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Alles zur Perspektive

Begonnen von Lastalda, 01. Januar 1970, 01:00:00

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Ilva

Zitat von: Sprotte am 08. Februar 2016, 21:11:47
Der auktoriale Erzähler (Märchenonkel z.B.) sieht und weiß alles. Er kann in alle Köpfe gucken, schwebt aber ein bißchen über dem Ganzen. Er kann distanzierter wirken als der personale Erzähler, ihn geht das alles nicht wirklich etwas an, während der personale Erzähler mittendrin ist (wobei auch beim personalen Erzähler der Brennpunkt der Kameralinse etwas weiter entfernt liegen kann).

In einer Szene in verschiedene Köpfe zu gucken, wird auch gerne als Headhopping beschrieben und ist nach meinem aktuellen Kenntnisstand nicht gut. Perspektiven sollten sauber sein. Ein Ich-Erzähler oder ein personaler Erzähler darf darüber nachdenken, was das Gegenüber wohl denkt, meint und fühlt, darf interpretieren, kann aber keine Gedanken lesen. Es sei denn, es ist wirklich ein Gedankenleser.
Das heisst aber dennoch, dass ich als auktorialer Erzähler "reinzoomen" kann und verschiedenen Personen folgen kann, oder?
Z.B. Harry Potter. Die Anfänge sind meist "von aussen" und mit der Zeit ist man näher an Harry dran. Dennoch liest sich das meiste für mich eher auktorial. Ok, gut das Beispiel hat Mängel, denn es werden nicht verschiedene Figuren "rangezoomt".
Wenn man dann die Wechsel auf Szenenenden legt, sollte man dann ja trotzdem eine saubere Perspektive haben.

Oder wäre das dann schon wieder personal?

HauntingWitch

@Ilva: Kennst du die "Dark Materials"-Reihe von Philipp Pullman? Für mich ist er der Meister im heranzoomen.

Langsam verwirrt ihr mich ein wenig. ;D Also, meines Wissens ist es so, dass man mit dem personalen Erzähler bzw. der Perspektive eines Charakters nur das erzählen kann, was dieser Charakter selber auch sieht oder weiss. Heisst, wenn gleichzeitig irgendwo anders etwas passiert, kann man nicht einfach wie bei einem Film die Szene wechseln, ausser man wechselt auch die Perspektive zu einem Charakter, der sich an diesem anderen Ort befindet.

Der auktoriale Erzähler hingegen weiss alles und kann daher auch die Szene wechseln, bzw. quasi aus der Vogelperspektive erzählen, was woanders passiert, wo gerade keiner der tragenden Charaktere hinsieht.

Oder?

Sprotte

Ich habe Harry Potter nicht gelesen, weiß also nicht, welche Erzählart dort genutzt wird.

@Witch
Ganz genau so. Der Personale Erzähler ist wie der Ich-Erzähler, nur daß er in der dritten Person erzählt.

Ary

Bei Harry Potter hat es sich für mich schon nach personaler Erzähler = Harry angefühlt, auch wenn teilweise erst an ihn "herangezoomt" wird. Ich erinnere mich nicht, dass da mal ein anderer Charakter als Harry die Perspektive hatte.
Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

zDatze

Aryana hat recht, Harry Potter ist ein personaler Erzähler und Rowling nutzt aus spannungstechnischen Gründen auch hin und wieder einen auktorialen Einwurf. Das ist meiner Meinung nach auch eines der Probleme, warum es nicht so einfach ist anhand von Beispielen, klare Grenzen zwischen den Erzähltechniken zu ziehen - sie werden eben auch gebrochen, um einen bestimmten Effekt beim Leser zu erzielen.

Trippelschritt

Zitat von: Witch am 10. Februar 2016, 12:01:37
@Ilva: Kennst du die "Dark Materials"-Reihe von Philipp Pullman? Für mich ist er der Meister im heranzoomen.

Langsam verwirrt ihr mich ein wenig. ;D Also, meines Wissens ist es so, dass man mit dem personalen Erzähler bzw. der Perspektive eines Charakters nur das erzählen kann, was dieser Charakter selber auch sieht oder weiss. Heisst, wenn gleichzeitig irgendwo anders etwas passiert, kann man nicht einfach wie bei einem Film die Szene wechseln, ausser man wechselt auch die Perspektive zu einem Charakter, der sich an diesem anderen Ort befindet.

Der auktoriale Erzähler hingegen weiss alles und kann daher auch die Szene wechseln, bzw. quasi aus der Vogelperspektive erzählen, was woanders passiert, wo gerade keiner der tragenden Charaktere hinsieht.

Oder?

Ja, so ähnlich. nur, dass der personale Erzähler eine Stimme ist und keine Perspektive, denn es wird ja auch erlebt und nicht nur erzählt (show don't tell). Aber ein Standortwechsel ist in der Regel auch ein Perspektivwechsel. Es sei denn, die besagte Person hat ihren Standort verändert.

Ich habe mal in die Potter-Bände 1 und 2 hineingeschaut. Das ist am Anfang eine auktoriale Perspektive (Band 1), die dann zum neutrlaen Beobachter (eingeschränkt auktorial) wechselt. In band 2 ist es umgekehrt.

Liebe Grüße
Trippelschritt
(der sich mittlerweile nicht mehr über die Begriffsverwirrung wundert)

Lukas

Ich habe eine Frage, die zu "Alles zur Perspektive" passt. Allerdings passt hier wohl jede Frage irgendwie. "Alles zur Perspektive" ist eben sehr weit gefasst(es hat etwas von Star-Trek-Weite). Auf gut Deutsch: Sollte diese kleine Frage wo anders eher zu Hause sein und meine Expertise im Bezug auf Suchoptionen nur nicht ausgereicht haben, bittet dieser Post um ein verschieben in eben jenes Thema. So, ohne Umschweife:

Seid ihr der Meinung, dass man in einem Roman in verschiedenen PoVs zwischen Erste-Person-Präsens, Erste-Person-Präteritum und Dritte-Person-Präteritum/Präsens-personell wechseln kann? Oder verursacht das zu viel Verwirrung und ein ständiges Umgewöhnen seitens des Lesers. Ich trage mich mit der Überlegung eine Hauptfigur am Ende das Zeitliche segnen zu lassen und würde ihre PoV dann im 1stP/Präsens. schreiben, während ich den Protagonisten aus 1stP./Prät. erzählen lassen würde... Ist das für ein Jugendbuch zu anstrengend zu lesen? Ich bin auch erst 10.000 Wörter im First-Draft/second-Draft (Bei mir verschwimmt das ein wenig). Also denke ich entweder jetzt oder nie (momentan fühlen sich alle PoVs in der dritten-Person-personell-Präteritum ein bisschen...weit weg vom Geschehen an)... :seufz:

Elona

Ich habe tatsächlich schon ein Buch gelesen in erste Person Präsens und erste Person Präteritum. Hat für mich funktioniert. Wobei man da sagen muss, dass es nur ein PoV Charakter war und die Handlungsstränge versetzt liefen, sprich Vergangenheit und Gegenwart.

Wenn aber die Handlungsstränge zeitlich parallel verlaufen, würde ich das als unschön empfinden. Ebenso würde ich von einem Wechsel zwischen drei unterschiedlichen Perspektiven absehen.

Mondfräulein

Ich persönlich könnte mir das höchstens als bewusstes Stilmittel vorstellen. Vielleicht Einschübe aus einer Perspektive, die ein wenig "entrückt" wirken soll und die deshalb in einer anderen Zeitform geschrieben sind, aber diese Einschübe wären dann kein wirklich "reguläres Erzählen". Mich persönlich würde ein Zeit- und Personenwechsel wie du es beschreibst wahrscheinlich schon stören. Ich würde das wirklich nur tun, wenn es absolut notwendig für die Geschichte ist und auf absolut gar keinen Fall anders geht, ansonsten solltest du dich zumindest für eine Zeitform entscheiden.

HauntingWitch

@Lukas: Ich habe in meinem aktuellen Projekt etwas Ähnliches. Einmal  1. Person  und  zweimal 3. Person, dafür alles Präteritum. Jene, die es bisher gesehen haben, finden es interessant, ich kann aber noch nichts über die Endleser sagen.  Ausserdem schreibe ich für Erwachsene und weiss daher nicht, wie es bei Jugendbüchern ist.

Tigermöhre

Zwischen Präsens und Präteritum würde ich wahrscheinlich nur wechseln, wenn ich verschiedene Zeitebenen hätte, und es ein bewusstes Stilmittel ist.

Ich habe vor Kurzem ein Kinderbuch mit mehreren Geschichten gelesen, und eine davon war im Präsens geschrieben. Ich bin da ziemlich drüber gestolpert, und mich hat dieser Bruch wirklich gestört. Obwohl es richtig abgeschlossene unabhängige Geschichten waren.

Trippelschritt

Die Antwort auf Deine Frage, Lukas, wird wohl einstimmig sein. Es geht. Es ist nicht ganz einfach, weil es ein wenig gegen die Lesergewohnheiten ist, im Präsens zu schreiben. Aber ich meine, man sollte so etwas mal ausprobieren. Ich habe gewechselt zwischen Präteritum (Handlung) und Präsens (auktoriale Erzählstimme von Allgemeingütligkeiten) und mein Lektor hat mir den Päsens rausgestrichen, sodass ich diese Gedanken in den Kopf der jeweils handelnden Person gesteckt habe.

Ich glaube, ich habe es schon irgendwo hier mal geschrieben: Lange Zeit galt, dass wichtige Handlungsstränge sowohl in Ich-Perspektive als auch in Er-Perspektive nebeneinander nicht funktionieren. Aber dann kam Lian Hearn mit ihren Büchern über den Otori-Clan und machte es einfach. Und niemand störte sich daran. Ganz im Gegenteil. Da war es aber kein Zeitenproblem, sondern die Autorin brauchte zwei Handlungsstränge, die sie miteinander verflechten musste, wollte aber ihre Ich-Perspektive für den Protagonisten nicht aufgeben. Ich fand es damals optimal gelöst.

Liebe Grüße
Trippelschritt

Araluen

Da ich keinen eigenen Thread bemphen möchte, wo wir schon einen zur Perspektive haben, frage ich mal hier.
Mich beschäftigt die Du-Perspektive. Damit arbeiten möchte ich jetzt nicht. Ich bin nur beim Stöbern im Internet darüber gestolpert und kann ehrlich gesagt wenig damit anfangen.
Wenn ich das richtig verstanden habe, spricht die Du-Perspektive nicht unbedingt den Leser, sondern den Protagonisten an. Das finde ich schon irgendwie schräg. Oder geht das doch mehr in Richtung Autorenkommentar an den Leser? Was haltet ihr von der Du-Perspektive und was ist das jetzt genau? Hat damit schon einmal jemand gearbeitet? Gibt es empfehlenswerte Werke in dieser Perspektive, um sich einfach mal ein direktes Bild davon zu machen? Ich lerne ja gerne immer wieder neue Sachen.

*stellt einen Teller mit Keksen hin und knabbert selbst einen.*

Maubel

Eine Art Bücher, die du garantiert kennst, sind die Abenteuerbücher. Da ist der Leser Protagonist. Ansonsten wird die du-Perspektive gerne in Anleitungen etc benutzt, wo sie eindeutig den Leser anspricht. Im englischen kommt dazu, dass viele Redewendungen aus der ich-Perspektive heraus, die im deutschen das man haben, umgangssprachlich mit du gebildet werden. Einen richtigen Roman in der Perspektive kenne ich jetzt nicht, aberirgendwer hat sicher mal so etwas experimentelles gemacht ;)

Araluen

Na Betriebsanleitungen mal außen vor und umgangssprachliche Übersetzungsvarianten. Abenteuer-Bücher stimmt. Da wird der Leser angesprochen. Wirklich irritiert hatte mich der Aspekt, dass eben nicht der Leser, sondern der Protagonist angesprochen werden kann und damit der Leser quasi völlig außen vor ist. Oder ich habe da etwas missverstanden.