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Opfer bringen für eine gute Geschichte

Begonnen von Alana, 11. April 2011, 21:40:39

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RubinaGela

Wenn ich etwas streichen muß (weil ich es überflüssig, fehl am Platz oder sonstwas finde), parke ich erst mal zwischen. Dafür habe ich mir eine Datei "Beiseite" eingerichtet, wo solche Elemente gesammelt werden. Das tut dann nicht so weh...

... und steht auf der anderen Seite noch zur Verfügung. Es ist nämlich auch schon vorgekommen, daß ich eine Szene - irgendwo anders, wo sie dann auch besser paßte - wieder hervorgekramt habe. Da war ich ganz schön froh, daß ich sie nicht endgültig gelöscht hatte.

Zitat von: Sven am 12. April 2011, 15:18:22
Man vergisst auch schnell, dass der Leser sich langweilt, wenn man alles vor ihm ausbreitet. Dass der Leser sich auch mal selbst ein Bild machen möchte.
Dieser Meinung bin ich auch. Dinge nur anzudeuten, Szenen im richtigen Moment abbrechen lassen, Details so behutsam einsetzen, wie ein Koch seine Gewürze - dann springt automatisch das Kopfkino an.

der Rabe

Ich nehme das Thema noch einmal auf, auch wenn es schon viele Hinweise gab. Aber mich interessiert noch einmal, wie ihr das macht...


Ich bin gerade dabei, mein Romanmonster* durchzuplotten, soll heißen, ich versuche zur Zeit eine gewisse Struktur, in den ersten Teil davon reinzubekommen. Ich habe mir als erstes eine zeitliche Übersicht für die Handlung gemacht, die ich bereits hatte, und dabei mit Erschrecken festgestellt, dass ich auf mindestens 800 Seiten komme, wenn ich für jeden Abschnitt, nur 100 Seiten ansetze. Womit ich noch sehr sparsam wäre.

Mein Problem ist jetzt, was ich damit anfangen soll. Ich weiß, an einigen Episoden hänge ich nur mit meinem Herzblut, weil sie mir gut gefallen, obwohl sie nicht unbedingt plotrelevant sind. Diese könnte ich rausschmeißen, klar. Das ist aber – von meinem Gefühl her – nicht allzu viel.
Hinzu kommt, dass ich es blöd fände, wenn die Zeitsprünge größer als, sagen wir, ein halbes Jahr werden. Ach ja, und was mir noch aufgefallen ist, dass es das einzige Buch in der Reihe ist, das über einen längeren Zeitraum geht, als ein bis zwei Jahre.
Eine Möglichkeit neben dem Kürzen, damit umzugehen, wäre es in zwei Bände zu teilen. Da wüsste ich dann aber wieder nicht, wo ich den Schnitt setzen sollte.


Meine Frage an euch ist, wie geht ihr damit um, wenn ihr in einer Geschichte nicht zu viele Informationen, aber zu viele Ideen und Wörter habt?
Wie radikal könnt ihr rauskürzen?
Und woran stellt ihr fest, dass etwas wichtig oder unwichtig ist?
Oder schreibt ihr erst einmal alles runter und schaut dann, was ihr damit anfangt?

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* Für die, die es noch nicht kennen: Mein Romanmonster besteht inzwischen aus fünf angefangenen Geschichten, die Romanlänge erreichen werden. Der am weitesten geschriebene Teil hat etwa 94.000 Wörter und ist zu etwa 2/3 fertig. Bei den anderen erwarte ich ungefähr die gleiche Wortzahl, oder eben wie jetzt gerade deutlich mehr... :(
Bist du erst unten im Tal angekommen, geht es nur noch bergauf. (C) :rabe:

Franziska

Interessantes Thema. Ich finde es schwierig, da so pauschal etwas zu zu sagen. Ich denke, es kommt immer auf den Roman und den Stil an. Ich habe in meinem ersten Roman glaube ich viele Szenen, die nicht Plotrelevant sind, aber die Charaktere vorstellen, bzw. die Persönlichkeiten verdeutlichen. Heute würde ich so eher nicht mehr schreiben.
Ich finde es auch immer schwer so Sachen zu kürzen, wo das Herz dran hängt. Ich mache es immer so, dass ich bei den ersten Überarbeitungen, die ich während des Schreibens mache, Stellen anstreiche, die ich eventuell kürze. Oder ich mache es auch so, dass ich gleich kürze und die Sachen woanders speicher und wenn ich später nicht das Gefühl habe, dass was fehlt, bleibt es gestrichen. Das ist meistens der Fall. Aber oft sieht man das ja erst im Zusammenhang, wenn der Text fertig ist. Ich hoffe da, dass meine Testleser das besser beurteilen können als ich selbst. Sonst bleibt nur noch der zeitliche Abstand, um es besser zu beurteilen.
Letztlich ist es aber auch eine Geschmacksfrage. Normalerweise mag ich keine endlosen Beschreibungen. Ich will schnell wissen, worum es in einem Text geht und nicht erstmal 100 Seiten über die Waffenkunst von XY lesen. Ein Hauptgrund für mich Bücher zur Seite zu legen. Aber z.B. bei Patrick Rothfuss ist es Programm, dass er Anekdoten aneinanderreiht, die zwar insgesamt einen Plot ergeben, aber man hätte das eine oder andere streichen können. Nur dann wäre es nicht so unterhaltsam gewesen. Aber das muss man erstmal können.
Ich tue mich dabei jedenfalls auch immer sehr schwer, da  die richtigen Stellen zu erwischen, die gestrichen werden sollten.

Ary

Kürzen, mein Alptraum.

ZitatIch denke, es kommt immer auf den Roman und den Stil an. Ich habe in meinem ersten Roman glaube ich viele Szenen, die nicht Plotrelevant sind, aber die Charaktere vorstellen, bzw. die Persönlichkeiten verdeutlichen. Heute würde ich so eher nicht mehr schreiben.

Ich schreibe immer noch so, weil ich die Persönlichkeit der Figuren einfach wichtig finde. Da nicht zu übertreiben fällt mir wahnsinnig schwer, mir hilft da im Grunde nur ein kritischer Betaleser, der mir sagt, wo es noch wichtig ist und wo ich nur noch genüsslich vor mich hin schwalle. Manchmal hilft es, wenn ich mich bei der Ausarbeitung des Charakterhintergrundes schon ein bisschen bremse. Im Moment kürze ich an meinem Homoerotikroman rum, der für wirklich jeden Verlag, der sowas macht, viel (viel. Viel.) zu lang ist, einfach, indem ich die Hintergrundgeschichte einer Nebenfigur zusammenstreiche, weil aus dessen im Moment noch fünfköpfiger Familie eigentlich nur er, seine Frau und ein Sohn wichtig sind. Dann werden aus der Stammbesetzung des Freudenhauses, in dem die Geschichte spielt, mindestens zwei Figuren rausfliegen, eine davon wird dann gleich ein ganzes Kapitel von ca. 20 Seiten mitnehmen. In der Rohfassung las sich das alles so wie es war ganz okay, aber es ist einfach zu lang, einige Szenen passen zu dem eher actionlastigen Tonfall der Geschichte nicht mehr - also raus damit. Da muss man mit sich selbst auch mal streng sein. Herzblutszenen zu streichen tut weh, aber wenn eine Änderung so richtig wehtut und man sich so richtig dagegen sträubt, sie zu machen, dann sollte man sie machen.
Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

Arcor

Ehrlich gesagt weiß ich nicht genau, wie radikal ich kürzen könnte, da es auch mein Alptraum ist.

Ich habe ja auch noch so ein Monster auf meiner Platte, mein Erstling und absolutes Herzprojekt. Drei mal 1000 NS kann man da wohl drauf veranschlagen, wobei nur die ersten beiden Bände geschrieben sind.
Ich weiß, dass das Ding so never ever für einen Verlag interessant ist. Und ich weiß auch von einigen Testlesern, dass es gelegentlich zu lang ist. Im ersten Kapitel des ersten Bandes habe ich mal probehalber geschaut, was alles an Beschreibungen und Ausschmückungen rausfliegen könnte: Etwa 1/10. So viel ist nicht plotrelevant.
Das heißt, ich könnte mindestens 100 NS pro Band rauskürzen, beim 2. vermutlich noch mehr, weil der mehr Längen hat. Aber ob ich das jemals über's Herz bringe, es durchzuziehen, weiß ich noch nicht. Viele der Beschreibungen sind schön, auf die bin ich stolz, und einiges dient für mich einfach dem Weltbau, selbst wenn es nicht plotrelevant ist.  :'(

Ich glaube, ich könnte exzessiv nur mit ganz knallharten Betalesern kürzen, die mir deutlich machen, was notwendig ist und was nicht und gleichzeitig mir meinen Liebling nicht kaputtreden. Das alleine zu schaffen ... sehr schwierig. Vielleicht, wenn ich etwas Abstand gewonnen habe und ich die Schwächen der Story besser rational analysieren kann.

Tendenziell schreibe ich erstmal alles auf, was mir einfällt, und schaue nachher, was ich damit anfange - wobei meine Tendenz dazu geht, vieles davon einzubauen, sodass die Geschichte eher immer weiter wächst, als dass sie kürzer wird.
Not every story is meant to be told.
Some are meant to be kept.


Faye - Finding Paradise

Ryadne

Ich hab meistens eher das Problem, die Handlungen strecken zu müssen - allerdings um die Gefahr, dass dann solche Füllszenen auftauchen, die eigentlich nicht so gut reinpassen.

Man sollte da schon kritisch dran gehen, aber man sollte auch nicht anfangen, jene unnötige Szene rauszustreichen. Wenn ich zum Beispiel an einen Film wie Star Wars Episode II denke - der hat mir in seiner normalen Kinofassung ganz gut gefallen, und die rausgekürzten Szenen waren nicht nötig zum Verständnis. Aber sie haben z.B. Padme noch mehr Tiefe verliehen. Und ebenso ist es bei Büchern - mag sein, dass die rausgekürzte Szene die Handlung nicht voranbringt, aber vielleicht eignet sie sich ja dafür, die Figuren eingehener darzustellen, wie ja auch schon einige meiner Vorredner gesagt haben. Vielleicht sorgt besagte Szene auch für eine dichtere Atmosphäre. Wenn allerdings der dritte Betaleser schon meint, dass ein Kapitel unnötig ist... nun ja, dann sollte man sich vielleicht schon überlegen, ob da nicht was raus soll.

Ich unterscheide da zwischen zwei Arten von guten Büchern: Die, die was aussagen und die, bei denen die Charaktere fesseln (am besten ist natürlich beides ;) ). Erfahrungsgemäß habe ich bei ersteren eher mal das Gefühl, dass da noch ein Kapitel ist, das nicht unbedingt dem Sinn des Buches etwas beisteuern kann, während "Charakter-Romane" ruhig mal etwas schwallen dürfen. Natürlich ist das aber schwer verallgemeinerbar.


Merwyn

Zitat von: der Rabe am 26. August 2012, 23:25:20
Oder schreibt ihr erst einmal alles runter und schaut dann, was ihr damit anfangt?

Ich versuche ;) es genauso zu machen. Im Vorfeld tue ich mich oft schwer wirklich konkrete Schätzungen anzustellen, was zwingend gebraucht wird und was nicht. Bei mir ist es außerdem oft so, dass die Geschichte sich während des Schreibens nochmal verändert.
Ich mache mir im Vorfeld bzw. während des Schreibprozesses also keine allzu großen Gedanken, sondern schreibe alles relevante auf. Für streichen und kürzen plane ich sowieso noch eine gewisse Zeit ein, wenn ich dann fertig bin mit schreiben.

Mit etwas Abstand, wenn ich z.B. schon ein Stück weiter bin, schaue ich zwischendurch dann aber trotzdem oft nochmal über einen Teil drüber oder merke während des Schreibens, das Szene XY nicht mehr passt/nicht wichtig ist und kopiere das ganze dann aus der "Manuskriptdatei" in eine extra Datei. Dort bleibt es dann erstmal. In manchen Fällen kann ich eine u.U. abgewandelte Form der Szene nochmal gebrauchen, aber wenn nicht, ist es zumindest nicht komplett weg und ich kann für mich jederzeit wieder drüberlesen.
Völlig löschen würde ich nie etwas (das könnte ich nicht, glaube ich) und die "Wegwerfdatei" ist da eine gute Lösung, für mich zumindest.

zDatze

Vom "Alptraum kürzen" bin ich bisher noch nicht befallen worden. Mir macht das Kürzen nicht sehr viel aus, da ich bisher eigentlich immer die Erfahrung gemacht habe, dass meine Geschichten dadurch besser werden. Da kann auch mal ein ganzes Drittel rausfliegen und ich hab nicht wirklich ein Problem damit. Ich ärgere mich zwar kurz wegen der Zeit, die ich zum Schreiben gebraucht habe, aber den Wörtern trauere ich nicht nach. Jedes davon hat mich ein Stück weiter gebraucht, auch wenn es dann bei der Überarbeitung rausfliegt.
Es kommt am Ende ja nicht darauf an, viele Wörter geschieben zu haben, sondern dem Leser eine gute Geschichte zu bieten. Zumindest sehe ich das so.

Wobei ich auch finde, dass es ganz darauf ankommt vor welchen Problemen man steht und wie man diese lösen will/kann. Hat man die Option ein Romanmonster aufzuteilen, sollte man das natürlich in Betracht ziehen. Bei einem überflüssigen Subplot in einer Geschichte hat man auch mehrere Möglichkeiten: man macht ihn für den Plot relevant, hängt ihn einer anderen Figur an, kürzt ihn ein, streicht ihn raus etc. Es ist ja nicht immer nur eine Entweder-Oder Entscheidung, die man treffen muss.

der Rabe

Hmmm... wenn ich mir das (=eure Meinungen :)) so ansehe, komme ich wohl nicht darum, einen Großteil meiner ursprünglichen Geschichte rauszuschmeißen. Wenn sie im Großen und Ganzen fertig wäre, würde es mir vermutlich leichter fallen. Das Problem ist aber, dass ich sie quasi neu schreiben muss...
Vielleicht sollte ich die ganze alte Geschichte über Bord schmeißen, und mich noch einmal ganz neu daransetzen, sie zu schreiben, ohne den ganzen Ballast des ersten Versuches. Und wenn ich dann dabei etwas übernehmen kann, ist es nur nett.  :'(
Bist du erst unten im Tal angekommen, geht es nur noch bergauf. (C) :rabe:

Sprotte

So hab ich das mit meinem allerersten Fantasyroman (geschrieben, als ich15-17 war) gemacht. Er ist kürzer, knackiger und witziger geworden. Und besser. Viel besser. Aber das liegt auch an Alter und Erfahrung. Eine gute Geschichte verdient es, daß man sie optimiert, behaupte ich.

Thaliope

Ich kämpfe im Augenblick auch mit so einer Sache. Wenn ich meine Szenen zum ersten Mal runterschreibe, wird das alles recht ausführlich. Wenn ich es dann nochmal durchlese, denke ich oft: Das könnte man ja eigentlich auch in ein, zwei Sätzen zusammenfassen.
Was mich dann wieder zu der Frage führt: Warum sollte das alles überhaupt jemand lesen wollen? Und zu der anderen Frage: Warum kann ich nicht gleich so schön straff und präzise schreiben, wie ich es nacher gern hätte?

LG
Thali