im Text zu erkennen und zu beschreiben. Man braucht also erstmal einen Text, um ihn zu analysieren. Dann finde ich sie aber nützlich, um zu erkennen, was man da eigentlich geschrieben hat und warum - und ob man es ändern möchte.

ZitatFiguren können den gleichen sozialen Hintergrund, die gleiche Erziehung/Ausbildung und trotzdem völlig andere Werte und Überzeugungen haben. Das einfachste Beispiel sind politische Ansichten. Ein Monarchist argumentiert im Zweifel anders als ein Republikaner.
Auf jeden Fall! Wenn du aber möchtest, dass jede Figur an ihrer "Stimme" sofort erkannt wird, wenn der Text einsetzt, musst du eine Situation schaffen, in der diese politischen Ansichten irgendwie von Bedeutung sind, und zwar gleich zu Anfang. Sollte es um irgendetwas gehen, was damit nichts zu tun hat (Hund der Familie? Blühende Bäume? Sex?), braucht man dann doch wieder andere Unterscheidungsmerkmale.
Wenn ich z. B. mit einer Beschreibung des Ortes anfange, wo die Szene spielt, finde ich es immer schwierig, sofort die Stimme des Perspektiventrägers erkennbar zu machen - dann hilft es eventuell, schon vorher klar zu machen, dass diese Figur bestimmte Emotionen mit diesem Ort verbindet, oder klar zu machen, dass sie bestimmte Dinge auf bestimmte Weise wahrnimmt.

Naja. Wenn man will, dann geht es schon irgendwie.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Christopher am 21. März 2014, 16:23:20
Die verschiedenen Erzählweisen, an denen man die Figuren erkennt, kann ich auch wieder von Abercrombie positives berichten. Die "Klingen"-Reihe z.b. hat einige Perspektivträger, die bestimmte Eigenschaften stets bei ihren Kapiteln zeigen. Inquisitor Glokta ist z.b. der einzige, bei dem Gedanken (in kursiv) wörtlich im Text stehen. Sieht man das, weiss man sofort wer spricht, auch wenn man erst am Anfang des Kapitels steht und noch keine weiterführenden Informationen bekommen hat, aus denen das ersichtlich sein könnte.

Für die eigene Stimme würde ich dann einen Grundgedanken, eine Grundemotion für jeden Charakter haben. Der eine sieht die Dinge eher pessimistisch, der andere optimistisch, dazu einige für ihn "typische" Redewendungen die man bei den anderen Charakteren niemals verwendet und dann passt das schon.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Coppelia am 21. März 2014, 16:32:07
ZitatInquisitor Glokta ist z.b. der einzige, bei dem Gedanken (in kursiv) wörtlich im Text stehen. Sieht man das, weiss man sofort wer spricht, auch wenn man erst am Anfang des Kapitels steht und noch keine weiterführenden Informationen bekommen hat, aus denen das ersichtlich sein könnte.
Ich hab das Buch jetzt nicht gelesen, aber nach dem, was du erzählst, erschließt sich mir der Sinn nicht ganz. Man könnte doch auch bei anderen Figuren die Gedanken als inneren Monolog/Gedankenrede präsentieren. Denken ist keine bestimmte Eigenschaft einer Figur. Und ich verstehe nicht, warum man als Autor ein narratives Mittel nur bei einer Figur anwenden sollte und bei anderen nicht.
Aber es ist natürlich durchaus möglich, dass sich der Autor etwas dabei gedacht hat.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: HauntingWitch am 21. März 2014, 16:37:50
Ich schliesse mich Coppelia an. Vor allem wirkt das auf mich auch wie eine "künstliche" Abhebung. So quasi weil der Autor nicht wusste, wie er die Figur sonst eindeutig erkennbar machen sollte, macht er es eben so. Da wäre mir gar keine Unterscheidung sogar lieber.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Christopher am 21. März 2014, 17:19:47
Die Gedanken der anderen Figuren werden natürlich auch dargestellt, aber Glokta ist der einzige der quasi Kommentiert :P
Und natürlich ist es keine Eigenschaft der Figur an sich - aber eine andere Art und Weise wie die Figur handwerklich dargestellt wird.

Ich vermute aber auch, dass der Autor da auch ein wenig herum- und ausprobiert hat, aber schlimm finde ich das nicht. Und letztendlich hat er sich auch entschieden, es so zu lassen, letztenendes ist es also doch Absicht.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Churke am 21. März 2014, 17:31:04
Zitat von: Christopher am 21. März 2014, 17:19:47
Und natürlich ist es keine Eigenschaft der Figur an sich - aber eine andere Art und Weise wie die Figur handwerklich dargestellt wird.

Mir stellt sich das als Stilfrage dar. Stil ist generell ein taugliches Mittel, Perspektiven voneinander abzugrenzen.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Christian Svensson am 24. März 2014, 16:01:48
Moin. Ich habe mal wieder eine Frage zu einem Problem.
Die personale Perspektive bedeutet, eine Szene so zu erzählen, als würde der Leser in der Person des Perspektivträgers stecken. Das habe ich bis jetzt so gelöst:

ZitatBjörn runzelte die Stirn. Nichts war in Ordnung. Der Schleier in seinem Gehirn gab die Erinnerung an einen nackten Mann frei, der an ein Andreaskreuz gefesselt gewesen war, und langsam dämmerte es Björn, wen er da in der Leitung hatte. ,,Wenn Sie mal jemanden auf dem Kieker haben, dann geben Sie aber auch keine Ruhe, was?"

Diese Vorgehensweise wurde auch von einer Lektorin als korrekt empfunden. Aber trotzdem habe ich das Gefühl, dass das noch nicht nahe genug ist, nicht packend genug.
ZitatNichts war in Ordnung. Der Schleier in seinem Gehirn gab die Erinnerung an einen nackten Mann frei, der an ein Andreaskreuz gefesselt gewesen war, und langsam dämmerte es ihm, wen er da in der Leitung hatte. ,,Wenn Sie mal jemanden auf dem Kieker haben, dann geben Sie aber auch keine Ruhe, was?"

Ich finde die zweite Variante "näher", packender. Wenn ich als Perspektivträger denke, fühle, sehe, dann denke ich ja nicht, das mir "etwas dämmert", oder ich denke nicht, dass ich "die Stirn runzle".
Auf der anderen Seite fallen mir dann aber wesentliche Gestaltungsmittel weg. Wie soll ich dem Leser dann zum Beispiel sagen, dass Björn mit der Faust auf den Tisch schlug? Er denkt es ja nicht, sondern er tut es.
Ich hoffe, Ihr versteht, was ich meine.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Coppelia am 24. März 2014, 16:13:59
Figurenperspektive hat etwas Jojo-Mäßiges. Mit verschiedenen erzählerischen Mitteln ist man unterschiedlich nah an der Figur dran. Sehr nah ist man z. B. mit der "Bewusstseinsstrom"-Erzählweise dran, aber die ist auch sehr anstrengend für den Leser. Auch freie indirekte Rede ist sehr nah an der Figur (beide Mittel sind auch ziemlich ähnlich). Ansonsten ist man mal mehr, mal weniger nah an der Figur dran, ohne ihre Perspektive zu verlassen.
Zwischendurch gibt es auch immer mal wieder Textstücke, bei denen nicht klar ist, dass eine Figur Perspektive hat. Ein Beispiel ist z. B. direkte Rede.
"Was wollen Sie von mir?", fragte Björn.
Das könnte ebenso sehr Björns Perspektive sein wie die von jemand anderem.

Wenn du etwas besser und packender findest, solltest du es so machen. Ansonsten ist die unterschiedliche Nähe zur Figur, die Perspektive hat, meiner Ansicht nach normal.

Ich nehme schon manchmal wahr, wie mir etwas dämmert oder ich die Stirn runzele. Wörter, die Wahrnehmung oder Gedanken anzeigen, gelten als Hinweise auf Figurenperspektive (man kann an ihnen auch Perspektivenwechsel feststellen). Trotzdem sind sie nicht unbedingt nötig, auch anderes kann verraten, dass eine Figur Perspektive hat.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Siara am 24. März 2014, 16:18:43
Also ich denke schon, dass man auch in der personalen Erzählform solche Infos wie ein Stirnrunzeln geben kann. Wenn man auf diese Weise schreibt, erwähnt man schließlich ständig Dinge, die man in Wirklichkeit nicht beachtet oder unbewusst tut - das ist auch nur schwer zu vermeiden, irgendwoher muss der Leser seine Erklärungen ja bekommen.

Im Grunde dürftest du dann ja nicht einmal schreiben "...", sagte Tom. Denn schließlich hört dein Erzähler an der Stimme, dass Tom gesprochen hat, und sieht ihn außerdem. Aber der Leser sieht und hört ihn nicht, deswegen ist eine Erklärung, wer gesprochen hat, notwendig. Personal ist für mich immer mit Einschränkungen verbunden, selbst in der Ich-Variante. Wichtig ist nur, dass 1. Gefühle mit einfließen können und 2. nur das erklärt und gewusst werden kann, was auch der Erzähler weiß.

Ausnahmen bilden Szenen, in denen der Erzähler vollkommen schockiert oder anderweitig abgelenkt ist. Da dürfen die Gedanken dann gerne mal etwas wirr werden. Auf die Dauer wäre mir so etwas aber zu anstrengend, sowohl als Schreiberling als auch als Leser. Wenn du die Faust auf dem Tisch ein wenig "personaler" gestalten willst, könntest du ja auf etwas ausweichen wie: "Selbst Björn erschrak, als ihm klar wurde, dass er soeben auf die Tischplatte geschlagen hatte. Betäubt beobachtete er, wie sein Kaffee im Becher kreisrunde Wellen schlug..." Also eine Wertung und/oder Reaktion mit hineinbringen. Das macht die Szene vielleicht weniger neutral und hebt die personale Erzählweise hervor.

Ansonsten ist der Leser auch auf die Infos angewiesen, die für den Erzähler selbstverständlich sind. In deinem konkreten Fall würde mir auch die zweite Variante ausreichen. Auf Dauer würde ich vermutlich etwas an Informationen vermissen. Kann aber auch Geschmackssache sein, ich persönlich kann mich besser auch in einen personalen Erzähler einfühlen, wenn ich etwas über seine Mimik weiß. 

Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: HauntingWitch am 24. März 2014, 16:37:29
Ich finde Variante zwei ebenfalls besser. Dann musst du allerdings irgendwo vorher klar machen, dass man gerade bei Björn ist. In der ersten Variante tust du das ja mit dem ersten Satz.

ZitatAuf der anderen Seite fallen mir dann aber wesentliche Gestaltungsmittel weg. Wie soll ich dem Leser dann zum Beispiel sagen, dass Björn mit der Faust auf den Tisch schlug? Er denkt es ja nicht, sondern er tut es.

Wenn er es tut, kannst du einfach sagen, was er tut. Wenn du das gleich mit seinen Gefühlen/Gedanken verbindest, wirkt es nicht unnatürlich. In etwa so:
"Er schlug mit der Faust auf den Tisch. Was bildete dieser Mistkerl sich eigentlich ein? Er war doch nicht sein Fussabtreter!"

Aber ich glaube, ich weiss, was du meinst. Mich stört z.B. immer der Zusatz "dachte er." Warum beschreibt der Autor die Gedanken nicht direkt? Und wenn es ein personaler Erzähler ist, gehe ich ja davon aus, dass ich mich in den Gedanken des Protagonisten befinde. Stirnrunzeln usw. finde ich unproblematisch, denn man spürt das ja selbst, wenn man so etwas macht. Wenn ich die Augen zusammenkneife, spüre ich diese Bewegung ja und mir ist bewusst, dass ich das tue.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Anj am 08. Mai 2014, 08:32:30
Hallo liebe Zirkler,

im Zuge meiner Auseinandersetzungen mit dem Thema Perspektive, bin ich letztens über den Effekt gestolpert, dass der Perspektivträger (zumindest bei der personalen Perspektive) alles um sich herum auf sich beziehen sollte. Ähnlich wie wir ja auch jede Handlung in Bezug zu unserem eigenen Leben setzen. Zumindest unbewusst läuft das ja ständig ab.
Strenggenommen würde das bedeuten, dass im Grunde immer erkennbar sein muss, was der Satzinhalt für die Figur bedeutet. In bekannten Situationen und Umgebungen (beispielsweise im Supermarkt beim Wocheneinkauf) ist das sicher nicht ganz so wichtig, weil man automatisch von sich auf die Figur schließt, aber wenn die Figur in eine (für sie oder den Leser) fremde Umgebung kommt, wird es ziemlich wichtig, um ein Gefühl für die Figur zu kriegen und um die Welt als real zu erleben.
Ich zitiere mich selbst noch mal aus einem anderen Forum, um den Gedankengang noch deutlicher zu machen:
ZitatDas zweite worum es mir geht, ist ebenfalls dann wichtig, wenn ich die personale Perspektive sehr präsent haben möchte und vermutlich auch bei mehreren Perspektivträgern innerhalb einer Gruppe.
Der Perspektivträger muss sich als Mittelpunkt des Geschehens erleben, denn es ist seine Geschichte, die wir lesen. So wie wir uns auch im Mittelpunkt unseres Lebens empfinden und die Interaktionen, die wir erleben, immer auf uns beziehen, muss das auch eine Figur tun. Egozentrik (nicht Egoismus!) heißt hier vielleicht das Schlüsselwort. Alles was die Figur erlebt und für erzählenswert wahrnimmt, muss in Bezug auf sie gefiltert sein. Sprich es muss auch beim Verhalten der anderen deutlich werden, was eben dieses Verhalten mit dem Perspektivträger zutun hat.
Und, um Clarks Herangehensweise an aktiv und passiv noch mal etwas verändert aufzugreifen: Der Perspektivträger muss immer (oder zumindest im Großteil des Textes?) der aktiv beschriebene Part sein. "Er (Subjekt) tut etwas" und nicht "mit ihm (Objekt) geschieht etwas".
Selbst wenn er in eine passive Rolle rutscht, behält er den Status des Subjektes, denn dann "lässt er (Subjekt) etwas mit sich geschehen".
Ist das nachvollziehbar? Das ist etwas schwierig theoretisch zu erklären, was ich meine. 

Meine Frage ist nun, da ich weder in Ratgebern, noch in diversen Schreibblogs darüber gestolpert bin, 1. ob es einen korrekten Begriff dafür gibt und 2. ob ich mit der Überlegung überhaupt richtig liege, oder mich in einem Tunnelblick befinde.
Da sich hier doch weit mehr Autoren (und auch einige mit einem größeren theoretischem Wissen, bzw. Erfahrungen) tummeln, würde mich tatsächlich mal interessieren, was ihr zu den Gedanken sagt.   ;)  :jau:
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Klecks am 08. Mai 2014, 14:10:59
Ich finde das sehr schlüssig und versuche auch immer, so zu schreiben. Ich beschreibe dann nicht einfach den Ort, an dem sich meine Protas befinden, sondern das, was ihnen daran auffällt, was sie besonders schön finden, was sie stört, was sie bemerkenswert finden. Für mich ist genau diese Vorgehensweise sehr wichtig beim Schreiben - dass ich dieses Gefühl, dass die Figur aktiv im Geschehen ist und lebt, vermitteln kann.  ;D
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Coppelia am 08. Mai 2014, 14:41:19
Soweit ich weiß, müsste das unter den Oberbegriff der Subjektivität fallen. Subjektivität ist aber (je nachdem, welcher "Schule" man angehört) generell ein Merkmal jeder Art von Erzählperspektive und somit theoretisch auch dann vorhanden, wenn sie nicht in irgendeiner Form auffällt.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Anj am 08. Mai 2014, 20:25:02
@Klecks: Ja, mir geht es auch immer so. Wobei das in der Ich-Perspektive, in der ich am liebsten schreibe, relativ einfach ist. Aber mir gehts eben auch so, dass ich erst dann beim Lesen richtig eintauchen kann, wenn ich wirklich ganz durch die Augen der Figuren die Geschichten erleben kann. Und beim Schreiben rutsche ich da immer ziemlich automatisch rein. Da muss ich immer eher wieder einiges rausstreichen^^

@Coppelia: Danke für den Hinweis. Dann werde ich mal verstärkt auf den Begriff achten. ;)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Saelle am 08. Mai 2014, 21:02:14
ZitatMeine Frage ist nun, da ich weder in Ratgebern, noch in diversen Schreibblogs darüber gestolpert bin, 1. ob es einen korrekten Begriff dafür gibt und 2. ob ich mit der Überlegung überhaupt richtig liege, oder mich in einem Tunnelblick befinde.

Die Perspektive, die du beschreibst, kenne ich, zumindest in der Literaturwissenschaft, als 'interne Fokalisierung'. Fokalisierung bedeutet einfach aus wessen Sicht erzählt wird und wenn es intern fokalisiert ist, dann entspricht der Erzähler der Figur und sagt nie mehr als die Figur weiß und erlebt. Erzähler gleich Figur kann sowohl ein Ich-Erzähler als auch ein Erzähler in der dritten Person sein. Es lässt sich auch einfach als 'Mitsicht' bezeichnen. Die Erzählung ist hier direkt an die Wahrnehmung einer Figur gebunden, der Erzähler blickt nie von außen auf die Figur (das wäre dann die externe Fokalisierung).
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Coppelia am 08. Mai 2014, 21:40:59
"Fokalisierung" ist nur ein anderer (und von mir bevorzugter, aber das ist eine andere Geschichte) Begriff für "Perspektive". Die Begriffe, Schwerpunkte, Details, Analysemodelle u. ä. unterscheiden sich je nach Schule/Wissenschaftler, aber im Großen und Ganzen ist es dasselbe. Oder, wenn ich noch mal so drüber nachdenke: Es werden mit diesen Begriffen dieselben Phänomene beschrieben.

Schön ist der Hinweis von Saelle auf die unterschiedliche Betrachtungsweise: Während ich auch früher in der Schule und auch im Studium noch gelernt habe, dass die Pronomina ("er", "ich") einen wichtigen Unterschied in der Perspektive machen, haben wir hier eine Betrachtungsweise, dass die Art der Präsentation, der Inhalt, den Unterschied ausmacht. Ich habe mich damals sehr gefreut, als ich vom Fokalisationsmodell erfahren habe, denn für mich gab es logisch noch nie einen Unterschied zwischen sogenannter personaler und Ich-Perspektive, wie mir die Theorie bis dahin immer hatte einprügeln wollen. ;) Es freut mich, dass sich diese Betrachtungsweise offenbar inzwischen etwas mehr durchzusetzen beginnt.

Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Anj am 09. Mai 2014, 13:20:47
ZitatFokalisierung bedeutet einfach aus wessen Sicht erzählt wird und wenn es intern fokalisiert ist, dann entspricht der Erzähler der Figur und sagt nie mehr als die Figur weiß und erlebt. Erzähler gleich Figur kann sowohl ein Ich-Erzähler als auch ein Erzähler in der dritten Person sein. Es lässt sich auch einfach als 'Mitsicht' bezeichnen. Die Erzählung ist hier direkt an die Wahrnehmung einer Figur gebunden, der Erzähler blickt nie von außen auf die Figur (das wäre dann die externe Fokalisierung).
Die einfache Unterscheidung zwischen den Perspektiven ist mir schon klar. (Und durchaus auch diverse Diskussionen darüber, ob Figur und Erzähler identisch sind/sein können ;) ) Das ist aber nicht genau das, was ich meine. Mir geht's nicht nur um das Wissen der Person, sondern eben auch darum, dass die Figur quasi alles auf sich selbst bezieht, oder anders gesagt, es dreht sich immer alles um die Figur. Theoretisch kann eine Figur ja auch einfach nur nüchtern Tatsachen feststellen, ohne aus ihrer Perspektive zu fallen. Die Egozentrik, die ich meine wäre dann aber nicht vorhanden.

Aber vermutlich zerpflücke ich mal wieder Sachen auf einer Ebene, die die meisten ganz selbstverständlich finden. :hmmm: Wär nicht das erste Mal :versteck:
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Coppelia am 09. Mai 2014, 13:50:09
ZitatMir geht's nicht nur um das Wissen der Person, sondern eben auch darum, dass die Figur quasi alles auf sich selbst bezieht, oder anders gesagt, es dreht sich immer alles um die Figur. Theoretisch kann eine Figur ja auch einfach nur nüchtern Tatsachen feststellen, ohne aus ihrer Perspektive zu fallen. Die Egozentrik, die ich meine wäre dann aber nicht vorhanden.
Aber Egozentrik eines Perspektiventrägers bzw. Fokalisators ist etwas anderes als Fokalisierung/Perspektive an sich. Wenn sich bei der Analyse eines Erzähltextes Egozentrik feststellen lässt, kann das ein deutlicher Hinweis darauf sein, dass Fokalisierung durch eine Figur (von Genette interne Fokalisierung genannt) bzw. Figurenperspektive vorliegt, und auch darauf, welche Figur Perspektive hat/fokalisiert. Vor allem aber ist es ein Hinweis auf die Denkweise dieser Figur. Ich würde es als Bestandteil der Figurencharakterisierung betrachten, die durch den Gebrauch von Fokalisierung/Perspektive möglich ist.

Aber ich bin nicht sicher, ob ich dich richtig verstanden habe.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Debbie am 09. Mai 2014, 14:32:27
Ich bin auch nicht ganz sicher, ob ich genau weiß was du meinst ... Für mich hört es sich so an, als ging es dir um die Interaktion der Figur mit der Außenwelt. Also nicht, dass die Person alles auf sich bezieht, im Sinne von "damit hat er bestimmt mich gemeint" oder "das macht er nur, um mir einen Gefallen zu tun/mir eins auszuwischen" etc.. Das wäre nämlich ein Teil der Charakterisierung, wie Coppi schon so schön gesagt hat ... Paranoia, wenn du mich fragst  ;)

Das andere, dass die Außenwelt des Charas sowie die anderen Figuren nur durch die Wahrnehmung des Charas widergegeben werden (der VP Charakter also gemäß seines Charakters und seiner Weltanschauung "filtert" welche Information der Lesern bekommt und/oder mit seiner subjektiven Wahrnehmung den Leser beeinflusst), ist das, was Coppi als "Subjektivität" angeführt hat und ich schätze darum geht es. Und auch da hat Coppi wieder recht: Subjektivität ist immer vorhanden, nur nicht immer wahrnehmbar. Nicht wahrnehmbare Subjektivität sorgt aber für den Eindruck einer "neutralen" (gefühllosen) Sichtweise - also etwas, dass man als Romanautor möglichst niemals anstreben sollte, es sei denn man will es bewusst als Werkzeug einsetzen und damit einen gewissen Effekt erzielen. Für den durchschnittlichen Romanautor ist die spürbare Subjektivität des VP Charakters aber von großer Bedeutung.

Wichtig ist dann eben (zwecks Konstanz in der Perspektive und um Beschreibungen möglichst gleichzeitig als Werkzeug zur Charakterisierung zu nutzen), dass die Erzählfigur "wertend" wiedergibt. Je besser dem Autor diese Technik gelingt, desto höher die Identifikation mit der Figur, die Manipulation des Lesers (eben durch Identifikation oder Abneigung) und je leichter der Zugang zur Geschichte und der Welt.


@Coppi: Wir haben in Literaturwissenschaft ebenfalls nur noch Genette gelernt. Und auch wenn ich diese Fokalisierungssache ganz nett finde, gefällt mir die englisch-amerikanische Einteilung der Perspektiven noch immer am besten. Genette hat selbst unserem angehenden Herrn Doktor der Germanistik das Leben schwer gemacht, da die Fokalisierungsgeschichte ja selbst bei gleichbleibender Erzählfigur immer wieder eine andere Fokalisierung zulässt - kapitelweise, absatzweise oder sogar satzweise. Mit einfacher Perspektive (also: wer erzählt) ist es da ja längst nicht mehr getan. War schon lustig den Guten bei der Analyse von Manns "Tristan" schwitzen zu sehen  :snicker:
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Coppelia am 09. Mai 2014, 15:07:00
-- Erzähltheoriegelaber, bei Nichtinteresse nicht lesen ;) --

ZitatUnd auch wenn ich diese Fokalisierungssache ganz nett finde, gefällt mir die englisch-amerikanische Einteilung der Perspektiven noch immer am besten. Genette hat selbst unserem angehenden Herrn Doktor der Germanistik das Leben schwer gemacht, da die Fokalisierungsgeschichte ja selbst bei gleichbleibender Erzählfigur immer wieder eine andere Fokalisierung zulässt - kapitelweise, absatzweise oder sogar satzweise. Mit einfacher Perspektive (also: wer erzählt) ist es da ja längst nicht mehr getan. War schon lustig den Guten bei der Analyse von Manns "Tristan" schwitzen zu sehen
Erst einmal muss ich sagen, ich habe für meine Arbeit nicht Genette verwendet, sondern ein anderes Fokalisierungsmodell (http://www.amazon.de/Narratology-Introduction-Theory-Narrative-third/dp/B00BUW2RQ2/ref=sr_1_3?s=books&ie=UTF8&qid=1399640250&sr=1-3&keywords=bal+narratology), das ich für insgesamt logischer und flexibler halte. Aber genau das, was du ansprichst, ist ja der Vorteil am Fokalisierungsmodell: Es weist darauf hin, dass Fokalisierung flexibel ist, nicht beständig an eine Figur gebunden, dass sie oft wechseln kann, manchmal innerhalb eines Satzes. Genette hat allerdings keine guten Werkzeuge dazu bereit gestellt, wie man solche Wechsel feststellt ("mein" Modell dagegen schon). Wenn man sich andere Perspektivenmodelle ansieht wie z. B. Stanzel (von dem offenbar die gebräuchlichen Begriffe abgeleitet sind), merkt man, dass all das auch diesen Forschern klar ist: Es gibt nur im "Idealfall" eine "einfache" Perspektive. Auch bei den älteren theoretischen Schriften wie z. B. Hamburger kann man das schon feststellen. Aber diesen Forschern geht es nicht darum, die raschen Wechsel zu erfassen, sie setzen andere Schwerpunkte. Aber es ist meiner Meinung nach sehr wichtig zu erkennen, wann Perspektivenwechsel vorliegen, um einen Text sinnvoll zu interpretieren. Dein Doktorand schwitzt also für eine gute Sache (auch wenn ich persönlich finde, dass die Analyse mit diesem Modell nicht schwierig ist, man muss vielleicht einfach nur den Gedanken zulassen, dass Texte mehr Perspektivenwechsel haben können, als man zunächst denken würde). ;)

--- /Erzähltheorie ---

So, mit dem praktischen Schreiben hat das nicht viel zu tun.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Regwina am 09. Mai 2014, 15:10:47
Zitat von: Siara am 24. März 2014, 16:18:43
Ausnahmen bilden Szenen, in denen der Erzähler vollkommen schockiert oder anderweitig abgelenkt ist. Da dürfen die Gedanken dann gerne mal etwas wirr werden. Auf die Dauer wäre mir so etwas aber zu anstrengend, sowohl als Schreiberling als auch als Leser.

Das bekümmert mich jetzt. Bis vor kurzem habe ich alle meine Arbeiten aus der Erzählperspektive geschrieben, was mir deutlich schwer gefallen ist. Mein neuestes Projekt basiert nur auf der Ich-Perspektive und handelt zusätzlich von einer Person die ... etwas wirr ist. Also so generell. Es wird zwar im Laufe der Handlung besser (was auch gewollt ist), aber die Grund-Wirrheit bleibt (der lese-Freundlichkeit halber arbeite ich aber mit kurzen Sätzen - wer denkt schon in elendst langen Sätzen?). Mir ist aufgefallen, dass ich damit wesentlich besser zurecht komme und es ausgesprochen flüssig gelaufen ist. Kein Vergleich also zur Erzählperspektive.

Bleibt die Frage: ist das überhaupt zumutbar? :seufz: Ich glaube ich werde mal versuchen den Anfang in der Erzählperspektive neu zu schreiben und sehen wie das läuft.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: moonjunkie am 09. Mai 2014, 15:50:23
Hmm, ich könnte mir schon vorstellen, dass das geht. Gerade in der Ich-Perspektive. Aber generell hilft es manchmal eine zweite Perspektive ausprobieren und zu gucken, ob das besser passt. Vielleicht das erste Kapitel nochmal in der anderen Perspektive (meintest du hier allwissender Erzähler oder Er/Sie-Perspektive, dritte Person aber noch nah dran?) schreiben und gucken, was besser lesbar ist oder spannender oder einfach nur verwirrt. Das hattest du ja auch vor.

Es kann natürlich tatsächlich sein, wenn du nur die eine Ich-Perspektive hast, also keinen zweiten Erzähler abwechselnd dazu, dass es für einen ganzen Roman zu anstrengend wird, weil man nie weiß, woran man ist. Andererseits könnte das auch interessant sein, kommt drauf an, wie hoch der Grad der Verwirrtheit ist, vielleicht?

Aber wenn es sich erstmal flüssig schreiben lässt und du gut damit klarkommst, klingt das erstmal positiv.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Debbie am 09. Mai 2014, 16:01:40
Zitat von: Coppelia am 09. Mai 2014, 15:07:00
Aber diesen Forschern geht es nicht darum, die raschen Wechsel zu erfassen, sie setzen andere Schwerpunkte. Aber es ist meiner Meinung nach sehr wichtig zu erkennen, wann Perspektivenwechsel vorliegen, um einen Text sinnvoll zu interpretieren. Dein Doktorand schwitzt also für eine gute Sache (auch wenn ich persönlich finde, dass die Analyse mit diesem Modell nicht schwierig ist, man muss vielleicht einfach nur den Gedanken zulassen, dass Texte mehr Perspektivenwechsel haben können, als man zunächst denken würde). ;)

So, mit dem praktischen Schreiben hat das nicht viel zu tun.

Amen!  :vibes:

Natürlich ist die Fokalisierung ideal um Texte zu analysieren, weil sie einfach mehr Spielraum lässt, nicht so hart abgrenzt und eine detailiertere Einteilung zulässt, aber den Schreibenden kann es mitunter verwirren - muss nicht, kann aber. Für das Verfassen belletristischer Texte ist Fokalisierug nicht von besonderer Bedeutung, sondern eigentlich nur das gängige (Stanzels) Perspektivmodell. Da ist nur wichtig, dass man nicht aus der klassischen Perspektive rutscht, was nicht heißt, dass dabei automatisch die Fokalisierung beibehalten wird. Es sind eben doch, mehr oder weniger, zwei verschiedene Dinge.

Bauchschmerzen bereitet es mir nur, wenn dann z. B. solche Dinge wie die Fokalisierung zur Interpretation herangezogen werden oder das sogar erwartet wird. Denn wenn man davon ausgeht, dass ein Fokalisierungswechsel von einem Autor gewollt und in vollem Bewusstsein der daraus resultierenden Leserwahrnehmung eingesetzt wurde, müsste man theoretisch ebenfalls davon ausgehen, dass der Autor mit einem Fokalisierungsmodell vertraut ist - was die allerwenigsten Autoren sind. Sicher gibt es auch Autoren, die intuitiv ein Gespür dafür haben, was ein Fokaliseriungswechsel in einer bestimmten Szene, einem bestimmten Satz, beim Leser bewirkt. Da bin ich aber eher der Ansicht, dass gerade Fokalisierungswechsel - genau wie Sprünge in der Perspektive - oftmals nur ein "Versehen" und damit unbeabsichtigt sind, was sie zur Interpretation (fast völlig) nutzlos macht.

Zur Textanalyse fand ich übrigens die Einteilung nach Genette (im Grunde) recht gut andwendbar. Für mich gab es da, wenn überhaupt, nur sehr, sehr wenige Stellen, an denen man mit dem Modell nicht weiterkommt. Die meisten lassen sich damit einwandfrei kategorisieren. Aber ich schau mir später mal dein Modell an, sowas interessiert mich immer ...  :)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Coppelia am 09. Mai 2014, 16:58:26
ZitatBauchschmerzen bereitet es mir nur, wenn dann z. B. solche Dinge wie die Fokalisierung zur Interpretation herangezogen werden oder das sogar erwartet wird. Denn wenn man davon ausgeht, dass ein Fokalisierungswechsel von einem Autor gewollt und in vollem Bewusstsein der daraus resultierenden Leserwahrnehmung eingesetzt wurde, müsste man theoretisch ebenfalls davon ausgehen, dass der Autor mit einem Fokalisierungsmodell vertraut ist - was die allerwenigsten Autoren sind. Sicher gibt es auch Autoren, die intuitiv ein Gespür dafür haben, was ein Fokaliseriungswechsel in einer bestimmten Szene, einem bestimmten Satz, beim Leser bewirkt. Da bin ich aber eher der Ansicht, dass gerade Fokalisierungswechsel - genau wie Sprünge in der Perspektive - oftmals nur ein "Versehen" und damit unbeabsichtigt sind, was sie zur Interpretation (fast völlig) nutzlos macht.
Da muss ich widersprechen. Das Fokalisierungsmodell ist wie quasi alle erzähltheoretischen Modelle dazu gemacht, die Struktur von Texten zu beschreiben und zu analysieren. Diese Modelle entstanden als Reaktion auf komplexe Texte. Es ist vollkommen zulässig, ältere Texte mit modernen Methoden zu analysieren und die daraus gewonnenen Ergebnisse zur Interpretation zu verwenden, es gehört sogar zum Zweck dieser Modelle. Ansonsten dürfte man keine Erzählperspektive in einem Text untersuchen, der vor der Entwicklung irgendeines Modells zur Erzählperspektive geschrieben wurde, oder keinen Text von einem Autor, der kein theoretisches Wissen darüber besitzt. Und selbst solchen Autoren passieren nicht alle Perspektivenwechsel bewusst. Genauso gut könntest du sagen, man dürfte die Verwendung von Erzählperspektive überhaupt nicht zur Interpretation verwenden.
Wenn ein Perspektivenwechsel keine Bedeutung für einen Text hat (und das kommt ja häufig vor), wird man ihn bei der Analyse zwar finden, aber nicht weiter beachten. Wenn aber erzähltheoretische Modelle herangezogen werden, um sinnfreie Interpretationen vermeintlich zu beweisen, sieht es aus, als läge der Fehler in der Analysemethode, er liegt aber in der Interpretation.

Mir persönlich hat die Beschäftigung mit dem Thema gebracht, dass ich viel sicherer und bewusster im Gebrauch von Perspektive geworden bin - aber den Texten merkt man es wohl nicht an. Ansonsten pflücke ich einfach gern anderer Leute Texte auseinander. ;D
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Debbie am 09. Mai 2014, 17:45:26
Zitat von: Coppelia am 09. Mai 2014, 16:58:26
Das Fokalisierungsmodell ist wie quasi alle erzähltheoretischen Modelle dazu gemacht, die Struktur von Texten zu beschreiben und zu analysieren. Diese Modelle entstanden als Reaktion auf komplexe Texte.

Genau, und dafür sind sie ganz großartig.


ZitatEs ist vollkommen zulässig, ältere Texte mit modernen Methoden zu analysieren und die daraus gewonnenen Ergebnisse zur Interpretation zu verwenden, es gehört sogar zum Zweck dieser Modelle

Ich weiß, dass es zulässig ist und gewollt - aber mir gefällt es einfach nicht. Ich hab generell oftmals Probleme mit literarischen Textinterpretationen und besonders mit Literaturschlüsseln. Meines Erachtens hat das sehr viel mit Psychologie zu tun und eine wirklich gute Interpretation lässt sich nur erreichen, wenn Autor und Interpret wirklich viel von Psychologie verstehen und/oder eine ausreichende Menschenkenntnis besitzen. Aber gute Germanisten sind nicht zwangsläufig gute Psychologen oder Menschenkenner.
In der Oberstufe und im Studium habe ich mehrfach mit meinen Lehrern über diverse Interpretationen gestritten - und zum Schluss entweder Recht gekriegt oder es wurde zumindest eingeräumt, dass meine Interpretation zumindest eine schlüssige Variante ist.

Ich schätze Interpretationen (und sogar die meisten Psychologen) sind für mich ein rotes Tuch. Für mein Gefühl wird da zu wenig über den Tellerrand geschaut und in Frage gestellt, weil Wisschenschaftler oft (und gerne) in Kategorien denken. Natürlich ist das auch ein Ziel der wissenschaftlichen Forschung, die Einteilung in Kategorien und deren Ermöglichung, aber dabei wird das Ergebnis der ursprünglichen Motivaiton oft nicht (in ausreichendem Maß) gerecht. Das ist einfach meine ganz subjektive Meinung  :-\
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Coppelia am 09. Mai 2014, 18:05:22
Die Gegenargumente spare ich mir einfach mal, da ich nicht mehr sehe, dass wir in der Hinsicht noch auf einen Nenner kommen, weil wir offenbar einen komplett anderen Hintergrund, andere Herangehensweisen und Prioritäten haben. Die anderen sind wahrscheinlich ohnehin schon genervt genug von der Diskussion. Back to normal. ;)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Anj am 13. Mai 2014, 12:38:00
@Coppelia:
ZitatAber Egozentrik eines Perspektiventrägers bzw. Fokalisators ist etwas anderes als Fokalisierung/Perspektive an sich. Wenn sich bei der Analyse eines Erzähltextes Egozentrik feststellen lässt, kann das ein deutlicher Hinweis darauf sein, dass Fokalisierung durch eine Figur (von Genette interne Fokalisierung genannt) bzw. Figurenperspektive vorliegt, und auch darauf, welche Figur Perspektive hat/fokalisiert. Vor allem aber ist es ein Hinweis auf die Denkweise dieser Figur. Ich würde es als Bestandteil der Figurencharakterisierung betrachten, die durch den Gebrauch von Fokalisierung/Perspektive möglich ist.
Ja, ich denke, genau das meine ich.

@Debbie:
ZitatIch bin auch nicht ganz sicher, ob ich genau weiß was du meinst ... Für mich hört es sich so an, als ging es dir um die Interaktion der Figur mit der Außenwelt. Also nicht, dass die Person alles auf sich bezieht, im Sinne von "damit hat er bestimmt mich gemeint" oder "das macht er nur, um mir einen Gefallen zu tun/mir eins auszuwischen" etc.. Das wäre nämlich ein Teil der Charakterisierung, wie Coppi schon so schön gesagt hat ... Paranoia, wenn du mich fragst  ;)
Es ist im Grunde beides denke ich. ;) Die Ausprägung, wie die Interpretation ausfällt ist natürlich Sache der Charakterisierung, aber dass dort ständig Interpretationen über die Außenwelt stattfindet, das ist für mich essentiell für eine nahe personale Perspektive.

ZitatDas andere, dass die Außenwelt des Charas sowie die anderen Figuren nur durch die Wahrnehmung des Charas widergegeben werden (der VP Charakter also gemäß seines Charakters und seiner Weltanschauung "filtert" welche Information der Lesern bekommt und/oder mit seiner subjektiven Wahrnehmung den Leser beeinflusst), ist das, was Coppi als "Subjektivität" angeführt hat und ich schätze darum geht es. Und auch da hat Coppi wieder recht: Subjektivität ist immer vorhanden, nur nicht immer wahrnehmbar. Nicht wahrnehmbare Subjektivität sorgt aber für den Eindruck einer "neutralen" (gefühllosen) Sichtweise - also etwas, dass man als Romanautor möglichst niemals anstreben sollte, es sei denn man will es bewusst als Werkzeug einsetzen und damit einen gewissen Effekt erzielen. Für den durchschnittlichen Romanautor ist die spürbare Subjektivität des VP Charakters aber von großer Bedeutung.
Ja, da hast du das schön zusammengefasst. ;)

ZitatWichtig ist dann eben (zwecks Konstanz in der Perspektive und um Beschreibungen möglichst gleichzeitig als Werkzeug zur Charakterisierung zu nutzen), dass die Erzählfigur "wertend" wiedergibt. Je besser dem Autor diese Technik gelingt, desto höher die Identifikation mit der Figur, die Manipulation des Lesers (eben durch Identifikation oder Abneigung) und je leichter der Zugang zur Geschichte und der Welt.
Japp, schön gesagt!  :jau:
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Lazlo am 04. August 2014, 17:18:45
Hallo liebe Schreiberlinge,

ich habe eine Frage, die mir schon lange im Kopf herum schwirrt:

Ich habe gelernt Perspektivwechsel sollen nur kapitelweise vorgenommen werden, wenn, dann auch nicht zu häufig. In letzter Zeit lese ich allerdings fast nur noch Bücher aus einer Erzählperspektive, maximal zwei (Protagonist/Antagonist)
Jetzt zu meiner Frage: Was haltet ihr davon, wenn während einer Erzählperspektive, z.B. aus der des Protagonisten, in einem Absatz (oder nur ein paar Sätzen) ein allwissender/auktorialer Erzähler zu Wort kommt? Ist das empfehlenswert? Und wenn ja, habt ihr vielleicht gelungene Beispiele?

andere Frage:
Ich habe bei meinem aktuellen Projekt aus der Perspektive des Opfers begonnen, dieses dient aber nur dazu Spannung zu erzeugen und tritt dann das gesamte Buch über nicht mehr auf. Was denkt ihr darüber? Besteht die Gefahr, das der Leser sich mit dem Opfer gleich am Anfang zu sehr identifiziert?

Vielen lieben Dank im Voraus

Lazlo (die Neue ;D)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Churke am 04. August 2014, 19:52:20
Zitat von: Lazlo am 04. August 2014, 17:18:45
Jetzt zu meiner Frage: Was haltet ihr davon, wenn während einer Erzählperspektive, z.B. aus der des Protagonisten, in einem Absatz (oder nur ein paar Sätzen) ein allwissender/auktorialer Erzähler zu Wort kommt? Ist das empfehlenswert?
Gegenfrage: Was willst du damit erreichen?
Man kann einem personalen Erzähler für einen begrenzten Bereich ein auktoriales Wissen geben - zum Beispiel bei der Beschreibung einer Stadt.
Die Sache ist nur die: Normalerweise gibt es einen Grund dafür, dass man sich für einen bestimmte Erzählperspektive entschieden hat. Weshalb sollte man mittendrin die Pferde wechseln?

ZitatUnd wenn ja, habt ihr vielleicht gelungene Beispiele?
In Alatriste gibt es 2 Erzähler: Den "normalen" Erzähler (a) und einen allwissenden Chronisten (b). Der Autor verwendet für (b) auch einen andere Stil und ahmt spanische Barockliteratur nach. Das funktioniert soweit, ist auch richtig gut gemacht, aber ich halte es dennoch für nicht die beste Idee.

Zitat
andere Frage:
Ich habe bei meinem aktuellen Projekt aus der Perspektive des Opfers begonnen, dieses dient aber nur dazu Spannung zu erzeugen und tritt dann das gesamte Buch über nicht mehr auf.
Klassiker. Wird oft gemacht, meiner Meinung nach zu oft.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Lothen am 04. August 2014, 20:07:15
Zitat von: Lazlo am 04. August 2014, 17:18:45Ich habe gelernt Perspektivwechsel sollen nur kapitelweise vorgenommen werden, wenn, dann auch nicht zu häufig.
Das würde ich nicht so streng sehen - ich halte mich da auch nicht dran ;) Ich finde bei Perspektivwechseln wichtig, dass man als Leser in der Lage ist, die neue Perspektive gut aufzunehmen und sich hineinzufinden. Zu viele Wechsel würden mich jetzt persönlich verwirren, vor allem, wenn sich die Perspektivträger an vielen unterschiedlichen Orten befinden und ganz unterschiedlichen Plotsträngen ausgesetzt sind. In einem angemessenen Umfang sind sie aber ein schönes Stilmittel. Trotzdem würde ich nicht "festlegen", wie viele Perspektivwechsel angemessen sind, zumal Kapitellängen auch immens variieren können.

ZitatJetzt zu meiner Frage: Was haltet ihr davon, wenn während einer Erzählperspektive, z.B. aus der des Protagonisten, in einem Absatz (oder nur ein paar Sätzen) ein allwissender/auktorialer Erzähler zu Wort kommt? Ist das empfehlenswert? Und wenn ja, habt ihr vielleicht gelungene Beispiele?
Das finde ich schwierig! Du müsstes sehr genau kennzeichnen, wo ein Perspektivwechsel auf den auktorialen Erzähler stattfindet, damit sich der Leser nicht fragt, woher der/die Prota das jetzt eigentlich weiß - und es müsste, wie Churke schon sagte, deutlich werden, WARUM du das tust. Ich fürchte, ich würde mich da schnell verwirren lassen.

In einem Schreibratgeber war mal die KG "Dein Liebhaber hat eben angerufen" von John Updike als Beispiel für einen solchen Perspektivenwechsel (in der Kurzgeschichte) angegeben, wie du ihn beschreibst. Eigentlich wird die Geschichte aus einer personalen Perspektive erzählt, nur im letzten Satz wechselt der Autor zu einer auktorialen Perspektive und verrät dem Leser dadurch die Pointe, die die handelnden Personen eigentlich nicht kennen. Das gefällt mir ziemlich gut, das Stilmittel wird hier aber auch sehr sparsam eingesetzt.

Insofern würde ich mir gut überlegen, ob dieser Perspektivwechsel wirklich wichtig ist oder den Leser nur verwirr.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: THDuana am 04. August 2014, 20:39:57
Zitat von: Lazlo am 04. August 2014, 17:18:45
Ich habe gelernt Perspektivwechsel sollen nur kapitelweise vorgenommen werden, wenn, dann auch nicht zu häufig.
Das ist mir neu. Es gibt einige Romane, in denen das so gehandhabt wird, aber ich kenne auch genug Gegenbeispiele, etwa "Dracula", das ich gerade lese. Als Leser stört es mich nicht, wenn in einem Kapitel die Erzählperspektive geändert wird, sofern dieser Wechsel deutlich angezeigt wird. Ein Kapitel ist für mich eine Sinneinheit und endet an einem spannenden Moment oder wenn eben diese Sinneinheit abgeschlossen wird. Und manchmal passt es dann, zwei Erzählstränge in ein Kapitel zu packen, da beide Gemeinsamkeiten aufweisen, sich gegenseitig beeinflussen oder Ähnliches.

ZitatJetzt zu meiner Frage: Was haltet ihr davon, wenn während einer Erzählperspektive, z.B. aus der des Protagonisten, in einem Absatz (oder nur ein paar Sätzen) ein allwissender/auktorialer Erzähler zu Wort kommt?
Da frage ich zurück: Wo liegt die Fokalisierung? Es gibt nicht nur den Allwissenden Erzähler und den Protagonisten, sondern auch Erzählerpositionen dazwischen und Mischformen. Es ist auch möglich, einen Allwissenden Erzähler zu haben, der großteils aus der Perspektive der Figur erzählt bzw. dem Leser Einblicke in die Figur gibt und diese dann kommentiert. Dabei muss es auch nicht sein, dass der Leser eine fehlende Nähe zum Protagonisten empfindet, denn die Gedanken und Gefühle werden beschrieben. Die Fokalisierung ist dann intern, im Gegensatz zur Nullfokalisierung bei einem strikten Allwissenden Erzähler. (Das ist Genettes Erzähltheorie.)

ZitatIch habe bei meinem aktuellen Projekt aus der Perspektive des Opfers begonnen, dieses dient aber nur dazu Spannung zu erzeugen und tritt dann das gesamte Buch über nicht mehr auf. Was denkt ihr darüber? Besteht die Gefahr, das der Leser sich mit dem Opfer gleich am Anfang zu sehr identifiziert?
Es dauert bei mir als Leser einige Zeit, bis ich mich an die Figur gewöhnt habe, was aber nicht bedeutet, dass ich davor nicht mit ihr fühle. Wenn eine Figur nur für ein Kapitel auftritt, ist es nicht schlecht, mit ihr zu fühlen. Dieses Kapitel/der Anfang hat dann eben eine besondere Stellung in der Erzählung.

Edit: Vielleicht hilft dir dieser Thread weiter: Alles zur Perspektive (http://forum.tintenzirkel.de/index.php/topic,198.0.html).
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Lamarie am 04. August 2014, 20:56:40
ZitatIch habe gelernt Perspektivwechsel sollen nur kapitelweise vorgenommen werden, wenn, dann auch nicht zu häufig.

Ich würde jetzt mal eiskalt sagen, dass ich davon nichts halte - wobei man sagen muss, dass es beim Schreiben einfach kein Patentrezept gibt. Vieles ist von Genre, Zielgruppe etc. abhängig.

Generell macht es natürlich Sinn, klare Grenzen zu ziehen. Du möchtest trotzdem mehr Perspektivwechsel? Dann machst du halt kürzere Kapitel - daher finde ich, dass es wenig Sinn macht.

Ich sehe es nicht als Problem, dass du mit dem Opfer beginnst - viel mehr glaube ich, dass es tatsächlich viel Spannung erzeugen kann. Siehst du es als Problem, dass der Leser sich mit dem Opfer identifiziert? Schließlich ist das ja der Aspekt, der eben Spannung erzeugt.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: zDatze am 05. August 2014, 12:02:02
Dass du häufig Bücher mit strikt eingehaltener Perspektive erwischst, mag durchaus daran liegen, dass das Switchen zwischen Erzählperspektiven als Anfängerfehler betrachtet wird. Wenn es nicht wirklich gut gemacht ist, um z.B. einen bestimmten Effekt zu erzielen, dann würde es dir wohl auch jeder Leser als Fehler oder zumindest als Unsauberkeit ankreiden.

In den letzten Jahren kamen viele Bücher heraus, bei denen die Perspektive nicht nur nahe an der Figur dranklebte, sondern die ganze Story durch die Augen des Protagonisten erzählt wurde. "Die Tribute von Panem" sind da das beste Beispiel. Ich-Perspektive und in der Gegenwart erzählt. Ein auktorialer Erzähler baut automatisch eine Distanz zur Figur und zum Geschehen auf. Das hat seine Vor- und Nachteile, und momentan ist es eher ein Nachteil, da viele Leser es gewohnt sind, möglichst nahe an der Figur dran zu sein.

Vielleicht hilft es dir, gezielt Bücher zu lesen, die ebenfalls mit der Perspektive spielen. Ein Fantasybuch will mir gerade nicht einfallen, daher mal zwei Lesetipps, die dir vielleicht weiterhelfen:
1. "Die Bücherdiebin" von Markus Zusak. Harter Stoff und die Erzählweise unterstreicht das noch.
2. "Limit" von Frank Schätzing. Ich erinnere mich an eine Szene am Anfang, bei der der Autor in einer Szene von einer Figur zu nächsten gewechselt hat. Allerdings habe ich den Wälzer nur angelesen.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Heva am 05. August 2014, 12:40:01

Lazlo, hierzu als gelungenes und meines Erachtens nach erfolgreichstes Beispiel: Peter Pan. :)

Ich persönlich mag Bücher, die in der Perspektive wechseln sehr viel lieber als jene, in denen alles nur von einer Seite beleuchtet wird, egal wie interessant das Setting auch ist und wie der Perspektivträger es erfährt und durchlebt - es gibt immer zwei Seiten einer Medaille, und in vielen Fällen sogar drei bis vier Parteien, die eine maßgebliche Rolle in einem Buchgeschehen spielen können und wenn es dann nur eine Perspektive gibt... kann es auch schon vorkommen, dass ich mich verarscht fühle, weil sich dann so unendlich viele Fragen auftun, die von "Aber was geschieht gerade dort?", "War er einfach nur zu faul?", "Hat der Autor das überhaupt richtig durchdacht?", "Macht er es sich zu einfach?" bis zu "Das macht der doch nur, um mich zu ärgern!" reichen.

Es kommt also auch hier total darauf an, wie du dein Setting und die wechselnden Perspektiven darin organisierst, das ist ganz wichtig. Ob das eine oder das andere leichter ist, oder nicht, lässt sich, wie ich finde, gar nicht derart konkret beantworten, weil du bei beiden Optionen auf unterschiedliche Dinge achten musst. Für mich ist das eine Frage dessen, was man selbst bevorzugt. Ich liebe gut umgesetzte Perspektivwechsel.

Mir wäre es auch wichtig, was für einen auktorialen Erzähler zu dazwischen wirfst, weil - da schließe ich mich einem genannten Punkt bereits an - es tatsächlich merkliche Distanzen schafft, was ich allerdings gar nicht verkehrt finde, wenn es stattdessen eine wissende und im Anbetracht deines Opfers unheilvolle Atmosphäre erzeugt. Gerade dem Opfer eine Perspektive zu geben finde ich deshalb gut - reißt einen ins Geschehen und trifft einen deshalb vielleicht ja umso heftiger.

Generell aber würde ich sagen: vielleicht einfach das schreiben und umsetzen, wie du es dir denkst. Kritik einholen, Fragen stellen, das ist alles schön und gut, kann aber die eigene Schreibmotivation gerne mal hier und da... einstampfen.

Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Lazlo am 05. August 2014, 18:23:31
Vielen Dank erst mal für eure Ansichten und Beispiele!
Mir ist das einmal superschwer gefallen, mich zu entscheiden. Es ging um eine Landschaftsbeschreibung, also ähnlich wie Churke die Beschreibung einer Stadt meinte, bei der man natürlich aus Sicht eines neutralen Erzähler (unsichtbaren Beobachters) oder eines allwissenden die Szene besser beschreiben kann, als aus der subjektiven Sicht des personalen Erzählers. Habe mich dann letztendlich doch nur für den personalen Erzähler entschlossen, weil ich mich damit besser fühlte. So auch mit meinem Anfang aus der Sicht des Opfers.
Wahrscheinlich sollte ich wirklich mal gute Bücher mit verschiedenen Perspektivwechseln lesen, vielleicht traue ich mich dann eher, mal etwas anderes auszuprobieren. Momentan fühle ich mich sicherer es bei der personalen Perspektive zu belassen.

Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Aleya Sihana am 13. August 2014, 19:14:32
Dieses Thema beschäftigt mich auch immer wieder.
Eigentlich mag ich es nicht, wenn so häufig die Perspektive gewechselt wird, weil ich mich während dem Lesen extrem in die entsprechende Figur und die Situation einfühle und wenn ich dann da so rausgerissen und in eine andere Szene geworfen werde, unterbricht das meinen Lesefluss. ::)
Aber wenn es spezifische Verbindungspunkte zwischen den Figuren gibt (z.B. eine gemeinsame Szene), die einem sorgfältig von der einen Figur zur anderen vermitteln, ist der Wechsel sehr angenehm. Da muss auch nicht das Ende eines Kapitels dazwischen sein, aber darf natürlich ab und zu.

Gerade lese ich ein Buch, in dem die Protagonistin und der Protagonist (ihr Partner) sich mit der Perspektive abwechseln, geschrieben ist das Buch aber in der ersten Person im Präsens. Das ist mir bisher so noch nie untergekommen, aber der Stil gefällt mir. Hier wird kapitelweise gewechselt und oben steht immer der Name der Figur, die grade dran ist.

ZitatIch habe bei meinem aktuellen Projekt aus der Perspektive des Opfers begonnen, dieses dient aber nur dazu Spannung zu erzeugen und tritt dann das gesamte Buch über nicht mehr auf. Was denkt ihr darüber? Besteht die Gefahr, das der Leser sich mit dem Opfer gleich am Anfang zu sehr identifiziert?

Ist diese Szene denn im ersten Kapitel enthalten oder ist es der Prolog? Das schreit für mich geradezu nach Prolog. ;)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Lazlo am 13. August 2014, 22:44:27
Aleya, um Deine Frage zu beantworten: Nein, es ist das erste Kapitel. Ich hatte erst einen Prolog drin, dort ging es um die Schöpfungsgeschichte meines Unterwasserreiches, allerdings habe ich das jetzt in die Handlung mit eingebaut und finde es jetzt viel spannender. Ich bin nicht so der Prolog-Fan, dieser muss für mich schon zwingend notwendiges Hintergrundwissen für die Geschichte enthalten und der Protagonist sollte darin vorkommen. Außerdem sollte man dann auch mit einem Epilog abschließen. Dass hat für mich alles nicht gepasst. Lieber mit einem ganz normalen Kapitel beginnen, der den Leser in die Handlung zieht und Lust auf mehr macht, das ist meine Meinung.

lieben Gruß, Lazlo
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Eluin am 14. August 2014, 11:40:54
Für mich schreit diese Opfer-Perspektive auch nach Prolog. Gerade wenn dieser Perspektivträger gar nicht mehr auftritt. Ich finde man muss den Protagonisten nicht unbedingt im Prolog auftreten lassen oder auch mit einem Epilog schließen. Für mich trennt dieser Prolog eher die eigentliche Handlung / Perspektive vom Rest der Geschichte. Da wäre es dann für mich vollkommen passend, wenn du aus der Opfersicht schreibst. Wie es allerdings auf mich wirkt, wenn es nur das erste Kapitel ist bin ich mir nicht sicher. Aber Prologe sind ja bekanntlich Geschmackssache  ;D

Aber zu deinem Perspektiven-Problem: Ich persönlich hasse Bücher, in denen mitten in einem Abschnitt und innerhalb eines Perspektiv-Trägers die Perspektive gewechselt wird. Und das für meinetwegen nur ein paar Sätze. Das wirkt auf mich immer als hätte der Autor nicht nachgedacht, sich vertan oder sonst etwas. Es reißt mich beim Lesen raus. Bislang habe ich für einen Wechsel mitten im Fließtext noch kein Positivbeispiel gefunden.

Einen Perspektivwechsel, in einem neuem Abschnitt oder Kapitel, empfinde ich aber nicht als negativ. Das habe ich schon häufig gelesen. Ich finde daran spannend, dass ich als Leser neue Details entdecken kann, die der andere Charakter vielleicht noch nicht kennt.
Fies fand ich da ganz besonders Ken Follett "Die Tore der Welt". Er hat jedes Kapitel so spannend aufgebaut, dass man am Ende unbedingt wissen wollte, wie es mit diesem einen Charakter weiter geht und dann schwupps wechselt er zum nächsten Charakter und baut es genauso auf. Ich fand es sehr gut gemacht, aber auch jedes mal so einen Nervenkitzel, weil ich unbedingt wissen wollte, wie es mit dem Charakter weiter geht.

Ich denke am ehesten hilft wahrscheinlich ausprobieren. Wie wirkt es aus dieser Perspektive? Wie aus einer anderen. Was sagen Testleser dazu. Ich habe probeweise bei einem Romanprojekt zwischendurch in die Ich-Perspektive gewechselt. Ist mir gar nicht gelungen. Dadurch wusste ich aber, in welcher Perspektive ich mich für den speziellen Text wohler fühle.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Moni am 15. August 2014, 11:56:01
 :wache!:
Da der Thread Alles zur Perspektive heißt, soll hier auch wirklich alles zur Perspektive rein. Daher habe ich beide Threads verschmolzen und den Titel angepasst.
:wache!:
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Schwarzhand am 17. August 2014, 20:40:41
Hallo allerseits!
Ich persönlich werde wohl mein neues Projekt in der Ego-Perspektive schreiben, da ich ausnahmsweise nur einen Protagonisten habe und ich dessen Erlebnisse auch so intensiv wie möglich beschreiben will. Dazu ist es ein kleines Experiment :vibes:. Der Protagonist ist kein Charakter mit dem man wirklich warm wird. Und das wird sich, wenn ich es so hinbekomme, auch nicht im Laufe der Geschichte ändern. Ich möchte sehen, ob und wie der Leser darauf reagiert, dass er mit solch einem Protagonisten in der Ich-Perspektive konfrontiert wird. Mal schauen wie es sich entwickelt  :).
Grüße Daljien.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Arcor am 05. Oktober 2014, 12:20:04
Mich treibt da gerade ein Gedanke zu meinem NaNo-Projekt um, aber ich bin mir nicht sicher, ob das eine gute Idee ist.

Und zwar geht es um eine Verwendung der Ego-Perspektive und der 3. Person-Perspektive für ein und dieselbe Figur innerhalb eines Romans.

Konkret plane ich eine Geschichte mit Rahmen- und Binnenhandlungen. Auf der Hauptebene soll die 3. Person als Perspektive funktionieren. Ob es dabei mehr als einen Perspektivträger geben wird, bin ich mir noch nicht sicher, aber gehen wir erstmal von 80-90% der Szenen aus Sicht des Protagonisten aus.
Zusätzlich möchte ich aber Einschübe schreiben, die philosophische Gedanken des Protagonisten darstellen, angereichert mit Erinnerungen, Erlebnissen etc. Die würde ich gerne in der Ich-Perspektive schreiben, aus dem einfachen Grund, da dies ja auch nur im Inneren stattfindet. In der 3. Person käme da eine Distanz zwischen Prota und Leser, die wahrscheinlich nur stört.

Meine Frage nun: Geht das?  ??? Kann ich das in einem Roman machen, zwischen 1. und 3. Person in der Perspektive zu springen? Ich meine mal gehört zu haben, dass man das nicht machen sollte, aber ich bin gerade ein wenig auf Experiment eingestellt und würde die Szenen ja sehr klar abgrenzen von den anderen (z. B. auch durch Kursivsetzung).
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Malinche am 05. Oktober 2014, 12:27:54
Ach, warum sollte das nicht gehen? Zumal du ja gute Gründe hast, für die Einschübe die Ich-Perspektive zu wählen.

Blödes Beispiel: Ich habe z.B. bei meinem Mahagonibaum auch immer wieder Einschübe in der 1. Person. Das sind dann Briefe oder Tagebucheinträge, in denen es auch um Erinnerungen etc. geht. Das Buch hat einen Verlag gefunden, und niemand hat sich an dieser Struktur gestört (mal gucken, wie es dann die Leser sehen) - ich sehe also nicht, wo die Kombination der Perspektiven ein Problem sein sollte. :)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Sanjani am 05. Oktober 2014, 12:35:44
Ich habe so etwas auch schon gemacht und sehe darin kein Problem. Ich habe die Szenen in der ersten Person mit Sternchen gekennzeichnet, und bei mir waren es eine Art Tagebucheinträge, wo die Person u. a. das Erlebte reflektiert hat. Ich habe es aber nie explizit als Tagebucheintrag gekennzeichnet. Ich finde, so etwas geht sogar sehr gut :)

LG Sanjani
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Arcor am 05. Oktober 2014, 12:44:28
@Malinche und Sanjani:

Danke für eure Einschätzung.  :) Das hilft mir schonmal sehr weiter, dass ihr beide so etwas auch schon mal gemacht habt und keine wüst-negativen Reaktionen darauf bekommen habt. Dann mache ich da mal einen Haken drunter und plotte weiter.  ;D
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: HauntingWitch am 05. Oktober 2014, 16:44:49
Ich sehe da auch kein Problem, im Gegenteil, ich finde solche Sachen immer interessant. Wichtig finde ich nur, dass der Leser ganz klar erkennt, dass es sich um dieselbe Person handelt. Das müsste man also entweder irgendwie kennzeichnen oder es muss aus der Handlung hervorgehen.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Thaliope am 26. Oktober 2014, 11:50:04
Ich steh gerade ein wenig auf dem Schlauch.

Mein aktuelles Projekt spielt sich auf zwei Zeitebenen ab. Zum einen in der Gegenwart, zum anderen in der Vergangenheit des Fotografen.
Die Rückblenden werden jeweils dadurch eingeleitet, dass der Fotograf anfängt, in der Ich-Perspektive zu erzählen. Dann gibt es einen Szenenwechsel, wir tauchen in die Vergangenheit, und da wird dann seine Geschichte in der dritten Person erzählt.
Jetzt ist die Frage, ob ich in diesen langen Erzählabschnitten noch eine weitere Perspektive unterbringen kann. Zum Beispiel würde ich gern seinen Kunstlehrer zu Wort kommen lassen.
Streng logisch gesehen geht das ja nicht. Aber könnte man es trotzdem machen?

Schonmal danke für eure Meinung!
LG
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Coppelia am 26. Oktober 2014, 11:58:05
Ich werde aus deinen Erläuterungen leider nicht schlau, Thaliope. Du redest nur von Rückblenden und Erzählen in der Vergangenheit (wo da der Unterschied ist und warum du zwei verschiedene Perspektiven wählst, ist mir auch unklar). Wo ist das Erzählen in der Gegenwart, das du anfangs erwähnst?
Und warum meinst du, dass eine dritte Perspektive nicht logisch wäre?
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Thaliope am 26. Oktober 2014, 12:13:21
Tut mir leid, wenn ich mich so missverständlich ausgedrückt habe :(
Da ich nicht weiß, wie ich es besser beschreiben kann, zeig ich es dir vielleicht an einem Beispiel:

Gegenwart:
Laura unterhält sich mit dem Fotografen Jonathan. "Erzähl doch mal, wie war das damals?"
Jonathan: "Ja, also. Das war ein regnerischer Tag, und ich war auf dem Rückweg von der Schule ..."

Dann der Szenenwechsel, wir gehen mit Jonathan in die Vergangenheit:

Als die Schultür hinter Jonathan ins Schloss fiel, war er sehr erleichtert. Er freute sich darauf, endlich wieder fotografieren zu können. ...

Hier folgt dann ein längerer, mehrere Szenen umfassender Abschitt, der in der Vergangenheit spielt. Und da wäre die Frage, ob ich in diesem Abschnitt auch Szenen von einem anderen Perspektivträger einbringen könnte.
Unlogisch könnte man es insofern finden, als es Jonathans Geschichte ist, und sie auch aus seiner Perspektive erzählt wird und er die Perspektive seines Lehrers ja streng genommen nicht kennen kann.

Ist es jetzt ein bisschen klarer geworden?
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Coppelia am 26. Oktober 2014, 12:19:10
Also dann hat in der Gegenwart Laura die Perspektive?
Und so wie du es schreibst, klingt es eher so, als ob du mit direkter Rede in die Vergangenheit überleitest - wobei natürlich jede Figur, die direkte Rede benutzt, in gewisser Weise auch ein Erzähler ist. Aber ich glaube nicht, dass das bereits als Ich-Perspektive durchgeht.

Daher: Ja, du kannst meiner Ansicht nach eine zweite Perspektive in der Vergangenheit einbauen.
Könntest du aber ohnehin, unabhängig von allen anderen Voraussetzungen - logisch muss die Verwendung von Perspektive ja nicht zwangsläufig sein. ;)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Thaliope am 26. Oktober 2014, 12:51:35
Ja genau, die Gegenwart wird aus Lauras Perspektive erzählt und das mit der direkten Rede stimmt auch.
Bei langen Erzählabschnitten ist der Übergang zwischen direkter Rede und Ich-Perspektive für mein Empfinden fließend ... aber eigentlich gehts mir hier ausnahmsweise gar nicht um die korrekte Begrifflilchkeit, sondern eher darum, ob die Leser es als glaubwürdig empfinden, wenn in einem Abschnitt, der gefühlt aus Jonathans Sicht erzählt wird, noch jemand anderes zu Wort kommt.

Lieben Dank jedenfalls für deine Meinung. :) Sehen die anderen das auch so?





Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: moonjunkie am 28. Oktober 2014, 15:03:51
Hmm, das klingt kompliziert. Es ist also Jonathans Perspektive und in der dritten Person geschrieben. In der Vergangenheit soll dann auch der Kunstlehrer zu Wort kommen. Kommt drauf an, wie du es machst. Am Ende darf es den Leser nicht verwirren und eben deutlich sein, das ist glaube ich das Wichtigste. Ginge es vielleicht, wenn der Kunstlehrer auch bei dem Gespräch zwischen Laura und Jonathan dabei ist, also in der Gegenwart und nicht in der Vergangenheit? Könnte er so seine Meinung mit einbringen?

Jonathan erzählt all dies ja eigentlich Laura, oder? Dann fände ich es tatsächlich schwierig die Perspektive des Kunstlehrers dazwischen zu haben. Ich kenne tatsächlich nur Bücher mit zwei Perspektiven, wo am Anfang so ein Gespräch ist und dann die eigentliche Geschichte kommt, aber das ist dann meistens auch wirklich nur die Sicht einer einzigen Figur.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: HauntingWitch am 28. Oktober 2014, 15:14:22
Ich finde schon, dass solche Sachen logisch sein sollten. Aber könntest du den Kunstlehrer quasi durch Jonathan sprechen lassen? So, dass dieser aufgrund von Rückmeldungen, Aussagen und Bewertungen des Lehrers darauf schliessen kann, wie er ihn wohl gesehen hat? Oder in der direkten Rede des Lehrers oder durch Briefe, Tagebücher (die später entdeckt werden)... Einfach plötzlich in die Lehrer-Perspektive wechseln fände ich unschön. Andererseits habe ich schon Dutzende Bücher gelesen, in denen so etwas vorkommt und so richtig übel gestört hat es mich bei keinem.  ;)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Thaliope am 05. November 2014, 07:50:01
Waaah, soory!  Jetzt hatte ich hier gar nicht mehr geantwortet. Asche über mein Haupt. Hatte eure Antworten auf dem Handy gelesen ... Und dann hat mich der NaNo überrollt ...

Danke jedenfalls für eure Meinung, ihr trefft genau das Problem, das ich mit der Kiste habe. Dass der Lehrer bei dem Gespräch zwischen Jonathan und Laura anwesend ist, funktioniert plottechnisch nicht, ist aber im Prinzip eine sehr schöne Idee, das würde es plausibel machen.

Ganz schlüssig bin ich mir immer noch nicht, wie ich es löse ... Aber ich denke, die Lehrerperspektive fliegt raus.

Habt vielen Dank fürs Mitüberlegen
Gruß, Thali
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Leann am 04. August 2015, 19:11:52
Ich interessiere mich für eure Meinungen zu Änderungen in der Häufigkeit von Perspektivwechseln.

Zur Verdeutlichung mein konkretes Problem: Ich beginne den Roman mit kapitelweisen Perspektivwechseln. Ich schreibe abwechselnd aus der Sicht von zwei Romanfiguren (3. Person, personal).
Nun spiele ich mit dem Gedanken, mit dieser Routine zu brechen und im Romanverlauf auch innerhalb der Kapitel die Perspektive zu wechseln. Es soll kein ständiges Springen sein, sondern schon längere Absätze, und ich werde diese mit Sternchen (*) optisch voneinander abgrenzen. Ich plane nicht mehr als ein bis zwei Wechsel innerhalb eines Kapitels. Sinn des ganzen ist die Erhöhung der Spannung und die Tatsache, dass ich in der Mitte des Romans zu viele Kapitel mit der selben Perspektive aneinandergereiht habe. Das könnte dazu führen, dass der Leser die andere Perspektive aus den Augen verliert, daher möchte ich zwischendurch öfter wechseln.

Was haltet ihr davon? Habt ihr das schon mal in einem Roman so vorgefunden und hat es euch gestört? Dass innerhalb eines Kapitels die Perspektive wechselt, kommt ja oft vor, aber ist das verwirrend, wenn die Wechsel anfangs kapitelweise auftreten?
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Malinche am 04. August 2015, 19:24:59
Hm, ich finde, man kann das letztlich nicht pauschal sagen, sondern muss gucken, wie es innerhalb eines Projekts passt, und bei dir scheint das ja jetzt gut durchdacht zu sein. Ich denke nicht, dass es mich stören würde.

Vielleicht als hilfreiche Anekdote: Als ich meinen Mahagonibaum geschrieben habe, war es auch so, dass ich immer ein Kapitel aus der Perspektive der Hauptprota mit einem aus einer anderen Perspektive (Rückblenden) abgewechselt habe. Die Lektorin wollte dann eine dieser Rückblenden-Perspektiven so ändern, dass der Wechsel da irgendwann quasi auch im Kapitel erfolgte, und als ich meinte, das würde mir ja die schöne Struktur zerschießen, erwiderte sie ganz trocken, daran würde sich garantiert niemand stören.  ;D Mich hat es beim Lesen hinterher zwar noch immer ein wenig irritiert, weil ich eben wusste, wie es ursprünglich war, aber letztlich ging es eigentlich ganz gut. Zumindest hat sich auch noch kein Leser beschwert, wiewohl das ja nix heißen muss.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Leann am 04. August 2015, 19:34:37
@Malinche: Danke! Mir als Leserin ist sowas nämlich bisher auch nie aufgefallen. Und da ich sehr viel lese, vermutlich nicht, weil es nie vorgekommen ist, sondern weil ich es nicht bemerkt habe. Die "schöne Struktur" habe ich mir in der Mitte sowieso zerschossen, da ich irgendwann vom kapitelweisen Wechsel abgekommen bin. Daher könnte es vermutlich sogar weniger störend sein, wenn es nach der Änderung wieder ein paar mehr Wechsel gibt, egal ob kapitel- oder absatzweise.  :hmmm:
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Immortal am 04. August 2015, 19:52:49
Also mir wäre das jetzt nicht aufgefallen, dass ich das irgendwann einmal störend fande. Und ich finde gerade zum erhöhen der Spannung ist das doch ein wunderbares Mittel. Verdeutlicht eben einfach das Anziehen der Handlung im Vergleich zum Anfang, an dem die Perspektivenwechsel noch kapitelweise erfolgen.
Mir fällt jetzt zwar spontan kein Buch ein, in dem die Perspektive zuerst kapitelweise gewechselt wird und dann häufiger, aber ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass sich daran jemand stört. Ich finde, wie bereits erwähnt, dass das zum erhöhen der Spannung doch ein schönes Stilmittel ist.

Ich kenne wenig Bücher, in denen der Perspektivenwechsel konsequent kapitelweise gemacht wird. Außer bei "Das Lied von Eis und Feuer" und da hat das ja größtenteils andere Gründe. Bei "Die Nebel von Avalon" meine ich, dass sogar in den ersten Kapiteln eine Perspektive eingehalten wird und dann gewechselt wird, bin mir aber nicht ganz sicher. :hmmm: Das Buch finde ich auf jeden Fall klasse!
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Antonia Assmann am 05. August 2015, 08:05:03
Hallo Leann,

schön, dass du das Thema ansprichst. Ich habe nämlich ein fertiges Manuskript hier liegen, bei dem ich es genauso gehalten habe und mir am Schluss nicht sicher war, ob ich das so beibehalten kann. Allerdings war es mir bei Schreiben nicht anders möglich. Zuerst habe ich die Perspektiven kapitelweise eingehalten, bis man die Leute und ihre Beweggründe soweit aufgebaut hatte. Dann aber, als sich alles immer rasanter entwickelte, ging das nicht mehr und ich habe innerhalb der Kapitel mit Absätzen gewechselt. Das machte das Ganze ziemlich dynamisch, aber ich war mir, wie gesagt am Schluss auch nicht sicher, ob man das so stehen lassen kann. Auf der anderen Seite, warum eigentlich nicht? Hauptsache der Leser weiß, in wessen Kopf er sich gerade bewegt. Und das Tempo erhöht sich auf alle Fälle, ohne dass man viel dazu tun muss. Ich werde das jetzt mal so stehen lassen und sehen, was die Agentur dazu sagt. Jedenfalls danke, dass du die Frage aufgeworfen hast, die ich still für mich dahintrug und jetzt deine Antworten mitlesen darf!
:winke: Antonia
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Churke am 05. August 2015, 09:04:38
Zitat von: Leann am 04. August 2015, 19:11:52
Ich plane nicht mehr als ein bis zwei Wechsel innerhalb eines Kapitels. Sinn des ganzen ist die Erhöhung der Spannung und die Tatsache, dass ich in der Mitte des Romans zu viele Kapitel mit der selben Perspektive aneinandergereiht habe. Das könnte dazu führen, dass der Leser die andere Perspektive aus den Augen verliert, daher möchte ich zwischendurch öfter wechseln.

Da sehe ich die Gefahr, dass die Identifikation mit den Perspektivträgern nachlässt. Der Leser soll ja Partei ergreifen, das kann man sich damit kaputtmachen.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: HauntingWitch am 05. August 2015, 09:11:16
@Leann: Ich sehe da auch kein Problem. Es muss einfach klar gekennzeichnet sein, das machst du ja. Ich meine, schon einige Bücher gelesen zu haben, in denen relativ häufige (unterteilte) Perspektivenwechsel vorkommen, habe mich aber noch nie geachtet, ob das immer beim Kapitelwechsel ist. "Santa Olivia" von Jacqueline Carey fällt mir da gerade ein, wenn ich das richtig im Gedächtnis habe, ist schon eine Weile her.  ;) Oder King macht das bei seinem "Dunklen Turm" ja auch, wobei er unterteilt das mit Zahlen, sind also schon wieder so etwas wie Kapitel. Allerdings haben die teilweise eineinhalb Seiten und weniger. Ich glaube jedenfalls, das ist auch so eine Sache, die nur einem Autor auffällt und erst recht niemanden stört.

Da der Thread jetzt gerade wieder oben ist, ich hatte letztens einen anderen Gedanken. Nicht, um Leanns Problem wegzureden und meins ist jetzt auch gelöst, aber einfach so als Anstoss um Meinungen zu sammeln. Während ich in der Perspektive von Person X bin, kann ich ja nur schreiben, was diese Person selber auch weiss und denkt. Nun findet mein Protagonist in seiner Wohnung nach Jahren das T-Shirt einer Ex-Freundin. Ich habe geschrieben:
ZitatDas Minnie-Mouse T-Shirt einer seiner Ex-Freundinnen, die Model war.
Aber dann habe ich überlegt, Moment, im Grunde stimmt das ja gar nicht. Der hatte eine Beziehung mit der Frau. Der wird ja nicht denken, "eine meiner Ex-Freundinnen", sondern wohl eher "das T-Shirt von Y" oder von "der Ex-Freundin", es ist ja eine bestimmte. Aber es ist eben nicht die eine, sondern eine von vielen und das möchte ich dem Leser mit meinem Satz ja sagen. Wenn ich einen Namen bei Y einsetze, weiss man nicht, wer ist die und ist verwirrt. Wenn ich sage "die Ex-Freundin", denkt man, es wäre die eine. Was würdet ihr bei so einem Fall machen? Ich habe mich jetzt für die Info an den Leser entschieden und lasse den Satz so stehen, aber genau genommen stimmt dann halt die Perspektive nicht mehr hundertprozentig.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: PinkPuma am 05. August 2015, 09:35:25
@ Leann – Ich würde mich anschließen bei der Meinung, dass solche Perspektivenwechsel unproblematisch sind. Wohlgemerkt insofern sie sauber durchgezogen werden. Prinzipiell stören mich Wechsel innerhalb eines Kapitels nicht und sie nehmen mir auch nichts von der Identifikationsmöglichkeit mit der jeweiligen Figur. Allerdings habe ich mal ein Buch gelesen, bei dem die Wechsel zunehmend ,,schlampig" gestaltet waren, sodass ich gegen Ende das Gefühl hatte, dass die Autorin selbst nicht mehr wusste, aus welcher Perspektive sie eigentlich gerade schreibt. Ich unterstelle dir aber mal, dass du in der Lage bist, doch sauber an Perspektiven zu halten. ;-) Von daher sehe ich da kein Problem.

@ Witch – Hmm, kniffliger Fall. Allerdings finde ich deinen Satz gar nicht so unpassend und aus der Perspektive gerissen, denn man kann ja durchaus denken ,,ach, das Shirt meiner Ex-Freundin". Und nicht zwingend ,,ach, das Shirt von Anna". Ich denke, wenn emotional ein großer Abstand zu der betreffenden Ex-Freundin besteht ist ,,eine seiner Ex-Freundinnen" durchaus angebracht.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Moni am 05. August 2015, 10:04:48
@Witch Also, ich denke von meinem Ex-Freund in erster Linie als Ex-Freund und nicht an seinen Namen, von daher kannst du, wenn der zeitliche Abstand passt, das durchaus so schreiben.

@Leann Ich habe festgestellt, als Leser ist mir die Struktur eines Buches meistens total egal, da achte ich oft gar nicht auf Kapitel. Als Autor ist es anders, da bin ich pingelig und verzweifle oft daran, wenn meine Kapitel zu unterschiedlich in der Länge und den Perspektivwechseln sind. Von daher, wenn es zum Buch passt und du als Autor mit der daraus resultierenden Struktur zufrieden bist, finde ich das mit den häufiger auftretenden Perspektivwechseln nicht problematisch. Ich denke auch nicht, das man die Nähe zum jeweiligen Perspektivträger verliert, wenn da mal einzelne Kapitel zwischenliegen.
Im "Rad der Zeit" gibt es ganze Bücher, in denen bestimmte Perspektivträger nicht vorkommen, da fieberte man dann um so mehr dem nächsten Band entgegen, in dem die Person dann wieder auftrat und die Perspektive hatte.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: flowrite am 05. August 2015, 15:08:54
Witch,

wenn das Teil einen leicht humorigen Touch bekommen darf, kommt mir in den Sinn: Das Minnie-Mouse-Shirt von Anna, nein Sarah, oder Bettina?, eines der Models jedenfalls.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: HauntingWitch am 05. August 2015, 15:19:27
Zitat von: flowrite am 05. August 2015, 15:08:54
wenn das Teil einen leicht humorigen Touch bekommen darf, kommt mir in den Sinn: Das Minnie-Mouse-Shirt von Anna, nein Sarah, oder Bettina?, eines der Models jedenfalls.

Haha, das ist natürlich auch eine Idee. :rofl: Vielleicht ginge das sogar, ich glaube, ich probiere es aus.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Angela am 05. August 2015, 15:45:23
 

Zitat@Leann
Im "Rad der Zeit" gibt es ganze Bücher, in denen bestimmte Perspektivträger nicht vorkommen, da fieberte man dann um so mehr dem nächsten Band entgegen, in dem die Person dann wieder auftrat und die Perspektive hatte.
Wobei das etwas war, was etliche Fans verärgert hat, mich auch, denn ich fand ganze Perspektivstränge eher öde und dann fehlte mir Matt(?), der mein Favorit war, schon sehr als Ausgleich.


Ich bin im Moment auch ein wenig verunsichert. Ich habe einen Text mit mehreren erzählenden Protas. Am Anfang halte ich sie einigermaßen auseinander, gegen Ende findet die Aktion aber gleichzeitig an verschiedenen Stellen statt, sodass die einzelnen Abschnitte kurz sind und schnell aufeinander folgen.  Jetzt habe ich es erstmal meinen Mann lesen lassen, der ist schrecklich kritisch meinen Texten gegenüber und selbst kein Autor. Ihm ist nichts aufgefallen. Nun liest es mein jahrelanger Beta, der selbst schreibt. Ich bin gespannt, was er dazu sagt.

ZitatDas Minnie-Mouse-Shirt von Anna, nein Sarah, oder Bettina?, eines der Models jedenfalls.
So etwas in der Art würde ich auch wählen. Das verstärkt die Innensicht auf den Prota schön.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Leann am 06. August 2015, 08:55:02
Danke für eure Einschätzungen! Ich schreibe jetzt ab der Mitte mit Perspektivwechseln innerhalb der Kapitel. Als ich eure Meinungen gelesen habe, ist mir eingefallen, dass es mir ab und zu bei Romanen missfallen hat, wenn sehr lange Zeit nur eine Perspektive verfolgt wurde, weil ich doch gerne wissen wollte, wie es bei der anderen Figur weitergeht. Das hat mich mehr gestört als schnelle Wechsel (wenn sie nicht zu schnell und klar abgegrenzt sind).

Die Lösung mit dem Model und dem "vergesslichen" Typ finde ich witzig, das würde mir in einem Buch sehr gefallen.

@Angela: Genau das habe ich neulich in einem Krimi gelesen. Da wurde während des Showdowns, der an zwei Orten stattfand, sehr rasch hin und her geschaltet. Mir kam das vor wie schnelle Schnitte bei einem Film-Finale und es hat mir gut gefallen, ich fand das sehr spannend.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: HauntingWitch am 06. August 2015, 09:00:23
Ich danke ebenfalls. :) Ich bin aber noch nicht sicher, ob ich flowrites Idee wirklich übernehmen werde, ich weiss nicht, ob ich meinen Charakter so darstellen möchte. Das wirft ja ein ganz bestimmtes Bild auf, das nicht unbedingt positiv ist. Und da ich weiter vorne schon weniger sympathische Züge von ihm zeige...  :hmmm:
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Leann am 29. August 2015, 19:18:13
In letzter Zeit begegne ich immer öfter der Du-Perspektive. Und ich gebe zu, ich finde sie überhaupt nicht schön zu lesen. Selbst wenn die Geschichte an sich sehr gut ist, fällt es mir schwer, ihr überhaupt zu folgen, weil mich die Perspektive dermaßen stört. Bisher kannte ich die nur aus den "Abenteuer-Spiel-Büchern".

Ist das jetzt tatsächlich ein neuer Trend und wenn ja, wo kommt der her? Eine Zeitlang kam es mir vor, als gäbe es äußerst viele Werke in der Ich-Perspektive-Präsens (die mir auch nicht gefällt) und ich habe vermutet, dass die ihre Ursprünge vor allem im Fan-Fiction-Bereich hatten.

Warum erfreut sich die Du-Perspektive neuerdings so großer Beliebtheit? Was bringt das der Geschichte? Für eine Kurzgeschichte mag das ja noch durchhaltbar sein, aber könntet ihr euch vorstellen, einen ganzen Roman in dieser Perspektive zu lesen? Ich mir nicht.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Dämmerungshexe am 29. August 2015, 20:16:28
Ich weiß nicht, wie das tatsächlich funktionieren soll. In diesem Fall würde der Erzähler ja tatsächlich mich ansprechen und mich in eine spezielle Situation bringen wollen, in der er keine Ahnung hat, wie ich reagiere. Bei diesen SpieleBüchern ist das ja so sinnvoll, da kann man sich dann ja entscheiden, was man tun will. Aber auf diese Art eine Figur und ihre Entscheidungen "aufgezwungen" zu bekommen ... nein, kann ich mir nicht vorstellen ... also zumindest nicht mit klassischen Fantasy-Geschichten. Da müsste schon etwas kommen, das mich "da abholt, wo ich bin" und mir dann einen Grund liefert, warum ich mich nicht anders entscheiden kann als so, wie es der Autor vorsieht. Schwer ...
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Leann am 29. August 2015, 21:59:07
In den Kurzgeschichten, die ich bisher in der Du-Perspektive gelesen habe, wird nicht der Leser angesprochen, sondern eine andere fiktive Figur. Z.B.: "Du sitzt vor mir und ich sehe zu, wie du dein Bier trinkst. Du sagst, dass du nicht viel Zeit hast."

Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Norrive am 30. August 2015, 10:35:19
Ich finde diese Art der Du-Perspektive auch ganz, ganz furchtbar. Bisher ist mir das allerdings tatsächlich nur im Fanfiction-Bereich begegnet und manchmal ist es der Versuch, ein Buch zu schreiben, dessen Hauptcharakter (meistens ein Mitglied von One Direction, Five seconds of summer oder Loki ::) Ja, die Wattpad-Vorschläge sind manchmal grauenhaft) sich in den Leser verliebt. Die Idee an sich (Prota X Leser) finde ich eigentlich gerade für den Romance-Bereich nicht schlecht, wenn auch sehr polarisierend, aber ich sehe das bisher nicht als umsetzbar, gerade weil es an der Perspektive scheitert.

@Leann Das Beispiel mit der Kurzgeschichte ist ja im Prinzip wie in Liedern mit der Du-Perspektive. Sowas wie Andreas Bouranis Auf anderen Wegen oder diese Textpassagen in Falcos Jeanny.  Also Lieder, die einen anderen Charakter, anwesend oder nicht, ansprechen und ihm die Sicht des Sängers/Protagonisten nahebringen wollen.
Kurzgeschichten in der Du-Perspektive lesen sich für mich irgendwie wie ein einziger Stream of Consciousness, der neben den Gedanken und Gefühlen natürlich auch die Handlung erzählt. Ich kann mir vorstellen, dass irgendwer das irgendwann mal gut hinbekommt, aber bisher war das einfach grottig gemacht (zumindest das, worüber ich gestolpert bin, denn das war so schlecht, dass ich nach ein paar Seiten aufhören musste).
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Klecks am 30. August 2015, 10:44:47
Ich mag die Du-Perspektive bei Gedichten, weil sie Emotionales noch intensiver und näher an den Leser heran bringt, aber in allem, was über die Kürze eines Gedichts hinaus geht - Kurzgeschichten, Novellen, Romanen -, gefällt mir die Du-Perspektive überhaupt nicht. Ich weiß allerdings nicht genau, warum, ich weiß nur, dass sie es mir schwer macht, in die Geschichte zu finden.  :hmmm:
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Fynja am 30. August 2015, 13:24:04
Mir ergeht es da wie Klecks. Bei Gedichten oder ganz kurzen Kurzgeschichten mag ich es, mal etwas anderes zu lesen oder auch selbst auszuprobieren. Eine ungewohnte Perspektive kann die Texte interessanter machen und teilweise, wenn es gut geschrieben ist, persönlicher, wenn man es hinbekommt, dass der Leser selbst sich angesprochen fühlt.
Allerdings wäre genau das mein Problem bei längeren Geschichten - selbst, wenn eigentlich eine andere, fiktive Figur angesprochen wird wie bei Leanns Beispiel, würde ich mich irgendwie angesprochen fühlen und das Gefühl haben, dazu "gezwungen" zu werden, mich mit der Figur zu identifizieren, was oft nicht klappt und bei ganzen Romanen viel zu sehr irritieren würde, da stelle ich mir das Lesen dann sehr anstrengend vor. Vielleicht ist es aber auch eine Sache der Gewohnheit, bei der Ich-Perspektive hatte ich anfangs ähnliche Probleme und mittlerweile liebe ich sie. Dennoch hoffe ich, dass sich der Du-Trend nicht durchsetzen wird. ;D
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Shedzyala am 30. August 2015, 14:25:34
Ich oute mich jetzt einfach mal als jemand, der letztens tatsächlich eine Kurzgeschichte in der Du-Perspektive geschrieben hat. Von daher kann ich mal kurz einen kleinen Erfahrungsbericht abgeben.

Warum ich das gemacht habe? Ich wollte es einfach mal ausprobieren. Und ich muss sagen: Ich habe noch nie eine Geschichte so flüssig runtergeschrieben. Zumindest für mich ist diese Perspektive also sehr intuitiv. Ich hab mit dem Du aber auch nicht den Leser gemeint, sondern einen festen Charakter, wie Leann es auch schon beschrieben hat. Allerdings wusste ich auch sehr genau, wer das Ich meiner Geschichte war, also wer da etwas übers Du erzählt und warum er es so nah am Charakter kann.

Mit dem Präsens hatte ich allerdings auch meine Probleme. Ich hasse es, wenn Geschichten im Präsens stehen und schrieb meine auch erst im Präteritum, allerdings sind da viele Test-Leser über die ungewöhnlichen Verbformen gestolpert. Deshalb habe ich letztendlich auch bauchgrummelnd nachgegeben. Durch das Präsens ergibt sich aber tatsächlich der Nachteil, dass zumindest ich mich nun beim Lesen meiner eigenen Geschichte ständig dazu aufgefordert fühle, dem Erzähler zu widersprechen ("Nein, ich stehe jetzt nicht auf! Sag doch nicht so einen Blödsinn!") Das Gefühl hatte ich beim Präteritum nicht, stehe damit aber laut meinen Testlesern alleine da.

Aber auch wenn sich die Perspektive so leicht schreiben lässt: Ich würde nie auf die Idee kommen, einen ganzen Du-Roman zu schreiben. Denn ich schätze, auf Dauer kann das ganz schön nerven. Ich habe aber letztens von einem Roman gelesen, der aus der Du-Perspektive geschrieben sein und wo das ganze auch sehr gut funktionieren soll. Inhaltlich soll es um die Kindheit des Protagonisten gehen, geschildert aus der Perspektive des Moores, das neben dem Wohnhaus beginnt und den Jungen eben mit Du anspricht. Ich finde nur grad leider nicht den Titel, hatte es aber auf meine handwerkliche to-read-Liste gesetzt.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Leann am 31. August 2015, 12:25:22
Bei Gedichten und Liedern finde ich die Du-Perspektive nicht so schlimm, wenn es zum Gedicht oder Lied passt, da kann ich mir vorstellen, dass jemand einer anderen Person etwas vorsingt oder vorträgt. Ich fühle mich bei der Du-Perspektive auch irgendwie nie persönlich angesprochen, sondern stelle mir immer vor, wie der Ich-Erzähler eine andere Person vollquatscht. Das wirkt auf mich auch bei tragischen Geschichten unfreiwillig komisch.

@Shedzyala: Danke für deinen Erfahrungsbericht. Ein Roman in Du-Form ist "Das Glück der anderen" von Stewart O'Nan, aber du meinst glaube ich was anderes. Die Moor-Perspektive klingt auf jeden Fall interessant.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Shedzyala am 31. August 2015, 17:35:52
@Leann: Ich bin jetzt meine ganzen alten Merklisten durchgegangen und habe tatsächlich wiedergefunden, von welchem Buch ich sprach: "Moor" von Gunther Geltinger. Wie gesagt, gelesen habe ich es noch nicht, aber es klingt wirklich sehr interessant. Allein schon vom Handwerklichen her.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Gwee am 15. September 2015, 23:43:25
Ich selbst habe zwei Bücher daheim, die in der Du-Perspektive geschrieben wurden. Es ist zugegebenermaßen sehr gewöhnungsbedürftig, aber ich finde es zumindest bei den Büchern (2 Thriller von Zoran Drvenkar) sehr spannend und passend. Wahrscheinlich kommt es ein bisschen drauf an, wie es umgesetzt wird, aber der Autor meiner beiden Bücher macht das echt gut. Ich war sehr positiv überrascht, obwohl ich erst dachte, dass das nur schief gehen kann. Auf der anderen Seite würde ich solche Bücher aber auch nicht dauernd lesen wollen, das ist teilweise irritierend und man kann sich nur mit der richtigen Stimmung darin vertiefen, weil es einfach sehr ungewohnt ist.
Ich denke, eine Geschichte muss komplett "ehrlich" und sagen wir "alltagssprachlich" sein, damit man sich bei dem "Du" nicht komisch fühlt, zumindest am Anfang.
Ich muss aber auch zugeben, dass ich bisher nie was anderes in der "Du"-Perspektive gelesen habe. ::)

Zitat von: Shedzyala am 30. August 2015, 14:25:34
Mit dem Präsens hatte ich allerdings auch meine Probleme. Ich hasse es, wenn Geschichten im Präsens stehen und schrieb meine auch erst im Präteritum, allerdings sind da viele Test-Leser über die ungewöhnlichen Verbformen gestolpert. Deshalb habe ich letztendlich auch bauchgrummelnd nachgegeben. Durch das Präsens ergibt sich aber tatsächlich der Nachteil, dass zumindest ich mich nun beim Lesen meiner eigenen Geschichte ständig dazu aufgefordert fühle, dem Erzähler zu widersprechen ("Nein, ich stehe jetzt nicht auf! Sag doch nicht so einen Blödsinn!") Das Gefühl hatte ich beim Präteritum nicht, stehe damit aber laut meinen Testlesern alleine da.

Ich finde es auch sehr seltsam von Präteritum in Präsens wechseln zu müssen und mag ersteres mehr, aber bei "Du"-Perspektiven finde ich es eigentlich eher passender als andersrum.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: LinaFranken am 02. Januar 2016, 11:28:42
*holt Staubsauger raus: wrum..wrum...*

Ich finde die Thematik der Perspektive wird nie langweilig. Ich musste kürzlich die Feststellung machen, das mir bei der Ich-Perspektive irgendwie die Objektivität abhanden kommt. Kennt das jemand? Ich habe anfangs eine bestimmte Vorstellung über den Chara, aus dessen Perspektive ich schreiben möchte, doch im Verlauf des Schreibens verselbständigt er sich und weicht zum großen Teil von seinen ursprünglichen Charaktereigenschaften ab. Er wird irgendwie zu einem lebendigen "Freudschen Verschreiber".  Als würde eher etwas von meinem eigenen Unterbewusstsein rauskommen und zu Papier fließen, ohne das ich das geplant habe. Zum Beispiel wüsste ich gerne, wo der gehässige Humor herkommt, den mein Prota plötzlich entwickelt. Ich rechne es der Ich-Perspektive zu, dass ich die Kontrolle über meinen Prota verliere, aber ich lasse mich dennoch überraschen. Oder hatte jemand so ein Problem auch in der Erzähler-Perspektive?
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Trippelschritt am 02. Januar 2016, 11:40:23
Kann passieren, ist aber keine handwerkliche Frage der Perspektive, sondern hängt damit zusammen, was man eigentlich schreiben möchte. Für mich ein Punkt von Figuren und deren Charakter.
Aber es ist gut möglich, dass die Ich-Perspektive Dich dazu verleitet hat, Dein ursprüngliches Schreibziel aus den Augen zu verlieren und durch ein anderes zu ersetzen. Jetzt wirst Du Dich entscheiden müssen, ob Du bei Deiner ursprünglichen Figur bleiben und den ganzen Text überarbeiten willst oder mit der neuen Figur zunächst die Konzeption neu fassen willst. Den größten Teil des Plots wirst Du wahrscheinlich beibehalten können, vermute ich mal, sodass der Aufwand überschaubar bleibt.
Dass sich Figuren während des Schreibprozesses entwicklen ist normal. Sie sind immer für eine Überraschung gut. Mein wagemutiger Wanderrichter wird auch immer mehr zum wagemutigen Korinthenkacker. Aber eine Veränderung der Persönlichkeit zwingt zu einer Neuorientierung, denn sonst passen Anfang und Ende der Geschichte nicht zusammen.

Frohes Schaffen wünscht
Trippelschritt
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: HauntingWitch am 02. Januar 2016, 11:57:57
Bei mir ist das völlig normal. Ich achte zwar darauf, nicht zu viel von mir selbst in die Figur zu geben, aber letztendlich fliesst etwas von einem selbst immer automatisch mit ein, egal, ob 1. oder 3. Person. Das müssen nicht Charaktereigenschaften sein, das können Kleinigkeiten wie eine Lieblingsfarbe oder so etwas sein. Ich denke, solange die Figur nicht du selbst bist, ist das auch in Ordnung. Dass sich ein Buch-Charakter verselbstständigt, finde ich aber ein gutes Zeichen, das heisst für mich, dass er lebendig ist.  :)

Ich habe gerade erst etwas total spannendes gelesen, Elizabeth George nennt es die "Erzählersprache". Also die Sprache des Erzählers. Da geht es darum, dass die Perspektive eben nicht nur beinhaltet, durch die Augen einer Figur zu schauen und ihre Gedanken zu schildern, sondern auch die Sprache in dem jeweiligen Abschnitt entsprechend zu wählen. Also z.B. benutzt sie bei einem Engländer der Upperclass andere Worte, als bei einem Dorgensüchtigen etc. Aber eben nicht nur in der direkten Rede, sondern im ganzen Text, der aus der jeweiligen Perspektive erzählt. Und sie ist der Ansicht, dass das nicht die eigene Sprache des Autors sein sollte. Ich werde das bei meinen eigenen Sachen mal überprüfen und das ausprobieren. Wahrscheinlich sagen meine Figuren viel zu oft Sachen wie "ich schaue mal" oder "dann sagst du Sachen wie".  ;D :rofl:
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Jenna am 03. Januar 2016, 10:31:40
Ich denke auch, das ist völlig normal, dass etwas von dir in den Charakter fließt. Ist bei mir genauso, manchmal merke ich es erst nach der Hälfte der Geschichte, dass der Prota mir doch ein wenig ähnelt, sei es nur das er gerne das Gleiche isst wie ich. Und das auch in der Erzähler-Perspektive! Solange es nicht überhand nimmt, ist das doch völlig normal.
Auf jeden Fall ist der Charakter, wenn er ein gewisses Eigenleben entwickelt, wirklich lebendig. Er entwickelt sich, jetzt musst du nur noch schauen, ob die Entwicklung passt.

Zitat von: Witch am 02. Januar 2016, 11:57:57
Ich habe gerade erst etwas total spannendes gelesen, Elizabeth George nennt es die "Erzählersprache". Also die Sprache des Erzählers. Da geht es darum, dass die Perspektive eben nicht nur beinhaltet, durch die Augen einer Figur zu schauen und ihre Gedanken zu schildern, sondern auch die Sprache in dem jeweiligen Abschnitt entsprechend zu wählen. Also z.B. benutzt sie bei einem Engländer der Upperclass andere Worte, als bei einem Dorgensüchtigen etc. Aber eben nicht nur in der direkten Rede, sondern im ganzen Text, der aus der jeweiligen Perspektive erzählt. Und sie ist der Ansicht, dass das nicht die eigene Sprache des Autors sein sollte. Ich werde das bei meinen eigenen Sachen mal überprüfen und das ausprobieren. Wahrscheinlich sagen meine Figuren viel zu oft Sachen wie "ich schaue mal" oder "dann sagst du Sachen wie".  ;D :rofl:

Finde ich auch interessant, vor allem können so auch wechsel in der Perspektive wunderbar gestaltet werden. Werde ich auch mal ausprobieren.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Wallrabe am 03. Januar 2016, 14:09:34
Fiel mir kürzlich auch erst wieder auf, als ich "Zeit des Sturms" von Andrzej Sapkowski fertig gelesen hatte. Wenn da der Hexer in einem ganz anderen "Ton" und Wortschatz spricht als die Wache im Torhaus. Und der Magier hat dann noch einmal eine ganz andere Zunge. Es kann so viel ausmachen und den Charakter der Figur schon allein dadurch in den verschiedensten Farben zeichnen.
Ist aber teils irgendwie furchtbar schwierig - je nach Figur, kommt es mir zumindest so vor.

Ich schwanke dann immer auf dem Grad und muss mich davor bewahren, die Figuren nicht einfach das sagen zu lassen, was ich will dass sie sagen, mit meiner "Erzähler-Stimme" - sondern dass die Figuren selbst es sagen, so wie sie es eben sagen würden...
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Fynja am 03. Januar 2016, 14:23:19
Klar, ein wenig von der eigenen Erzählstimme fließt sicher immer in die Roman-Erzählstimme, aber wenn man merkt, dass das zu deutlich hervortritt, kann man z.B. mit kleineren Schreibübungen versuchen, dem entgegenzuwirken, in dem man sich etwa für eine Szene explizit vornimmt, Wörter zu verwenden, die nicht im eigenen aktiven Wortschatz vorkommen oder überspitzt sich in jemanden hineinzuversetzen, der ganz anders spricht und betont als man selbst ... Ganz verhindern lässt es sich vielleicht aber kaum.

Ich kenne dieses Problem auch, allerdings ist es bei mir unabhängig davon, ob ich in der ersten oder dritten Person schreibe, und dank solcher Schreibübungen habe ich das "Problem" mittlerweile so reduziert, dass es (hoffentlich) nicht mehr zu auffällig ist. Was mir aber aufgefallen ist, ist dass ich das mit dem "gehässigen Humor" auch kenne. Gerade in der Ich-Perspektive neige ich irgendwie zu einem sarkastischen Unterton, was in der dritten Person fast nie vorkommt.  :hmmm: Ich bin zwar ab und zu selbst auch gern mal ironisch, aber ich denke, mit meinem eigenen Humor hat es trotzdem nur bedingt etwas zu tun und kann mir auch nicht ganz erklären, weshalb das auftritt. Vielleicht, weil ich mich generell wohler damit fühle, in der Ich-Perspektive zu schreiben, und meine Protas mir dann eher ihre Gedanken einpflanzen? ;D Für manche Projekte, vor allem etwa im Young Adult Genre wie bei meinem letzten Nano-Roman, passt das ja ganz gut, bei anderen aber musste ich bei der Überarbeitung viel unpassenden Sarkasmus ausmerzen. Trotzdem erfährt man gerade dadurch, dass die Protas so ein Eigenleben entwickeln, doch oft Dinge von ihnen, die man sonst nicht erfahren hätte, und das macht doch irgendwie den Spaß am Schreiben aus.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: HauntingWitch am 03. Januar 2016, 15:11:34
Zitat von: Wallrabe am 03. Januar 2016, 14:09:34
Fiel mir kürzlich auch erst wieder auf, als ich "Zeit des Sturms" von Andrzej Sapkowski fertig gelesen hatte. Wenn da der Hexer in einem ganz anderen "Ton" und Wortschatz spricht als die Wache im Torhaus. Und der Magier hat dann noch einmal eine ganz andere Zunge. Es kann so viel ausmachen und den Charakter der Figur schon allein dadurch in den verschiedensten Farben zeichnen.

Ja, genau das. Wenn man quasi die "sprechende" Figur (also den aktuellen Perspektivträger) ohne Erwähnung des Namens erkennen kann. Das möchte ich einmal schaffen.  :)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Vic am 06. Januar 2016, 16:09:25
Ich finde beides kann sehr gut und sehr schlecht sein - halt je nachdem wie es geschrieben ist. ;)
Es ist sicher auch ein bisschen Geschmackssache dabei und meiner Ansicht nach hängt es ganz besonders von dem jeweiligen Chara ab.

Bei Ich-Erzählern kommt es meiner Meinung nach recht gut wenn man einen Erzähler hat der sehr flott und witzig ist und gerne alles kommentiert, das sind teilweise dann sehr unterhaltsame Bücher. Die Bücher von Rob Thurman (Urban Fantasy/Horror) funktionieren nach dem Prinzip, dass sie Cal manchmal seitenlang einfach labern lässt und das klappt ganz prima. (Kann einen natürlich auch total nerven - das ist sicher wieder Geschmackssache.)

Wenn der Hauptchara eher schweigsam und verschlossen ist, stelle ich mir die Ich-Perspektive relativ zäh und unspektakulär vor und würde da eher zur 3. Person wechseln. 

Also so entscheide ich das meistens. Ist mein Prota jemand der zu allem eine Meinung hat und Dinge sehr selten sachlich sehen kann, dann nehme ich gerne die Ich-Perspektive. Ist er eher ein verschlossener, ruhiger Chara, tendiere ich zur 3. Person.

Langsam betrat er den Raum noch während er über das Vorgefallene nachdachte. Wie hatte Riko ihn nur so verraten können?
vs.
Ich konnte einfach nicht glauben, was diese kleine Ratte abgezogen hatte und sobald ich ihn wieder sah, würde ich... verdammt, was war das denn für ein dunkles Kellerloch? Waren wir hier im Mittelalter oder was?

Das werden natürlich zwei sehr verschiedene Bücher. ;)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: NaviiasQuest am 06. Januar 2016, 16:19:58
Uh, interessant!

Also was ich bei meinen Figuren bemerkt habe: Es kommt sehr stark darauf an, wie alt die Figuren sind und welche Probleme sie wälzen.
Bei mir ist die 1. Perspektive prinzipiell immer etwas depressiver (was das wohl aussagt?) und sehr auf die Gedanken fixiert, während es in der 3. Perspektive eher um die Handlung und die Gefühle geht.

Die Perspektive ist auch sehr stark vom Genre und der Zielgruppe abhängig. Manchmal teste ich auch, welche Perspektive sich "richtig" anfühlt - bis ich dann wirklich mit einem neuen Projekt endgültig starte, kann es echt dauern.

Aber das mit den besonders fiesen Charakterzügen kenne ich. Ich denke, das ist normal. Man hat gewisse, sehr klare Vorstellungen von einer Figur, die dann aber doch nicht nur so ist, wie man sie entworfen hat. Stattdessen entwickelt sie ein Eigenleben, verändert sich und entwickelt sich mit der Story und ihrer Umwelt.
Genau das macht es ja so faszinierend :)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: LinaFranken am 08. Januar 2016, 17:02:18
Als gütiger Gott über meine Roman-Welt, lasse ich meinen Protas grundsätzlich immer ihren freien Willen. Es kommen immer ganz spannende Sachen dabei raus. Ich schliesse mich auch Fynja an, dass nicht meine Gedanken in den Prota einfliessen, sondern er mit seinen mein Gehirn flutet  :P Daher schreibe ich in der Ich-Perspektive am liebsten nur dann, wenn der Prota ganz anders ist als ich es bin und es eine echte Herausforderung darstellt, sich mal "seine Haut überzustreifen" und die Welt aus einem anderen Blickwinkel zu sehen.

Das über die Erzählersprache finde ich auch super. Ich hab darüber schon früher mal irgendwo gelesen und versuche es öfter, aber es ist wirklich eine Herausforderung den Autor-Sprachstil so zu variieren. Ich der Erzähler-Perspektive neige ich leider oft dazu das Tempo zu beschleunigen und Dialoge in den Mittelpunkt zu setzten. So dass der nicht mehr viel zu erzählen hat  ::)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Asterya am 08. Januar 2016, 21:54:15
Die Ich-Perspektive benutze ich eigentlich nur in Kurzgeschichten und da auch eher, wenn mir die Figur unähnlich ist, meistens sogar nur bei männlichen Protas. Das fällt mir komischerweise leichter, als aus Sicht von jemandem zu schreiben, der mir ähnelt. Aber der Ich-Erzähler wird auch bei mir immer recht sarkastisch.
Ich verzweifel gerade am Perspektivenchaos in dem Buch, das ich überarbeite. Die Protagonistin hat öfter Visionen von drei anderen wichtigen Figuren, die sie zunächst nicht kennt. Am Anfang ist es noch ganz leicht, weil sie die anderen aus der Sicht eines außenstehenden Beobachters sieht. Später wird sie immer mehr in die Visionen hineingezogen, kann also auch alle Empfindungen wie Wärme, Kälte, Gerüche usw. wahrnehmen und später auch Gedanken. Zu unterscheiden, wer gerade was denkt, ist so kompliziert. Ich habe es schon sehr vereinfacht, weil da sonst keiner mehr durchfindet.  :wums:
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Maubel am 08. Februar 2016, 19:28:51
Ich habe meinen ersten Nano und das Buch, an dem ich gerade fleißig editiere, auch in der Ich-Perspektive geschrieben. Dabei habe ich sie zum ersten Mal benutzt, weil sie mir früher immer zu komisch klang, aber in der Geschichte passte es. Die beiden Charaktere wechseln sich ab und ich finde zumindest zu einem gewissen Grad ist mir auch eine Erzählersprache gelungen. Zumindest macht mir mein männlicher Prota immer Mordsspaß zu lesen. Der weibliche Char ist zwar auch interessant und noch wichtiger, aber Finns Perspektive ist einfach anders und unterhaltsamer, wo Hannah nachdenklicher und stärker internalisiert ist. Das kann man sicher noch besser machen, aber ich tue mich schon damit schwer Charakteren eine eigene Sprache zu geben. Irgendwie reden sie doch ähnlich, wenn ich es mit anderen Werken vergleiche.

Meinen nächsten NaNo habe ich aus der dritten Person erzählt und das fand ich teilweise schwieriger, da dennoch Gedanken rüber kommen sollten und die Perspektivenwechsel ganz klar getrennt sein müssen. Ich mag es gar nicht, wenn ich ein Text ohne Hinweis von Charakter zu Charakter wechselt. Das muss mindestens durch eine freie Zeile, wenn nicht ein Kapitel abgegrenzt werden in meinen Romanen.

Wie macht ihr das eigentlich mit Gedanken in der Erzählerperspektive. Wenn man einen Allwissendenen Erzähler hat, darf man ja theoretisch in jeden Kopf rein gucken. Aber ich tue mich da schwer von außen nach innen zu schauen und würde eher auf Gedankenspiele verzichten, wobei auch wieder eine Menge verloren geht. Vielleicht ist die Introperspektive, die ich viel zu gerne benutze auch nervig  ::)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Trippelschritt am 08. Februar 2016, 20:15:32
Im Normalfall gibt es in der allwissenden Erzählerperspektive keine Gedanken, denn dieser Erzähler erzählt ja. Er erzählt über etwas oder jemanden. Er kann auch über die Gedanken von jemandem berichten, aber das ist keine Introperspektive. Sicher es gibt auch mal Ausnahmen wie der erzählende Großvater und so, aber das hast Du bestimmt nicht gemeint.
Die Introperspektive - ich merke jetzt erst, was das für ein merkwürdiges Wort ist - ist eine Perspektive aus der Sicht der Person, um deren gedanken es geht. Sie ist also höchstpersönlich und der Autor/Leser ist so nah an de rFigur wie niemals sonst. Das macht es auch so schwer, diese Sachen zu schreiben.

Liebe Grüße
Trippelschritt
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Denamio am 08. Februar 2016, 20:18:42
Zitat von: Maubel am 08. Februar 2016, 19:28:51
Wie macht ihr das eigentlich mit Gedanken in der Erzählerperspektive. Wenn man einen Allwissendenen Erzähler hat, darf man ja theoretisch in jeden Kopf rein gucken. Aber ich tue mich da schwer von außen nach innen zu schauen und würde eher auf Gedankenspiele verzichten, wobei auch wieder eine Menge verloren geht. Vielleicht ist die Introspektive, die ich viel zu gerne benutze auch nervig  ::)

Persönlich mache ich das nach der "Faustregel" höchstens einen Blickwinkel pro Szene zu haben, was du ja auch schon so erwähnt. Also eine Person erhält die hohe Ehre, das Packpferdchen für die jeweilige Szene zu sein. In den Kopf dieses Charakters lasse ich beim Schreiben dann auch gern reinschauen. Alle anderen sind dann allerdings für mich tabu. Will ich die Hirnwelt von wem anders zeigen, dann geschieht das erst in einer anderen Szene.

Den Blick von außen nach innen finde ich dann aber eigentlich relativ eingängig. Da man quasi ja weiterhin die Perspektive einer bestimmten Person zum Einfühlen anbietet, sehe ich da keinen rechten Unterschied zwischen den Erzählperspektiven. Außer vielleicht zweite Perspektive. Das und Gedanken beschreiben wäre frech, aber interessant. ;D

Den Übergang zwischen einer Beschreibung der Handlung/Umgebung und der Gedankenwelt mache ich dann fließend. Ich konstruier ein kurzes Beispiel dafür, die Gedanken in dem Fall nur zur Demonstration unterstrichen.

ZitatFrustriert wälzte er sich im Sessel vor und zurück, die blöde Sprungfeder quälte sein armes Südpanorama. Die Fernbedienung in der Hand, ging er auf die Pirsch nach der perfekten Hirnauflösung. Das Fernsehprogramm ist auch nicht mehr, was es mal war. Da kommt stundenlang Saharacamp und Schlag-Mich-Michel. Er seufzte und ergab sich seinem Schicksal. Ächzend kämpfte er sich hoch, die Sprungfeder gab ihm ein liebes Abschiedsgeschenk. Der Mist Sessel kommt auch bald auf den Sperrmüll.

Aber das ist wie immer keine Richtlinie. Andere machen das anders und fahren genausogut damit. Ich habe bei vielen gesehen das sie das ähnlich wie im Beispiel machen, aber die Gedanken kursiv schreiben. Wieder andere benutzen direkte Rede. Wieder unterstrichen.

ZitatEr dachte: "Man ist das Programm schlecht, was soll der Mist?". Zappend fand er nur neuen Sondermüll in TV-Kultur. "Ich glaub ich geh steil", warnte ihn sein Verstand.

Zitat von: Trippelschritt am 08. Februar 2016, 20:15:32
Im Normalfall gibt es in der allwissenden Erzählerperspektive keine Gedanken, denn dieser Erzähler erzählt ja.

Du verwirrst mich gerade ein wenig. Gerade das sehe ich in der Literatur sehr häufig. Liegt es an der Begrifflichkeit, dass ich etwas falsch verstehe? Reden wir über andere Dinge? hm.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Maubel am 08. Februar 2016, 20:45:22
Zitat von: Denamio am 08. Februar 2016, 20:18:42
Persönlich mache ich das nach der "Faustregel" höchstens einen Blickwinkel pro Szene zu haben, was du ja auch schon so erwähnt. Also eine Person erhält die hohe Ehre, das Packpferdchen für die jeweilige Szene zu sein. In den Kopf dieses Charakters lasse ich beim Schreiben dann auch gern reinschauen. Alle anderen sind dann allerdings für mich tabu. Will ich die Hirnwelt von wem anders zeigen, dann geschieht das erst in einer anderen Szene.

Ja, so ähnlich halte ich das auch und es ist mir sogar größtenteils gelungen in meinem letzten Roman. Lediglich bei einer Szene ist mir ein Fehler unterlaufen. Da konnte ich mich noch nicht trennen. Ich mag beide Texte, aber generell werde ich wohl auch bei dieser Faustregel bleiben.

Danke für deine Beispiele. Ganz direkt Gedanken, wie sie in der wörtlichen Rede vorkommen sind zumindest in der Erzählperspektive bei mir relativ selten und wenn dann gestalte ich sie momentan kursiv. Im Ich sind sie häufiger und nicht abgehoben, es sei denn ich wollte etwas anderes vorheben. Bisher sind meine Gedanken eher auch erzählerisch. Also, als würde man erzählen, was in dem Kopf vorgeht, statt konkret einen Gedanken auszusprechen. Zumindest gehe ich damit anscheinend recht sparsam um, obwohl meine Charas sehr gerne reminiszieren.


Zitat von: Trippelschritt am 08. Februar 2016, 20:15:32
Im Normalfall gibt es in der allwissenden Erzählerperspektive keine Gedanken, denn dieser Erzähler erzählt ja.

Ich dachte immer der Allwissende Erzähler weiß tatsächlich alles, inklusive Gedanken, während der 3. Person Erzähler (oder hatte der noch einen ExtraNamen) ihm zwar ähnelt, aber eben nicht weiß, wie es innen aussieht, sondern nur beschreibt/erzählt.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Sprotte am 08. Februar 2016, 21:11:47
Es gibt grundsätzlich den Ich-Erzähler und jenen, der in der dritten Person berichtet. Und Letzter hat zwei Spielarten: auktorial (alleswissender Erzähler) und personal (klebt einem Perspektivträger auf der Schulter und im Hirn, im Prinzip ein Ich-Erzähler, der in der dritten Person berichtet)

Der Vorteil beim personalen Erzähler liegt - im Vergleich zum Ich-Erzähler - darin, daß autor mehrere davon haben kann. Aber jeder dieser Erzähler ist ganz dicht bei der Figur und kann nicht in fremde Köpfe gucken.

Der auktoriale Erzähler (Märchenonkel z.B.) sieht und weiß alles. Er kann in alle Köpfe gucken, schwebt aber ein bißchen über dem Ganzen. Er kann distanzierter wirken als der personale Erzähler, ihn geht das alles nicht wirklich etwas an, während der personale Erzähler mittendrin ist (wobei auch beim personalen Erzähler der Brennpunkt der Kameralinse etwas weiter entfernt liegen kann).

In einer Szene in verschiedene Köpfe zu gucken, wird auch gerne als Headhopping beschrieben und ist nach meinem aktuellen Kenntnisstand nicht gut. Perspektiven sollten sauber sein. Ein Ich-Erzähler oder ein personaler Erzähler darf darüber nachdenken, was das Gegenüber wohl denkt, meint und fühlt, darf interpretieren, kann aber keine Gedanken lesen. Es sei denn, es ist wirklich ein Gedankenleser.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Elona am 09. Februar 2016, 07:58:01
Danke für die Erklärung Sprotte. Ich muss ja gestehen, dass das etwas ist, was ich überhaupt nicht durchblicke.

Auf der einen Seite wird gesagt, dass es handwerklich möglich ist, also der auktorialer Erzähler, auf der anderen Seite habe ich es ausprobiert und mir wurde die Rückmeldung gegeben es zu lassen. Es mag aber auch ein Verständnisproblem meinerseits vorliegen. Vielleicht habe ich auch das besagte Headhopping gemacht ... wenn ich aber den auktorialen Erzähler wähle (wann macht der überhaupt Sinn?), dann doch aus genau diesem Grund, ansonsten würde ich doch automatisch wieder bei dem personalen Erzähler landen, oder nicht?  :hmmm:

Also für mich beißt sich:
ZitatDer auktoriale Erzähler (Märchenonkel z.B.) sieht und weiß alles. Er kann in alle Köpfe gucken, schwebt aber ein bißchen über dem Ganzen.
mit dem:
ZitatIn einer Szene in verschiedene Köpfe zu gucken, wird auch gerne als Headhopping beschrieben und ist nach meinem aktuellen Kenntnisstand nicht gut.

Vielleicht kann mich ja jemand erleuchten?



Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: HauntingWitch am 09. Februar 2016, 12:04:09
@Aurora:
Der Unterschied besteht darin, dass der auktoriale Erzähler eine eigene "Stimme" hat, um bei Sprottes Beispiel zu bleiben, die Stimme des Märchenonkels. Das ganze Buch ist in dieser Stimme verfasst und wenn der auktoriale Erzähler in den Kopf eines Charakters schaut, spricht er dennoch mit der Stimme des Märchenonkels. Also in etwa:
ZitatManfred betrachtete die Wand. Er dachte, dass es unmöglich war, dort hinauf zu gelangen.
Diese Märchenerzähler-Stimme wird für alle anderen Perspektiven beibehalten. Für z.B. eine Stefanie lauten die beiden Sätze dann also genau gleich.

Hingegen wäre die Perspektive von den Charakteren eine 3. Person-Erzählung mit deren "Stimme".
Manfred klingt vielleicht so:
ZitatManfred sah die Wand hinauf. Es war absolut unmöglich, dort hinauf zu gelangen.

Stefanies Perspektive in derselben Situation könnte etwa so aussehen:
ZitatSie sah die Wand vor sich. Da sollte sie hinauf? Unmöglich!

Es ist etwas schwierig, das aus Stand zu beschreiben, aber ich hoffe, man merkt, was ich meine. ;) Die Perspektive eines Charakters beinhaltet immer auch dessen Denk- und Sprechweise, während der auktoriale Erzähler seine eigene, meistens eher sachliche Sprache hat. Das wird offenbar oft verwechselt. Ich übe zurzeit gerade selber damit.  ;D
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Trippelschritt am 09. Februar 2016, 12:59:28
Nur Mut. Die Sache mit der Perspektive gehört mit zu den schwierigeren Dingen beim Schreiben. Außerdem steht diese Problematik nicht unabhängig neben den Fragen von Distanz und Stimme. Und noch schlimmer: In Schreibratgebern findet man nichts Braucbares darüber. Die einzige Ausnahme, die ich kenne, ist der Schreibratgeber von Orson Scott Card. Habe ich den nicht schon einmal erwähnt?

Dass es drei verschiedene Grundperspektiven gibt - Ich, er, Autor - ist noch leicht nachzuvollziehen. Nur nutzt das einem Anfänger in der Praxis wenig, weil personales Er und auch der Autor ein Er benutzt.
Der Autor ist in der Regel derjenige, der erzählt. Und wer meint, dass niemand erzählt, braucht nur die Szenen zu streichen, in denen durch die Augen einer Figur geschaut wird. Da bleibt eine Menge übrig und man stellt fest, dass es mindestens noch eine weitere Er-Perspektive gibt. Das ist die eines Beobachters, die gerne genutzt wird. Man kann sich vorstellen, da läuft jemand mit einer Kamera plus mikro durch die Szene und kommentiert.
Diese Perspektive ist ebenfalls die des Autors, aber in diesem Fall verzichtet der Autor in fremden Köpfen herumzustromen und weiß nicht mehr, als das, was er sieht und hört (uzn riecht und fühlt und ...) Es ist trotzdem der Autor, denn dieser Beobachter entscheidet unabhängig von allen Figuren darüber, was er kommentiert/sieht und hört und kann damit ganz bestimmte Akzente setzen.
Und er kann ganz nah rangehen und aus der Ferne berichten.

Diese Bälle alle in der Luft zu halten, benötigt schon ein wenig handwerkliche Erfahrung. Üben!  ;D

Liebe Grüße
Trippelschritt
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Elona am 10. Februar 2016, 07:25:51
Vielen Dank ihr Beiden.

@Witch Deine Beispiele waren auf alle Fälle nachvollziehbar.  :)

Also ist der Unterschied das Wie erzählt wird. Puh! 

@Trippelschritt Nur Mut ist gut. Immer wenn ich mich wie ein Keks darüber freue wie weit ich gekommen bin, taucht etwas anderes auf. Aber gut, dass wird jetzt OT.
Da ich jetzt beim zweiten Überarbeiten bin, kann ich den Punkt dann auch noch auf meine Liste setzen (ich freu mich ::) ).
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Ilva am 10. Februar 2016, 10:16:19
Zitat von: Sprotte am 08. Februar 2016, 21:11:47
Der auktoriale Erzähler (Märchenonkel z.B.) sieht und weiß alles. Er kann in alle Köpfe gucken, schwebt aber ein bißchen über dem Ganzen. Er kann distanzierter wirken als der personale Erzähler, ihn geht das alles nicht wirklich etwas an, während der personale Erzähler mittendrin ist (wobei auch beim personalen Erzähler der Brennpunkt der Kameralinse etwas weiter entfernt liegen kann).

In einer Szene in verschiedene Köpfe zu gucken, wird auch gerne als Headhopping beschrieben und ist nach meinem aktuellen Kenntnisstand nicht gut. Perspektiven sollten sauber sein. Ein Ich-Erzähler oder ein personaler Erzähler darf darüber nachdenken, was das Gegenüber wohl denkt, meint und fühlt, darf interpretieren, kann aber keine Gedanken lesen. Es sei denn, es ist wirklich ein Gedankenleser.
Das heisst aber dennoch, dass ich als auktorialer Erzähler "reinzoomen" kann und verschiedenen Personen folgen kann, oder?
Z.B. Harry Potter. Die Anfänge sind meist "von aussen" und mit der Zeit ist man näher an Harry dran. Dennoch liest sich das meiste für mich eher auktorial. Ok, gut das Beispiel hat Mängel, denn es werden nicht verschiedene Figuren "rangezoomt".
Wenn man dann die Wechsel auf Szenenenden legt, sollte man dann ja trotzdem eine saubere Perspektive haben.

Oder wäre das dann schon wieder personal?
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: HauntingWitch am 10. Februar 2016, 12:01:37
@Ilva: Kennst du die "Dark Materials"-Reihe von Philipp Pullman? Für mich ist er der Meister im heranzoomen.

Langsam verwirrt ihr mich ein wenig. ;D Also, meines Wissens ist es so, dass man mit dem personalen Erzähler bzw. der Perspektive eines Charakters nur das erzählen kann, was dieser Charakter selber auch sieht oder weiss. Heisst, wenn gleichzeitig irgendwo anders etwas passiert, kann man nicht einfach wie bei einem Film die Szene wechseln, ausser man wechselt auch die Perspektive zu einem Charakter, der sich an diesem anderen Ort befindet.

Der auktoriale Erzähler hingegen weiss alles und kann daher auch die Szene wechseln, bzw. quasi aus der Vogelperspektive erzählen, was woanders passiert, wo gerade keiner der tragenden Charaktere hinsieht.

Oder?
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Sprotte am 10. Februar 2016, 12:05:52
Ich habe Harry Potter nicht gelesen, weiß also nicht, welche Erzählart dort genutzt wird.

@Witch
Ganz genau so. Der Personale Erzähler ist wie der Ich-Erzähler, nur daß er in der dritten Person erzählt.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Ary am 10. Februar 2016, 12:08:12
Bei Harry Potter hat es sich für mich schon nach personaler Erzähler = Harry angefühlt, auch wenn teilweise erst an ihn "herangezoomt" wird. Ich erinnere mich nicht, dass da mal ein anderer Charakter als Harry die Perspektive hatte.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: zDatze am 10. Februar 2016, 12:23:35
Aryana hat recht, Harry Potter ist ein personaler Erzähler und Rowling nutzt aus spannungstechnischen Gründen auch hin und wieder einen auktorialen Einwurf. Das ist meiner Meinung nach auch eines der Probleme, warum es nicht so einfach ist anhand von Beispielen, klare Grenzen zwischen den Erzähltechniken zu ziehen - sie werden eben auch gebrochen, um einen bestimmten Effekt beim Leser zu erzielen.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Trippelschritt am 10. Februar 2016, 17:33:06
Zitat von: Witch am 10. Februar 2016, 12:01:37
@Ilva: Kennst du die "Dark Materials"-Reihe von Philipp Pullman? Für mich ist er der Meister im heranzoomen.

Langsam verwirrt ihr mich ein wenig. ;D Also, meines Wissens ist es so, dass man mit dem personalen Erzähler bzw. der Perspektive eines Charakters nur das erzählen kann, was dieser Charakter selber auch sieht oder weiss. Heisst, wenn gleichzeitig irgendwo anders etwas passiert, kann man nicht einfach wie bei einem Film die Szene wechseln, ausser man wechselt auch die Perspektive zu einem Charakter, der sich an diesem anderen Ort befindet.

Der auktoriale Erzähler hingegen weiss alles und kann daher auch die Szene wechseln, bzw. quasi aus der Vogelperspektive erzählen, was woanders passiert, wo gerade keiner der tragenden Charaktere hinsieht.

Oder?

Ja, so ähnlich. nur, dass der personale Erzähler eine Stimme ist und keine Perspektive, denn es wird ja auch erlebt und nicht nur erzählt (show don't tell). Aber ein Standortwechsel ist in der Regel auch ein Perspektivwechsel. Es sei denn, die besagte Person hat ihren Standort verändert.

Ich habe mal in die Potter-Bände 1 und 2 hineingeschaut. Das ist am Anfang eine auktoriale Perspektive (Band 1), die dann zum neutrlaen Beobachter (eingeschränkt auktorial) wechselt. In band 2 ist es umgekehrt.

Liebe Grüße
Trippelschritt
(der sich mittlerweile nicht mehr über die Begriffsverwirrung wundert)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Lukas am 22. Mai 2016, 14:17:30
Ich habe eine Frage, die zu "Alles zur Perspektive" passt. Allerdings passt hier wohl jede Frage irgendwie. "Alles zur Perspektive" ist eben sehr weit gefasst(es hat etwas von Star-Trek-Weite). Auf gut Deutsch: Sollte diese kleine Frage wo anders eher zu Hause sein und meine Expertise im Bezug auf Suchoptionen nur nicht ausgereicht haben, bittet dieser Post um ein verschieben in eben jenes Thema. So, ohne Umschweife:

Seid ihr der Meinung, dass man in einem Roman in verschiedenen PoVs zwischen Erste-Person-Präsens, Erste-Person-Präteritum und Dritte-Person-Präteritum/Präsens-personell wechseln kann? Oder verursacht das zu viel Verwirrung und ein ständiges Umgewöhnen seitens des Lesers. Ich trage mich mit der Überlegung eine Hauptfigur am Ende das Zeitliche segnen zu lassen und würde ihre PoV dann im 1stP/Präsens. schreiben, während ich den Protagonisten aus 1stP./Prät. erzählen lassen würde... Ist das für ein Jugendbuch zu anstrengend zu lesen? Ich bin auch erst 10.000 Wörter im First-Draft/second-Draft (Bei mir verschwimmt das ein wenig). Also denke ich entweder jetzt oder nie (momentan fühlen sich alle PoVs in der dritten-Person-personell-Präteritum ein bisschen...weit weg vom Geschehen an)... :seufz:
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Elona am 22. Mai 2016, 18:23:02
Ich habe tatsächlich schon ein Buch gelesen in erste Person Präsens und erste Person Präteritum. Hat für mich funktioniert. Wobei man da sagen muss, dass es nur ein PoV Charakter war und die Handlungsstränge versetzt liefen, sprich Vergangenheit und Gegenwart.

Wenn aber die Handlungsstränge zeitlich parallel verlaufen, würde ich das als unschön empfinden. Ebenso würde ich von einem Wechsel zwischen drei unterschiedlichen Perspektiven absehen.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Mondfräulein am 22. Mai 2016, 18:28:28
Ich persönlich könnte mir das höchstens als bewusstes Stilmittel vorstellen. Vielleicht Einschübe aus einer Perspektive, die ein wenig "entrückt" wirken soll und die deshalb in einer anderen Zeitform geschrieben sind, aber diese Einschübe wären dann kein wirklich "reguläres Erzählen". Mich persönlich würde ein Zeit- und Personenwechsel wie du es beschreibst wahrscheinlich schon stören. Ich würde das wirklich nur tun, wenn es absolut notwendig für die Geschichte ist und auf absolut gar keinen Fall anders geht, ansonsten solltest du dich zumindest für eine Zeitform entscheiden.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: HauntingWitch am 22. Mai 2016, 18:30:28
@Lukas: Ich habe in meinem aktuellen Projekt etwas Ähnliches. Einmal  1. Person  und  zweimal 3. Person, dafür alles Präteritum. Jene, die es bisher gesehen haben, finden es interessant, ich kann aber noch nichts über die Endleser sagen.  Ausserdem schreibe ich für Erwachsene und weiss daher nicht, wie es bei Jugendbüchern ist.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Tigermöhre am 22. Mai 2016, 18:58:47
Zwischen Präsens und Präteritum würde ich wahrscheinlich nur wechseln, wenn ich verschiedene Zeitebenen hätte, und es ein bewusstes Stilmittel ist.

Ich habe vor Kurzem ein Kinderbuch mit mehreren Geschichten gelesen, und eine davon war im Präsens geschrieben. Ich bin da ziemlich drüber gestolpert, und mich hat dieser Bruch wirklich gestört. Obwohl es richtig abgeschlossene unabhängige Geschichten waren.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Trippelschritt am 23. Mai 2016, 09:09:15
Die Antwort auf Deine Frage, Lukas, wird wohl einstimmig sein. Es geht. Es ist nicht ganz einfach, weil es ein wenig gegen die Lesergewohnheiten ist, im Präsens zu schreiben. Aber ich meine, man sollte so etwas mal ausprobieren. Ich habe gewechselt zwischen Präteritum (Handlung) und Präsens (auktoriale Erzählstimme von Allgemeingütligkeiten) und mein Lektor hat mir den Päsens rausgestrichen, sodass ich diese Gedanken in den Kopf der jeweils handelnden Person gesteckt habe.

Ich glaube, ich habe es schon irgendwo hier mal geschrieben: Lange Zeit galt, dass wichtige Handlungsstränge sowohl in Ich-Perspektive als auch in Er-Perspektive nebeneinander nicht funktionieren. Aber dann kam Lian Hearn mit ihren Büchern über den Otori-Clan und machte es einfach. Und niemand störte sich daran. Ganz im Gegenteil. Da war es aber kein Zeitenproblem, sondern die Autorin brauchte zwei Handlungsstränge, die sie miteinander verflechten musste, wollte aber ihre Ich-Perspektive für den Protagonisten nicht aufgeben. Ich fand es damals optimal gelöst.

Liebe Grüße
Trippelschritt
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Araluen am 18. Juli 2016, 15:14:46
Da ich keinen eigenen Thread bemphen möchte, wo wir schon einen zur Perspektive haben, frage ich mal hier.
Mich beschäftigt die Du-Perspektive. Damit arbeiten möchte ich jetzt nicht. Ich bin nur beim Stöbern im Internet darüber gestolpert und kann ehrlich gesagt wenig damit anfangen.
Wenn ich das richtig verstanden habe, spricht die Du-Perspektive nicht unbedingt den Leser, sondern den Protagonisten an. Das finde ich schon irgendwie schräg. Oder geht das doch mehr in Richtung Autorenkommentar an den Leser? Was haltet ihr von der Du-Perspektive und was ist das jetzt genau? Hat damit schon einmal jemand gearbeitet? Gibt es empfehlenswerte Werke in dieser Perspektive, um sich einfach mal ein direktes Bild davon zu machen? Ich lerne ja gerne immer wieder neue Sachen.

*stellt einen Teller mit Keksen hin und knabbert selbst einen.*
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Maubel am 18. Juli 2016, 15:35:11
Eine Art Bücher, die du garantiert kennst, sind die Abenteuerbücher. Da ist der Leser Protagonist. Ansonsten wird die du-Perspektive gerne in Anleitungen etc benutzt, wo sie eindeutig den Leser anspricht. Im englischen kommt dazu, dass viele Redewendungen aus der ich-Perspektive heraus, die im deutschen das man haben, umgangssprachlich mit du gebildet werden. Einen richtigen Roman in der Perspektive kenne ich jetzt nicht, aberirgendwer hat sicher mal so etwas experimentelles gemacht ;)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Araluen am 18. Juli 2016, 15:54:57
Na Betriebsanleitungen mal außen vor und umgangssprachliche Übersetzungsvarianten. Abenteuer-Bücher stimmt. Da wird der Leser angesprochen. Wirklich irritiert hatte mich der Aspekt, dass eben nicht der Leser, sondern der Protagonist angesprochen werden kann und damit der Leser quasi völlig außen vor ist. Oder ich habe da etwas missverstanden.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Shedzyala am 18. Juli 2016, 15:57:58
Ich habe einmal in einer Kurzgeschichte mit der Du-Perspektive experimentiert, weil ich es ausprobieren wollte. Die angesprochene Protagonistin war eine Geisterjägerin (als das Du), der eigentliche Erzähler ein Geist, der ihr folgt, von dem sie aber nichts weiß. Da hat es ganz gut funktioniert (laut meinen Testlesern), verkam auch nicht zum Autorenkommentar und ließ sich unglaublich flott runterschreiben. Noch einmal würde ich diese Perspektive aber trotzdem nicht wählen, weil es mir trotz allem Schreibspaß zu gewöhnungsbedürftig ist.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Sanjani am 18. Juli 2016, 19:04:48
Hallo Araluen,

ich habe erst kürzlich ein Buch gelesen, in dem die Du-Perspektive verwendet wurde. Und zwar war es "Leichenblässe" von Simon Beckett. Ich möchte jetzt nicht zu viel verraten, nur so viel: Es wird nie ganz klar, wer angesprochen wird, aber ich habe es nicht als aufdringlich empfunden. Ich habe mich auch nicht direkt als Leser angesprochen gefühlt. Eher war es ein bisschen so, als würde der Perspektivträger mit sich selbst reden, war jedenfalls mein Eindruck. Ich war anfangs etwas skeptisch, habe aber schnell gemerkt, dass mir das richtig gut gefällt.

VG Sanjani
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Araluen am 18. Juli 2016, 19:20:47
Danke Sanjani,
ich notier mir den Titel mal und schaue rein, wenn er mir in der Bücherei über den weg läuft.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: zDatze am 18. Juli 2016, 21:26:23
Ein wundervolles Buch, das auch einige (kurze) Du-Passagen hat, ist Der Nachtzirkus von Erin Morgenstern. Es wird aber nicht der Protagonist, sondern der Leser/die Leserin angesprochen. Ansonsten ist mir diese Perspektive auch nur in den schon erwähnten Abenteuerbüchern untergekommen.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Wolkentänzerin am 30. September 2016, 19:29:14
Nachdem ich gerade einen sehr langen Beitrag getippt habe und nun mein Laptop abgestürzt ist, da die Batterieanzeige nicht funktioniert, werde ich mich diesmal kürzer fassen und nur meine eigentliche Frage schildern. Ich denke auf meine bisherigen Erfahrungen mit Perspektiven könnt ihr erst einmal verzichten oder ich reiche sie irgendwann mal später nach.

Im Moment schreibe ich in der ersten Person, das klappt auch so ganz gut und ist auch bestimmt die richtige Entscheidung, da so gut wie alles aus der Sicht der Protagonistin erzählt wird und ich streng personale Erzähler in der dritten Person, die nur eine Sicht wiedergeben, oft nicht mag.
Allerdings habe ich nun schon seit längerem das Bedürfnis, eine zweite Perspektive einzuführen. Diese soll allerdings nur ab und zu erscheinen, also wesentlich seltener als die Kapitel mit der ursprünglichen Perspektive. Die neue Perspektive soll eine streng personale Sicht in der dritten Person sein. Allerdings möchte ich den Namen der Person, aus der es erzählt wird, nicht nennen, da ich möchte, dass sie noch ein wenig geheim bleibt und der Leser erst nach und nach darauf kommt, wer es ist, da die Person (Person B einfachheitshalber genannt) zuvor auch schon in der ursprünglichen Perspektive vorgekommen ist.
Person C wird Person B begleiten. Person C kam in der Ich-Perspektive von Person A auch schon vor, hat da allerdings einen "besonderen" Namen und man kennt den eigentlichen Vornamen nicht. Dadurch kann ich Person C einfach bei ihrem Vornamen nennen und wird somit nicht von Anfang an enthüllt.
Wie stelle ich es jedoch mit Person B an? Ich kann ja nicht die ganze Zeit von Person B als "das Mädchen" schreiben. Ich habe zwar schon Bücher gelesen, wo das für einen kurzen Moment funktioniert (z.B. Skogland, ein Jugendbuch von Kirsten Boie, falls das jemand kennt), doch über mehrere Kapitel kommt es mir doch schwer vor, das durchzuhalten, vor allem da ich sowieso kein Fan von Bezeichnungen, wie "das  Mädchen" oder  "der Schmied" bin, solange es kein Statist ist. Ich möchte jedoch es unbedingt in der dritten Person schreiben um stilistisch es klar zu trennen und auch so etwas mal auszuprobieren.
Hat irgendjemand von euch Erfahrungen mit Experimenten dieser Art? Würde mich über eure Anregungen freuen. :)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Zit am 30. September 2016, 19:41:06
Hm, du kannst auch einfach beim "sie" bleiben. Selbst wenn man Namen kennt, schreibt man ja nicht immer den Namen hin sondern wechselt auch mit dem Personalpronomen. (Eigentlich sehe ich Namen auch eher als Abwechslung zum Pronomen an.) Dann besteht nur die Schwierigkeit, dass du bei Überschneidungen mit anderen weiblichen Figuren oder im Plural (mehrere Personen) klar Aktionen vom Perspektiven-Sie zu den anderen sies trennen musst. Also idealerweise nicht eine Szene in einem Harem beschreiben. ;D (Oder du bezeichnest alle anderen Figuren dann immer nur mit Namen und Funktionen und behältst sie allein für die Perspektiven-Figur.)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Tigermöhre am 30. September 2016, 20:25:09
Weiß Person C wer B ist? Und darf klar sein, dass Bs Namen nicht genannt wird?
Ansonsten könnte B sich mit einem anderen Namen bei C vorstellen. Oder B denkt sich, dass sie sich bei der Aktion X nennt.
Sie könnte auch einen längeren Namen, mit dem sie sich selber benennt, während A sie nur unter der Abkürzung kennt. Oder umgekehrt.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Araluen am 30. September 2016, 20:53:18
Oder C betitelt B immer mit einem Spitznamen, den dann auch der Erzähler verwendet.

Ich hatte es bisher einmal gehabt, dass ich eine Person nicht mit Namen nennen durfte - nein eigentlich waren es sogar zwei. Weder den Perspektivträger noch die Person, der sein Hauptinteresse galt, durfte ich beim Namen nennen. Da hatte ich öfter das Gefühl gehabt, einen Knoten ind en Fingern zu haben. Beim Perspektivträger war es noch recht einfach, da ich ihn als Ich-Erzähler hatte. Er braucht sich nicht selbst beim Namen nennen und andere nennen ihr Gegegenüber zum Glück auch nicht ständig beim Namen in Unterhaltungen (es geschieht ja nicht umsonst, dass man manche Leute seit Monaten kennt und sich gut mit ihnen versteht, aber nicht weiß, wie sie heißen). Seinen Love Interest aber nicht beim Namen zu nennen, war dann aber schon schwieriger. Ich hatte mir dann mit Umschreibungen, Sie und einem Spitznamen beholfen.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Wolkentänzerin am 30. September 2016, 20:56:14
@Zikalasa Ja, an die Möglichkeit habe ich auch schon gedacht. Aber wie du schon angesprochen hast, es kann teilweise etwas kompliziert werden, da man andere Personen dann anders benennen müsste.

@Tigermöhre Das stellt sich leider als etwas schwierig heraus, da sich A und B sehr gut kennen, dann nur räumlich getrennt werden und dadurch nichts mehr über den aktuellen Aufenthaltsort des anderen wissen. C ist eine wichtige Bezugsperson von A und kennt dadurch auch B.

@Araluen Das wäre möglich, soweit ich denn einen weniger offensichtlicheren Spitznamen hätte, als den, den ihre sehr jungen Geschwister verwenden. Jedoch ist C eigentlich eine erwachsene Person und B erst 16 Jahre alt und ich somit nicht weiß, ob es nicht seltsam wirkt, wenn C einen Spitznamen für B hätte. Außerdem kennen sich C und B, wie schon erwähnt, nur durch A und hatten davor nur oberflächlich miteinander zu tun.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Araluen am 30. September 2016, 21:01:38
Spitznamen sind eigentlich unabhängig vom Alter, wenn man so vorgestellt wurde und der Spitzname etabliert ist. Aber hier beginnt schon die Schwierigkeit in deiner Situation. Der Spitzname müsste etabliert sein und folglich würde ihn auch A kennen. Wie sonst hätte C davon erfahren? Schade, dass ich nicht helfen konnte. Da helfen dann wohl wirklich nur Sie und Umschreibungen.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Tigermöhre am 30. September 2016, 21:06:27
Dann würde ich B einen Spitznamen/eine Abkürzung verpassen, mit der A von ihr redet/denkt. Und C spricht sie mit ihrem richtigen Namen an. Wenn der abgekürzte Name auch noch als offizieller Name gilt, fällt das auch nicht auf. Also sowas wie Lisa/Betty und Elisabeth.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Wolkentänzerin am 30. September 2016, 21:37:30
@Araluen Trotzdem danke, für deinen Erfahrungsbericht und deine Hilfe. :)

@Tigermöhre Das muss ich mir noch einmal durch den Kopf gehen lassen, denn das könnte sich als schwierig erweisen, da B zu Beginn wirklich viel vorkommt und auch von anderen Leuten mit ihrem Namen angesprochen wird, was sich teilweise auch nicht vermeiden lässt.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Trippelschritt am 01. Oktober 2016, 11:55:50
Ich sehe das Problem nicht so ganz. Das kann aber daran liegen, dass ich Bauchschreiber bin und meist in meinen Figuren denke. Wenn eine Person eine andere trifft und sie gehen ab dann gemeinsam, dann redet die eine Person doch ganz normal mit der anderen und verzichtet auf eine Anrede per Namen. Bleibt noch der narrative Teil, für den der Autor zuständig ist. Aber der Autor hat die zweite Person ja bereits irgendwie eingeführt, damit der Leser sich ein Bild machen kann. Für eine begrenzte Zeit geht es mit "die Fremde, der Mann unter der Kapuze, der Schmied" oder sonst so etwas.
Bevor das allerdings unerträglich wird, kann man einen Namen einführen. Welcher das ist, hängt davon ab, warum der wirkliche Name geheim bleiben soll. Was ich sagen möchte, ist, dass deine Geschichte die Antwort eigentlich bestimmt.

Liebe Grüße
trippelschritt
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Wolkentänzerin am 01. Oktober 2016, 18:57:53
@Trippelschritt
Bei der Anrede habe ich auch keine Probleme, ich würde mich auch als Bauchschreiberin beschreiben, die gerade dabei ist, ein wenig zu ploten. Aber wie du schon erkannt hast, weiß ich nicht, wie ich als Autor die Person nennen soll, da ich es aus ihrer Perspektive schreiben möchte, jedoch aus stilistischen Mitteln nicht die erste Person benutzen möchte.
Der Grund, warum ich es nicht verraten möchte, ist eben, dass ich manche Dinge eben noch etwas offen lassen möchte. Die Protagonistin (Ich-Erzählerin) weiß nichts über den Verbleib der Person, auch wenn sie sich zu Beginn nicht wirklich Sorgen macht. Der Leser soll zuerst auch nichts wissen, jedoch sich nach einigen dieser Kapiteln aus der anderen Perspektive es sich selbst zusammen reimen und somit einen kleinen Wissensvorsprung vor der Protagonistin haben. Ich finde das als Leser zumindest immer toll, wenn  man so seinen Verdacht hat, solange es nicht zu offensichtlich ist, wer die andere Person ist. Ob das klappt, wie ich es mir denke, wird sich dann herausstellen, wenn ich es geschrieben habe.  :)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: zDatze am 01. Oktober 2016, 20:01:01
Etwas Ähnliches wie @Wolkentänzerin hatte ich auch in einem meiner Projekte geplant. Schreiben aus einer Perspektive und dabei nicht verraten, um wen es sich tatsächlich handelt. So eine Art Puzzlespiel, bei dem sich die Handlung schließlich Stück für Stück zusammenfügt und am Ende Sinn ergibt und klar ist, wessen Perspektive es war. Die Idee an sich haftet immer noch in dem Projekt, allerdings bin ich bei der Umsetzung handwerklich daran gescheitert. Das ist (meiner Meinung nach) alles andere als leicht umzusetzen.

Etwas, das dabei vielleicht helfen kann, ist, wenn der/die PerspektiventrägerIn sich selbst einen Decknamen gibt. Wenn ich nun eine Figur schreibe, die vollkommen unbemerkt durch die Nacht huscht (sry, das ist sehr abgedroschenes, ich weiß), dann könnte man den Namen z.B. durch Schatten/Nichts/Niemand ersetzen. Eben auch etwas Neutraleres als "das Mädchen", da man mit so einer Bezeichnung doch schon wieder etwas über die Figur verrät.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Sukie am 01. Oktober 2016, 20:18:35
Ich habe eine Kurzgeschichte aus der Du-Perspektive geschrieben. Es ist aber von Anfang an klar, wer erzählt und das Ganze ist mehr als Hommage an den angesprochenen Charakter zu verstehen. Also, der Erzähler beobachtet eine andere Figur und spricht in der Du-Perspektive über sie. Ist das verständlich?  ;D Ich fand, dass es sich richtig flott und leicht schreiben ließ.

Das Ganze so zu schreiben, dass man den Erzähler erst am Ende wirklich erkennt, stelle ich mir schwierig vor. Zum Lesen, aber vor allem zum Schreiben. In Shedzyalas Geschichte hat es sehr gut funktioniert (auch wenn es todtraurig war  :brüll:). Einen ganzen Roman oder so könnte ich mir da aber nicht wirklich vorstellen zu lesen/schreiben.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Zit am 01. Oktober 2016, 20:45:21
Hm, vielleicht schaut ihr mal in der Krimiabteilung nach. Wenn ich mich recht erinnere, kommt im ein oder anderen ja auch der Täter mit eigener Perspektive vor, allerdings wäre es natürlich doof, wenn er sich selbst verrät. ;)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Trippelschritt am 02. Oktober 2016, 10:48:57
@ Wolkentänzerin und zDatze

Mir ist gar nicht wohl bei eurer Begründung. Wenn ich das recht verstanden habe, wollt ihr einen handwerklichen Effekt in Szene setzen, weil ihr diesen Effekt für wirkungsvoll haltet und sucht nun für eine Lösung innerhalb der Geschichte. Ich möchte nicht sagen, dass das nicht geht. Ich habe einmal vor sehr langer Zeit auch so etwas probiert, mir aber die Finger daran verbrannt. Aber der Haken ist, dass meiner Meinung nach das Handwerk der Geschichte folgen sollte, sie möglichst gut erzählen sollte und nicht die Geschichte sich an einer handwerklichen Idees des Autors orientiert. Es kann zwar klappen, weil man intuitiv eine gute Lösung findet. Es kann aber auch grauenhaft schief gehen. Die kleidung sollte dem Körper passen, nicht der Körper der Kleidung.

Wenn ich den Namen einer Figur verschweige, die überdies auch noch jemanden begleitet, dann ist die erste Frage für mich, was denn der Mensch denkt, dessen Begleiter sich nicht vorstellt. Und meine Antwort wäre, er traut ihm nicht. Und dieses Misstrauen wäre das zentrale Gefühl für die nächsten Abnschnitte oder Szenen. Wenn ich dieses Misstrauen aber nicht gebrauchen kann, dann muss ich einen Weg finde, dass es nichr entsteht oder dass ich es zerstreue. Und diese Art der Überlegung ist völlig anders als eine, die sagt: "Ich will es geheimnisvoll halten. Wie mache ich das?" In dem von mir skizzierten Beispiel wird es nicht geheimnisvoll und damit nach jeder Seite offen, sondern unheilvoll, weil es von jemandem handelt, der etwas zu verbergen hat. Die Figur hat etwas zu verbergen, nicht der Autor.

Liebe Grüße
Trippelschritt
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Wolkentänzerin am 02. Oktober 2016, 18:26:11
@Trippelschritt
Ich verstehe deine Bedenken. Ehrlich gesagt, bin ich selbst mir noch nicht sicher, ob es funktioniert, da die zweite Perspektive erst noch einsetzen wird. Jedoch würde ich eben wirklich gerne eine zweite Sicht einfügen und ich finde es in dem Fall eben spannender, den Namen nicht sofort zu verraten, da sonst viel der Handlung von vornherein weggenommen wird. Ich könnte evtl. die Perspektive weglassen, doch ich denke eben, dass sie den Roman bereichern wird.
Ich denke in meinem Fall wird es nicht unheilvoll wirken, wie du es nennst. Natürlich kann es schief gehen, doch so wie ich meine Charaktere kenne, denke ich nicht, dass es so wirkt als hätten sie allzu viel zu verbergen. Die Begleitung hat ja auch einen normalen Vornamen, dadurch wirkt sie nicht allzu mysteriös. Meine einzige Möglichkeit wäre noch, dass ich ihnen beide "Decknamen" gebe, da es auch zur ihrer Lebenssituation passen würde. Allerdings bin ich kein Fan davon und finde das auch meist sehr verwirrend.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Czara Niyaha am 05. Oktober 2016, 16:20:47
Mich beschäftigt aktuell eine Frage zum Thema Perspektive.
Obwohl ich bereits auch gegoogled habe, finde ich keine eindeutige Antwort für mich.

Auslöser des "Problems" ist mein NaNo Projekt.  ;)
Perspektiventräger bis auf wenige Kapitel ist der Charakter Lourance, von allen Lou gennant.

Mir ist aufgefallen, dass ich  beim Schreiben, meistens ungewollt, gerne mal in die auktoriale Erzählform springe...  :-\
Nicht das ihr denkt, dass ich still und heimlich bereits am Schreiben bin. Nein, außer Plot entwerfen und das ein oder andere (große) Loch stopfen, halte ich die Finger still!

Das Perspektivenproblem ist mir bei bereits geschriebenen, älteren Sachen aufgefallen.

An den NaNo habe ich für mich persönlich auch gewisse Anforderungen. Daher hoffe ich, dass mein geplantes Projekt nicht schon nach ein paar Seiten Wort für Wort einstürzt, weil ich es mit den Perspektiven durcheinander bringe...

So, jetzt lange genug drum herum geredet! Mein eigentliches Problem.

Beispieltext: ("Char" dient in den Fall als Platzhalter für irgendeinen x-beliebigen Charakter. Der Text ist einfach nur seinem Zweck entsprechend mal eben schnell getippt, also bitte nicht so kritisch sehen!)

Verspielte Sonnenstrahlen neckten Char, als er im Gras lag. Verträumt folgte sein Blick den kleinen Schäfchenwolken am azurblauen Himmel.
Ein sanfter Wind kam auf.
Char fühlte das Streicheln auf der Haut.
Nicht mehr lange, und er musste die Oase der friedvollen Stille wieder verlassen.
Ein leises Seufzen kam über seine Lippen.
Langsam stand er auf und machte sich auf den Rückweg.
Immer deutlicher tauchten vor seinen Augen die Mauern der Stadt auf.
"Blablabla" war eine Stadt mit einer düsteren Vergangenheit.
(Jetzt würde textmäßig eine Zusammenfassung kommen, die den Leser zumindest mit den wichtigsten Grundinformationen vertraut machen soll, damit er eine gewisse Vorstellung hat, wo er sich derzeit bewegt, zb:)
"BlaBla - Eine Stadt mit Licht- und Schattenseiten. Seit Jahrhunderten herrschte bereits die Adelsfamilie "Ping". Allein der Klang des Namens ließ  viele Bewohner, der nach außen hin friedvoll erscheinenden Stadt, erzittern. Usw...)

Mein Problem beim Schreiben ist folgendes: Vom Gefühl her würde ich sagen, dass die Beschreibung der Stadt, sowie das erwähnen von wichtigen Fakten und Hintergründen, eher aus der auktorialen Sicht geschrieben ist, weil ich sie ja nicht über den Charakter selber vermittle...

Ah, es ist echt zum Haareraufen...  :brüll: Aber ich weiß einfach nicht, wie ich dieses Problem lösen soll.
Wenn ich jetzt aber aus der Sicht von "Char" erzählen will - Darf ich dann trotzdem solche Beschreibungen machen? Oder ist das dann schon ein Stilbruch?! 
Oder ob ich mir einfach "treu" bleibe und aus verschiedenen Perspektiven schreibe?!?!?
Grundsätzlich habe ich die Einstellung, dass zum Thema Perpektive so ziemliches alles erlaubt ist, solange der Leser wirklich folgen kann und nicht alles im totalen Chaos endet.

Vielleicht mache ich mir auch nur einfach zu viele Gedanken!
Ich hoffe, dass ihr meinem leicht chaotischen Text folgen könnt und danke schon einmal für die Hilfe und Tipps!  :)

Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Dämmerungshexe am 05. Oktober 2016, 16:29:26
An sich bleibst du da auch in der personellen Perspektive. Vor allem wenn du die Stadt und die Infos dazu durch die Augen des Protas beschreibst, also nur das beschreibst, was er kennt und seine Wertung dazu wiedergibst.
Auktorialen wäre es wenn du alles beschreibst, ohne Rücksicht auf die Kenntnis und Verständnis des Protas. Womöglich noch in einem neutralen Ton, oder mit einer Wertung, die nicht die das Protas ist (sondern die des Erzählers).
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Lothen am 05. Oktober 2016, 16:42:29
Ich stimme Dämmerungshexe zu.

In der personalen Erzählform hat jeder Perspektivträger seine eigene Stimme, in der auktorialen gibt es nur eine Erzählstimme, nämlich deine.

Außerdem weiß der auktoriale Erzähler Dinge, die der Perspektivträger nicht weiß. Wenn dein Perspektivträger all diese Informationen über die Stadt und ihren Hintergrund hat, dann kann das durchaus auch pesonal sein (wobei ich hier aufpassen würde, zu viel Infodump zu vermeiden, aber das ist eine andere Baustelle ;) ). Wenn dein Perspektivträger das nicht weiß oder gar nicht wissen kann, ist es auktorial.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Czara Niyaha am 05. Oktober 2016, 17:57:12
Danke für die Antworten  :)

Ihr habt für etwas Klarheit bei  mir gesorgt.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Faye am 05. Oktober 2016, 19:40:26
Ich hätte da auch mal eine Frage, ich habe meine letzte Kurzgeschichte größtenteils in der Ich-Perspektive geschrieben(die beiden Hauptcharaktere) und die Kapitel aus der Sicht der dritten wichtigen Person mit "sie". Jetzt überlege ich, ob das für meinen NaNo-Roman auch sinnvoll ist, da ich die drei Hauptpersonen habe. Oder ist das zu verwirrend?
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Dämmerungshexe am 05. Oktober 2016, 19:56:23
Zitat von: Lothen am 05. Oktober 2016, 16:42:29

In der personalen Erzählform hat jeder Perspektivträger seine eigene Stimme, in der auktorialen gibt es nur eine Erzählstimme, nämlich deine.


Erzähler ist nicht gleich Autor. Also wurde ich dem Satz nicht allgemein zustimmen. Ich schreibe ja auktorialen und das klingt eindeutig anders als das, was ich so im alltäglichen Leben von mir gebe.


@Faye - 3 Perspektiven in einer Kurzgeschichte finde ich etwas viel. In nem Roman passt dass besser. Ich denke ich persönlich hätte aber meine Probleme zum einem mit dem Wechsel zwischen zwei Ich-Perspektiven und zwisvhen Ich-Perspektive und Dritter Person. Das wurde mir als Leser die ganze Erzählung zerreißen. Als Autor würde ich es auch nicht schreiben.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Siara am 05. Oktober 2016, 20:01:59
@Faye: Als Leser würde bei mir die Frage aufkommen: Warum zweimal Ich und einmal Er/Sie? Sind die ersten beiden Perspektivträger so viel wichtiger als die dritte, und das willst du hervorheben? Hat es einen anderen Zweck? Wenn es einen Zweck hat, der die Zuteilung erklärt, muss es nicht unbedingt verwirrend wirken bzw. kann es die Verwirrung durch positiven Effekt aufwerten. Andernfalls würde ich an deiner Stelle eine simplere Version wählen.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Faye am 05. Oktober 2016, 20:06:23
Okay, danke Dämmerungshexe. Ich werde die Kurzgeschichte nach dem November überarbeiten und mal darauf achten. Im Roman werde ich mal schauen. Ich versuche es mal, sonst merke ich es hoffentlich am Anfang und ändere es dann.  :)

Siara, eigentlich sind nur die beiden Hauptpersonen wichtig genug, die dritte Person spielt auch eine relativ wichtige Rolle, aber sie ist eher dafür da, dass der Leser Szenen liest, bei der die anderen nicht dabei sind oder um die Hintergründe deutlich zu machen.
Die Hauptpersonen zeigen mehr ihre Gedanken und ihre Gefühle, um dem Leser ein Bild zu machen.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Zit am 05. Oktober 2016, 20:08:18
Bei 2x Ich und 1x Sie würde ich die Sie-Linie als Rahmenhandlung auffassen (klassische High Fantasy der Botschafter, der auf politischer Bühne die Welt zusammen brechen sieht) während die Ich-Linien die eigentliche Geschichte ausmachen (der Held, der die Welt rettet, und sein LI).

Hat sich überschnitten. Also insgesamt schon so wie du es andachtest.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: traumfängerin am 05. Oktober 2016, 20:12:02
Elizabeth Peters verwendet in ihren Krimis zwei Ich- und eine Er-Perspektive, bedient sich dafür allerdings eines Kniffs. Eine der Ich-Perspektiven ist das Tagebuch von Amelia Peabody, die zweite Ich-Perspektive sind Briefe ihrer Adoptivtochter Nefret, die Er-Perspektive sind Auszüge aus dem Tagebuch ihres Sohnes Ramses. So macht das auch Sinn, und wirft mich als Leser nicht raus.

Diana Gabaldon verwendet in ihren Romanen auch sowohl Ich- als auch Er-Perspektive. Die Ich-Perspektive ist für ihre Haupterzählung, die Er-Perspektive verwendet sie immer dann, wenn sie von dem weggeht, was ihre Hauptperson miterlebt, und um das auch abzugrenzen verwendet sie die Er-Perspektive, wenn ich mich recht entsinne, sogar unterschiedliche Er/Sie-Perspektiven. Dadurch ist man als Leser näher dran an der Hauptperson, so dass die Perspektiven durchaus Sinn machen.

Unsere @Alana hat in ihrem Roman "Die Tage, die ich dir verspreche" zwei Ich-Perspektiven verwandt, wobei jemals die Kapitel mit den Namen der Person überschrieben sind, damit der Leser weiß, wo er sich gerade befindet.  :D

Es ist also alles möglich, du musst es nur gut machen. Und wenn du dich für zweimal Ich-Perspektive entscheidest, dann brauchst du dafür tatsächlich eine gute Begründung, und vor allem auch dafür, warum die dritte dann in der Er-Perspektive ist. Diese Kombination, zwei Ich-Perspektiven, eine Er-Perspektive gibt es nämlich nicht so häufig, und kann deshalb auf den Leser zunächst ungewohnt wirken.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Lothen am 05. Oktober 2016, 20:16:53
Zitat von: TraumfängerinEs ist also alles möglich, du musst es nur gut machen.
Genau! Manche Strukturen sind vielleicht gefälliger als andere, aber das heißt nicht, dass man nicht experimentieren darf.

Ich hab gerade mit "Das Jahr der Flut" von Margaret Atwood begonnen, und sie kombiniert auch verschiedene Erzähler in der ersten und dritten Person. Ich bin noch nicht weit genug, um mir ein Bild machen zu können, welche Funktion sich dahinter versteckt, aber es ist auf jeden Fall interessant.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Faye am 05. Oktober 2016, 20:48:01
Danke für die vielen und ausführlichen Antworten! Das hat mir weitergeholfen,  werde es einfach mal probieren, weil es für mich Sinn macht.  Schauen wir mal,  was meine ersten Testleser dann dazu sagen.  :)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Nezumi am 26. Oktober 2016, 14:17:35
Hallo zusammen  :)

Ich hätte da auch eine kleine Frage und zwar habe ich vor Kurzem damit begonnen, den ersten Band meiner Urban-Fantasy-Reihe erneut zu überarbeiten. Die Rückmeldung einer meiner ersten Leser war dabei, dass er es schade fände, dass die ganze Geschichte nur aus der Perspektive (Ich-Perspektive) meiner Hauptfigur geschrieben sei. Da muss ich ihm recht geben - ich glaube, dass man aus der Geschichte wohl wirklich mehr herausbringen könnte, wenn man einige Perspektivwechsel einbaut. Jetzt will ich aber dennoch, dass meine Hauptfigur in der Ich-Perspektive bleibt. Meine bisherige Idee wäre folgende: Hauptfigur - Ich-Perspektive, alle anderen Nebenfiguren (bzw. Nebenhandlungen) in der Er-Perspektive und jeweils der Name der Figur unter dem Kapitelnamen, um sofort klar zu machen, um wen es sich handelt. Die Kapitel in der Er-Perspektive sollten dabei auch recht kurz bleiben, da ich den Fokus doch vor allem auf die Hauptfigur legen möchte.
So stell ich mir das etwa vor:

Was denkt ihr? Würde euch das zu sehr aus dem Lesefluss reissen?

Eure Nezumi
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Lothen am 26. Oktober 2016, 14:27:33
Hm, solche Perspektivwechsel sind immer schwierig, vor allem, wenn sie nicht ausgewogen sind. Es könnte leicht der Eindruck entstehen, dass du die Er-Perspektive nur einfließen lässt, um Infos loszuwerden, und so was gefällt mir immer weniger. Ich will schon das Gefühl haben, dass alle Perspektiven für sich genommen ihre Daseins-Berechtigung haben und die Perspektivträger spannende Persönlichkeiten sind und nicht nur "Zuträger" für die Hauptperson.

Ich würde ggf. noch eine zweite oder dritte Meinung einholen, ehe du dein System komplett veränderst. Vielleicht gibt es ja die eine oder andere Möglichkeit, die Tiefe, die du durch den Perspektivwechsel erreichen möchtest, auch beim Ich-Erzähler zu erzielen?

Prinzipiell ist dein Anliegen aber sicher legitim, es gibt immer wieder Bücher, in denen die Perspektiven gemischt werden, darüber haben wir ja im Thread schon mehrmals gesprochen. Ich finde nur, die Gewichtung muss stimmen. Dabei ist es dann auch egal, ob man Ich-Erzähler und dritte Person mischt oder verschiedene Perspektivträger in einer der beiden Versionen (also mehrere Ich-Erzähler, z.B.).
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: HauntingWitch am 26. Oktober 2016, 14:48:07
Habe ich bei meinem aktuellen Roman auch gemacht, bisher sind die Rückmeldungen gut. Da würde ich gar nicht so viel überlegen, sondern einfach ausprobieren. Nur ein Punkt: Ich habe nur 3 Perspektiven (2x dritte Person, 1x erste Person), die sich abwechseln, plus zwei-drei Einschübe mit anderen, die aber sehr, sehr kurz sind. Ich würde einfach nicht zu viele Personen nehmen, weil man sich schlecht in die Einzelnen einfühlen kann, wenn die immer wieder wechseln. Aber bei ein paar wenigen, warum nicht?
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Nezumi am 27. Oktober 2016, 08:50:57
Danke euch beiden für die Antworten.  :)
Ich glaube, ich werde jetzt mal ein paar Kapitel so schreiben und schauen, wie es klappt. Da geht wohl wirklich nichts über Ausprobieren...  :buch:

Nezumi
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Serena Hirano am 27. Oktober 2016, 12:02:18
Hi Nezumi,

ich hab das auch mal gemacht ... schlichtweg, weil es sich besser angefühlt hat!  :jau:
Da kommt man dann ins Straucheln, weil man hört, Verlage mögen keine Ich-Perspektive oder weil irgendwo steht, dass ein Wechsel technisch unsauber ist. Theorien was man machen "soll" gibt es eh genug.
Fakt ist aber, wenn es zum Inhalt bzw. Ablauf und auch zu deinem Bauchgefühl passt, was deine Figuren angeht, dann ist es gut so. Man kann besser spielen, was das Inhalte Übermitteln angeht. Das empfand ich zumindest so. Ich schließe mich Lothen und Witch an, was das ausgewogene Lesen und Erleben angeht. Bei mir standen im Grunde zwei (bzw. ganz wenige) Personen im Mittelpunkt und ich habe nur meine Prota als Ich-Erzähler herumstolpern lassen. Bei zwanzig und dauerndem Wechsel wärs vielleicht a bissi übertrieben  :gähn:
Doch es geht nichts über Ausprobieren und dann beim Drüberlesen spontan entscheiden, ob es sich genau richtig oder eher holzig anfühlt. 
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Trippelschritt am 27. Oktober 2016, 12:21:03
Ich wiederhole hier einmal, was ich schon früher gepostet habe, weil sich mir bei jeder Argumentation, die einen handwerkliche Aspekt zum Zentrum einer Überlegung macht, die die Geschichte betrifft, alle noch vorhandenen Haare sträuben. Eine Geschichte wird doch gelesen oder nicht gelesen, wenn sie gut, spannend, interessant etc. ist und nicht weil eine bestimmte Perspektive gewählt wird. Einer meiner Lieblingdautoren (Dick Francis) hat nur in der Ich-Perspektive geschrieben. Und alles Bestseller!

Die Ich-Perspektive hat andere Vorteil und andere Möglichkeiten als die Er-Perspektive. Und auch andere Nachteile. (s. Schreibratgeber von Orson Scott Card) Es kommt also darauf an, was der Autor will und was er kann. Punkt.

Tatsache ist aber, dass sogenannte Experten lange behauptet haben, dass Ich-Perspektive und Er-Perspektive in einem Roman nicht ginge. Und dann kam Lian Hearn mit "Tales of the Otori" und machte es. Wurde auch ein Bestseller!

Alles geht, wenn es gut ist und die Geschichte was taugt. Und der Autor schreiben kann.

In diesem Sinne
Trippelschritt
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Kadeius am 19. November 2016, 13:48:24
Sehe ich absolut wie Trippelschritt.

Ich war auch lange Zeit Verfechter von auktorialer Erzählweise, aber ich habe gesehen, wie Joe Abercrombie Gedanken mitbeschreibt, die mittendrin in Ich-Perspektive gehalten sind und ich fand es hervorragend. Das ist einfach eine Frage der Umsetzung: Wenn ich auf die Idee komme und der Meinung bin, ich muss meine folgenden Gedanken in einer bestimmten Perspektive zu Papier bringen, dann mache ich das und wenn das ganze aus meiner Sicht stimmig ist, kann das nicht so furchtbar verkehrt sein.  :)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Dämmerungshexe am 16. Mai 2017, 12:02:14
Mein Kopf werkelt mal wieder fleißig an völlig anderen Projekten herum, als er eigentlich sollte. Dabei ist er auf eines gestoßen, bei dem sich ein kleines Perspektiven-Problem ergeben könnte zu dem ich gerne mal ein paar Meinungen hören würde:

Es geht im zwei Ich-Perspektiven, wobei der eine POV ein Barde ist, der sozusagen den anderen POV interviewt. Da die beiden zusammen reisen würde sozusagen der Reisealltag und alles, was dabei passiert, aus Sicht des Barden erzählt werden. Dazwischen gibt es dann immer wieder Einschübe des anderen POV, der aus der Vergangenheit erzählt.

Zusätzliche Schwierigkeit wäre, dass an einem Punkt der Geschichte diese Einschübe dann aufhören würden und der Barde zum einzigen POV wird, der aber von da an eher auktorial erzählt was weiter geschieht.

Es klingt seltsam und ich weiß nicht, ob es funktionieren würde. Was meint ihr?
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Lothen am 16. Mai 2017, 12:31:24
Sehe ich das richtig, dass der Barde trotzdem Ich-Erzähler bleibt, nur eben dann allwissender Ich-Erzähler? Das kommt mir wenig problematisch vor, vor allem wenn das Ganze den Beiklang einer Autobiographie hat.

Einen vollständigen Wechsel von personal (Ich) auf auktorial (dritte Person) fände ich dagegen schwierig. Man hat sich ja zu dem Zeitpunkt als Leser schon eng mit dem Charakter und seiner Erzählstimme angefreundet und ist in seine Gedankengänge und Emotionen eingetaucht. Da wieder rausgerissen zu werden fände ich schon extrem.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Dämmerungshexe am 16. Mai 2017, 12:45:38
Der Barde wird von den Göttern sozusagen zu einem "Chronisten" - einem körperlosen Beobachter - gemacht, damit er den anderen POV auf seiner weiteren Reise in die Untwerwelt o.ä begleiten kann. Er bleibt dann eigentlich beim Ich und seinem Erzählton, wird aber eigentlich keine Ich-Erfahrungen mehr machen - nicht mehr selber handeln - dafür mehr Einblick in andere Personen haben. Wenn das halbwegs verständlich ist.  ;D
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Trippelschritt am 16. Mai 2017, 14:46:11
Das mit den zwei Ich-Perspektiven ist möglich. Vor allem, wenn es sich um zwei Zeitfäden handelt. Ob das eine glückliche Lösung ist, steht auf einem anderen Blatt. Aber warum nicht ausprobieren. Das andere Experiment würde ich hingegen nicht wagen. Als Leser würde ich dem Autor in dem Wechsel von personalem Ich-Erzähler zu auktorialem Ich-Erzähler nicht folgen. Aber vielleicht steht auch eine Begriffsverwirrung dahinter. Ein Chronist, egal ob körperlos oder nicht, muss keine auktoriale Perspektive vertreten. Im Gegenteil. Der Chronist ist nicht der Autor. Und das ganz bestimmt nicht, wenn er von den Göttern nur den Auftrag erhalten hat zu berichten. Es gibt also möglicherweise gar keine auktoriale Perspektive. Doch dann gäbe es auch keine Herumrutscherei in fremden Köpfen.

Ein Vorschlag: Vergiss einmal das Thema Persoektive und denk noch einmal darüber nach unter dem Stichpunkt Nähe und Distanz. Der Reisebegleiter hat Nähe, Der Chronist hat Abstand. Der Autor hätte extreme Nähe und absolut kein Schamgefühl. Was also möchtest Du. Wenn Du das weißt, dann kannst Du auch die richtige perspektive wählen. die ergibt sich dann von selbst.

Liebe Grüße
Trippelschritt
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: HauntingWitch am 16. Mai 2017, 15:08:18
Zitat von: Dämmerungshexe am 16. Mai 2017, 12:02:14
Es geht im zwei Ich-Perspektiven, wobei der eine POV ein Barde ist, der sozusagen den anderen POV interviewt. Da die beiden zusammen reisen würde sozusagen der Reisealltag und alles, was dabei passiert, aus Sicht des Barden erzählt werden. Dazwischen gibt es dann immer wieder Einschübe des anderen POV, der aus der Vergangenheit erzählt.

So etwas kann man gut machen, denke ich. Es wäre sicher wichtig, die beiden eindeutig voneinander abzugrenzen, so dass immer klar ist, wer gerade "spricht". Also z.B. ein Kapitel pro Person mit dem Namen der Person darüber oder durch eindeutig unterschiedliche Sprache (z.B., dass er eine total hochgestochen redet und der andere etwas vernuschelt).

Zitat von: Dämmerungshexe am 16. Mai 2017, 12:02:14Zusätzliche Schwierigkeit wäre, dass an einem Punkt der Geschichte diese Einschübe dann aufhören würden und der Barde zum einzigen POV wird, der aber von da an eher auktorial erzählt was weiter geschieht.

Da sehe ich eher ein Problem. Den Ich-Erzähler zeichnet ja aus, dass er eben gerade nicht alles weiss. Der Aukto weiss alles, das beisst sich irgendwie. Was man vielleicht machen könnte, wäre die Geschichte zu unterteilen. Im ersten Teil ist er ein Ich-Erzähler und im zweiten Teil ein Aukto, geschrieben in 3. Person. So wüsste man am Anfang vom zweiten Teil möglicherweise zuerst gar nicht, dass der Erzähler der Typ ist, durch dessen Augen man vorhin die Welt gesehen hat... Wäre mal interessant.  ;D

Edit: Oh sorry, deine Antwort an @Lothen ist mir entgangen. In diesem Fall halte ich es für möglich, finde aber auch hier, dass man das irgendwie klarstellen muss, damit es nicht irritierend wirkt.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Zit am 16. Mai 2017, 16:30:13
Hm, selbst wenn der Barde zum Chronisten der Götter wird und als Geist über allem schwebt... Ich denke, wenn der Barde als Geist nach und nach seine neuen Fähigkeiten (Headhopping) kennen lernt, dann nimmt er den Leser bei der Entwicklung mit und ich denke nicht, dass die "plötzliche" Körperlosigkeit des Barden problematisch wird. Im Grunde ist das dann auch kein Perspektivwechsel, weil du immer noch in der, nunmehr weniger, eingeschränkten und getrübten Sicht des Barden bleibst.
(Zumindest gehe ich nicht davaon aus, dass er plötzlich wie ein auktorialer Erzähler über Zukunft und Vergangenheit, ähnlich einem Gott, allzeit alles weiß.)

Mich irritiert eher, dass die zweite Perspektive des Reisebegleiter wegfällt, es im zweiten Teil also keinen zweiten Handlungsstrang (die Rückblenden) mehr gibt. Stirbt der Begleiter?
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Dämmerungshexe am 16. Mai 2017, 17:17:18
Zitat von: Zitkalasa am 16. Mai 2017, 16:30:13
Mich irritiert eher, dass die zweite Perspektive des Reisebegleiter wegfällt, es im zweiten Teil also keinen zweiten Handlungsstrang (die Rückblenden) mehr gibt. Stirbt der Begleiter?

Nein,der zweite POV interagiert aber nicht mehr mit dem Barden, wird nur noch beobachtet. Es wird auch nicht mehr aus der Vergangenheit berichtet, sondern die Reise geht sozusagen weiter. (Weil der Barde unbedingt wissen wollte, wie die Geschichte zu Ende geht, hat er sich bereit erklärt zum Chronisten zu werden.)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Alina am 07. Juni 2017, 10:52:36
Hallo zusammen,

Ganz neu hier im Forum und ich komme gleich mit einer Frage. Ich hoffe, ich bin hier in diesem Thread richtig  :).
Ich plotte gerade an meinem Romanprojekt herum. In einem von zwei Handlungssträngen habe ich einen - ich nenne ihn mal Protagonisten - der ziemlich unsympathisch ist.  Er ist sehr egoistisch und kann schon mal skrupellos werden. Er spielt eine sehr wichtige Rolle, und er ist nicht der Antagonist.

Ich habe schon die eine oder andere Szene geschrieben und bin dabei auf folgende Schwierigkeiten gestoßen:

- Es fällt mir gar nicht so leicht, den Prota als unsympathisch darzustellen, wenn ich aus seiner Perspektive schreibe. Es ist viel schwieriger, als ich gedacht habe. Er kommt einfach nicht so fies rüber, wie ich das möchte.

- Gleichzeitig habe ich Sorge, dass es auf den Leser abschreckend wirkt, wenn die Person, aus deren Perspektive erzählt wird, sich regelmäßig danebenbenimmt. Man identifiziert sich ja tendenziell mit der Figur, aus deren Sichtweise erzählt wird. Und wenn diese Figur einen zweifelhaften Charakter hat, besteht da nicht die Gefahr, dass der Leser sich distanziert?

Hat jemand von euch schon mal so eine Situation gehabt, d.h. einen unsympathischen Protagonisten?  Wie seid ihr damit umgegangen?

Nach längerem Hin und Her habe ich überlegt, einen zweiten Prota zu erschaffen und ihn Prota Nummer 1 an die Seite zu stellen. Der Prota Nummer 2 hat dann natürlich eine eigene Vergangenheit und eigene Ziele (die völlig anders sind). Das macht die Story komplizierter, aber es ist noch im Rahmen. Dann wollte ich den Handlungsstrang soweit möglich aus Sicht von Prota 2 erzählen. (Wobei ich noch nicht weiß, ob ich damit auskomme. Das muss ich nochmal sehen.)

Könnte meine Lösung funktionieren, was für Probleme könnten da auftreten?
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Lothen am 07. Juni 2017, 11:36:13
Ich denke, du bist hier richtig. ;D Zum Verständnis: Wenn du Prota sagst, dann meinst du Pespektivträger, oder? Also die Person, aus deren Sicht du erzählst? Nur, dass ich hier keinen Blödsinn erzähle.

Erstmal: moralisch zweifelhafte Charaktere sind großartig und sicherlich kein Grund, dass du darauf verzichten musst. ;) Es gibt wahnsinnig viele Romane, in denen die Protas eher Antihelden sind oder auch mal über die Stränge schlagen, moralisch gesehen. Abercrombie oder die Dresden Files sind da gute Beispiele.

In sehe in unsympathischen Perspektivträgern daher überhaupt kein Problem, im Gegenteil, das kann ja gerade spannend sein, dieser Kontrast zwischen "wie nehme ich mich selbst wahr" und "wie nehmen andere mich wahr". Die meisten Unsympathen halten sich ja nicht selber für unsympathisch oder böse, sondern gehen einfach davon aus, dass die Gesellschaft mit ihnen nicht klar kommt, nicht kapiert, was eigentlich wichtig ist, ihnen ständig Steine in den Weg legt und so weiter.

ZitatUnd wenn diese Figur einen zweifelhaften Charakter hat, besteht da nicht die Gefahr, dass der Leser sich distanziert?
Die Gefahr besteht möglicherweise, aber auch das kann man wunderbar aushebeln, indem man auch den Unsympathen ein paar helle Spots gibt. Was treibt die Person an? Warum handelt sie so, wie sie handelt? Hat sie auch positive Seiten, die sie nur gut versteckt? Man wäre überrascht, wie schnell man Sympathie für ein Charakterschwein entwickeln kann. ;)

Trotzdem finde ich das Konzept mit zwei Perspektivträgern ganz gut, gerade um die Innen- und Außenansicht zu kontrastieren.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Tejoka am 07. Juni 2017, 12:13:43
Eine interessante Frage.  ;D

Ich persönlich mag es als Leserin normal nicht, wenn ich einen PoV-Charakter vorgesetzt bekomme, den ich unsympathisch finde. Aber mir ist aufgefallen, dass das vor allem daran liegt, wie sehr ich seine Beweggründe nachvollziehen kann, auch wenn ich sie nicht gutheißen würde. Andererseits habe ich auch schon Bücher gelesen, in denen ich ganz normal mit einem Prota mitgefiebert habe, um später in einer Szene aus einer anderen Perspektive zu merken, wie unsympathisch er eigentlich ist. Von daher finde ich deine Idee, einen zweiten Perspektivträger als "Kontrastmittel" zu nehmen, gut. Das kann der Geschichte wirklich Tiefe geben, denke ich.

Bei diesem Thema musste ich an etwas denken, das ich in einem Schreibratgeber gelesen habe. Ich weiß leider nicht mehr, welcher, oder wie es genau formuliert war. Es ging darum, dass unsympathische Charaktere etwas Besonderes sein und den Leser fesseln müssen.
Eine Faustregel, die ich mir daraus abgeleitet habe: Mein Prota muss sympathisch und/oder faszinierend sein - je weniger vom einen, desto mehr vom anderen. ;)
Ich hoffe, das hilft dir ein bisschen weiter.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Lothen am 07. Juni 2017, 12:19:08
Zitat von: Tejoka am 07. Juni 2017, 12:13:43Eine Faustregel, die ich mir daraus abgeleitet habe: Mein Prota muss sympathisch und/oder faszinierend sein - je weniger vom einen, desto mehr vom anderen.
Das klingt nach einer vernünftigen Faustregel.  :jau:

Allerdings ist "Sympathie" halt auch schwer zu verallgemeinern. Ich finde z.B. gerade die Typen total unsympathisch, die immer und überall everbodys's darling sind oder einfach alles können und in allem hervorstechen (*hust* Kvothe *hust*). Ein paar Fehler, Macken oder moralische Ungereimtheiten finde ich da sogar eher sympathisch. Aber das führt jetzt ein bisschen vom Thema weg.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: HauntingWitch am 07. Juni 2017, 12:29:22
Hallo Alina

Du bist hier vollkommen richtig.  :)

Zitat von: Alina am 07. Juni 2017, 10:52:36
- Es fällt mir gar nicht so leicht, den Prota als unsympathisch darzustellen, wenn ich aus seiner Perspektive schreibe. Es ist viel schwieriger, als ich gedacht habe. Er kommt einfach nicht so fies rüber, wie ich das möchte.

Mit diesem Problem kämpfe ich zurzeit auch. Was mir hilft: Perspektive wechseln. Das muss am Ende nicht im Buch stehen, aber wenn ich z.B. einen anderen Charakter nehme, der den Prota ganz furchtbar findet und ein paar Worte aus dessen Sicht schreibe, also den Prota aus dessen Perspektive betrachte, bekomme ich dadurch einen besseren Aussenblick auf den Prota. Danach fällt es mir leichter, auch in der Perspektive des Prota die unsympathischen Züge zu zeigen. So oder so wird man als Leser eine gewisse Verbindung zum Protagonisten aufbauen, einfach, weil man in seinen Kopf sieht. Niemand ist ja nur fies, jeder hat auch seine positiven oder verletzlichen Seiten.

Zu deiner zweiten Frage, haben wir schon ein paar Threads. Zum Beispiel dieser hier: Wie mache ich den Mistkerl sympathisch? (http://forum.tintenzirkel.de/index.php?topic=14614.0)
oder, etwas älter, dieser: Ein Held, der hält, was er verspricht... (http://forum.tintenzirkel.de/index.php?topic=572.0)
Und dann gibt es noch einen über üble Typen im Allgemeinen: Eure Mistkerle (http://forum.tintenzirkel.de/index.php?topic=14632.0). Das ist mehr ein Spass-Thread, aber auch ganz nützlich.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: HauntingWitch am 07. Juni 2017, 12:31:21
Zitat von: Lothen am 07. Juni 2017, 12:19:08
Allerdings ist "Sympathie" halt auch schwer zu verallgemeinern. Ich finde z.B. gerade die Typen total unsympathisch, die immer und überall everbodys's darling sind oder einfach alles können und in allem hervorstechen (*hust* Kvothe *hust*).

Wobei, wobei... Kvothe ist ja arrogant, von dem her...  ;D Aber ich weiss, was du meinst. Geht mir genauso. Ich habe sogar festgestellt, dass ich offenbar meistens Charaktere sympathisch finde, die viele andere unsympathisch (oder arrogant oder beides) finden.  :hmmm:

Edit: Sorry für den Doppelpost, das war keine Absicht. Ich dachte jetzt irgendwie, Lothens zweiter Beitrag sei nach meinem... Pfannt mich.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Churke am 07. Juni 2017, 15:00:17
Zitat von: Alina am 07. Juni 2017, 10:52:36
Hat jemand von euch schon mal so eine Situation gehabt, d.h. einen unsympathischen Protagonisten?  Wie seid ihr damit umgegangen?

Die Lektorin hat meinem letzten Protagonisten bescheinigt, ein ,,Arsch" zu sein.
Und die Kriegsberichtvolontärin bezeichnete sie als ,,kleines Dummchen".
Über beides muss sie sich so geärgert haben, dass sie die Satire komplett überlas.

Ironischerweise lautet ein Thema des Romans "perception is reality", die Manipulation von Wahrnehmung. Ich habe das so umgesetzt, dass die Perspektivträger Zerrbilder der tatsächlichen Handlung vermitteln.
Plattes Beispiele: Eine Figur werde vom POV als "Nazi" bezeichnet. In der Folge hält der Leser die Figur für einen Nazi, obwohl sie sich in keinster Weise wie ein Nazi verhält. Die Behauptung des POVs wird für den Leser zur Tatsache.
Genauso ist es auch mit dem "Dummchen".
Dass sich die Lektorin derart manipulieren ließ, finde ich bei aller Frustration ziemlich faszinierend.  8)

So steuert der Autor das Bild, das sich der Leser von der Figur macht. Wenn der Leser den Protagonisten unsympathisch findet, würde ich die Darstellung der Figur überarbeiten. Du kannst aus einem Scheißer einen Sympathieträger machen, wenn du aufhörst, ehrlich sein zu wollen. Und: Wenn du ein Problem mit einer Figur hast, löst du das Problem nicht, indem du eine andere Figur einführst.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Alina am 07. Juni 2017, 16:18:22
Vielen Dank für eure vielen Antworten!  :)
Zitat
Wenn du Prota sagst, dann meinst du Pespektivträger, oder?
Ursprünglich hatte ich das so geplant. Aber nach den Schwierigkeiten die ich oben geschildert habe, hatte ich überlegt, ob ich die Geschichte von diesem Typen ganz oder teilweise aus einer anderen Perspektive erzähle.

ZitatEine Faustregel, die ich mir daraus abgeleitet habe: Mein Prota muss sympathisch und/oder faszinierend sein - je weniger vom einen, desto mehr vom anderen.
Hört sich nach einer guten Regel an! Muss ich mal drüber nachdenken. Ich glaube schon, dass der Charakter interessant ist.

ZitatDas muss am Ende nicht im Buch stehen, aber wenn ich z.B. einen anderen Charakter nehme, der den Prota ganz furchtbar findet und ein paar Worte aus dessen Sicht schreibe, also den Prota aus dessen Perspektive betrachte, bekomme ich dadurch einen besseren Außenblick auf den Prota.
Das ist auf jeden Fall ein guter Tipp! Werde ich mal ausprobieren.

ZitatDie Lektorin hat meinem letzten Protagonisten bescheinigt, ein ,,Arsch" zu sein
Das ist ein bisschen das, was ich bei mir befürchte. Mein Prota kann auch wirklich ein A... sein. 

Und ich bin mir nicht so sicher, ob ich den Typen so darstellen will, dass er dem Leser sympathischer wird  ???. Er hat natürlich schon Gründe, warum er so geworden ist (Kindheit), und ja, er hat auch positive Seiten. Aber hier benimmt er sich erstmal ziemlich daneben, und das soll auch deutlich werden. :hmmm:
Deshalb hatte ich eben überlegt, einen Sympathieträger zu nehmen (Prota 2), und Teile des Handlungsstrangs – oder die ganze Geschichte - aus dessen Sicht zu erzählen. Prota 2 hat ziemlich unter Prota 1 zu leiden, da kann man dann auch gut herausstellen, dass Prota 1 unsympathisch ist.

Nach eurem Feedback tendiere ich im Moment dazu, den Handlungsstrang aus beiden Perspektiven zu erzählen, also manche Szenen aus der Sicht von Nummer zwei, und ein paar Szenen aus der Sicht von Nummer eins.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Dämmerungshexe am 07. Juni 2017, 17:12:48
Eine andere Möglichkeit um eine unsympatische Figur dem Leser näher zu bringen wäre, sie eine Entwicklung durchmachen zu lassen - eine "Leuterung" sozusagen. Falls das im Rahmen deiner Handlung möglich bzw. gewünscht ist.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: canis lupus niger am 07. Juni 2017, 18:24:20
Zitat von: Alina am 07. Juni 2017, 16:18:22
ZitatDie Lektorin hat meinem letzten Protagonisten bescheinigt, ein ,,Arsch" zu sein
Das ist ein bisschen das, was ich bei mir befürchte. Mein Prota kann auch wirklich ein A... sein. 

Auch ein Arsch kann als Antiheld durchaus Prota sein. Antihelden sind im Moment sehr angesagt. Wichtig finde ich in dem Zusammenhang, dass sein Handeln trotz aller "Arschigkeit"  (;D) nachvollziehbar ist, und das geht, wie @Dämmerungshexe schon geschrieben hat, sehr gut über die Darstellung der Charakterentwicklung.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Fledermaus am 07. Juni 2017, 18:29:27
Hallo Alina! Oh, dazu ist mir tatsächlich was eingefallen! Darf ich? :D (Huch, mein erster Post außerhalb des Willkommensboards :o)

Also wenn ich das richtig verstanden habe, willst du zwar aus der Perspektive eines tatsächlichen, waschechten Fieslings erzählen, es soll den Leser aber nicht abschrecken. Ich habe vielleicht eine Idee, wie du das lösen könntest.

Würde es eventuell funktionieren, dem Charakter eine Art zynische Selbstreflexion mit auf den Weg zu geben? Sprich, er weiß genau, wie unsympatisch er rüberkommt und denkt auch immer wieder darüber nach. Das muss dann nicht unbedingt zu einer "Läuterung" führen, aber du könntest so dann einen inneren Konflikt mit reinbringen - also dass der Charakter zwar eine gewisse Form von Selbstverachtung ob seiner falschen Handlungen entwickelt, aber durch seinen lange gepflegten Zynismus nichts daran ändern kann/will. Vielleicht schreckt es dann Leser nicht so ab, weil sie das Gefühl kriegen, dass der Charakter sich selbst sowieso am meisten hasst und selbst sein schlimmster Feind ist. Ich hoffe, ich habe das halbwegs verständlich rübergebracht.

Ein Beispiel (blödes Beispiel, aber mir fällt gerade nichts besseres ein) für so eine zynische und am Ende unproduktive "Selbstreflexion" könnte dann etwa so aussehen: "Warum habe ich gerade diesem kleinen Mädchen ein Bein gestellt? Ach ja, weil ich ein durch und durch verkorkstes Individuum bin, das von seinen Eltern niemals geliebt wurde. Hach, wirklich furchtbar tragisch, diese Geschichte. Aber so bin ich eben." (man stelle sich eine "Ich bin eben ein kaltschnäuziger Hund und moralisch komplett verdreht, komm drüber hinweg" - Stimme vor)

Ich glaube, wenn du so einen schwelenden inneren Konflikt des Charakters aufgrund seiner Taten bei ihm einbauen könntest, könnte er leichter interessant rüberkommen, obwohl er eben ein Fiesling bleibt. So auf die Art, dass der Leser nicht abgeschreckt wird, weil es eben auch interessant ist, mal das "zerrissene" Innenleben eines richtigen Fieslings mitzubekommen.

Ich hoffe, du weißt, wie ich das meine.

Liebe Grüße,
Fledermaus
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Alina am 07. Juni 2017, 20:05:04
@Dämmerungshexe und @canis lupus niger: Das mit der Entwicklung ist ein guter Vorschlag. Ich könnte mir schon vorstellen, dass mein Prota eine Wandlung durchmacht, zumindest in Massen. Es würde auch eigentlich ganz gut zu meinem Plot passen. Muss ich mir mal durch den Kopf gehen lassen.

@Fledermaus: Ich verstehe genau, was du meinst. Ich kann mir auch vorstellen, dass man auf diese Weise einen Fiesling an den Leser 'verkaufen' kann.
Zu meinem Charakter passt es aber nicht so gut. So, wie ich ihn jetzt geplant habe, ist er - zumindest zu Beginn - ziemlich von sich selbst überzeugt.  Selbstverachtung und Selbsthass kennt der Typ glaube ich nicht. Aber die Idee gefällt mir gut :)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Churke am 07. Juni 2017, 20:24:13
Zitat von: Alina am 07. Juni 2017, 16:18:22
Aber hier benimmt er sich erstmal ziemlich daneben, und das soll auch deutlich werden. :hmmm:

Möglicherweise liegt hier das Problem. Menschen meinen typischerweise, dass sie recht haben. Für einen POV, der sich daneben benimmt, sind die anderen Idioten (wenn er verliert) oder selber schuld (wenn er gewinnt).
Plastisch: Er stellt dem kleinen Mädchen ein Bein, weil es ein rotzfreche Göre ist, die nur klauen will.
Der Autor kann das Tun des POVs auch positiv darstellen, um Sympathien zu wecken. Nimm Goebbels: Wenn man ihn nach seinen Tagebüchern beurteilt, ist das ein netter Typ.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Trippelschritt am 08. Juni 2017, 10:21:12
Selbstverständlich kann man einen Protagonisten wählen, der ein Antiheld (schwach, böse, arrogant) ist. Aber erstens ist es gefährlich und zweitens muss man wissen, wie Figurenidentifikation funktioniert.

Gefährlich: Ich erinnere mich an eine Kurzgeschichte mit Erotik von mir, die von einer guten Freundin als Männertraum etikettiert wurde. Sie hat völlig überlesen, dass der Mann von vorne bis hinten als armes Würstchen benutzt wurde. Glücklicherweise war sie die Ausnahme. Aber sie ist meine beste und schärfste Betaleserin. Und dann so etwas. Man kann also leicht einen falschen Knopf drücken, ohne dass man das vorhatte.

Schwierig: Der Antiheld muss dem Leser etwas anbieten, was ihn fesselt und bis zu einem gewissen Grad auch Verständnis entwickeln lässt. Das ist schwierig, weil man einen großen Bogen um Klischees machen muss. Schlimme Kindheit ist keine Allerweltentschuldigung. Und "was erwartet ihr denn von einem, der mit einem Holzbein geboren wurde" ist so abgelutscht, dass es als Holzbein-Spiel bereits ein Standardbeispiel in der Psychologie ist (z.B. Eric Berne).

Aber man kann es machen. Mit der Perspektive hat es wenig zu tun. Ich-Perspektive (pov) ist allerdings besonders schwierig, weil man da die Figur besonders gut kennen muss. Er/sie-Perspektive ist allerdings kein Problem und hat nichts mit Protagonist oder Antagonist zu tun. Das ist ein anderes Thema.

Nur Mut
Trippelschritt
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: canis lupus niger am 08. Juni 2017, 18:47:24
Ich finde abweichend von Dir, @Trippelschritt, dass man das aus der Ichperspektive besonders gut darstellen kann. Durch die Innenschau kann der Leser unmittelbar am persönlichen Wertesystem des Prota teilhaben, ohne dass der Autor erst umständlich den persönlichen Werdegang schildert, der den Prota zu dem gemacht hat, was er ist. Er ist halt so wie er ist, nämlich ein A**** und steht dazu. Er stellt dem kleinen Mädchen ein Bein, weil er es für eine lästige kleine Kröte hält und es dafür bestrafen will, denn es hat schon die ganze Zeit mit schriller Stimme rumgekreischt und ihm dadurch seine Mittagspause verdorben. Der Leser nimmt durch die Augen und Ohren des Prota, gefiltert durch dessen Gehirn, die Welt so wahr, wie dieser sie selber sieht.

Ähnlich wie der viel zitierte Loki aus den Thor- und Avengers-Verfilmungen kann er trotzdem einen großen Fankreis gewinnen. Ein Antiheld handelt so "arschig", wie mancher Leser das vielleicht auch gerne mal tun würde.

Ein anderes Beispiel aus der ersten Folge der ersten Staffel von "Luzifer" (wenn auch nicht in Ich-Perspektive): Die Polizistin, zukünftige Partnerin Luzifers nimmt ihn notgedrungen mit zur Schule ihrer Tochter. Während die Mutter mit der Schulleiterin redet, lernt Luzifer das kleine Mädchen kennen. Er mag keine Kinder.
"Wie heißt du?"
"Ich heiße Luzifer."
"Wie der Teufel?"
"Genau."
"Ich heiße Teresa, aber Mami nennt mich Trixi."
"Trixi ist ein Nuttenname!"
Mutter kommt
"Mami, was ist eine Nutte?"
"Frag deinen Vater!"
In dem Moment ist der Prota ziemlich arschig für meinen Geschmack. Trotzdem muss man diesen absolut ungenierten A**** einfach gern haben.

Leb doch einfach mal alle Schlechtigkeit aus, @Alina, die Du in Dir finden kannst. Lass Deinen PoV zynisch sein, menschenverachtend, lass ihn dreckig grinsen, wenn er dem kleinen Mädchen ein Bein gestellt hat, und es richtig fies hingefallen ist. Finde Spaß an dem, was der Mistkerl macht, dann findest Du auch Spaß an dem Mistkerl selber, was Dir hilft, ihn trotzdem sympathisch darstellen zu können.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Alina am 09. Juni 2017, 08:46:23
Vielen Dank für Eure Beiträge! Ich habe mich mit diesem Problem schon eine Weile herumgeschlagen und finde es jetzt sehr spannend, Eure Standpunkte und Erfahrungen zu dem Thema zu lesen.

Durch die Diskussion ist mir klarer geworden, wo das Problem genau liegt und auch, was ich selbst eigentlich möchte. Für mich ist es schon wichtig, dass deutlich wird, dass Prota 1 ein Mistkerl ist.  Er selbst hält sich aber nicht für einen Mistkerl, sondern ist ziemlich von sich eingenommen.
Wenn ich jetzt noch eine zweite Perspektive dazunehmen, kann ich erstens besser herausstellen, dass Prota 1 sich danebenbenimmt, und zweitens habe ich dann einen  Sympathieträger. Ich denke, ich mache das jetzt so, dass ich den Handlungsstrang aus beiden Perspektiven erzähle, mal sehen, was dabei herauskommt.

Dass Prota 1 zum Ende hin eine Wandlung durchmacht, finde ich nach wie vor eine gute Sache. Das muss ich noch ein bisschen sacken lassen, wie ich das am besten umsetze.

Vielen Dank für Eure Unterstützung! Ihr habt mir sehr weitergeholfen. Ich plotte jetzt erst mal weiter.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Trippelschritt am 09. Juni 2017, 13:39:58
Zitat von: canis lupus niger am 08. Juni 2017, 18:47:24
Ich finde abweichend von Dir, @Trippelschritt, dass man das aus der Ichperspektive besonders gut darstellen kann. Durch die Innenschau kann der Leser unmittelbar am persönlichen Wertesystem des Prota teilhaben, ohne dass der Autor erst umständlich den persönlichen Werdegang schildert, der den Prota zu dem gemacht hat, was er ist. Er ist halt so wie er ist, nämlich ein A**** und steht dazu. Er stellt dem kleinen Mädchen ein Bein, weil er es für eine lästige kleine Kröte hält und es dafür bestrafen will, denn es hat schon die ganze Zeit mit schriller Stimme rumgekreischt und ihm dadurch seine Mittagspause verdorben. Der Leser nimmt durch die Augen und Ohren des Prota, gefiltert durch dessen Gehirn, die Welt so wahr, wie dieser sie selber sieht.

Ähnlich wie der viel zitierte Loki aus den Thor- und Avengers-Verfilmungen kann er trotzdem einen großen Fankreis gewinnen. Ein Antiheld handelt so "arschig", wie mancher Leser das vielleicht auch gerne mal tun würde.

Ein anderes Beispiel aus der ersten Folge der ersten Staffel von "Luzifer" (wenn auch nicht in Ich-Perspektive): Die Polizistin, zukünftige Partnerin Luzifers nimmt ihn notgedrungen mit zur Schule ihrer Tochter. Während die Mutter mit der Schulleiterin redet, lernt Luzifer das kleine Mädchen kennen. Er mag keine Kinder.
"Wie heißt du?"
"Ich heiße Luzifer."
"Wie der Teufel?"
"Genau."
"Ich heiße Teresa, aber Mami nennt mich Trixi."
"Trixi ist ein Nuttenname!"
Mutter kommt
"Mami, was ist eine Nutte?"
"Frag deinen Vater!"
In dem Moment ist der Prota ziemlich arschig für meinen Geschmack. Trotzdem muss man diesen absolut ungenierten A**** einfach gern haben.

Leb doch einfach mal alle Schlechtigkeit aus, @Alina, die Du in Dir finden kannst. Lass Deinen PoV zynisch sein, menschenverachtend, lass ihn dreckig grinsen, wenn er dem kleinen Mädchen ein Bein gestellt hat, und es richtig fies hingefallen ist. Finde Spaß an dem, was der Mistkerl macht, dann findest Du auch Spaß an dem Mistkerl selber, was Dir hilft, ihn trotzdem sympathisch darstellen zu können.

Wenn Du den Antihelden aus der Ich-Perspektive darstellst, dann machst Du ihn beinahe automatisch zum Protagonisten und hast jede Menge Schwierigkeiten mit der Figurenidentifikation. Aber selbstverständlich geht das. Und es geht auch gut. Aber nur, wenn Du weißt, wie Du so etwas schreiben musst, damit der Leser Dir folgt. (Loki im Film trägt nicht die Ich-Perspektive. Zumindest nicht in Film 1. Gab es mehrere? Weiß nicht mehr.)

"Beinahe automatisch" habe ich gesagt. Es ist sicherlich auch möglich, den Protagonisten aus der persönlichen Er/Sie-Perpektive zu behandeln und den Antagonisten in der Ich-Perspektive. Aber wenn Dir das gelingt, ohne dass der Prota dabei untergeht, und wenn der Plot stimmt, dann garantiere ich Dir beinahe einen Bestseller. Denn das setzt dem Schwierigkeitsgrad, den Liam Hearn gewählt hat, noch einen drauf.

Liebe Grüße
Trippelschritt
(so weit sind wir gar nicht auseinander)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Dämmerungshexe am 09. Juni 2017, 13:55:07
Zitat von: Trippelschritt am 09. Juni 2017, 13:39:58

Wenn Du den Antihelden aus der Ich-Perspektive darstellst, dann machst Du ihn beinahe automatisch zum Protagonisten und hast jede Menge Schwierigkeiten mit der Figurenidentifikation.


Ein Antiheld muss ja kein Antagonist sein - Antagonist heißt ja nur, dass die entsprechende Figur dem Willen des /der Protagonisten/in entgegen steht. Und auch ein Antagonist kann ein POV sein. Sogar in Disney-Filmen bekommen sie meist eine eigene Perspektive und die Rezipienten damit Einblick in ihre Motivation. Und so lange diese Motivation sich in einem logischen Rahmen bewegt, sehe ich eigentlich keine allzu großen Probleme mit der Identifikation - jeder von uns hat mal moralisch nicht einwandfreie Anwandlungen. Nur meist überschreiten wir eine gewisse Grenze nicht oder nicht so schnell. Die Kunst einen Antagonisten trotz seiner amoralischen Handlungen zur Identifikationsfigur zu machen liegt darin, dem Leser die Überwindung der Grenzen erfahren zu lassen.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: canis lupus niger am 09. Juni 2017, 14:23:54
Zitat von: canis lupus niger am 08. Juni 2017, 18:47:24
Er ist halt so wie er ist, nämlich ein A**** und steht dazu. Er stellt dem kleinen Mädchen ein Bein, weil er es für eine lästige kleine Kröte hält und es dafür bestrafen will, denn es hat schon die ganze Zeit mit schriller Stimme rumgekreischt und ihm dadurch seine Mittagspause verdorben.
Ich hasse es, wenn mich die Realität einholt.  :'( Das musste ich jetzt mal loswerden.
https://de.nachrichten.yahoo.com/t%C3%A4ter-von-arnschwang-galt-als-gemeingef%C3%A4hrlich-172942065.html (https://de.nachrichten.yahoo.com/t%C3%A4ter-von-arnschwang-galt-als-gemeingef%C3%A4hrlich-172942065.html)


Zitat von: Trippelschritt am 09. Juni 2017, 13:39:58
(Loki im Film trägt nicht die Ich-Perspektive. Zumindest nicht in Film 1. Gab es mehrere? Weiß nicht mehr.)
Im Film kann ich mir die Ich-Perspektive gar nicht vorstellen. Höchstens über einen Sprecher im Hintergrund oder so. Aber Du hast natürlich Recht. Und, ja, es gab mehrere Filme.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Churke am 09. Juni 2017, 14:35:28
In dem Zusammenhang Schurke als Sympathieträger möchte ich auf die Gangster-Serie "Peaky Blinders" hinweisen, deren 3. Staffel dieser Tage auf Arte läuft.
Sie nennen sich "Peaky Blinders", weil sie ihren Gegnern mit Rasiermessern die Augen aufschlitzen. Richtig nette Jungs also.  ::)
Es wird erpresst, geraubt, geprügelt, gemessert und erschossen. Trotzdem gelingt es der Serie, Thomas Shelby, den Boss der Peaky Blinders, als Sympathieträger aufzubauen. Thomas besitzt eine Reihe bewundernswerter Charaktereigenschaften wie Mut, Intelligenz, unbedingte Loyalität. Er ist ein Frauenschwarm, fängt aber nur etwas an, wenn er die Frau wirklich liebt.
Hinsichtlich seiner Geschäfte behilft sich die Serie eines Tricks: Thomas legt sich grundsätzlich nur mit richtig fiesen Typen an, die in der Nahrungskette weit über ihm stehen.

Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Trippelschritt am 10. Juni 2017, 07:24:47
@ Dämmerungshexe: Ich befürchte, wir reden aneinander vorbei. Mittlerweile scheint mir Du meinst eine von Szene zu Szene wechselnde Er/Sie Perspektive, wenn Du von PoV sprichst. Und das ist in der Tat überhaupt kein Problem. Bei dieser Spielart kann der Autor sich in den Kopf einer jeden Figur begeben, weil er ja auch nicht lange darin bleibt. Ich hingegen sprach immer von der Hauptperspektive des ganzen Romans.

Liebe Grüße
Trippelschritt
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Dämmerungshexe am 10. Juni 2017, 07:47:31
Nein, Trippelschritt, ich meine schon das gleiche wie du - POV kann wechseln aber auch den ganzen Roman über gleich bleiben und in beiden Fällen bei einem Antihelden oder moralisch fragwürdig handelnden Protagonisten liegen.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Lothen am 10. Juni 2017, 09:10:28
Also, wenn das Erzählen aus einer moralisch fragwürdigen Perspektive tatsächlich grundsätzlich ein Problem wäre, hätte ich gerade schon zwei Romane in den Sand gesetzt, meinem Debüt eingeschlossen. ;D Da es noch nicht draußen ist, kann ich das nicht beurteilen, aber bislang habe ich nicht das Gefühl, dass sie total daneben sind.

@Churke : Klingt nach einer ziemlich coolen Serie. ;D Einen ähnlichen Effekt hat man auch bei "House of Cards" (da hat der Prota sogar so was wie eine Ich-Perspektive, weil er z.T. direkt mit dem Zuschauer spricht). Der Prota ist ein eiskalter, skrupelloser Politiker, der intrigiert, Leute bescheißt, das Gesetz bricht und sogar Morde begeht, aber man kann sich trotzdem irgendwie immer mit ihm und seinen Zielen identifizieren. Ich hab darüber sogar mal einen Blog-Eintrag geschrieben, also über die Frage, wie man psychopathischen Charakteren sympathische Züge verleihen kann. Falls es jemanden interessiert: Klick (https://eleabrandt.com/2017/03/24/hilfe-meine-figur-ist-ein-psychopath-teil-2/)

Literarisch findet man den Effekt z.B. bei Abercrombie. Keiner seiner Protagonisten ist ein Chorknabe, im Gegenteil, die sind alle ziemliche Charakterschweine, aber trotzdem fand ich jede Perspektive unheimlich spannend und die meisten Figuren auch auf irgendeine Art sympathisch.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Trippelschritt am 10. Juni 2017, 09:13:49
@ Dämmerungshexe. Dann muss ich passen. Außer den Büchern von Hearn fällt mir auch kein anderes ein, wo mit einem deutlichen Perspektivwechsel zweier Hauptcharaktere gearbeitet wurde. Und das war damals beinahe schon eine kleine Revolution. Wohl kenne ich jede Menge Bücher, - meine eigenen gehören auch dazu - wo bei mehreren wichtigen Figuren je nach Bedarf und Einzelerzählstrang die Perspektive gewechselt wird. Der Antagonist als Erzbösewicht ist selten dabei. Protagonisten, die von Grund aus schlecht oder charakterschwach sind eignen sich schlecht zum Protagonisten wegen der von mir erwähnten Schwierigkeiten mit der Identifikation. Unmöglich ist es aber nicht.
Vielleicht kannst Du mir ein paar Beispiele geben, von denen ich vielleicht durch Zufall eines gelesen habe. Und wenn nicht, kann ich es ja nachlesen.

@ Lothen
Über eine moralisch fragwürdige Perspektive (Du meint wahrscheinlich Figur) rede ich ja nicht. Moralisch fragwürdig bietet ja gerade die Möglichkeit einer Auseinandersetzung und Entwicklung. Das ist nicht so schwierig wie etwas das a. bereits feststeht und b. ganz klar negtiv ist.

Liebe Grüße
Trippelschritt
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Lothen am 10. Juni 2017, 09:33:21
Zitat von: TrippelschrittProtagonisten, die von Grund aus schlecht oder charakterschwach sind eignen sich schlecht zum Protagonisten wegen der von mir erwähnten Schwierigkeiten mit der Identifikation.
Ich tue mich hier mit deiner Verallgemeinerung etwas schwer, Trippelschritt, denn ich sehe das überhaupt nicht so. Weder als Leser, noch als Autor. Im Gegenteil, ich tue mich schwer, mich mit moralisch total einwandfreien Figuren zu identifizieren, ich finde die mit charakterlichen Schwächen und moralischen Unzulänglichkeiten sehr viel authentischer.

Ich gucke mal gerade meinen Bücherschrank für ein paar Beispiele durch.

Romane, in denen der Antagonist eine Perspektive hat:


Bei den Harry-Potter-Büchern gibt es auch Passagen aus der Perspektive von Voldemort oder einem seiner Anhänger (in den späteren Romanen), soweit ich mich erinnern kann. Ich kenne auch eine Reihe Thriller oder Krimis, bei denen der Täter eine Perspektive hat (z.B. bei Dan Brown oder Joe Katzenbach).

Insofern: Doch, auch Antagonisten eignen sich als Perspektivträger, sind meiner Ansicht nach sogar unerlässlich, wenn man ihre Motivation glaubhaft darstellen will. Sonst kommt man am Ende um den lästigen Superschurken-Monolog kaum herum. ;)

/EDIT:
ZitatÜber eine moralisch fragwürdige Perspektive (Du meint wahrscheinlich Figur) rede ich ja nicht. Moralisch fragwürdig bietet ja gerade die Möglichkeit einer Auseinandersetzung und Entwicklung. Das ist nicht so schwierig wie etwas das a. bereits feststeht und b. ganz klar negtiv ist.
Hm, die Trennung finde ich aber schwierig. Jeder Mensch hat das Potenzial zur Veränderung, auch die mit einem richtig miesen Charakter. Denen fällt es vielleicht schwerer, aber Veränderungspotenzial ist immer gegeben, auch wenn die Figur zu Beginn ein totales Arschloch ist. Gut, ich schließe hier die Ober-Schurken á la Sauron mal aus, die eignen sich schon deshalb nicht als POV, weil sie eigentlich keine Charaktere in dem Sinne sind, sondern antagonistische Kräfte. Aber solche Gegenspieler sind ja auch eher selten geworden.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Christopher am 10. Juni 2017, 10:20:12
Zitat von: Tejoka am 07. Juni 2017, 12:13:43
Eine Faustregel, die ich mir daraus abgeleitet habe: Mein Prota muss sympathisch und/oder faszinierend sein - je weniger vom einen, desto mehr vom anderen. ;)

Dem würde ich absolut zustimmen. Ich muss mich nicht mit dem Prota identifizieren, damit eine Geschichte gut ist.
Mit Kvothe (winkewinke @Lothen ;D ) hab ich mich auch nicht identifiziert, trotzdem ist die Geschichte interessant und gehört damit zu meinen Favoriten. Ich hab mich auch nicht mit Inquisitor Glokta aus Abercrombies Klingenreihe identifiziert (ich bin kein verkrüppelter, verbitterter Folterknecht), aber auch der gehört zu meinen absoluten Lieblingen.

Was die Disukssion angeht:
Es fühlt sich für mich an, als ob ihr ein wenig aneinander vorbei redet, wobei sich zwei Themen teilweise überschneiden. Einmal der Antagonist als POV und ein antagonistischer/böser/charakterschwacher/moralisch fragwürdiger Charakter als Prota.

Zu ersterem:
Ich denke, der Antagonist kann sehr wohl und gut als POV funktionieren. Es bietet interessante Möglichkeiten der Erzählung, die eben auch einen Leser fesseln können. Spielt der Prota überhaupt eine wirkliche Rolle in seinen Gedanken und Plänen? Ist er wirklich das wichtigste, oder erwächst er erst im Verlauf der Geschichte zu einem Problem? Oder man zeigt seine Pläne, das Unheil das sich über dem Prota zusammenbraut und man selbst findet keinen Ausweg, beobachtet dann aber den Prota, wie er eben diese Widrigkeiten überwindet...
Da gibts viele Möglichkeiten, die die Geschichte besser machen können.
Hat man einen flachen, eindimensionalen, langweiligen Schurken, der bloß als Kraft im Hintergrund funktioniert, ist das natürlich nicht so erfolgversprechend.

Zum charakterschwachen/antagonistischen/... Prota:
Das kann erstaunlich gut funktionieren. In meinem Herzensprojekt baue ich gewissermaßen einen Charakter als Bösewicht auf. Stück für Stück. Vom kleinen Befehlsempfänger zur treibenden Kraft. Sie tut dabei einige Dinge, die definitiv nicht in Ordnung sind (nachts in Häuser einbrechen und wildfremden Menschen im Schlaf die Kehle durchschneiden ist ganz sicher nicht in Ordnung), als ich aber mal meine Betas gefragt habe, wie sie diesen Charakter wahrnehmen, war ihre Wahrnehmung weit von dem entfernt was ich erwartet hatte. Anstatt sie recht negativ wahrzunehmen, und rein mit Interesse zu verfolgen, wurde sie positiv aufgenommen. Ihre Aktionen, so grausam und bösartig sie auch im Grunde sind, wurden verstanden und als logische Konsequenz ihres Werdegangs akzeptiert.
Vermutlich liegt es daran, dass ich sie sehr lange dahin aufgebaut habe (wir reden von mehreren hunderttausend Wörtern), aber was ich damit sagen will ist: Auch das kann funktionieren.


PS:
Weitere Beispiele für Lothens Liste:
Raistlin Majere, von Margaret Weis und Tracy Hickman aus diversen Büchern. Definitiv ein Charakter auf der dunklen Seite, funktioniert aber gut.
Darth Maul, aus diversen Star Wars Büchern. Gehört im wörtlichen Sinne zur "dunklen Seite", kriegt aber auch Perspektiven und sogar Hauptperspektiven und wird von Lesern gut aufgenommen
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Trippelschritt am 10. Juni 2017, 16:07:35
Ja, wir reden aneinander vorbei. Ein antagonistischer Prota ist ein Widerspruch in sich und wäre ein schwarzer Schimmel.

Liebe Grüße
Trippelschritt
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Dämmerungshexe am 10. Juni 2017, 16:17:45
POV kann der Antagonist aber trotzdem sein. Und man kann sich auch mit ihm identifizieren, wenn die Figur entsprechend geschrieben ist. Und ein Protagonist kann amoralisch handeln oder ein Antiheld sein und immer noch sympathisch.

Ja, du hast durchaus Recht, Trippelschritt - ein antagonistischer Prota ist ein schwarzer Schimmel. Aber es gibt eben nicht nur schwarze Pferde und weiße, es gibt rote und braune und cremefarbene und gescheckte (und wer Asterix gelesen hat, weiß, dass man Pferde auch anmalen kann, um sie besser verkaufen zu können) ... Schwarz-Weiß-Malerei ist glaube ich eines der wenigen Prinzipien, die heutige Leser in den meisten Fällen tatsächlich ablehnen, weil sie komplett unrealistisch ist.

Eine genaue und klare Einteilung in Protagonisten und Antagonisten ist eigentlich nur dort möglich, wo es nur einen POV gibt, der die Blickrichtung vorgibt.

Würde tatsächlich ein amoralischer oder zumindest moralisch zweifelhaft ahndelnder Protagonist nicht funktionieren, gäbe es mindestens die Hälfte des Genres Dark-Fantasy nicht.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Yamuri am 08. Mai 2019, 18:59:10
Ich kram diesen Thread mal aus den Tiefen des Workshops hervor, weil ich beim Überarbeiten darauf gestoßen bin. Wenn ihr nach Perspektivenfehlern sucht oder bewusst Perspektivenwechsel setzen wollt, worauf achtet ihr da? Also woran erkenne ich, dass an einer bestimmten Stelle ein Perspektivwechsel passiert ist? Gibt es Tricks um den personalen und den auktorialen Erzähler eindeutig zu identifizieren? Der auktoriale Erzähler weiß ja alles, damit weiß er auch was die Charas fühlen, denken, das was sie sehen und was sie nicht sehen. Wenn sich im Text nun das was der auktoriale Erzähler weiß und der Chara auch weiß überschneiden, wie findet man raus, ob man in der Szene auktorial geblieben ist oder doch personal geschrieben hat und umgekehrt? Es gibt ja Stellen die eindeutig sind, aber gerade in dem Fall, in welchem sich das Wissen überschneidet also ident ist frage ich mich, wie ich beim Überarbeiten identifizieren kann welcher der beiden Erzähler es ist.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Coppelia am 08. Mai 2019, 19:12:30
Ach, wie cool! Genau über das Thema habe ich meine Diss geschrieben. :D Dazu könnte ich natürlich umfangreich antworten, aber ich versuche es mal ganz kurz und auch etwas unvollständig. Vielleicht möchtest du auch ein Beispiel im Workshop zeigen? Dann könnte ich vielleicht mal wieder meine Analyse-Werkzeuge wetzen.

ZitatGibt es Tricks um den personalen und den auktorialen Erzähler eindeutig zu identifizieren?

Ich nutze die Begriffe so: auktorial: Der Erzähler hat Perspektive. Personal: Eine Figur hat Perspektive. Ich habe andere Begriffe genutzt, aber es ist ja klar, was gemeint ist, oder?
Nach der Theorie, nach der ich gearbeitet habe, hat der Erzähler grundsätzlich immer Perspektive, also auch dann, wenn er einer Figur Perspektive "gibt". Es gibt aber Hinweise darauf, ob speziell eine Figur Perspektive hat:
- Wörter des Sehens, Denkens, Bemerkens u. ä. "Jasmina vermutete, dass ihr Bruder sie schon die ganze Zeit belogen hatte." Wenn der Text nicht durchgängig personal erzählt ist, können das Stellen sein, wo die Perspektive vom Erzähler zur Figur wechselt.
- Elemente im Text, die die Einschätzung, Meinung, Wertmaßstäbe einer Figur wiedergeben. Ein berühmtes Beispiel aus der Ilias ist z. B. die Szene, wo Priamos Achills Hände küsst, "die grausamen, die ihm schon viele Söhne getötet hatten". Das könnte auch eine Bewertung des Erzählers sein, gibt aber vermutlich Priamos' Wahrnehmung und Urteil wieder.
- Innerer Monolog, Wiedergabe von Gedanken generell (auch wenn sie nur kurz sein mag)
- Eins meiner Lieblingskennzeichen: "Figurentext". Der Text enthält Elemente, die aus dem Vokabular der Figur stammen. "Bald würden die Mattisräuber heimkommen, und dann, potz Pestilenz, würde auch der letzte kleine Hosenschisser von einem Borkaräuber schneller aus der Mattisburg verschwinden, als er reingekommen war!"

Hinweise darauf, dass der Erzähler Perspektive hat, sind in moderner Literatur eher selten:
- Elemente im Text, die Einschätzung, Meinung, Wertmaßstäbe des Erzählers wiedergeben (Ja, es gibt Erzähler, die z. B. das Verhalten ihrer Figuren bewerten!)
- Apostrophe (Leser, Figur im Text oder was auch immer werden angesprochen)
- Vorausdeutungen auf Geschehen, das noch folgen wird und das die Figur daher nicht kennen kann
- Möglicherweise Exkurse

Die Wertmaßstäbe als Kennzeichen von Perspektive sind knifflig. Man muss die Werte der Figuren und des Erzählers kennen, damit man entscheiden kann, ob eine Bewertung einer Figur oder dem Erzähler "gehört". Bei Erzählern, die nicht viel in Erscheinung treten, ist eine solche Einschätzung aber kaum machbar. Wenn eine Figur aber Werte vertritt oder Beurteilungen vornimmt, die ungewöhnlich sind (etwa ein Antagonist, der einen Massenmord als völlig normal betrachtet), ist das ein Hinweis darauf, dass sie gerade Perspektive hat.
Hilft dir das weiter?
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Trippelschritt am 08. Mai 2019, 19:13:48
Vergiss mal den auktorialen Erzähler als Allwissenden. Den gibt es fast nur noch in Schreibkursen und Lehrbüchern.
Wichtig wegen der Auswirkungen und einfach zu bemerken ist der Unterschied zwischen der Ich- und der Er/Sie/Es-Perspektive. Jede Figur in einer Geschichte hat eine eigene Perspektive, die sich u.a. auch im Sprachstil oder der Art der Wahrnehmung äußern kann.

Und was ist mit dem Autor?
Da kommt noch etwas dazwischen. Den Beobachter. Stell ihn dir vor wie einen Kameramann, der mal nah rangeht oder mal aus der Totalen filmt. Die wird gern bei Beschreibungen eingesetzt und klingt meist distanziert.

Der Autor kann auch eine Stimme haben. Aber es gibt nicht viele Schreiber, die es schaffen, die persönliche Stimme des Alters mit den anderen zu vermengen. ohne dass es sofort ins Auge sticht. Sehr subtile Kunst.

Den besten Schreibratgeber, den ich zu Deiner Frage kene ist von Orson Scott Card: Character & Viewpoint. Keine Ahnung, ob es das Buch auch auf Deutsch gibt, aber ich denke schon.

Liebe Grüße
Trippelschritt

EDIT: Posts überschnitten
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Ahneun am 08. Mai 2019, 19:19:03
Ha! @Yamuri Danke! Hier befindet sich auch mein Problemfeld!
Ich werde hier sehr viel für mich finden. -glaub ich-
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Yamuri am 08. Mai 2019, 21:56:24
@Coppelia: Oh, das ist ja toll. Wie lautet denn der Titel deiner Diss? Es würde mich sehr interessieren sie komplett zu lesen. Deine Antwort finde ich sehr aufschlussreich. Danke dir. :) Ich kann dir gern ein Beispiel schicken. Im öffentlich sichtbaren Bereich will ich ungern Ausschnitte aus meinen Romanprojekten zeigen (meine Fanfiction erscheinen mir aber alle eher auktorial, kannst aber gerne mal reinlesen https://www.fanfiktion.de/u/Yamuri Ich werd morgen mal sehn ob ich dort vielleicht ein Beispiel finde das man hier posten kann, wenn ich darf? Immerhin geht das ja dann schon in Richtung Textbewertung).

@Trippelschritt: Danke für deinen Buchtipp. Englisch ist für mich kein Problem. Werde mir das Buch aus der Bibliothek holen. :) Den Beobachter habe ich bisher immer mit dem auktorialen Erzähler assoziiert. Im Schreibprozess fühle ich mich als ein Beobachter der das Geschehen wahrnimmt und niederschreibt was er sieht/erlebt. Der Beobachter ist aber mehr als nur ein äußerer Beobachter. Ich empfinde mich dabei selbst als Telepath und Empath, der in die Gedanken der Charaktere hineinsehen kann und auch ihre Gefühle wahrnehmen, selbst die Versteckten.

@Ahneun: Ah, das freut mich, dass Antworten zu meiner Frage auch dir und vielleicht noch Anderen ebenfalls nützlich sind. :)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Trippelschritt am 09. Mai 2019, 07:12:46
Was Du persönlich machst oder bevorzugst, Yamuri, ist allein Deine Sache - oder die Deiner Geschichte. Wenn Du in Köpfe hineinschauen möchtest und darüber schreiben, nur zu. Wenn Du alles weiß, wirst Du eben zum allwissenden Erzähler des 19. Jahrh. Aber das ist heute nicht mehr Standard Für mich war wichtig, dass Perspektive und Distanz sehr stark miteinander gekoppelt sind und dass es einen Beobachter gibt, der rein nur das wiedergeben kann, was er sieht ohne Deutung oder alles weiß wie früher einmal. Und dann gibt es noch jede Abschattierung dazwischen. Genug wür einen Autor sich das klarzumachen und sich zu entscheiden, wohin er gehen möchte. Denn es gibt kein richtig oder falsch, nur passend oder unpassend.

Viel Erfolg
wünscht
Trippelschritt
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Yamuri am 09. Mai 2019, 07:56:54
@Trippelschritt: Dass der Beobachter alles weiß, bedeutet für mich nicht, dass ich alles was ich weiß auch aufschreibe. In meinem Storyboard schon, in der Geschichte dann nicht. Wenn jedes Denken/Fühlen immer eindeutig benannt wird, nimmt das meiner Meinung nach auch die Spannung raus. Daher finde ich es durchaus wichtig und sinnvoll nicht immer zu schreiben was ich weiß, aber vom dahinterstehenden Gefühl im Schreibprozess, fühle ich mich als ein alles sehender Beobachter. Da differenziere ich zwischen meinem Gefühl und dem was ich dann tatsächlich auch offen lege indem es niedergeschrieben ist. Hatte ich mich vielleicht oben etwas unklar ausgedrückt.

Wobei sich das auch unterscheidet je nach Projekt. Ich habe ein Projekt mit sehr vielen Charakteren. Kapitelweise erfährt man immer von dem Gedanken/Emotionen eines Charakters mehr, ich zoome also rein, wohingegen die andren Handelnde im Gesamtkontext der Szene bleiben ohne dass bekannt wird warum und wieso sie so handeln und sprechen wie sie es tun. Gerade bei diesem Projekt bin ich mir teilweise unsicher ob Leser alles als wechselnde personale Perspektiven empfinden werden oder ob sie es als allgemein auktorial wahrnehmen und ob es in Ordnung ist manchmal kleine Einschübe zu haben, die eben etwas beschreiben was der Hauptchara des Kapitels nicht weiß, ich aber dennoch benennen möchte. Vielleicht spielt das auch keine Rolle vorher einschätzen zu können wie Leser empfinden, aber mir ist das wichtig es zu wissen und beim Überarbeiten selbst zu erkennen wo gerade welche Perspektive und wo ein Wechsel und ob der Wechsel in Ordnung geht, damit ich bewusster damit umgehen kann. Vorbild für die Struktur usw. ist ein wenig George Martin, weil er auch so viele Charas hat und kapitelweise von einem Charakter zu einem anderen schwenkt. Das betrifft aber eben nur dieses eine Projekt.

Alle andren Projektkonzepte von mir lassen sich sehr klar als personal umschreiben, mit wechselnden Perspektiven von maximal drei Charakteren, zeitweise sogar personal mit nur einer Perspektive und einem klaren Protagonist. Das ist bei dem Mammutprojekt halt anders und speziell. :)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Coppelia am 09. Mai 2019, 08:46:12
Moin,

@Yamuri, das freut mich sehr, dass du damit etwas anfangen kannst. :vibes:
Die Diss handelt hauptsächlich von Latein, weil ich mit der Methode lateinische Texte analysiert habe, aber ich kann dir gern den Theorieteil schicken, wenn er dich interessiert. Der Rest ist wohl nicht so spannend. Schick mir einfach deine Adresse.
Ich kann das Thema auch gern in einem Blogbeitrag etwas unterhaltsamer aufbereiten. Da suche ich ohnehin noch immer nach passenden Themen.

Das Problem an den Begriffen auktorialer, personaler Erzähler usw. ist in meinen Augen, dass sie einerseits nur einen kleinen Teil von sehr komplexen Theorien abbilden, die oft von unterschiedlichen Personen stammen und untereinander nicht kompatibel sind (diese Theorien werden in Schreibratgebern und an der Schule ,,verstümmelt" gelehrt, sodass die Begriffe gar nicht das bezeichnen, wofür sie ursprünglich entwickelt wurden. Sinn?! Und damit müssen Schüler*innen ihr Deutsch-Abitur schreiben!). Andererseits sind die Theorien, wie ich finde, viel zu kompliziert. Nach der Methode, die ich verwendet habe (nach der Erzählforscherin Mieke Bal, die sich wiederum an Genette orientiert hat), hat entweder der Erzähler Perspektive oder eine Figur +der Erzähler haben Perspektive. Das ist sehr einfach und lässt sich leicht erkennen, wenn weiß, worauf man achten kann (was auch einfach ist). Ein Vorteil ist dabei, dass die Art der Erzählung und des Erzählers dabei völlig offen bleibt. Man kann sehr alte oder sehr moderne Texte analysieren mit allen möglichen Arten von Erzählern und Figuren. Ob etwa der Erzähler allwissend ist bzw. was er weiß, kann man mit dieser Methode herausfinden.
Ich weiß gar nicht, wieso nicht alle diese Theorie nutzen. :D
Man bewertet auch nicht, sondern schaut halt den Text an, wie er ist. Bewertungen treten ja nur dann auf, wenn man findet, der Text müsse bestimmte Kriterien erfüllen, wenn man also z. B. eine bestimmte Perspektive im Kopf hat und nach ,,Fehlern" sucht.

Es ist auch normal, dass man beim Erzählen aus der Sicht einer Figur immer unterschiedlich nah an der Figur dran ist. Wenn man z. B. zusammenfassende Passagen aus Figurensicht erzählt, ist man nicht so nah dran, wie wenn man die Gedanken, die einer Figur durch den Kopf schießen, wörtlich wiedergibt.

Interpretationsspielraum und strittige Stellen wird es immer geben, und das macht viele Texte erst interessant.

Bei dir, Yamuri sah für mich vom kurzen Reinsehen die Fanfiction nach typischer Figurenperspektive aus (personaler), aber stell ruhig einen Fall rein, wo du dir unsicher bist. Man muss ja auch ganz genau hingucken, um sicher zu gehen.

Ich glaube, Leser*innen empfinden gar nichts als "auktorial", das tun nur Autor*innen oder Erzählforscher*innen. ;D Leser*innen mögen etwas oder nicht. Dabei ist die Perspektive wichtig, klar, aber auch viele andere Dinge.

ZitatDass der Beobachter alles weiß, bedeutet für mich nicht, dass ich alles was ich weiß auch aufschreibe.
Aha! ;D Das war nämlich auch Bestandteil von Bals Theorie. Der Erzähler (oder Autor*in, wenn man es gleichsetzen will) trifft eine Auswahl aus der Gesamtzahl der Ereignisse. Das zeigt, wie wichtig der Erzähler ist. Durch ihn erfährt man immer nur einen Ausschnitt. Und was erzählt wird und was nicht, ist auch für die Interpretation wichtig.

:winke: :jau:
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Wildfee am 09. Mai 2019, 09:20:45
@Coppelia Mach da bitte, bitte einen Blogbeitrag raus! Ich schlage mich auch damit herum und beiße mir die Zähne an manchen Szenen aus ;-)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Yamuri am 09. Mai 2019, 09:59:20
@Coppelia: Vielen Dank. Ein Blogeintrag dazu wäre sicher auch super spannend und vor allem für viele hilfreich. Ich denke, dass du damit sicherlich eine große Bandbreite an Interessenten erreichen würdest. Hab dir via PN meine Mail geschickt.

Ich glaub, dass nicht alle dieselben Theorien verwenden ist wie mit der Zitierweise an den Unis, da fragt man sich auch oft: wieso gibt es keinen Zitier-Standard nach dem sich einfach alle richten.

Spannend, dass du meine Fanfictions eher als personal gewichtet hättest. Zum Beispiel hier, bei der Szene im Spoiler wäre ich mir unsicher was das ist, denn im Grunde ist es das was Ace sieht, aber was auch der Beobachter sieht. Anhand deiner Erklärung konnte ich heute aber beim nochmal kurz reinlesen auch erkennen warum du von personal sprechen würdest. :)

Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Coppelia am 09. Mai 2019, 10:56:03
Ok, ich werde einen Blogartikel dazu ausarbeiten. Vielen Dan für die Anregung. Wenn ich ihn habe, melde ich mich hier im Thread. :)

@Yamuri
Unterschiedliche Theorien zu verwenden, ist ja völlig ok. Aber verstümmelte Theorien zu verwenden und so zu tun, als sei das der normale Standard, ist halt ... Schule. ::)

Bei der Szene habe ich auch den Eindruck, dass die Perspektive wechselt.  Das geht sicher anderen ähnlich.  Etwa bis "Der Pirat grinste höhnisch" hat Ace Perspektive, dann scheint es sich zu ändern. Ich köntne dir den Text, wenn du möchtest, genauer analysieren, aber ich weiß nicht genau, wer die einzelnen Leute sind, das ist noch das Problem. "Der Pirat" ist nicht Ace, oder? Und wer ist "der Schwarzhaarige"? Ist das Ace?

Es gibt aber auf jeden Fall auch wieder Passagen im Text, in denen Ace eindeutig Perspektive hat. Was mir auffällt, ist, dass Bezeichnungen wie "der Jüngere", "Selbiger", vielleicht auch "der Schwarzhaarige", wenn Ace damit bezeichnet wird, nicht die Perspektive von Ace auf sich wiedergeben können. Die Figur würde sich selbst nur als "Ace" oder "er" wahrnehmen und sich nicht anhand von Äußerlichkeiten. Auch Beschreibungen, wie die Figur gerade aussieht ("Sein Gesicht blieb unverändert" oder "mit unschuldiger Miene") geben nicht die Sicht der Figur wieder, die sich ja nicht von außen sehen kann. Daher sind das Hinweise darauf, dass eine andere Perspektive vorliegt (vielleicht Erzählerperspektive, vielleicht die einer anderen Figur). Falls du das nicht möchtest, sondern möchtest, dass die Perspektive bei Ace bleibt, könntest du dir an solchen Stellen die Frage stellen, wie sich die Figur selbst wahrnehmen würde. Also könnte man es z. B. so ändern, falls gewünscht:

,,Eine Karte der Grand Line tut's doch auch, oder?", fragte er mit unschuldiger Miene. --> ... fragte er und bemühte sich um einen unschuldigen Augenaufschlag.

Zitat,,Har, har. (..)."
;D
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Yamuri am 09. Mai 2019, 12:23:31
Du darfst den text gern genauer analysieren. :) Deine Erläuterungen helfen mir sehr einen Blick dafür zu bekommen.

Ace ist hier noch kein Pirat, also die Szene ist eine Sequenz noch am Anfang seines Werdegangs. Er spielt mit ein paar Piraten Poker. Einer davon ist eben der hier als Pirat bezeichnete Pirat. Handelnde in der Gesamtszene sind Ace, der bärtige Pirat, ein Mädchen und noch zwei weitere Mitspieler.

Wie müsste es denn formuliert sein um in der Erzählerperspektive zu bleiben, aber gleichzeitig Ace Innenleben zu zeigen?
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Coppelia am 09. Mai 2019, 14:45:51
Hey, @Yamuri, ich versuch es mal. Ich hoffe, ich verstehe den Inhalt richtig, sonst wird es jetzt ein bisschen absurd. ;D Der Schwarzhaarige ist dann Ace, nehme ich an?

ZitatWie müsste es denn formuliert sein um in der Erzählerperspektive zu bleiben, aber gleichzeitig Ace Innenleben zu zeigen?
Also zumindest laut der Theorie, die ich benutzt habe, kannst du sowieso nie die Erzählerperspektive verlassen, sondern der Erzähler "gibt" einer Figur Perspektive. Du kannst auch Fälle haben, wo sich beide Stimmen vermischen, und das scheint bei deinem Absatz der Fall zu sein. Aber bei dir tritt eigentlich der Erzähler nicht besonders hervor, sondern man wird eher aus der Perspektive von Ace "rausgerissen".

Grün markiert habe ich typische Figuren-Perspektive-Kennzeichen.

Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.

Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Ahneun am 09. Mai 2019, 18:25:34
Zitat von: Coppelia am 09. Mai 2019, 08:46:12

Es ist auch normal, dass man beim Erzählen aus der Sicht einer Figur immer unterschiedlich nah an der Figur dran ist. Wenn man z. B. zusammenfassende Passagen aus Figurensicht erzählt, ist man nicht so nah dran, wie wenn man die Gedanken, die einer Figur durch den Kopf schießen, wörtlich wiedergibt.

Interpretationsspielraum und strittige Stellen wird es immer geben, und das macht viele Texte erst interessant.

Ich glaube, Leser*innen empfinden gar nichts als "auktorial", das tun nur Autor*innen oder Erzählforscher*innen. ;D Leser*innen mögen etwas oder nicht. Dabei ist die Perspektive wichtig, klar, aber auch viele andere Dinge.  :hatschi:

Wow! Danke für diesen Beitrag. Aber nun meine Frage hierzu.
Würdest Du, auf die Perspektive bezogen, einen Unterschied sehen, wenn man(n) (als Autor) die feminine Sichtweise beschreibt und die Leserin(!) fühlt sich später nicht in die weibliche Charakterrolle hinein? Muss ich spätestens dann die Perspektive nachbearbeiten?
Ich würde mich hier auf Deine Aussage, (s.Zitat) stützen, dass es der Interpretationsspielraum ist und er die Texte daraufhin erst interessant macht.

Aber was ist wenn, - wenn mir die Lektorin, ein maskuliner Schreiber, meinen femininen Stil kritisiert und, oder, als nicht perspektivisch zur weiteren Überarbeitung zurückweist, was dann?  :hmmm: Lohnt sich eine Auseinandersetzung bzw. ist ein Streitgespräch zielführend wenn ich mir sicher bin, dass meine Protagonistin eben genau die von mir beschriebenen Wesenszüge inne hat?
Zugegeben, es ist noch nicht soweit gekommen, ich befürchte allerdings solch einen Konflikt.   :bittebittebitte:

Sollte ich (männlich) ein Frauenversteher sein, um die entsprechenden Gedanken von weiblichen Protagonisten in die richtigen Worte zu fassen um die Leserinnen(!) entsprechend zu erreichen?
Einen männlichen Protagonisten (z.B. Mörder) mit Worten zu beschreiben und in seine Gefühls- sowie Gedankenwelt einzutauchen, stellt für mich, so gesehen, kein großes Problem dar. Hier kann ich den allgemeinen Lesenden m/w womöglich auch von meinem Protagonisten überzeugen.
Aber, eine Mörderin denkt und handelt anders als ein Mörder. Die Tat, der Mord an sich, interessiert mich in dieser Angelegenheit nicht. Hier ist Mord gleich Mord.
Allerdings besteht die Gefahr, dass mein knallharter Krimi eine Lachnummer werden könnte wenn ich feminine und maskuline Perspektiven nicht entsprechend herausarbeite.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Coppelia am 09. Mai 2019, 19:13:22
@Ahneun
Das ist ein echt spannendes Thema und eine Frage, die sich sicher viele Autor*innen stellen.

Die Analyse-Theorie, die ich benutzt habe, kann da aber leider nicht helfen, fürchte ich. Sie eignet sich halt "nur" dazu, herauszufinden, wann eine Figur oder der Erzähler Perspektive hat. Die Methode ist gar nicht dazu gedacht, Texte zu prüfen oder sie zu verbessern, und sie kann auch nicht angeben, ob ein Text "gut" ist oder eine Perspektive "gelungen" ist.

Was ich meinte, ist, dass es manchmal Texte gibt, wo man nicht genau sagen kann, ob an einer bestimmten Stelle eine Figur (bzw. welche) oder der Erzähler Perspektive hat, und dass diese Stellen interessant sein können. Sie lassen nämlich oft verschiedene Interpretationen zu, wodurch sich die Aussage des Textes ändern kann. Das absichtlich anzuwenden, ist recht knifflig und kennzeichnet eher anspruchsvolle Texte. Es kann natürlich auch unabsichtlich passieren. Dann fände ich es als Autor*in sinnvoll zu fragen, woran es liegt, dass der Text nicht so verstanden wird wie gewünscht, und die Textstelle gegebenenfalls so ändern, dass der vorgesehene Sinn deutlich wird. Das bezieht sich wirklich nur auf einzelne Textstellen und Formulierungen, nicht auf die gesamte Darstellung einer Figur durch ihre Perspektive.

Ich nenne mal ein Beispiel, was ich aus der Diss noch im Kopf habe.
Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.


Entschuldigt, dass ich so viel rumlabere. Das Thema ist, als würde man bei mir auf die Play-Taste drücken. ::)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Ahneun am 09. Mai 2019, 19:29:14
Zitat von: Coppelia am 09. Mai 2019, 19:13:22
Entschuldigt, dass ich so viel rumlabere. Das Thema ist, als würde man bei mir auf die Play-Taste drücken. ::)

*grins*  :knuddel:
Du, ich danke Dir für die Antwort. Ich glaube aber, ich bin zwischen Dir und @Yamuri dazwischen gegrätscht und habe Euch unterbrochen. Außerdem finde ich Eure Diskussion ebenso verfolgenswert und werde mich zu gegebenem Zeitpunkt einbringen.

Dann halte bitte Deine Play-Taste weiterhin gedrückt. Ich jedenfalls freue mich, dass Yamuri diesen Thread entstaubt hat.  :hatschi:
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Yamuri am 09. Mai 2019, 20:02:52
@Coppelia: Vielen Dank für die Mail und die Analyse. Hab schon ein bisschen reingelesen. Sehr spannend das Thema und deine Diss. :) Die Analyse und deine Anmerkungen helfen mir auf jeden Fall sehr mein Gefühl für die Perspektiven zu schulen. Deine Veränderungsvorschläge gefallen mir sehr. Also falls ich mich mal dran setze meine Fanfictions zu überarbeiten (die liegen schon sehr lange brach, weil ich keine Zeit für sie habe), dann berücksichtige ich deine Kommentare dazu auf jeden Fall. Klingt in meinen Ohren so wesentlich stimmiger. Und ich finde deine Ausführungen zu unsren Fragen sehr gut. Du darfst gern weiter sprechen und ich freu mich auf deinen Blogeintrag zum Thema.

Eine andre Frage. Hättest du den Wechsel in der Szene als störend empfunden, wenn du aus der Perspektive der Leser*innen den Text gelesen hättest?

@Ahneun: Ach, das passt schon, dass du auch Fragen gestellt hast.  :knuddel: Ich bin mir nicht ganz sicher ob ich deine Fragen richtig verstehe. Es wirkt auf mich so hättest du den Anspruch an deine Charaktere, sie so darzustellen, dass sich Frauen in Frauen und Männer in Männer hineinfühlen können. Korrigier mich bitte, wenn ich das missverstanden haben sollte. Ich hatte den Eindruck beim Lesen deiner Fragen, dass die Perspektive da weniger das Problem ist, sondern deine Angst einen Chara aus Sicht eines Lektors falsch darzustellen? Ich denke dass die Perspektive nicht unbedingt ausschlaggebend dafür ist, ob Lektor*innen und Leser*innen einen Charakter sympathisch und/oder glaubhaft finden oder nicht.  Tatsächlich würde ich soweit gehen zu sagen: es gibt nicht die eine weibliche Denkweise, männliche Denkweise oder das eine Täterprofil wenn es um Mörder geht. Die menschliche Persönlichkeit ist extrem vielschichtig und komplex. Es wird zwar immer wieder versucht anhand des Geschlechts, des Alters, der Nationalität Menschen in Schubladen zu stecken, ihnen Rollen zuzuweisen, aber ich denke, das unterstützt nur traditionelle Vorstellungen und festigt überholte Strukturen, die wir eigentlich brechen wollen um eine inklusive Welt zu schaffen in der die Vielfalt gelebt werden kann. Was ich damit sagen will: lass deine Charas genau so sein, wie sie eben sind. Und wenn jemand sagt, es sei schwer sich reinzuversetzen, dann liegt das denke ich weniger am Geschlecht des Charas sondern daran, dass Informationen fehlen oder der Chara eben unsympathisch wirkt. Mit der Figurenperspektive kannst du dem entgegen wirken indem du stärker das Innenleben und die Entwicklung des Charas zeigst würde ich sagen.

Hilft das irgendwie weiter oder bin ich an deiner eigentlichen Frage vorbei geschossen?
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Coppelia am 12. Mai 2019, 05:29:47
@Yamuri
Freut mich sehr, wenn ich dir weiterhelfen konnte! Dir danke fürs Lesen. Ernsthaft. ;D In solchen Sachen steckt natürlich viel Arbeit, und sie wird größtenteils ziemlich sinnlos investiert, weil Diss-Themen für fast niemanden interessant sind außer einem selbst. Wenn die Arbeit wirklich jemandem weiter hilft, freue ich mir einen Keks.
Mit dem Blogeintrag habe ich allerdings noch nicht angefangen, momentan fließt meine ganze Energie in die Überarbeitung. ::)

ZitatEine andre Frage. Hättest du den Wechsel in der Szene als störend empfunden, wenn du aus der Perspektive der Leser*innen den Text gelesen hättest?
Ja, ich glaube schon. Das liegt halt an der Erwartungshaltung als Leser*in, dass die Perspektive halt bei der Figur (und einer Figur) verbleibt und nicht wechselt. Dass es so sein soll, schärfen einem ja fast alle Schreibratgeber ein. Es gibt auch einige gute Argumente dafür, warum Figurenperspektive spannend ist. Trotzdem ist mir ein bisschen schleierhaft, wie sich die Erzähltradition dermaßen gewandelt hat; relativ viel Erzählerperspektive war ja noch sehr lange üblich, und fast jeder Klassiker ist so geschrieben.
Gerade wir Fantasyautoren stehen ja in der Tradition der großen Epen und haben, zumindest mit diesem Argument, ein "Recht" darauf, die Figurenperspektive auch mal zu verlassen. ;) Ich persönlich glaube, dass man ziemlich alles machen darf, dass es aber auch nötig ist zu wissen, was man gerade macht, um die erwünschte Wirkung zu erzielen.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: FeeamPC am 12. Mai 2019, 14:28:25
Wenn man mit verschiedenen Perspektiven spielt, kann man auch Informationen hereinbringen, für die man sonst den allwissenden Erzähler gebraucht hätte, also ein Pluspunkt. Allerdings sollten diese Perspektiven im jeweiligen Abschnitt auch strikt sein, dass der Leser genau weiß, in wessen Kopf er gerade steckt. Sonst gibt es Irritationen, auch wenn die bei vielen Lesern unterschwellig sein dürften, weil sie nicht genau benennen können, was sie eigentlich stört.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Judith am 12. Mai 2019, 21:42:12
Zitat von: Coppelia am 12. Mai 2019, 05:29:47
Ja, ich glaube schon. Das liegt halt an der Erwartungshaltung als Leser*in, dass die Perspektive halt bei der Figur (und einer Figur) verbleibt und nicht wechselt. Dass es so sein soll, schärfen einem ja fast alle Schreibratgeber ein. Es gibt auch einige gute Argumente dafür, warum Figurenperspektive spannend ist. Trotzdem ist mir ein bisschen schleierhaft, wie sich die Erzähltradition dermaßen gewandelt hat; relativ viel Erzählerperspektive war ja noch sehr lange üblich, und fast jeder Klassiker ist so geschrieben.
Mir ist es auch schleierhaft. Ich liebe den auktorialen Erzähler und lese wohl deshalb auch so gern Klassiker. Ich kann mich auch noch gut erinnern, wie sehr ich den Anfang von "Der Name des Windes" geliebt habe und wie enttäuscht ich war, als der Hauptteil dann in den Ich-Erzähler wechselt.  :'(
Was nicht heißt, dass ich nicht auch gern Romane in personaler Perspektive lese, aber ich schätze die Abwechslung und es ist mir ein Rätsel, weshalb die auktoriale Perspektive inzwischen so verpönt ist.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Coppelia am 13. Mai 2019, 15:26:20
Ist nur eine Theorie von mir, aber: "Mitfiebern" macht einen Roman spannend. Und je stärker man in der Perspektive einer Figur drinsteckt, desto mehr hat man als Leser*in die Möglichkeit, mit ihr mitzufiebern. Spannende Romane werden schneller durchgelesen, sodass die Leser*innen dann Nachschub brauchen. Sie bleiben auch in guter Erinnerung, weil sie unterhaltsam sind, sodass die Leser*innen Nachschub wollen. Und sie sind weniger anspruchsvoll und damit leichter zugänglich, weil der*die Leser*in nicht verschiedene Ebenen und Perspektiven im Kopf auseinander dröseln muss. (Normalerweise auch nicht, wenn verschiedene Figuren Perspektive haben, da dies in der Regel klar ersichtlich getrennt ist.)
Mit anderen Worten: Figurenperspektive bietet einen wirtschaftlichen Vorteil, da entsprechende Romane schneller, mehr und von mehr Personen gelesen werden. So erkläre ich es mir jedenfalls.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Trippelschritt am 13. Mai 2019, 16:05:58
Ja, Um das Mitfiebern geht es. "Aber was bedeutet: Je stärker man in der Perspektive einer Figur drinsteckt."?

Heißt je stärker, je dichter dran an einer Figur? Dann wäre es Nähe. Meinst du keine Perspektivwechsel? Dann wäre die beste Perspektive die Ich-Perspektive, denn da wird in der Regel nicht oder kaum gewechselt.

Aber für das Mitfiebern sind Perspektive und Nähe/Distanz nur zwei von mehreren Faktoren. Außerdem kann ich auch die Gegenthese aufstellen, dass der Perspektivwechsel zum Mitfiebern führt. (führen kann). George Martin macht das vor. Durch die vielen Figuren gibt es keinen Protagonisten. Aber da die wichtigsten Figuren unterschiedliche Sprachen sprechen und unterschiedliche Weltansichten haben, unterscheiden sie sich deutlich voneinander. Und wenn sie ihre eigene Perspektive bekommen wie der Lannisterzwerg oder Jon Snow, dann können sie zu Lieblingen werden, weil die authentischer erscheinen als die anderen Figuren, mit denen der Leser sie automatisch vergleicht. Wohingegegn nicht jede Geschichte in Ich-Form gut ankommt.

So gut mir deine Behauptung gefällt, weil sie Dinge einfach macht, so sejr zweifele ich auch daran, dass es so ist. Oder dass das alles ist. Trotzdem bin ich Dir ausgesprochen dankbar für diesen Post. Er hat mich mal wieder über etwas zum Nachdenken gebracht, was ich eigentlich schon abgehakt hatte.

Liebe Grüße
Trippelschritt
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Churke am 13. Mai 2019, 16:53:55
Zitat von: Coppelia am 12. Mai 2019, 05:29:47
Trotzdem ist mir ein bisschen schleierhaft, wie sich die Erzähltradition dermaßen gewandelt hat; relativ viel Erzählerperspektive war ja noch sehr lange üblich, und fast jeder Klassiker ist so geschrieben.

Ich vermute hier den Einfluss anderer Medien, sprich des Films. Der Film erzählt streng personal. Szenen werden heute auch anders geschrieben als früher.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Coppelia am 13. Mai 2019, 18:19:25
@Ahneun
Es freut mich immer, wenn ich ein bisschen provozieren kann. ;D Ich glaube auch, dass es so einfach nicht ich.

Wechsel zwischen verschiedenen Figuren ist ja immer noch personale Perspektive bzw. Figurenperspektive. Man kann dann mit verschiedenen Figuren mitfiebern. Allerdings wird es tatsächlich wieder anspruchvoller, wenn die Figuren gegensätzliche Ansichten haben.

Warum einige Leser*innen Ich-Form nicht mögen, habe ich mich auch schon gefragt, da sie tatsächlich eine der besten Möglichkeiten zum Mitfiebern sein müsste. (Nach meiner Theorie ist Ich-Perspektive aber nur eine Art von Figurenperspektive, sie wird nicht getrennt behandelt.)

@Churke
Mangels Film-Theorie-Kenntnissen kann ich wenig zur Begriffsverwendung im Film sagen. Aber in meinen Augen macht gerade im Medium Film den Unterschied aus, dass man grundsätzlich nicht ganz nahe mitbekommt, was im Kopf der Figuren vor sich geht. Man muss es als Zuschauer*in immer irgendwie erschließen. Das kann natürlich zum Teil sehr einfach sein, wenn die Wahrnehmung einer Figur und ihre Reaktion darauf gezeigt wird und alles schlüssig ist. Aber man wird doch normalerweise nicht z. B. direkt an den Gedanken der Figur teilhaben, oder? (Natürlich gibt es auch hier Methoden, wie z. B. Sprecher*in aus dem Offf u. ä.)
Ich glaube aber auch, dass der Film bei dieser Entwicklung eine Rolle spielt, und mich würde sehr interessieren, welche.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Yamuri am 14. Mai 2019, 21:26:22
Zitat von: CoppeliaFreut mich sehr, wenn ich dir weiterhelfen konnte! Dir danke fürs Lesen. Ernsthaft. ;D In solchen Sachen steckt natürlich viel Arbeit, und sie wird größtenteils ziemlich sinnlos investiert, weil Diss-Themen für fast niemanden interessant sind außer einem selbst. Wenn die Arbeit wirklich jemandem weiter hilft, freue ich mir einen Keks.
Mit dem Blogeintrag habe ich allerdings noch nicht angefangen, momentan fließt meine ganze Energie in die Überarbeitung. ::)

Kein Stress. Ich überarbeite momentan auch recht viel und kann nun etwas besser auf Perspektiven achten. Deine Diss lässt sich auch sehr gut lesen. Man merkt, wie viel Arbeit drin steckt.

Zitat von: CoppeliaIch persönlich glaube, dass man ziemlich alles machen darf, dass es aber auch nötig ist zu wissen, was man gerade macht, um die erwünschte Wirkung zu erzielen.

Das war auch der vorrangige Grund für mich mehr rauszufinden, um zu wissen was ich tue und bewusst Perspektivenwechsel zu setzen. :)

Zitat von: FeeamPCWenn man mit verschiedenen Perspektiven spielt, kann man auch Informationen hereinbringen, für die man sonst den allwissenden Erzähler gebraucht hätte, also ein Pluspunkt. Allerdings sollten diese Perspektiven im jeweiligen Abschnitt auch strikt sein, dass der Leser genau weiß, in wessen Kopf er gerade steckt. Sonst gibt es Irritationen, auch wenn die bei vielen Lesern unterschwellig sein dürften, weil sie nicht genau benennen können, was sie eigentlich stört.

Ist eine Möglichkeit, wobei es nicht immer passt, finde ich. Manches lässt sich meiner Meinung besser über den allwissenden Erzähler sagen ohne auf mich konstruiert zu wirken oder erzwungen. Mir ist es lieber wenn der allwissende Erzähler genutzt wird, als wenn ich das Gefühl habe ein Chara wurde nur zu dem Zweck eingeführt bestimmte Informationen verbal zu vermitteln. Liegt wohl auch mit daran, dass ich generell erzählerischen Schreibstil mag und mir gern auch mal abstraktere Beschreibungen von Außen oder Hintergrundinformationen durchlese.

Zitat von: JudithMir ist es auch schleierhaft. Ich liebe den auktorialen Erzähler und lese wohl deshalb auch so gern Klassiker. Ich kann mich auch noch gut erinnern, wie sehr ich den Anfang von "Der Name des Windes" geliebt habe und wie enttäuscht ich war, als der Hauptteil dann in den Ich-Erzähler wechselt.  :'(
Was nicht heißt, dass ich nicht auch gern Romane in personaler Perspektive lese, aber ich schätze die Abwechslung und es ist mir ein Rätsel, weshalb die auktoriale Perspektive inzwischen so verpönt ist.

Ich mag den auktorialen Erzähler auch und ich denke im beschreibenden Text wird er wohl immer verwendet. Spätestens wenn man raus zoomt und etwas Hintergrund erzählt. Stephen King oder auch Tolkien haben stellenweise durch Telling eigentlich viel Erzählerperspektive, also den auktorialen Erzähler. Also so ganz aus der Mode ist er glaub ich nicht, nur wird er nicht mehr als Haupterzähler eingesetzt, sondern mehr als Transporteur des Hintergrunds/Rahmens wie mir scheint.

Zitat von: TrippelschrittAber für das Mitfiebern sind Perspektive und Nähe/Distanz nur zwei von mehreren Faktoren. Außerdem kann ich auch die Gegenthese aufstellen, dass der Perspektivwechsel zum Mitfiebern führt. (führen kann). George Martin macht das vor. Durch die vielen Figuren gibt es keinen Protagonisten. Aber da die wichtigsten Figuren unterschiedliche Sprachen sprechen und unterschiedliche Weltansichten haben, unterscheiden sie sich deutlich voneinander. Und wenn sie ihre eigene Perspektive bekommen wie der Lannisterzwerg oder Jon Snow, dann können sie zu Lieblingen werden, weil die authentischer erscheinen als die anderen Figuren, mit denen der Leser sie automatisch vergleicht.

Eines meiner Projekte hat auch dieses Konzept, viele Charaktere, keinen eindeutigen Protagonisten. Das Projekt ist stärker Plotdriven. Ich achte bei den Perspektivenwechseln wie George Martin darauf, dass der Wechsel möglichst nur pro Kapitel stattfindet und nicht innerhalb eines Kaps. Habe auch Martins Bücher analysiert und mir seine Vorgehensweise ein wenig als Vorbild genommen.

Zitat von: ChurkeIch vermute hier den Einfluss anderer Medien, sprich des Films. Der Film erzählt streng personal. Szenen werden heute auch anders geschrieben als früher

Wäre mir da nicht so sicher, ob Filme streng personal erzählen, eher streng "show" anstelle "tell". Es wird auch häufiger gewechselt in Szenen und nicht nur gezeigt, was ein einziger Chara erlebt, sieht und macht, also Perspektivenwechsel. Grade wenn man mit der Kamera Panoramaperspektive hat und die draufsicht ist es denk ich auch nicht mehr personal? Siehe die Szenen bei Fluch der Karibik auf dem Meer oder bei Star Wars Weltraumschlachten, bei denen nur die Raumschiffe gezeigt werden. Das würde ich als auktoriale Erzählweise betrachten.

Zitat von: CoppeliaIch glaube aber auch, dass der Film bei dieser Entwicklung eine Rolle spielt, und mich würde sehr interessieren, welche.

Ich denke, dass Medien insofern auf die Erzählweise in Romanen Einfluss haben, als dass durch sie das Show in den Vordergrund gerückt ist. Zum einen das, und zum anderen, der Anspruch in Filmen nur Szenen zu zeigen die auch Relevanz haben für die Handlung. Das ist auch ein Punkt auf den ich versuche zu achten, ob die Szenen einen Mehrwert für die Gesamtgeschichte haben. Haben sie das, bleiben sie drin, haben sies nicht, dürfen sie gestrichen werden.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Antennenwels am 15. Mai 2019, 00:43:27
Ich habe eure letzten Beiträge mit viel Interesse gelesen. Mir war lange nicht bewusst, wie sehr man die Distanz zur Figur verändern kann beim personalen Erzähler (3. Person), indem man gewisse "Filterwörter" nutzt, oder eben weglässt. Beispielsweise: "Sie sieht einen Hund vorbeilaufen" (distanziert) im Vergleich zu "Ein Hund läuft vorbei" (nahe).
Ich bin mir nun unsicher, wie man mit der Nähe/Distanz in Geschichten am besten umgeht und würde gerne hören, wie ihr das handhabt. Gilt es ebenfalls als schlecht, wenn man zwar nicht zwischen Perspektiven per se wechselt, aber die Distanz zur Figur sich je nach Szene verändert. Es scheint mir in "show" Szenen ist es einfach nahe am Charakter zu bleiben, aber insbesondere wenn man Dinge zusammenfasst (oder generell in tell Szenen) wird es sehr schwierig und umständlich diese extreme Nähe zum Charakter aufrecht zu erhalten und es erscheint mir fast schon unmöglich alle Filterwörter (fühlen, sehen, hören, bemerken, realisieren etc) wegzulassen.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Yamuri am 15. Mai 2019, 07:18:07
@Antennenwels:

Also mein Grundgefühl bei den Antworten ist: Wechsel per se sind nicht schlecht, solange man weiß was man tut und bewusst damit umgeht. Wenn ich beispielsweise Landschaften beschreibe (ich mag Landschaftsbeschreibungen in Büchern), dann zoome ich raus aus den Charakteren und gehe mehr auf Distanz. Offenbar geschieht das bei mir zum Teil aber subtil, weil Testleser die Parts zum Teil durchaus als durchgehend personal empfanden. Vereinzelt gab es dann aber Sätze, die wurden aus dem personalen rausgerissen empfunden und die werde ich korrigieren. Grade bei Tell Szenen gehe ich aber wie gesagt gern in den auktorialen Erzähler rein und versuche ein Mittelmaß zu halten.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Churke am 15. Mai 2019, 11:34:21
Zitat von: Antennenwels am 15. Mai 2019, 00:43:27
Es scheint mir in "show" Szenen ist es einfach nahe am Charakter zu bleiben, aber insbesondere wenn man Dinge zusammenfasst (oder generell in tell Szenen) wird es sehr schwierig und umständlich diese extreme Nähe zum Charakter aufrecht zu erhalten und es erscheint mir fast schon unmöglich alle Filterwörter (fühlen, sehen, hören, bemerken, realisieren etc) wegzulassen.

Ich halte von solchen Filterwörtern generell nicht viel. Wir nehmen unsere Umwelt zwar gefiltert wahr, sind uns dessen aber nicht bewusst. Wenn ich zum Beispiel denke "Der Bürgermeister ist ein Idiot", dann halte ich das für eine Tatsache, obwohl es bestenfalls eine Vermutung ist.
"Der Bürgermeister ist ein Idiot", dachte Churke ist eine unnötige und umständlich. Wir arbeiten hier nicht journalistisch.

Solche Filterwörter benutzen wir in der Regel auch nicht als Filterwörter, sondern, um die Wahrnehmung zu betonen. "Ich habe einen Fuchs im Garten gesehen" ist keine Distanzierung, sondern eine außergewöhnliche Begegnung. War der Fuchs schön öfters da, sage ich "Der Fuch war wieder im Garten." Das lässt sich 1:1 auf das personale Erzählen übertragen. Erzähl deine Geschichte, wie du sie am Stammtisch erzählen würdest, und du kannst nichts falsch machen.  :)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Coppelia am 15. Mai 2019, 13:55:52
Ich glaube, bei dem Film habe ich mich unklar ausgedrückt. Ich meinte, dass in meinen Augen Filme eher weniger personal erzählen (können), weil Gedanken nur mithilfe von Kunstgriffen dargestellt werden können, Gefühle erschlossen werden müssen (auch wenn es einfach sein kann; aber das ist es nicht immer) und es fast immer einen Wechsel zwischen dem Blick auf die Figur und dem, was sie sieht, gibt. Ganz abgesehen von Dingen, wie Yamuri sie erwähnt: Totalen, Kamerafahrten, die auf keinen Fall die Wahrnehmung einer Figur wiedergeben können. Aber wie gesagt, ich bin keine Filmtheoretikerin.
Was ich eher glaube: Die hektische Erzählweise moderner Filme mit ihren kurzen Szenen und schnellen Schritten hat das Publikum ungeduldig gemacht und der klassischen Erzählerperspektive im Buch das Wasser abgegraben. Man möchte keine langen Einleitungen lesen, sondern bitte sofort Action. ;)

Was die "Filterwörter" betrifft: Die heißen in meiner Theorie "Fokalisationsmarker" und sind gewöhnlich ein Zeichen dafür, dass eine Figur Perspektive hat. Sie werden sich wohl selten ganz vermeiden lassen, und ich sehe auch nicht, warum das nötig sein sollte. "sah", "hörte", sind sicher die häufigsten. Meist wird man sie intuitiv nutzen, wenn man es für nötig hält. Bewusst nutzen kann man sie aber auch, um nach einem eher distanzierten Erzählabschnitt (oder reiner Erzählerperspektive) wieder näher an die Figur ranzugehen. Ich denke nicht, dass diese Begriffe Distanz darstellen. Sie stellen in meinen Augen eher Nähe dar, auch wenn es Methoden gibt, die Nähe zur Figur noch größer zu machen.
Zu prüfen, ob sie in dem jeweiligen Satz nötig sind, halte ich für einen ganz guten Plan. Wenn man schon in der Perspektive einer Figur fest "drin" ist, braucht man sie oft nicht.

ZitatGilt es ebenfalls als schlecht, wenn man zwar nicht zwischen Perspektiven per se wechselt, aber die Distanz zur Figur sich je nach Szene verändert. Es scheint mir in "show" Szenen ist es einfach nahe am Charakter zu bleiben, aber insbesondere wenn man Dinge zusammenfasst (oder generell in tell Szenen) wird es sehr schwierig und umständlich diese extreme Nähe zum Charakter aufrecht zu erhalten 
@Yamuri hat es ja auch schon geschrieben: Es ist normal, und man will nicht die ganze Zeit über ganz dicht an der Figur bleiben. Was machst du dann z. B., wenn sie mehrere Stunden lang ein langweiliges Buch liest - willst du alles mitschneiden, was sie liest? ;) Wie du schon schreibst, wird dann eine Zusammenfassung erforderlich. Ich persönlich finde es eigentlich dynamisch und interessant, wenn die Distanz zur Figur unterschiedlich groß ist.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Wildfee am 15. Mai 2019, 14:12:24
Ich verfolge den Thread sehr interessiert mit und achte beim Lesen von Büchern dementsprechend stärker auf die Perspektiven.
Im Moment lese ich ein Buch, bei dem mir eine Pespektivenkombination aufgefallen ist, die ich bisher nicht bewußt wahrgenommen habe:
Die weibliche Hauptprotagonistin hat die Ich-Perspektive Vergangenheit, während die Kapitel des männlichen Hauptprotagonisten in der personalen Perspektive gehalten sind.
Ich finde das zum einen ungewöhnlich (entweder, weil ich es bisher nicht wahrgenommen habe oder weil es nicht allzu häufig vorkommt) und zum anderen recht elegant gelöst. Man bekommt nahe Einblicke in das Gefühlsleben der einen Person, fühlt sich der anderen aber auch nicht fremd.

Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Alina am 16. Mai 2019, 20:16:42
Ich habe die letzten Beiträge auch mit großem Interesse gelesen.

Zum Thema und Identifikation mit der Figur/Mitfiebern und Perspektive fällt mir das Buch 'the fifth season' von N.K. Jemisin ein. Darin ist einer der Handlungsthreads in der  "Du"-Perspektive geschrieben (bzw. "you", ich habe es auf englisch gelesen) 
Wörtlich steht da: "You are she. She ist you. You are Essun."  Der Leser wird regelrecht aufgefordert, sich mit Essun zu identifizieren.
Ich mochte diese  Perspektive nicht besonders. Einerseits hatte ich das Gefühl, ich werde genötigt, mich mit der Figur zu identifizieren. Zum anderen aber auch deshalb, weil  Essun gleich zu Anfang etwas tut, was mir nicht gefällt. Sie verhält sich unmoralisch, und ich habe an der Stelle eher das Bedürfnis, mich zu distanzieren.
Das Buch fand ich trotzdem spannend. Aber die Art und Weise, wie mit der Du-Perspektive eine Nähe des Lesers zur Protagonistin forciert wurde  - so habe ich es jedenfalls empfunden -  hat mich gestört.

Dass ein ganzer Handlungsthread in der "Du"-Perspektive geschrieben ist, ist mir in dem Buch zum ersten Mal so begegnet.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: FeeamPC am 17. Mai 2019, 19:18:51
Klingt sehr nach Spielebuch.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Alina am 19. Mai 2019, 08:12:28
Ja, stimmt. Spielebücher sind häufiger in dieser Perspektive geschrieben. Aber in einem Roman finde ich die Du-Perspektive schon ungewöhnlich.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Coppelia am 22. Mai 2019, 19:41:19
Meine Theorie ist, dass die Autorin die Leser*innen noch stärker als sonst üblich "einladen" wollte, die Perspektive dieser Figur einzunehmen. Wenn ich es recht zusammenbekomme, geht es ja um Machtmissbrauch und Diskriminierung. Ich glaube, dass es darum gehen könnte, dies aus den Augen eines Opfers mitzuerleben. Allerdings habe ich nicht allzu weit gelesen, obwohl ich persönlich das Buch großartig fand. Daher kann ich nicht sagen, ob die Theorie stimmt.

Ich kann auch noch was zum Thema "Bücher, bei denen ich die Perspektive misslungen fand" beitragen. Und zwar den 2. Band von Liu Cixins Trisolaris-Trilogie. Ich versuche wenig zu spoilern, aber ein bisschen muss ich doch. Sonst wird das Problem nicht deutlich, was ich damit habe.
Der Plot ist, dass Außerirdische in absehbarer Zeit die Erde angreifen werden. Vier Personen werden beauftragt, sich etwas auszudenken, was die Aliens aufhält. Die Aliens überwachen aber irgendwie sämtliche Kommunikation, und daher muss das, was sich die Personen ausdenken, geheim bleiben und kann nicht kommuniziert werden. Auch die Hauptfigur, ein junger Mann, gehört zu diesem erlesenen Personenkreis. Auch er heckt einen Plan aus, um die Aliens aufzuhalten. So weit, so gut.
Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.

Das würde meiner Ansicht nach in einem Film gut funktionieren, wo man eben nicht in den Kopf der Figuren hineinsehen kann. In meinen Augen ist es in einem Roman ein absolutes No-Go. So eine Art Betrug an den Leser*innen, denen Informationen vorenthalten werden, die sie an sich bekommen müssten.

Aber: Wer bin ich, das zu sagen. Der Autor ist ein internationaler Bestseller-Autor, seine Ideen sind spannend, und ich habe gerade den 3. Band bestellt. Man kann also nicht ernsthaft sagen, dass das nicht geht. Natürlich geht es – sieht man ja.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Trippelschritt am 22. Mai 2019, 20:31:16
Es spricht nichts dagegen als winziges Licht auch einen der ganz Großen zu kritisieren. Bei mir steht die Trilogie im Regal und ich kann mich kaum überwinden, auch noch den Band 3 zu lesen. So schlimm finde ich den zweiten Band geschrieben. Aber das ändert nichts an der Strahlkraft seiner Idee und auch Teilen der Umsetzung. Seit Jahren dümpelt für mich die SF so vor sich her, und dann kommt da so ein Chinese und hebt mit seinen Ideen die Welt aus den Angeln. Wahnsinn!!!!

Aber seine Fähigkeiten zu erzählen kommen lange nicht an seine Ideen heran. Und wer da empfindlich ist, bekommt damit Probleme. So muss es jeder selbst herausfinden, ob er die Trilogie mag oder nicht. Zumindest der erste Band ist für ein SF-Liebhaber in meinen Augen ein Muss.

So, jetzt habe ich als kleines Licht aber fürchterlich zugeschlagen. ;D

Trippelschritt
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Coppelia am 22. Mai 2019, 20:42:53
@Trippelschritt
Winziges Licht? Hmpf. ;D :P Na ja, stimmt schon.

Ich bin ziemlich sicher, dass chinesischen Büchern andere Erzähltraditionen zugrunde liegen als europäischen, sodass eventuell noch andere Erwartungen nicht erfüllt werden und/oder Dinge als störend empfunden werden. Ich kann das aber nicht konkretisieren. Wobei es mir eigentlich genau das auch gefällt; ich mag es nicht so sehr, wenn alles vertraut und vorhersehbar ist.
Für mich hat vor allem dieser "Fehler" mit der Perspektive den zweiten Band ziemlich zerstört. Richtig sauer gemacht hat mich die Auflösung am Schluss! Mal sehen, wie der dritte sein wird. Lass uns gegebenenfalls wieder fürchterlich zuschlagen. ;D
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Yamuri am 22. Mai 2019, 21:00:21
Ich hab seine Bücher noch nicht gelesen, habe es aber noch vor. Allerdings gehe ich mit einer andren Erwartung heran. Der Autor ist Chinese und die Geschichte handelt auch von Chinesen. Das bedeutet, es fließen in die Struktur, den Aufbau, die Erzählweise, den Plot die chinesische Mentalität und Sichtweise hinein. Es ist keine westliche oder verwestlichte Geschichte. Damit wird sie auch ganz anders erzählt werden als wir das gewohnt sind.

Das finde ich toll, denn nichts wäre schlimmer als ein chinesisches Buch zu lesen, das total verwestlicht wurde nur damit es bei uns besser ankommt. Das fand ich schon bei den Kampfkunstarten so schrecklich, dieses aus Kunst mach Sport, nimm alle Philosophie raus und lass es zu einer Sportart verkommen, der die Seele fehlt Prinzip. Kampkunst von einem Chinesen oder einer Chinesin unterrichtet ist anders als die verwestlichten Kampfsportarten. Leider ist es schwierig in unsren Breiten  chinesische Lehrmeister*innen zu finden. Aber ich schweife ab vom Thema. Was ich sagen möchte ist, dass ich es vollkommen nachvollziehbar finde, wie du @Coppelia beschreibst, dass der Autor seinen Roman aufbaut. Das mag bei mir ein wenig mit daran liegen, dass ich mittlerweile sehr viele chinesische Serien im Originalton gesehen hab und anfange ein Gefühl dafür zu entwickeln, wie Geschichten dort aufgebaut werden. Es überrascht mich daher nicht, was du über Band 2 geschrieben hast und es macht mich jetzt noch neugieriger.

Letztes Jahr hatte ich nämlich an Weihnachten überlegt den ersten Band zu kaufen, zu lesen und dann meinem Vater zu Weihnachten zu schenken. Hatte mich dann aber doch für die Kinder der Zeit von Tchaikovski entschieden. Das Buch Kinder der Zeit ist auf jeden Fall sehr empfehlenswert. Es folgt zwei Handlungssträngen bzw. Zeitebenen und das originelle daran ist die Evolution einer neuen, nichtmenschlichen Spezies und ihr aufeinadertreffen mit den vermutlich letzten Menschen der Erde zu beobachten. Ist sehr spannend und faszinierend geschrieben. :)

@Edit: jetzt hat sich das überschnitten und du hast schon geschrieben was ich auch anmerken wollte, also dass chinesische Erzähltradition anders ist. ;)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Trippelschritt am 22. Mai 2019, 21:37:20
Stand in einem anderen Thread. Deshalb hier nur Kurzwiederholung.

In neuerer chinesischer Literatur kenne ich mich nicht aus, aber die großen Klassiker habe ich alle gelesen sowohl auf Englisch als auch auf Deutsch und Bandits of the Marshes sogar von zwei unterschiedlichen englischen Übersetzern. Will sagen, so ein wenig kenne ich die chinesische Art zu erzählen. Aber lest selbst. Mir wäre es lieber gewesen, der Autor hätte im zweiten Band etwas gekürzt, denn seine Zukunftswelt war doch ein wenig schwach inspiriert und weitgehend beliebig. Da habe ich Seiten überschlagen, was ich selten tue.

Trotzdem: Ich bewundere seine Ideen. Wirklich ein ganz großer Wurf.

Trippelschritt
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Tina am 10. Juli 2022, 20:26:41
Ich hab mal eine Frage zum Thema Perspektivwechsel.

Wie sehr würde es euch als Leser stören, wenn der erste Teil einer Romanreihe in einer einzigen Perspektive geschrieben wurde und der zweite Teil (vielleicht nur der, aber ggf. auch weitere Teile) dann aus verschiedenen Perspektiven erzählt wird?

Ich habe das Gefühl, dass das nicht sehr typisch ist. Aber vielleicht sehe ich den Wald vor lauter Bäumen nicht und das ist eine gängige Taktik, die den Leser nicht total frustriert zurücklässt.  :versteck:
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Kare am 10. Juli 2022, 21:22:43
@Tina
Zitat von: Tina am 10. Juli 2022, 20:26:41Wie sehr würde es euch als Leser stören, wenn der erste Teil einer Romanreihe in einer einzigen Perspektive geschrieben wurde und der zweite Teil (vielleicht nur der, aber ggf. auch weitere Teile) dann aus verschiedenen Perspektiven erzählt wird?

Ich habe das Gefühl, dass das nicht sehr typisch ist. Aber vielleicht sehe ich den Wald vor lauter Bäumen nicht und das ist eine gängige Taktik, die den Leser nicht total frustriert zurücklässt.  :versteck:
Hm  :hmmm:  Es würde mir als ungewöhnlich auffallen und ich habe es bisher bei Büchern noch nicht erlebt, dass sich das Erzählmuster bei Reihen so drastisch verändert hat.
Das heißt aber noch nicht, dass es mich stören würde. Es würde mich vermutlich nur sehr überraschen, wenn ich nach Band 1 dann Band 2 aufschlage und es so anders weiter geht als zuvor. Also, wenn beispielsweise nach Harry Potter Band 1 der zweite aus Sicht von Ron, Hermione, Snape und sonst noch Leuten ist. Es bricht eben das Schema.

Die Frage wäre daher: Brauchst du es? Bekommst du es anders nicht erzählt? Warum ist es für den Plot diesmal relevanter als in Band 1? Gäbe es Möglichkeiten, das 'sanfter' einzuführen, also ab Buchhälfte Band 1 schon ein paar andere Perspektiven einzubringen, die man dann steigert und in Band 2 dann eben gleich mehr hat? Dann käme es nicht so überrumpelnd.

Fazit: Ich könnte nicht von vornherein sagen, dass es mich stört, wenn die Geschichte ansonsten sehr überzeugt.  :)  Aber auffallen würde es mir und ich würde mich fragen warum.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Avery am 10. Juli 2022, 21:26:55
Zitat von: Tina am 10. Juli 2022, 20:26:41Ich habe das Gefühl, dass das nicht sehr typisch ist.

Jetzt müsste man natürlich "typisch" definieren.  ;D  Mir fällt auf Anhieb tatsächlich nur eine einzige Dystopie in meinem Regal ein, bei der mit einer Perspektive gestartet wurde. Im zweiten? Band kam dann eine zweite hinzu - leider nur, damit die ursprüngliche Prota sterben kann. Ansonsten hatte die Perspektive nicht viel Mehrwert, bzw. hätte man die erhaltenen Infos auch problemlos über Prota 1 bekommen können.

Soll heißen: Es kommt vielleicht nicht häufig vor, aber es kommt vor. Und am Ende entscheidest du, welche Perspektiven es braucht, um deine Geschichte zu erzählen. Sofern sie also erst in Band 2 einen echten Mehrwert hat: Why not?  :)

Edit: Überschnitten mit Kare.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Malou am 10. Juli 2022, 21:49:17
Ich bin mir grad nicht sicher und kann leider nicht nachschauen, da ich die Bücher nicht hier habe, aber hat Eragon in Band 1 nicht mit einer einzigen Perspektive gestartet? In den drei Folgebänden waren es immer mindestens drei Perspektiven. Falls das nicht zutreffend ist, bitte kurz korrigieren, dann editiere ich den Beitrag.

Ansonsten fällt mir bis jetzt keine andere Reihe ein, wo das so war. Glaube aber, dass es sicherlich ein paar gibt. Ich würde es persönlich als okay, je nachdem wie es geschrieben wurde sogar als gut bewerten, solange die Perspektivträgerin in Band 1 auch noch die Hauptperspektivträgerin und damit die Haupt-Prota bleibt.

Ich würde also nicht sagen, dass es ein absolutes No Go ist, sondern dass das auch ziemlich gut werden kann.

Darf ich fragen, wen von deinen Figuren du noch in der Perspektive haben willst? Wird es ein neuer Charakter oder einer der Haupt-Nebencharakteren? Persönlich finde ich es spannend, wenn es ein neuer Charakter ist ODER ein Charakter, der bisher nicht so viel Bühne hatte und im Folgeband nun wichtiger wird. Wenn es um den Love Interest geht... Das mag ich in den meisten Fällen nicht so sehr, wenn es auf einmal beide Perspektiven gibt (Prota + Love Interest). Aber das sehen die Leute sicher verschieden.
Du könntest ebenfalls darüber nachdenken, ob du auch in Band 1 schon zwei Perspektiven andenken könntest. Die zweite Perspektive müsste ja (noch) nicht allzu viel Bühne kriegen. Aber das muss natürlich Sinn machen und die Story voranbringen.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: traumfängerin am 10. Juli 2022, 23:28:16
Wenn ich mich recht entsinne, hat @Alana das bei einer ihrer Reihen so gemacht, dass der erste Band aus nur einer Perspektive erzählt wird (weibliche Protagonistin) und im zweiten Band eine weitere hinzukommt (männlicher Protagonist). Auch bei Outlander ist es, glaub ich, so, dass zunächst nur aus einer Perspektive erzählt wird (Claire), irgendwann in den Folgebänden kommen dann noch die Perspektive von Jaime, ihrer Tochter und Jaimes Sohn dazu. Das machte auch durchaus Sinn, da die Figuren sich nicht am selben Ort befanden, sie konnte also gar nicht mehr alles aus Claires Perspektive beschreiben. An sich spricht also nichts dagegen, die Perspektive ein wenig auszudehnen.
Allerdings kann das für mich nur dann funktionieren, wenn du personal bleibst und die Perspektive nicht auf zu viele ausdehnst. Bei einer Perspektive hast du ja vermutlich einen personalen Erzähler, dein Prota. Wenn du jetzt noch eins, zwei Perspektiven hinzunimmst, diesen aber Raum gibst und auch hier ganz nah am Charakter bleibst, bleibst du deinem Erzählstil treu, womit deine Leser dann kein großes Problem haben sollten. Wenn du jetzt hingegen aus deinem Erzähler plötzlich einen auktorialen Erzähler machst, du aus der Perspektive von vielen Nebenfiguren berichtest und du mit größerer Distanz als zuvor erzählst, würde ich mich als Leser ein wenig verloren fühlen.
Die Antwort ist also, wie in solchen Fällen so oft, es kommt darauf an.  ;D
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Alana am 11. Juli 2022, 09:33:52
Ja, genau, ich habe das bei Seelenmagie so gemacht, da habe ich das ganze erste Buch nur aus der Sicht der Protagonistin geschrieben, bis auf den Prolog von Band 1, den habe ich schon aus der Sicht der männlichen Hauptfigur geschrieben, als Cliffhanger und Vorbereitung, und ab Band 2 hat er dann auch eine eigene Perspektive gehabt. Und bei "Das Herz der Quelle" hatte ich in Band 1 zwei weibliche Perspektiven und in Band 2 eine weibliche und eine männliche. Ich habe für diese Dinge noch nie negative Rückmeldungen erhalten, eher im Gegenteil. Mittlerweile habe ich auch einige Bücher gelesen, in denen die Perspektiven fröhlich wechseln, wenn es gut gemacht ist und zur Story passt, ist das wunderbar.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Mindi am 11. Juli 2022, 10:28:06
Wenn ich mich richtig erinnere, hat die Reihe Reihe "Cassia & Ky" im ersten Band nur eine weibliche Perspektive, im zweiten ihre und die einer männlichen Figur und im dritten dann ihre und die von zwei männlichen Figuren. Ich fand die Bücher generell etwas ... langatmig und mich hatte es damals tatsächlich gestört, dass eine andere Perspektive hinzu kam. Und noch mehr, als noch eine dritte im dritten Band dazu kam. Aber ich glaube, es war auch einfach nicht sehr gut gelöst. Wenn der Name der Perspektivfigur nicht darüber gestanden hätte, hätte man kaum einen Unterschied zwischen den erzählenden Figuren gemerkt. Außer dass sie vielleicht an anderen Orten waren? Die Handlung habe ich nicht mehr in Erinnerung.

Bei Throne of Glass von Sarah J. Maas wurden auch in späteren Bänden neue Figuren eingeführt, die auch Perspektivfiguren wurden. Da war z.B. eine Hexe. Es fiel mir am Anfang sehr schwer, ihr zu folgen, weil sie neu war und mich gefühlt von der Handlung abgelenkt hat. Am Ende führten die Plotlinien zusammen, aber der Anfang war schon schwierig. Und ich mochte die Figur und ihren Plot auch, nachdem ich mich drauf eingelassen habe, aber die Überwindung ist erst Mal da.

Generell lese ich total gerne Bücher mit verschiedenen Perspektiven, auch wenn diese erst später eingeführt werden. Es kommt dabei sehr stark darauf an, wie gut es gemacht ist. Jede Perspektive muss spannend sein, es sollte sich nicht ständig etwas wiederholen und es sollte auch nicht so wirken, als wären alle Perspektiven gleich, nur dass ein anderer Name drüber steht.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Rynn am 11. Juli 2022, 10:36:21
Zitat von: Avery am 10. Juli 2022, 21:26:55Mir fällt auf Anhieb tatsächlich nur eine einzige Dystopie in meinem Regal ein, bei der mit einer Perspektive gestartet wurde. Im zweiten? Band kam dann eine zweite hinzu - leider nur, damit die ursprüngliche Prota sterben kann. Ansonsten hatte die Perspektive nicht viel Mehrwert, bzw. hätte man die erhaltenen Infos auch problemlos über Prota 1 bekommen können.
Ich vermute mal, ich weiß, welche Reihe du meinst, denn daran musste ich auch sofort denken. ;D Es war in Band 3 von 3, nachdem Band 1 und 2 rein eine Perspektive hatten. Es war einfach sehr auffällig, weshalb die neue Perspektive ergänzt wurde (eben, um die bisherige Erzählerin im dritten Band sterben zu lassen), weshalb es mir in diesem Fall überhaupt nicht gefallen hat.

Wer wissen will, welche Reihe das ist:
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Wenn man das ein bisschen cleverer macht als in diesem Fall, habe ich aber auch nichts gegen neue Erzählperspektiven. Das kann gut funktionieren.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Yamuri am 11. Juli 2022, 13:18:29
@Tina: Ich starte teilweise auch mit unterschiedlichen Perspektiven in einer meiner Reihen. In Band zwei ändern sich die Perspektiven, weil zwei Charaktere quasi die Welt wechseln und damit von den anderen abgeschnitten sind. Infolge habe ich dann eine neue Perspektive drin, die vorher nicht Perspektive hatte. Wie ich es dann mache, wenn die Geschichte dann in zwei Welten weiter läuft, weiß ich noch nicht. Entweder ein Band wird dann in Welt 1 und der nächste in Welt 2 spielen oder ich mache parallele Zeitstränge und es kommen dann weitere Perspektiven hinzu. Grundsätzlich fände ich das aber nicht schlimm, wenn in Band 1 nur eine Perspektive ist und in Band 2 dann zwei Perspektiven. Kann man schon machen, finde ich :)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Tina am 11. Juli 2022, 13:24:39
Wow, erstmal danke für die zahlreichen Antworten!  ;D

Zur Info und fürs bessere Verständnis:
Im ersten Band erzähle ich aus der Perspektive meiner Protagonistin. Im zweiten Teil würde ich gerne einige Rückblenden aus der Sicht der Königin (eine der Antagonisten) einblenden, die doch sehr wichtig für den Plot sind. Gemischt mit aktuellen Szenen, also nicht ausschließlich Rückblenden. Ansonsten müsste ich das vielleicht über Erzählungen oder ähnliches regeln, was allerdings auch unsauber ist, da die Königin ihre Vergangenheit geheim halten möchte.
Ich bin nur nicht sicher, ob ich im dritten Teil dann nochmal ihre Perspektive einbinden möchte oder dort wieder nur aus Sicht meiner Protagonistin schreiben werde.
Da habe ich Sorge, dass das den Leser stören könnte. Also der Wechsel von 1 auf 2 und dann wieder zurück auf 1.  :hmmm:

@Kare Im ersten Teil würde ich ungern Sichten der Königin einführen, da sie dadurch menschlicher und gar nicht mehr so böse erscheint. Das nimmt mir dann etwas den Spannungsbogen. Und ich glaube dort noch eine andere Perspektive (also außer meiner Protagonistin oder der Königin) einzubringen wird dann etwas viel?  :hmmm:

@Avery Genau für den Mehrwert würde ich die zweite Perspektive einbinden. Notfalls könnte man das auch anders lösen, aber ich mag die Vorstellung, dass meine Antagonistin auch eine Stimme hat und nicht einfach "nur so" böse ist.  ;D

@Malou Genau, meine Protagonistin aus Band 1 bleibt auf jeden Fall die Hauptperspektivträgerin. (Die Königin - also eine der Bösen, falls du dich noch an meinen Plot erinnerst.  ;D )

@traumfängerin Stimmt! Daran erinnere ich mich auch. Das hatte ich jetzt nur nicht auf dem Schirm, weil es bei mir eine ganz andere Konstellation ist. Bei mir geht es ja um eine der Antagonisten, der ich in Teil 3 vielleicht gar keine eigene Perspektive geben möchte.  :hmmm:
Weißt du denn wie es bei Outlander war, ob die eingeführten Perspektiven dann auch durch alle weiteren Bände Perspektivträger waren? Das wäre interessant.

@Alana Ich hab mich auch wieder daran erinnert.  ;D  Bei dir war das aber auch gut gemacht, da hat man sich nicht so ins kalte Wasser geschubst gefühlt. Und vor allem hatte Cay ja auch nicht nur einen kurzen Auftritt als Perspektivträger, das wäre bei meiner Königin ggf. schon der Fall (nur für einen Band). Notfalls könnte man daran aber auch arbeiten.

@Mindi Das klingt wirklich nicht schön gelöst. In meinem Fall wäre der Grundton der Königin deutlich anders, als der meiner Hauptperspektivträgerin. Sie ist auch ein paar Jahrhunderte älter. :D

@Rynn Danke dir! Und die Protagonistin sterben zu lassen klingt sehr gemein. Das mach ich bei meiner Eli nicht.  :no:  ;D
 

@Yamuri Würde es dich denn stören, wenn in Band 3 dann wieder nur eine Perspektive ist?
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Yamuri am 11. Juli 2022, 13:45:42
@Tina: Das könnte bei mir tatsächlich auch passieren, käme drauf an, wie ich Band 3 strukturieren werde, ob ich die Reise des einen Charas durch die Parallelwelten dann nur aus seiner Perspektive als Einzelbände erzähle oder eben nicht. Stören würde es mich daher nicht.
Allerdings habe ich in allen Bänden sogenannte Zwischenspiele aus einer gänzlich anderen Perspektive. Band 1 hat ein außerirdisches Wesen in den Zwischenspielen, Band 2 einen Träumenden, Band 3 wird dann wieder ein außerirdisches Wesen haben und was dann kommt, muss ich noch schaun.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Kare am 11. Juli 2022, 21:37:56
@Tina
Zitat von: Tina am 11. Juli 2022, 13:24:39@Kare Im ersten Teil würde ich ungern Sichten der Königin einführen, da sie dadurch menschlicher und gar nicht mehr so böse erscheint. Das nimmt mir dann etwas den Spannungsbogen. Und ich glaube dort noch eine andere Perspektive (also außer meiner Protagonistin oder der Königin) einzubringen wird dann etwas viel?  :hmmm:

 :hmmm: Hm, das verstehe ich - die Motive der Antas sollen ja nicht sofort enthüllt werden.
Eine weitere Perspektive reinzunehmen, nur damit man eine drin hat, ohne dass man ihr groß PLot oder Raum geben kann, wirkt vermutlich am Ende eher verkrampft. Zumindest denke ich mir manchmal bei POVs "Tja Freund, ich weiß nicht so genau, warum du da bist, du selbst vermutlich auch nicht."

Ich könnte mir vorstellen, dass man vielleicht ein paar andere Stil-Mittel zum Einsatz bringen könnte, muss ja nicht immer POV-Kapitel sein: :)

In Band 1 z.B.:

Und in Band 2 dann der Paukenschlag und sie tritt mit eigenem POV auf? Dann käme es nicht aus dem Nichts.

Und würde für Band 3 als Klammer ja dann auch funktionieren, wenn du wieder auf das Niveau aus Band 1 zurückgehst, nur dass es auf den Leser jetzt anders wirken wird, weil er sie ja kennen gelernt hat.

Einfach so, als Ideen mal reingeworfen.  ;D
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Coppelia am 16. Februar 2023, 07:22:23
Ich (die Perspektive-Expertin ;D) habe auch mal ein Perspektiven-Problem, bei dem ich noch nicht ganz sicher bin, wie ich es lösen kann.
Und zwar habe ich in meinem aktuellen Roman zwei Perspektiven. Eine davon gehört einem Militärstrategen. Der Typ leitet ständig Dinge in die Wege, bei denen erst später klar wird, dass sie ein Teil eines größeren Plans waren, der dann meistens aufgeht. Obwohl das von der Perspektive her nicht ganz leicht handzuhaben ist, geht es meistens. Jetzt ist allerdings das Problem: In einer Szene ist keiner meiner PoVs anwesend, um mitzubekommen, wie der Plan aufgeht.

Konkret geht es um Folgendes (ab hier Spoiler, aber bis der Roman rauskommt, habt ihr es sicher eh vergessen): Der Stratege lockt den Feind an, eine bestimmte Burg anzugreifen. Die Burg wurde jedoch evakuiert, und der Feind findet dort nur noch entweder ansteckend kranke Soldaten vor oder (wenn ich etwas netter bin) niemanden. Die eigentlichen Truppen, unter denen sich meine beiden PoVs befinden, sind schon abgezogen und greifen dann unerwartet an.
Nur: Wie zeige ich, dass diese List aufgeht? Es ist ja niemand von den PoVs da, um es zu bezeugen.
Ich habe schon vorher einmal diesen Fall gehabt und dann einfach einer anderen wichtigen Person für kurze Zeit die Perspektive gegeben. Jetzt überlege ich, ob ich es genauso machen soll. Generell kämen der feindliche Kommandant selbst, der Kaiser (sowas wie der Antagonist, auch wenn ich das noch sehr viel besser gestalten muss bei der Überarbeitung), als auch einer seiner Generale, der vorher schon mal vorkam, infrage.
Alternativ könnte ich natürlich einfach eine Späherperson berichten lassen (etwas langweilig) oder nur nebenbei erwähnen, dass der Plan so aussah und aufgegangen ist (noch langweiliger).

Was meint ihr?
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Dämmerungshexe am 16. Februar 2023, 09:41:00
An sich finde ich das nicht schlecht, wenn die Protas nicht immer alles gleich mitbekommen. Ich denke da ist dann auch für den Leser etwas mehr Spannugn drin, wenn man mitbekommt "da ist was", aber was genau ist, erfährt man erst später. Gibt der ganzen Geschichte und der Welt an sich etwas mehr Tiefe, wenn man merkt, das mehr da ist als der Leser durch die POV mitbekommt.
An Stelle eines Spähers, der direkt berichtet, könntest du zB auch einen der feindlichen Soldaten, der vielleicht später in Gefangenschaft gerät, berichten lassen. Gerade wenn du die Variante mit der Seuche verwendest, könnte das ein ziemlicher Payoff werden.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Siara am 16. Februar 2023, 09:44:50
@Coppelia : Ich persönlich bin kein Fan davon, notgedrungen eine zusätzliche Perspektive einzufügen. Für mich wirkt das immer hingebogen und reißt mich aus dem Roman, weil ich darüber nachdenke, dass der Autor sich selbst in eine unglückliche Lage gebracht und einen "faulen" Ausweg genommen hat.

Ich glaube nicht, dass die Variante mit dem Boten oder dem Mithören langweilig sein muss. Es ist eigentlich ziemlich cool, wenn im Voraus in der Bevölkerung vielleicht Panik gemacht wird, der Leser die Gespräche darüber sogar mitbekommt und sich ebenfalls Sorgen macht - und sich dann wie ein Lauffeuer verbreitet, dass jemand cleverer war als die Angreifer. Ich stelle mir vor, wie der Militärstratege das am Rande mithört und still vor sich hinlächelt. (Keine Ahnung, ob das zum Charakter passt). Richtig erzählt kann das jedenfalls meiner Meinung nach einen schönen Effekt haben.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Coppelia am 16. Februar 2023, 18:19:22
@Dämmerungshexe und @Siara
Vielen Dank für euren Input.

ZitatIch persönlich bin kein Fan davon, notgedrungen eine zusätzliche Perspektive einzufügen. Für mich wirkt das immer hingebogen und reißt mich aus dem Roman, weil ich darüber nachdenke, dass der Autor sich selbst in eine unglückliche Lage gebracht und einen "faulen" Ausweg genommen hat.
Ich persönlich glaube, das ist so ein Autor*innen-Ding. Ich persönlich mag es auch gar nicht, denke aber, dass es den meisten Leser*innen komplett egal ist.

Ich tendiere ja immer eher zur dramatischeren Lösung, die dann auch überraschender ist. Daher denke ich mal, dass ich die Seuche in der Handlung lasse. :darth: Aber es ist dann natürlich traurig, wenn man es nicht durch die Augen der verblüfften Feinde mitbekommt, die von der Entwicklung überrumpelt sind. In einem Computerspiel würde man einfach eine Cutszene machen, und ich sehe sie vor mir! :hmhm?:  Vielleicht kann ich irgendwie das Äquivalent einer Cutszene machen ... schwierig ...

Bevölkerung ist da leider nicht unterwegs, das spielt alles in ziemlich abgelegenem, verlassenem Gelände. Und wenn die gefangenen Soldaten berichten könnten, ist es schon zu spät. Ich habe da eine sehr schnelle Folge von Ereignissen, wo solche Details dann am Ende gar nicht mehr interessieren, so groß ist das finale Desaster. :darth:

Der Stratege freut sich definitiv, wenn ein Plan von ihm aufgeht. Manchmal etwas zu diabolisch.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Fluide am 16. Februar 2023, 22:14:37
Zitat von: Coppelia am 16. Februar 2023, 07:22:23Der Stratege lockt den Feind an, eine bestimmte Burg anzugreifen. Die Burg wurde jedoch evakuiert, und der Feind findet dort nur noch entweder ansteckend kranke Soldaten vor oder (wenn ich etwas netter bin) niemanden. Die eigentlichen Truppen, unter denen sich meine beiden PoVs befinden, sind schon abgezogen und greifen dann unerwartet an.
Nur: Wie zeige ich, dass diese List aufgeht? Es ist ja niemand von den PoVs da, um es zu bezeugen.

Hab ich gerade irgendwo einen Denkfehler? Also der Stratege lockt den Feind an, evakuiert aber vorher die Burg. D.h. das alles weiß der Leser, oder? Auch, ob die Burg leer ist oder ansteckende Soldaten darin sind, korrekt? Dann greifen die Truppen mit POVs an und sehen, dass die List aufgegangen ist.  ???

Ah, jetzt hab ich gerade noch mal deine Antwort gelesen. Und wenn ich das richtig verstehe, willst du gerne szenisch beschreiben, wie der Feind in die Falle läuft. Es geht nicht nur darum, dass der Leser "weiß", dass die List aufgegangen ist, sondern live dabei ist, wenn der Gegner da ankommt und überrascht ist usw. Ich finde das total schwierig, etwas dazu zu sagen, ohne zu wissen, worum es in der Geschichte geht, was quasi die Prämisse ist. Vielleicht könntest du dich fragen, ob diese Szene wirklich notwendig für die Geschichte ist oder ein Darling?

Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Fluide am 16. Februar 2023, 23:00:00
So, nun hab ich auch noch eine Frage zur Perspektive. Ich bin nicht sicher, ob ich die in meinen vorherigen Post hinzufügen sollte oder weils eine andere Frage ist, in einem Extrapost, wir können das gerne zusammenfügen, wenn das besser ist.

Ich überlege gerade, ob eine, zwei oder drei Perspektiven für mein Projekt sinnvoll wären. Und insbesondere bei nur einer Perspektive stellt sich mir die Frage, ob Leser das so mitgehen oder aussteigen. Folgende Situation:

Ein Mann ruft bei einer Psychotherapeutin an und bekommt sofort einen Termin für ein Erstgespräch und dann auch gleich die Therapie.

Häh? Wie unrealistisch ist das denn?

Ja, aber nur, wenn man als Leserin nicht weiß, dass die Therapeutin ihn kennt, weil sie eine (wenn auch nicht explit seine) Stalkerin ist. Bisher habe ich die Therapeutin-Perspektive eingefügt und sie beim Stalken gezeigt und ihre Perspektive des Erstgesprächs usw. Ich überlege aber gerade, ob es nicht ein schönes Überraschungsmoment wäre, wenn das erst später rauskommt. Allerdings würde ich gerne vermeiden, dass Leser denken, dass ich es mir leicht mache und die Realität hier und da ein bisschen biege ...

Wie seht ihr das? Also die Leser:innen in euch?

Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Araluen am 16. Februar 2023, 23:28:51
@Fluide: Wenn ihre Perspektive nur existiert, um zu belegen, dass ihr Tun in Bezug auf Prota Gründe hat, finde ich sie überflüssig und spannungsraubend. Davon ab empfinde ich es als Leser auch intetessanter, wenn so etwas als Twist enthüllt wird.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Coppelia am 17. Februar 2023, 06:50:17
@Fluide Danke dir. Die Pläne, die der Stratege ausheckt, kennt die lesende Person vorher nicht (gar nicht oder auf jeden Fall nicht im Detail), obwohl er recht viel Perspektive hat. Das hat mehrere Gründe, unter anderem auch, dass ich zu viel Gelaber über Militärstrategie vermeiden möchte – wen interessiert das schon. Das ist auch machbar, indem ich den Kerl, wenn er denn Perspektive hat, mit anderen Dingen beschäftige. Es dient aber natürlich auch der Charakterisierung und ist abgesehen davon sogar realistisch.
In diesem Fall hab ich aber noch mal nachgedacht. Es muss wohl Szenen geben, die zwischen den Verhandlungen (die vor der Evakuierung stehen) und dem Kampf spielen. Dann muss die Information, dass die Burg evakuiert wurde, zwangsläufig vorliegen, wenn auch nicht im Detail. Denn sonst würden diese Szenen ja in der Burg spielen - denke ich.
Warum ist dieser Roman so kompliziert? :brüll:

Themenwechsel.
Was bezweckst du denn mit der Perspektive der Therapeutin? Möchtest du sie tatverdächtig aussehen lassen, also ist sie sowas wie ein roter Hering?
Aber eigentlich müsste die sie ja auch ausgebucht sein, unabhängig davon, ob sie ihn kennt? :hmhm?: Aber gut, wenn sie noch mehr Termine in ihrer Freizeit machen möchte?
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Nikki am 17. Februar 2023, 09:08:11
Zitat von: Fluide am 16. Februar 2023, 23:00:00Wie seht ihr das? Also die Leser:innen in euch?

Du könntest den Mann sich wundern lassen, dass er so schnell einen Termin bekommt, oder er, der zum ersten Mal eine Therapie macht, denkt sich nichts dabei und freut sich (es gibt ja auch Ärzt*innen, bei denen bekommst du direkt noch am selben Tag einen Termin, wenn du akute Beschwerden hast, selbst wenn du noch nie dort warst, nur Freund*innen von ihm, die mehr Erfahrungen haben, finden das komisch. Sollte er sich selbst wundern und die Therapeut*in darauf ansprechen, kann sie ihn ja anlügen, es wäre eben ein Slot frei geworden, weil jemand krank geworden ist etc, ohne sofort enthüllen zu müssen, dass sie für ihn eine Ausnahme gemacht hat.

Also Kurzfassung: Biete ruhig mögliche, aber unwahrscheinliche Erklärungen an, wieso ein spontaner Termin möglich ist, aber lass auf subtile Weise durchscheinen, dass mehr dahinterstecken könnte. Das wäre mein Ansatz.

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Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Fluide am 18. Februar 2023, 23:01:13
 Habt vielen Dank für eure Antworten.

Zitat von: Araluen am 16. Februar 2023, 23:28:51Wenn ihre Perspektive nur existiert, um zu belegen, dass ihr Tun in Bezug auf Prota Gründe hat, finde ich sie überflüssig und spannungsraubend. Davon ab empfinde ich es als Leser auch intetessanter, wenn so etwas als Twist enthüllt wird.
Ja, ich denke, das ist ein Punkt, an dem ich immer wieder ins Schwanken komme. Momentan ist ihre Perspektive eine nicht 100% gleichberechtigte, aber auch eine mit Entwicklung usw. Das der Prota bei ihr anruft, ist quasi der Auslöser für ihren Plot, der allerdings sehr nah an dem des Prota ist.

Im Grunde geht es um eine Familiengeschichte, wobei die Mutter, der Dreh- und Angelpunkt ist. Ich komme immer wieder ins Schlingern, was für eine Geschichte ich denn nun eigentlich erzählen will und ich glaube, das liegt daran, dass es Thrillerelemente hat (alles ist unklar bzw nichts wie es scheint und wird langsam aufgedeckt). Andererseits lese ich keine/kaum Thriller und darum lande ich immer wieder bei der Familiengeschichte und da kommt dann auch wieder die Überlegung, auch die Perspektive seiner Mutter mit einzubeziehen. Aarhhgg!  ::) 


Zitat von: Coppelia am 17. Februar 2023, 06:50:17Was bezweckst du denn mit der Perspektive der Therapeutin? Möchtest du sie tatverdächtig aussehen lassen, also ist sie sowas wie ein roter Hering?
Aber eigentlich müsste die sie ja auch ausgebucht sein, unabhängig davon, ob sie ihn kennt? :hmhm?: Aber gut, wenn sie noch mehr Termine in ihrer Freizeit machen möchte?
Tatsächlich macht sie den Termin in ihrer Freizeit, weil sie eben gute Gründe hat, das weiß er ja aber natürlich nicht. Und nein, ein red herring ist sie eigentlich nicht. Meine momentane Idee ist, ich bleibe erst einmal bei seiner Perspektive und wenn ich damit die Geschichte hinreichend erzähle, wäre ja eigentlich alles klar. Ich kann das bloß im momentanen Zustand wirklich überhaupt nicht überblicken. Aber das ist vermutlich normal? Einen Roman zu schreiben ist wohl eher so ein chaotischer Prozess, oder? Das ist irgendwie echt lähmend für mich, ich komm gerade nicht vor und nicht zurück, weil ich an einem Tag so entscheide und am anderen anders.

Zitat von: Nikki am 17. Februar 2023, 09:08:11Also Kurzfassung: Biete ruhig mögliche, aber unwahrscheinliche Erklärungen an, wieso ein spontaner Termin möglich ist, aber lass auf subtile Weise durchscheinen, dass mehr dahinterstecken könnte. Das wäre mein Ansatz.
Ja, das ist eine gute Idee. Sie könnten darüber sprechen oder so. Dann weiß der Leser auch, dass die Autorin sich des Problems bewusst ist.

Zitat von: Nikki am 17. Februar 2023, 09:08:11aber Fakt ist, es gibt oft Begebenheiten, die unwahrscheinlich sind, aber jemanden treffen. Solange diese nicht als normal, sondern durchaus außergewöhnlich, aber eben trotz aller Wahrscheinlichkeiten eingetreten dargestellt werden, sind sie noch immer sehr realistisch.
Und ja, ich stimme dir zu: alles was möglich ist, ist realistisch. Andererseits ist es schon auch gut, genau hinzuschauen, ob das einfach irgendwelche Experten sind, die einfach ein bisschen rumpampen, oder ob das vielleicht daran liegt, dass man es eben nicht glaubhaft rübergebracht hat. Denn zu sagen: Aber doch, genauso hab ich das schon mal erlebt!, ist dann auch nicht wirklich ein gutes Argument. Fiction funktioniert anders als Non-Fiction und die Authorität des Erzählers ist ein wichtiger Punkt.

Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Yamuri am 19. Februar 2023, 08:35:54
@Fluide: Entgegen der landläufigen Meinung, man solle sich auf ein Genre fokussieren, zeigt die Analyse von erfolgreichen Filmen/ Bücher, das diese eigentlich nie nur ein Genre bedienen. Wenn du Thriller Elemente hast, ist das doch völlig in Ordnung. Nur bei deinem Haupt-Genre solltest du alle Punkte erfüllen, die dazu gehören, aber es macht die Geschichte doch erst interessant, weil es eben nicht nur ein Genre ist, sondern ein wenn es ein Mix ist. :)

Ich würde es auch so machen, wie von @Nikki vorgeschlagen. Lass Menschen im Umfeld oder auch den Patienten selbst, sich Gedanken dazu machen, sich wundern darüber. Das würde für mich als Leser gleich den Eindruck erwecken, dass da vielleicht mehr dahinterstecken könnte, wenn es betont wird.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Fluide am 23. Februar 2023, 12:22:56
Hallo @Yamuri,
entschuldige meine späte Antwort, manchmal fließt das Leben nicht, sondern ruckelt eher so vor sich hin.

Zitat von: Yamuri am 19. Februar 2023, 08:35:54: Entgegen der landläufigen Meinung, man solle sich auf ein Genre fokussieren, zeigt die Analyse von erfolgreichen Filmen/ Bücher, das diese eigentlich nie nur ein Genre bedienen. Wenn du Thriller Elemente hast, ist das doch völlig in Ordnung.
Ja, das stimmt! Mein Problem ist, dass ich ständig schwanke bzw. mir am Ende den Thriller nicht so richtig zutraue, weil ich eigentlich kaum welche lese, aber aufs Schreiben hab ich irgendwie schon Lust. Hach ...
Aber ja, ich probiere jetzt erstmal die eine Perspektive und überarbeite gerade die Szenen, die ich sicher weiß. Ich muss da auch gerade meinen Weg der Überarbeitung finden. Die Chaosfassung zu schreiben war leicht und ich hab viel über die Geschichte gelernt. Dann hab ich versucht, ganz analytisch an die Überarbeitung zu gehen, aber das hat für mich überhaupt nicht funktioniert, naja es war auch hilfreich, aber ich muss schreiben, um mich reindenken/-fühlen zu können und zu wissen, was weiter passiert ... 

Ich muss mir auch immer wieder selbst sagen, dass ich ja übe. Das muss ja nicht perfekt werden, ich werde trotzdem dazu lernen. Jemand in mir will Effizienz und Perfektion, aber ihr kennt diesen jemand sicher auch ::)
Titel: Schreibperspektive
Beitrag von: Rotkehlchen am 30. April 2023, 13:45:12
Hallo Leute,

ich bin noch recht neu hier in diesem Forum und bin unsicher, ob meine Frage hier richtig untergebracht ist, falls nicht, bitte ich um Nachsicht 😊

Ich habe eine Frage an diejenigen, die schon gewisse Erfahrung mit den Schreiben haben. Die Frage bezieht sich auf die Gestaltung und Wirkung von Erzählperspektiven.

Ich persönlich schreibe meine Geschichten aus der der Perspektive eines allwissenden / neutralen Erzählers. Aber ich gestalte die Szenen so, dass die Erzählweise die Wahrnehmung einer einzelnen bestimmten Person darstellt. Ich beschreibe das, was diese Person fühlt, denkt und von der Umgebung wahrnimmt (auch wenn der Leser weiß, dass noch andere Dinge passieren / zu sehen sein könnten).
Mein Ziel ist, dass der Leser möglichst in diese Person "eintaucht", sehr nah an ihr ist und Emotionen entwickelt.

Falls eine weitere Person in der Szene anwesend ist, meide ist es tunlichst, die Perspektive zu wechseln. Ich würde einen Perspektivwechsel erst immer am Ende des Kapitels oder eines Abschnittes machen. Aus meiner Sicht ist das schlechter Stil.

Was ist eure Meinung? Was haltet ihr von Perspektivwechsel?
Vielen Dank im voraus! :)



Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Maja am 30. April 2023, 14:20:09
Wir haben schon einen langen Thread zum Thema Perspektiven, deswegen habe ich das mal drangehängt. :) Darf trotzdem gern wieder und weiter diskutiert werden!
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Yamuri am 30. April 2023, 16:05:17
Früher einmal habe ich mir gar keine Gedanken zu dem Thema Erzählperspektiven gemacht. Ich habe einfach geschrieben. Mein bester Freund, der mein Fan der ersten Stunde ist, hat mir mal gesagt, er hätte meine Texte immer als auktorial wahrgenommen. Ich hatte eine Phase in der ich sehr verunsichert war, als ich begann mich ernsthafter mit dem Schreiben auseinanderzusetzen und nicht mehr nur Fanfictions zu schreiben. Ich stieß auf unterschiedliche Definitionen und Herangehensweisen in Bezug darauf was es für Erzählperspektiven gibt und bis heute habe ich den Eindruck es ist ein flexibles System und je nach Schule/Ratgeber können sich die Herangehensweisen unterscheiden. Es kann also sein, dass meine Herangehensweise an die Unterscheidung der Perspektiven sich von deiner unterscheidet, weil ich mich auf andere Ratgeber/Schulen beziehe.

Was du beschreibst @Rotkehlchen wirkt auf mich auf den ersten Blick so, als würdest du drei Erzählperspektiven mischen. Den allwissenden Erzähler (auktorial), den neutralen Erzähler und den personalen Erzähler.

Wenn ich den allwissenden Erzähler richtig verstanden habe, so ist er in der Lage in einer Situation die Innensicht aller beteiligten Personen zu zeigen und zusätzlich eigene Kommentare abzugeben. Der neutrale Erzähler hingegen baut Distanz auf und berichtet als unbeteiligter Beobachter, der die Innensicht der Beteiligten nicht kennt. Der personale Erzähler kennt nur die Innensicht von ausgewählten Personen, die die Perspektiv-Träger:innen werden. Dann gäbe es noch den Ich-Erzähler als Sonderform des personalen Erzählers oder die Multiperspektive bei der es mir schwer fällt sie vom allwissenden Erzähler zu unterscheiden.

Ich selbst habe früher wohl auktorial geschrieben. Zwischenzeitlich dachte ich, dass ich multiperspektivisch schreiben würde, das schlechter Stil sei und habe mich daraufhin gezwungen streng personal zu schreiben und Perspektiven nur Kapitelweise zu wechseln. Das fühlt sich allerdings für mich bis heute wie ein enges Korsett an zu dem ich mich teils zwingen muss und das mich beim schreiben auch etwas hemmt. Nicht immer, aber manchmal fühlt es sich erzwungen für mich an, wenn ich nur in der Innensicht einer Person bleibe und nicht die Innensicht aller Beteiligten zeige. Zweiteres würde sich bisweilen natürlicher anfühlen beim Schreiben.


Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Rotkehlchen am 01. Mai 2023, 18:37:50
Ah danke! Mir war nicht bewusst, dass es diesen Thread schon gab. Ich habe ihn mit großem Interesse gelesen und für mich festgestellte, dass ich nicht so viel falsch mache. :)

Mir waren aber tatsächlich die  korrekten Begrifflichkeiten in Sachen Erzählperspektive noch nicht bekannt (ich bin ein Autodidakt).
Was ich meinte, war der personelle Erzähler.

Mir ging es sehr ähnlich wie dir, Yamuri. Ich habe mir zu Beginn auch keine Gedanken über die Erzählperspektive gemacht und habe vielfach die auktoriale Erzählperspektive benutzt. Im Laufe der Zeit habe ich festgestellt, wie wichtig es ist, dass die Gefühle der Protagonisten glaubhaft rüberkommen und wie wichtig es ist, dass der Leser sich mit den Figuren identifizieren kann, dass er mit den Figuren mitfiebern kann.

Über die Zeit habe ich dann angefangen, aus der personellen Perspektive zu schreiben (ohne zu wissen, dass das die Bezeichnung für diese Erzählweise ist).

Nachdem ich ein bisschen im Thread gelesen habe, scheint es unterschiedliche Meinungen zu geben, ob  es guter Stil ist, inmitten eines Absatzes oder Kapitels die Erzählperspektive zu wechseln.

Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Yamuri am 01. Mai 2023, 19:06:05
Ja, es gibt dazu unterschiedliche Meinungen.

Neulich habe ich mit einer Rollenspiel-Freundin gesprochen, die auch sehr gut schreibt, meiner Meinung nach und sie meinte zu mir - wenn nicht in der Kunst, wo dann, kann man einfach Neues ausprobieren? Sie wechselt die Perspektiven meist Kapitelweise, aber hat eine große Szene, in der sie es einfach wichtig findet, dass innerhalb der Szene die Innensicht aller Beteiligten gezeigt wird. Sie hat mir den Text gezeigt und ich fand ihn auch gut zu lesen. Ich glaube, dass im Zeichen der Diversität auch die veralteten und verhärteten Meinungen aufgebrochen werden. Warum nicht auch divers sein, was den Erzählstil anbelangt? Also warum nicht das Handwerk selbst divers gestalten?

Bei auktorial gibt es aber halt auch zwei unterschiedliche Herangehensweisen: eine die so beschrieben wird, dass auktorial sehr wohl die Innensicht und Gefühle beschreibt, also nah an alle Figuren ranzoomt und eine, die eher dem entspricht, was man den neutralen, distanzierten Erzähler nennen würde. Bei der ersten Herangehensweise kann man aber von einer Überschneidung sprechen mit der Multiperspektive. So eindeutig scheint das irgendwie alles nicht mehr zu sein und vielleicht ist das aber gar nicht so schlimm, solange man weiß was man tut?
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Sturmloewin am 01. Mai 2023, 21:41:17
Ich glaube nicht, dass es in der Kunst, und somit auch im Schreiben, ein Richtig oder Falsch gibt.

Früher habe ich mir ebenso wie ihr keine richtigen Gedanken darüber gemacht, mit welcher Perspektive ich schreibe, sondern das gemacht, was sich richtig anfühlt. Und das tue ich auch heute oft noch. Ich finde, die Perspektive muss zur Geschichte passen. Und so verwende ich in meiner Fanfiction beispielsweise einen allwissenden Erzähler, der zwar kapitelweise auf personaler Ebene berichtet, an passenden Stellen jedoch auch allwissende Kommentare und/oder Einsichten in andere Charaktere einwirft. Diese Einwürfe kommen nicht oft vor und erscheinen mir doch in den jeweiligen Momenten richtig.

Damit will ich sagen @Rotkehlchen : Versuch, dich nicht darauf zu konzentrieren, was schlechter Stil ist oder nicht. Schau, was sich für dich gut anhört und gib deine Texte eventuell auch Testpersonen zum Lesen, die ihre Meinung dazu sagen können. Jede Geschichte ist anders und will anders erzählt werden.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Rotkehlchen am 02. Mai 2023, 17:10:05
@Yamiri, @Sturmloewin,

ich danke euch für eure Meinung! Ich denke, in der Kunst und Literatur wird man immer auf Kritiker stoßen, die den eigenen Stil für unpassend finden.
Ich merke das bei meinen Testlesern. Person A findet den Text großartig und kann kaum genug begonnen, während Person B bereits nach 2 Seiten völlig frustriert ist.
Wichtig als Autor ist es wohl, genug Selbstwertgefühl zu besitzen und sich nicht verunsichern zu lassen. Und niemals nur eine Person um ihre Meinung zu fragen.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Paka am 02. Mai 2023, 17:39:56
@Rotkehlchen
Es kommt auch ein bisschen darauf an, was dein Ziel ist. Die meisten Verlage würden sich mit Perspektivwechseln innerhalb einer Szene eher schwertun. Die verlangen manchmal sogar von Autorinnen, dass das gesamte Buch umgeschrieben wird zu nur einer Perspektive statt Multi.
Und es kommt, denke ich, auch sehr darauf an, wie man es macht. Wenn ich als Lektorin das Gefühl hätte, du weißt, was du da tust (und es sieht nach Absicht aus), würde ich es eher durchwinken als wenn es sich liest, als ob du dir noch nie Gedanken zur Perspektive gemacht hast.

Die auktoriale Perspektive kann von weit her berichten, aber genauso gut auch reinzoomen. Das macht es manchmal sogar ziemlich schwer, herauszufinden, ob es personal oder auktorial geschrieben ist. Stephan Waldscheidt behauptet ja sogar, dass Harry Potter auktorial geschrieben ist. Ich würde eher sagen: Es ist personal geschrieben, mit auktorialen Einschüben. Aber darüber lässt sich streiten.

Ich bin gerade dabei, für meinen Blog (https://www.lektoratte.net/category/kreatives-schreiben/) eine Reihe von Artikeln zu den verschiedenen Perspektiven zu schreiben. Bisher gibt es da Neutral, Auktorial und Personal (3. Person). Wenn du Lust hast, kannst du da ja mal reinschauen. Vielleicht hilft es dir weiter.

Insgesamt ist Perspektive aber einfach schwierig, finde ich.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Derufin Denthor Heller am 02. Mai 2023, 19:23:16
Ich finde die Unterscheidung der Perspektive auch manchmal sehr schwierig. Ich denke sogar, dass es nur sehr selten Roman gibt, die in ausschließlich einer einzigen Perspektive geschrieben sind.

Ich selbst schreibe in einer mulitpersonalen Perspektive. Ich vermeide den Wechsel von Perspektiven innerhalb von einzelnen Szenen, wechsle jedoch munter von Szene zu Szene zwischen verschiedenen Figuren hin und her. Dagegen spricht eigentlich ja nichts. Selbst Perspektivwechsel innerhalb von Szenen habe ich schon in vielen Büchern gefunden.
Viele Leserinnen und Leser finden das mitunter schwierig, weil sie immer wieder aus der Figur herausgerissen werden. Allerdings ist es nur so möglich, die Gedankenwelt und Beweggründe mehrerer Figuren genau zu schildern. Vielleicht liegt es aber auch, wie bei Vielem daran, dass bestimmte Trends der letzten Jahre auch Schreibstil und bevorzugte Perspektiven beeinflussen.
Manchmal habe ich den Eindruck, dass ich mich auch an bereits angesprochenen auktorialen Einschüben bediene.
Abschließend muss man wohl sagen, dass die Wahl der Perspektive schon einen starken Einfluss auf die Geschichte hat und zum Roman und der jeweiligen Zielgruppe passen muss.

 
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Paka am 02. Mai 2023, 20:26:49
Zitat von: Derufin Denthor Heller am 02. Mai 2023, 19:23:16Allerdings ist es nur so möglich, die Gedankenwelt und Beweggründe mehrerer Figuren genau zu schildern.
Die Frage ist, ob man die  Gedanken und Beweggründe ALLER Figuren JETZT SOFORT kennen muss. Wenn man sich darauf einlässt, ist es meistens spannender, wenn man nicht alles mitteilt, sondern den Lesenden Spielraum lässt. Im Notfall kann der Prota aber auch immer noch Vermutungen anstellen, was sein Gegenspieler wohl gerade denken könnte.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Rotkehlchen am 02. Mai 2023, 20:39:37
@Paka
Ich habe tatsächlich das Ziel bzw. die Hoffnung, irgendwann zu veröffentlichen (hoffe, das klingt nicht naiv). Bis dahin ist es sicherlich noch ein weiter Weg, aber ich bin immer fleißig am Schreiben und Lernen. 😉

Liebend gerne würde ich die von dir erwähnten Artikel zum Thema "Perspektive" lesen. 😊
Vllt. magst du den Link teilen?

Und ich stimme dir auf jeden Fall zu. Es fällt nicht immer leicht zu bestimmen, wo die Grenze zwischen auktorial und personal liegt.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Paka am 02. Mai 2023, 20:59:25
Zitat von: Rotkehlchen am 02. Mai 2023, 20:39:37Liebend gerne würde ich die von dir erwähnten Artikel zum Thema "Perspektive" lesen. 😊
Vllt. magst du den Link teilen?.
Ah, ich hatte schon einen Link auf das Wort ,,Blog" gesetzt, aber die Links sind anscheinend nicht besonders gut zu erkennen. Hier nochmal: https://www.lektoratte.net/category/kreatives-schreiben/ (https://www.lektoratte.net/category/kreatives-schreiben/) 😇
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Rotkehlchen am 03. Mai 2023, 09:12:05
Vielen lieben Dank!

@Paka: Ich habe die Verlinkung in deinem vorigen Beitrag nicht gesehen. Die war sehr unscheinbar.

Deine Artikel habe ich nun gelesen. Sie sind super gut und anschaulich geschrieben.
Einmal mehr wurde mir vor Augen geführt, wie wichtig es ist, für das Schreiben die richtige Perspektive zu wählen.

Ich muss sagen, ich habe in den letzten Tagen sehr viel über die unterschiedlichen Perspektiven gelernt und ich fühle mich nun viel sicherer beim Schreiben.
Habt Dank für eure Hilfe.

PS: Die Ratten im Blog sind wirklich süß, @Paka.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Paka am 03. Mai 2023, 16:52:07
Zitat von: Rotkehlchen am 03. Mai 2023, 09:12:05PS: Die Ratten im Blog sind wirklich süß, @Paka.
Du solltest erst mal die echten Ratten sehen, die bei meiner Tochter im Zimmer wohnen. 😍

Zitat von: Rotkehlchen am 03. Mai 2023, 09:12:05Deine Artikel habe ich nun gelesen. Sie sind super gut und anschaulich geschrieben.
Da steckt auch jedes Mal irre viel Recherche drin. 🥵 Ich schreibe die eigentlich hauptsächlich, damit ich selbst besser durchsteige. 😆
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Rotkehlchen am 04. Mai 2023, 18:40:28
@Paka :  Das glaube ich! Ich fand den Vergleich mit der Krähe (ich bin ein Vogelliebhaber), die z. B. den personellen Erzähler spielt und auf der Schulter des Protagonisten sitzt, echt süß. Ich habe diesen Vergleich gleich am darauffolgenden Tag benutzt, als ich meinem Kollegen erzählt habe, was ich über die unterschidlichen Perspektiven gelernt habe.

Mir hat vor allem die Zettel-Strategie deiner Tochter gefallen, um die Ratten zu bekommen. :) Echt süß.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Paka am 04. Mai 2023, 18:57:07
*kicher* Ja, das mit den Zetteln war unglaublich. 🤣
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Fluide am 10. Mai 2023, 16:36:03
Hallo miteinander,

am Ende steht für mich bei der Perspektive - aber auch anderen Faktoren im Schreiben - immer die Frage: Funktioniert es? Wenn es funktioniert, dann: Super!

Wenn es nicht funktioniert, finde ich es hilfreich, zu verstehen: Warum funktioniert es nicht? Was ich nicht hilfreich finde, sind Kommentare wie: Das macht/darf man so nicht, ist ein handwerklicher Fehler, verletzt irgendwelche Konventionen/Regeln etc.   

Ich habe lange am Er-Erzähler rumgeknabbert (und knabbere immer noch) und der Unterscheidung in personal und auktorial. Nach und nach lüftet es sich ein bisschen, aber ich finde die Begrifflichkeiten nach wie vor schwierig. Wenn ich lese: auktorial mit personalen Einschüben oder personal mit auktorialen Einschüben, dann kriege ich jedes Mal einen Knoten im Kopf. Oder jemand hat auch mal geschrieben: Da wechselt dann der Erzähler, von einem personalen zu einem auktorialen ... zB für einen Absatz über das Wetter oder irgendwelche Infos oder so ... Auch da krieg ich einen Knoten im Kopf, mitten drin wechselt für einen Absatz der Erzähler? Da finde ich das Bild von der Krähe (liebe @Paka, deine Artikel haben mir gut gefallen) viel besser, die mal hoch oben fliegt und mal nicht.

Es gibt eine Internetseite auf der literaturtheoretische Grundbegriffe erklärt werden, die ich sehr hilfreich fand: http://www.li-go.de/_pages/wissensbereiche/prosa/dertextalssprachlicheszeichensystemdiscours.html
Dort wird unterschieden in: Wer spricht? und: Wer nimmt wahr? Und ich finde interessant, dass es auf dieser Webseite den Begriff "personale Perspektive/Erzähler" nicht gibt und auktorial "Nullfokalisierung" bedeutet (also Wahrnehmungsinstanz ist nicht an eine Figur gebunden, liegt außerhalb der Geschichte). Dort steht auch, dass bei den meisten Texten eine variable Fokalisierung vorliegt (also schaut Pakas Krähe von oben = Nullfokalisierung, sitzt die Krähe bei jemandem auf der Schulter = internale Fokalisierung). Ich sortiere das für mich mittlerweile so, dass es eher eine auktoriale Perspektive ist, wenn es jemanden gibt, der außerhalb der perspektivtragenden Figur etwas bewertet (nämlich der Erzähler), während eine personale Perspektive "nur" die Bewertungen der perspektivtragenden Figur weitergibt.

Ich würde zB auch sagen, dass eine Ich-Erzählerin, die etwas aus der Vergangenheit berichtet und einsortiert und bewertet usw eher eine auktoriale Perspektive hat, weil sie viel weiß, viel mehr als die Figur zu der Zeit des Geschehens und andere Bewertungen mit reinbringen kann als die Figur (sie selbst) zu jener Zeit. Zb Damals war ich jung und naiv und ich ging in das Restaurant, offen und neugierig, wer mich dort erwarten würde.
Sie kann auch über die Vergangenheit berichteten und sich weniger mit eigenen Kommentaren etc einmischen, das würde ich dann eher als personal bezeichnen. zB Ich ging ins Restaurant, war neugierig, wer mich dort erwarten würde.
Oder aber auch eine Ich-Erzählerin im Präsens, das ist dann absolut personal, weil sie natürlich über die Situation und wohin sie sich entwickeln wird, nicht mehr weiß als die Leser:innen.

Ein anderen Artikel über personal vs. auktorial, den ich hilfreich fand, ist dieser hier: http://editorial.ie/head-hopping/
Darin wird sehr schön deutlich, dass aus einer auktorialen Perspektive heraus, durchaus das Innenleben verschiedener Personen beschrieben werden kann und es "funktioniert", dass aber in eher personalen Perspektiven es dann einfach auch Spannung rausnimmt, weil alles so übererklärt wird. Besser ihr lest es selbst.

Und falls es noch jemanden interessiert, poste ich hier mal meine Aufzeichnungen entsprechend der li-go.de Website, wobei eher Punkt 2 und 3 interessant sind (Modus und Stimme), ich aber der Vollständigkeit halber auch die Infos zur Zeit eingefügt habe. Bei mehr Details bitte auf der Website schauen (hoffe, das ist ok, diese ZUsammenfassung mit Angabe des Links hier zu posten).

Discours – Wie wird erzählt, welche Mittel werden verwendet

    1. Zeit = Erzählzeit im Discours
        1. Ordnung: Hält sich der Discours an die Ordnung der Ereignisse?
            1. Einhalten der Ordnung: A B C
            2. Prolepse: A C B – Ereignis wird berichtet, bevor es passiert
            3. Analepse: B A C – Ereignis wird später berichtet, als es passiert
        2. Tempo:
            1. Zeitdeckendes Erzählen: zB Szene
            2. Zeitdehnendes Erzählen: zB Pause, Dehnung
            3. Zeitraffendes Erzählen: zB Raffung/Zusammenfassung, Ellipse
        3. Frequenz:
            1. Singulativ
            2. Iterativ
            3. repetitiv
    2. Modus = Grad an Mittelbarkeit und Perspektivierung
        1. Distanz: Skala von unmittelbar/szenisch bis mittelbar/narrativ
            1. Unmittelbar: kein erkennbarer Erzähler, keine Reflexionen, Kommentare etc. = show
            2. Mittelbar: starke Erzählerpräsenz mit Reflexionen, Kommentaren etc. = tell
        2. Fokalisierung – wer nimmt wahr? Nur selten liegt einheitliche F. über gesamten Text vor, normalerweise variabel mit dominanter Strategie
            1. Nullfokalisierung: ,,auktorial", Wahrnehmung an keine Figur gebunden, der Erzähler weiß mehr als die Figur
            2. Interne Fokalisierung: Wahrnehmung an Figur gebunden, Erzähler weiß so viel wie Figur; fixiert = bleibt an eine Figur gebunden, variabel = wechselt zwischen Figuren
            3. Externe Fokalisierung: Wahrnehmung an keine Figur gebunden, geht aber vom Inneren der erzählten Welt aus, Erzähler weiß weniger als Figur
    3. Stimme = Wer spricht bzw. erzählt?
        1. (fiktiver) Zeitpunkt des Erzählens:
            1. Früheres Erzählen – Ereignisse werden erzählt, bevor sie sich ereignen
            2. Gleichzeitiges Erzählen – Ereignisse werden erzählt, während sie passieren
            3. Späteres Erzählen – Ereignisse werden erzählt, nachdem sie passiert sind
            4. Eingeschobenes Erzählen – Ereignis noch nicht abgeschlossen, gleichzeitiges und späteres Erzählen durchmischen sich
        2. Ebenen des Erzählens – primär, sekundär, tertiär ...
        3. Beteiligung des Erzählers am erzählten Geschehen
            1. Homodiegetischer Erzähler = Teil der erzählten Welt (Hauptfigur, Nebenfigur, beteiligter Beobachter, unbeteiligter Beobachter)
            2. Heterodiegetischer Erzähler ist nicht Teil der erzählten Welt
 

Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Rotkehlchen am 17. Mai 2023, 19:19:25
Mir geht es im Moment sehr ähnlich, @Fluide. Ich knabbere auch am personellen Erzähler. Ich habe mir auch die Beispiele, die du gepostet hast, durchgelesen. Das ist für mich recht eindeutig. Trotzdem tun sich bei mir noch Unsicherheiten auf.
Ich verstehe z.B. noch nicht, was mit "Fokalierung" gemeint ist. Vielleicht kannst du das nochmal mit deinen Worten erklären, Fluide?

Wenn ich deinen Beitrag und den von @Paka ein bisschen zusammenfasse:

Die meisten Fiktionen der heutigen Zeit werden aus der Sicht eines personellen Erzählers geschrieben.
Das empfindet der Leser als harmonisch, weil er diese Erzählweise gewohnt ist. Nah am Protagonisten zu sein und sich mit ihm identifizieren zu können, empfindet man als spannend.
Diese Nähe kann aber sowohl durch die personelle als auch durch die autoriale  Erzählerform vermittelt werden.

Oftmals ist es nicht immer möglich, den personellen vom auktorialen Erzähler zu unterscheiden, je nachdem in welcher Erzähldistanz der auktoriale Erzähler erzählt.

So ist es z.B. möglich, als auktorialer Erzähler zu beginnen (quasi aus der Vogelperspektive) und im Laufe der Geschichte näher an die Figur heranzuzoomen (sich dann quasi wie ein Vogel auf die Schulter des Protagonisten zu setzen).

Ich sollte mich aber beim Schreiben eines Romans auf eine Erzählform festlegen. So verstehe ich das.

Meine Frage:
Wenn ich jetzt meine Geschichte z.B. auktorial beginne und im Laufe eines Kapitels an eine Figur heranzoome, quasi dann aus ihrem Blickwinkel das Geschehen schildere ("personale Erzählform mit auktorialen einschüben", wie Paka es vorhin erwähnte), muss dann in den darauffolgenden Kapiteln immer ersichtlich werden, dass es sich um einen auktorialen Erzähler handelt?

Oder kann ich dann in den darauffolgenden Kapiteln die Erzähldistanz direkt so wählen, als wenn es ein personaler Erzähler wäre? (Also quasi auktorial, aber ohne vorher aus der Distanz sichtbar "heranzuzoomen"?)

Ich bin mir sicher, dass das den Lesern so ziemlich egal ist, solange es sich flüssig liest. Vielen Lesern wird der Unterschied nicht geläufig sein oder sie achten nicht darauf.
Mir stellt sich nur die Frage, wie es ist, wenn ein Lektor das Ganze liest.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Fluide am 30. Mai 2023, 12:04:30
Hey @Rotkehlchen, tut mir leid, dass ich erst jetzt zum Antworten komme, du hattest ja noch explizit eine Frage gestellt, da will ich dir natürlich so gut ich kann, drauf antworten. Alles unter Vorbehalt, ich übe ja selbst noch, ja?

Also, so wie ich Fokalisierung verstehe, ist eben die Frage: wer nimmt wahr?

Bsp, ein (schnell aus der Luft gegriffener) Anfang einer Geschichte:
ZitatEs war still. Kein Mensch war zu hören, kein Vogel, kein Surren, kein Rauschen, kein Plätschern. Alles was war, war Stille.
Hier ist ja erst mal unklar, wer die Stille wahrnimmt. Man könnte jetzt fortführen und klarstellen, wer wahrnimmt, zB
ZitatSie sah sich um.
Ok, eine "sie" nimmt die Stille wahr, für mich ist jetzt an dieser Stelle klar, das wird wohl die Prota sein und ich erwarte eine personale Perspektive und alles was beschrieben wird, ist wohl das, was die Prota wahrnimmt = interne Fokalisierung, weil die Wahrnehmung einer Person aus der Geschichte beschrieben wird.
Bei:
ZitatMarissa sah sich um.
Durch das Einfügen des Namens ändert sich für mich etwas, für dich auch? Ich zB würde immer das unbestimmte "sie" bevorzugen, als das bestimmte "Marissa". Für mich deutet der Name zb auch eher auf eine:n auktoriale:n Erzähler:in hin, aber vielleicht bin das nur ich, die das so liest. Auf jeden Fall könnte dies weiterhin auktorial erzählt werden, während es mir beim "Sie sah sich um" schwer fällt, dass auktorial weiterzudenken.
Also Zb:
ZitatMarissa sah sich um. Sie stand mitten im Park und war allein. Sie wusste nicht was passiert war, sie hatte nur kurz die Augen geschlossen und ihr Gesicht in die wärmenden Strahlen der ersten Frühlingssonne gehalten.
Für mich ist immer noch nicht ganz klar, wer hier eigentlich erzählt (auktorial oder personal), aber klar ist schon, dass Marissa hier wahrnimmt. Ich tendiere eher dazu, dass auktorial zu lesen, auktorial aber als quasi gebunden an (oder auf der Schulter von) Marissa. Für mich würde es sich natürlich anfühlen und nicht nach einem Bruch der Perspektive, wenn es so weiterginge:
ZitatZu diesem Zeitpunkt wusste Marissa noch nicht, was passiert war und dass sie in diesem Moment die einzige Person, ja das einzige Lebenwesen auf der Erde war. In diesem Moment stand einfach nur da und sah sich um, sah, dass sie allein war. Die Stille hatte sie noch gar nicht bemerkt.
Jetzt ist klar, dass es eine auktoriale Perspektive ist, dass die Erzählerin mehr weiß als die Figur. Und es ist auch klar, dass die Stille im ersten Satz nicht von Marissa wahrgenommen wird, sondern von der Erzählerin, die selbst nicht zur Geschichte gehört = Nullfokalisierung.

Am meisten Probleme habe ich mit der externen Fokalisierung. Die verstehe ich auch nur so halb. Ich glaube, dass ist so eine Art neutraler Erzähler oder sowas wie eine Kameraperspektive.
Bsp:
ZitatMonika sitzt auf dem Sofa, ihr Blick ist auf den Fernseher geheftet. An der Wand sitzt eine Fliege. Als das Telefon klingelt, fliegt sie davon. Monika steht auf und geht zum Telefonapparat im Flur.
So würde ich mir das vorstellen, weiß es aber nicht genau. Es ist nicht ganz klar, wer hier eigentlich wahrnimmt. Oder? Was meinst du?

Zitat von: Rotkehlchen am 17. Mai 2023, 19:19:25Die meisten Fiktionen der heutigen Zeit werden aus der Sicht eines personellen Erzählers geschrieben.
Das empfindet der Leser als harmonisch, weil er diese Erzählweise gewohnt ist. Nah am Protagonisten zu sein und sich mit ihm identifizieren zu können, empfindet man als spannend.
Diese Nähe kann aber sowohl durch die personelle als auch durch die autoriale  Erzählerform vermittelt werden.
Gewohnheit spielt sicher eine Rolle, wobei es ja auch - gerade in den verschiedenen Künsten - darum geht, das Gewohnte zu brechen und dass das dann für Leute auch spannend ist. Also Gewohnheit ist natürlich auch mitunter langweilig, und ich denke, die meisten mögen es auch, überrascht zu werden, aber natürlich nur auf eine gute Art, und da wirds natürlich schwierig. Nah an den Protas zu sein, halte ich auch für wichtig, einfach weil es für mich persönlich beim Lesen wichtig ist. Und nah heißt nicht, dass ich die unbedingt sympathisch finden muss, aber ich will schon irgendwo andocken können und vor allem verstehen, warum sie tun, was sie tun.

Zitat von: Rotkehlchen am 17. Mai 2023, 19:19:25Wenn ich jetzt meine Geschichte z.B. auktorial beginne und im Laufe eines Kapitels an eine Figur heranzoome, quasi dann aus ihrem Blickwinkel das Geschehen schildere ("personale Erzählform mit auktorialen einschüben", wie Paka es vorhin erwähnte), muss dann in den darauffolgenden Kapiteln immer ersichtlich werden, dass es sich um einen auktorialen Erzähler handelt?
Ich würde immer sagen, die Erzählperspektive muss konsistent sein und zu deiner Frage würde ich sagen, du kannst auktorial starten, also im Sinne einer Nullfokalisierung und dann personal weitererzählen. Wo du - bei Fantasy und SF vielleicht noch mal mehr als in anderen Genres - aber vermutlich aufpassen musst, ist, deinen nullfokalisierten Anfang nicht als Infodump zu benutzen. Das mögen ja die meisten Leser auch nicht so, oder lass mal lieber von mir sprechen. Ich mag es auch lieber, wenn Geschichten und auch die Welten in denen sie spielen, sich langsam entblättern. Ich vermute, weiß es aber nicht, dass auch Lektoren eher schauen, ob es funktioniert, sich "gut liest", statt irgendwelche Regeln im Kopf zu haben. Aber die bleiben berufsbedingt wahrscheinlich schneller an etwas hängen bzw. werden schneller aus Texten rausgekegelt, wenn was nicht passt und können dann auch noch genau sagen, warum :-)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Rotkehlchen am 31. Mai 2023, 20:48:10
Hallo @Fluide,
danke für deine Antwort und für die Beispiele. Mir wird immer mehr deutlich, dass es nicht immer möglich ist, zwischen der personellen und der auktorialen Erzählstimme zu unterscheiden (bzw. interne Fokalisierung, Nullfokalisierung).

Wo ich in deinem Beispiel nicht unbedingt zustimmen würde, ist dass der Satz
"Sie sah sich um." ein Hinweis für eine personellen Erzählstimme wäre und
"Marissa sah sich um." für eine auktiriale Erzählstimme wäre.

Für mich sind beide beide gleichwertig. Anders würde es aussehen, wenn da
"Das Mädchen sah sich um." stünde.

Wenn die Wahrnehmung aus Marissas Perspektive wäre, würde sie nicht von sich selbst als "ein Mädchen" denken / sprechen. In dem Fall wäre es nach meinem Empfinden ein Hinweis für einen auktorialen Erzähler.


Zu deinem anderen Beispiel:
"Monika sitzt auf dem Sofa, ihr Blick ist auf den Fernseher geheftet. An der Wand sitzt eine Fliege. Als das Telefon klingelt, fliegt sie davon. Monika steht auf und geht zum Telefonapparat im Flur."

Ich bin mit den Begriffen der Fokaliserung nicht so ganz fit, aber ich würde sagen, dass dieser Satz nicht eindeutig ist. Personell würde ich ausschließen, da Monika die Fliege nicht wahrnehmen würde, wenn sie gerade auf den Fernseher schaut. Es könnte aber auktorial ODER neutral sein.
Der auktoriale Erzähler ist wertend, hat eine eigene Persönlichkeit. Der neutrale würde keine eigenen Emotionen durchscheinen lassen.
Der Abschnitt ist zwar recht neutral geschrieben, aber vielleicht hat der auktoriale Erzähler (falls es einer wäre) im Moment ja keine eigenen Gedanken zu der Szene. Man müsste den Text weiterlesen, um herauszufinden, um welche Erzählperspektive es sich handelt.


Beim Infodumping gebe ich dir recht! Ich empfinde eine Geschichte als gelungen, wenn die Gedanken von Personen, ihre Charaktereigenschaften, die Welt dem Leser ganz allmälich offenbart wird. Das wäre wohl die wichtigste Regel beim Schreiben. "Show, don't tell!"

Ich mag das übrigens auch überhaupt nicht, wenn der Leser vom Autor wie ein kleines Kind an die Hand genommen wird, wenn es darum geht, sich ein Urteil von einem Figur zu bilden. Ich

(Gemäß dem Motto "Hey Leser! Du sollst jetzt denken, dass das ein böser Mensch ist!")
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Coppelia am 01. Juni 2023, 07:37:30
Die literaturwissenschaftlichen Fachbegriffe sind ja dafür geschaffen worden, Texte zu analysieren und zu beschreiben. Sie sagen nichts darüber aus, ob ein Text "gut", spannend u. ä. ist. Die Fachbegriffe sind meist schon älter und die analysierten Texte auch. Es gibt z. T. auch neuere Ansätze und Begriffe. Ich habe in dem Gebiet mal geforscht, bin jetzt aber seit 10 Jahren raus.

Auktoriale Erzählperspektive ist im Großen und Ganzen etwas, was sich in Unterhaltungsliteratur aktuell kaum noch findet. Vor ca. 50 Jahren war sie dagegen noch relativ üblich, davor weitgehend Standard. Der Grund dafür ist meiner Vermutung nach, dass Erzählperspektive die Möglichkeit schafft, mit Figuren mitzufiebern. Je "näher dran" die Perspektive ist, desto spannender, unterhaltsamer und besser verkäuflich ist die Geschichte. Das hat der Buchmarkt natürlich auch erkannt und bevorzugt Geschichten mit Figurenperspektive. Und der Trend setzt sich noch fort.

Und ja, die Perspektive kann sich innerhalb eines Absatzes u. ä. ändern. Ich persönlich versuche aber immer, grundsätzlich nah an der Figur dranzubleiben und "auktoriale" Passagen möglichst zu vermeiden. Zusammenfassungen lassen sich z. B. auch aus der Perspektive einer Figur erzählen.

Zum Thema Namen und Erzählperspektive: Aus der Sicht einer Figur würde sie sich bei dem Namen (und Pronomen) wahrnehmen, den/die sie mit sich verbindet. Wer dann sowas schreibt wie "Marissa versteckte sich im Schatten und hielt den Atem an. Das schwarze Haar der jungen Diebin hing unter ihrem roten Kopftuch hervor" geht auf Distanz zur Figur und nimmt den Lesenden die Chance zum Mitfiebern, da sich der Charakter nicht als "die junge Diebin" wahrnehmen würde (und natürlich in der Lage auch nicht über ihr Aussehen nachdenken würde). Manche Schreibende versuchen, durch solche Formulierungen die Wiederholung des Namens zu vermeiden, aber das ist in meinen Augen grundsätzlich keine gute Idee.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Siara am 01. Juni 2023, 09:36:43
Zitat von: Coppelia am 01. Juni 2023, 07:37:30Zum Thema Namen und Erzählperspektive: Aus der Sicht einer Figur würde sie sich bei dem Namen (und Pronomen) wahrnehmen, den/die sie mit sich verbindet. Wer dann sowas schreibt wie "Marissa versteckte sich im Schatten und hielt den Atem an. Das schwarze Haar der jungen Diebin hing unter ihrem roten Kopftuch hervor" geht auf Distanz zur Figur und nimmt den Lesenden die Chance zum Mitfiebern, da sich der Charakter nicht als "die junge Diebin" wahrnehmen würde (und natürlich in der Lage auch nicht über ihr Aussehen nachdenken würde). Manche Schreibende versuchen, durch solche Formulierungen die Wiederholung des Namens zu vermeiden, aber das ist in meinen Augen grundsätzlich keine gute Idee.

Ich stimme dir zu, dass es Distanz schafft, würde hier aber nicht verallgemeinern, dass es schlecht ist. Es ändert den Stil und die Wirkung natürlich schon. Ich kenne einige Beispiele aus der High Fantasy, in denen diese Umschreibungen verwendet werden und gut funktionieren. Allerdings lässt sich dann diskutieren, ob es sich überhaupt noch um eine personale Erzählweise handelt - oder eher um eine auktoriale, die sich in diesem Kapitel/Absatz/Roman nur auf die Sicht einer Figur beschränkt. Oder der Charakter ist eben sehr dramatisch veranlagt und denkt gerne von sich als "die junge Diebin", etc. ;D
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Rotkehlchen am 01. Juni 2023, 19:24:20
@Coppelia
Ich hatte auch davon gelesen, dass heutzutage es eher üblich ist, aus der personellen Perspektive zu erzählen.
Ich hab mir dann einfach einige Bücher aus dem Regal gegriffen und mal geschaut, wie andere berühmte Autoren das handhaben. Ich habe in "Harry Potter" 1, in "Artemis Fowl", in "Kelch und Schwert", in Kings "dunklen Turm" und in "der Schwarm" reingelesen und war doch sehr überrascht. Alle Autoren (von denen ich meine, dass sie ihr Handwerk verstehen, haben auktorial erzählt.

Ich hab zuvor gedacht, dass es bei moderneren Büchern eher die Ausnahme sei, so zu erzählen.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Coppelia am 01. Juni 2023, 19:51:21
@Rotkehlchen So richtig neue Bücher sind das aber auch nicht mehr (ich glaube, ,,Der Schwarm" von 2009 ist das neuste). Die Bücher, die ich in der Kindheit gelesen habe, sind auch häufig auktorial erzählt, und das sind ja auch bekannte Klassiker.
Natürlich kann es auch jetzt hin und wieder noch vorkommen, dass Romane auktoriale Passagen haben, denke ich. Ich habe das aber in den letzten aktuellen VÖs, in die ich so reingeschaut habe, nur noch selten gefunden. Würde mich jetzt aber auch nicht wundern, gerade bei bekannten Autor*innen. Oder wenn es wirklich auf irgendeine Weise zum Gesamtkunstwerk Buch gehört.

Außerdem darf man auch nicht vergessen: Wer wirklich meisterhaft erzählt, kann mit den Perspektiven jonglieren und das Potenzial jeder einzelnen Erzählform nutzen. Dazu muss mensch aber genau wissen, was er/sie tut. Diese ,,die junge Diebin"-Formulierungen sind mir z. B. Sehr oft in Debütromanen aufgefallen, wo es ganz leicht wäre, sie beispielsweise durch ein Pronomen zu ersetzen und damit (in meinen Augen) den Text zu verbessern. Denn es ist dann offensichtlich, dass die Figur Perspektive haben soll. Da würde ich dann schon über die Formulierung nachdenken. Wenn ich es erzähltechnisch mit Stephen King aufnehmen kann, okay, das ist eine andere Sache. ;D 

Wie gesagt ändert sich die Erzählform oft im Laufe eines Romans und kann sich sogar innerhalb eines Absatzes ändern. Dass ein Roman nur eine einzige Art der Perspektive hat, ist auch so eine Sache, die in der Schule oft falsch vermittelt wird (weil es auch in Lehrbüchern oft falsch steht und auch die Lehrkräfte es nicht genauer wissen). Ich bin selbst damals mit dieser Ansicht an die Forschung rangegangen und war sehr überrascht, dass die Personen, die die Theorien und ihre Begriffe geprägt haben, viel differenzierter analysieren und ihre eigenen Werkzeuge anders anwenden, als wir es in der stark gekürzten Schul-Version lernen. Und im Studium scheine ich irgendwas anderes gemacht zu haben, jedenfalls nicht das! :rofl:

Edit: Sorry, ich hoffe, das klang nicht zu sehr nach Klugscheißen, bei dem Thema geht es manchmal etwas durch mit mir ...
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Rotkehlchen am 01. Juni 2023, 19:58:01
Ich verstehe! Vielen Dank! Da hab ich wieder einiges gelernt :)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Fluide am 04. Juni 2023, 18:01:51
Zitat von: Rotkehlchen am 31. Mai 2023, 20:48:10Wo ich in deinem Beispiel nicht unbedingt zustimmen würde, ist dass der Satz
"Sie sah sich um." ein Hinweis für eine personellen Erzählstimme wäre und
"Marissa sah sich um." für eine auktiriale Erzählstimme wäre.

Für mich sind beide beide gleichwertig. Anders würde es aussehen, wenn da
"Das Mädchen sah sich um." stünde.
Ich glaube auch, dass ist eher aus der Perspektive _meines_ Schreibens. Ich würde in diesem Fall das Pronomen bevorzugen. Das Pronomen schließt für mich irgendwie die auktoriale Perspektive aus und ich würde leichter in die Perspektive finden. Aus Leserperspektive wäre ich beim Namen wohl nicht festgelegt und es wäre für mich, wie du schreibst, beides gleichwertig.

Zitat von: Rotkehlchen am 31. Mai 2023, 20:48:10Ich bin mit den Begriffen der Fokaliserung nicht so ganz fit, aber ich würde sagen, dass dieser Satz nicht eindeutig ist. Personell würde ich ausschließen, da Monika die Fliege nicht wahrnehmen würde, wenn sie gerade auf den Fernseher schaut. Es könnte aber auktorial ODER neutral sein.
Der auktoriale Erzähler ist wertend, hat eine eigene Persönlichkeit. Der neutrale würde keine eigenen Emotionen durchscheinen lassen.
Der Abschnitt ist zwar recht neutral geschrieben, aber vielleicht hat der auktoriale Erzähler (falls es einer wäre) im Moment ja keine eigenen Gedanken zu der Szene. Man müsste den Text weiterlesen, um herauszufinden, um welche Erzählperspektive es sich handelt.
Ja, klar. Wenn man weiterliest, ändert sich vielleicht was, aber so wie es da steht, würde ich sagen: externe Fokalisierung bzw. neutraler Erzähler, wobei ich ja noch nicht einmal sicher bin, ob ich das überhaupt richtig verstehe.  ;)

Zitat von: Coppelia am 01. Juni 2023, 07:37:30Die literaturwissenschaftlichen Fachbegriffe sind ja dafür geschaffen worden, Texte zu analysieren und zu beschreiben. Sie sagen nichts darüber aus, ob ein Text "gut", spannend u. ä. ist. Die Fachbegriffe sind meist schon älter und die analysierten Texte auch. Es gibt z. T. auch neuere Ansätze und Begriffe. Ich habe in dem Gebiet mal geforscht, bin jetzt aber seit 10 Jahren raus.
Das finde ich auch noch mal einen wichtigen Aspekt, dass die Begriffe selbst wertneutral und rein beschreibend sind. Magst du mal aus dem Nähkästchen plaudern, was neuere Ansätze und Begriffe sind? Oder was ich dazu lesen könnte? Ich finde zB die Systematisierung, die ich hier vom http://www.li-go.de/_pages/wissensbereiche/prosa/dererzaehltext.html gepostet habe, wesentlich hilfreicher als die Begriffe personaler und auktorialer Erzähler.


Zitat von: Coppelia am 01. Juni 2023, 07:37:30Auktoriale Erzählperspektive ist im Großen und Ganzen etwas, was sich in Unterhaltungsliteratur aktuell kaum noch findet. [...] Je "näher dran" die Perspektive ist, desto spannender, unterhaltsamer und besser verkäuflich ist die Geschichte. Das hat der Buchmarkt natürlich auch erkannt und bevorzugt Geschichten mit Figurenperspektive. Und der Trend setzt sich noch fort.
Und Figurenperspektive wäre dann ja, was man personalen Erzähler nennt, richtig? Ich glaube auch, dass viele Leser sich eigene Urteile bilden wollen, warum auktoriale Erzähler vielleicht zusätzlich aus der Mode sind. So wie du das schreibst, klingt das, und das würde ja auch total Sinn machen, dass Figurenperspektiven immer personal sind, aber würde das nicht auch bedeuten, dass sich @Paka s Krähe dann nicht auf eine Schulter setzen dürfte bzw. in dem Falle eben nicht mehr auktorial erzählen würde? Auktorial wäre von "oben", sowas wie: "Lisa war traurig", statt zu "zeigen", dass Lisa traurig ist (weil das ja personal wäre, oder nicht?). Ein rein personaler Erzähler ist durchgängig dicht dran an der Figur und verschwindet darum eigentlich für den Leser, sodass der Text sehr unmittelbar wirkt (wie ein Film eher), was viele Leser:innen mögen. Ich mag es aber auch gerne, wenn es einen Erzähler gibt, der nicht in der Denkweise oder Wahrnehmung des Protas "gefangen" ist. Weil ich das aber so schwierig finde, schreibe ich meistens aus der Ich-Perspektive, da hab ich alle diese Probleme nicht und ich kann als "Ich" über die Vergangenheit schreiben und bewerten und einordnen, wie ich will. Das kriege ich in der 3. Person nicht so hin, denke aber, das muss doch eigentlich möglich sein, auch wenn ich keine Ahnung habe, was für ein Erzähler (personal, auktorial) das dann wäre.


Zitat von: Siara am 01. Juni 2023, 09:36:43Ich stimme dir zu, dass es Distanz schafft, würde hier aber nicht verallgemeinern, dass es schlecht ist. Es ändert den Stil und die Wirkung natürlich schon.
Das finde ich sehr wichtig, dass es einfach verschiedene Leser:innen und Geschmäcker gibt. Und dass auch jemand, den überhaupt nicht stört, was einen vielleicht selber stört, nicht dumm oder weniger gebildet oder wat weiß ich ist. Manchmal gibt es so Leute, die meinen: so und so ist es richtig oder falsch. Das geht mir hart auf die Nerven. Klar gibt es Leitlinien oder Regeln und Ausnahmen, die diese Regeln bestätigen, aber meine Güte das sind halt auch keine Naturgesetze, die man nicht brechen darf, sondern Konventionen, die sich ändern können. Wichtig ist ja nicht die Regel an sich, sondern das Verständnis dafür, warum es sie gibt bzw. ihre Wirkweise.


Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Coppelia am 06. Juni 2023, 07:07:28
@Fluide (Literaturwissenschaftsgelaber) ;D
Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.


Bei kreativer Arbeit ist ja alles erlaubt und möglich. Das heißt natürlich nicht, dass egal ist, wie es gemacht ist. Es mag alles möglich sein, und es gibt sicher auch unzählige tolle, unterschiedliche Arten, einen Text zu schreiben, trotzdem ist halt nicht alles gleich sinnvoll.

Perspektive schreiben ist meiner Meinung nach Handwerk wie plotten oder Figuren charakterisieren. Dazu braucht es keine Schule/Studium, es lässt sich, wenn der Wunsch besteht, lernen. Zwar stört es viele Leser*innen nicht, falls handwerklich Luft nach oben bleibt, viele Romane sind ja auch trotz miesem Plot und flacher Figuren extrem erfolgreich, aber tendenziell schadet es einem Buch nicht, wenn das Handwerk beherrscht wird. ;D

ZitatIch mag es aber auch gerne, wenn es einen Erzähler gibt, der nicht in der Denkweise oder Wahrnehmung des Protas "gefangen" ist. Weil ich das aber so schwierig finde, schreibe ich meistens aus der Ich-Perspektive, da hab ich alle diese Probleme nicht und ich kann als "Ich" über die Vergangenheit schreiben und bewerten und einordnen, wie ich will. Das kriege ich in der 3. Person nicht so hin, denke aber, das muss doch eigentlich möglich sein, auch wenn ich keine Ahnung habe, was für ein Erzähler (personal, auktorial) das dann wäre.
Verstehe ich das richtig, dass in dem Fall die Figur quasi aus der Rückschau berichtet? Ja, es ist auf jeden Fall möglich, das auch zu machen. Du könntest für solche Stellen die Perspektive der Figur verlassen und den Erzähler sprechen lassen (früher normal, heute eher unüblich), oder auch einen Kniff anwenden wie z. B. Tagebucheinträge des späteren Figuren-Ich zur Kapiteleröffnung verwenden oder so. ;D

Eine Sache ist mir aus der Forschung besonders in Erinnerung: Perspektive ist mächtig, vielleicht eins der mächtigsten Werkzeuge, die wir beim Schreiben überhaupt haben. Im Großen und Ganzen entscheidet die Perspektive darüber, wer in einem Roman die Identifikationsfiguren sind und wer nicht, wer ,,recht hat" – nämlich die Figuren, die die meiste Perspektive haben. Perspektive bestimmt auch, welche Dinge, die in der fiktiven Welt passieren, überhaupt erzählt werden und welche nicht. Allein diese Auswahl bestimmt das Wesen und die Aussage eines Textes stark.
Und da hört es natürlich nicht auf. Wir haben die Möglichkeit, Stimmen sprechen zu lassen, die sonst nicht gehört werden, Gedanken und Lebensumstände sichtbar zu machen, die sonst nicht gesehen werden. Oder wir können, wer auch immer wir sind, was auch immer uns wichtig ist, durch die Geschichte, die Perspektive der Figuren, Raum geben. Da Perspektive die Denkweise der Leser*innen extrem beeinflusst, während sie das Buch lesen (und ggf., wenn gut gemacht, auch danach) können solche Geschichten tatsächlich die Welt verändern. Unter ungünstigen Umständen kann es aber auch passieren, dass eine Botschaft vermittelt wird, die nicht beabsichtigt ist. Meiner Ansicht nach kann mensch die Bedeutung von Perspektive und ihre Macht über die Lesenden daher gar nicht hoch genug einschätzen! Und daher finde ich es wichtig, sich mit dem Handwerk zu beschäftigen und wirklich zu verstehen, wie Perspektive funktioniert, was sie kann und wie. :)
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Fluide am 06. Juni 2023, 08:34:27
Cool, @Coppelia, danke für deine Antwort. Ich melde mich später noch mal ausführlicher, für jetzt nur hierzu:
ZitatDer Link auf li-Go.de führt bei mir leider nirgends hin. :hmmm:

Habe den Link in meinem Post korrigiert. Es ist http://www.li-go.de/_pages/wissensbereiche/prosa/dererzaehltext.html
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Yamuri am 06. Juni 2023, 08:52:52
Ich denke allerdings wir können nicht verhindern, dass Menschen einen Text komplett anders wahrnehmen als wir das intendiert haben. Ja, Worte haben Macht - aber jeder Mensch hat basierend auf seiner persönlichen Geschichte eine völlig eigene Definition dieser Begriffe. Nur weil augenscheinlich der Begriff von allen verstanden wird, bedeutet das noch lange nicht, dass tatsächlich alle die den Begriff benutzen dasselbe darunter verstehen. Es ist ein Fehler zu denken, weil wir dieselbe Sprache sprechen, könnten wir einander verstehen. Tatsächlich ist das der Anfang der meisten Missverständnisse, dass wir davon ausgehen, dass Gefühle, die wir benennen sich für das Gegenüber genauso anfühlen, wie wir es empfinden.

Ich habe auch schon Texte auf eine Weise interpretiert, da haben andere nur groß geschaut. Oft sehe ich Dinge in Texten, die anderen einfach verborgen bleiben oder aber ich sehe die Dinge komplett anders. Aber nur weil ich eine bestimmte Botschaft in einem Text sehe, heißt das nicht, dass für andere da auch eine Botschaft ist. Es kann sogar sein, dass andere nur reine Unterhaltung wahrnehmen und gar keine Lehre daraus ziehen können, nichts von dem erkennen, was ich darin lese.

Aus Stephen Kings dunklem Turm z.B. ziehe ich unglaublich viel philosophisches Gedankengut, komplexe Erkenntnisse über das Universum selbst. Viele würden nichts weiter darin sehen als Unterhaltung. In Stephen King's ES hatte ich Mitleid mit Henry Bowers und seinen Freunden. Sie waren genauso Opfer, aber niemand hat es bemerkt und so konnten sie zu Tätern werden, weil es zugelassen wurde. Sie taten mir Leid, dass sie so enden mussten. Auch in einer koreanischen Krimiserie, die ich gerade sehe, denke ich mir gerade zu einer Antagonistin, dass die Protagonisten viel zu sehr damit beschäftigt waren ihnen nahestehenden Personen zu helfen, dass sie nicht gesehen haben, dass all das Leid nie geschehen wäre, wenn sie die stummen Schreie der Antagonistin wahrgenommen und ihr geholfen hätten. Ich sehe diese Dinge, wo andere nur einfach Antagonist vs Protagonist sehen. Mir fallen diese tiefgründigen Prozesse auf, die dazu führen, dass ein Mensch böse wird und ich sehe den Kipp-Punkt. Und sehe ich ihn, dann kann ich die Antagonisten nicht mehr als böse wahrnehmen, dann sehe ich die Protagonisten als nicht mehr gut und mitverantwortlich, weil sie ignorant waren und nicht sahen, wo sie hätten verhindern können, wenn sie einfach nur zugehört hätten, richtig zugehört.

Insofern denke ich, wir sollten uns selbst nicht überschätzen. Sobald wir ein Buch den Lesern geben, wird es unterschiedliche Interpretationen geben und wir können individuelle Interpretationen nicht verhindern und müssen das auch nicht. Aber das führt grade sehr weit weg von dem Thema Perspektive. Ich denke es gibt neben der Erzählperspektive auch die Perspektive der Lesenden und diese interpretiert die Perspektiven im Text auf ihre eigene individuelle Weise und egal wie gut das Handwerk ist, wir werden die Perspektive der lesenden Person damit nicht manipulieren können.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Coppelia am 06. Juni 2023, 10:32:54
Danke für die Diskussion, ich finde die soooo interessaaaant! :wolke:  :vibes: Jetzt weiß ich wieder, wieso ich das Thema damals so gern mochte. ;D

@Yamuri
Du hast meiner Meinung nach auf jeden Fall recht damit, dass viele Faktoren dabei eine Rolle spielen, wie ein Text von der lesenden Person verstanden wird, und dass es dabei vorkommen kann (und auch völlig okay ist, naja, meistens) wenn ein Text nicht so verstanden wird wie ursprünglich mal intendiert oder die lesende Person mehr für sich mitnimmt, als drinsteckt (dazu fällt mir Kafka ein "Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns"). Persönliche Erfahrungen, gesellschaftlicher Hintergrund, zeitliche Entfernung zum Text, Voreinstellung zum Text beim Lesen usw. machen viel aus.
Trotzdem bin ich persönlich fest davon überzeugt, dass durch Perspektive Einfluss darauf genommen werden kann, was Lesende aus dem Text mitnehmen, auch wenn es nicht immer (gleich, gleich gut) funktioniert.

Manipulation Lesender durch Texte (ein weiteres Ex-Forschungsthema von mir, sorry :rofl:) ist ja nichts Schlechtes an sich. Es gehört ja sogar ein bisschen dazu, dass sich die Lesenden auf das "Spiel" der Fiktion einlassen und das, was ihnen erzählt wird. Natürlich kann es sein, dass lesende Person und Text nicht gut zusammenpassen. Wenn z. B. die Manipulation offensichtlich, Gut und Böse klar verteilt sind u. ä., wird sich eine kritisch lesende Person davon wohl eher nicht so beeinflussen lassen. Aber gut gemachte Manipulation merkt mensch nicht. ;D
Witzig ist, dass ich vorhin den Absatz über das Identifikationspotential mit der antagonistischen Figur wieder gelöscht hatte, um nicht zu weit vom Thema abzukommen. Gerade anspruchsvollere Texte arbeiten ja viel damit, dass auch die antagonistische Figur Perspektive bekommt oder Hinweise im Text "versteckt" sind, die es zulassen, sich mit dieser Figur zu identifizieren. Gerade bei Stephen King, der ein meisterhafter Erzähler ist, könnte ich mir gut vorstellen, dass die Identifikation mit den Antagonisten absichtlich möglich gemacht wird, gerade wenn jemand gründlicher liest und beim Lesen reflektiert. Macht diese mögliche Identifikation nicht einen Teil des Horrors aus? Dass wir die Beweggründe der "Bösen" verstehen und uns vorstellen könnten, selbst an ihrer Stelle zu sein? Dass sie uns leid tun, anstatt dass wir sie verabscheuen, wie es vielleicht angemessen wäre?

ZitatIch denke es gibt neben der Erzählperspektive auch die Perspektive der Lesenden und diese interpretiert die Perspektiven im Text auf ihre eigene individuelle Weise und egal wie gut das Handwerk ist, wir werden die Perspektive der lesenden Person damit nicht manipulieren können.
Das sehe ich anders. Ich denke, es ist die große Stärke (und Gefahr) von Büchern, dass sie genau das können. Wie gesagt, sicher nicht immer und bei allen Menschen, aber die Möglichkeit besteht. Wir können nicht ändern, wer eine Person ist, wenn sie anfängt, ein Buch zu lesen, aber zumindest potenziell ein kleines bisschen, wer sie ist, wenn sie das Buch schließt (Voraussetzung dafür ist natürlich, dass die Person dafür offen ist und dass wir unser Handwerk gut verstehen). Wenn Bücher das nicht könnten, würden sie nie den Horizont erweitern oder zum Nachdenken anregen. Wir könnten es uns schenken, Bücher in der Schule zu lesen. Ideologisch bedenkliche oder gefährliche Bücher könnten munter weiter konsumiert werden, weil sie dann ja keinen Schaden anrichten würden. Die Debatten über Diversität und Repräsentation in Büchern wären überflüssig usw.
Allerdings tendieren wir ja schon dazu, unsere bestehende Meinung bestätigen zu lassen, in unserer Echoblase zu bleiben und daher auch bevorzugt entsprechende Bücher zu wählen, insofern sind die Möglichkeiten von Literatur hier definitiv auch begrenzt - jedenfalls, wenn die Meinung und Weltsicht weitgehend unverrückbar feststehen.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Yamuri am 06. Juni 2023, 11:07:57
@Coppelia:
Dein letzter Absatz führt ein wenig zu der Frage:
Was kann das Wesen eines Menschen ändern? Und ist das Wesen eines Menschen änderbar?

Wahrscheinlich ist das für jeden Menschen unterschiedlich. Was du ansprichst mit der Offenheit ist denke ich sehr wichtig. Ein Buch kann dann beeinflussen, wenn der Lesende empfänglich für Beeinflussung ist oder generell offen dafür ist Neues zu lernen. Dann kann aber auch ein Buch mit bedenklichen Inhalten zur Reflexion führen. Und wer kann bestimmen was bedenklich ist? Das ist immer abhängig von der jeweiligen Kultur und gesellschaftlichen Entwicklung. Was wir als unbedenklich einstufen, würde eine andere Kultur vielleicht als höchst problematisch wahrnehmen und umgekehrt.

Ich denke auch, dass Stephen King das ggf. durchaus bewusst und absichtlich so dargestellt hat, dass aufmerksame Leser:innen Mitgefühl entwickeln. Es gab bei ES ja eine Szene, an die sich Beverly als Erwachsene erinnert (ich glaube es war Beverly, die sich da erinnert), von einem verängstigten Victor Criss der auf sie, Eddie und noch jemanden zugekommen war und Hilfe wollte, aber sie waren schon von der Schildkröte so beeinflusst, dass sie den Hilferuf nicht mehr wahrnehmen konnten. Man merkt im Buch auch, dass die Erwachsenen durchaus auch reflektiert auf die Vergangenheit sehen und in den drei Bullys nicht das absolut Böse sehen, sondern Jungs, die von ES instrumentalisiert und benutzt wurden, so wie sie selbst gewissermaßen von der Schildkröte beeinflusst wurden. Ich fand das wirklich gut gemacht, muss ich sagen. Ich mag das wenn Antagonisten nicht so eindimensional sondern menschlich sind. :)

Tatsächlich ist es aber auch meine Hoffnung, dass meine Geschichten ein klein wenig den ein oder anderen beeinflussen oder zum nachdenken bringen können. Bin mir da nur unsicher ob das mit personal oder auktorial besser klappt.  :hmmm: Und vielleicht können wir ja über Antagonisten auch in dem Antagonist Thread weiter sprechen ^^
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Paka am 23. Juni 2023, 22:12:48
Huhu und sorry, dass ich mich gar nicht mehr gemeldet hatte. War ein paar Wochen im Krankenhaus und versuche jetzt, alles nachzuholen, was liegengeblieben ist.

@Rotkehlchen Nur so viel: Ob Harry Potter personal (mit auktorialen Einschüben) oder auktorial geschrieben ist, da scheiden sich anscheinend die Geister. Stephan Waldscheidt hat in seinem Buch ,,Erzählperspektiven" ein ganzes Unterkapitel zu dem Thema. 😝
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Rotkehlchen am 23. Juni 2023, 22:27:01
@Paka
Danke für die Rückmeldung!
Ja, das Thema wurde hier sehr intensiv diskutiert. :D

Ich hoffe, es geht dir wieder gut...?
Gute Besserung!
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Paka am 25. Juni 2023, 22:13:42
Zitat von: Rotkehlchen am 23. Juni 2023, 22:27:01@Paka
Ich hoffe, es geht dir wieder gut...?
Gute Besserung!
Ja, deutlich besser. Danke! 😊
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Siara am 25. Februar 2024, 09:08:51
Ich habe eine Frage in die Runde. Es kann sein, dass das hier im Thread schon mal Thema war (vor dieser Entscheidung stehen bestimmt viele mal), aber da es dahingehend ja auch immer Entwicklungen gibt, frage ich aus aktuellem Anlass neu.

Wenn der Roman

Würdet ihr dann für besagten Prolog 3. Person oder 1. wählen? Bei der 1. könnte der Figurenwechsel nach wenigen Seiten verwirrender sein. (Selbst mit Hinweis auf dem Perspektivträger darüber). Bei der 3. macht man allerdings bei Leser*innen, die 1. nicht mögen, einen falschen Eindruck. Zudem scheint im betreffenden Genre (in meinem konkreten Fall geht es um Romantasy) 1. Person in zu sein.

Ein aktuelles Beispiel für einen Perspektivwechsel ist "Fourth Wing", wo es von 1. auf 1. mit anderem Perspektivträger geht. Dort passiert das allerdings erst im Epilog, sodass Leser*innen mehr Zeit hatten, sich an die Hauptperspektive zu gewöhnen.

Falls ihr ganz generelle Meinungen habt, genreunabhängig, würde mich das auch interessieren.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: caity am 25. Februar 2024, 09:20:25
@Siara: Meinem Eindruck nach gibt es da weder ein richtig oder falsch noch eine ganz klare Richtung. Es gibt Personen, die kommen mit Perspektivwechseln generell nicht klar, es gibt Personen, die lieben sie.
Ich persönlich finde, wenn es nur vereinzelt Perspektivwechsel gibt, den Wechsel in die 3. Person angenehmer, sowohl zum Lesen als auch zum Schreiben. Ich habe das selbst schon so gehandhabt, unter anderem in Einhornblut und Drachenglut. Von den Vorab-Leser*innen hatte damit nur eine Person Schwierigkeiten, die dadurch etwas länger gebraucht hat, um sich in die Story einzufinden. Ich versuche halt, klar zu kommunizieren, wie die Story konzipiert ist, und bei Lesungen sowieso beide Perspektiven aufzuzeigen.  :engel:
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Paka am 25. Februar 2024, 11:46:21
Meine persönliche Meinung: Mich würde der Wechsel von 1. zu 1. Person verwirren. Es sei denn, es steht jeweils ein Name über dem Kapitel.
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Barra am 25. Februar 2024, 12:47:52
ZitatFalls ihr ganz generelle Meinungen habt, genreunabhängig, würde mich das auch interessieren.
In oder nicht. Wenn es mehr als eine*n Perspektivträger*in gibt, mag ich "Ich"-Perspektive gar nicht. Nur, wenn wirklich alles bei dieser einen Person bleibt, find ich's ok.
Ich mag weder 3.Person Prolog/ Epilog/ Interlog und ansonsten Prota-Ich. Noch Ich und Ich.
Rein meine Vorliebe.
Ich lese allerdings auch super wenig Romantasy.
Habe im Januar mehrere "Science Fiction Romance Series" Bücher gelesen. Eines davon hatte Ich und Ich. - Es war ok. Eine Serie blieb komplett bei der Prota, das war super angenehm. Leser*innen wissen demnach auch nur das, was die Prota weiß und erlebt. Ich mag das.

Was ich nicht mag: Prologe ;) . Wie in deinem Beispiel, wenn es nur ein einziges Mal vorkommt, würde ich mich fragen, braucht es den Prolog dann überhaupt und die andere Perspektive? Ich mein, es gibt ja Momente, in denen Autor*in denkt: Wäre jetzt schon wichtig, dass die Leser*innen wissen, was der*die Anta macht. Am Anfang, in der Mitte und vorm Showdown vielleicht. Dann würde ich 3.Person nehmen, um das halt auch emotional abzugrenzen. Die Anta-Person also bewusst distanzieren durch die Perspektive.
Der Love Interest hingegen: Wenn es der Fall wäre, dass diese Person was wichtiges zu sagen hat - zum Beispiel (hoffentlich) eine eigene Entwicklung innerhalb der Geschichte - dann sollte diese Person auch entsprechend mit eigener Perspektive versehen sein, aber dann nicht nur einmal. Sondern eben so 40% des Textes? Dann denke ich, dass zwei "Ich"s "abwechselnd" super funktionieren. Aber nur für einen Auftritt? Eher nicht.

Weiß nicht ob das hilfreich war. Ich wünsche dir auf jeden Fall gutes Gelingen.
Bunte Grüße Barra
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Fluide am 25. Februar 2024, 12:59:38
Ich habe da keine feste Meinung zu. Am Ende hängts ja doch immer an der Umsetzung.

Als Leserin springt man ja nicht direkt in ein Buch ohne jedes Vorwissen, man hat ja den Klappentext gelesen etc und erwartet eben zB die Perspektive von X - ganz egal ob in 3. oder 1. Person.
Aus strategischen Gründen würde ich auch überlegen, ob der Prolog wirklich sinnvoll/notwendig ist, weil man ja die Perspektive von X erwartet und nicht von Y. Wenn du den Prolog wichtig findest, dann sollte klar sein, dass es sich A. um einen Prolog handelt, der B. aus einer anderen Perspektive als der der Prota geschrieben ist.

Die Person (1. oder 3.) wäre für mich weniger relevant - so die beiden Ich-Perspektiven sich denn deutlich unterscheiden, was bei 3. Person ja genauso wichtig ist. Also ich würde mich eher fragen, mit welcher Erwartungshaltung gehen Leser:innen in das Buch, nachdem sie den Klappentext gelesen haben? Andererseits, wenn man als Leserin weiß - ah, Prolog!, dann liest man das ja eh schon nicht so richtig als Teil der Geschichte ...

Das sind so meine Überlegungen, wahrscheinlich nicht sehr hilfreich, aber am Ende hängt es für mich eben an der Umsetzung, sodass ich es schwierig finde, pauschal dazu etwas zu sagen ...
Titel: Re: Alles zur Perspektive
Beitrag von: Siara am 25. Februar 2024, 13:25:03
Danke für die Antworten! Ob der Prolog nötig ist, ist natürlich ein ganz anderer Punkt. Die Frage war unter der Annahme gestellt, dass er - aus welchen Gründen auch immer - geschrieben wird. In dem Fall scheint die Grundstimmung ja Richtung: "Kommt auf die Umsetzung an" zu gehen.