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Du, Sie oder Ihr?

Begonnen von Schelmin, 01. Januar 1970, 01:00:00

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Schelmin

Hi!
Durch den Beitrag "Sprachgebrauch" bin ich nachdenklich geworden und wegen meines Romans etwas verunsichert. Ich wüßte gerne mal Eure Meinung zu einem Problem:
Ich schreibe an einem Fantasykrim. Meine Ermittler siezen die anderen Leute.
Was meint ihr? Paßt das gar nicht, oder ist es okay? Welche Alternativen könnte es geben?

Lastalda

Was ich vor allem noch nicht gesehen habe ist "Sie" und "Ihr" in einem Buch. Normalerweise nimmt man "Ihr" ja als höfliche Anredeform für Fremde, egal ob höhergestellt oder nicht. Von der Bedeutung her hätte ich "Ihr" und "Sie" immer als gleichwertig betrachtet...

Was das "Mr"/"Mrs" angeht... mich stört sowas in "normaler" Fantasy, und zwar masiv, aber das hängt natürlich sehr vom Stil der Geschichte ab.
Wenn man mal von HdR absieht, ist die Sprache in den meisten fantasyromanen ja modern gehalten, aber modern ist ja ncihtgleichbedeutend mit Anglizismen. Im Alltag sprichst Du ja auch moderne Sprache (nehme ich jedenfalls mal an ;)) und da redest Du Deine Nachbarin bestimmt auch nciht mit "Mrs ..." an, oder?

Ronya

Hallo Schelmin
ich an deiner Stelle würde das Ihr durchziehen. Also in meiner Geschichte wird jeder mit Ihr angesprochen, der über einem Bauern steht, Alter ist dabei egal. Es sieht wirklich manchmal ein bisschen komisch aus, wenn ein älterer Bauer einem jugendlichen Adligen begegnet und der junge den älteren immer nur mit Du anspricht und der ältere den Jüngeren mit Ihr, aber anders würde es verfälscht wirken.
Gruß Ronya

Termoniaelfe

Schwierige Frage.

Ich denke, dass die Anrede zur Umgebung und zur Handlung passen sollte.

Meine Geschichte spielt in zwei Welten. Anfangs in England (im Jahr 2000) dort benutze ich Mr., und Mrs, und so.

Später spielt sich alles in Termonia ab und dort sagen meine Elfen Du zueinander. Nur mein böser Barkasan (Herrscher über Termonia) und seine rechte Hand, die Zauberin Yoola, werden von ihren Untertanen mit Ihr,  oder Ehrwürdiger Barkasan und so was,  angesprochen.

viele Grüße Renate

Moni

ZitatMeine Geschichte spielt in zwei Welten. Anfangs in England (im Jahr 2000) dort benutze ich Mr., und Mrs, und so.

Dazu folgendes: im Englischen steht Mr. und Mrs. für Herr und Frau... da die Leute in England Englisch sprechen, solltest du überlegen, Herr und Frau zu verwenden...
Deutsch ist die Sprache von Goethe, von Schiller...
und im weitesten Sinne auch von Dieter Bohlen[/i]
Stefan Quoos, WDR2-Moderator

»Gegenüber der Fähigkeit, die Arbeit eines einzigen Tages sinnvoll zu ordnen,
ist alles andere im Leben ein Kinderspiel.«[/i]
Johann Wol

Termoniaelfe

Dazu folgendes: im Englischen steht Mr. und Mrs. für Herr und Frau... da die Leute in England Englisch sprechen, solltest du überlegen, Herr und Frau zu verwenden...
[/quote]


Da hast du schon recht. Aber ich finde das *Frau Mc. Alaster, oder Herr Dicks* sich nicht so gut lesen wie *Mrs. Mac Alaster und Mr. Dicks. Ich weiß es nicht . Ich bin verwirrt  ???

Aneirin

Hallo Schelmin,

ich benutze immer die anrede Ihr. Ich sehe das als alterrümliche höfliche Anrede an, als Vorläufer zum heutigen Siezen. Ich habe mich so sehr an das "Ihr", dass sich schon mal jemanden so angeredet habe statt mit Sie. Der hat große Augen gemacht  :D

Ich halte es allgemein so:

wenn der Rangniedrigere mit dem Ranghöheren spricht, nimmt er die höfliche Form, also Ihr ect.

sprechen zwei Ranggleiche miteinander, benutzen sie ebenfalls Ihr ect.

sprechen zwei Freunde miteinander, duzen sie sich

spricht der Ranghöhere mit dem Rangniedrigeren, duzt er ihn bei großem Rangutnerschied, bei kleinem Rangunterschied nehme ich Ihr ect. (da lasse ich mein Gefühl walten)

der Herrscher duzt grundsätzlich alle :) er darf das.

In deiner verhörsituation würde ich selbstverständlich die Ihr-anrede benutzen. Das wird wohl der Mutter aus der Oberschicht zustehen. Die einzelnen Stadtwache ist selten hochgeboren oder gehört der Oberschicht an, also eher Leute aus dem Volk und die müssen höflich sein. Die gehen allerhöchstens zum Du über, wenn die Muter die Mörderin ist oder wenn sie sie herabwürdigen wollen.

Grüße
Aneirin

Moni

@Schelmin: es gibt da noch eine weitere Möglichkeit wenn der Ranghöhere mit dem Rangniederen spricht, nämlich "Er" oder "Sie" als Anrede.
Bsp.: "Gehe er mir aus den Augen" ; "Verlasse sie den Raum" etc.
Deutsch ist die Sprache von Goethe, von Schiller...
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Stefan Quoos, WDR2-Moderator

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Linda

#8
Hallo Schelmin,

es gibt einige Beispiele, für den Gebrauch des Sie.
Ich persönlich würde es von der Stimmung des Werkes und dem Ambiente abhängig machen.

Bei Druidenblut etwa, das in einem Parallel-London spielt, wo es Kelten, Magie usw gibt und ein Fantasy-Gegenstück von Sherlock Holmes ermittelt, ist das Sie selbstverständlich unter den Gleichgestellten und Bürgern, es sei denn man duzt sich privat. Die Queen, nun, die wird mit Ihr angesprochen, ebenso wie die anderen Majestäten.

Warum? Das Ambiente ist eben viktorianisch und da passt das Sie, während das Ihr unter Bürgern grausig klänge.

- Im übrigen war das natürlich die Entscheidung des Übersetzers, denn im Englischen gibt es ja gar kein Sie  ::)

Die Wahl der Anrede ist also ein spezifisch deutsches Problem. Und da hierzulande die Fantasy-Literatur doch stark von Übersetzungen geprägt ist, hat sich durch die Entscheidungen zugunsten des archaischen Sprachgebrauches das Ihr eingebürgert.
  Nötig ist es nicht. Man kann verschiedene Standesebenen auch so  unterscheiden, dass geSiezt und geIhrzt wird.

Ich finde es kommt auch auf die "Modernität" deiner Regierungsform an, ob es eine Kasten- oder Klassengesellschaft gibt etc. pp.
Wenn ich in deiner Zusammenfassung folgende Stichworte lese "Fantasy-Krimi" und "größere Stadt", dann würde ich tatsächlich für das Sie plädieren.

Probleme bekommst du höchstens mit den Lesererwartungen s. o. - Und die sind, gerade wie die Klischees in der Fantasy ziemlich zementiert.
Allerdings hast du bereits ein etwas ungewöhnlicheres Konzept, die unübliche Anrede gibt dir Gelegenheit, dich noch stärker von der "Masse" abzuheben.

Gruß,
Linda

Moni

#9
ZitatDie Wahl der Anrede ist also ein spezifisch deutsches Problem. Und da hierzulande die Fantasy-Literatur doch stark von Übersetzungen geprägt ist, hat sich durch die Entscheidungen zugunsten des archaischen Sprachgebrauches das Ihr eingebürgert.  
  Nötig ist es nicht. Man kann verschiedene Standesebenen auch so  unterscheiden, dass geSiezt und geIhrzt wird.
Außer im englischen Original steht "thou" oder "thy", denn denn ist "Ihr" bzw "Euch"die korrekte Form...

ZitatWenn ich in deiner Zusammenfassung folgende Stichworte lese "Fantasy-Krimi" und "größere Stadt", dann würde ich tatsächlich für das Sie plädieren.

Würde ich ähnlich sehen, es sei denn, die Stadt ist mittelalterlich, dann wäre das "Sie" wieder deplaziert.

In welche Epoche würdest du deine Geschichte denn einordnen?
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Stefan Quoos, WDR2-Moderator

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Linda

ZitatIch befürchte auch, daß ich Leser enttäuschen könnte, wenn ich zu sehr vom Standard abweiche. Ebenso schlimm wäre es Lektoren zu enttäuschen.
 :-/
Schelmin


um Leser zu enttäuschen, musst du zuerst mal an den Lektoren vorbeikommen. Und da gilt es aufzufallen, damit sie dich in dem Wust anderer, unverlangter Manuskripte überhaupt wahrnehmen.
Ich würde dir erst mal zur Lektüre von modernerer Stadt-Fantasy raten. Stichwort 'Urban Fantasy'. Dann kannst du vielleicht besser abwägen, was passend ist und was nicht.

Linda

#11
ZitatAußer im englischen Original steht "thou" oder "thy", denn denn ist "Ihr" bzw "Euch"die korrekte Form...

also, das ist mir das letzte Mal bei Shakespeare begegnet. An eine modernere Fantasy kann ich mich jetzt konkret nicht erinnern.

Ehana

Hm, es ist wirklich schwierig, dir da einen Tipp zu geben... Ich persönlich würde dennoch auf das Sie verzichten und beim Ihr bleiben - gerade weil sich die Stadt vom Ambiente doch vom Üblichen unterscheidet, könnte das Sie dazu beitragen, dass das Ganze auf den "durchschnittlichen" Fantasy-Leser noch ungewohnter, wenn nicht sogar befremdlich wirkt. Ein altbekanntes Element wie die Verwendung des Ihr (bzw. die Nichtverwendung des Sie) könnte da helfen, dass man sich dennoch "heimisch" fühlt.
Vielleicht könntest du zur Unterscheidung des höchsten und des zweiten Standes besondere Floskeln einführen, die man im Gespräch mit Angehörigen der obersten Schicht zu benutzen hat. Auf diese Weise könntest du zwischen den beiden Höflichkeitsebenen differenzieren, ohne das Sie verwenden zu müssen.

Ich persönlich halte es mit der Verwendung des Ihr wie Aneirin, mit der Ausnahme, dass Herrscher bei mir nicht alle duzen, sondern Adelige usw. auch mit "Ihr" ansprechen. ;)

Moni

Zitatalso, das ist mir das letzte Mal bei Shakespeare begegnet. An eine modernere Fantasy kann ich mich jetzt konkret nicht erinnern.
Es gibt da so ein Buch, ach, wie heißt es doch gleich, .... ja stimmt: Lord of the Rings...  ;D
Zumindest in Return of the King werfen Aragorn & Co. ziemlich mit thys und thous um sich...
Und auch ich bin mir sicher es auch in anderen Fantasybüchern schon gelesen zu haben.
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Linda

#14
ZitatEs gibt da so ein Buch, ach, wie heißt es doch gleich, .... ja stimmt: Lord of the Rings...  ;D
Zumindest in Return of the King werfen Aragorn & Co. ziemlich mit thys und thous um sich...
Und auch ich bin mir sicher es auch in anderen Fantasybüchern schon gelesen zu haben.

Hi Moni (und andere Interessierte)

Ja, das nette Büchlein habe ich das letzte Mal im Original vor meiner Abiklausur im Englisch LK gelesen - mit anderen Worten vor laaanger Zeit.  :)
Jetzt will ich es aber genau wissen...

*kram raschel*

und in meinem kleinen Langenscheids steht sogar, dass die Redewendung thou bedeutet, dass man jemanden duzt, bzw der Sprachgebrauch eines gehobenen Du's. Hüstel. Für thy gildet dann das gleiche in der Bedeutung von dein...

Also, um nochmal auf den Punkt zurückzukommen. Übersetzen ist keine exakte Wissenschaft. Es wird dabei immer kräftig interpretiert und die freieren Übersetzungen sind nicht immer die schlechtesten.
Jedenfalls hat sich das "Ihr" meiner Ansicht nach verstärkt durch Übersetzungen in das deutsche Fantasy-Genre eingeschlichen. Es ist nicht viel mehr als eine Konvention.
Das Problem taucht auch nur dann auf, wenn eine stark stratifizierte Gesellschaft beschrieben wird. Schreibt man unter Gleichgestellten, und es taucht ab und zu mal ein König auf, der den Pluralis majestatis verdient, dann ist das auch noch gut lesbar.
Wenn sich allerdings zu viele Leute ständig Ihrzen, dann finde ich persönlich das etwas umständlich.

Bei mir Ihrzen sich die Leute oft, um eine gewisse Distanz aufzubauen, aus psychologischer Sicht oder weil ein tatsächliches Rang/Machtgefälle vorhanden ist. Ich baue das aber, falls möglich, so schnell wie machbar ab, einfach weil es umständlich ist. :)
Nicht dass jetzt jeder denkt, ich würde kommunistische Manifeste verfassen - ich bleibe nur häufig in einem recht engen, sozialen Feld, wo die Ansprache meist doch das du ist. Freunde, Verwandte, Weggefährten und Kollegen, Kameraden ... hier ist mir das Du lieber.

Aber Modernismen sind eben nicht immer schlecht, auch wenn sie in der Fantasy von den Lesern mit Misstrauen beäugt werden

Bei einem Fantasy-Text von mir hat ein Betaleser z.B. den Begriff "Polizei" angestrichen und fand ihn zu modern. Aber Stadtwache Garde etc passte eben nicht! Es war eine Großstadt und es war eine paramilitärisch organisierte Polizei... wieso soll ich also diesen Begriff meiden, nur weil er auch heutzutage noch verwendet wird?

Das jetzt nur als Bleistift, dass es in der Fantasy durchaus die Möglichkeiten gibt, sie aber leider zu selten genutzt werden.

 Etwas pathetisch gesagt, möchte ich die Möglichkeiten der Sprache im künstlerischen Sinne voll ausschöpfen.
Ich mag es, ungewöhnliche Wendungen zu gebrauchen und altertümliche Worte alleine um des Klanges willen zu verwenden, wenn es in den Zusammenhang passt
Aber die Freiheit, in einer vollkommen fiktiven Geschichte auch eine fiktive Kultur mit eigenen Sprachregeln darzustellen, die ist mir persönlich ebenso wichtig.
Ich schreibe schließlich Fantasy, keine historischen Romane und bin damit an keine Epoche gebunden.
Bevor es jetzt aber zu weit vom Thema abgeht...

Guten Abend!

Linda