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Schreiben lernen

Begonnen von Trippelschritt, 16. Oktober 2019, 12:52:46

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Trippelschritt

Unter diesem Stichwort habe ich doch tatsächlich nur drei Einträge gefunden. Und Angela ist hierhin gekommen, um Schreiben zu lernen. Sie ist schon lange hier dabei, und ich hoffe, sie hat es in der Zwischenzeit gelernt. Zufrieden wird sie nicht sein, so wie ich sie kenne, denn der Lernprozess kennt kein Ende. Es geht immer wieder anders, und schlimmer noch, es geht immer noch besser.

Mein Anlass, dieses Thema hier zur Diskussion zu stellen kommt gleich aus zwei Quellen. Wohl durch eine Laune des Zufalls haben mich mehre Leute zu beinahe der gleichen Zeit gebeten, ihnen ein paar Tipps zu geben. Dem bin ich gerne und schnell nachgekommen. Aber ich bin auch über ein paar Interviews gestolpert, die Neil Gaiman gegeben hat und die mich sehr amüsiert haben, weil sie Ratschläge so einfach waren und so zutreffend, obwohl jeder von uns doch anders lernt.

Wen ich hier nicht ansprechen möchte, sind alle diejenigen, die glauben, dass man Schreiben nicht lernen kann oder muss. Nicht, dass ich gegen diese Leute etwas hatte, oder es für eine solche Haltung nicht ebenfalls Argumente gäbe, aber es soll hier NICHT das Theme sein, ob man Schreiben lernen kann, sondern wie. Wer also die Grundannahme, dass Schreiben erlernbar ist, anzweifelt, möge doch bitte einen eigenen Thread aufmachen, an dem ich mich gern beteiligen werde.

Hier soll es um das WIE gehen.

Ich starte mal mit einem ersten eigenen Ratschlag ;D

Beginnt mit einfachen Dingen wie einem Roman und nicht mit ganz schwierigen Dingen wie einem Forenbeitrag. :)
Das ist nur ein halber Scherz. Ihr braucht nur einmal zu vergleichen, welche Qualitätsunterschiede zwischen euren Texten (sogar NaNo) und euren Beiträgen liegen. Und ich reihe mich gerne da ein. Romane kann ich ...

Und falls Workshop nicht der richtige Platz ist, bitte ich die Mods um Verschiebung.
Und sollte es das Thema bereits geben, um einen Hinweis, warum meine suche es nicht gefunden hat.

Liebe Grüße
vom Trippelschritt

Sascha

Zitat von: Trippelschritt am 16. Oktober 2019, 12:52:46
Aber ich bin auch über ein paar Interviews gestolpert, die Neil Gaiman gegeben hat und die mich sehr amüsiert haben, weil sie Ratschläge so einfach waren und so zutreffend, obwohl jeder von uns doch anders lernt.
Gimme link, please!  ;)

Mein Ratschlag: Vor allem machen, nicht nur denken "Ach, ich könnte ja mal ..."
Beurteilen können auch Andere ja schließlich erst das, was man geschrieben hat, und nicht das, was man ja vielleicht mal schreiben könnte.

Arcor

Mein liebster Ratschlag ist: Wenn man sich zum Schreiben hinsetzt, immer noch einmal das lesen, was man am Vortag/zuletzt geschrieben hat.

Nicht nur findet man so Anschluss an das zuletzt Formulierte, man kann auch gleich einen Überarbeitungsdurchgang machen, umformulieren, kürzen, präzisieren, schlicht: besser machen. Hat man das geschafft, startet man mit einem guten Gefühl ins eigentliche Schreiben.  :)
Not every story is meant to be told.
Some are meant to be kept.


Faye - Finding Paradise

Trippelschritt

Zitat von: Sascha am 16. Oktober 2019, 15:47:05
Zitat von: Trippelschritt am 16. Oktober 2019, 12:52:46
Aber ich bin auch über ein paar Interviews gestolpert, die Neil Gaiman gegeben hat und die mich sehr amüsiert haben, weil sie Ratschläge so einfach waren und so zutreffend, obwohl jeder von uns doch anders lernt.
Gimme link, please!  ;)

Mein Ratschlag: Vor allem machen, nicht nur denken "Ach, ich könnte ja mal ..."
Beurteilen können auch Andere ja schließlich erst das, was man geschrieben hat, und nicht das, was man ja vielleicht mal schreiben könnte.

Geh auf YouTube und gib mal Neil Gaiman ein. Da wirst Du bestimmt fündig. Was sich immer lohnt anzuhören, ist Folgendes:

https://www.youtube.com/watch?v=ikAb-NYkseI

Ob das jetzt ein Link ist, weiß ich nicht. Hab' einfach reinkopiert.

Obwohl der Vortrag etwas länger ist, lohnt er sich in jedem Fall.

Viel Vergnügen wünsche ich Dir. Mindestens so viel, wie ich dabei gehabt habe.

:vibes:
Trippelschritt

Churke

Mein Tipp: Schlechte Bücher lesen.
Warum?
Es schärft den Blick dafür, wie man es nicht machen sollte.

Leann

Mein Tipp: Das schreiben, was man gerne liest.

Das heißt nicht, dass man alles schreiben kann, was man gerne liest. Ich lese z.B. u.a. gerne Science Fiction, kann ich aber nicht schreiben. Mit Krimis ist es ähnlich, das versuche ich allerdings trotzdem oft.  ;D
Was meiner Meinung nach nicht klappt: Etwas schreiben, was man nicht gerne liest.

Lino

#6
Ich fand die Tipps von Andreas Eschenbach von vor 13 Jahren zu dem Thema mal ganz hilfreich:

http://www.andreaseschbach.com/schreiben/schreiben.html

Einfach mal gemütlich durchklicken und lesen. Auch eher so die Basics, aber das ganz gut beschrieben.

Am häufigsten rolle ich beim Lesen die Augen, wenn die Autorin diesen Tipp aus der Liste nicht beherzigt hat: "Spätestens ab der Mitte der Geschichte dürfen Zufälle keine entscheidende Rolle mehr spielen."

Araluen

Ich bin der Meinung, das Schreiben sollte man von zwei Seiten angehen.
Was schreibe ich? Welche Geschichte will ich erzählen? Es gibt Geschichten, die funktionieren, andere eben nicht. Manchmal hat man nur eine tolle grobe Idee, aber bei näherer Betrachtung erkennt man dann, dass sie bis auf den einen kleinen Kerngedanken nicht viel mehr her gibt. Da nützt auch der beste Stil nichts.
Eine gute Geschichte kann man mit Hilfe der verschiedensten Plotmethoden kreieren. Diese sind in meinen Augen aber nicht zwingend (sonst gäbe es keine erfolgreichen Bauchschreiber), wenn man sich über die Kernelemente jeder Geschichte und die Genrebesonderheiten klar wird. Eine Romance hat einen anderen Fokus als ein Krimi oder High Fantasy.
Diese Baussteine einer Geschichte zu kennen und anwenden zu können, ist für mich Teil des Handwerks. Hier helfen zahlreiche Schreibratgeber, die sich über den Umweg der Plotmethoden mit genau diesen Bausteinen beschäftigen. Und natürlich hilft es auch so viel wie möglich zu lesen, gerade aus dem Genre, dass man gerne liest und schreiben mag.

Der zweite Teil ist dann wiederum, wie man die kreierte Geschichte erzählt. Die Idee kann noch so toll sein, wenn der Erzählstil murks ist, rettet das auch der beste Plot nicht. Auch hier sind andere Bücher der wirklich beste Lehrmeister, um zu sehen, wie man es machen kann, aber auch wie besser nicht. Dann finde ich Schreibexperimente sehr hilfreich, um neues zu entdecken oder einfach schwierige Dinge zu üben. Entweder fertigt man gleich ganze Kurzgeschichten an oder nur einzelne Testszenen. Ich habe letzten zum Beispiel einige Testszenen angefertigt, um mal zu schauen, wie es ist, konsequent ein genderneutrales Pronomen zu verwenden. In Kurzgeschichten probiere ich gerne neue Erzählperspektiven oder Erzählstile aus, die ich in meinem aktuellen Romanprojekt nicht verwende. Denn das wichtigste ist tatsächlich nicht nur zu lesen, wie man es macht, sondern sich auszuprobieren, mal über die Komfortzone hinaus und zu üben. Nach dem Roman ist vor dem Roman und der fertige Roman die Fingerübung für den nächsten noch besseren Roman.

Ich halte übrigens nicht viel davon bereits während des Schreibprozesses zu überarbeiten. Aber da gibt es in meinen Augen weder richtig noch falsch und das muss jeder für sich selbst herausfinden.

Churke

Zitat von: Leann am 16. Oktober 2019, 16:48:29
Ich lese z.B. u.a. gerne Science Fiction, kann ich aber nicht schreiben.

Schreiben ist Technik + Inspiration. Wenn du schreiben kannst und Inspiration hast, kannst du auch SF schreiben.

Trippelschritt

Mir geht es ähnlich. In Kurzgeschichten kann ich fast alles schreiben. Romane nur über Fantasy. In allen anderen Genres brennt die Flamme der Begeisterung zu niedrig. Und dieses Feuer braucht meine Inspiration.

Verblüfft hat mich Gaimans erster Tipp für Schreinanfänger. Ich will aber nicht vorpreschen. Ich schreibe ihn morgen hier irgendwo hin, wenn ihn keiner gefunden hat.

Liebe Grüße
Trippelschritt

Sunflower

Neil Gaiman hat ja viele tolle Tipps, zum Beispiel Dinge zu Ende schreiben. Egal, was einem in die Quere kommt, den Roman zu Ende schreiben. Dabei lernt man viel mehr als mit angefangenen Sachen (finde ich auch).

Vor kurzem habe ich auch so eine Art Biografie von Gaiman gelesen, und darin habe ich gelernt: Eine der wichtigsten Lektionen für ihn war, zu lernen, seine Geschichten aus der Sicht eines Lesers zu betrachten. Also mit Betas zu sprechen, zu erfahren, wie sie die Geschichte wahrgenommen haben und sie durch ihre Augen zu sehen. Denn etwas schreiben und etwas lesen sind zwei völlig verschiedene Dinge.

Aus meinem eigenen Lernprozess kann ich sagen, dass das Wichtigste für meine Entwicklung Feedback ist. Gutes, gesundes Feedback von Menschen, denen ich vertraue. Menschen, die das Beste für mich wollen und mir helfen wollen, die Geschichte besser zu machen.

Und was mir auch hilft - über Geschichten sprechen. Über Handwerk sprechen. Ich analysiere mittlerweile jeden Film durch, den ich schaue (mit dem Freund), und jedes Buch, das ich lese. Das hat natürlich auch Nachteile, weil ich mittelmäßige Geschichten nicht mehr einfach nur lesen kann, weil ich ständig überlege, warum das für mich jetzt nicht funktioniert. Aber der Analyse-Blick hilft mir insgesamt schon sehr viel.
"Stories are, in one way or another, mirrors. We use them to explain to ourselves how the world works or how it doesn't work. Like mirrors, stories prepare us for the day to come. They distract us from the things in darkness."
- Neil Gaiman, Smoke and Mirrors

Ary

#11
Das kann ich so unterschreiben! Ich habe die Schreibtipps von Gaiman nicht gelesen, aber was du beschreibst, habe ich auch so erlebt: ich brauche Feedback, fundierte Kritik und Gespräche, um mich zu verbessern. Für mich gibt es aber auch Genres, die ich gern lese, aber nie den Elan aufbringen würde, sie zu schreiben. ich liebe Science Fiction, Steampunk und auch Krimis und Thriller, aber ich scheue davor zurück, etwas in der Art zu schreiben, weil mir der Rechercheaufwand zu hoch ist.
Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

Lucia

Mit wertvollen Schreib-Ratschlägen kann ich leider noch nicht dienen- ich finde es aber super, dass es diesen Thread gibt und werde mich gleich mal den erwähnten Quellen zuwenden  :jau:

Was ich auf jeden Fall aus eigener Erfahrung sagen kann, wie bei den meisten Sachen lernt man viel, wenn man die eigene Komfortzone verlässt bzw. ausweitet. Sicher muss man eine gesunde Balance finden, wo man sich wohlfühlt, auch was das Schreiben betrifft, aber wenn man immer nur bei den Dingen bleibt, die einem angenehm sind, kommen keine neuen Erfahrungen hinzu (auch wenn das, was man dann in Romanform schreibt bzw. womit man viel Zeit verbringt natürlich etwas sein sollte, das einem Spass macht und das man gerne mag).

Trippelschritt

#13
BINGO Sunflower

Meine eigenen ersten Schreibprodukte waren ja mehr Pflichtaufgaben als Kür, deshalb bin ich erst gar nicht auf die Idee gekommen, einen unvollendeten Text abzuliefern. Deshalb habe ich auch nie gemerkt, wie wichtig und wie schwierig es oft sein kann, einen Text zu beenden. Das gilt vor allem für jemanden, der mit dem Schreiben erst anfängt. Ein Text ohne das Wort ENDE ist nicht viel mehr als nichts. Ein Text, selbst wenn er noch zwanzig Überarbeitungen braucht, wurde dagegen ins Ziel gebracht, und ich bin sehr froh, dass es im tizi einen Thread für das Wort ENDE gibt.

Im Gegensatz zu Churke lese ich lieber gute Texte und orientiere mich an dem, was mir Bewunderung abringt, aber das ist eine Frage der Einstellung.
Viel Lesen ist in jedem Fall eine wichtige Voraussetzung. (Der alte Witz: Ich lese nicht, ich schreibe selber.) geht leider am Ziel vorbei.

Viel Spaß noch, ich mache Feierabend.
Trippelschritt

Anj

Die für mich wertvollste Lektion fürs Schreiben habe ich nicht beim Schreiben gelernt, sondern beim Reiten. Es war die Erkenntnis, dass es sehr oft eher fatal ist, Regeln befolgen zu wollen.
Ich habe jahrelang versucht korrekt auf dem Pferd zu sitzen und der ständigen Aufforderung die "Hacken runter" nachzukommen. Ebenso wie 90% aller anderen Reitschüler bei uns im Stall. Bis ich endlich eine Reitlehrerin hatte, die mir statt Anweisungen für die Kopie der richtigen Haltung von der Basis an (in dem Fall der Hüfte) den korrekten Sitz beizubringen. Und siehe da: "Hacken runter" verschwand schlagartig aus dem Wortschatz meiner Reitlehrer, einfach weil sie aufgrunde des richtigen Sitzes nur tief sein konnten. Die "Regel" war also ein Symptom, aber keine sinnvolle Schraube um besser reiten zu lernen.
Dasselbe habe ich bei den meisten Schreibratgebern empfunden. Auch hier wurden Symptome aufgezählt, die in den eigenen Texten kopiert werden sollten, statt das verdeutlicht wurde, wieso sie automatisch entstehen, wenn ich grundlegende Prinzipien umsetze.
Geholfen haben mir dabei zunächst die Textüberarbeitungen von Roentgen (auch wenn ich eher seltener mit seiner meinung zum Text übereinstimmte^^). Den richtigen Dreh gaben mir dann aber die 5 Werkzeuge von Clark, die ich deswegen so großartig finde, weil sie keine Regeln aufstellen, sondern Wirkungsweisen von Worten und Konstruktionen darlegen.
Und damit komme ich zum nächsten, für mich inzwischen vielleicht allerwichtigsten Ansatz: Es gibt kein richtig oder falsch, sondern nur gewünschte oder nicht gewünschte Wirkung. Das hat mir auch enorm dabei geholfen, mich von der Kritik emotional so weit zu distanzieren, dass ich darüber diskutieren konnte ohne an mir zu zweifeln.

Und zum Schluss hat mir ebenfalls, wie sunflower schon erwähnte, die Erkenntnis geholfen, dass ein lesen und schreiben nicht dasselbe sind. Deswegen sind gute Betas enorm wertvoll, denn die eigene Perspektive kann ich erst nach sehr langer Zeit halbwegs zum Leser wechseln.

Und mein liebster Tipp zum überarbeiten, vertrau darauf, dass du verschlimmbesserte textstellen automatisch wieder zurückändern wirst, wenn der Text abgehangen ist. Das gibt mir viel Experimentierfreude beim Überarbeiten und fast schon Wagemut bei Kürzungen.
"Wenn du andere Leute ansiehst, frage dich, ob du sie wirklich siehst, oder ob du nur deine Gedanken über sie siehst."
Jon Kabat-Zinn.