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Der Showdown

Begonnen von Artemis, 26. Mai 2011, 20:49:03

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Artemis

Ja, ich gestehe: Ich erwische mich immer wieder dabei. Man baut über hunderte von Seiten Spannung auf, häuft Geheimnis auf Geheimnis, führt akribisch seinen Prota- und Antagonisten ein, gibt ihnen Hintergründe, Motivationen, Sympathien mit, lässt sie die Handlung über aufeinander zusteuern und den Helden hoch motiviert voranstürmen, hinein ins Versteck des Bösen. Bis ... ja, bis sie sich im finalen, alles entscheidenden Showdown Auge in Auge gegenüberstehen.

Und labern.

Kennt ihr das auch? Es gibt ja so viel zu erzählen: Der Antagonist, der seine Beweggründe beteuert und die letzten Geheimnisse ausplaudert. Der Held, der plötzlich in die Gewissensfrage stürzt und/oder seine Hasstiraden herausschmettert. Und man selbst sitzt da als Autor, fühlt sich wie ein Moderator in einer ganz miesen Talkshow und ist kurz davor, die Kaffeemaschine anzuwerfen und den beiden Kontrahenten erst mal ein Käffchen mit Keksen zu bringen.
Die Sache kann ja länger dauern.
Und den beiden soll es bei ihrem Kaffeekränzchen ja an nichts mangeln.

Ich selber stolpere immer wieder darüber, dass meine Gegner erst mal eine Runde Palavern, ehe sie sich an die Gurgel gehen. Völlig unrealistisch, völlig dämlich. Aber wie kommt es rüber, wenn der Held einfach den Anta hinterrücks über den Haufen schießt, ohne sich einen Pfifferling um dessen Gedanken zu kümmern? So frei nach dem Motto: Hauptsache weg mit ihm? Wirklich heldenhalft ist das ja nicht gerade  :rofl:

Eluned

Das stimmt, wenn der Held einfach hinterrücks so etwas tut, ist er ja kein Held mehr, oder?
Ich müsste meine Geschichten daraufhin mal prüfen, aber ich glaube meine Helden reden nicht ganz so viel beim letzten, entscheidenden Höhepunkt. Wobei ich da auch unterscheide, zwischen einem Handlungs-Höhepunkt und einem Mentalen-Höhepunkt. Die gibt es nämlich auch, jedenfalls bei mir. Und da finde ich manch einen Wortwechsel auch wichtig. Trotzdem, versuche ich die Dialoge unterschwellig sein zu lassen. Also nicht das Offensichtliche, sondern versteckt das, um was es eigentlich geht. Eben durch die Blume, geradewegs ins Auge/Ohr. 
Gruß Eluned

Kraehe

Das gibt es doch in genug Büchern. Und man denkt sich dann dezent 'jetzt mach halt mal, ich will heute noch das Gute siegen sehen' oder sonstwas ;D
Ich habe tendenziell auch darauf zu achten, dass die nicht zu viel vor sich hin plaudern. Am lächerlichsten finde ich es ja in Filmen, wenn dann der Böse nochmal entkommt, nur weil der Gute zu viel geplaudert hat - oder andersrum. Ab solchen Punkten mag ich dann Hauptdarsteller nicht mehr, weil sie nur noch aus einer Laune des Bösewichts heraus noch leben.
Aber andererseits: Manche Dinge muss man auch irgendwie aufdecken. Und die Gegenfrage ist doch: darf nicht ein wenig Theatralik mit rein?
Natürlich, es muss realistisch bleiben. Aber man schreibt etwas und dadurch ist es schon irgendwie gestellt. Man achtet ja auch optimalerweise auf Spannungsaufbau, darauf, wann was passiert und solche Dinge.
Insofern: es soll ja auch nicht alles ganz zu schnell gehen beim Showdown. Nur finde ich, man muss es im Rahmen halten. Damit es nicht ausartet. Und man muss die Balance finden, sodass alles noch irgendiwe realistisch vorstellbar ist und den Leser nicht erstmal :d'oh: die Hand an den Kopf schlagen lässt...
Ich stelle es mir doch auch langweilig vor, wenn Dialoge ganz rausfallen. Aber wenn die Kontrahenten sich etwas an den Kopf werfen - kurz und prägnant - während sie sich die Schädel einzuhauen versuchen, dann ist das tragbar, denke ich.
(Und Kekse kann man ja trotzdem irgendwo bereitstellen ;D )

Erdbeere

Ich versuche das so zu umgehen, dass ich die Beweggründe des Antagonisten dem Protagonisten schon vor dem Showdown mitteile, etwa indem ich die beiden aufeinander prallen lasse und sie sich einen ersten Vorgeschmack auf das Finale holen, z.B. in einer Prügelei oder banalen Gegenüberstellung, bei der der Prota dann entkommt.

Am liebsten schreibe ich handlungsbetonte Showdowns. Einfach dastehen und sich anbrüllen ist nicht. Da wird geflucht und geballert/gekämpft was das Zeug hält, die Umgebung am liebsten noch mit demoliert und Prota und Anta liefern sich dabei ein Wortgefecht. Im Finale soll sich schliesslich alles entladen: Hass, Konflikte, Zweifel, Gerechtigkeitsgefühl, you name it. Am Ende bleibt nur einer übrig, je nach Ende der Gute oder der Böse. Und garantiert ist danach nichts mehr wie vorher.

Hm, hab ich schon erwähnt, dass ich Action und Splatter mag?   :darth:

Churke

Das Austauschen von Unhöflichkeiten ist eine Sache. Wenn aber im Showdown große Reden geschwungen werden müssen, um irgendetwas zu erklären, werte ich das als Indiz für Konstrutionsmängel im Plot.

Zitat von: Eluned am 26. Mai 2011, 21:01:34
Das stimmt, wenn der Held einfach hinterrücks so etwas tut, ist er ja kein Held mehr, oder?
In Filmen wird das oft als Vehikel eingesetzt, damit der Held in Notwehr handelt und mit weißer Weste da steht. Absolut dämlich.


Shin

Hach, das kenne ich, da laden sich die Gegner gegenseitig noch zum Kaffeplausch ein, Anekdoten werden erzählt und nebenbei fällt einem ein, dass man ja eigentlich Kämpfen müsste und schnell werden die Kaffekännchen versteckt, als wäre nie etwas gewesen.
Ganz dämlich ist wirklich der Bösewicht, der den Held schon gefangen hat und dann seine halbe Lebensgeschichte erzählt! Da denke ich mir manchmal wirklich nur: Verreck doch!  :wums:
Lieber ein Held ehrenhaft gestorben, als durch solche Lapalien wieder frei zu Kommen.

Tja und wie das Problem lösen?
Prota und Anta haben ja nicht nur im Showdown miteinander zu tun. Vorher kurzes Antreffen, indem vielleicht immer ein kleines Stücken aufgelöst wird.
Oder aber beim Showdown erst mal eine hübsche Kampfszene, dann sind Beide angeschlagen, verletzt, schreien sich wieder an, die Vorwürfe rollen und nachdem der ganze Frust in Rechtfertigungen für sein Handeln rausgeschrieen sind, kommt der finale Schlag.
Eine 'Pauschallösung' gibt es nicht. Nicht jeder Bösewicht redet gerne.
"Sometimes all I'm ever doing is trying to convince myself I'm alive."
- Daisy The Great
"It's OK, I wouldn't remember me either."         
- Crywank           

Dealein

Naja, bei mir kommt es auch zum Showdown, aber das Gerede ist nicht unbegründet. Das Gerede des "Bösen" sorgt dafür, dass meine Prota an allem beginnt zu Zweifeln und ihn am Ende doch nicht tötet, obwohl das jeder von ihr erwartet und es auch jeder so will.

Spinnenkind

Ich würde es ähnlich sehen wie Churke. Wenn beim Showdown noch so viel erklärt werden muss, macht das auf mich immer den Eindruck, als wäre der Plot mangelhaft konstruiert, so wie das in schlechten Filmen ganz gerne mal gemacht wird.

Indizien, letzte Geheimnisse aufdecken und der ganze Kram sollten vorher, am besten auf anderen Ebenen geschehen, durch andere Charaktere (oftmals gibt es in Romanen ja eine Art "Unterbösewicht", der eine erklärende Funktion einnimmt und den man überwinden muss, damit es dann zum Endboss weitergeht), gefundene Hinweise etc.

Die Frage ist dann nur: Wie füllt man einen Showdown sinnvoll aus?
Meist ist es ja so, dass der Antagonist für den Prota bislang eher unerreichbar war (sonst hätte er ihn ja vorher schon umgebracht), weswegen allein schon die Beschreibung dieser ersten hautnahen Begegnung Seiten füllen kann. Natürlich können noch überraschende Dinge über den Anta aufgedeckt werden, aber auf subtile Art und Weise, durch Hinweise in seiner Umgebung etc. (Show, don't tell und so).

Und naja, ein bisschen palavern wird man auch noch dürfen ;D Ganz schlimm finde ich nur die klassischen Showdown-Dialoge, die sich nach dem Schema abspielen:
Prota: "*hineinstürm* /Hier bitte Namen des Antas einsetzen/!"
Anta: "*Sich auf seinem Drehstuhl umdreh, die im Arm liegende Katze streichel* /Hier Name des Protas einsetzen/, ich wusste, du würdest kommen. Mein diabolischer Plan ist aufgegangen, denn der war.../Hier diabolischen Plan einsetzen/"
Prota: "Aber wie konntest du...?"
Anta: "Du hast wohl nicht bedacht, dass.../Weiterführung diabolischer Plan/."
Prota: "Du Schuft! Dafür stirbst du!"

...schade, das hat Spaß gemacht ;D Ihr wisst schon, was ich meine.

Antonia Assmann

Hallo Artemis,

ich habe gerade ziemlich breit grinsen müssen, denn ich fühlte mich ertappt. Selbstverständlich habe ich geplant, die Beweggründe der einzelnen ist klar, dem Leser eigentlich auch, doch ein paar Geheimnisse wabern noch durch den Raum und die will ich "aufgeräumt" haben, bevor ich mich als Autor zurücklehen und "Ende" schreibe...
Genau das ist das Problem und ich finde mich auch in einem Art Kaffeekränzchen wieder.
Ich habe die letzten Male einfach niemanden in seinem Gespräch gestört und abgewartet. Ich dachte mir, das, was dann einfach zuviel Gequatsche ist lösche ich raus, oder kürze ich rapide.
Und weißt Du, was passiert ist? Mein Bösewicht holt aus, um dem Helden mal so richtig zu erklären wie genial er ist und wie wunderbar sein Plan ausgegangen ist und mein Held faucht ihn an "Das wissen wir doch schon alle, jetzt fang endlich an zu kämpfen, du Maulheld." Da war ich baff. Kein langes Geschwafel und mein Bösewicht hatte noch einen Grund zum böse sein, er hört sich nämlich gerne reden...  ;D

Aber insgesamt kenne ich das Problem nur zu gut und wenn es nicht übertrieben, oder Seitenweise geht, bin ich keinem Hauptdarsteller böse, wenn er noch was sagen möchte, bevor er sich in das Finale begibt. Man hat sie ja lieb gewonnen, beide, als Leser wie als Schreiber. Da dürfen sie gerne noch ein wenig erzählen!

Liebe Grüße
Antonia :winke:

Artemis

#9
Zitat von: Antonia am 27. Mai 2011, 07:04:26
mein Bösewicht hatte noch einen Grund zum böse sein, er hört sich nämlich gerne reden...  ;D

Dieses übergroße Selbstbewusstsein scheint eine chronische Krankheit bei vielen Antagonisten zu sein, oder?  :rofl: Die hören sich immer so gern reden, dass ich mich frage, warum die in ihrer Welt nicht scharenweise Autobiographien rausbringen, die sie ihrem gegeißelten Fußlecker diktieren, während sie Trauben lutschten und Handlanger auspeitschen lassen  ::)
(Ok, ich kann es aber auch nachvollziehen - wenn ich mein Leben damit verbringe, finstere Pläne auszuhecken, die dann von irgendeinem dahergelaufen Heini durchkreuzt werden, wäre ich in meiner Ehre auch verletzt. So'n toller Plan, in kürzester Zeit futsch. Dann soll wenigstens der arme Held in allen Details erfahren, welchen wunderbaren Weltuntergang er gerade vermasselt hat  ;D )


@ Churke und Spinnenkind:
In dem Punkt habt ihr Recht, ohne Zweifel. Gelaber am Ende zeugt irgendwie davon, dass man es versäumt hat, genau diese Information schon vorher einzubetten.Aus dem Grund muss ich euch auch gerade mal knutschen: Mir ist erst jetzt bewusst geworden, dass ich bei einem Charakter übelst viel Potential verschenkt habe, eben weil ich alle fiesen kleinen Geheimnisse bis zum Schluss aufhebe. Da weiß ich endlich, wo ich die Schere ansetzen muss  :vibes:


Ach ja, ein gutes Beispiel für solche "Schnauze, Schurke"-Szenen ist Fable 2. Man steht dem Endboss zu dritt gegenüber, und während der gerade zu einem Monolog seiner Genialität ausholt, zieht der Held die Knarre und *peng*, wars das mit dem Schurken. Einfach so. Ich muss gestehen, ich saß eine Minute mit offenem Mund da  :hmhm?: Hatte aber eine verdammte Coolness ^^

Grey

Man kann den Showdown ja auch ganz weglassen, dann regen sich halt alle darüber auf und wollen, dass du es als Bonusmaterial bringst. 8)

Ich choreografiere meine Showdowns immer durch, wer wann was macht etc.
Das klappt ganz gut, allerdings habe ich sowieso das Problem, tendenziell eher zu verknappt zu schreiben und zu wenig zu erklären. Das muss ich sowieso immer in der Überarbeitung einfügen, und dann finde ich meist auch Stellen dafür, die nicht gerade der Showdown sind. ;)

Erdbeere

Ich finde plotten ja schon schwierig, wie soll ich da einen Showdown choreografieren? Ich lasse meinen Protas und Antas lieber freie Hand - aber labern dürfen sie bei mir auch nicht. Dass da was mit dem Plot an sich nicht stimmt, wenn man am Ende alles erklären muss, darauf bin ich noch nicht gekommen - Betriebsblindheit? Danke für den Hinweis. Ich werde mich hüten.  :jau:

Sven

Ich denke auch, dass der Plot so konstruiert sein sollte, dass der Showdown unabdingbar ist. In dem Fall gibt es dann nichts mehr zu klären. Die Fronten sind klar, jetzt geht es nur noch darum, wer siegt. Für Gespräche ist hier kein (kaum noch) Platz. Die Luft endlädt sich durch ein Gewitter mit viel Sturm. Wer fängt da schon an zu philosophieren?  ;)

Etwas anders stellt es sich dar, wenn sich die Handlungsstränge zu einem Knoten verdichtet haben, der im Showdown gelöst werden soll. Dann steht nicht der Kampf im Mittelpunkt, sondern das Aufklären von Geheimnissen. Da kommt es dann auf eine schlüssige Auflösung an und meist auf gute Dialoge.



Beste Grüße,
Sven

zDatze

Oh, öhm ... Showdown ... da war doch was.

Ich habe bisher festgestellt, dass mir der Showdown gar nicht leicht von der Hand will. Meistens vergeige ich ihn in der Rohfassung gnadenlos. ::)
Das liegt zwar nicht am Herumlabern, da es bei mir eher in die andere Richtung geht: Ich würge ab. Meine Protas, die Handlung, das darauffolgende Ende. Aber wenn man das erstmal das Problem erkannt hat, kann man ja was dagegen machen. Genauso wie beim Rumlabern.

Den Tipp mit dem Unterbösewicht finde ich ziemlich gut. Dann gibt es ein kleines Vorfinale und das Geplausche stört wohl auch nicht so sehr, als wenn der Oberbösewicht seinen ach so genialen Plan in voller Breite auswälzt. ;D

Erdbeere

Gibt es eigentlich verschiedene Kategorien für Showdowns? So wie: "Das ist jetzt ein klassischer Western-Showdown" und solche Sachen eben.