• Willkommen im Forum „Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum“.
 

Genauigkeit / Tempo

Begonnen von Sooky, 06. Dezember 2008, 17:18:53

« vorheriges - nächstes »

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Sooky

In einer Geschichten hängen Genauigkeit und Tempo eigentlich zusammen. Je genauer man Ereignisse Beschreibt, desto langsamer vergeht die Geschichte, desto länger zieht sie sich hin. In Romanen möchte man meistens einen gewissen Grad an Genauigkeit und Detail, doch wie viel ist genug und wie viel ist ätzend?

Diese Frage stelle ich, da ich eine (schlechte?) Angewohnheit habe, sehr genau zu beschreiben. Damit meine ich nicht, dass ich bei einer Tür jedes einzelne Loch aufzähle, im Gegenteil, ich bin in dem Sinn eher locker und überfliege Beschreibungen, aber Zeit ist für mich ein grosses Problem. Ich kann nicht einen Zeitraum überfliegen, der uninteressant ist, das einzige, was ich wirklich tun kann, ist einfach auszulassen und dann anzudeuten (aber deutlich, natürlich), dass Zeit vergangen ist. Das führt hin und wieder zu Situationen, in denen wirklich konstant etwas passiert, da ich nicht schreiben kann, dass nichts passiert, daher geht die Handlung extrem schnell vorwärts, aber gleichzeitig doch nicht, da nur Ereignisse sich ereignen, aber keine Zeit vergeht, die aber natürlich nötig ist.

Dazu habe ich einige Fragen:
Erstens, wie schlimm ist das? Wie weit ist das akzeptabel, wann wird es unglaubwürdig oder langatmig?
Zweitens, habt ihr das selbe Problem? Kein Problem mit der Zeit? Oder eher das Umgekehrte?
Und letztens: Was kann man dagegen machen? Gibt es spezielle Sachen, die man berücksichtigen sollte, Tipps und Tricks?

Danke im Voraus,
Sooky.

Churke

Ich halte mich an die Faustregel, die Geschichte so zu schreiben, wie ich sie erzählen würde. Wenn nichts geschieht, verliere ich ein paar generelle Sätze, zum Beispiel über das Wetter in der vergangenen Zeit, oder ich fange einfach ein neues Kapitel an und springe nach vorne.

Lavendel

Ob dein Roman spannend ist, liegt nicht daran, wie lang der Zeitraum ist über den er sich erstreckt, sondern daran, wie du ihn erzählst. Es spricht nichts dagegen, eine Handlung zu haben, die sich an einem einzigen Tag abspielt (Ulysses, um mal ein krasses Beispiel zu nennen, erzählt nur von einem einzigen Tag [aber das Buch ist nicht spannend zu lesen, zumindest finden das viele Leute ::)])
Es spricht genausowenig dagegen, zwanzig oder dreißig Jahr in einem Roman zu behandeln. Auch das ist schon vorgekommen.
Es geht nur darum, wie spannend du erzählst.

Aarous

Das Problem kenne ich. Wenn eine längere Zeitspanne ohne erwähnenswert Ereignisse vergeht (längere Reise ohne besondere Vorkommnisse z.B.) mache ich daher gerne einen Kapitelsprung. Dazu noch ne Beschreibung der neuen Umgebung, damit auch klar ist, dass der Prota jetzt wo anders ist, und die Sache ist erstmal gegessen. Wenn sich die Betaleser hinterher beschweren, schreibe ich widerwillig eine oberflächlige Umschreibung der Reise. Aber am liebsten verzichte ich darauf.

PS: Die Elfen von Bernhard Hennen ist ein wunderbares Beispiel, wie man viele tausen Jahre in einem einzigen Buch abhandeln kann. Gut, es ist ein dickes Buch, und die Protas geraten mehrmals in einen magischen Zeitraffer, aber es ist möglich.

Rhiannon

Bei meinem aktuellen Roman vergehen einmal sechs Jahre, ohne, dass viel passiert und sechs Jahre lang zu beschreiben, wie gut es der Familie geht, ist auch langweilig. DAher springe ich bei sowas im Kapitel, schreibe dann aber daszu: "Mittlerweile waren sechs Jahre vergangen." Oder irgend sowas, damit mein Leser weiß, dass ich in der Zeit gesprungen bin. Ereignislose Reisen oder ähnlich handle ich auch in ein paar Sätzen über Wetter, Land und Leute ab.
Manchmal benutze ich für einzelne Szenen ach kurze Rückblenden, wenn sie zwar für den Prota eber nicht für die Handlung wichtig sind.

Drachenfeder

"Jede Art zu schreiben ist erlaubt,
nur nicht die langweilige."

Dieses Zitat sollte man sich immer vor Augen halten! Ich versuche mich auch immer daran zu halten. Persönlich bin ich ein Freund von genauen Beschreibungen. Ich lese sie genauso gerne wie ich sie selbst auch gerne schreibe. Jedoch achte ich darauf, das ich eher "unwichtiges" sein lasse und mich auf die Beschreibungen beschränke die im Laufe der Geschichte noch oder im Augenblick eine erhebliche Rolle spielen. Und dann kann eine Beschreibung auch schon relativ lang werden. Wichtig ist dabei niemanden zu langweilen. Doch das merkst du beim Schreiben bestimmt selbst. Wenn dich eine Beschreibung total fesselt, dann liest sie sich auch sicher sehr spannend! Versuch es einfach. Beschreibe etwas was dir wichtig erscheint und lies es jemanden vor und schau wie sie/er darauf reagiert.

LG Drachenfeder



Sooky

Hm... danke für die Antworten :)
Ja, das mit dem "in den letzten Wochen" oder "Es waren soundsoviele Jahre vergangen, in denen...", kombiniert mit einem Kapitelwechsel, wende ich immer oder häufig an, wie schon erwähnt, wenn auch nur kurz und nicht so leicht zu merken.
Ich hätte noch eine kleine Frage: Achtet ihr darauf, dass Zeitsprünge regelmässig sind, oder zumindest kein Stilbruch? Wenn man jetzt, sagen wir mal, 5 Tage sehr genau beschrieben hat, mit allem drum und dran was dazugehört, und dann macht man einen Sprung von einer Woche, findet ihr das als Leser seltsam?

Zitat von: Rhiannon am 06. Dezember 2008, 19:32:56
Manchmal benutze ich für einzelne Szenen ach kurze Rückblenden, wenn sie zwar für den Prota eber nicht für die Handlung wichtig sind.
Hm. Vielleicht versuche ich es so, auch wenn ich mir nicht sicher bin dabei. Ich persönlich finde meistens Rückblenden, die wie "noch einmal durchlebt" werden, nicht sehr gut lesbar, und solche, die im Plusquamperfekt schreiben, nicht für längere Sequenzen geeignet, aber womöglich sind sie tatsächlich besser, als einen Haufen nicht relevantes Zeug hineinzuschreiben, nur um eine Szene einbauen zu können.

Tenryu

Das kann man schlecht verallgemeinern. Aber ich denke, es kommt sehr darauf an, was für eine Art von Literatur man schreibt. Bei elitärer Literatur kommt es fast ausschließlich auf die Form an. Da kann man schon seitenweise beschreiben, wie eine Fliege an der Fensterscheibe entlang klettert. Bei Unterhaltungsliteratur erwartet der Leser - durrchaus zu Recht - etwas mehr Action.

Das Problem mit der zu ausführlichen Erzählweise kenne ich. Mir geht das auch oft so. Da hilft nur eines: Wenn die Geschichte fertig ist, knallhart kürzen. Bei jeder Szene muß man sich stets vergegenwärtigen, welchen Zweck sie erfüllt.
Ist das, was beschrieben wird wichtig? Für die Handlung, für das Verständnis der Figuren usw. Oder braucht man nach einer spannenden Szene eine Verlangsamung des Erzähltempos, um den Leser wieder zu beruhigen? Oder will man die Spannung vor dem Höhepunkt noch steigern?
Ob es gut ist, kann man als Autor schlecht einschätzen. Da hilft nur das Urteil von erfahrenen und kritischen Lesern.

Churke

Zitat von: Sooky am 08. Dezember 2008, 19:31:43
Ich hätte noch eine kleine Frage: Achtet ihr darauf, dass Zeitsprünge regelmässig sind, oder zumindest kein Stilbruch? Wenn man jetzt, sagen wir mal, 5 Tage sehr genau beschrieben hat, mit allem drum und dran was dazugehört, und dann macht man einen Sprung von einer Woche, findet ihr das als Leser seltsam?

Stil heißt nicht zwanghaftes Herumlabern. Mit einem Sternchen und einem neu beginnenden Absatz lässt sich jede Zeitspanne überbrücken, völlig unabhängig davon, wie ausladend ein Kapitel geschrieben ist. Ich würde es nur mit der Zahl der Sprünge nicht übertreiben, weil diese den Lesefluss stören können. Oftmals lassen sich zwei solche Abschnitte auch verbinden. Das braucht halt etwas Übung, verbessert aber den Lesefluss.

Reisen lassen sich übrigens ziemlich gut zusammen fassen, indem man die Dauer erwähnt und die Landschaften. Längere Aufenthalte an einem Ort können durch Beschreibungen von Stimmungen, Hoffnungen oder sonst etwas beschrieben werden. Zu einem Gutteil ist das alles Übungssache.

Melian

Die Sache mit der Zeit ist eine der großen Kräfte des Schreibenden! Man kann in einem einzigen Satz Jahrtausende vergehen lassen, oder in 20 nur eine hundertstel Sekunde. Das ist eine unwahrscheinliche Macht: Es liegt an der Fähigkeit des Schreibenden sie richtig zu nutzen.
Bei Reisen unbedingt aufpassen! Ewig lange Beschreibungen in der Art, sie standen auf, das Wetter war so und so, sie machten Rast um so und so, die Landschaft veränderte sich s.u.s., sie hielten für die Nacht an um s.u.s., ... vermeiden. Besonders wenn sie sich für jeden Tag wiederholen, ohne dass etwas wirklich wichtiges passiert.
Wenn du dir unsicher bist in einer Situation, dann frage dich: Was will ich mit dieser Beschreibung, oder mit diesem Zeittempo erreichen? Ist es ein Lufthohlen vor dem Sturm? Dient es dem Klimax? Entspricht es der Wahrnehmung der Protagonisten? Ist es spannend dies zu lesen?