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Schreibermarotten

Begonnen von Sprotte, 28. Oktober 2014, 01:00:25

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Sprotte

In einem TiNo-Battle entdeckten @traumfängerin und ich, daß wir zu vergleichbaren Marotten beim Schreiben neigen. Unter Marotten verstehe ich Angewohnheiten, derer wir uns vielleicht (noch) nicht bewußt sind, die aber typisch für uns sind und dazu führen, daß Betaleser uns streng auf die Finger klopfen.

Ich fange mal mit meinen "Paladinen" an. Die tragen ihren Namen, weil Nycra sie mir gnadenlos an den Kopf geworfen hat, als ich bei "Cajan" damit übertrieb, begriffsstutzige Leser darauf hinzuweisen, warum mein Held ein Paladin ist. Einmal erklärt für alle Leser, zwei Seiten später zur Sicherheit für begriffsstutzige Leser noch einmal erklärt. Vier Seiten später ... ich könnte ja dumme Leser haben, näch? Und dann noch ein paar Mal für die ganz dummen Leser. Wobei das Ganze, denke ich, eher unbewußt oder dank meiner eigenen Vergeßlichkeit (oder meiner Verliebheit in die Formulierungen und meinen Helden?) einfach in den Text gehuscht sein könnte.

Habt Ihr ähnliche Marotten, auf die ihr achtet? Oder deren Existenz Euch jetzt gerade erst auffällt? Wann und wie merzt ihr so etwas aus?

Lucien

Ich habe bei mir festgestellt, dass ich dazu neige, bestimmte Formulierungen zu verwenden, bis mir auffällt, dass es sich häuft. Dann suche ich nach anderen ... die ich dann ebenso gehäuft benutze und wieder eine Alternative suche.  ;D Irgendwie fällt es mir schwer, ein ausgewogenes Verhältnis zu finden. Ich geh dann nachträglich hin und mische das etwas besser durch.

Maja

Beim Überarbeiten des "Gefälschten Siegels" bin ich auf eine Häufung von Wörtern, die mit irgend... anfangen, gestoßen. Irgendwer, irgendwas, irgendwo - durch die Bank an Stellen, wo das Wort ersatzlos gestrichen werden konnte. Ab dem Moment habe ich drauf geachtet, und nachdem ich mit dem Überarbeiten durch war, habe ich noch eine Wortteilsuche nach "irgend" gemacht und auf 550 Seiten immer noch 120 Treffer gefunden, von denen ich dann nochmal über die Hälfte gestrichen habe. Das Buch war 2010 und 11 entstanden, und ich bilde mir ein, heute sprachlich besser zu sein ... irgendwie.

Meine inhaltlichen Marotten - wenn ich mich von denen verabschiede, bleibt irgendwie nicht viel von meinen Büchern übrig. Man kann die Uhr danach stellen, dass sich meine Hauptfiguren früher oder später betrinken, wofür ich ihnen, freundlich wie ich bin, deutlich mehr Platz in meinen Romanen einräume als für Sex. Ich meine, ehrlich, wer will Bücher lesen über Leute, die Sex haben, wenn sie sich ebensogut die Kante geben können? Ich schreibe nun mal die Bücher, die ich selbst gerne lesen würde, und dann ist es mir lieber, die Leser spekulieren über meinen Alkoholkonsum als über mein Sexualleben. Das eine ist doch eine ziemlich private Sache, das andere macht immer Spaß.

Ich denke, meine Bücher sind nur eine Aneinanderreihung meiner Marotten. Und ich finde nicht, dass Marotten per se etwas Negatives sind. Wenn sie nerven - weil man etwas zu oft betont und wiederholt - ist das etwas anderes, aber grundsätzlich sollte sich ein Autor seine Schrullen erlauben dürfen. Es erhöht den Wiedererkennnugswert - auch wenn man danach nicht mehr zum Ghostwriter taugt, weil man sich zu schnell identifizieren lässt.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Miezekatzemaus

@Sprotte, das mit dem "jetzt noch schnell eine zehnte Erklärung, falls es jemand immer noch nicht verstanden hat" kenne ich.

Meine inhaltlichen Marotten beziehen sich vor allem darauf, dass ich mich ständig in inneren Monologen verliere. Ich weiß zwar hinterher genau, was ich ausdrücken wollte und finde die Stellen toll, aber tut euch mal zehn Seiten meiner inneren Monologe an, dann wisst ihr, warum ich das als Marotte bezeichne. :rofl:
Sprachliche Marotten sind bei mir Schachtelsätze und betonte Wortwiederholungen, sprich, Wiederholungen eines Wortes, um die Situation für den Leser zu verdeutlichen. "Stille. Schwärze. Es war still und schwarz. Ich mochte keine Stille und ich mochte kein Schwarz. Ich überarbeite gerade einen Roman und habe einige Stellen, die so aussahen, dass in fünf Sätzen achtmal eine Form von etwas vorkam, gnadenlos gestrichen.
Leider sind immer noch welche drin.

Nycra

Augenbrauen. Ganz eindeutig braucht ein gutes Buch Augenbrauen, die sich heben, die dicht zusammengeschoben werden oder wackeln. Ich kann nicht anders. Irgendwann - vermutlich dank des ersten Höllenjobs - hab ich mir das angewöhnt. Inzwischen versuche ich es, zu vermeiden, aber mein Alphamännchen hat noch sehr häufig diese Marotte, weil es meiner Meinung nach einfach eine coole Socke ausmacht, wenn er nur fragend eine Braue hebt und überheblich guckt.  :d'oh:

Robin

Ich neige dazu zu schwallern. Meine Figuren plappern und plappern, und es wird zum Infodump. Und nicht mal außerhalb der Dialoge wird es mit dem Infodump besser. :versteck: Ich habe immer Sorge, dass ich nicht genug beschreibe, und das artet dann in Infolawine um Infolawine aus...
~Work in Progress~

Ary

Nycra, ich stimme dir zu, keine coole Heldensau ohne Augenbrauen.

Meine Lieblingsmarotte wurde von Sprotte "Cicero" getauft, weil ich manchmal dazu neige, ciceronische Rhetorikstilmittel in meinen Texten zu benutzen, und das oft ein wenig zu viel. Wortwiederholungen bei Steigerungen zum Beispiel, die meist ersatzlos fliegen können. Da ich das aber als zu meinem Stil gehörig zähle, fliegen nicht alle Ciceros. Nur ein paar.

Manchmal neige ich wie Sprotte auch zu Paladinen und erkläre einfach zu viel oder streue immer denselben Hinweis zu oft.

Inhaltliche Marotten habe ich auch, irgendwer ist bei mir fast immer homosexuell, irgendwer fast immer in irgendeiner Weise traumatisiert. Ich mag meine kaputten Typen. Und ich habe immer zu wenig Frauen in meinen Büchern. Mal sehen,ob ich das im nano mal ändern kann.

Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

yvilis

Nycra: Du hast recht. Augenbrauen können so manches leisten  :rofl: ... wenn ich nicht weiß, wie ich eine gewisse Mimik beschreiben soll, wird erst einmal ne Augenbraue hochgezogen  ;D

Und genau wie Sprotte erwische ich mich dabei, Dinge mehr als einmal zu erklären ... alles komische Marotten, aber wie ich sehe, bin ich nicht die Einzige  :)


Sprotte

Wie bei allem bin ich überzeugt, daß die Dosis das Gift macht.  :vibes:

Gewisse Muster und Gesetzmäßigkeiten (Majas wiederkehrende Figurenbesäufnisse oder Arys kaputte Typen z.B., ich biete die Ameisenstraße meiner Helden) sind ja Erkennungsmerkmal eines Autors. Solange sie nicht mit dem Holzhammer kommen. 

Lieblingswörter wie Majas "irgends" kenn ich aber auch. Manchmal fällt es mir alleine auf, ein anderes Mal stupsen mich Betaleser. Ich hatte eine Zeitlang die Regelrecht-Phase. Mittlerweile passe ich wie ein Schießhund auf die Regelrechts auf:
"Sie quetschte sich regelrecht an den Männern vorbei, flog den Flur regelrecht entlang und warf sich regelrecht neben dem Verletzten auf die Knie." Ja, klasse, Sprotte, ganz große Klasse! Das habe ich tatsächlich geschrieben und glücklicherweise bei genau diesem Satz gemerkt.

Nuya

Ich finde, diese Frage lässt sich viel leichter von Betalesern beantworten, als von einem selbst. :versteck: Ich hab sicher Marotten, nur welche das sind, da kapituliert gerade mein Hirn, sich dem entgegen zu stellen. ;D

HauntingWitch

Bisher sind mir nur zwei Dinge an mir selber aufgefallen. Erstens neige ich dazu, in Dialogen abzuschweifen und lande letztendlich gar nicht da, wo ich eigentlich hin wollte. Das erledige ich dann immer bei der Überarbeitung. Was ich brauchen kann, lasse ich stehen, den Rest streiche und schreibe ihn so neu, dass er zum Ziel führt.

Ausserdem entfallen mir oft Beschreibungen von Haar- und Augenfarbe, obwohl ich als Leserin ja so viel Wert auf solche Grundinformationen lege. Beim Schreiben vergesse ich es aber gerne, weil ich immer ein genaues Bild meiner Charaktere im Kopf habe. Dafür habe ich leider noch keine Lösung gefunden.

Ary

Schlimmer ist wohl, was mir passiert - ich vergesse Haar-und Augenfarbe in der Hinsicht, dass ich mich gerade nach längeren Schreibpausen nicht mehr erinnere, wie die Farben denn nun waren. Da hilft wirklich nur eine Personenliste mit Kurzbeschreibungen.
Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

Churke

Ich kann nicht ernst bleiben. Das Lektorat hingegen schon, und lektoriert die Gags knallhart raus.  :'(

Zit

Ich habe während eines NaNos die Angewohnheit entwickelt, mit meinen Figuren zu diskutieren (in Dialogform), hämische Bemerkungen in Kommata einzufügen, wo meine Charaktere mal wieder vor Intelligenz glänzen oder ähnlich eines Bewusstseinsstroms vor mich hin zu plotten, wenn ich nicht sofort weiter weiß. Dafür schreibe ich manchmal aber auch einfach Zusammenfassungen, wenn sich ein Dialog oder eine Szene gerade nicht so schreiben lassen wollen wie ich es gern hätte.
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Siara

Inhaltlich sind mein Problem auf jeden Fall die enormen Hintergrundgeschichten, die natürlich zum Verständnis der Hauptgeschichte zwingend notwendig werden. Das Ganze dann interessant unterzubringen und nicht aus der Luft gegriffen wirken zu lassen ist manchmal ganz einfach nicht möglich. Ich sollte dringend mal anfangen, mir simplere Hintergründe zu stricken. Zumal ich manchmal wichtige Zusammenhänge nur grob andeute, sodass man sich alles selbst zusammenpuzzeln muss. Stellenweise mag das ja funktionieren, aber über den ganzen Roman verteilt ist es nicht sonderlich elegant.

Schlimm wird es, wenn ich gerade in einem fremden Buch einen tollen Schreibstil entdecke - besonders, wenn es noch ein eher ungewöhnlicher ist. Dann wird der begeistert angewendet und ich verpasse dem aktuellen Projekt einen heftigen Bruch in der Sprache. Das Gleiche passiert auch bei den Überarbeitungen, was sogar noch ein wenig nervtötender ist.

Zusammengefasst: Ein Hoch auf die Betas! :prost:
I'm going to stand outside. So if anyone asks, I'm outstanding.