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Deutsch! Von Wolf Schneider - Diskussion.

Begonnen von Alana, 09. Januar 2009, 22:44:30

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Alana

Hallo,

ich lese gerade von Wolf Schneider: Deutsch! Das Handbuch für attraktive Texte.
Ich halte mich für eher ungeschickt, was den Umgang mit der deutschen Sprache angeht.
Bisher hat mich das auch einfach nicht interessiert.
Jetzt aber schon und ich finde das Buch auch sehr spannend.
Es beschäftigt sich vor allem damit, Texte zu verfassen, die mitreißend und lesbar sind und trotzdem ein gutes Deutsch präsentieren.
Bis jetzt gefällt es mir sehr gut.

Trotzdem beschäftigen mich einige Dinge, zum Teil Banalitäten.
Vielleicht hat ja jemand Lust mir die Augen zu öffnen, oder darüber zu diskutieren, falls die Sachlage nicht ganz so eindeutig ist.

Ich möchte gleich mal anfangen mit zwei Beispielen:

1. Herr Schneider behauptet "qualitativ hochwertig" wäre doppelt gemoppelt.
Für mich ist qualitativ aber ein neutrales Wort, das noch näher bestimmt werden muss. In dem Fall wäre qualitativ hochwertig eben doch korrekt. Wie seht ihr das?

2. Herr S. behauptet weiterhin der folgende Satz wäre nicht korrekt:

Sie sind 8 Stunden geschützt vor der Sonne.

Seiner Meinung nach muss es heißen:

Sie sind 8 Stunden vor der Sonne geschützt.

In meinen Augen sind beide Formen korrekt, auch wenn die Zweite eindeutig besser klingt. Oder ist das wieder nur die Gewöhnung an schlechte Übersetzung aus dem Englischen?

Ich würde mich über Feedback freuen.
Da ich evtl. auch mal die ein oder andere Inhaltsfrage zur Dsikussion stellen werde, habe ich das hier rein geschrieben und nicht ins Sprachbastelbord, ich hoffe, das war richtig :)
Alhambrana

Churke

Qualitativ hochwertig wie der weiße Schimmel? (Pleonasmus)

Duden sagt:
qualitativ a) die Qualität betreffend; b) die [gute] Qualität betreffend
Und jetzt kommt's: Eine qualitativ hochstehende Fahrwerkskonstruktion.

eine qualitiv alleine ("die Qualität betreffend") ist also keine quantitative Aussage. Es gibt ja auch qualitativ mittelmäßig oder q. minderwertig... ::)

ZitatSie sind 8 Stunden geschützt vor der Sonne.

Im Deutschen mag eine Wortstellung unüblich sein, aber falsch ist sie nur, wenn man sie nicht eindeutig versteht. So habe ich das jedenfalls mal gelernt. Deutsch als eine stark flektierende Sprache ermöglicht größere Freiheiten beim Satzbau, und ich wüsste nicht, warum man die nicht nutzen sollte.

Alana

Also stimmst du mir in beiden Punkten zu?
Alhambrana

Tenryu

#3
Ich bin ebenfalls der Ansicht, daß im Deutschen das Prädikat stets an den Schluß des Satzes gehört. Leider hat sich durch die vielen ungebildeten Schreiber in den Massenmedien, vielleicht auch durch das allgegenwärtige Englische eine schlechte Satzstellung verbeitet.

Zu o.g. Beispiel:
Korrekter Weise müßte es lauten:
Sie sind acht Stunden lang vor der Sonne geschützt. oder
Sie sind während acht Stunden vor der Sonne geschützt.

Zu meiner Zeit schrieb man übrigens Zahlen unter 13 noch aus. (Genauer gesagt alle einsilbigen Zahlwörter.)

Coppelia

#4
ZitatIch bin ebenfalls der Ansicht, daß im Deutschen das Prädikat stets an den Schluß des Satzes gehört.
Auf keinen Fall ... nur im Nebensatz. Im Lateinischen tendiert das Prädikat dazu, hinten zu stehen, aber auch das ist keineswegs die Regel.
Bei uns steht es normalerweise an zweiter Stelle im Satz.

edit: Hab noch mal drüber nachgedacht ... wahrscheinlich meinst du, dass bei "zweigeteilten" Prädikaten der nicht flektierte Teil (der Fachbegriff ist glaub ich Prädikatsadjunkt) an letzter Stelle steht, während der flektierte Teil (in diesem Fall "sind") an zweiter Stelle steht. Das trifft wohl in den meisten Fällen zu. Allerdings auch nicht immer, vor allem bei sehr langen Sätzen ist es sinnvoll, auch den unflektierten Teil des Prädikats weiter nach vorn zu ziehen, weil der Satz sonst schwer verständlich wird.

Steffi

#5
@Churke:

Deutsch ist eine synthetische Sprache, will heißen, die Beziehungen der Wörter zu einander werden durch verschiedene Endungen verdeutlicht. In der Praxis heißt das, dass die Stellungen der Wörter nebensächlich wird, weil der Inhalt der Aussage immer noch verstanden wird.

Etwa so:

Die Frau küsste den Mann.
Den Mann küsste die Frau.
...küsste die Frau den Mann.

Egal wie man es dreht, durch das "den" bleibt immer noch klar, wer hier küsst und wer geküsst wird. Und vor allem bleibt der Geküsste in allen Variationen gleich.

Im Englischen würde das nicht gehen, weil dort die Flexionen wegfallen und der Inhalt des Satzes durch die Stellung des Wortes kenntlich gemacht wird. "The women kissed the man." ist etwas völlig anderes als "The man kissed the woman." Einmal küsst die Frau, und einmal der Mann.

Von daher funktionieren beide Versionen, die Alana gepostet hat, aber welche Version die schönere ist bleibt wohl geschmackssache und eine Frage des guten Stils. Es hängt auch immer davon ab, ob man sich wirklich "Standarddeutsch" als Vorbild nimmt oder in erster Linie möchte, dass man verstanden wird :)
Sic parvis magna

Churke

Zitat von: Alana am 09. Januar 2009, 23:15:06
Also stimmst du mir in beiden Punkten zu?


Ja. Und diese Beispiele riechen mir nach Besserwisserei und lassen mich an der fachlichen Qualifikation des Autors zweifeln. Germanist ist Schneider jedenfalls nicht.

Feuertraum

Das ist Bastian Sick auch nicht - und trotzdem schreibt er seit knapp 6 Jahren den "Zwiebelfisch"

Ansonsten muss ich Steffi recht geben: Manchmal darf man nicht so sehr auf die Richtigkeit achten sondern darauf, dass der Leser es versteht. Irgendwie klingt es merkwürdig, wenn man in ein Restaurant geht und zwei Mineralwässer bestellt, auch wenn dies die korrekte Bezeichnung ist.

Bei der Gelegenheit: Hat Micky Krause eigentlich recht, wenn er singt "Geh doch zu Hause, Du alte [aus Gründen des guten Stils vom Autoren zensiert]"
Ein Bekannter von mir liebt Bier so sehr - ich bekam als Schutzimpfung gegen Corona Astra Zenica, er Astra Pilsener ...

Hr. Kürbis

Zitat von: Churke am 10. Januar 2009, 10:11:42
Ja. Und diese Beispiele riechen mir nach Besserwisserei und lassen mich an der fachlichen Qualifikation des Autors zweifeln. Germanist ist Schneider jedenfalls nicht.

Ich vermute auch mal ganz stark, es geht hier nicht um richtig oder falsch, denn richtig sind in jedem Fall beide Beispiele. Es geht um "attraktive" Texte, die wahrscheinlich leicht verständlich sein sollen und einen eher journalistischen Hintergrund als einen literarischen haben.
Ob man nun unbedingt einen solchen Stil pflegen möchte, ist wohl jedem selbst überlassen. Ich selber schreibe so wie es mir gefällt (und manchmal schon verquer aber inhaltlich verständlich) und selbst ein großer Denker wie Meister Yoda  ;D mit "etwas" gewöhnungsbedürftigem Satzbau wird immer noch verstanden.
Also für mich ist so ein Buch überflüssig ...

Nachtrag weil Feuertraum schon geantwortet hat: Bastian Sick ist da für mich aber ein anderes Kaliber. Der deckt sprachliche Unzulänglichkeiten auf, die sich in den umgangsprachlichen Gebrauch einschleichen und erklärt unterhaltsam, wie es eigentlich richtig wäre.

Alana

#9
Also, das Buch von Wolf Schneider bezieht sich auf attraktive Texte, und ich bin eigentlich sehr angetan davon.
Für einen Anfänger wie mich ist das schon hilfreich. Und anhand der meisten Beispiele merkt man selbst sofort, dass der gute Mann recht hat.
Bei einigen Dingen bin ich kritisch, aber ich habe schon lange eingesehen, dass man bei jeglichem Fachbuch einfach das mitnimmt, was einem nützt, und das andere zurück lässt.
Herr S. scheint ein Fan von Doppelpunkten zu sein, was ich bestimmt nicht übernehmen werde.
Aber das Buch ist natürlich auch nicht vorrangig für Roman-Autoren geschrieben.
Trotzdem bin ich froh, dass ich es mir geholt habe.

Übrigens, Herr S. hat wirklich behauptet, dass die beiden Beispiele grammatikalisch falsch sind.

Herr Sick ist ein ganz anderes Thema, denn er will nicht (be-)lehren, wie er ausdrücklich betont, sondern lediglich aufdecken und unterhalten, was ihm ja auch gelingt.
Alhambrana

Lomax

Zitat von: Feuertraum am 10. Januar 2009, 10:29:26Das ist Bastian Sick auch nicht - und trotzdem schreibt er seit knapp 6 Jahren den "Zwiebelfisch"
... und äußert darin auch mitunter ebensolche zweifelhaften Wahrheiten ;).

Für Bastian Sick gilt dasselbe wie für Wolf Schneider wie auch für die meisten anderen Ratgeber: Sie wollen - auch wenn sie anderes behaupten - nicht die (wissenschaftlich) richtige Sprache lehren, sondern eine "gute" Sprache. Und das führt automatisch dazu, dass sie Sprachwissenschaft und Sprachpflege vermischen und - da sie ja keine fachwissenschaftlichen Werke, sondern nur populärwissenschaftliche schreiben - im Einzelfall nicht kenntlich machen, wo ihre Aussagen unumstritten sind, wo nur eine Interpretation und wo ihre eigene, ganz persönliche Vorzugsvariante.
  Dennoch haben diese Ratgeber ihren Sinn, denn im Großen und Ganzen vermitteln sie eben doch einen reflektierteren Umgang mit Sprache. Man sollte also auf sie hören, insofern man sie als Ratschlag für sinnvollen Sprachgebrauch versteht. Aber glauben, wenn sie etwas als "falsch" bezeichnen, darf man nie. Da darf man nur auf nach wissenschaftlicher Methodik abgesicherte Fach- und Wörterbücher vertrauen - und selbst da sind manche Zweifelsfälle uneinheitlich gedeutet.

Also, grundsätzlich: Sprachratgeber sind keine Grammatikbücher, keine Wörterbücher und überhaupt keine Nachschlagewerke. Ihre Meinung zu solchen Fragen ist im besten Falle tatsächlich die Meinung eines einzelnen Fachmanns - in vielen Fällen auch nur der Wunsch eines Betroffenen, wie Sprache denn sein sollte, wenn sie es schon nicht ist ;D

Kalderon

#11
Hi,

ich besitze das Buch "Deutsch für Kenner" von Wolf Schneider und kann eigentlich nur sagen, dass das Meiste (MEISTE - nicht alles!) was er vorschlägt (VORSCHLÄGT), durchweg vernünftig ist und sich gut anhört. Ich für meinen Teil habe von ihm viel lernen können und den einen oder anderen Vorschlag in meinen Stil eingebunden.

Er zeigt auch, wie scheußlich Texte sein können, und ja, es gibt wirklich scheußliche Texte.

Also: Wolf Schneider ist ein Mann, der sich für gutes Deutsch einsetzt und meint, es zu kennen. Genau wie viele Autoren das tun. Er ist kein Gott, der alles weiß. Er ist auch keine Puppe, die unvoreingenommen ist und keine eigenen Vorlieben besitzt. Er ist ein Mensch. Ein Mensch, der sich mit der deutschen Sprache auseinandergesetzt hat, Jahre - Jahrzehntelang. Vielleicht bleibt dem einen oder anderen von uns sogar der Blick für etwas verborgen, das er erkannt hat, so wie viele Autoren, die sich näher mit dem Schreibhandwerk beschäftigen, früher oder später von Texten angewidert sind, die sie damals überragend fanden - einfach deshalb, weil sie es "nun besser wissen". Oder auch nicht - wer kann das sagen?


Liebe Grüße: Kalderon

Alana

Hallo Kalderon,

das entspricht genau dem, was ich denke.

Ich kann aus dem Buch sehr viel mitnehmen.

Ich bin jetzt bei dem Teil über die Satzzeichen angekommen und muss sagen: Es überrascht mich, wieviel das ausmacht.
Ich gehöre zu denen, die Doppelpunkt und Semikolon nicht benutzen, habe aber vor, das zu ändern; da wo es hinpasst.

Alhambrana

Lomax

Zitat von: Alana am 11. Januar 2009, 10:56:21Ich gehöre zu denen, die Doppelpunkt und Semikolon nicht benutzen, habe aber vor, das zu ändern; da wo es hinpasst.
... und ich benutz das jetzt gerad wieder weniger, weil ich keine Lust mehr auf die Diskussionen im Lektorat habe >:( Man sollte die Fraktion, die gar nichts damit anfangen kann, nicht unterschätzen.

Alana

Hm, das ist allerdings schade.
Ich meine, man sollte es damit nicht übertreiben, aber ich denke schon, dass es einen Text lebendiger gestalten kann.
Alhambrana