Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum

Handwerkliches => Workshop => Thema gestartet von: HauntingWitch am 01. September 2013, 15:35:16

Titel: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: HauntingWitch am 01. September 2013, 15:35:16
Habt ihr auch immer so Mühe mit Aussehensbeschreibungen? Ich habe es oft, dass mir die richtigen Worte beim Ausfüllen des Charakterbogens oder während dem Schreiben von Szenen einfach nicht in den Sinn kommen wollen. Dabei kenne ich sie doch. Deshalb habe ich mir mal eine Übersicht erstellt, die ich mit euch teilen möchte.


P.S. Vielleicht ist nicht alles objektiv, habe das ziemlich frei aufgelistet. 

[Dateianhang durch Administrator gelöscht]
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Fynja am 01. September 2013, 23:17:16
Vielen Dank für das Merkblatt! Habe es mir gleich heruntergeladen und werde es sicherlich auch verwenden können, mit Aussehensbeschreibungen hadere ich auch desöfteren, vor allem, weil es mir oft vorkommt, als würde ich meine Figuren zu oft mit immer den gleichen Worten beschreiben...
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Merlinda am 01. September 2013, 23:22:51
Oh das ist gut! :)
Vielen Dank für die Bemühungen. Ich habe es auch gleich runtergezogen und gespeichert.
Wenn du willst kann ich dir morgen oder übermorgen noch ein paar Ergänzungen schicken.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Romy am 02. September 2013, 00:08:37
Danke für die Liste Witch! :)
Wenn ich meine Figuren beschreibe, klingt das auch oft alles sehr ähnlich. Gut, meist beschreibe ich auch nicht sooo viel, aber ein bißchen mehr Abwechslung ist sicherlich trotzdem nicht verkehrt.

Ein paar Ergänzungen sind mir auch noch eingefallen. Ich werde mal drüber schlafen, vielleicht fällt mir noch mehr ein und dann poste ich sie auch hier.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: HauntingWitch am 02. September 2013, 12:16:09
Nichts zu danken, ist ja auch für meinen eigenen Vorteil.  ;D

@Merlinda: Ergänzungen sind immer gut. Ich überlege nur gerade, ob es besser wäre, wenn ihr die hier einfach postet oder ob ich die jeweils sammeln, aufnehmen und dann die aktualisierte Liste reinstellen soll.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Velone am 26. September 2013, 18:54:36
Liebe HauntingWitch,

dieser Thread ist einer derjenigen, weshalb ich ich hier angemeldet habe :) Aussehensbeschreibungen sind mein persönlicher Feind und geraten mit gefühlt wahnsinnig langweilig und nichtssagend. Deshalb vielen, vielen Dank!

Ich wollte endlich noch eine andere Möglichkeit ergänzen, an die ich denken musste, seit ich diesen Thread zum ersten Mal gesehen habe. Wenn es sich anbietet, kann man das Aussehen auch in Beziehung zum Charakter oder der Umgebung setzen.  :lehrer:

Beispiel eins ist aus dem berühmten Harry Potter Anfang:
"Mrs Dursley war dünn und blond und besaß doppelt so viel Hals, wie notwendig gewesen wäre, was allerdings sehr nützlich war, denn so konnte sie den Hals über den Gartenzaun recken und zu den Nachbarn hinüberspähen."

Beispiel zwei ist aus Michael Frayns "Willkommen auf Skios":
Nikki jedoch (...) war so dezent kühl wie die klimatisierte Luft. Ihr dezent blondiertes Haar lag akkurat an, ihre weiße Bluse und der blaue Rock waren ein dezentes Echo der griechieschen Weiß- und Blautöne draußen, ... "usw.

P.S. Sorry falls du den Thread nicht dazu gedacht hattest, andere Möglichkeiten der Charakterbeschreibungen zu sammeln, dann lösch ich es wieder   :) 
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Tinnue am 26. September 2013, 18:59:30
Danke für das liebevoll zusammengestellte Merkblatt, Witch!  :jau:
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Aphelion am 27. September 2013, 02:30:59
In einem Arbeitsheft aus der fünften oder sechsten Klasse hatten wir so etwas auch mal, aber etwas ausführlicher. Bei solchen Materialien könnte man evtl. nach weiteren Anregungen suchen.

Für mich funktioniert so etwas nicht, weil ich es langweilig finde, davon zu lesen - und ich schreibe nichts, was ich selbst langweilig finde. ;) Ab und an skizziere/zeichne ich meine Charas, aber komplette Beschreibungen (selbst wenn ich sie im Kopf oder in meinen Notizen habe) würde ich nie in eine Geschichte packen - außer es hat eine besondere bedeutung (weil z.B. alle Marsianer quadratische Köpfe haben und man darüber den Alien erkennt  ;) ).
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Alessa am 27. September 2013, 07:33:15
Lieben Dank für das Merkblatt, Witch!  :jau:

Ich habe auch immer das Gefühl, dass meine Aussehensbeschreibungen viel zu langweilig sind, weshalb ich ständig auf der Suche nach neuen Möglichkeiten bin.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Manja_Bindig am 16. Oktober 2013, 19:42:30
Ich versuch immer, die Aussehensbeschreibungen in den ersten zwei, drei Absätzen meines Charas anzufangen, indem ich das in dem Moment auffälligste Merkmal erwähne. Das passt besonders dann, wenn es der Hauptharakter oder jemand Bekanntes desselben ist.
Eine neue Person wird natürlich vom Hauptchara etwas eingehender gemustert, entsprechend auch ausgiebiger beschrieben.

Ich verwende gern Metaphern und Vergleiche, wenn ein auktorialer Erzähler die Optik beschreibt und einführt. (ja, ich halte mich von "Haar schwarz wie eine Krähenschwinge" und solchen Späßen fern. Metaphern beziehe ich immer sehr gern aus der Welt meiner Charaktere.)
Schaue ich beim Beschreiben einem Chara "über die Schulter"... ist der Chara metaphorisch, lyrisch, etc? Wenn ja, mit welchem Schwerpunkt? (ein Bauernjunge im 17. Jahrhundert, für den tägliche Mahlzeiten nicht so eine sichere Sache sind wird, wenn er eine Bildung erhält und sich entsprechend auch eine ev. lyrische Neigung zeigen kann, die Liebe seines Lebens vor allem in Vergleichen mit Nahrung beschreiben).

Oder bleibt er bei einem: "Ja, sie ist groß und blond und hat ne Stupsnase"?

Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Coppelia am 16. Oktober 2013, 19:58:50
Also ich liebe Aussehensbeschreibungen. Könnte ich ständig schreiben, weil ich die meisten meiner Figuren so mag und es liebe, zu beschreiben, wie sie aussehen, damit sich alle das auch ja vorstellen können. :wolke:
Ich versuche mich dazu in die Perspektive der Figur hineinzuversetzen, die gerade Perspektive hat, so wie Manja auch andeutet. Eine Aussehensbeschreibung sagt nicht über denjenigen etwas aus, der beschrieben wird, sondern auch über den, der ihn betrachtet. Was fällt dem Betrachter am ehesten auf? Was ist für ihn interessant? Welchen Eindruck macht die andere Person auf ihn? Wenn er sie schön/ nicht schön/... findet, was genau findet der Betrachter schön/...? Körperhaltung und Gesichtsausdruck sind meiner Meinung nach dabei aufschlussreicher als die Kopfform oder die Form der Finger. ;)

Doof ist dabei natürlich immer, dass man Figuren nur dann ausführlicher beschreiben kann, wenn die Perspektive es gerade hergibt, also im besten Fall dann, wenn der Perspektiventräger die andere Figur vorher noch nicht gesehen hat oder einen Grund hat, sie genauer anzusehen.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Toni am 16. Oktober 2013, 20:17:06
Zitat von: Coppelia am 16. Oktober 2013, 19:58:50
Also ich liebe Aussehensbeschreibungen. Könnte ich ständig schreiben, weil ich die meisten meiner Figuren so mag und es liebe, zu beschreiben, wie sie aussehen, damit sich alle das auch ja vorstellen können. :wolke:
Geht mir auch so! :wolke: In meinen Charakterbögen arten die Beschreibungen auch grundsätzlich aus.
Dennoch versuche ich mich zurück zu halten. Nichts finde ich schlimmer als seitenlange Beschreibungen, zumal ich mir als Leser die Figur dann meistens noch schlechter vorstellen kann als zuvor. Ein bis zwei Sätze reichen und sie sollten die auffälligsten Merkmale des Charakters einfangen.
Am schönsten finde ich es aber sowieso, wenn die Beschreibung in die Aktionen der Figur mit einfließt. So bekommt man immer wieder kleine Beschreibungsbrocken und es baut sich nach einiger Zeit ein Bild auf. So ist auch die Gefahr geringer, dass sich alle Beschreibungen gleich und langweilig anhören. Schließlich ist eine Handlung mit ihr verbunden und die wird ja nicht bei jeder Figur die Gleiche sein.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: HauntingWitch am 17. Oktober 2013, 10:16:49
Hey, da tut sich ja noch was.  ;D

@Velone, Manja, Coppelia und Toni: Vielen Dank für eure Anregungen. Ich finde das total spannend und werde einige Punkte bestimmt auch für meine eigene Arbeit im Hinterkopf behalten.

Zitat von: Coppelia am 16. Oktober 2013, 19:58:50
Also ich liebe Aussehensbeschreibungen. Könnte ich ständig schreiben, weil ich die meisten meiner Figuren so mag und es liebe, zu beschreiben, wie sie aussehen, damit sich alle das auch ja vorstellen können. :wolke:

Das klappt nie hundertprozentig, jeder Leser stellt sich eine Figur anders vor, egal, wie genau man sie beschreibt. Ich habe vor langer Zeit einmal so eine halbseitige Prota-Beschreibung gehabt, einer Freundin geschickt und sie sagte: "Toll, der sieht ja aus wie Musiker XY!" Und ich dachte so: Ähm, nein, mein Protagonist ist hübscher als dieser Musiker. Nun ja, ein Kompliment ist es trotzdem, sie findet ihn ja attraktiv. Aber es ist nicht das, was ich meiner Meinung nach beschrieben habe.

Was ich auch einmal ausprobieren möchte, ist dieses "Skizzieren mit Pinselstrichen". Davon habe ich kürzlich gelesen. Es gibt Autoren, die können einem in drei Sätzen so eine genaue Vorstellung ihrer Figur geben, dass die Figur vor dem inneren Auge gleich richtig plastisch und lebendig wird. Nach drei Sätzen. Das finde ich genial und ich möchte mich da herantasten. Vermutlich wird es viel, viel Übung brauchen, aber ich kann nur besser werden.  ;D
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Ary am 17. Oktober 2013, 12:20:37
Coppi, ich liebe Beschreibungen auch und könnte mich stundenlang darin ergehen, wie meine Figuren aussehen. Sprotte hat das beim Betalesen mal sehr knackig zusammengefasst, sie kommentierte, ich würde Steckbriefe schreiben. Haare, Gesichtsform, Augen, Mund, Größe, Gestalt. Ich neige wirklich dazu, das alles hintereinanderweg zu beschreiben, aber irgendwann wird das tatsächlich langweilig. Lieber versuche ich dann, die Beschreibung ein bisschen mit Handlung zu unterlegen.
"Er sah das Funkeln in ihren grünen Augen, und wie sie sich verlegen eine Haarsträhne um den Finger wickelte".
Aha, die Augen sind grün und ihr Haar ist zumindest mal so lang, dass sie es sich um die Finger drehen kann. Irgendwie liest sich das doch weniger fad als "Sie hatte grüne Augen und langes Haar". Am liebsten ist mir eine Mischung aus beidem. Das, was einem wirklich ins Auge springt, in ein, zwei Sätzen abhandeln und die Details doch eher in Handlungen verpacken.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Coppelia am 17. Oktober 2013, 13:00:33
Ich fühle mich missverstanden. ;D Ich gebe zwar zu, dass ich manchmal auch etwas ausführlicher bin in den Beschreibungen, wenn ich Lust habe. Aber ich versuche es meist auch auf den Punkt zu bringen. Ich finde nämlich, eine Anhäufung von Details nützt überhaupt nichts, wenn man sich etwas wirklich vorstellen soll. Das ist wie ein Puzzle, das man im Kopf zusammensetzen soll, und erschafft kein Gesamtbild.

Also, was ist ausschlaggebend am Aussehen, und wie steht der Perspektiventräger zu allem?
Zitat
Nun war Kelven Malkar an der Reihe zu sprechen, das rothaarigste aller Übel im Rat. Wie Lukial dieses verlebte Molchsgesicht verabscheute!

Ich habe zwar keine Ahnung, wie sich meine Leser Malkar dann vorstellen, aber ich fand ausschlaggebend: Er hat rote Haare und ein verlebtes Gesicht, und Lukial findet ihn grässlich. Also "Molchsgesicht", was z. B. noch etwas Hinterhältiges implizieren könnte, oder wenigstens Bartlosigkeit. Auf jeden Fall ein unsympathisches Bild.
Außerdem bekomme ich noch Gelegenheit, etwas über den Perspektiventräger auszusagen: Er formuliert in Gedanken einigermaßen originell.

Es stimmt, dass sich alle Leser ihre eigene Figur "zusammenvorstellen" - aber so muss das auch sein. Warum bloß immer die weiblichen Leser Galotta gutaussehend fanden?
Mit der Beschreibung einer wunderschönen Figur streut man mir übrigens schnell Salz in den Kaffee, wenn man zu offensichtlich ist. ;)
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Ary am 17. Oktober 2013, 18:31:13
Sorry! :)
Das Molchsgesicht gefällt mir, da springt gleich das Kopfkino an. Das "rothaarigste aller Übel" ist auch schön.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Lothen am 17. Oktober 2013, 23:47:50
Oh wie toll, da scheitere ich auch regelmäßig! Ich hab manchmal so ein detailliertes Bild meiner Charaktere im Kopf (manchmal hab ich sogar direkt ein Foto/ eine Zeichnung von ihnen) und kriege es trotzdem nicht aufs Papier!  :wums:

Gerade Gesichtszüge zu beschreiben finde ich immer schwierig, zumindest dann, wenn die Personen nicht in irgendeiner Weise außergewöhnlich aussehen, z.B. kein Mondsgesicht, keine Kartoffelnase oder keine Schweinsäuglein haben ;)

ZitatDoof ist dabei natürlich immer, dass man Figuren nur dann ausführlicher beschreiben kann, wenn die Perspektive es gerade hergibt, also im besten Fall dann, wenn der Perspektiventräger die andere Figur vorher noch nicht gesehen hat oder einen Grund hat, sie genauer anzusehen.

OH JA, da gebe ich dir vollkommen recht!!!! In meinem aktuellen Werk habe ich einen personalen Erzähler (also 3. Person, aber aus der Sicht der Protagonistin) und da ist es echt oft schwierig, detaillierte Beschreibungen einfließen zu lassen, ohne dass es seltsam wirkt. Betritt die neue Person gerade den Raum und die Aufmerksamkeit richtet sich komplett auf sie, ist es einfach, aber wenn es z.B. eine Gruppe von Personen gibt, kann man ja schlecht jeden einzelnen im Detail beschreiben, obwohl es vielleicht notwendig wäre....

Bei mittelalterlichen Szenarien finde ich übrigens auch die Beschreibung der Zähne nicht uninteressant, sagt schließlich auch einiges über den Stand der Person aus ;)
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Anaya am 18. Oktober 2013, 11:10:58
Da muss ich doch gleich mal meinen Senf dazu geben :) :

Seit ich das Programm Daz 3D entdeckt habe, bastele ich mir meine Romanfiguren so zusammen, wie ich sie mir vorstelle. Was gar nicht so einfach ist - denn manchmal sind es kleinste Details, die mir nicht gefallen, wenn ich endlich das fertige Bild vor Augen habe. Kann also durchaus vorkommen, dass ich lösche und wieder von vorne anfange. Und wieder ... und wieder ...

In meinen Geschichten war ich bisher immer der Meinung, es wäre verkehrt, dem Leser zuviele Vorgaben zu machen. Weshalb ich mich bei der Beschreibung meistens auf Haare, Augen, Figur und besondere Merkmale beschränkt habe - eingebaut in eine Szene, wo es gerade passt.
Nun hat neulich meine Freundin mein Buch gelesen und mich ziemlich aus der Bahn geworfen.
Sie meinte nämlich, es hätte ihr gefallen, wenn ich die Charaktere genauer beschrieben hätte - damit sie sie sich besser vorstellen kann.  :-\

Das hat mich doch ziemlich unsicher gemacht, ob meine bisherige Vorgehensweise richtig ist ...  ???
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: HauntingWitch am 18. Oktober 2013, 11:25:12
@Coppelia: Lustig, hier reicht mir allein der Ausdruck "Molchsgesicht" und das Bild steht. :)

Zitat von: Anaya am 18. Oktober 2013, 11:10:58
In meinen Geschichten war ich bisher immer der Meinung, es wäre verkehrt, dem Leser zuviele Vorgaben zu machen. Weshalb ich mich bei der Beschreibung meistens auf Haare, Augen, Figur und besondere Merkmale beschränkt habe - eingebaut in eine Szene, wo es gerade passt.
Nun hat neulich meine Freundin mein Buch gelesen und mich ziemlich aus der Bahn geworfen.
Sie meinte nämlich, es hätte ihr gefallen, wenn ich die Charaktere genauer beschrieben hätte - damit sie sie sich besser vorstellen kann.  :-\

Das hat mich doch ziemlich unsicher gemacht, ob meine bisherige Vorgehensweise richtig ist ...  ???

Das ist ja zum Teil auch Geschmackssache. Als Leser sehe ich es eigentlich nicht so eng, mir reichen grobe Umrisse, das Bild in meinem Kopf fügt sich von alleine zusammen. Was mich stört, ist, wenn nach 200 Seiten von 350 dann mal erwähnt wird, dass die Haare braun sind (und ich habe ihn mir doch blond vorgestellt!) und in Teil 3 der Reihe, dass sie etwas länger sind (und ich dachte, das wäre ein Durchschnittstyp mit kurzen Haaren!). So etwas reisst mich dann aus dem Lesefluss, weil ich mein inneres Bild neu zusammenbasteln muss.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Sprotte am 18. Oktober 2013, 11:32:55
Ich behaupte, es liegt auch sehr stark am Genre, wie üppig diese Beschreibungen ausfallen können und sollten. Bei Romance z. B. erwarte ich als Leserin eine gründliche Beschreibung des "Objekts der Begierde".
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Churke am 18. Oktober 2013, 13:58:36
Zitat von: Lothen am 17. Oktober 2013, 23:47:50
Gerade Gesichtszüge zu beschreiben finde ich immer schwierig, zumindest dann, wenn die Personen nicht in irgendeiner Weise außergewöhnlich aussehen, z.B. kein Mondsgesicht, keine Kartoffelnase oder keine Schweinsäuglein haben ;)

Wenn es eh nichts Besonderes ist, weshalb dann umfassend beschreiben? Mache ich jedenfalls nicht.

Was ist eigentlich mit wertenden Elementen?
Blondiert <-> pornoblond
Oberlippenbart <-> Porno-Schnauzer
Eierkopf <-> Hohlbirne
schlank <-> dürr
hager <-> schwindsüchtig
Gut gebaut <-> steroid aufgepumpt
südländlisch (= Migrationshintergrund + Vorstrafe)
junkieblass
Zuhälterkettchen
Zahnarztfrau

Und dann gibt's natürlich noch die einschlägigen Klamotten mit Konnotation:
Kapuzenshirt
Bauchtasche
Brioni-Anzug
Jogginghose
Kaftan oder Dschallabija (In der Pariser Metro sehr verbreitet)

Natürlich muss man die Kleidung ggf. an Setting und Genre anpassen. Abgesehen natürlich von Kaftan und Dschallabija. :D
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Lothen am 18. Oktober 2013, 14:48:10
Zitat von: AnayaIn meinen Geschichten war ich bisher immer der Meinung, es wäre verkehrt, dem Leser zuviele Vorgaben zu machen. Weshalb ich mich bei der Beschreibung meistens auf Haare, Augen, Figur und besondere Merkmale beschränkt habe - eingebaut in eine Szene, wo es gerade passt.
Nun hat neulich meine Freundin mein Buch gelesen und mich ziemlich aus der Bahn geworfen.
Sie meinte nämlich, es hätte ihr gefallen, wenn ich die Charaktere genauer beschrieben hätte - damit sie sie sich besser vorstellen kann.  :-\

Das hat mich doch ziemlich unsicher gemacht, ob meine bisherige Vorgehensweise richtig ist ...  ???

Genau dasselbe Dilemma hat sich mir auch aufgetan! Ich habe mich in der Regel auch immer nur auf das grobe Aussehen (Haarfarbe, Augenfarbe, Frisur, Figur) beschränkt und evtl. ein, zwei optische Besonderheiten erwähnt, weil ich der Meinung bin, dass sich der Leser ohnehin immer sein eigenes Bild macht. Ein Freund von mir, der auch selber schreibt, war hingegen der Ansicht, dass man für einen wichtigen Charakter auch mal eine 1/2-seitige Beschreibung einbauen könnte, was mir persönlich viel zu langatmig erscheint. Wie seht ihr das?

Ich hab für mich jetzt eine Art "Zwischenweg" gewählt, eben weil es solche und solche Leser gibt. Ich denke, manche wünschen sich einfach mehr Input, andere lassen lieber ihrer Fantasie freien Lauf.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: HauntingWitch am 18. Oktober 2013, 14:51:20
@Churke: Zu den wertenden Elementen: Einige sind eindeutig (Zuhälterkettchen), aber nicht alle. Gerade z.B. bei einem Ausdruck wie "südländisch" kommt es doch sehr darauf an, wie man das rüberbringt. Südländer gelten bei vielen Frauen ja mitunter auch als sehr attraktiv.  ;) Ob man das einbauen kann und sollte hängt natürlich davon ab, wie der Perspektivträger die jeweilige Figur sieht.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Eleanor am 18. Oktober 2013, 15:06:59
Der Bogen für die Aussehensbeschreibungen ist echt klasse :) Vor allem für jemanden wie mich, ich kann schön lang ein Gebäude in einer Stadt beschreiben, aber bei einer Charakterbeschreibung endet es häufig schon bei Haar und Augenfarbe. Am schlimmsten ist es wenn man noch versucht zu berücksichtigen welche Augen- und Haarfarbe noch Eltern und Geschwister haben, weil es ja ein wenig unlogisch ist wenn Eltern und Großeltern blond sind und die Tochter dann tief schwarze Haare hat. Vorallem bei einer Ich-Erzählerin finde ich es schwierig, die Beschreibung von ihr so ein zu bauen, das es nicht aufgesetzt klingt. Man kann ja nicht sagen, "übrigens hatte ich ein wunderschön geformtes Kinn." Alles sehr knifflig  ???
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Lothen am 18. Oktober 2013, 15:10:40
@ Eleanor: Ich finde da Spiegel oder so immer ganz nützlich ;) Dann kann sich der Charakter ein bisschen über sein blödes Haar aufregen oder die Augen, die zu weit auseinanderstehen etc. Oder kann lobend erwähnen, dass seine/ihre Figur in dem Outfit gar nicht mal so schlecht aussieht ;)
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Eleanor am 18. Oktober 2013, 15:13:23
Stimmt gute Idee :), bei Hauptcharakterinnen ist sie immer das hässliche Entlein, das am Ende doch gar nicht so hässlich ist :D Das mit dem Spiegel versuch ich noch am Anfang noch ein zu bauen, danke für den Tipp   :)
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Fianna am 18. Oktober 2013, 15:43:54
Das mit den Spiegeln bringe ich eher mit schlechten Fanfictions in Verbindung (obwohl es auch in Romanen, z.b. Twilight vorkommt).
Mach doch einfach eine Beschreibung, und das herausragendste oder wichtigste Merkmal wird zwischendurch von anderen aufgegriffen. Z.B. misstraut man ihr, schätzt sie als jähzornig ein... Ja, ich hab grad an rote Haare gedacht. Aber zu nahezu jedem äusserlichen Merkmal gibt es Vorurteile oder Sprichworte (Menschen mit eng zusammen stehenden Augen sind unaufrichtig etc)...
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Coppelia am 18. Oktober 2013, 16:07:55
Sol Stein meint ja in seinem bekannten Schreibratgebern, das mit den Spiegeln sei so "ausgelutscht", dass man es nicht verwenden sollte. Aber es ist ja doch so, dass der Mensch ab und zu mal in den Spiegel schaut. Daher sehe ich darin kein so großes Problem, solange die Figur nicht nur merkbar deswegen in den Spiegel schaut, damit der Leser weiß, wie sie aussieht. ;D

Achtet ihr eigentlich genau auf die Augenfarbe, wenn ihr andere Leute trefft? Mir fällt die nur auf, wenn sie besonders ist, sprich sehr dunkel, sehr hell oder sehr sonstwas. Daher baue ich das in Figurenbeschreibungen meist gar nicht so auffällig ein, ich finde nämlich, dass das sehr ins Detail geht. Aber vielleicht bin ich da auch nur speziell.

Och, eine Ich-Erzählerin kann schon denken, dass sie ein wunderschön geformtes Kinn hat, aber sie kommt dann ein wenig seltsam rüber. Vielleicht würde man als Leser denken, dass sie sehr von sich selbst eingenommen ist und gar nicht so schön, wie sie meint. In humoristischen Texten wäre das aber nicht so verkehrt.

Wertende Figurenbeschreibungen sagen weniger etwas über die Figur aus als über den Betrachter.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Lothen am 18. Oktober 2013, 16:33:20
Zitat von: Coppelia am 18. Oktober 2013, 16:07:55
Sol Stein meint ja in seinem bekannten Schreibratgebern, das mit den Spiegeln sei so "ausgelutscht", dass man es nicht verwenden sollte. Aber es ist ja doch so, dass der Mensch ab und zu mal in den Spiegel schaut. Daher sehe ich darin kein so großes Problem, solange die Figur nicht nur merkbar deswegen in den Spiegel schaut, damit der Leser weiß, wie sie aussieht. ;D

Nein, also Letzteres muss ja wirklich nicht sein - wie du schon sagst, es passiert halt einfach bisweilen ;) Vor allem bei weiblichen Charakteren, bei männlichen müsste man das wahrscheinlich etwas umgestalten. Alternativ kann natürlich auch einfach eine andere Person über das Aussehen des Erzählers berichten, sofern es sich anbietet. Nach dem Motto: "Das Kleid passt aber gut zu deinen xx-farbigen Augen" oder so.

Zitat von: Coppelia am 18. Oktober 2013, 16:07:55]Achtet ihr eigentlich genau auf die Augenfarbe, wenn ihr andere Leute trefft? Mir fällt die nur auf, wenn sie besonders ist, sprich sehr dunkel, sehr hell oder sehr sonstwas. Daher baue ich das in Figurenbeschreibungen meist gar nicht so auffällig ein, ich finde nämlich, dass das sehr ins Detail geht. Aber vielleicht bin ich da auch nur speziell.

Nein, da hast du schon recht, ich finde Augenfarbe sollte immer irgendwie in Relation mit dem Ausdruck gesetzt werden. Zum Beispiel sanfte braune Augen oder eiskalte blaue oder - spannender - ein Widerspruch dieser klassischen Paarungen. Ich denke, so etwas fällt einem schon auf, auch wenn man es möglicherweise nicht automatisch der Augenfarbe zuschiebt...
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Churke am 18. Oktober 2013, 17:04:16
Zitat von: Coppelia am 18. Oktober 2013, 16:07:55
Wertende Figurenbeschreibungen sagen weniger etwas über die Figur aus als über den Betrachter.

Im wahren Leben - durchaus. Aber im Roman? Wenn ich einer Figur einen Porno-Schnauzer oder einen Schlafzimmerblick andichte, erzeuge ich damit beim Leser bestimmte Assoziationen. Nur darum geht es in dem Moment. 
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Coppelia am 18. Oktober 2013, 17:23:02
@ Lothen
Hehe, ich glaube nicht, dass Männer gegen den Blick in den Spiegel gefeit sind. ;D

ZitatIm wahren Leben - durchaus. Aber im Roman? Wenn ich einer Figur einen Porno-Schnauzer oder einen Schlafzimmerblick andichte, erzeuge ich damit beim Leser bestimmte Assoziationen. Nur darum geht es in dem Moment.
Ich hab jetzt erstmal gegoogelt, wie genau ich mir einen Porno-Schnauzer überhaupt vorstellen muss. ;D
Leser neigen dazu, sich mit der Perspektive des Betrachters zu identifizieren. Daher übernehmen sie möglicherweise unbewusst die Werturteile des Perspektiventrägers. Ist ein tolles Mittel zur Leserlenkung und zur Doppelcharakterisierung. :)

Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Lothen am 18. Oktober 2013, 17:36:53
Zitat von: Coppelia am 18. Oktober 2013, 17:23:02
@ Lothen
Hehe, ich glaube nicht, dass Männer gegen den Blick in den Spiegel gefeit sind. ;D

Das nicht - aber bei so manchen Typen von Männern fällt es mir schwer zu glauben, dass sie sich im Spiegel betrachten und dann erst mal über ihr Aussehen philosophieren ;)
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Anaya am 19. Oktober 2013, 10:54:31
Blick in den Spiegel - genau diese Perspektive habe ich für meine Süße gewählt. Sie steht morgens auf, geht ins Bad und betrachtet sich kritisch die Person im Spiegel.

Da das Buch in der Ich-Form geschrieben wird, war das das Naheliegendste. Man kann sich richtig schön austoben und auch mal Dinge erwähnen, die einem Beobachter von außen womöglich gar nicht auffallen würden. :)
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Eleanor am 19. Oktober 2013, 11:46:15
Ich hab bei der Spiegelsache mal versucht das ganze um zu drehen, also das sie ins Bad geht und die Augen zukneift weil, sie das, das und das von sich nicht im Spiegel sehen will  :D Leider gibt es in meinem jetzigen Projekt keine so schönen Spiegel wie heute...vielleicht sollte ich sie mal zu einem See gehen lassen   :hmmm:
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: HauntingWitch am 19. Oktober 2013, 12:08:55
Zitat von: Eleanor am 18. Oktober 2013, 15:06:59
Vorallem bei einer Ich-Erzählerin finde ich es schwierig, die Beschreibung von ihr so ein zu bauen, das es nicht aufgesetzt klingt. Man kann ja nicht sagen, "übrigens hatte ich ein wunderschön geformtes Kinn." Alles sehr knifflig  ???

Ich habe das bei meinem Erstling so gelöst, dass der Protagonist von einer anderen Figur beflirtet wird und da sagt sie ihm, was sie an ihm so toll findet. Er ist nur genervt und denkt: "Jaa, natürlich!", weil das nicht das erste Mal ist, dass es er so etwas hört. Der Leser kann ja dann selbst entscheiden, ob er das nun schön findet oder nicht. Da ging das, weil es Teenager sind. Wie ich das bei etwas älteren Menschen machen würde, weiss ich allerdings auch noch nicht.

Zitat von: Coppelia am 18. Oktober 2013, 16:07:55
Achtet ihr eigentlich genau auf die Augenfarbe, wenn ihr andere Leute trefft?

Ja, immer. Ich finde Augen wichtig und so schreibe ich auch darüber.  :)
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Melenis am 08. November 2013, 00:47:45
Ich finde es ehrlich gesagt fast bedenklich wie wichtig das Aussehen in Büchern ist. Meine Schwester ist großer Magnus Bane Fan (eine Figur aus 'Chroniken der Unterwelt') und hat sich deshalb die Bane Chronicles zugelegt. Dort gibt es dann Figuren, die so überirdisch hübsch beschrieben werden, dass ich mir sie erstens nicht einmal vorstellen kann und zweitens den Grund dahinter nicht verstehe. Warum muss jeder schöner als der vorige sein? Und gerade in solchen Sachen werden die Aussehensbeschreibung geradezu ausgeschlachtet, wobei niemand wissen muss, in welchem Goldton genau die Augen glitzern wenn die Sonne drauf scheint (oder ähnlich).


Die Spiegelszene zu Beginn von Geschichten empfinde ich mittlerweile als extrem ausgelutscht und unkreativ, und, wenn man ehrlich zu sich ist, auch unnötig. Ich muss nicht wissen, wie die Figur aussieht. Irgendwann vielleicht, aber jedes Mal die selbe Aussehensbeschreibung zu lesen, langweilt. Gerade in Jugendbüchern sind die Mädels zu 90% rothaarig und haben grüne Augen, sind schmal gebaut, finden ihr Aussehen nicht so prickelnd und betrachten sich kritisch im Spiegel  :gähn:

Ich wüsste auch nicht, was dagegen spricht, bei einer neuen Figur kurz ihr Aussehen zu beschreiben. Das tun wir doch persönlich auch. Ob man selbst mehr auf die Figur, die Kleidung oder das Gesicht achtet, kann man ja von Figur zu Figur variieren. Bei einem Macho ist doch auch irgendwie verständlich, dass er die Frau von oben bis unten 'abcheckt'; es käme mir komisch vor, wenn er davon spricht, wie sie durch ihr hellblondes Haar streicht oder ähnliches und gar nicht auf ihre Figur eingeht. Seien wir doch auch ehrlich zu uns selbst, der Körperbau ist nunmal eines der ersten Dinge, die wir vom Gegenüber erfassen.

Wie gesagt, ich bin kein großer Fan von allzu blumigen Beschreibungen, auf mich wirkt das einfach nur gekünstelt. Und ich muss auch nicht ständig hören, dass dieser Typ strahlend blaue Augen hat oder jener glänzendes schwarzes Haar. Die dünnen, gelenkigen Figur müssen auch nicht hundert Mal erwähnt werden.
Es ist eine Sache, wenn jemand wirklich auffällig schöne Augen hat. Das kenne ich von mir persönlich, da komme ich selbst ins Schwärmen, wenn z.B. ein Mädchen im Bus strahlend blaue Augen hat und mir gegenüber sitzt, da kann ich auch nicht so leicht weggucken  :o. Solche Dinge könnte man ruhig häufiger erwähnen, aber problematisch wird es natürlich, wenn jede Figur in einer Geschichte besonders toll aussieht. Dann ist das wie Twilight oder eben in den Chroniken der Unterwelt, wo die Hauptprotagonistin aus dem Schwärmen nicht mehr rauskommt. Da hat der hellblaue Augen, die goldene Augen, der andere dies, die andere das... und das langweilt. Ist ja schön, dass alle aussehen wie Supermodels. Ich brauche das gar nicht, um eine Figur interessant zu finden.

Zum Abschluss möchte ich einfach nur noch sagen, dass ich nicht jede Aussehensbeschreibung schlecht machen will, ich glaube, es gibt so Figuren, die auf das Aussehen mehr acht geben und dementsprechend auch denken und mehr darauf eingehen. Aber genauso muss es auch die Figuren geben, die nicht so sind. Ich weiß von den meisten meiner Freunde nicht die Augenfarbe, und vor kurzem nicht einmal die meiner Familie. Und, wenn wir ehrlich zu uns sind, haben die meisten Personen einfach keine besonders interessante Augenfarbe, und ich glaube, bei solchen Fällen reicht es, wenn man sie einmal oder zweimal erwähnt, aber um Figuren z.B. im Text zu benennen, reicht doch auch der Name der Figur. Ich werde nicht gern die 'blau-grau Äugige' genannt. 
Aber ich will hier natürlich niemanden schlechtreden oder ihm die persönliche Vorliebe kaputt machen! Das ist einfach mein Geschmack, und der deckt sich leider selten mit dem, was man gerade im Fantasybereich lesen kann.

Sollte ich jemanden auf den Schlips getreten sein: Das war wirklich nicht meine Absicht! Dafür entschuldige ich mich schon mal im voraus  :bittebittebitte:



Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Cailyn am 04. Dezember 2013, 13:35:14
Das Aussehen zu beschreiben, empfinde ich in meinen Geschichten eher als ein lästiges Übel. Ich finde, es gehört dazu, aber es stellt mich häufig vor grosse Probleme. Wenn jemand schön und harmonisch ausschaut, ist es natürlich einfach. Da kann man aus dem vollen Schöpfen, und die Lesenden denken sich selber anhand der Attribute eine schöne Person vor. Will ich jemanden als hässlich beschreiben, läuft es genau gleich ab. Aber hat eine Person dann einen Makel, wird es sehr schwierig. Schreibt man z.B.: "Ihre geschwungenen Augenbrauen passten nicht zu ihrem kantigen Nasenrücken", stellt sich der Leser höchstwahrscheinlich gleich jemand vor mit einer unglaublich heftigen Hakennase, auch wenn der kantige Nasenrücken durchaus auch zu einer hübschen Frau gehören kann, die im Allgemeinen gar nicht kantig wirkt. Wissst ihr, was ich meine? Da fange ich dann an zu überlegen: Wie kann ich dem Lesenden einen Makel präsentieren, ohne dass er gleich denkt, die Figur sähe extrem aus?

Melenis,
Ich bin schon auch deiner Meinung, dass man strahlend blaue Augen nicht immer wieder erwähnen muss. Aber das Blumige finde ich in diesem Fall gerade die tolle Alternative. Anstatt dass dann von "strahlend blau" die Rede ist, kann man immer wieder mal eine schöne Metapher bringen, die das umschreibt. Womöglich wirkt das dann noch einmal blumiger, aber ich find's auch kreativ und überhaupt nicht gekünstelt. Aber das ist halt auch Geschmacksache  ;). Natürlich fände ich es dann nicht sonderlich toll, wenn man als Metapher "die Augen waren so blau wie das Meer" nimmt, denn das habe ich schon zu oft gehört. Da sollte dann schon was Originelles her.

ZitatBei einem Macho ist doch auch irgendwie verständlich, dass er die Frau von oben bis unten 'abcheckt'; es käme mir komisch vor, wenn er davon spricht, wie sie durch ihr hellblondes Haar streicht oder ähnliches und gar nicht auf ihre Figur eingeht. Seien wir doch auch ehrlich zu uns selbst, der Körperbau ist nunmal eines der ersten Dinge, die wir vom Gegenüber erfassen.
Zum "abchecken" wie du es schreibst, habe ich aber noch einen kleinen Einwand. Wenn in einem Buch eine halbe Seite lang beschrieben wird, wie eine Figur eine andere wahrnimmt, heisst das ja noch lange nicht, dass er dafür so viel Zeit braucht wie der Text. In der Realität ist es doch eher so, dass wir Menschen innerhalb 1-2 Sekunden "abchecken" und dies nahezu nebenbei, während wir sie grüssen und zu reden beginnen. In einem Text wendet man dann für diese 1-2 Sekunden halt schon mal einige Zeilen auf.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: HauntingWitch am 04. Dezember 2013, 13:44:50
Zitat von: Cailyn am 04. Dezember 2013, 13:35:14
Will ich jemanden als hässlich beschreiben, läuft es genau gleich ab. Aber hat eine Person dann einen Makel, wird es sehr schwierig. Schreibt man z.B.: "Ihre geschwungenen Augenbrauen passten nicht zu ihrem kantigen Nasenrücken", stellt sich der Leser höchstwahrscheinlich gleich jemand vor mit einer unglaublich heftigen Hakennase, auch wenn der kantige Nasenrücken durchaus auch zu einer hübschen Frau gehören kann, die im Allgemeinen gar nicht kantig wirkt. Wissst ihr, was ich meine? Da fange ich dann an zu überlegen: Wie kann ich dem Lesenden einen Makel präsentieren, ohne dass er gleich denkt, die Figur sähe extrem aus?

Mein Lieblingsautor macht das so, dass er keine wertenden Formulierungen benutzt. Er beschreibt einfach nur. Wie "einfach" das aber ist, weiss ich nicht, ich habe da keine Erfahrung. Ausser er will, dass man es sich wirklich hässlich vorstellt, aber dann schreibt er das auch so. Wenn die Figur sich selbst hässlich wahrnimmt oder von anderen als hässlich eingestuft wird.

Das Problem, das mich eher beschäftigt, geht in das hinein. Je nachdem, was ein Leser für Wertvorstellungen hat, findet er etwas schön oder eben nicht. Z.B. sind so ungefähr 90% meiner männlichen Protas Langhaarige.  ;D Ich finde das schön. Wenn ich aber eine Leserin habe, die lange Haare an Männern partout nicht schön findet, kann ich das noch so blumig als schön beschreiben, sie wird es nicht schön finden. Das ist schade, aber ich kann ja die Beschreibung auch nicht ganz weglassen deswegen, denn das ist schon ein wichtiges Attribut. Ich finde, gewisse Dinge kann man weglassen oder verschleiern und jeder wird sich das so vorstellen, wie es ihm past. Zum Beispiel wie viele Muskeln einer hat oder nicht, ich stehe z.B. nicht auf zu viele Muskeln. Ein "gut gebauter Körper" stelle ich mir ganz anders vor als jemand, der z.B. auf Bodybuilder steht. Da ist es dann vermutlich sogar besser, nicht zu genau zu werden. Ist jetzt vielleicht ein schlechtes Beispiel, aber nur so zum Veranschaulichen.

Was mir grad bei der Überarbeitung meines Skripts noch auffällt, ist, dass ich die Nebenfiguren detaillierter beschreibe als die Hauptfiguren. Das muss natürlich ausgemerzt werden.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Cailyn am 04. Dezember 2013, 14:36:02
HauntingWitch,
Dass du die Nebenfiguren stärker beschreibst als die Hauptfiguren, könnte aber taktisch sein. Hauptfiguren sind ja oft Identifikationsträger und sollen einem breiten Publikum zugänglich sein. Lässt man einem Leser also viel Eigenfantasie, kann er sich teilweise auch besser damit identifizieren. Das ist ja eine gute Strategie und kein Manko, finde ich.

Ja, das mit der Wertung ist ein guter Punkt. Auch wenn man es als Schreibende nicht einmal wertend meint, kann es als wertend verstanden werden. Allerdings finde ich dann, dass es daher erlösend ist, wenn man aus der Perspektive eines Protas schreiben kann. Dieser darf ja auch wertend sein (oder soll sogar?). Also zumindest meine Protagonisten sind da ziemlich unzimperlich und brutal. Da kenne ich keine Weichspül-Behandlung, auch wenn ich über gewisse Sichtweisen meiner Protas selber den Kopf schütteln muss. Natürlich habe ich mir auch schon überlegt, ob Lesende dann denken, das wäre auch meine Meinung als Autorin. Aber ich entscheide mich bewusst dafür, die Figuren offen sprechen zu lassen, damit es noch dynamischer wird. Dies aber auch mit der Gefahr, dass die Leserschaft es nicht gut findet.

Ich glaube, wenn man Wertungen durch Figuren sprechen lässt, ist es einfach wichtig, dass man dies ausbalanciert. Also im konkreten Sinne sollte man z.b. nicht immer nur die gleiche Figur mit einer Macke ins Zentrum stellen, sondern alle Macken der Figuren hier und dort erwähnen. So läuft man auch nicht die Gefahr, dass jemand denkt, der / die Autor/-in hat etwas gegen grosse Füsse oder abgekaute Nägel.  ;)
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Takara am 07. Januar 2014, 21:51:47
Hallo  :winke:

Aussehensbeschreibungen sind bei mir immer ein riesiges Problem bzw. gibt es da riesiege Probleme bei mir.

Erstens fällt es mir immer schwer meinen Charakteren in meinen Gedanken ein Aussehen zu geben.... Dann such ich mich im Internet dumm und dämlich nach einen Bild, welches meiner Figur halbwegs ähnelt (kommt so gut wie nie vor). Als nächstes suche ich dann nach Seiten wo ich Charakter ,,selbst bauen kann", da hab ich noch keine gute gefunden (vielleicht will ich es zu perfekt haben?). Fazit: Da ich sehr schlecht zeichnen kann, bleibt mir wieder nur die Option mir meine Charas in meinen Gedanken ein Aussehen zu geben... und da bleibt es meistens auch, weil ich es nicht schaffe es vernünftig auf Papier zu bringen...

Warum es nicht vernünftig ist? Das ist Problem zwei... Es sieht zu gewollt aus. ,,Sie blickte in den Spiegel und betrachtete ihre braunen Augen, mit den langen schwarzen Wimpern.... Ihr Blick wanderte zu ihren schwarzen Haaren" Und so weiter.... Es klingt gewollt und auch ziemlich langweilig, weswegen ich versuche es unaufällig einzubauen. Doch was ist unauffällig? ,,Sie strich sich verzweifelt durch die blonden Haare..." ???

Auch ein Problem ist, dass der Charakter nicht perfekt sein sollte...  Perfekt finde ich persönlich langweilig. Wunderschön, intelligent und selbst wenn sie Fehler macht, finden das alle noch unglaublich süß (Bella z.B). Doch eine Balance zwischen ,,Ich will keinen perfekten Charakter" und ,,Ich will keinen Charakter der allen auf die Nerven geht und einen Fehler nach dem nächsten macht" zu finden, ist ziemlich schwer. Wie soll ich das erklären.... Debbie aus der ,,Das Tal" Reihe von Krystyna Kuhn ist eine der nervigsten Charaktere überhaupt... Hysterisch, denkt nur an sich selbt, denkt das alle Leute etwas gegen sie haben usw. Sie ist defenitiv kein ,,zu perfekter" Charakter, aber sie hat schon wieder so viele Fehler, dass man das Buch einfach nur gegen die Wand klatschen möchte, in der Hoffung das sie auch etwas abbekommt  ;)
Es ist schwierig da einen Mittelweg zu finden....

Aussehnsbeschreibungen finde ich deshalb so ziemlich am schwersten beim Schreiben...

LG
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Christopher am 07. Januar 2014, 22:01:51
Mehrere Perspektiven helfen da ungemein. Wenn ein Charakter einem andere begegnet, mustert er diesen schon kurz. Dabei sollte man es aber kurz halten. Die wichtigsten und einprägsamsten Eigenschaften zeigen. Ein kurzes, unscharfes Bild zeichnen. Dieses Bild sollte sich dann durch Beobachtungen ergänzen. z.B. im ersten Moment nur bemerken, dass er besonders groß ist und braune, lange Haare hat. Das reicht für die Silhouette. Dass/ob er dazu besonder stark ist, kann dann durch Handlung betont werden. Seine Augenfarbe wird nur dann wichtig sein, wenn ihm jemand wirklich so nahe kommt. Dass seine Füße antiproportional klein sind, fällt erst auf wenn er mal die Schuhe auszieht usw.

Über die ganze Geschichte verteilt die Details einstreuen. Solange sie dem grundlegenden Bild nicht widersprechen, also eine völlig andere Vorstellung auslösen, ist das so denke ich ok.

Die Hemmung einen Charakter "platt" zu beschreiben solltest du abbauen. Irgendwo muss das rein. Natürlich wirkt das gewollt. Jedes einzelne Wort, welches du schreibst, ist gewollt ;D

Für die eigene Visualisierung kann ich dann nur empfehlen dir einen Künstler deiner Wahl zu suchen, der das für dich macht. Kann aber dauern, hat bei mir ca. 4 Jahre der Suche auf dA gebraucht ;D
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Takara am 07. Januar 2014, 22:19:15
ZitatDie Hemmung einen Charakter "platt" zu beschreiben solltest du abbauen. Irgendwo muss das rein. Natürlich wirkt das gewollt. Jedes einzelne Wort, welches du schreibst, ist gewollt ;D

Ich weiß das du Recht hast  ;D Aber ich bin eine kleine Perfektionistin, ich bastel immer so lange an einem Satz rum, bis es zu gewollt aussieht... Aber durch den NaNo schaffe ich es langsam mal sein zu lassen und erst später zu korrigieren. In meinen aktuellen Projekt versuch ich es mal nicht die komplette Charakterbeschreibung in den ersten zwei Kapiteln unterzubringen, vielleicht schaffe ich es ja.

ZitatFür die eigene Visualisierung kann ich dann nur empfehlen dir einen Künstler deiner Wahl zu suchen, der das für dich macht. Kann aber dauern, hat bei mir ca. 4 Jahre der Suche auf dA gebraucht ;D

Hatte ich auch schon überlegt... Aber noch weiß ich nicht, wie wichtig das Projekt für mich wird... Aber ich behalte das auf jeden Fall im Hinterkopf!

LG
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Pygmalion am 08. Januar 2014, 09:37:21
Die Frage ist immer, wieviel Aussehensbeschreibung ist nötig? Spielt das eine Rolle, dass jemand grüne Augen hat? die meisten Menschen kennen nichtmal die Augenfarbe ihrer Oma, also was haben sie davon, wenn sie die Augenfarben jedes Charakters kennen? Werden sie sowieso vergessen. (Anders natürlich, wenn es einen späteren, wichtigen Punkt gibt, der sich um Augenfarben dreht, aber das ist dann wirklich etwas anderes)

Natürlich ist es langweilig und ziemlich abgelutscht, jemanden vor den Spiegel zu stellen... da gibt es viel elegantere Methoden. An Stellen, wo das Aussehen Bedeutung hat, kann man es geschickt einbauen, an anderen Stellen finde ich, dass es gar nicht nötig ist.
Wie Christopher schon schreibt, eine grobe Skizzierung, dass ich es mit einer schlanken, blonden Frau zutun habe, reicht schon, um dem Leser ein Bild in den Kopf zu setzen. Jeder wird sowieso die Beschreibung anders zusammensetzen und am Ende sein eigenes Idealbild des Charakters im Kopf haben. Naja, außer bei "Gott bewahre" (Kann ich übrigens empfehlen!), da wird Gott unzweifelhaft als George Clooney beschrieben und der Teufel wie Danny de Vito... :D
Elegant finde ich es meistens, wenn man das Aussehen über Gespräche der Charaktere mitgeteilt bekommt. Ala "Mach dir keine Gedanken, er wird dich alleine wegen deiner langen blonden Haare lieben, Männer stehen auf sowas"
"Aber ich habe von Geburt an einen 6. Zeh, denkst du nicht, dass ihn das stören wird?" :P
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: HauntingWitch am 08. Januar 2014, 09:59:54
Zitat von: Cailyn am 04. Dezember 2013, 14:36:02
HauntingWitch,
Dass du die Nebenfiguren stärker beschreibst als die Hauptfiguren, könnte aber taktisch sein. Hauptfiguren sind ja oft Identifikationsträger und sollen einem breiten Publikum zugänglich sein. Lässt man einem Leser also viel Eigenfantasie, kann er sich teilweise auch besser damit identifizieren. Das ist ja eine gute Strategie und kein Manko, finde ich.

Wieso sehe ich diesen Beitrag erst jetzt? Nun okay. Du hast recht, das habe ich so noch gar nicht gesehen. Also, wenn, passiert es unbewusst. Aber ich habe jetzt angefangen, auch bei den Nebenfiguren zu reduzieren, denn optimalerweise identifiziert sich der Leser mit denen ebenfalls.  8)

ZitatFür die eigene Visualisierung kann ich dann nur empfehlen dir einen Künstler deiner Wahl zu suchen, der das für dich macht. Kann aber dauern, hat bei mir ca. 4 Jahre der Suche auf dA gebraucht

Da braucht man aber jemanden, mit dem man sich wirklich versteht. Ich habe mir vor einiger Zeit von einem Kumpel ein Bild von einem Chara zeichnen lassen, das dann aber überhaupt nicht meiner Vorstellung entsprach. Die Beschreibung war aber sehr genau. Da muss man aufpassen, denn jeder stellt sich etwas anderes vor.

Es geht in das hinein, was Pygmalion sagt. Eine "blonde Frau" sieht in meinem Kopf ganz anders aus, als in deinem und im Kopf eines dritten wieder anders. Aber jetzt beginne ich, glaube ich, mich zu wiederholen, also höre ich hier mal auf.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Klecks am 08. Januar 2014, 10:33:18
Die Augenfarbe kommt in meinen Büchern meistens genauer zur Geltung, wenn

a) jemand einem Verwandten oder seinem Kind begegnet und denkt "Von mir hat er die braunen/grünen/blauen Augen"
b) wenn die Augen außergewöhnlich gefärbt sind, sie also zum Beispiel grau oder verschiedenfarbig sind
c) wenn die Augen schlichtweg groß und damit beeindruckend sind
d) wenn die Augen vom Prota als besonders schön/beunruhigend/stechend wahrgenommen werden
e) wenn jemand wortkarg ist und viel über bedeutungsvolle Blicke kommuniziert
f) wenn es jemanden gibt, der immer denselben, für ihn charakteristischen Blick in die Runde wirft
g) wenn jemand verliebt ist.

Wenn die Augen nicht herausstechen, nenne ich sie einfach hell oder dunkel. Das beschreibt die Wirkung des Blickes ausreichend. Dunkle Augen wirken eher geheimnisvoll und undurchschaubar, sind schwieriger deutbar, während helle Augen eher durchdringend, kühl und stechend wirken. Von jemandem mit hellen Augen zum Beispiel wütend angeschaut zu werden, vermittelt eher Kälte und Abweisung, während Wut aus dunklen Augen eher feurig und tief wirkt.

Dasselbe Prinzip ist es bei Haarfarben. Dunkles Haar, helles Haar. Ich erwähne das allgemeine Aussehen meistens am Rande, damit die grundliegenden Dinge bekannt sind, und sobald die Person auftaucht. Ich selber finde es nämlich furchtbar, wenn ich mir jemanden als blond vorstelle, und ein paar Seiten weiter erfährt man, dass er dunkelhaarig ist.  ::)

Besonders betont wird die Haarfarbe in meinen Büchern, wenn

a) wieder eine Verwandtschaft gegeben ist und verglichen wird ("das blonde Haar hat sie von ihrer Mutter")
b) sie selten ist (ein natürliches Goldblond, ein natürliches Rot, ein natürliches Schwarz)
c) wenn jemand mit seiner Frisur in einer Menge bzw. in der Szene auffällt (alle Männer haben kurzes Haar, dieser trägt es lang; alle Frauen haben langes Haar, diese hat kurzes Haar; sowie bei Glatzen, ins Haar rasierten Mustern und solchen Dingen)
d) das Haar besonders lockig ist
e) das Haar dem Prota direkt ins Gesicht hängt 
f) die Protas in Liebesszenen zärtlich das Haar ihres Liebhabers/ihrer Liebhaberin berühren  ;D

Ich versuche, jeder Figur etwas zu geben, das besonders ist. Das ist mein Tipp an jeden, dem das Beschreiben schwerfällt. So habe ich gelernt, es wohldosiert einzusetzen, und inzwischen liebe ich es. Ein besonderes Merkmal sorgt dafür, dass bei der Erwähnung dieses Merkmals sofort das Bild der Figur im Kopf des Autors und im Kopf des Lesers auftaucht.

a) Piercings, Ohrringe oder Tattoos
b) außergewöhnliches Haar
c) außergewöhnliche Augen
d) Sommersprossen
e) Muttermale
f) Narben
g) besonders volle oder schmale Lippen
h) eine markante Nase
i) markante Ohren

und so weiter.   :)
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Churke am 08. Januar 2014, 14:56:19
Zitat von: HauntingWitch am 08. Januar 2014, 09:59:54
Es geht in das hinein, was Pygmalion sagt. Eine "blonde Frau" sieht in meinem Kopf ganz anders aus, als in deinem und im Kopf eines dritten wieder anders. Aber jetzt beginne ich, glaube ich, mich zu wiederholen, also höre ich hier mal auf.

Muss man halt griffig beschreiben:
"Dralle, pornoblonde Granate, mit High Heels höchstens eins sechzig."

Oder:
"Mutti watschelte im gewohnt ausladenden Hosenanzug auf ihn zu. Sie wurde immer blonder."
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: HauntingWitch am 08. Januar 2014, 15:10:08
Zitat von: Churke am 08. Januar 2014, 14:56:19
Muss man halt griffig beschreiben:
"Dralle, pornoblonde Granate, mit High Heels höchstens eins sechzig."

Oder:
"Mutti watschelte im gewohnt ausladenden Hosenanzug auf ihn zu. Sie wurde immer blonder."

Aber selbst dann: Die dralle Granate kann nach oben geneigte Augen haben, nach unten geneigte, blaue oder braune oder grüne, flache oder vorstehende Wangen, kleine Ohren oder grosse, helle Haut oder dunkle, Löckchen oder Pixiefrisur. Ihr Lippenstift kann hell- oder dunkelrot sein, ebenso wie ihr Lidschatten und ihre Haarspangen (wenn sie welche trägt) schwarz, golden, silbern oder rot.  ;) Natürlich ist deine Lösung eine gute, wenn man ein möglichst deutliches Bild zeichnen möchte, aber selbst dann entspricht die Vorstellung des Lesers wahrscheinlich nicht ganz genau deiner eigenen.

ZitatWenn die Augen nicht herausstechen, nenne ich sie einfach hell oder dunkel. Das beschreibt die Wirkung des Blickes ausreichend. Dunkle Augen wirken eher geheimnisvoll und undurchschaubar, sind schwieriger deutbar, während helle Augen eher durchdringend, kühl und stechend wirken. Von jemandem mit hellen Augen zum Beispiel wütend angeschaut zu werden, vermittelt eher Kälte und Abweisung, während Wut aus dunklen Augen eher feurig und tief wirkt.

Das ist sehr spannend und korrekt und geht in die Physiognomik hinein. Jenen, die Mühe haben, sich Gesichter klar vorzustellen, kann ich nur empfehlen, sich eingehender damit zu befassen. Das hilft.  ;D Alle diese Details, die ich oben genannt habe, wüsste ich auch nicht, hätte ich nicht kürzlich ein Buch darüber gelesen. Es ist so spannend wie viel man an einem Gesicht (und übrigens auch dem restlichen Körper) erkennen und beschreiben kann. Eine andere Übung ist es, das klug in einen Text einzuflechten.  ::)
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Christopher am 08. Januar 2014, 16:24:19
Zitat von: HauntingWitch am 08. Januar 2014, 09:59:54
Da braucht man aber jemanden, mit dem man sich wirklich versteht. Ich habe mir vor einiger Zeit von einem Kumpel ein Bild von einem Chara zeichnen lassen, das dann aber überhaupt nicht meiner Vorstellung entsprach. Die Beschreibung war aber sehr genau. Da muss man aufpassen, denn jeder stellt sich etwas anderes vor.

Darum musste ich ja auch 4 Jahre suchen. Bis ich den Mann gefunden hatte, der den Stil den ich haben will wirklich trifft. Den erstbesten nehmen klappt da nicht. Irgendeinen großartigen Künstler raussuchen klappt auch nicht. Der malt zwar tolle Bilder, aber der Stil passt dann einfach nicht.
Ich bin mit meinem außerordentlich zufrieden :)
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Sprotte am 08. Januar 2014, 16:58:05
@ Witch: Du wirst niemals einem Leser genau das Bild in den Schädel pflanzen, das Du im Schädel hast. Und wenn Du zwei Seiten Personenbeschreibung bringst, werden die Leser sich voll Grauen abwenden.

Wie detailliert eine Figur beschrieben werden muß, hängt natürlich auch am Genre. Churkes minimalistische, bilderzeichnende Beschreibungen würden in einem Romance-Roman nicht ganz ausreichen, um die umschwärmte Heldin zu beschreiben. Aber ich habe in SF schon zwei Seiten Personenbeschreibungen plus familiärer Hintergrund und Ausbildungsweg für einen Knöpfchendrücker gelesen, der danach nie wieder auftauchte. Da fühle ich mich doch vergackeiert.

Ich mag keine Spiegelszenen. Ganz ehrlich: Wenn ich in den Spiegel sehe, bewundere ich keinesfalls meine Haarfarbe oder freue mich, wie schön geschwungen meine Schlüsselbeine sind.  So denkt doch niemand. Wir kennen uns und unsere Gesichter und Schlüsselbeine. Was denkt mensch beim Blick in den Spiegel? Pickel auf der Nase, Haare sehen aus wie Stroh, und das Doppelkinn mutiert zu einem Hefeklops, verflixt. Aber diese schwärmerischen Spiegelbeschreibungen über volle Lippen, güldenes Haar und straffe Brüste ...  :wums:
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Takara am 08. Januar 2014, 17:15:11
Hey  :winke:

Ich merk schon das man viel Übung braucht mit den Charakterbeschreibungen.... Aber ich überlege gerade ob es in meinem aktuellen Projekt, das Aussehen meiner Charas wirklich so wichtig ist.

Ich finde es kommt drauf an was für einBuch man schreibt. In einem Liebesroman ist es wichtig zu wissen, was für ein Aussehen die Charaktere haben (Man muss ja den Grund wissen warum die Frau den Mann so anziehend findet).... Beim Krimi interessiert mich auch eher wie das Opfer ausgesehen hat, als z.B der Prota, da liege ich eher Wert drauf was er im Köpfchen hat und bei Fantasy? Es kommt drauf an... Wo nur Krieg zwischen zwei Völkern herrscht ist das Aussehen nebensache, obwohl man da auch wieder unterscheiden kann...

Es gibt ja Bücher wo man das Aussehen auf den ersten zwei Seiten erfährt (Twilight) oder wenigstens in den ersten Kapiteln (Harry Potter), aber ich hatte auch schon eine Reihe (Welche war das?),wo ich erst im dritten Buch mitbekommen habe, dass die Prota blond ist....Gestört hat mich das nicht, es war mir eigentlich auch egal, weil eher ihre Intelligenz gezählt hat. Man muss einfach entscheiden, ob es eine Rolle spielt oder nicht. Denk ich....

Zitat von: Christopher am 08. Januar 2014, 16:24:19
Darum musste ich ja auch 4 Jahre suchen. Bis ich den Mann gefunden hatte, der den Stil den ich haben will wirklich trifft. Den erstbesten nehmen klappt da nicht. Irgendeinen großartigen Künstler raussuchen klappt auch nicht. Der malt zwar tolle Bilder, aber der Stil passt dann einfach nicht.
Ich bin mit meinem außerordentlich zufrieden :)

Auf jeden Fall behalte ich das im Hinterkopf. Aber der Kostenfaktor spielt da auch eine große Rolle oder? Ich kann mir nicht vorstellen, dass das jemand umsonst macht...
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Christopher am 08. Januar 2014, 17:22:22
Zitat von: Takara am 08. Januar 2014, 17:15:11
Auf jeden Fall behalte ich das im Hinterkopf. Aber der Kostenfaktor spielt da auch eine große Rolle oder? Ich kann mir nicht vorstellen, dass das jemand umsonst macht...

Den größen Teil meiner Bilder hab ich tatsächlich "umsonst" bekommen. Er macht des öfteren Wttbewerbe wo man auch schriftstellerisch mitwirken kann und als "Preis" winkt jedes mal eine Zeichnung ;p
Ansonsten handelt es sich bei ihm wirklich um winzige Beträge, die ihm ein wenig helfen sein Studium zu finanzieren. Das stört mich dann auch nicht wirklich, da er sehr viel Arbeit und Leidenschaft in seine Bilder reinsetzt. Meiner Meinung nach ist er massiv unterbezahlt für seine Arbeit :P
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Takara am 08. Januar 2014, 20:00:13
Da hast du  recht, solche Bilder sind das Geld bestimmt wert!
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Cailyn am 11. Januar 2014, 12:54:52
Zu diesem Thema hier ist mir auch noch etwas eingefallen, was man diskutieren könnte:

Wie lange darf man warten, um Äusserlichkeiten zu beschreiben?

Ich meine, man möchte ja den Leser zu Beginn nicht mit einer langen Aussehenschreibung nerven. Also kann man hin und wieder was einfliessen lassen, was einen Hinweis auf das Äussere gibt. Doch irgendwann kommt auch der Punkt, wo der Leser sich bereits ein eigenes Bild gemacht hat. Aber ich finde es nicht so einfach abzuschätzen, wann dieser Zeitpunkt kommt. Ja, wahrscheinlich gibt es darauf auch keine konkrete Antwort. Aber es würde mich interessieren, ob ihr z.B. auch nach einem Drittel des Buches noch äussere Merkmale bringt oder nicht.


Und sollte man wichtige äussere Merkmale wiederholen? (natürlich in anderen Worten, versteht sich)

Wiederholt ihr bereits erwähnte Merkmale , damit der Lesende sie nicht vergisst?
Wenn zum Beispiel eine grosse Narbe der Figur eine gruslige Ausstrahlung verschafft, müsste man dies doch mehr als einmal zur Sprache bringen, damit sich der Leser denjenigen nicht plötzlich wieder ohne Narbe vorstellt?

Teilweise schwanke ich da etwas hin und her, und weiss nicht, ob ich den Leser zu sehr bevormunde mit Wiederholungen oder ob ich ihm zu viel abverlange, wenn ich etwas nur einmal schreibe.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Anj am 11. Januar 2014, 19:36:00
Zum Thema Narben muss ich sagen, dass ich das in einigen der Anita Blake Bücher großartig fand, wie immer wieder Reaktionen aus der Außenwelt eingebaut wurden. Oder die Figur sich Gedanken darüber gemacht hat, dass ihre Narben bedeckt sind. Das waren allerdings auch richtig heftige Narben, die definitiv Aufsehen erregen dürften. Ähnlich massiven Verbrennungen oder diesen roten Feuermalen, die manche haben. Wenn sie unter Freunden war, dachte sie aber dann auch viel weniger drüber nach. Ich erinnere mich auch, dass ich genau das in manchen Passagen aber auch wieder vermisst habe. Bei extremen Merkmalen finde ich also eine Wiederholung gut und sogar wichtig.
Bei kleineren Dingen würde ich sie nur wiederholen, wenn es entweder ganz natürlich ist, wie bei langen Haaren einen Zopf binden oder wenn es eine Plotrelevanz hat. Aber mehrmals die Haar- oder Augenfarbe wiederholen oder die Größe, halte ich für unsinnig.

Nachdem eine Figur mehr als dreimal aufgetreten ist, würde ich aber eher keine offensichtlichen Merkmale mehr einbringen.
Ich muss aber auch dazu sagen, dass ich normale Aussehensbeschreibungen grundsätzlich überlese, bzw. sie überhaupt keinen Einfluss auf meine Vorstellung haben. Alle Aussehensbeschreibungen in meinen Geschichten schreibe ich ausschließlich für den Leser. Ausnahme ist auch hier die Plotrelevanz. Will ich, dass meine Figur jemanden beispielsweise irrtümlich für einen Nazi hält, dann beschreibe ich auch die Merkmale, die zu dem Schluss führen.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Felicity am 11. Januar 2014, 22:33:06
Wie lange darf man warten, um Äusserlichkeiten zu beschreiben?
Mir persönlich gefällt es am besten, wenn ich gleich zu Anfang erfahre, wie die Person aussieht, zumindest eine grobe Beschreibung - Haarfarbe, Augenfarbe, Figur. Sonst wird eine Blondine bei mir vielleicht brünett oder eine dicke Person supersportlich. Dieses Bild lässt sich dann eher schwierig korrigieren, wenn es bereits vorhanden und eingeschweißt ist.

Und sollte man wichtige äussere Merkmale wiederholen?
Generell ja, ich denke schon, vor allem wenn sie eine Rolle für den Plot spielen. Und wie Anjana schon erwähnt hat, man kann sie eher nebensächlich einbauen, auch damit der Leser sich eine Situation besser vorstellen kann und ihm der Charakter und sein Aussehen wieder mehr oder weniger bewusst ins Gedächtnis gerufen werden.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Sternsaphir am 15. Januar 2014, 13:34:35
Danke für das Merkblatt.
Ich habe zwar meist immer eine sehr bildliche Vorstellung von den Charakteren, vergesse aber immer wieder gerne, sie zu beschreiben.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: absinthefreund am 30. Januar 2014, 11:49:43
Ah, ein wichtiges Thema. Nicht unbedingt weil ich die Sorge der Aussehensbeschreibungen teile, sondern weil ich finde, dass in unserem Genre zu viel Wert darauf gelegt wird.
Es wurde schon mehrfach gesagt, aber vielleicht nicht mit dem nötigen Nachdruck. ;D Auch wenn es vielen Autoren schwer fällt, es zu akzeptieren: Das Aussehen eines Charakters ist fast immer nebensächlich und damit unwichtig. Es ist schlicht unmöglich, dem Leser das Bild eines Charakters in den Kopf zu pflanzen, wie man es sich vorstellt. Ebensowenig kann man einen existierenden Menschen exakt so beschreiben, wie er aussieht. Auf den ersten Blick mag das frustrierend erscheinen, auf den zweiten aber ist es faszinierend.

Ich schätze, besonders für Fantasyautoren ist es schwierig, Abstand von Aussehensbeschreibungen zu nehmen. In keinem anderen Genre haben (äußerliche) Details einen so hohen Stellenwert, in keinem anderen Genre kann man sich beim Äußerlichen der Charaktere so austoben wie in der Fantasy.
Trotzdem teile ich die Meinung, dass man das Aussehen an so wenigen Merkmalen wie möglich festmachen sollte, die sich der Leser merken kann. Auch wenn wir jede unserer Figuren für etwas ganz Besonderes halten, die Leser werden es nicht tun. Die haben nämlich schon etliche Bücher voller charismatischer Typen gelesen, die sich in ihren Köpfen wahrscheinlich nicht sonderlich voneinander unterscheiden.

Womit wir beim zweiten Punkt wären: die leidige Attraktivität.
Seien wir realistisch: Die meisten Menschen sehen ziemlich gewöhnlich aus, die wenigsten sind so attraktiv, dass es uns umhaut. Und selbst dann begegnen wir diesen Menschen erst einmal nüchtern.
Wem wir aber nicht nüchtern begegnen, sind Freunde, Partner, Familie. Und siehe da, wie einzigartig und schön sie aussehen, einfach weil wir sie kennen und schätzen. Die schönsten Menschen, die ich kenne, sind es nicht, weil sie äußerlich makellos sind, sondern weil ich mit der Zeit Details an ihnen entdeckt habe, die mein Ästhetikempfinden beflügeln: ein Lachen, die Form der Hände, strahlende Haut, die Stimme, der Gang. Das sind alles viel interessantere Dinge, die sich eher zu ergründen lohnen als das Paar eisblauer Augen, die sinnlich geschwungenen Lippen und die feine Nase – diese arrogante Schönheit, die mich zu Tode langweilt, weil die Werbung sie mir jeden Tag vor die Nase hält.

Deshalb mag ich auch solche Romane am liebsten, in denen die Figuren den ein oder anderen äußerlichen Makel haben oder ganz gewöhnlich aussehen. Die sind mir schnell sympathisch, mit denen identifiziere ich mich am besten (z.B. Harry Potter). Es gibt tatsächlich Romane, die mich genervt haben, weil die Charaktere zu schön, zu einseitig waren. Da kann der Plot noch so spannend sein; wenn die Figuren unrealistisch sind, langweile ich mich.

In etlichen Büchern, die ich gelesen habe, wurde das Aussehen der Figuren – oft der Hauptfigur – gar nicht beschrieben. Ich lese zur Zeit ein Buch, in dem die Hauptfigur zwar die Menschen um sich herum beschreibt, von ihm selbst aber weiß ich nur durch seine "Liebschaften", dass er attraktiv ist. Und mehr auch nicht. Ich habe kein klares Bild von ihm, aber das ist egal, denn es ist absolut unwichtig für die Geschichte.
Ich kann meinem Kopf nicht vorschreiben, wie er sich Charaktere vorstellt, das passiert unbewusst, und meistens ist es ein Gesicht, das mein Gedächtnis aus Filmen oder dem Bekanntenkreis im Repertoire hat. Da kann die Beschreibung noch so minutiös und akkurat sein – was mein Kopf sich letzten Endes vorstellt, ist seine Sache.

Wenn ich selbst schreibe, habe ich den gleichen Effekt. Entweder habe ich ein Gesicht aus dem Gedächtnis-Repertoire vor Augen oder ein verschwommenes, unstetes. Ich finde das nicht schlimm, ich kann kein Gesicht erzwingen. Von Illustrationen halte ich in diesem Fall auch nicht viel. Ich kann kein gezeichnetes Bild meiner Charaktere vor Augen haben, wenn ich die Umgebung, in die ich sie setze, so realistisch wie möglich darstellen will. Das funktioniert nicht.
Ich habe mich früher auch schwer getan mit Aussehensbeschreibungen, bis ich die Erkenntnis hatte, dass die mich beim Lesen ja gar nicht interessieren. Das war eine gewaltige Erleichterung. :)


(Auf Dauer will nicht immer so lange Beiträge schreiben. :'()
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: canis lupus niger am 30. Januar 2014, 20:03:18
Für mein Empfinden ist eine Aussehensbeschreibung angemessen, wenn das Aussehen für die Geschichte von Bedeutung ist. Man kann zum Beispiel die Fremdartigkeit einer Person dadurch hervorheben.

Der Schwarzhaarige wirkte zwischen all den blonden und braunhaarigen Menschen dieses Lehens wie ein Rabe in einer Schar Tauben.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: FeeamPC am 31. Januar 2014, 09:43:42
Ich steh auf dem Standpunkt, das Aussehen sollte so wenig wie möglich und ganz sicher nicht im Detail beschrieben werden. Zwei, maximal drei Sätze, irgendwo in die Handlung eingestreut, reichen.
Bei mir wird irgendwann erwähnt, dass hellhäutige, hellhaarige Personen auf den ersten Blick als Ausländer zu erkennen sind. Ansonsten weiß der Leser gerade noch, dass er einen jungen Mann mit Lockenhaar vor sich hat. Das reicht. Den Rest kann er sich nach eigener Fasson dazudenken.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Guddy am 31. Januar 2014, 16:52:55
Zitat von: FeeamPC am 31. Januar 2014, 09:43:42
Ich steh auf dem Standpunkt, das Aussehen sollte so wenig wie möglich und ganz sicher nicht im Detail beschrieben werden. Zwei, maximal drei Sätze, irgendwo in die Handlung eingestreut, reichen.
Bei mir wird irgendwann erwähnt, dass hellhäutige, hellhaarige Personen auf den ersten Blick als Ausländer zu erkennen sind. Ansonsten weiß der Leser gerade noch, dass er einen jungen Mann mit Lockenhaar vor sich hat. Das reicht. Den Rest kann er sich nach eigener Fasson dazudenken.
Naja, aber damit läuft man doch Gefahr, den Charakter der Person zu beschneiden, oder nicht? Man kann so viel über eingeworfene Beschreibungsfetzen ausdrücken: Ob jemand gepflegt oder ungepflegt ist, ob er viele Kämpfe bestritten hat (oder in Prügeleien verwickelt / tollpatschig war bzw. ist) etc.etc. Natürlich wirken Verhalten und pure Ausstrahlung ebenfalls, doch ist das Aussehen auch nicht zu unterschätzen.
Ich zumindest mag Beschreibungen des Aussehens :) Am liebsten so, dass es wie nebenbei wirkt und in die Szene und Taten eingeflochten ist.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Sanjani am 31. Januar 2014, 17:51:26
Nicht zu fassen, dass ich zu diesem Thema noch nichts gesagt habe :) Das muss ich nachholen!

Ich mag Aussehensbeschreibungen nicht, jedenfalls nicht, wenn ich sie selber schreiben muss. Ich werde oft von sehenden Leuten gefragt, ob und wie ich mir Personen vorstelle, die ich neu kennen lerne. Die Antwort darauf ist gar nicht, weil es mich normalerweise nicht besonders interessiert. Mich interessiert die Person, nicht ihr Aussehen. Und so ist das dann oft auch, wenn ich schreibe. Bei manchen Figuren hab ich einfach gar keine Ahnung, wie sie aussehen, und steh dann vor dem Problem, ob ich mir irgendwas aus den Fingern saugen soll oder nicht. Beispielsweise hab ich letztens eine Szene gehabt, wo mein Prota eine andere Chara nach 5 Jahren wieder sieht. Er erkennt sie sofort, und ich wollte schreiben, woran, da fiel mir auf, dass ich eigentlich kaum etwas über sie wusste, außer dass sie rote Augen hat. Das war ziemlich befremdlich für mich, weil ich schon 1000 Normseiten geschrieben habe, in welchen die Prota vorkam :) Außerdem hab ich immer öfter den Eindruck, dass bei mir eh alle gleich aussehen. Die meisten sind blond oder dunkelhaarig und das setzt sich irgendwie bei allen anderen Details fort. Aber ich versuche im Allgemeinen, der Sache nicht allzu viel Gewicht zu geben. Es gibt Figuren, wo ich genau weiß, welche Details ich beschreiben möchte, und das hat dann meist auch einen besonderen Grund. Bei allen anderen versuche ich einfach spontan was zu schreiben und es bei ein paar kurzen Details bewenden zu lassen. Ob es was taugt, keine Ahnung, aber zumindest meine Betaleser haben sich bislang nicht beschwert :)
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: cryphos am 31. Januar 2014, 18:24:37
Für mich sind Personenbeschreibungen sehr wichtig. Dabei geht es mir nicht um die detailverliebte Schilderung eines Tolkiens, sondern um ein grobes Raster der Person. Personen sollten grob umrissen werden und wichtige Alleinstellungsmerkmale dürfen auch beschrieben werden.
Wenn Autoren es dann noch schaffen Körperhaltung, nicht äußerliche Merkmale (z.B. ,,sie sprach in einem rauen, vom vielen Rauchen kratzenden Bariton") freue ich mich noch mehr und hoffe dann auf die Krönung, nämlich situationsbedingte Änderungen in Körperhaltung und/oder nichtäußerlichen Merkmalen.
Warum?
Stellt euch einen langen, spindeldürren Hansel vor, eine recht stolze Person, die Nase stets hoch im Wind und den Rücken gerade, als hätte man ihm einen Besenstiel rektal eingeführt. Seit ihr soweit? Ihr habt Hansel im Kopfkino vor euch?
Gut - jetzt lest weiter.
,,Hansel saß mit hängenden Schultern, den Kopf nach unten gesunken im Kreise der anderen. Er wagte es nicht ihre Blicke zu erwidern."
Mit diesen zwei Sätzchen kann man dann darstellen, dass die Person geknickt ist, irgendetwas ist passiert und der einst so stolze Hansel ist jetzt nur noch ein Häufchen Elend. Mit wenigen Worten hat man ganz viel gesagt ohne es explizit auszuformulieren. Setzt man das in den richtigen Kontext beschreiben zwei Sätze alles was man über Hansel wissen muss um zu sehen, etwas für ihn dramatisches ist passiert.
Ich liebe sowas.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: FeeamPC am 31. Januar 2014, 19:56:25
Okay, aber das ist eine in die Handlung eingebettete Beschreibung, etwas, das mit oder durch den Prota passiert. Nicht das Aussehen. Das ist, wie ich schon sagte eher zweitranging (meistens). Darunter verstehe ich jedenfalls nicht, wie er sich verhält - dann das ist natürlich sehr, sehr wichtig.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: cryphos am 31. Januar 2014, 20:02:26
Aber wenn man die äußere Beschreibung nicht hat, nicht das Grundgerüst des Charakters, dann funktioniert mein Trick auch nicht.
Wenn man nicht weiß, dass Hansel lang und spindeldürr ist und immer aufrecht durch die Gegend stolziert, dann hat die in sich zusammengesunkene Gestallt keine solche Wirkung, wie in dem Beispiel oben. Dann schlussfolgert man eher, dass Hansel immer ein Wesen ohne Selbstvertrauen ist.
Deshalb finde ich die Aussehensbeschreibung wichtig.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Sanjani am 31. Januar 2014, 20:42:15
Zitat von: cryphos am 31. Januar 2014, 20:02:26
Aber wenn man die äußere Beschreibung nicht hat, nicht das Grundgerüst des Charakters, dann funktioniert mein Trick auch nicht.
Wenn man nicht weiß, dass Hansel lang und spindeldürr ist und immer aufrecht durch die Gegend stolziert, dann hat die in sich zusammengesunkene Gestallt keine solche Wirkung, wie in dem Beispiel oben. Dann schlussfolgert man eher, dass Hansel immer ein Wesen ohne Selbstvertrauen ist.

Finde ich überhaupt nicht. Nur der Kontrast ist etwas stärker, wenn man vorher beschreibt, dass Hansel immer aufrecht geht. Außerdem ist es eher unerheblich, ob er dünn oder dick ist, es kommt v. a. auf das Aufrechte an in deinem Beispiel. Aber ich glaube, das führt jetzt zu weit vom Thema weg.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Guddy am 01. Februar 2014, 01:35:23
Zitat von: Guddy am 31. Januar 2014, 16:52:55
Naja, aber damit läuft man doch Gefahr, den Charakter der Person zu beschneiden, oder nicht? Man kann so viel über eingeworfene Beschreibungsfetzen ausdrücken: Ob jemand gepflegt oder ungepflegt ist, ob er viele Kämpfe bestritten hat (oder in Prügeleien verwickelt / tollpatschig war bzw. ist) etc.etc. Natürlich wirken Verhalten und pure Ausstrahlung ebenfalls, doch ist das Aussehen auch nicht zu unterschätzen.
Ich zumindest mag Beschreibungen des Aussehens :) Am liebsten so, dass es wie nebenbei wirkt und in die Szene und Taten eingeflochten ist.

Das gilt aber doch sehr wohl? Das aussehen ist nunmal - ob man will oder nicht - teilweise mit dem aussehen verknüpft. Unterstütze daher cryphos Aussage :)
Generell "sieht man natürlich irgendwie aus", ganz unabhängig vom Charakter, aber in gewissermaßen bedingt der Charakter eben nicht selten das aussehen und das zu vernachlässigen finde ich schade :)
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: cryphos am 01. Februar 2014, 08:43:28
Zitat von: Guddy am 01. Februar 2014, 01:35:23
aber in gewissermaßen bedingt der Charakter eben nicht selten das aussehen und das zu vernachlässigen finde ich schade :)

Danke. Für mich spielt Physiognomie im Leben eine wichtige Rolle. Deswegen schätze ich sie auch sehr in Texten.

Zitat von: WikipediaAls Physiognomie (griech. physis = Natur, gnome = Wissen) bezeichnet man die äußere Erscheinung von Lebewesen, insbesondere des Menschen und hier speziell die für einen Menschen charakteristischen Gesichtszüge. Vereinzelt versteht man darunter auch seine ganze Statur, etwa als Konstitutionstyp.
Und ja, FeeamPC, du hast auch recht. Das lang und spindeldürr ist für das Zusammensacken nicht relevant. Aber diese zwei Worte erzeugen (zumindest bei mir) gleich einen Rohentwurf oder besser Gittermodell von Mensche im Kopf den ich automatisch mit Texturen überziehe und damit wirkt dann der Rest umso stärker.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Anj am 01. Februar 2014, 08:59:36
Wobei das Merkmal, das Cryphos beschreibt eigentlich eine innere Einstellung ist, die sich (lediglich) in der Körperhaltung wiederspiegelt. Man kann auch als dicker, kleiner Mensch aufrecht halten. Man muss dafür nicht groß sein. Es geht meiner Meinung nach hierbei also weniger um das Aussehen, als um einen Wesenszug, der bloß deutlich sichtbar ist.
Das ist etwas anderes als die üblichen geschwungenen Lippen, mandelförmigen Augen oder das ebenholzschwarze Haar.
Es ist vielmehr eine schöne Möglichkeit, äußere Merkmale unauffällig einzuflechten.
Eben so, wie es ja auch schon mehrfach gesagt wurde: eingebettet in die Handlung der Figuren.
Durch die starke inhaltliche Dimension der Textstelle (Was ist da passiert?), die bei den meisten Lesern im Vordergrund steht, nimmt man die zusätzlichen Infos zum Aussehen eher beiläufig/automatisch auf.

Davon abgesehen bin ich ganz bei Sanjani, wichtiger ist das Gefühl für die Persönlichkeit, als die Vorstellung der Gesichtszüge oder Haarfarben.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Klecks am 01. Februar 2014, 09:21:02
Ich mag Aussehensbeschreibungen generell auch, aber nur, wenn sie sofort beim ersten Auftritt der Figur und innerhalb eines Absatzes kommen, weil ich nicht auf Seite 250 erfahren will, dass mein Lieblingscharakter, aufgetaucht zuerst auf Seite 50, plötzlich braune, glatte Haare hat und keine blonden Locken.   ;)

Was ich ganz furchtbar finde, sind solche Sätze: "Er hatte braunes Haar, besaß braune Augen und war groß." Solche Sätze - also die bloße Aneinanderreihung von Aussehensfakten - finde ich langweilig. Das zeugt für mich von schlechtem Stil. Das würde ich nie schreiben und ich mag es auch gar nicht, das zu lesen. Und dann auch noch "besaß" - das klingt irgendwie schräg im Zusammenhang mit körperlichen Merkmalen, die unveränderbar sind.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Melenis am 01. Februar 2014, 09:56:12
@Klecks: bei mir kommt das immer auf die Figur an. Ich habe tatsächlich jemanden, der so denkt. Natürlich,  wenn die Figur die Person länger ansieht, fallen ihr noch andere Dinge auf, aber zuerst sind es bei dieser Figur nur reine Fakten. Das mache ich bei meinen anderen Protas nicht, bei dieser einen Figur jedoch schon. Das ist eben das Problem mit mehreren Perspektivträgern, ich möchte nicht, dass alle gleich denken und gleich beschreiben. Und bei gerade dieser einen Figur passt nichts anderes.  :)
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Anj am 01. Februar 2014, 10:15:40
Huhu Melenis,

du sprichst da eine interessante Sache an. Den Erzähler als Variable mit einzubinden. Darüber hab ich bisher noch gar nicht nachgedacht. Aber je nach dem kann man es sicher interessant aufbereiten, dass der Erzähler das Gegenüber wahrnimmt. Damit umgeht man auch das Problem, dass es wirkt, als schöbe der Autor "eben schnell die wichtigen Infos ein".
Je nach Figur und Genre kann das sogar ein netter running Gag sein.

Aber auch hier ist natürlich das Problem vorhanden, wann beschreibe ich die Figuren? Ich denke, da stimmt jeder zu, dass es möglichst früh passieren sollte. Aber ein Perspektivträger, der genauer hinschaut, kann vielleicht auch später noch besonderheiten feststellen. Kleinigkeiten, die nicht sofort ins Auge fallen.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Pygmalion am 01. Februar 2014, 13:04:03
Aber das macht man doch automatisch bei mehreren Perspektiven. Person A kann in ihrer Perspektive gewisse Dinge wissen oder eine bestimmte Sichtweise auf die Welt haben, während Person B die Welt ganz anders wahrnimmt und entsprechend auch anders denkt und handet. Das kann natürlich in der Tat lustig sein, wenn Person A denkt: Boah, die Tante da drüben ist aber heiß! und später denkt Person B über selbe Person: Irrgs, die sieht aber schäbig aus.
Allerdings "denkt" ja keiner "Aha, blonde Haare, groß, grüne Augen." Beim denken fließt immer irgendeine Wertung mit ein, würde ich sagen.
Und das ist ja auch letztlich keine Aussehensbeschreibung, genau wie das Beispiel von Cyphros. Ich finde auch, dass das mehr eine charakterliche Angelegenheit ist (Stolz, Hochmut). Natürlich bedingt auch das Aussehen solche Charakterzüge. Quasimodo würde eher nicht auf den Gedanken kommen, hochmütig und mit geschwellter Brust durch die Gegend zu laufen. Wobei seine Optik ja auch wieder ganz gezielt eingesetzt wird. Ich bleibe dabei: Das muss irgendeinen Mehrwert haben, jemanden näher zu beschreiben. Ich habe nix davon, wenn einfach nur bescrieben wird. Irgendetwas muss dahinter sitzen. Das ist wie lange Landschaftsbeschreibungen oder wenn Räume bis ins Detail exerziert werden. Will man damit etwas ausdrücken, dann gerne. Will man einfach nur einen Raum beschreiben, würde ich das eher lassen.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: canis lupus niger am 01. Februar 2014, 15:48:32
Zitat von: Pygmalion am 01. Februar 2014, 13:04:03
Aber das macht man doch automatisch bei mehreren Perspektiven. Person A kann in ihrer Perspektive gewisse Dinge wissen oder eine bestimmte Sichtweise auf die Welt haben, während Person B die Welt ganz anders wahrnimmt und entsprechend auch anders denkt und handet. Das kann natürlich in der Tat lustig sein, wenn Person A denkt: Boah, die Tante da drüben ist aber heiß! und später denkt Person B über selbe Person: Irrgs, die sieht aber schäbig aus.
Stimmt. Mit dem, was und wie ein Perspektivträger sieht, kann man diesen nämlich ganz prima charakterisieren. Ob jemand in einer plötzlich auftauchenden Gestalt einen begehrenswert aussehenden Kerl sieht, oder einen durchtrainierten, potenziell bedrohlichen Angreifer, ist schon bezeichnend für denjenigen, der diese Wertung trifft. Ob derjenige blond ist, und welche Augenfarbe er hat, kann, aber muss nicht ebenfalls von Interesse sein. Zum Beispiel wenn der Betrachter bereits vor einem großen blonden Auftragsmörder gewarnt wurde.

Zitat von: Pygmalion am 01. Februar 2014, 13:04:03
Das ist wie lange Landschaftsbeschreibungen oder wenn Räume bis ins Detail exerziert werden. Will man damit etwas ausdrücken, dann gerne. Will man einfach nur einen Raum beschreiben, würde ich das eher lassen.
Das ist meiner Meinung nach ein Schlüsselsatz. Bis ins Detail! Nur so viel Beschreibung, wie nötig und lesenswert ist. In einem Reisebericht kann eine detaillierte Landschaftsbeschreibung angebracht sein. Wenn sie für den weiteren Verlauf einer Handlung wichtig ist, auch. Aber wenn die Landschaft nur auf dem Weg von A nach B vorbeigleitet, wäre ihre detaillierte Beschreibung höchstens angebracht, um damit die Langeweile des aus dem Fenster guckenden Perspektivträgers darzustellen. Aber dabei begibt sich der Autor in die Gefahr, dass der Leser ebenfalls tödliche Langeweile verspürt und das Buch weglegt. In diesem Fall wäre "Tellen" vielleicht sinnvoller als "Showen". "XY starrte mit glasigem Blick durch das (Eisenbahn-)Fenster auf die vorbeirasende Landschaft. Die Fahrt schien kein Ende zu nehmen."
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Anj am 01. Februar 2014, 16:48:47
ZitatAber das macht man doch automatisch bei mehreren Perspektiven.
Mag sein, aber es schreibt ja nicht jeder mit mehreren Perspektiven. ;)
Ich zum Beispiel empfinde Aussehensbeschreibungen als überflüssig und schreibe sie nur deswegen in den Text, weil es immer wieder Testleser gibt, die welche brauchen, und ich hasse mehrere Perspektiven in einem Roman. Von daher ist das für mich ein relativ neuer Gedanke, die Figur auch hier stärker einzubeziehen. Bislang habe ich die wichtigsten Dinge mehr oder weniger verpackt in den Text gebracht. In vielen anderen Bereichen ist es mir total in Fleisch und Blut übergegangen aus den Augen der Figur zu erzählen, aber beim Aussehen bisher so gar nicht.
Aber man kann das ja theoretisch auch bei Nebenfiguren einbringen. Vielleicht achtet jemand immer auf die Hände anderer Leute, dann könnte das ein Aufhänger sein, dass diese Nebenfigur dadurch Infos über eine andere Figur an den Leser bringt.

Vielleicht ist das für die Mehrperspektivenschreiber ein alter Hut, aber für mich war es halt noch mal ein neuer Denkanstoß für dieses Thema, bei dem ich so ganz gegen meine eigene Vorliebe schreiben muss. ;)

Edit:
ZitatZum Beispiel wenn der Betrachter bereits vor einem großen blonden Auftragsmörder gewarnt wurde.
Das ist dann aber eben auch schon wieder plotrelevant und geht über den Aspekt, "der Leser kann sich ein Bild machen" hinaus. In einem Krimi kann die Haarfarbe ebenfalls essentiell sein. Oder auch die Schuhgröße.
Aber das ist für mich schon wieder eine andere Ebene. Aber vielleicht teile ich da auch zu stark ein. :versteck:
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Christian Svensson am 01. Februar 2014, 17:02:23
Ich denke, dass eine Aussehensbeschreibung immer einen konkreten Zweck verfolgen muss. Entweder, während einer Handlung oder Aktion versuche ich, wenige Beschreibungselemente mit einzuflechten oder ich beschreibe eine Person und baue eine kurze Handlung herum. Eine auftretende Person einfach als "Person" einzuführen ist irgendwie, als würde ein Schatten handeln.
Hoffe, ich verstoße gegen keine Regel, wenn ich mal ein Beispiel bringe, was ich meine?

ZitatBjörn Nyssen war ein harter Mann von fünfundvierzig Jahren und das musste er auch sein, denn NorgeOil duldete in seiner Sicherheitsabteilung keine Weicheier. Wenn er mit dem Inspektionshubschrauber auf einer der Ölbohrplattformen der Firma im Nordpolarmeer landete und nach dem Rechten sah, ging jeder auf der Bohrinsel in Deckung. Sein eckiger Kopf mit der Stoppelfrisur saß auf einem Stiernacken, und wenn es eng wurde, zog er ihn nach vorn zwischen die breiten Schultern und nahm das Problem frontal. Er verabscheute Zugeständnisse, denn sie fielen einem immer dann auf die Füße, wenn man es am wenigsten gebrauchen konnte.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Sternsaphir am 02. Februar 2014, 22:27:52
Zitat von: cryphos am 31. Januar 2014, 18:24:37
Für mich sind Personenbeschreibungen sehr wichtig. Dabei geht es mir nicht um die detailverliebte Schilderung eines Tolkiens, sondern um ein grobes Raster der Person. Personen sollten grob umrissen werden und wichtige Alleinstellungsmerkmale dürfen auch beschrieben werden.
Wenn Autoren es dann noch schaffen Körperhaltung, nicht äußerliche Merkmale (z.B. ,,sie sprach in einem rauen, vom vielen Rauchen kratzenden Bariton") freue ich mich noch mehr und hoffe dann auf die Krönung, nämlich situationsbedingte Änderungen in Körperhaltung und/oder nichtäußerlichen Merkmalen.
Warum?
Stellt euch einen langen, spindeldürren Hansel vor, eine recht stolze Person, die Nase stets hoch im Wind und den Rücken gerade, als hätte man ihm einen Besenstiel rektal eingeführt. Seit ihr soweit? Ihr habt Hansel im Kopfkino vor euch?
Gut - jetzt lest weiter.
,,Hansel saß mit hängenden Schultern, den Kopf nach unten gesunken im Kreise der anderen. Er wagte es nicht ihre Blicke zu erwidern."
Mit diesen zwei Sätzchen kann man dann darstellen, dass die Person geknickt ist, irgendetwas ist passiert und der einst so stolze Hansel ist jetzt nur noch ein Häufchen Elend. Mit wenigen Worten hat man ganz viel gesagt ohne es explizit auszuformulieren. Setzt man das in den richtigen Kontext beschreiben zwei Sätze alles was man über Hansel wissen muss um zu sehen, etwas für ihn dramatisches ist passiert.
Ich liebe sowas.

Finde ich gut. Ich handhabe das ähnlich. Eine kurze Umschreibung mit wenigen Sätzen. Wenn ich mehr ins Detail gehen will, lasse ich es im Laufe der Geschichte einfließen z.B. "Sie sah ihn mit ihren großen blauen Augen an." oder "Ein Lächeln umspielte seine schmalen Lippen." usw.
Wenn Beschreibungen zu schnell zu sehr ins Detail gehen, wirken sie irgendwann mehr wie eine Aufzählung und ermüden.

Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Franziska am 11. Juli 2014, 23:51:49
So, mache ich mal hier weiter. Wenn man einen Ich-Erzähler hat oder sehr nah an der Figur erzählt und die Perspektive nicht wechselt hat man ja eigentlich keine andere Möglichkeit, als die Person zu  beschreiben, während sie über ihr Aussehen reflektiert. Und das tut man meistens, wenn man sie selbst im Spiegel sieht. Ich verstehe nicht ganz, was daran so schlimm ist. In Büchern wurde auch schon tausengmal beschrieben, dass sich zwei Leute küssen und dabei werden meistens immer gleiche Formulierungen benutzt. Lässt man es deshalb weg? Natürlich nicht. Ich muss meine Figur ja nicht vor den Spiegel stellen und sie denken lassen: ich habe schöne blaue Augen und eine super Figur. Ich kann sie ja auch denken lassen: scheiße, ich hätte gestern nicht so lange feiern sollen, ich sehe fertig aus. Damit weiß der Leser noch nicht, wie die Figur aussieht, aber das kann man ja irgendwie geschickt einbinden. Oder die Figur überlegt sich, ob sie eine andere attraktiv finden könnte. Zum Beispiel: Endlich sieht man, dass sie abgenommen hat, aber erst mit weiteren zwanzig Kilo weniger, hätte sie ihr Wunschgewicht. Dann weiß man, die Person ist stark übergewichtigt.

Ich sehe es aber auch so, dass man das nicht einfach abhaken sollte: Augen, Haare, Figur. Sondern man kann darüber ja prima auch die Figur charakterisieren. Wenn jemand ständig denkt, ob die Frisur sitzt, oder die Blus glattstreicht, wirkt er nervös und wenig selbstbewusst. Und wenn man einen Liebesroman hat, ist es denke ich auch wichtig, die Figuren zu beschreiben. Das ist wahschreinlich auch das Ding bei Twilight und den Chroniken. Die Leserinnen können für die Figuren schwärmen, weil sie so toll aussehen. Damit will ich nicht sagen, dass die die Beschreibungen darin gut finde. Es ist nur leider so.

Als dritte Möglichkeit fällt mir beim Ich-Erzähler nur noch ein, dass der sich direkt an den Leser richtet, und sich selbst vorstellt. Aber das hängt dan vom übrigen Stil ab.

Was mir noch einfällt: Man beschreibt ja nicht nur das Gesicht und die Figur sondern auch die Kleidung der Personen. Das ist ja auch ein ganz wichtiges Merkmal, was viel über Stand, Stellung und Charakter verrät. Auch über die Kultur, wenn man eine Fantasy-Welt erschaffen hat. Die Leute immer nur Leinensäcke tragen zu lassen finde ich etwas einfallslos.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Siara am 12. Juli 2014, 00:38:05
Nebenan habe ich nur drüber gelesen, also hier noch mal. ;)

Ich persönlich mag die Spiegel-Szene nicht. Im Grunde ist das absolut nicht logisch, weil es in vielen Fällen authentisch wäre. Man sieht sich nun mal hin und wieder selbst. Es ist schlicht ziemlich einfach für den Autor, und wirkt auf mich einfallslos. Dass es sich mit vielen anderen Dingen, die eben "altbewährt" sind, auch so verhält, mag sein. Aber ich vermeide sie, wo es geht, und eine Spiegelszene lässt sich umgehen. Dass ich sie vermeide, hat aber noch einen anderen Grund: Ich finde sie langweilig. Selbst wenn man Sachen wie "letzte Nacht zu lange gefeiert", etc. mit hineinbringt, im Endeffekt steht jemand vor dem Spiegel und das war's. Dem fehlt einfach etwas.

Außerdem sehe ich das Problem, das Christopher im anderen Thread angemerkt hat: Die Spiegelszene verleitet dazu, einfach das ganze Aussehen geballt an den Leser zu geben. Ich jedenfalls merke mir dann vielleicht gerade noch die Haarfarbe, mehr aber auch nicht. Das ist mir einfach zu viel auf einmal. Viel schöner ist es, wenn ich das Aussehen Stück für Stück ergänzen kann - sowohl durch weitere Beschreibungen als auch durch meine Vorstellung des Charakters. (Denn der hat in meinem Kopf große Auswirkungen auf das Aussehen).

Das Zweite, was du gesagt hast, über die Eigenwahrnehmung den Charakter zu definieren, finde ich eine gute Sache. (Also eben die ständigen Zweifel an der Frisur). Und das ist weniger gestellt als die Szene vor dem Spiegel. Ich finde es aber auch nicht schlimm, hier und da eben zu sagen, dass xy sich durch das lockige Haar strich. Es wirkt auf mich nicht so konstruiert wie die Beobachtungen vor dem Spiegel.

Aber alles meine Meinung. Wie gesagt, ich stimme mit dir darüber ein, dass es keinen rationalen Grund dagegen gibt. Dass Verlage es auch nicht gern sehen, habe ich bis heute noch nirgendwo gehört, aber da habe ich auch absolut keine Erfahrung.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Serafina am 12. Juli 2014, 11:07:48
Ich bin auch gerade vom anderen Thread hierher rübergewandert.

Franziska, ich bin wahrscheinlich die erwähnte Betaleserin, die nach dem Aussehen deines Protas gefragt hat, also hoffe ich, dass es okay ist, wenn ich mal kurz meinen Senf dazu gebe. ;)
Mal kurz direkt auf deinen Roman bezogen: An sich finde ich es auch nicht so schlimm, keine genaue Beschreibung zu bekommen. Allerdings würde ich das dann mit allen Figuren so halten, sonst ist es etwas verwirrend, dass man von vielen wichtigen Personen eine ungefähre Vorstellung hat, aber von der Hauptfigur eben nicht. Zumindest nach meinem persönlichen Empfinden.

Was die Spiegelszene angeht, muss ich Siara im Prinzip zustimmen, obwohl ich jetzt auch nicht so ein großes Problem damit hätte. Allerdings würde ich mich dann wirklich nur auf 1-2 Aussehensmerkmale konzentrieren, statt das zum Anlass für eine regelrechte Aufzählung zu nehmen. Mit den genannten Beispielen, wie man das ein bisschen geschickter lösen kann, könnte ich leben. Das restliche Aussehen (oder zumindest das, was man dem Leser preisgeben möchte) würde ich dann aber auch eher Stück für Stück einflechten.

Ansonsten fällt mir noch das Beschreiben mittels eines Vergleiches ein. Wenn zum Beispiel ein Familienmitglied dieselbe Haarfarbe hat, kann man so auch auf die des Protagonisten hinweisen. Zum Beispiel so was wie "Die Haare seiner Schwester glänzten in der Sonne. Genau wie [Protagonist] hatte sie die goldblonden Locken ihrer Mutter geerbt." Okay, das ist jetzt nicht das beste Beispiel aber ich hoffe mal, dass ihr versteht, was ich meine.
Man kann es auch andersherum machen, also auf einen Unterschied eingehen. "Auf den ersten Blick hätte sie niemand für Geschwister gehalten. Während sie das südländische Aussehen ihrer Mutter geerbt hatte, war er das Ebenbild seines blonden und blauäugigen Vaters."
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: HauntingWitch am 12. Juli 2014, 14:24:12
Ich finde Franziskas Ausführungen sehr interessant und auch treffend. Dem meiste Stimme ich zu. Aber zum "nicht einfach Haar- und Augenfarbe" abhaken und im personalen Erzähler erst recht nicht, hatte ich kürzlich ein Aha-Erlebnis. Grundsätzlich finde ich das auch nicht optimal, weil ich ein grosser Fan von stay-in-character bin, sprich, der Chara denkt ja nicht von sich selbst: "Meine grünen Augen". Dieses Aha-Erlebnis hatte ich also nun, als ich meine Leseprobe meiner Nachbarin zum betalesen gegeben habe. Sie ist ein sehr visueller Mensch und macht sich sehr schnell ihr eigenes Bild. Die optische Beschreibung meines Protagonisten kommt aber erst im nächsten Kapitel, durch die Augen einer anderen Person (ebenfalls personaler Erzähler). Sagt meine Nachbarin zu mir: "Das ist alles recht gut, aber was mir am meisten fehlt, sind Haar- und Augenfarbe von dem guten Mann, so kann ich mir kein richtiges Bild machen." Ich habe ihr dann das obige erklärt. Darauf sagte sie, dass ihr so etwas gar nicht auffällt, es ihr aber als störend auffällt, wenn gar keine Beschreibung vorhanden ist. Sie ist eine Vielleserin.

Da stelle ich mir einfach wieder einmal die Frage: Machen wir Autoren uns nicht zu viele Gedanken? Wir achten auf Dinge, die den Leser gar nicht kümmern. Kein Leser, der nicht selber schreibt, wird einen Perspektivbruch darin sehen, wenn mal kurz zwischendurch eine Augenfarbe fallen gelassen wird. Ich habe das dann eingewoben und dann war sie glücklich. Wie gesagt, vor ein paar Wochen hätte ich so etwas noch jedem ausgeredet. Aber mittlerweile denke ich, dass man halt manchmal auch einen Kompromiss eingehen muss. Es reichen übrigens grobe Beschreibungen, zu detaillierte zerstören das Bild wieder. Das fällt mir auch bei mir selber auf, wenn ich Bücher lese.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Guddy am 12. Juli 2014, 14:38:18
Zum Spiegelthema:
Es ist natürlich die einfachste Art, das Aussehens des Protas zu beschreiben. Leider wird es daher mMn. fälschlicherweise als schlecht empfunden - was es nicht automatisch ist. Ich finde es generell schade, wenn per se etwas als streichwürdig empfunden wird, nur weil es angeblich verpöhnt ist.

Mir persönlich stößt die Spiegelproblematik etwas sauer auf, da mein Hauptchar ständig in den Spiegel guckt - nicht, weil ich ihn beschreiben möchte, sondern weil es schlichtweg zu seinem Charakter dazu gehört. Er liebt sein Aussehen und sieht sich gerne und häufig an. Trotzdem habe ich bisher nur eine einzige, kleine Spiegelszene integriert. Ich finde es schade, wenn man sie streichen müsste, nur weil "man" die nicht gerne liest. Man würde meinem Prota ein Stück seines Charakters nehmen.
Egal, wie viele Betaleser diesen Absatz streichen würden - er bleibt drin. Da bin ich stur.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: canis lupus niger am 12. Juli 2014, 17:55:53
Du kannst deinen Prota beliebig oft in einen Spiegel gucken und sein eigenes Aussehen bewundern lassen. Dabei musst Du dich nur nicht verleiten lassen, ihn über sein LOCKIGES, SCHWARZES Haar streichen und die Farbe seiner BLAUEN Augen interessant finden zu lassen, während er seine HOHEN WANGENKNOCHEN und seinen BLASSEN TEINT überhaupt nicht mag, seine HOCHGEWACHSENE, SCHLANKE GESTALT aber sehr. Er kann ja in den Spiegel gucken, ohne dass Du ihn jedesmal beschreibst. Die wenigsten Menschen machen sich Gedanken darüber, dass ihre Augen blau sind, wenn sie in den Spiegel gucken. Das wissen sie meist schon, denke ich. Aber dass jemand gewohnheitsmäßig sein gepflegtes Aussehen im Spiegel überprüft, ehe er die Wohnung verlässt, das beschreibt den Charakter der Person schon ganz gut.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Guddy am 12. Juli 2014, 18:06:03
Na, wo habe ich denn gesagt, dass ich ihn über den Spiegel beschreibe? :) Genau genommen habe ich sogar gesagt, dass ich da eben nicht beschreibend tätig bin.
Leider sind viele Autoren nur derart gegen Spiegelszenen geeicht, dass sie sie kategorisch ablehnen, sobald ein Spiegel auch nur in die Nähe des Erzählten kommt. Und das finde ich schade.

Wobei gerade dieser Prota von mir auch sehr wohl Dinge denken könnte wie "Hach, meine schöne Nase, kann nicht jeder so einen geraden Nasenrücken haben! Haaaach und wie hübsch die Sonne gerade auf meine Haare scheint.. dieser rötliche schimmer... wo sie doch sonst so schwarz sind...! Aber pfui, dieser eine Bartstoppel dort... DER ist zu viel!"
Ich selber denke auch, wenn ich mich im Spiegel ansehe. Und ja, dann denke ich auch zB. über meine Haarfarbe nach. Allerdings, weil ich besonders kritisch bin.
Daher sehe ich auch so etwas nicht als Problem an.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Franziska am 12. Juli 2014, 18:10:01
Zitat von: Serafina am 12. Juli 2014, 11:07:48
Ich bin auch gerade vom anderen Thread hierher rübergewandert.

Franziska, ich bin wahrscheinlich die erwähnte Betaleserin, die nach dem Aussehen deines Protas gefragt hat, also hoffe ich, dass es okay ist, wenn ich mal kurz meinen Senf dazu gebe. ;)
Mal kurz direkt auf deinen Roman bezogen: An sich finde ich es auch nicht so schlimm, keine genaue Beschreibung zu bekommen. Allerdings würde ich das dann mit allen Figuren so halten, sonst ist es etwas verwirrend, dass man von vielen wichtigen Personen eine ungefähre Vorstellung hat, aber von der Hauptfigur eben nicht. Zumindest nach meinem persönlichen Empfinden.

Was die Spiegelszene angeht, muss ich Siara im Prinzip zustimmen, obwohl ich jetzt auch nicht so ein großes Problem damit hätte. Allerdings würde ich mich dann wirklich nur auf 1-2 Aussehensmerkmale konzentrieren, statt das zum Anlass für eine regelrechte Aufzählung zu nehmen. Mit den genannten Beispielen, wie man das ein bisschen geschickter lösen kann, könnte ich leben. Das restliche Aussehen (oder zumindest das, was man dem Leser preisgeben möchte) würde ich dann aber auch eher Stück für Stück einflechten.

Ansonsten fällt mir noch das Beschreiben mittels eines Vergleiches ein. Wenn zum Beispiel ein Familienmitglied dieselbe Haarfarbe hat, kann man so auch auf die des Protagonisten hinweisen. Zum Beispiel so was wie "Die Haare seiner Schwester glänzten in der Sonne. Genau wie [Protagonist] hatte sie die goldblonden Locken ihrer Mutter geerbt." Okay, das ist jetzt nicht das beste Beispiel aber ich hoffe mal, dass ihr versteht, was ich meine.
Man kann es auch andersherum machen, also auf einen Unterschied eingehen. "Auf den ersten Blick hätte sie niemand für Geschwister gehalten. Während sie das südländische Aussehen ihrer Mutter geerbt hatte, war er das Ebenbild seines blonden und blauäugigen Vaters."

Ja, genau du warst das. ;D Ich überlege, ob ich das noch irgendwie anders machen kann. Aber jetzt zum Beispiel zu schreiben, die Schwester hat rote Haare und er selbst hatte eher die braunen Locken und die breiten Schultern seines Vaters geerbt? Klingt das nicht viel konstruierter, als ihn vor den Spiegel zu stellen? Man kann das finde ich nur schreiben, wenn man in einer auktorialen Perspektive ist. Da kann man dann ja alles beschreiben. Ich weiß nicht, vielleicht macht man sich wirklich zu viele Gedanken und normale Leser merken den Perspektivbruch nicht. :-\

Ich habe bisher eigentlich nur einmal meinen Prota vor den Spiegel gestellt, jetzt ein ganz anderer Text, da versucht er auch erst, gar nicht in den Spiegel zu sehen, um sein kümmerliches Aussehen nicht sehen zu müssen. Da er aber gleich ein Date hat, tut er es doch und bemerkt, wie panne seine langen Haare aussehen. Also schneidet er sie sich ab. Dann beschreibt er, wie gut er jetzt mit den kurzen Haaren aussieht. Bisher hat sich noch niemand beschwert über die Szene. Außer den Haaren habe ich in der Szene aber auch nicht sein komplettes Aussehen beschrieben.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Norrive am 12. Juli 2014, 19:55:54
Ich muss gestehen, die Spiegelszene auch schon benutzt zu haben und dass das katastrophal daneben gegangen ist, weil es genauso war, wie canis es beschrieben hat.

Haarfarbe baue ich gerne ein, indem ich irgendwo ein ausgefallenes Haar herumliegen lasse. Entweder vom Ich-Erzähler, oder eben nicht von ihr/ihm (gerade in Romance funktioniert das fremde Frauenhaar in der Wohnung ziemlich gut ;D ). Augenfarbe ergibt sich über Kleidungsfarbe oder Makeup, ebenso wie der Hautton, und gerade bei weiblichem Erzähler bietet sich für mich ein Kompliment einer Freundin des Erzählers an.

Und ich muss HauntingWitchs Nachbarin/Betaleserin zustimmen, Augen- und Haarfarbe gehört ins erste Kapitel, und ich als Leser störe mich an solchen Aussehensbeschreibungen nur dann, wenn es ein Infodump wird. Früher sind mir solche etwas unauffälligeren Konstruktionen zum Beschreiben vom Aussehen gar nicht bewusst gewesen. Als Autor sieht man solche Eingriffe in den Text natürlich viel schneller.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: HauntingWitch am 13. Juli 2014, 11:07:46
Zitat von: Franziska am 12. Juli 2014, 18:10:01
Aber jetzt zum Beispiel zu schreiben, die Schwester hat rote Haare und er selbst hatte eher die braunen Locken und die breiten Schultern seines Vaters geerbt? Klingt das nicht viel konstruierter, als ihn vor den Spiegel zu stellen?

Warum nicht? Wenn man sich selbst reflektiert, dann ja meistens über Vergleiche oder aus gegebenem Anlass. Er muss nur einen Grund haben, sich mit ihr in einen Vergleich zu stellen. Könnte er z.B. neidisch sein auf die roten Haare oder froh sein, dass er eher nach seinem Vater kommt? In etwa so: "Diese roten Haare hatte er schon immer beneidet. Er hingegen musste sich mit den langweiligen, braunen Locken seines Vaters zufrieden geben." Ich finde nicht, dass das konstruiert oder unnatürlich wirkt, im Gegenteil.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: HauntingWitch am 16. Februar 2015, 16:36:32
So, ich zerre den Thread hier mal nach oben, weil mich da etwas beschäftigt und entschuldige mich auch gleich für den Doppelpost.  :engel:

Ich bin ja eigentlich der Meinung, dass man grundsätzlich nicht zu detailliert beschreiben muss, weil sowieso jeder Leser sich die Figur anders vorstellt. Ich bin auch von diesem "Ich möchte aber, dass er genau so und so wirkt", weggekommen. Trotzdem beschäftigt mich gerade ein Thema, das ich hier in die Runde werfen möchte.

Die Frisur. Ja, wie beschreibt man Haare, damit möglichst klar wird, was man meint? Schreibt ihr da einfach lang/kurz/braun/blond (oder was es noch alles gibt) und gut ist? Ich meine, da gibt es ja Abstufungen und teilweise sind diese so fein... Lockig, z.B. Was sind Locken? Bis wohin sind es einfach nur Wellen und ab wann kann man sagen, es sind Locken? Blond: Was ist blond? Platinblond, dunkelblond, hellblond, natürlich oder künstlich... Klar, das sind alles Beschreibungsworte, aber man möchte ja nicht pausenlos Adjektive aneinanderreihen (auch wenn ich nichts gegen Adjektive habe, nur nicht mehr als zwei nacheinander, worauf es bei mir aber meistens hinausläuft). Wie handhabt ihr das? Oder bin ich da viel zu pingelig?
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Siara am 16. Februar 2015, 16:49:03
@Witch: Es stimmt schon, zu viele Adjektive gefallen mir auch nicht. Aber meistens schafft es da schon Abhilfe, wenn es nicht heißt "Sie hatte lange, platinblonde, leicht gelockte Haare", sondern "Die platinblonden Haare fielen ihr in Wellen bis zur Hüfte hinab." Ich selbst habe einen sehr bildlichen Stil und lese solchen auch gerne. Vergleiche zum Beispiel können noch eine intensivere Wirkung haben, finde ich. Auch dadurch kann man Adjektive wieder umgehen.

Ein anderes Thema: Inzwischen bin ich zu den Schluss gekommen, dass Aussehensbeschreibungen beim Schreiben vielleicht ähnliche Ansprüche haben wie Karikaturen. Karikaturisten haben ja das Talent, die charakteristischen Merkmale eines Menschen zu erfassen und genau diese so hervorzuheben, dass das Gesicht unverkennbar wird - wenn auch verzerrt. Wenn man als Autor dasselbe schafft, bleibt das Aussehen am ehesten hängen, denke ich, und schafft die meiste Nähe zur Figur.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: FeeamPC am 16. Februar 2015, 18:14:03
ich hatte mal eine Szene, wo ein Königssohn das erste Mal auf einen Bauernsohn trifft und dabei feststellt, dass sie sich kaum unterscheiden, nur dass er selbst eine größere Nase hat und seine Haare nicht so stark gewellt sind. Das und die Tatsache, dass alle aus dem Volk dunkle Haare haben, ist so ziemlich alles, was der Leser überhaupt an Beschreibung gekriegt hat.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Fafharad am 16. Februar 2015, 21:40:23
@Siara : Den Vergleich der Charakterbeschreibung mit einer Karikatur finde ich sehr treffend. Das ist genau das Ideal, das ich erreichen will - wenn es nur nicht so schwierig wäre.  :brüll: Vielleicht sollte ich meine Betas mal gezielt fragen, wie die Beschreibungen auf sie wirken.
Wobei der Trick hierbei wahrscheinlich das unerschöpfliche Gesichterverzeichnis im Gedächtnis des Lesers (oder der Menschen an sich) ist: Einige Eckpunkte reichen aus, um den Rest aus diesem Repertoire aufzufüllen. Wie bei den Szeätn mit den vascehturetn Bsahcubsetn  ;).

Am liebsten würde ich mich vor Personenbeschreibungen ganz drücken. Da ich kein großes Talent dafür habe, rutsche ich ständig in unsägliche Klischees ab ("ihre mattschwarzen Haare umflossen ihr Gesicht wie ..." - "... ihre kühn geschwungenen Lippen ..." Bah!).

Dann ist da noch die Frage des richtigen Zeitpunkts. Einen neuen Charakter gleich bei seiner Einführung beschreiben? Oder Merkmale nach und nach in Dialoge einstreuen ("... sagte er abfällig und blies sich eine Strähne schwarzen Haars aus der Stirn.")? Oder warten, bis die äußerlichen Merkmale handlungsrelevant werden?
Allerdings: Je länger man mit der Beschreibung wartet, desto größer die Gefahr, dass der Leser sich bis dahin ein völlig anderes Bild von der Person gemacht hat.
Ich tendiere zu einer Mischung der ersten beiden Punkte.

Um auf die Frisur-Frage zurückzukommen: Die Haare sind ein wichtiger Eckpunkt. Ich finde es immer wieder erstaunlich, wie sehr eine neue Frisur (oder schon eine andere Haarlänge) das Aussehen eines Menschen verändert. Trotzdem gehören sie oft zu den Merkmalen, die ich weglasse.
Warum? Ich finde es schwierig, das richtige Vokabular parat zu haben. Wie beschreibt man z.B. diese komische kurze Damenfrisur im frühen zwanzigsten Jahrhundert, bei der die Locken seitlich zu Dreiecken geformt wurden? Eine Stunde recherchiert - dann aufgegeben und die Haare mit keinem Wort erwähnt  :(.
Vielleicht bilde ich mir auch nur ein, dass Leserinnen falsch beschriebene Frisuren als entlarvend empfinden - ich bin da jedenfalls etwas gehemmt  :-[. Dann lieber gar nicht.

Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: HauntingWitch am 17. Februar 2015, 08:19:40
Danke für eure Antworten. :) Hm, ich weiss auch nicht. Früher habe ich immer einfach nur geschrieben: Lang, gerade, braun, fertig. Oder was es dann halt war. Diesbezügliche Details standen für mich gar nicht zur Debatte, aber irgendwie finde ich das nicht mehr zufriedenstellend.

@Siara: Mit Karikaturen ist das so eine Sache, die können ja auch ganz schön daneben gehen. Ausserdem hat das für mich immer etwas von "ins Lächerliche ziehen" und ich möchte doch meine Charas nicht blossstellen (ausser, es ist eine Komödie, dann ist es etwas anderes). Daher strebe ich das eher nicht an. Dann beschreibe ich doch lieber etwas mehr.

@Fafharad: Zum Zeitpunkt: Als traumatisierte Leserin kann ich nur sagen: Bitte so früh wie möglich alles. Ich habe mir einmal bei einem Buch den Protagonisten zweihundert Seiten lang mit kurzen, blonden Haaren vorgestellt und auf Seite 230 oder so stellt sich heraus, dass er einen braunen Wuschelkopf hat. Mensch, Autor, sag das doch früher, dass der Typ heiss ist!  :rofl: (Nichts gegen blonde Haare.)
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: FeeamPC am 17. Februar 2015, 10:27:51
Anhaltspunkte für den Leser - gerne. Aber wenn die Geschichte aus Sicht eines Protas geschrieben wird, ist seine eigene Haarfarbe das letzte, woran er denkt. Oder habt ihr schon mal morgens vor dem Spiegel überlegt: "Meine blonden Haare müsste auch mal wieder geschnitten werden."
Haare ja, Länge und Frisur auch noch, aber die Haarfarbe, das ist in so einem Fall ein Unding. Außer, der Prota will sie färben.  ;D
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Avery am 17. Februar 2015, 10:53:46
Danke, Fee, du sprichst damit einen ganz wichtigen Punkt der Ich-Perspektive an, der mir in letzter Zeit ständig - besonders in Dystopien auffällt. "Ich streiche mir durch mein kurzes, blondes Haar", "Meine dunkelroten Haarsträhnen fallen mir ins Gesicht" - sowas würde doch einfach kein Mensch denken? Deshalb schaue ich bei der Perspektive immer, dass ich es durch Kommentare von anderen oder durch Vergleiche reinkriege. Und sei es sowas wie: "Meine Schwester und ich könnten einander nicht unähnlicher sein. Während sich ihre braunen Haare in Locken wellen, fällt mein Blond glatt bis zur Brust" - natürlich ein wenig hübscher formuliert ;)

Ansonsten greife ich bei Haaren meistens auf die bildlichen Beschreibungen zurück, die Siara bereits erwähnt hat. Allzu detailliert und akribisch gehe ich dabei nie vor, um dem Leser a) die Freiheit zu lassen und b) nicht Gefahr zu laufen, ein falsches Bild zu zeichnen. Denn mir ist aufgefallen, dass es oft viel zu kompliziert wird, wenn man versucht, einen Charakter 1:1 so zu beschreiben, wie er im eigenen Kopf herumspukt. Was für mich dann vielleicht geordnete, große, nach hinten gekämmte Wellen sind, sieht im Kopf des Lesers wie eine merkwürdige Sturmfrisur aus. Deshalb: Beschreibungen relativ einfach belassen, ein markantes Merkmal rauspicken und den Charakter damit individuell machen.

Was den Zeitpunkt angeht, kann ich Witch absolut zustimmen! Ich erinnere mich da an die Breath-Bücher. Auf dem Cover ist ein Mädchen mit mittelbraunen, längeren Haaren abgebildet, die für mich natürlich die Prota war. Irgendwo im letzten Drittel von Band 1 steht dann plötzlich etwas von kurzem, schwarzen Wuschelhaar, sodass sie nicht besonders hübsch aussieht - mein Weltbild war dahin ;D
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: HauntingWitch am 17. Februar 2015, 11:10:20
@FeeamPC: Das habe ich lange auch so gesehen. Bis eines Tages eine Betaleserin für meine Leseprobe sagte: Das ist ja alles recht gut, aber was hat denn dein Prota für eine Augen- und Haarfarbe? Sie hatte überhaupt kein Bild von ihm, weil ihr diese beiden Anhaltspunkte fehlten. Diese Leseprobe ist aber aus der Sicht ebendieses Prota (3. Person) geschrieben. Nun habe ich zwei Möglichkeiten. Entweder, ich lasse es unerwähnt, weil er sich ja selbst keine Gedanken darüber macht und bin damit insofern authentischer. Dann lasse ich aber sämtliche stark visuell orientierten Leser in einer Dunkelkammer herumtapsen. Oder ich sage so etwas wie "Er hatte Ringe unter den grünen Augen", verliere damit diese gewisse Authentizität, weil ich mich als Autor zeige und etwas unter die Gedanken des Prota mische, das dort eigentlich nicht hingehört. Dafür hat aber jeder Leser sofort ein grünäugiges Gesicht im Kopf. Das kann sich jeder vorstellen. Aus genau denselben Gedanken kommt auch meine Frage, merke ich gerade. Ich merke gerade, ich drehe mich im Kreis, ich bin wohl zu pingelig.

Wir Autoren vergessen gerne, dass vielen Lesern solche Dinge gar nicht als "falsch" oder "handwerklich schlecht" auffallen. Wir sind keine durchschnittlichen Leser, wir achten auf so etwas. Aber viele tun das nicht und man kann ja (hoffentlich) davon ausgehen, dass nicht nur andere Autoren und Literatur-Nerds unsere Bücher lesen.  ;D 

Nachtrag, sorry: Das mit diesen bildlichen Beschreibungen werde ich in dem Fall mal ausprobieren, das habe ich noch nicht gemacht.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Churke am 17. Februar 2015, 11:38:39
Frisuren...
Also ich weiß nicht, ob ich das überhaupt so genau beschreiben will. Römische Frauenporträts kann man (?) anhand der Frisur auf 20 Jahre genau datieren. Wenn ich darüber eine halbe Seite schreibe, kann ich für den Leser keinen großen Mehrwert sehen.
Dann gibt es Frisuren, die unbeschreibbar sind. Ich weiß nicht, wie die Haare meines Avatars gelegt, geflochten und gelockt sind. Es sieht furchtbar kompliziert aus, aber ich habe keine Ahnung, wie das gemacht ist.

Es gibt eine Reihe von Frisurtypen: Bürste, Mecki, Facon, Vokuhila... Meistens kommt man damit aus. Und wenn es was Extravaganteres sein soll, stellt sich die Frage, ob es beim Leser ankommt. Außerdem gehe ich jede Wette ein, dass Generationen von Schriftstellern froh sind, dass man ihre Frisuren nicht erkennt. Schaut euch doch mal Luke "das sind die 70er" Skywalker an oder Kirk Douglas als pomadisierter American Spartacus. Oder die 80er-Frisuren in "Aliens". Die 8-Bit-CP/M-Computer sind stylish, aber die Frisuren...   :versteck:
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Sunflower am 17. Februar 2015, 11:58:09
Zitat von: Witch am 17. Februar 2015, 11:10:20
Wir Autoren vergessen gerne, dass vielen Lesern solche Dinge gar nicht als "falsch" oder "handwerklich schlecht" auffallen. Wir sind keine durchschnittlichen Leser, wir achten auf so etwas. Aber viele tun das nicht und man kann ja (hoffentlich) davon ausgehen, dass nicht nur andere Autoren und Literatur-Nerds unsere Bücher lesen.  ;D 

Ich habe mal irgendwo gelesen (in einem Schreibblog oder so?), dass es bei Aussehensbeschreibungen manchmal einfach die "Holzhammer-Methode" sein muss. Ja, uns Autoren tut es weh, aber wenn man dem Leser einmal Augen- und Haarfarbe erzählt, oder meinetwegen auch zweimal, dann weiß er Bescheid und kann sich ein Bild vom Prota machen. Natürlich sollte man deswegen trotzdem nicht unbedingt gleich auf die Spiegelszene zurückgreifen, aber wenn man sich lange windet und es dann irgendwie am Ende sehr kunstvoll doch noch einflechtet, oder sein lässt ... Meiner Meinung nach ist es besser, man erwähnt es einmal, es tut kurz weh und dann hat man es hinter sich. Wie beim Pflaster-Abziehen *g* Das Aussehen des Protas ist immer eine Herausforderung, aber bevor man ewig um die Ecke denkt, dankt der Leser es einem eher, wenn man es einfach am Anfang irgendwo einmal kurz erwähnt. Wahrscheinlich erinnern sich die meisten Leser auch gar nicht mehr, wo sie ihre Vorstellung des Protas her haben, wenn sie den Roman zu Ende gelesen haben ...

Damit meine ich nicht, dass wir nicht darüber diskutieren sollten. Auf gar keinen Fall! Aber dem durchschnittlichen Leser fällt wahrscheinlich gar nicht auf, ob man das jetzt einmal "schmerzhaft" irgendwo erwähnt, ihm fällt es eher auf, wenn man es weglässt. Auch, wenn ich auch bei jeder Spiegelszene oder diesem "ich streiche durch mein platinblondes Haar mit dunklen Strähnen" die Augen verdrehe. Ganz so "holzhammerig" sollte man das wahrscheinlich auch nicht machen. :P
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: heroine am 17. Februar 2015, 11:59:39
Also bei der Frisur handhabe ich es wie bei jeder anderen Beschreibung. Es ist abhängig von der Perspektive. Ein Charakter, der viel auf die Frisur achtet, beschreibt natürlich auch viel ausführlicher die Frisuren anderer Menschen. Ich versuche immer zu schauen, was einem Charakter wichtig ist um daraus die Beschreibungen zu basteln. Jemand der hauptsächlich daran interessiert ist Menschen zu bestehlen achtet auf Wertgegenstände und wie aufmerksam er wirkt. Jemand der sehr oberflächlich ist, liefert in seiner Perspektive besonders ausführliche Beschreibung mit vielen Vorurteilen. Jemand der mehr auf Dinge als auf Menschen fokussiert ist beschreibt Räume ausführlich, aber erwähnt höchstens, dass jemand anderes anwesend ist. Von daher finde ich Karikaturen durchaus passend, wenn es darum geht einen Menschen schnell irgendwo einzustufen. Bevor man ihn oder sie kennt, schaut man was Wiedererkennungswert hat. Ob das nun auffällig blaue Schuhe für einen Charakter, der nicht in Gesichter schaut, oder eine Narbe irgendwie, die einem Krieger besonders auffällt oder die Ausstrahlung sind.

Zu Frisuren in der Ich-Perspektive: Da ist es ähnlich, extrem abhängig vom Charakter. Methoden, die ich in letzter Zeit aus der "Ich" Perspektive genutzt habe um Haare oder Augen zu beschreiben. Färben, Haarschnitt verändern, jemand anderes reingreifen lassen, der darüber blöde Kommentare macht (sehr zum Unmut des Charakters). Alternativ würden mir noch ausgefallene Haare einfallen. Wer lange Haare hat, hat überall Haare rumfliegen. Komplimente sind auch drin. "Wenn ich so schönes dickes Haar hätte, würde ich mehr draus machen."
Bei Augen: Jemand anderem begegnen der ähnliche Augen hat, das kann den Prota erst mal aus dem Konzept bringen. Oder auch hier je nach dem Komplimente, blöde Anmachsprüche ("Du hast so wunderschöne blaue Augen!" "Die sind grau!").

Ansonsten finde ich es oft auch gar nicht so schlimm, wenn etwas fehlt. Manchmal ist es gerade reizvoll, dass der Charakter alles mögliche sein könnte. Aber dann brauche ich auch keine sehr verspäteten Beschreibungen. Ausnahme ist es natürlich, wenn es eben vor dem Zeitpunkt keine gute Möglichkeit gab, die Beschreibung einzufügen.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Malinche am 17. Februar 2015, 12:05:43
Ich kann gerade gar nicht viel dazu sagen, da haben andere schon tolle Beiträge geschrieben. Mir ist nur eine Kleinigkeit eingefallen:

Zitat von: Sunflower am 17. Februar 2015, 11:58:09
Ich habe mal irgendwo gelesen (in einem Schreibblog oder so?), dass es bei Aussehensbeschreibungen manchmal einfach die "Holzhammer-Methode" sein muss. Ja, uns Autoren tut es weh, aber wenn man dem Leser einmal Augen- und Haarfarbe erzählt, oder meinetwegen auch zweimal, dann weiß er Bescheid und kann sich ein Bild vom Prota machen.

Ich denke, das stimmt wahrscheinlich, der Leser will sich ja ein Bild machen können - wobei es auch da sicher wieder eine Frage der genauen Umsetzung ist. Ich habe vor ein paar Monaten einen Roman gelesen, in dem wirklich jede neue Figur, die eingeführt wurde, als erstes über ihre Haar- und Augenfarbe definiert wurde. Irgendwann konnte ich es wirklich schon vorhersagen, dass diese Angabe jetzt gleich kommt. Immer im Doppelpack, immer in der ersten Erwähnung. Das fand ich irgendwann einfach nur unglaublich nervig, auch als Leserin (aber so ganz kann man den inneren Autor wahrscheinlich nie abstellen ;D).
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Sunflower am 17. Februar 2015, 12:07:51
@Malinche, ich habe das auch eher auf die Protagonisten bezogen  ;) Bei jeder neuen Figur ... eher nicht. Als Autor denkt man wahrscheinlich gern "Aber ist doch wichtig, ich habe alle meine Nebenfiguren entworfen und will jetzt auch, dass der Leser sie sich so vorstellt, wie ich das will" - aber dieses Denken muss man wohl abschalten. Oder die Holzhammer-Methode nicht jedes Mal anwenden ... nein, ich meinte wirklich nur die Protagonisten. Bei allen anderen finde ich es auch leichter, nur überlegen sich Protagonisten ja normalerweise nicht, wie sie selbst aussehen.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: HitzKooler am 17. Februar 2015, 12:11:57
Zitat von: Witch am 01. September 2013, 15:35:16
Habt ihr auch immer so Mühe mit Aussehensbeschreibungen? Ich habe es oft, dass mir die richtigen Worte beim Ausfüllen des Charakterbogens oder während dem Schreiben von Szenen einfach nicht in den Sinn kommen wollen. Dabei kenne ich sie doch. Deshalb habe ich mir mal eine Übersicht erstellt, die ich mit euch teilen möchte.


P.S. Vielleicht ist nicht alles objektiv, habe das ziemlich frei aufgelistet.

Erst einmal danke dafür, dass du die Tabelle für alle zur Verfügung stellst.  :jau:
Ich bin allerdings der Meinung, dass man bei Aussehensbeschreibungen nicht auf ein bestimmtes Schema zurückgreifen sollte. Sie sollten intuitiv sein und die Fantasie des Lesers beflügeln. Ich habe hier etwas von "rothaarigste aller Übel", dichtgefolgt von "Molchsgesicht" gelesen und finde, dass das genau der richtige Ansatz ist. Auch situationsbedingte Beschreibungen, wie zB "sein Haar erstrahlte wie goldenes Gras im grellen Sonnenlicht" (okay, das ist vielleicht too much) sind für den Leser interessanter, als die hundertsechsundachzigste Beschreibung nach Schema F (eine Hakennase, die aus einem Mondgesicht herausstarrte etc.). Besonders gelungen sind Beschreibungen, die sogleich auf den Charakter der Person rückschliessen lassen. Ich habe allerdings auch schon Bücher gelesen, die so gut wie gar nichts beschrieben haben und ich fand sie trotzdem gut.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Sipres am 17. Februar 2015, 12:19:38
Um mich hier auch mal einzumischen: Für meine Protas nutze ich gerne die Holzhammermethode. Einmal beschrieben, dann später nur noch in wichtigen Momenten erwähnt. Zum Beispiel bei langhaarigen Personen und Wind. Nebencharaktere werden auf ein Minimum reduziert. Besondere Auffälligkeiten, das war's. Manchmal, aber nur manchmal etwas mehr, wenn es zur Situation passt oder irgendwie in einem Gespräch geklärt werden kann. Aber ich denke, das macht auch jeder auf seine eigene Art und ich hab schon alle möglichen Varianten gelesen. Schlechter wird ein Buch nicht, weil die Charaktere ausführlich oder weniger ausführlich beschrieben worden sind.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: HitzKooler am 17. Februar 2015, 12:40:30
Zitat von: Sipres am 17. Februar 2015, 12:19:38
Um mich hier auch mal einzumischen: Für meine Protas nutze ich gerne die Holzhammermethode. Einmal beschrieben, dann später nur noch in wichtigen Momenten erwähnt. Zum Beispiel bei langhaarigen Personen und Wind. Nebencharaktere werden auf ein Minimum reduziert. Besondere Auffälligkeiten, das war's. Manchmal, aber nur manchmal etwas mehr, wenn es zur Situation passt oder irgendwie in einem Gespräch geklärt werden kann. Aber ich denke, das macht auch jeder auf seine eigene Art und ich hab schon alle möglichen Varianten gelesen. Schlechter wird ein Buch nicht, weil die Charaktere ausführlich oder weniger ausführlich beschrieben worden sind.

Vorausgesetzt, man setzte Ausführlichkeit nicht mit Qualität gleich. Ansonsten stimme ich dir zu  :prost:
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: FeeamPC am 17. Februar 2015, 15:45:00
Übrigens kann es je nach Genre einfach sein, Haar- und Augenfarbe zu erwähnen. Dann nämlich, wenn z.B. der Prota sich Gedanken macht, warum er sich in einen gelbäugigen, schwarzfelligen Wolf verwandelt, wo er doch blaue Augen und braunes Haar hat.
Oder wenn die agierende Dame feststellt, dass der geklaute Lidschatten zu ihren blauen Augen einfach schrecklich aussieht.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Maja am 21. Februar 2023, 17:10:17
Ich hole mal diesen hübschen alten Thread hoch mit einer Frage zur Perspektive: Wie baut ihr das Aussehen einer Figur ein, die dem Perspektivträger bereits bekannt ist? Insbesondere das Aussehen des Perspektivträger selbst?

Beim perspektivischen Schreiben geht es mir darum, auf was diese Figur gerade achtet - wenn jemand neues auftritt, wird der neugierig beäugt, und dann ist es leicht, auch auf das Aussehen einzugehen, denn das ist neu, spannend und lässt sich an der Stelle dann auch gut den Leser:innen vermitteln. Aber wenn man jetzt seinen Perseptivträger nicht völlig abgedroschen vor den Spiegel stellt und erstaunt feststellen lässt, dass dessen Augen immer noch braun sind - wie macht man das, wenn es nicht völlig platt sein soll?

Ich behelfe mich meistens damit, das Aussehen meiner Hauptfiguren überhaupt nicht zu beschreiben, weil die sich ja schon kennen. Prompt beschweren sich meine Betas, und das zurecht: Sie kennen die Figur ja noch nicht und würden gerne wissen, wie sie aussieht. Ich schreibe jetzt ungelogen seit vierzig Jahren, bin erfolgreich veröffentlicht und alles, und habe keine Lösung für dieses Problem. Mag mich jemand mit den eigenen Lösungsansätzen erhellen, damit ich etwas finden kann, das zu mir und meinem Werk passt?
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Ary am 21. Februar 2023, 17:26:28
Nachdem mir mal eine Betaleserin zu Recht vorgeworfen hat, ich würde Steckbriefe meiner Figuren bauen und viel zu viel beschreiben, versuche ich, Aussehensbeschreibungen in Nebensätzen und "beiläufig" einzubauen. Auch wenn zwei Menschen sich kennen, achtet man ja doch noch auf bestimmte Merkmale, die vielleicht auffällig sind und die doch ins Auge springen, obwohl man einander schon gut kennt. Da hat dann vielleicht jemand mal die langen schwarzen Haare nicht einfach lang runterhängen, sondern ausnahmsweise mal geflochten oder hochgesteckt, jemand mit einer Vorliebe für rote Pullover trägt plötzlich einen grünen, und es fällt auf, wie gut/gar nicht gut der zu der hellen Haut/den dunklen Augen/der grellgelben Hose passt. Oder Klamotten werden Markenzeichen - ich kenne Menschen, die gefühlt immer eine Mütze tragen, da fällt es dann auf, wenn die mal nicht da ist, und sowas erwähne ich dann auch.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Avery am 21. Februar 2023, 17:39:56
Ich stelle tatsächlich jede Figur optisch vor, unabhängig davon, ob sie neu auftritt oder den Perspektivtragenden schon lange bekannt ist. Bei sehr vertrauten Figuren picke ich mir meist irgendein nettes Detail raus. Einen Pullover in einer Farbe, der super harmoniert mit: Figurenbeschreibung (Haare, Hautfarbe, Augenfarbe etc.). Ein neues Schmuckstück, das von Haaren umrandet wird. Im aktuellen Projekt krieg die Prota ein Selfie ihrer beiden Dads geschickt und kann so direkt die jeweilige Mimik mit der Beschreibung verknüpfen. Die dichten schwarzen Augenbrauen, die wie gewohnt leicht argwöhnisch nach oben gezogen sind, oder die kupferrote Locke, die sich irgendwie beim Grinsen ins Gesicht verirrt hat.

Daneben habe ich inzwischen aber für mich gelernt, dass auch "platte" Beschreibungen aus Lesendensicht in der Regel völlig okay sind. Ich habe also keine Skrupel, es ganz plump einzuweben mit: "Mir fällt eine der dunkelbraunen Strähnen ins Gesicht." "Das Make-up ist eine Nuance zu dunkel für meine beige Haut." "Das grelle Gelb lässt das Grün meiner Augen förmlich leuchten." (Auch alles anwendbar auf ein bekanntes Gegenüber).

Dann baue ich gerne Situationen, in denen die Perspektivtragenden bewusst Gemeinsamkeiten oder Unterschiede mit Verwandten suchen (so führe ich bspw. die Prota in meinem Debüt ein). Was hätte man gerne noch geerbt, was findet man an beiden besonders schön, auf was hätte man "verzichten" können? (Hier muss man nur etwas aufpassen, nicht zu sehr ins Oberflächliche/Bewertende abzudriften. Außer es ist gewollt, um direkt noch ein Familienverhältnis zu verdeutlichen). Für mich klappt es übrigens auch super, vertraute Figuren anhand von Merkmalen zu beschreiben, die für die perspektivtragende Person besonders schön sind. ("Ich liebe die Grübchen, die sein Lächeln auf die hellbraune Haut zeichnet", "Ihre schwarzen Haare duften wieder nach diesem sündhaft teuren Orangenshampoo").

Last but not least führe ich die Optik auch gerne direkt im Szenenkontext ein. "Wie er da steht mit seinen zerzausten, dunkelbraunen Haaren und dem wallenden Mantel passt er perfekt in den urigen Pub". Oder aus Protasicht: "Mit meinen zerzausten, dunkelbraunen Haaren und dem wallenden Mantel fühle ich mich inmitten all der schick gekleideten Leute fehl am Platz".

Oh, und eins habe ich doch noch: Vergleiche. Und damit meine ich nicht: "Er ist schöner als sie." Sondern die kontrastreiche Hervorhebung zweier Figuren, die z.B. zur gleichen Zeit den Raum betreten. "Während ihr Haar golden glänzt, wirkt seins wie die Nacht." "Heute trägt sie High Heels, so dass sie den Größenunterschied von einem halben Kopf geschickt zu kaschieren weiß."

Ich weiß nicht warum, aber ich liebe diesen Part immer.  ;D  Und vielleicht ist ja etwas dabei?

EDIT: Überschnitten mit Ary, die einen ähnlichen Punkt hat wie den ersten.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Marta am 21. Februar 2023, 18:08:05
Spannende Frage. Ich schaue zur Zeit gern, wie die Figur in der Umgebung funktioniert. Muss der riesige Kerl sich irgendwo durchzwängen, weil er halt so riesig ist? Muss die kleine Prota hüpfen, um zu sehen, was die Menge vor ihr betrachtet? Wie reagieren die anderen? Weichen sie ängstlich aus oder kichern sie im Vorbeigehen?

Reaktion wäre auch sowas wie: "Sie verzog das Gesicht. Natürlich tat sie das. Nach drei Monaten in der Gosse stank ich zum Himmel, meine Kleider waren schmutzige Lumpen und meine ehemals blonden Haare dunkle Strähnen. Das Einzige, was sie daran hinderte, mich gleich rauszuwerfen, war vermutlich, dass ich gebaut war wie ein Ochse." Dann ist das Gröbste schon geschafft, den Rest kann man nach und nach einweben. Ob man die Augenfarbe unbedingt braucht, weiß ich nicht. Bei Romance: klar, vor allem wenn stahlblau, meerblau oder himmelblau oder so. Aber bei allen anderen Genres?

Und die Haarfarbe ist zwar interessant, aber nicht so sehr wie der Gesamteindruck, finde ich. "Er sah aus wie ein halb verhungerter Kranich" beschreibt eine Figur oft besser als "Der Pullover hing von seinen mageren Schultern und der Schal konnte seinen langen Hals nur unzureichend vor der Kälte schützen".
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Mondfräulein am 21. Februar 2023, 19:05:22
Als Leserin ärgere ich mich ehrlich gesagt extrem selten darüber, dass das Aussehen der Figuren zu viel beschrieben wird. Ich habe noch nie darüber nachgedacht, dass der Perspektivträger jetzt aber nicht über die blonden Haare seiner Freundin nachdenken würde. Ich ärgere mich aber schon darüber, wenn das Aussehen nicht beschrieben wird.

Das einzige, was mich stört, ist wenn die Haarfarbe zu oft wiederholt wird ("die Brünette" statt einfach den Namen zu benutzen). Spiegelszenen müssen auch nicht sein, aber die kann ich verzeihen.

Selbst wenn ich weiß, dass meine Freundin blond ist, sehe ich ihre blonden Haare ja trotzdem, wenn sie vor mir steht. Ich denke im echten Leben sehr selten bewusst darüber nach, welche Farbe etwas hat, ich sehe sie ja. Im Roman beschreibe ich Farben und Formen aber trotzdem. Da kann ich auch mal eine Haarfarbe erwähnen.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Petitcreiu am 21. Februar 2023, 19:38:00
Ich frage mich, ob das nicht auch eine Generationenfrage ist und sich Leseerwartungen momentan in einem fundamentalen Wandel befinden. Ich mag es eigentlich am liebsten, wenn das genauso gehandhabt wird wie @Maja es beschreibt, da mich Steckbriefe regelmäßig aus einer Perspektive reißen. Auch geben mir technische Daten kein richtiges Gefühl für eine Figur, @Marta s schöner Kranichsatz hingegen schon.

Nun wurde ich aber gerade letzthin von ein paar jüngeren Fantasyleser:innen (um die 25), warum diese Beschreibungen so wichtig sind. Momentan lese ich nämlich ,,Der Orden des letzten Baumes" (Priory of the Orang Tree) von Samantha Shannon. Allgemein gefällt mir das Buch sehr gut! Ich beklagte mich über die ständigen Steckbriefe, über die man auf jeder zweiten Seite stößt (meist über Figuren, die der POV schon lange kennt). Das sind Sätze wie:

Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.


Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.


Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.


Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.


Diese Beispiele stammen alle aus den ersten paar Seiten (es hätte übrigens noch mehr Figuren mit Sommersprossen). Es zieht sich aber durch den Rest des Buches durch.

Solche exakten Beschreibungen gleich nach Erwähnung des Namens seien, war der Konsens, darum zentral, damit man Figuren nicht apriori als weiß liest. Für mich ist diese Erklärung einleuchtend und wichtig. Anscheinend ist dies in YA-Büchern (was Priory nicht ist) schon ziemlich üblich.

Bei meinem eigenen Schreiben befinde ich mich ehrlich gesagt gerade sehr in einem Dilemma deswegen. Ich mag es aus ästhetisch Gründen halt doch sehr, wenn Beschreibungen etwas eleganter gehandhabt werden, aber neige dazu mich den neuen Gepflogenheiten anzupassen, da die Begründung so wichtig ist.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Cooky am 21. Februar 2023, 20:28:27
Haha, ich muss auch immer darauf achten, dass ich Figuren beschreibe. Ich brauche die Beschreibungen selbst nämlich nicht. In der Regel vergesse ich sie nach dem Lesen wieder oder habe einfach schon ein eigenes Bild, das sich nicht mehr anpassen lassen will. @Petitcreius Argumentation ist aber die, die auch mich dazu gebracht hat, da mehr drauf zu achten: Ohne Beschreibung hat man eher eine weiße Figur im Kopf, selbst wenn man selbst nicht weiß ist.

Ansonsten, über die eigene Aufstehfrisur kann man immer mal fluchen, zumindest in modernen Settings, es gibt irgendeine Gelegenheit, die Klamotten zu wechseln, vielleicht vergleicht sich die Figur mit irgendwem oder fragt sich, ob sie, so wie sie aussieht, in die Situation passt. Um das beiläufig zu erwähnen, gibt es eigentlich viele Möglichkeiten.

Neue Figuren kann man beschreiben, weil man sie noch nie gesehen hat und das für den Prota interessant ist. Andere Figuren, die ein Prota bereits kennt, über die Aspekte, die sie besonders machen. ASpekte, mit der sie aus der Menge herausstechen und an denen sie ein Prota sofort erkennt. Wenn man das gleich in so eine Situation einpacken kann, umso besser. Ich mag vernünftig eingebettete Beschreibungen auch lieber, als platte Aufzählungen wie in dem oberen Beispiel. Andererseits habe ich auch Protas, die das genauso nüchtern beschreiben würden. Ich denke in der Stimme des Protas wirkt keine Beschreibung wirklich langweilig.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Coppelia am 21. Februar 2023, 20:29:17
Den von @Petitcreiu genannte Punkt finde ich wirklich wichtig. Ich mache es seit einer Weile schon so, dass ich die Hautfarbe irgendwie in der Beschreibung unterbringe. Ich habe ganze Romane und Settings komplett ohne weiße Figuren und hatte das bei der Beschreibung früher leider nicht immer beachtet, sodass in den Köpfen der Leser*innen ganz andere Vorstellungen entstanden.
Finde auch nicht, dass es unbedingt unelegant sein muss. Stereotype Formulierungen nach Schema sind ja nicht nötig.

Abgesehen davon versuche ich es meist so zu machen, dass ich mich auf die zwei bis drei Dinge konzentriere, die bei der Figur für die Figur, die gerade Perspektive hat, am auffälligsten sind. Das muss aber auch gar nicht unbedingt etwas mit dem Aussehen zu tun haben. Es soll mehr das Flair der Figur vermitteln. Somit sind meine Beschreibungen meist ziemlich ungenau und lassen Raum für Fantasie. Wenn die Figur schon bekannt ist, versuche ich gern eine kleine Szene um den ersten Auftritt zu bauen, wo sie dann ihre Eigenschaften zeigen kann.

Mit zu genauen Beschreibungen kann ich nichts anfangen. Wenn z. B. jede Einzelheit des Gesichts beschrieben wird, entsteht dadurch für mich noch immer kein Gesamtbild. Da bin ich mehr für Marthas Kranich-Beschreibung. ;D
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Petitcreiu am 21. Februar 2023, 20:56:11
@Coppelia @Cooky denkt ihr, dass es eine Lösung wäre. Es nur was die Hautfarbe betrifft, so zu handhaben? Ich muss ganz ehrlich sagen, bei gewissen Szenen, wirft es mich als Lesenden nämlich völlig aus der Immersion. Gerade wenn es Hofszenen voller Intrigen sind, ist es mir nämlich völlig egal, welche Nebenfigur jetzt braune Haare hat und welche nicht, weil ich mich auf die Intrige konzentrieren möchte. Ich vergesse es auch gleich wieder, weil ich mir ja auch erst die Namen usw merken muss. Die ständigen Einschübe führen dazu, dass diese Stellen m. E. merklich schlechter sind. Und ja, Sätze mit ,,Er war...", ,,Sie hatte..." sind doch wirklich etwas platt. Ich möchte nicht so schreiben.

,, das Flair der Figur" finde ich eine sehr gelungene Schreibempfehlung, die mir sehr weiterhilft :). Vielen Dank!

Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Avery am 21. Februar 2023, 21:07:25
Zum Thema Hautfarbe: Ich habe mir auch angewöhnt, immer die Hautfarbe zu nennen, sofern ich eine Figur beschreibe. Eben, um das komplett weiß gelesene zu vermeiden. (Hier eine kleine Empfehlung, die sicher schon mal an anderer Stelle erwähnt wurde, aber so schön zum Thema passt: https://vickieunddaswort.de/hautfarben-guide-farbnamen (https://vickieunddaswort.de/hautfarben-guide-farbnamen))

@Petitcreiu Ich glaube, hier muss man generell schauen, wie viel Raum die Nebenfigur einnimmt. :) Ich beschreibe generell nur handlungstreibende Charaktere, die öfter vorkommen. Befinde ich mich in großen Gruppen, weise ich z.B. nur darauf hin, dass es eine sehr gemischte Gruppe ist, gehe aber nicht auf jede Einzelperson ein. Das würde mich tatsächlich auch sehr rausreißen.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Coppelia am 22. Februar 2023, 06:46:37
@Petitcreiu
ZitatUnd ja, Sätze mit ,,Er war...", ,,Sie hatte..." sind doch wirklich etwas platt. Ich möchte nicht so schreiben.
Das finde ich auch. Das meinte ich auch mit "stereotype Formulierungen nach Schema". Das muss nicht sein. Stattdessen kann mensch ja kreativ sein beim Beschreiben und bei der Art, die Beschreibung einzubauen. ;D

Die Beispiele finde ich zwar etwas ungeschickt formuliert, aber die Beschreibungen an sich schon cool.

Und nein, ich denke nicht, dass es eine Lösung ist, das nur bei der Hautfarbe so zu machen. Das lenkt dann wieder zuviel Aufmerksamkeit auf diesen Aspekt, in meinen Augen. Es soll ja selbstverständlich werden und nicht zu so etwas führen wie "Oh, der Autor beschreibt immer die Hautfarbe der Figur, sonst aber nichts!"
Wenn es auffällt, ist es wohl einerseits noch nicht wirklich elegant gemacht, andererseits zeigt es aber auch, dass wir es einfach nicht gewöhnt sind, entsprechende Beschreibungen zu lesen. Das lässt sich ja ändern.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Petitcreiu am 22. Februar 2023, 10:02:42
@Avery vielen Dank für den Link auf diesen ausgezeichneten Blog. Ich arbeite mich immer mal wieder durch https://writingwithcolor.tumblr.com/ aber es lässt sich natürlich nicht alles auf Deutsch übertragen, da die Konnotationen oft anders sind. Deine Idee wie man bei einer Gruppe arbeiten kann, ist sehr elegant!

@Coppelia vielen Dank auch Dir. Und da hast du natürlich völlig recht: nur auf die Hautfarbe zu verweisen, funktioniert aus der von Dir genannten Gründen nicht. Ich werde bei den neueren SFF-Romanen auf alle Fälle sehr darauf achten, wie Figuren-Beschreibungen gehandhabt werden, wenn in der personalen Perspektive alte Bekannte auftauchen - und vor allem wie die Lese-Reaktionen darauf ausfallen.

Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Christopher am 22. Februar 2023, 10:31:36
Da ich grundsätzlich mehr als eine Perspektive habe, und die POVs sich in der Regel sehen, kommen da die Beschreibungen hinein. Also wenn der eine den anderen ansieht o.ä.

Grundsätzlich lasse ich die Figuren aber auch sehr einfach anfangen. Da gibt es nicht viel zu beschreiben. Sehr schlichte Kleidung und Auftreten, die ich dann aber im Verlauf der Geschichte anpasse. Welcher Charakter beendet schon eine Geschichte, ohne jemals das Hemd oder die Hose zu wechseln?
Wenn der Charakter etwas neues anzieht, beschließt eine neue Frisur zu tragen, einen Ausrüstungsgegenstand hinzu bekommt usw. usf. ist es logisch und schlüssig, das zu beschreiben. Da bricht nichts mit der Geschichte und es fühlt sich nicht wie Exposition oder ein Steckbrief an.


Das funktioniert aber nur so gut, weil ich mit "frischen" Figuren anfange. Da taucht nicht plötzlich jemand mit komplexer Vergangenheit als POV auf. Nebencharaktere - Ja. Da ist es aber auch ok, die aus Sicht des POV zu beschreiben.


Außerdem sagt mir meine Erfahrung, dass es gerade am Anfang der Geschichte nicht sinnvoll ist, jeden Charakter lang und breit zu beschreiben. Sagen wir am Anfang einer Geschichte kommen 4-5 wichtige Charaktere vor, mit voller Beschreibung, sagen wir im Worst-Case als Steckbrief.
Wer kann sich das alles merken? Die allerwenigsten, sage ich. 80% der Sachen werden vergessen.

Bei Geschichten, welche die Charaktere so explizit beschreiben fällt mir aber oft auf, dass danach gar keine Beschreibungen mehr folgen. "Der Leser hat ja sicher super aufgepasst und weiß genau, wie meine Figuren aussehen! Da muss ich nie wieder drauf eingehen." Aber mal ehrlich: Nach 300 Seiten ohne hier und da eine Erinnerung weiß ich nicht mehr, wie die meisten Figuren aussehen. Geht mir bei vielen Büchern so, dass das Gefühl für den Charakter, die Vorstellung seines Aussehens, abhanden kommt.

Daher bin ich so ein großer Freund der wenigen Beschreibungen am Anfang und den kontinuierlichen, kleinen Erinnerungen hier und da und den Veränderungen, die einerseits auffrischen und andererseits den Charakter auch entwickeln.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Paka am 22. Februar 2023, 11:52:26
Meiner Meinung nach ist das Problem mit Steckbriefen gar nicht so sehr, dass ich mir das Aussehen nicht merken kann, sondern dass ich es beim Lesen überhaupt gar nicht erst wahrnehme. Und das gilt für Personen genauso wie für Ortsbeschreibungen. In 99 % aller Fälle lese ich einfach darüber hinweg und denke dann im besten Fall 2 Sätze später: ,,Moment. Da war doch eben eine Beschreibung. Wie war das?"  Okay, also nochmal zurück, Satz für Satz sorgfältig lesen und versuchen, sich das bildlich vorzustellen. Und häufig muss ich als Person, die leider unter Aphantasie leidet, die Sätze nicht nur einmal, sondern gleich mehrfach lesen, bis ich ein ungefähres Bild habe. Damit bin ich gleich 5-fach aus der Geschichte rausgeschmissen worden.
Schön finde ich die Methode, die @Marta erwähnt hat: Er muss sich bücken, wenn er durch die Tür geht (aha – er ist sehr groß) oder sie sieht mal wieder die ersten 5 Minuten nur Nebel, nachdem sie mit Maske den Supermarkt betreten hat (Brillenträger verstehen mich sofort 😆).
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Mondfräulein am 22. Februar 2023, 13:56:48
Ich weiß nicht, ob ich damit alleine bin, aber ich möchte tatsächlich von allen Figuren die Haarfarbe wissen. Wenn ich genauer darüber nachdenke auch die Hautfarbe, aber es ist schon wahr, meistens wird die nur bei nicht-weißen Figuren beschrieben und dann stelle ich mir die meisten Figuren auch automatisch weiß vor. Da ist man irgendwie einfach dran gewöhnt. Augenfarben sind mir nicht wichtig, aber ich kann mir Figuren einfach nicht vorstellen, wenn ich die Haarfarbe nicht kenne und dann kann ich auch keinen Bezug zur Figur herstellen. In meinem Kopf bildet sich dann sowieso ein ganz eigenes Bild der Figur, aber die Haarfarbe möchte ich möglichst früh wissen, damit ich mein Bild der Figur nicht mittendrin ändern muss. Es entfernt mich ehrlich gesagt wirklich von den Figuren, wenn ich die Haarfarbe nicht kenne. Interessant, wie unterschiedlich da alle lesen.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Marrin am 22. Februar 2023, 19:38:55
Ich muss ehrlich gestehen, zeilenlange Beschreibungen einzelner Figuren neige ich bei Lesen oft einfach nur zu überfliegen. Ich finde gut gemachte Verknüpfungen besonderer Charaktermerkmale mit der Handlung besser. Reine Aufzählungen finde ich lieblos und versuche dementsprechend auch selbst so etwas zu vermeiden.

Ich habe auch kein Problem damit, wenn meine Leser*innen von einzelnen meiner Figuren ein etwas anderes Bild im Kopf haben als ich selbst, so lange wir in den wichtigen Dingen übereinstimmen. Ob nun der Bart meines Helden zwei Finger oder drei Finger lang ist, finde ich völlig unerheblich – es sei denn, er bleibt mit dem verzottelten Ding beim Ausfallschritt an einem rostigen Nagel hängen und schlägt deshalb lang hin. In diesem Fall wäre es natürlich wichtig, dass meine Leser*innen und ich uns bereits im Vorfeld in etwa einig über die Länge wären, sonst würde meine Handlungsglaubwürdigkeit leiden. Und wenn mir sowas öfter beim Lesen unterkommt, dann fliegt in der Regel das Buch dann auch in die Ecke. ;)

Aber ich gehe mal davon aus, dass jedes Genre da so seine eigenen Regeln, was ausführliche Beschreibungen angeht. Wie hier schon von anderen geschrieben, fällt das rein physische Aussehen beim Romance-Genre sicherlich mehr ins Gewicht als bei einem Krimi. Oder auch bei einer Fantasy-Story, bei der Eigenheiten einer bestimmten Rasse natürlich erwähnt werden müssten oder relevante Details des Worldbuilding; aber auch hier mit Bedacht. Denn wenn's keine Relevanz für die Geschichte hat, warum sollte es dort dann überhaupt einen Platz haben?
Also, ich persönlich finde für meine hauptsächlichen Ausflüge in die Fantasy reine Beschreibungen eher nicht zielführend, noch weniger bloße Aufzählungen von Charakteristika.
 
Was auch nicht vergessen werden sollte, ist die potenzielle Bremskraft von längeren Beschreibungspassagen im Text. In Abschnitten mit Beschreibungen steht die Zeit im Text still und das nimmt der*die Leser*in dann auch so wahr, wenn vielleicht auch nicht bewusst. Aber es ist halt eine Zäsur in der sonst vielleicht sehr flotten Erzählung, die ohne das ein echter ,,Pageturner" sein könnte. Lieber wichtige Details sinnvoll in die Geschichte einweben, dann muss die Handlung nicht erst wieder Fahrt aufnehmen.

Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Villyana am 11. Mai 2023, 02:41:42
Zitat von: Marrin am 22. Februar 2023, 19:38:55Ich muss ehrlich gestehen, zeilenlange Beschreibungen einzelner Figuren neige ich bei Lesen oft einfach nur zu überfliegen. Ich finde gut gemachte Verknüpfungen besonderer Charaktermerkmale mit der Handlung besser. Reine Aufzählungen finde ich lieblos und versuche dementsprechend auch selbst so etwas zu vermeiden.
Da stimme ich @Marrin auch völlig zu. Ich versuche auch immer wenige Merkmale auf einmal zu nennen. Zum Beispiel kommt eine Figur vor, die ist groß und hat dunkle Haare, beschrieben wird das dann von einer anderen Person, auch dass er so wie er sich bewegt wohl ein Krieger sein muss. Während er mit einer Frau spricht lächelt er und sein Gesicht verändert sich dabei völlig, denn die harten Züge werden weich und er sieht plötzlich so jung aus. Das wird aber erst später genannt und nicht alles auf einmal. Vor allem, wenn eine Figur länger dabei ist und nicht ein einfacher Nebencharakter, dann kann man sich doch Zeit dafür lassen. Oder dass die Farbe eines bestimmten Kleidungsstückes die Farbe der Augen betont.

@Mondfräulein wir lesen wirklich alle sehr unterschiedlich, denn für mich ist die Augenfarbe wichtiger, wie die Haarfarbe  :D das ist bei mir aber auch in echt so. Wenn ich mit anderen Rede, sind mir die Augen der Personen immer wichtig. Die Haarfarbe nehme ich nur so am Rande wahr. Die ist ja auch nicht immer echt oder ändert sich bei manchen auch immer wieder. Die Augenfarbe bleibt und die Augen sind ja auch ein ganz wichtiger Teil unseres Gesichtes.
Ehrlich gesagt ebenso wie die Augenbrauen. Ich könnte mich aber nicht daran erinnern je etwas über Augenbrauen in einer Geschichte gelesen zu haben.

Bei einer Romantasy Story hatte ich das drin, weil es gerade gepasst hatte.
Er fuhr mit dem Finger den sanften Schwung ihrer Augenbrauen nach. Allerdings war SIE in dem Moment nicht so gut auf ihn zu sprechen  :rofl:

Schwierig finde ich immer den Spagat zwischen, was beschreibe ich und was überlasse ich dem Leser? Oder fällt es auf, wenn ich etwas nicht beschreibe? Andererseits gibt es Dinge, die mir persönlich ziemlich wichtig sind, aber schwer zu beschreiben.
So steht in meinen Augen ein Mann mit einem Muskulösen Oberkörper nicht einfach gerade da, denn er hat immer den etwas verstärkten Schwung in der Wirbelsäule, den ich persönlich sehr anziehend finde. Aber ich glaube, ausser mir interessiert das so gut wie niemanden, also betrachtet ihn nur eine schmachtend mit seiner "tollen Haltung". Finde ich persönlich nicht so gelungen, aber ich hätte es gern drin, der Leser evtl nicht.

Auf genaue Größen gehe ich gar nicht ein. Ich finde das solche Sachen bremsen. Man muss zu jemandem hoch sehen oder herab. Eigentlich gibt es hier nur Vergleiche. Mich hat es aber mal sehr viel Zeit gekostet, um zu berechnen, wenn eine Figur auf einem Faß sitzt und die andere vor ihr kniet, ob sie dann auf Augenhöhe sind oder wie dann hier der Unterschied ist. Das kostet mich viel Zeit, aber jetzt weiß ich, wie groß ein genormtes Faß ist.  :buch:

Ehrlich gesagt gibt es nur eine Geschichte, bei der mich bisher eine der Beschreibungen gestört hat und tatsächlich ist es eins meiner Lieblingsbücher. Aber die weibliche Hauptperson wird so als Klischee Prinzessin beschrieben, dass ich da jedes Mal die Augen verdrehen muss beim lesen  :rofl:
Liegt aber vermutlich nicht nur an der Beschreibung, sondern einfach an diesem Klischee. Trotzdem hätte man es auch einfach verkürzen können oder eben strecken und auch Häppchenweise liefern.

Edit: Ich habe letztens mit einer Bekannten gesprochen, die meinte, um sich eine Figur wirklich vorstellen zu können, muss sie wissen, wie ihre Lippen aussehen.  :hmhm?: Das finde ich sehr spannend, aber auch nicht unbedingt einfach um zu setzen, vor allem da mir persönlich dieses merkmal egal ist.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Czara Niyaha am 27. Oktober 2023, 18:54:52
Ich habe bereits hier im Forum und dem Beitrag zu meinem aktuellen "Problem" gelesen, und würde gerne wissen wir ihr das handhabt.
Wir als Autoren/innen haben ein sehr genaues Bild von unseren Charakteren vor Augen. Schließlich haben wir sie erschaffen.  ;) Wie lasse ich am besten Beschreibungen meiner (Haupt)Charaktere einfließen, ohne dass der klischeehafte Blick in den Spiegel kommt (ja, ich oute mich ebenfalls als "Spiegelgucker"), um das Aussehen eines Charakters zu beschreiben. Aus der Sicht des Hauptcharakters ist es wesentlich leichter zu schreiben, wie er seine Mitmenschen wahrnimmt, als er sich selbst. Der Leser bastelt sich sein Bild auch aufgrund dessen, wie ein Charakter handelt und agiert, und nicht nur allein wegen der optischen Beschreibung.
Mich interessiert, nach wie viel Seiten habt ihr ein Bild von den Hauptcharakteren vor Augen? Muss sich das komplette Aussehen sofort innerhalb der ersten Kapitel klären, oder gibt ihr euch auch damit zufrieden, wenn ihr die Infos nach und nach erfahrt? Wenn ich allerdings erst auf Seite 100 oder mehr lese, dass der Hauptcharakter lange Haare hat, und ich ihn mir bis zu dem Zeitpunkt mit kurzen vorgestellt habe, dann bringt mich das schon etwas raus, weil der Charakter plötzlich ganz anders aussieht, als in meiner Vorstellung.
Muss eine Charakterbeschreibung immer "vom Kopf bis zu den Zehenspitzen" detailliert beschrieben sein? Nach wieviel Seiten habt ihr das erste Bild eines Charakters vor Augen, und wie lange dauert es ungefähr, bis sich das gefestigt hat? Würdet ihr einem Autor/in verzeihen, wenn das optische Bild des Hauptcharakters erst in späteren Kapiteln fertiggestellt ist? Falls ja, bis wann sollte sich das Aussehen spätestens geklärt haben?
Aus Sicht meines Hauptcharakters geschrieben würde ich nicht die Formulierung wählen:

Tom fuhr sich mit beiden Händen durch sein dunkelbraunes, halblanges Haar und blinzelte mit seinen grünen Augen.

Wie lasse ich den Leser wissen, das Tom dunkelbraune, halblange Haare und grüne Augen hat, ohne dass er sich im Spiegel betrachtet, oder die Perspektive gewechselt, und er aus Sicht von jemand anderem beschrieben wird? Nicht immer bietet eine Situation Möglichkeiten, dass Aussehen eines Charakters zu vermitteln. Und bloß wegen der Beschreibung eine Situation erzwingen, die nur dem Zweck dient, das Aussehen des Charakters zu beschreiben, ist auch nicht die Lösung...
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Fluide am 27. Oktober 2023, 21:44:37
Nur kurz, weil am Handy. Und ich habe auch nicht den ganzen Thread gelesen und wiederhole sicher, wenn ich sage: es ist auch Geschmackssache, wie genau man Figuren beschrieben haben will. Mich nerven eher so Infodump-Beschreibungen. Wenn es wichtig ist, ob jemand lange oder kurze Haare hat, will ich das aber nicht erst auf Seite 100 wissen, wo ich mir dann schon ein Bild (mit vielleicht kurzen Haaren) gemacht habe, sondern früher. Aber eine genaue Angabe, bis wann das gesetzt sein muss, kann ich dir nicht machen. Das hängt ja von vielerlei ab. Ich könnte mir vorstellen, dass, wenn es am Anfang zB viel Action bzw Handlung gibt, es ok wäre, danach was zum Äußeren zu erfahren. Ich glaube, wann sich so ein Zeitfenster schließt, lässt sich nicht pauschal sagen. Da braucht man am Ende vielleicht einfach Testleser.

Warum ist es denn wichtig für die Leser:innen zu wissen, dass Tom halblange braune Haare und grüne Augen hat? Ist es nicht wichtiger, wie er die Welt sieht und wie er zu ihr und seinen Mitmenschen in Beziehung steht, was für Dinge er tut? Für mich lassen Bücher Dinge offen, die ich als Leserin selbst befülle, Aussehen gehört für mich in großen Teilen dazu. Für mich ist das auch eine der Schwierigkeiten beim Schreiben: was muss der Leser wissen, damit er sich ein Bild machen kann und das Ganze nicht zu nem Ratespiel wird. Und andererseits, auf was kann der Leser verzichten, wann fange ich an ihn zu gängeln, ihm Sichtweisen aufzudrängen bzw ihn mit unwichtigen Details zu langweilen.
Noch mal kurz zu Tom. Wenn ihm zb seine Haare wichtig sind, wird er sie kämmen oder sonst wie pflegen. Vielleicht wehen sie ihm auch ins Gesicht. Die grünen Augen können in personaler oder ich-Perspektive eigentlich nur auftreten, wenn er besonders stolz darauf ist oder so, weil dann würde er vielleicht tatsächlich in den Spiegel schauen, um seine wunderschönen grünen Augen zu betrachten (zumindest ist das eine Situation, die mir dazu einfällt) oder jemand anderes sagt: wow, deine grünen Augen sind echt krass. Aber auch da wirkt es mMn komisch, d.h. wie infodump, wenn der einzige Grund für diesen Satz der ist, dass die Leserinnen wissen sollen, dass er grüne Augen hat.

Ich denke, wenn äußere Merkmale in Situationen eine Rolle spielen, kann man sie dort beschreiben und es wirkt dann weniger wie infodump oder ein Perspektivfehler.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Graukranz am 28. Oktober 2023, 16:05:36
Für mich sind genaue Beschreibungen als Leser nicht so wichtig, weil ich während der Geschichte sowieso nicht die ganze Zeit daran denke. Es reicht eine grobe Vorstellung der Figur. Bei den grünen Augen denke ich jetzt z.B. sofort an Harry Potter. Wenn ich die Bücher lese und mir Harry vorstelle, denke ich aber nie daran, dass er grüne Augen hat (ausser es wird gerade von einer anderen Figur erwähnt). Die Beschreibung, dass er grüne Augen hat, ist aber trotzdem wichtig, weil sie andere Charaktere an seine Mutter erinnern.

Meine Charakterbögen sind meistens ziemlich umfangreich, aber bei den Beschreibungen im Manuskript versuche ich mich auf wenige wichtige Punkte zu beschränken. Ich überlege mir dann: Ist es wichtig, dass der Leser das weiss? Was macht den Charakter aus? Was würde anderen am ehesten einfallen, wenn sie ihn beschreiben müssten (Haarfarbe, Augenfarbe, Form der Nase, Statur etc.)? Gerade bei der Augenfarbe bin ich eher vorsichtig: Wenn ich Leute treffe, weiss ich am Nachhinein selten, welche Augenfarbe sie hatten, ausser sie fällt wirklich auf.

Als Leser finde ich es schön, wenn auch ein wenig Raum für die eigene Vorstellung gelassen wird. Ob ein Charakter schwarze oder braune Haare hat, ist ja nicht unbedingt für jede Geschichte wichtig.

Am angenehmsten finde ich es immer (wie auch schon im Thread erwähnt wurde), wenn Beschreibungen in Situationen/Handlungen eingebettet werden. Bei einem Kampf oder nach einer Flucht könnte z.B. stehen: «Er strich sich seine verklebten Haare aus dem Gesicht». Dann weiss ich als Leser schon mal, dass die Haare eine gewisse Länge haben.

Es kommt aber auch darauf an, WER überhaupt beschreibt. Es gibt Charaktere, die schauen weniger aufs Äussere, und andere, denen ist es total wichtig. Wenn man einen Ich-Erzähler hat, der gerne alles beschreibt, dann finde ich es auch kein Problem, eine halbseitige Beschreibung einzubauen. Es muss einfach zur Erzählstimme passen.

Bis wann Beschreibungen erledigt sein müssen/sollten, hängt auch davon ab, welche Figur es ist und wie es gemacht wird. Ich finde, es gibt da keine allgemeingültige Regel. Es können z.B. zwei Charaktere erst spät in der Geschichte aufeinandertreffen, und der Perspektiventräger beschreibt etwas, das vorher noch nie erwähnt wurde. Dann geht es aber eher darum, zu zeigen, worauf der Perspektiventräger schaut, und weniger um die optische Beschreibung der anderen Figur. Damit wäre ich aber eher vorsichtig bzw. das muss man meiner Meinung nach gut beherrschen, dass es beim Lesen nicht stört.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Schildkröte am 18. November 2023, 19:53:17
Ich bin vllt etwas spät dran für die Antwort, aber da will ich doch mitmachen  ;D

Zitat von: Czara Niyaha am 27. Oktober 2023, 18:54:52Mich interessiert, nach wie viel Seiten habt ihr ein Bild von den Hauptcharakteren vor Augen?

Kommt ja ganz darauf an, wann der/die AutorIn das schreibt. Wenn erst nichts kommt, male ich mir den Charakter so aus, wie es mir gefällt. Nach ein paar Seiten können die Beschreibungen noch in meine Vorstellung angepasst werden (so im 1. spätestens 2. Kapitel), aber je später es wird, desto eher wehrt meine Vorstellungskraft dann die gewünschten Bilder ab.

Zitat von: Czara Niyaha am 27. Oktober 2023, 18:54:52Muss sich das komplette Aussehen sofort innerhalb der ersten Kapitel klären, oder gibt ihr euch auch damit zufrieden, wenn ihr die Infos nach und nach erfahrt?

Ich finde lange Charakterbeschreibungen gerade zu Anfang irgendwie schwierig. Man will ja einen spannenden, fesselnden Start hinlegen, der die Leserschaft zum Weiterlesen bringt. Nach und nach gebe ich mich gerne zufrieden, solange die wichtigsten Merkmale frühzeitig geklärt sind, für mich: Haare, Augen, Narbe/kantig/...?

Zitat von: Czara Niyaha am 27. Oktober 2023, 18:54:52Muss eine Charakterbeschreibung immer "vom Kopf bis zu den Zehenspitzen" detailliert beschrieben sein?

Ich denke, das raubt dem Leser einiges an Spielraum. Es gibt Punkte, die signifikant wichtig sind. Z.B. Narben, die eine bestimmte Geschichte mit sich bringen und zur Storyline des Charakters gehören. Ob er jetzt auch einen Leberfleck an der oberen linken Ecke seiner Geheimratsecke hat, ist dann weniger wichtig.

Es kommt auch ein bisschen darauf an, was ich lese. Wenn ich gerade eine Geschichte vor mir habe, in der ich mich mit der Hauptcharakterin identifiziere, die gerade einen Mann kennenlernt, mit dem sich eine romantische Affäre entwickelt, dann will ich mir diesen Mann so vorstellen, wie er mir gefällt. Da akzeptiere ich, dass die/der AutorIn eine eigene Vorstellung hat, bin aber irgendwann genervt, wenn er/sie mir diese aufdrücken will und immer und immer wieder wiederholt, dass es anders ist. Das würde ich als Autorin 1x machen und dann nur noch die allerwichtigsten Merkmale wiederholen (z.B. die Charakterprägende Blitznarbe des Jungen, den wir alle kennen.)

Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Sparks am 20. November 2023, 21:10:37

Hallo Graukranz und Schildkröte.


Zitat von: Graukranz am 28. Oktober 2023, 16:05:36Für mich sind genaue Beschreibungen als Leser nicht so wichtig, weil ich während der Geschichte sowieso nicht die ganze Zeit daran denke. Es reicht eine grobe Vorstellung der Figur.

So sehe ich das auch. Es muss keine Beschreibung für eine Vermisstenanzeige oder ein Fandungsplakat sein. Aber der Leser sollte schon auf die Schnelle einen gewissen Eindruck von der Person, spezieller deren Habitus bekommen, um zu erahnen, mit wem er es zu tun hat. Egal wie wir z.B.unsere Kleidung wählen, es ist immer auch eine Aussage über uns selber.....natürlich kann man auch bei solchen Aussagen lügen. Hochstapler leben davon.

Beispiele:
"Eine großgewachsene, kräftige Frau mit schweren Brüsten, einem groben aber angenehmen und hübschen Gesicht und schulterlangen, glatten dunklen Haaren, bekleidet mit Reitschuhen, schwarzen Nylongamaschen, einer verwaschenen Jeanshose und einem grün-schwarz kariertem Holzfällerhemd",
"Ein mittelgroßer, bullig wirkender Mann mit fleischigem Gesicht und kräftigen Augenbrauen über klugen Augen und einem grauen Kurzhaarschnitt, auf dessen Kopf eine zerschlissene Feldmütze saß. Bekleidet war er mit Arbeitsschuhen, einer schlammbespritzten schwarzen Cargohose deren Taschen vollgestopft waren, und einer dunkelblauen Jacke aus grobem Baumwollstoff.

Daran ist auch gut zu sehen, dass die Wirkung auf den Leser vom Bias des Lesers selber abhängt. Als ich in meiner Jugend Karl May gelesen habe, fand ich das Aussehen der Figuren "normal", weil ich schon vorher entsprechende Filme gesehen hatte, und eine entsprechende Erwartungshaltung hatte. Als ich dagegen Erich Kästner gelesen habe, erschien mir das Aussehen der Personen sehr merkwürdig, weil er sie in einer vergangenen Gegenwart mit einer anderen Mode beschrieben hat, was mir aber damals nicht bewusst war.

Zitat von: Schildkröte am 18. November 2023, 19:53:17Ich finde lange Charakterbeschreibungen gerade zu Anfang irgendwie schwierig. Man will ja einen spannenden, fesselnden Start hinlegen, der die Leserschaft zum Weiterlesen bringt. Nach und nach gebe ich mich gerne zufrieden, solange die wichtigsten Merkmale frühzeitig geklärt sind, für mich: Haare, Augen, Narbe/kantig/...?

In ein oder zwei Sätzen sollte erst einmal ausreichend Informationen enthalten, mehr würde den Leser schon memnotechnisch anstrengen. Aber ein oder zwei Sätze sind auch nicht zu viel, vor allem wenn sie so formuliert sind, dass sie sich geschmeidig lesen lassen und schlüssig sind.

Zitat von: Schildkröte am 18. November 2023, 19:53:17Wenn ich gerade eine Geschichte vor mir habe, in der ich mich mit der Hauptcharakterin identifiziere, die gerade einen Mann kennenlernt, mit dem sich eine romantische Affäre entwickelt, dann will ich mir diesen Mann so vorstellen, wie er mir gefällt. Da akzeptiere ich, dass die/der AutorIn eine eigene Vorstellung hat, bin aber irgendwann genervt, wenn er/sie mir diese aufdrücken will und immer und immer wieder wiederholt, dass es anders ist.

Darum kann es gerade bei Hauptcharaktern sinnvoll sein, diese Beschreibung sehr allgemein zu Beschreiben, damit gerade dieses nicht passiert. Vielleicht mit passenden Adjektiven den Leser positiv Stimmen?

Theorie: Durch Wandlung des Äußeren auch eine Wandlung der Person beschreiben?

Zitat von: Schildkröte am 18. November 2023, 19:53:17Ich bin vllt etwas spät dran für die Antwort, aber da will ich doch mitmachen  ;D

Ich sehe das selber nicht so eng, ich bin bekennender Thread-Nekromant. ;O)

Ein Thread ist nicht Tod, solange sich jemand dafür interessierst,
und wer Antwortet, interessiert sich ja. ;O)

Viele Grüße
Bernd
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Mondfräulein am 30. November 2023, 00:47:06
Zitat von: Czara Niyaha am 27. Oktober 2023, 18:54:52Muss sich das komplette Aussehen sofort innerhalb der ersten Kapitel klären, oder gibt ihr euch auch damit zufrieden, wenn ihr die Infos nach und nach erfahrt? Wenn ich allerdings erst auf Seite 100 oder mehr lese, dass der Hauptcharakter lange Haare hat, und ich ihn mir bis zu dem Zeitpunkt mit kurzen vorgestellt habe, dann bringt mich das schon etwas raus, weil der Charakter plötzlich ganz anders aussieht, als in meiner Vorstellung.

100 Seiten finde ich persönlich etwas spät, aber ich muss nicht auf den ersten Seiten sofort wissen, wie eine Figur aussieht. Für mich sind Haarfarbe, grobe Frisur (ob kinnlange oder hüftlange Haare macht schon einen Unterschied) und Hautfarbe wichtig. Augenfarbe ist mir persönlich gar nicht wichtig. Diese groben Eckpunkte will ich kennen, und dann noch wichtige Details, die hervorstechen würden. Mich stört es ehrlich gesagt ziemlich, wenn die Haarfarbe nicht erwähnt wird.

Ich kann da keine Seitenzahl nennen. Das hängt zum Beispiel auch davon ab, wie viele Figuren und Perspektiven es gibt, oder was mich an der Geschichte generell in den Bann zieht. Ich war schon genervt, wenn ich nicht früh genug eine Aussehensbeschreibung bekommen habe, aber wie schnell mich so etwas nervt ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Es darf aber ruhig organisch in den Text einfließen und muss nicht im ersten Kapitel kommen.

Zitat von: Czara Niyaha am 27. Oktober 2023, 18:54:52Muss eine Charakterbeschreibung immer "vom Kopf bis zu den Zehenspitzen" detailliert beschrieben sein?

Neben den oben genannten Details finde ich vor allem Details wichtig, die die Figur von anderen abgrenzen. Wenn zum Beispiel nicht beschrieben wird, wie groß eine Figur ist und wie sie gebaut ist, dann stelle ich mir erstmal eine ziemlich durchschnittliche Person vor. Diese Details sind bei jeder Figur aber etwas anderes. Piercings. Tattoos. Die Figur trägt nur Schwarz. Sehr bunte Kleidung. Die Figur trägt immer roten Lippenstift. Sie ist besonders groß. Eine auffällige Narbe. Die Details, die sie von anderen unterscheiden. Das kann die Figur gleichzeitig charakterisieren, zum Beispiel, wenn ein außergewöhnlicher Kleidungsstil Ausdruck der Persönlichkeit ist.

Wenn ich zum Beispiel zehn zufällige Personen im Zug herauspicke und versuche, sie zu beschreiben, würde ich nicht bei allen dieselben Details erwähnen. Bei einer Person erwähne ich den Kleidungsstil vielleicht nicht, weil er ziemlich gewöhnlich ist, dafür aber die aufwändige Flechtfrisur. Bei einer anderen Person ist die Frisur ziemlich durchschnittlich, aber sie hat ein sehr auffälliges Make Up. Eine andere Person hat eine sehr auffällige Handtasche. Das kommt immer darauf an, was bei einer Person gerade hervorsticht.

Zitat von: Czara Niyaha am 27. Oktober 2023, 18:54:52Wie lasse ich den Leser wissen, das Tom dunkelbraune, halblange Haare und grüne Augen hat, ohne dass er sich im Spiegel betrachtet, oder die Perspektive gewechselt, und er aus Sicht von jemand anderem beschrieben wird?

Tom weiß ja, dass er braune Haare hat. Nur weil er gerade nicht in den Spiegel sieht, kann ich das trotzdem erwähnen. Das kann man dann zum Beispiel auch so einfließen lassen:

ZitatTom fuhr sich durchs Haar. Er hatte die dunkelbraunen Locken seines Vaters geerbt und nichts sonst, aber das war für seine Mutter genug gewesen, um ihn zu hassen. Sein Vater hatte seine Haare immer lang getragen. Er redete sich ein, dass er nicht nur deshalb zum Rasierer griff, sobald sie ihm bis über die Augenbrauen fielen. Aber vielleicht tat er es doch deshalb. Wenn sie dann wieder nur wenige Millimeter kurz waren, stachen seine grünen Augen viel stärker hervor, und manchmal kam es ihm vor, als würde seine Mutter ihm aus dem Spiegel entgegen blicken. Er wusste nicht, das schlimmer war, auszusehen wie sein Vater oder seine Mutter, aber es ging ihm besser, seitdem über seinem Waschbecken kein Spiegel mehr hing.

Oder auch viel simpler:

ZitatTom fuhr sich durch sein braunes Haar. Es war mittellang und fiel ihm in den nervigsten Situationen in die Augen. Er war schon viel zu lange nicht mehr beim Friseur gewesen. Dafür war neben all seinem Training einfach keine Zeit gewesen. Die Welt ließ sich nicht davon retten, in einem Friseurstuhl zu sitzen.

Das Aussehen einer Figur hat ja mehr Gründe als nur Genetik. Haarfarbe und Haartextur mögen dadurch vorgegeben sein, aber Entscheidungen und Umstände entscheiden, was eine Person damit macht. Legt meine Figur viel Wert auf ihr Äußeres? Oder eher nicht? Aus welchen Gründen entscheidet sie sich für eine bestimmte Frisur? Wie steht die Figur zu ihrem Äußeren? Was verbindet sie damit? In beiden Beispielen (die ich wirklich nur schnell runtergeschrieben habe, sie sind nicht perfekt) erfahre ich mehr über die Figur als nur ihre Haafarbe. Insofern kann ich jede Aussehensbeschreibung mit mehr als nur nüchternen Informationen über das Aussehen verknüpfen.

Und manchmal kann ich auch einfach sagen, dass sich der Protagonist das braune Haar aus dem Gesicht streicht. Wir müssen es uns nicht immer so schwer machen.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: selkie am 19. Februar 2024, 20:48:15
Seht ihr beim Lesen die Protagonist*innen vor eurem inneren Auge? Ich kann mir das total schwer vorstellen, da ich mir beim Lesen kein Bild von den Charakteren machen kann. Also ich sehe sie nie vor mir, trotzdem finde ich es hilfreich, ein paar Aussehens-Details zu haben, da ich ja dennoch auch ein Gefühl für die Figuren entwickle und das Beschreiben wie auch hier im Thread geschrieben deren Charakterisierung unterstützen kann. Aber ich habe noch nie das, was ich lese, bildlich vor mir sehen können. Ich finde das gerade total faszinierend, weil es für mich vollkommen normal war und ich da nie drüber nachgedacht habe, dass Andere das ganz anders wahrnehmen könnten.  :buch:  Stattdessen entwickle ich eher eine Art inneren Katalog, in dem ich so Sachen wie Haarfarbe, Kleidung etc. abspeichere, ohne es wirklich sehen zu können. Figuren merke ich mir über die Art und Weise, wie sie sprechen, auftreten, Gefühle ausdrücken und die Handlung läuft bei mir auch wie eine Art innerer Film ab, nur ohne Bild.

Aber ich wollte jetzt auch nicht voll vom Thema ablenken. Auf jeden Fall fände ich es auch gut, in den ersten Kapiteln ein bisschen etwas über das Aussehen der verschiedenen Charaktere zu erfahren. Es muss nicht direkt am Anfang sein, und auch nicht alles auf einmal, aber das vielleicht immer mal wieder ein paar Infos eingestreut werden. Persönlich erschlagen mich ausufernde Aussehensbeschreibungen ein bisschen und ich mag es in Büchern lieber, wenn immer mal wieder ein paar Infos erwähnt werden, aber nicht so ein ganzer Katalog auf einmal. Und vielleicht kann man beim Beschreiben statt eines Spiegels auf andere spiegelnde Objekte ausweichen? Natürlich nicht die ganze Zeit, aber vielleicht ein oder zwei Mal? Zum Beispiel könnte sich eine Figur im Fenster sehen, wenn es draußen dunkel ist und das Licht an ist. Oder in der Scheibe eines Zuges, oder in der Brille von jemand Anderem. Da könnte man dann ja nur ein oder zwei kurze Augenblicke beschreiben, wo etwa eine Augenfarbe auffällt oder dass die Haare diese oder jene Farbe haben, nicht sehr viel mehr. Oder, dass der Anzug heute ein wenig zerknittert wirkt oder das Kleid im Neonlicht zu grell leuchtet..
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Badenlebt am 28. Februar 2024, 00:51:27
Zitat von: meeresschreiberin am 19. Februar 2024, 20:48:15Seht ihr beim Lesen die Protagonist*innen vor eurem inneren Auge?
Ja, ich habe tatsächlich sehr detaillierte Bilder der (Haupt-)Charaktere im Kopf. Das geht sogar so weit, dass ich Filme oder Serien von Büchern nicht schauen kann, wenn die Schauspieler optisch oder vom Verhalten bzw. Körpersprache und Mimik zu stark von den Bildern in meinem Kopf abweichen.

Für mich ist es daher wichtig, dass Personenbeschreibungen in einem Roman eher am Anfang präzise sind und später allgemeiner werden, als umgekehrt. Sind sie am Anfang zu wage und werden dann präziser, habe ich schon ein anderes Bild im Kopf, was dann wirklich schwierig wird.
Ähnlich hat es ja auch Schildkröte beschrieben:
Zitat von: Schildkröte am 18. November 2023, 19:53:17je später es wird, desto eher wehrt meine Vorstellungskraft dann die gewünschten Bilder ab.

Was bei mir auch so ein verwandtes Thema ist, sind Ortsbeschreibungen und dabei ganz besonders Himmelsrichtungen. Mir fällt oft auf, dass Richtungen meist erst nicht genau definiert werden und dann kommt im Verlauf einer Szene sowas wie "sie bogen nach links auf die Hauptstraße ab, die sich vor ihnen scheinbar endlos schnurgerade nach Süden zog" – in meinem Kopf waren sie vorher aber nach Osten, nicht nach Westen unterwegs, so dass sich dann die "Karte" in meinem Kopf verknotet...
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Graukranz am 29. Februar 2024, 11:35:02
Zitat von: meeresschreiberin am 19. Februar 2024, 20:48:15Ich finde das gerade total faszinierend, weil es für mich vollkommen normal war und ich da nie drüber nachgedacht habe, dass Andere das ganz anders wahrnehmen könnten.

Das finde ich auch spannend, dass das so unterschiedlich ist. Mir geht es da ziemlich ähnlich wie meeresschreiberin. Ich ,,unterscheide" Figuren viel mehr über den Charakter und weniger über das Aussehen. Gerade habe ich eine Fortsetzungsgeschichte gelesen, bei der ein Charakter im zweiten Buch lange Haare und im dritten kurze hatte (weil er sich der Mode angepasst hat), und dabei gemerkt, dass es für mich total egal war bzw. dass ich es teilweise auch vergessen habe und ihn mir immer noch mit langen Haaren vorgestellt habe.
In der gleichen Geschichte gab es eine Figur, die das Aussehen nach Belieben ändern und auch andere Figuren nach dem Aussehen komplett kopieren konnte – unterscheidbar waren sie dann nur noch nach dem Charakter/der Sprechweise/den Handlungen. Interessant ist, wie Aussehensveränderungen dann beschrieben werden. Nach jeder Wandlung das Aussehen wieder bis ins kleinste Detail zu beschreiben, wäre mir zu viel.

Zitat von: meeresschreiberin am 19. Februar 2024, 20:48:15Und vielleicht kann man beim Beschreiben statt eines Spiegels auf andere spiegelnde Objekte ausweichen? Natürlich nicht die ganze Zeit, aber vielleicht ein oder zwei Mal? Zum Beispiel könnte sich eine Figur im Fenster sehen, wenn es draußen dunkel ist und das Licht an ist. Oder in der Scheibe eines Zuges, oder in der Brille von jemand Anderem.

Ist jetzt vielleicht nicht genau das Thema, aber bei einer personalen Perspektive denke ich bei solchen Beschreibungen oft: Ist das realistisch? Es kann natürlich funktionieren, je nachdem wie es gemacht ist. Mir ist einfach aufgefallen, dass es mich manchmal beim Lesen rausbringt. Also z.B. wenn sich eine Figur im Spiegel sieht oder in einem Fenster und dann steht: ,,Seine blonden Haare fielen ihm bis über die Augenbrauen." Ich habe in einem solchen Moment noch nie über meine Haarfarbe nachgedacht, höchstens über die Haarlänge. Aber vielleicht geht das euch ja ganz anders?

Zitat von: Badenlebt am 28. Februar 2024, 00:51:27Was bei mir auch so ein verwandtes Thema ist, sind Ortsbeschreibungen und dabei ganz besonders Himmelsrichtungen. Mir fällt oft auf, dass Richtungen meist erst nicht genau definiert werden und dann kommt im Verlauf einer Szene sowas wie "sie bogen nach links auf die Hauptstraße ab, die sich vor ihnen scheinbar endlos schnurgerade nach Süden zog" – in meinem Kopf waren sie vorher aber nach Osten, nicht nach Westen unterwegs, so dass sich dann die "Karte" in meinem Kopf verknotet...

Spannend, geht mir auch so. Dann hilft es, wenn am Anfang des Buches eine Karte vorhanden ist, auf der man sich zurechtfinden kann. Oder wenn die wichtigen/entscheidenden Dinge, auf die der Autor/die Autorin Wert legt, eben am Anfang der Szene klar beschrieben werden, und nicht erst nach einigen Seiten.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Leelo am 15. März 2024, 02:53:37
Zitat von: Graukranz am 29. Februar 2024, 11:35:02Ist jetzt vielleicht nicht genau das Thema, aber bei einer personalen Perspektive denke ich bei solchen Beschreibungen oft: Ist das realistisch? Es kann natürlich funktionieren, je nachdem wie es gemacht ist. Mir ist einfach aufgefallen, dass es mich manchmal beim Lesen rausbringt. Also z.B. wenn sich eine Figur im Spiegel sieht oder in einem Fenster und dann steht: ,,Seine blonden Haare fielen ihm bis über die Augenbrauen." Ich habe in einem solchen Moment noch nie über meine Haarfarbe nachgedacht, höchstens über die Haarlänge. Aber vielleicht geht das euch ja ganz anders?


Ich finde solche Perspektivbrüche auch schwierig zu lesen... In der Ersten Person noch viel mehr als in der Dritten Person. Denn die Perspektivfigur bestimmt ja die Wahrnehmung, nur was dieser auffällt und ihr in diesem Zusammenhang durch den Kopf geht, sollte da stehen.

Eine "Spiegelszene", in der eine Person ihre ganze Erscheinung beschreibt, finde ich deshalb grundsätzlich störend.
Beim Schreiben überlege ich mir dann: Wann fallen mir meine eigenen spezifischen Merkmale aktiv auf? Die Länge meiner Haare vielleicht wenn sie mich stören - und ich denke, dass ich sie mal wieder schneiden sollte. Oder wenn ich grübelnd vor den Tasten sitze und mir beim Nachdenken durch die Haare fahre - die gerade die perfekte Länge haben, um reinzugreifen, die Faust um ein Büschel zu schliessen und daran zu ziehen. ;) Über meine Augen denke ich vielleicht nach, wenn ich ein Foto meiner Tochter und mir anschaue - immer noch schräg die Vorstellung, dass da ein kleines Wesen mit denselben blauen Augen rumläuft, wie ich sie habe! Oder ich sehe jemanden wieder, den ich einige Jahre nicht gesehen habe und mir fallen die Jahre auf, die sich um dessen Augen abzeichnen. Und ich frage mich, ob ich auch so viel älter geworden bin, ob mein Lachen immer noch so strahlt, wie früher immer alle behauptet haben...

Ich finde, es gibt viele Wege, Aussehen "organisch" in einen Text einfliessen zu lassen. Obwohl es relativ früh sein sollte, darf sich meiner Meinung nach das Aussehen über einige Seiten hinweg aufbauen. Hier und da eingestreut und vor allem mit Handlung verbunden - so kann ich es mir als Leserin auch besser merken. Infodump-Aussehensbeschreibungen sind für mich auch immer sehr nichtssagend - und ich vergesse das alles ganz schnell wieder.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Guddy am 18. März 2024, 10:18:50
Thema Spiegelszene:
Ich finde es total realistisch, denn als visueller Mensch, dem Ästhetik sehr wichtig ist, denke ich oft über das aussehen sowohl von mir, als auch anderen Leuten nach bzw vielmehr, ich gucke bewusst an.
Leider trifft mein eigenes Aussehen nicht meinem Sinn für Ästhetik,aber das fließt dann eben auch entsprechend in die Gedanken mit ein.

Dass das nicht allen so geht, ist mir durchaus bewusst, darum würde ich auch nicht aus der Perspektive eines*r jeden Protagonist*in so schreiben. Aber dass es Protas gibt, die sich über den Spiegel bewusst sehen, finde ich sehr realistisch.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Sparks am 25. März 2024, 21:10:47
Zitat von: Graukranz am 29. Februar 2024, 11:35:02Ist jetzt vielleicht nicht genau das Thema, aber bei einer personalen Perspektive denke ich bei solchen Beschreibungen oft: Ist das realistisch? Es kann natürlich funktionieren, je nachdem wie es gemacht ist. Mir ist einfach aufgefallen, dass es mich manchmal beim Lesen rausbringt. Also z.B. wenn sich eine Figur im Spiegel sieht oder in einem Fenster und dann steht: ,,Seine blonden Haare fielen ihm bis über die Augenbrauen." Ich habe in einem solchen Moment noch nie über meine Haarfarbe nachgedacht, höchstens über die Haarlänge. Aber vielleicht geht das euch ja ganz anders?

Das ist ein Punkt, wo eben sehr viel vom konkreten Betrachter abhängt. Ich habe, ausser einenm halbblinden Rasierspiegel von knapp über DIN A4 Größe an meinem Badezimmerschränkchen, überhaupt keinen Spiegel. Das haben vor über 30 Jahren schon Leute so merkwürdig gefunden, dass sie mich verdächtigten, ein Vampir zu sein.  ;D

Entsprechend selten schau ich in einen Spiegel, und im allgemeinen auch nur, um beim Rasieren keine Stelle zu vergessen.
Meistens denke ich mir auch nichts kompliziertes dabei.

Aber ich weiss, dass es vielen Leuten ganz anders ergeht.....

Insofern ist die Überlegung "Ist das realistisch?" eher die Überlegung "Passt das zur beschriebenen Person?" Und hier hängt die Antwort eben an der beschriebenen Person.

Du musst Dich halt irgendwie darauf verlassen, dass die meisten Leser sich diese Situation bei dem beschriebenen Charakter schlüssig vorstellen können,
selbst wenn sie selber anders reagieren würden. Und ich denke, wenn Charakter und Situation zusammenpasssen, wird das bei den meisten Lesern funktionieren.
Titel: Re: Aussehensbeschreibungen
Beitrag von: Sparks am 25. März 2024, 21:43:09

Zitat von: Czara Niyaha am 27. Oktober 2023, 18:54:52Muss eine Charakterbeschreibung immer "vom Kopf bis zu den Zehenspitzen" detailliert beschrieben sein?

Natürlich nicht. Bei Nebenfiguren langt es oft, nur eine grobe charakterisierende Beschreibung zu haben:
"Der Wirt der Herberge, ein immens dicker Mann mit langen, dünnen, fettigen, grauen Haaren und fleckiger Kochjacke schaute sie verschlagen an."
Das sollte langen, um eine schlechte Meinung von ihm zu bekommen.  ;)

Zitat von: Czara Niyaha am 27. Oktober 2023, 18:54:52Nach wieviel Seiten habt ihr das erste Bild eines Charakters vor Augen, und wie lange dauert es ungefähr, bis sich das gefestigt hat?

Das erste (unscharfe) Bild eines Charakters habe ich, sobald ich den ersten Informationszipfel habe.
Es festigt (schärft) sich mit mehr Informationen und wenn sich daran nichts mehr verändert.
Letzteres führt zum nächsten Punkt:

Zitat von: Czara Niyaha am 27. Oktober 2023, 18:54:52Würdet ihr einem Autor/in verzeihen, wenn das optische Bild des Hauptcharakters erst in späteren Kapiteln fertiggestellt ist? Falls ja, bis wann sollte sich das Aussehen spätestens geklärt haben?

Wenn, z.B. bei einer Heldenreise sich der Charakter ständig weiterentwickelt, so wäre es vermutlich oft passend, wenn sich das auch in seinem Aussehen wieder spiegelt. z.B. das jemand, der immer mehr dem Alkohol verfällt, zunehmend unscharf spricht und auch heruntergekommener und verwahrloster aussieht. In diesem Zusammenhang könnte der Reiz unter anderem darin liegen, dass sich mein Bild des Charakters eben auch die ganze Zeit ändert, und das kann durchaus bis ins letzte Kapitel gehen.

Hängt etwas daran, was Du für ein Puplikum hast.....