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Gender-gerechte Bezeichnungen in Romanen

Begonnen von Lothen, 30. Januar 2019, 13:38:50

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Evanesca Feuerblut

Ich möchte kurz betonen, dass der Artikel nicht von mir stammt, sondern von Carmilla de Winter. Ich habe ihn nur gepostet!

Persönlich halte ich das ausschließliche Nutzen von Neopronomen ebenfalls für eher unpraktisch und sperrig.

Lothen

Danke schon einmal für eure ausführlichen Antworten bis hier!  :pompom:

Zitat von: Tintenteufel1. Sprache konstruiert und transportiert Sozialität, Kultur usw.
Genau das war in meiner Überlegung der springende Punkt. Für "Sand & Wind" habe ich bewusst ein Setting kreiert, in dem es eine völlige Gleichstellung von Männern und Frauen gibt, und das würde ich gerne auch sprachlich transportieren. Deswegen erscheint mir weder die durchgängige Verwendung des generischen Maskulinums noch des generischen Femininums sinnvoll.

Die Idee, abzuwechseln, finde ich auch nicht blöd, allerdings sehe ich auch die Probleme, die @Churke aufgeworfen hat: Wie verklickere ich das den Leser*innen, also dass beide Bezeichnungen - nehmen wir "Soldaten" und "Soldatinnen" - sowohl eine gleich- als auch eine gemischtgeschlechtliche Gruppe anzeigen können, ohne, dass ich das irgendwo erklären muss. Schwierig.

Eine meiner Überlegungen geht aber in eine ähnliche Richtung: Ich habe vermehrt versucht, einigermaßen homogene Gruppen zu bilden und damit abzuwechseln. Also einmal eine Gruppe von Soldatinnen, an anderer Stelle eine Gruppe von Kriegern usw. Das ist auch ein bisschen faul, zugegeben, aber es macht die Dinge dann etwas einfacher, wenn es wirklich nur darum geht, ein Szenario zu beschreiben. ;D

Zitat von: Rosentinte am 30. Januar 2019, 19:45:58
Ich frage mich mehr und mehr, ob die Problematik nicht darin liegt, dass wir es einfach nicht gewöhnt sind, Gendersternchen und co. nicht in Prosatexten zu sehen. In anderen Worten: Vielleicht müssen wir einfach nur damit anfangen. Es liest sich vielleicht jetzt noch nicht schön und es ist nervig, weil es bei Word immer angestrichen wird, aber wie soll sich Sprache sonst ändern, wenn wir sie nicht bewusst einsetzen?
Das ist ein wirklich guter Punkt, Rosentinte, da bin ich total bei dir.  :jau: Ich denke mir auch immer wieder: Als Fanatsy-Autor*innen erfinden wir ganze Welten, eigene Sprache, Kultur, Geschichte - da kann es doch nicht daran scheitern, dass es in puncto gendergerechter Sprache an Kreativität fehlt. ;D

@Shedzyala : Interessantes Beispiel, davon hatte ich auch schon gehört. Ich kenne ihre Bücher (noch) nicht, gibt es bei Ann Leckie eine inhaltliche Begründung, warum das so umgesetzt wurde, also ist die Gesellschaft auch eher auf Frauen ausgerichtet bzw. ist das von der Perspektive der Protagonist*innen beeinflusst? Oder war das einfach eine rein rationale Entscheidung von Seiten der Autor*in bzw. der Übersetzer*innen (im Englischen dürfte es das Problem ja gar nicht geben ...)?

Zitat von: Zitkalasa(Wobei es für die konkreten Beispiele von "Händlerinnen und Händler", "Studenten" und "Kriegerinnen und Krieger" auch Alternativen gibt: Kaufleute, Studierende, Armeeangehörende/ Armeeangehörige. Muss man gucken, ob es in den Kontext passt. ;D)
Genau damit versuche ich gerade ein wenig zu arbeiten, danke für die konkreten Tipps, die notiere ich gleich. Manchmal steht man echt auf dem Schlauch, Kaufleute wäre echt easy gewesen. :rofl:

Zitat von: FeeamPCWie schon gesagt, Pronomen sind eine Sprachentwicklung der letzten Jahrtausende - und haben rein gar nichts mit Gender zu tun. Oder glaubt hier jemand ernsthaft, dass die Sonne eine Frau ist und Gabel und Löffel verschiedene Gender haben?
Wie oben schon geschrieben möchte ich eig. keine Grundsatzdiskussion zu dem Thema eröffnen, aber wir sprechen ja hier auch nicht von Gabeln und Löffeln, sondern von Menschen. Und die haben durchaus ein Geschlecht, das mit dem grammatischen Genus korrespondiert und von uns als Rezipient*innen auch in dieser Form interpretiert wird. Einen Satz wie "Der Polizist zog ihre Waffe" nehmen wir als falsch war, weil Polizist = maskulines Genus, also auch maskulines Sexus.

AlpakaAlex

Ich bin in Sachtexten ein großer Fan des Gender-Sternchens, da es eine der wenigen Möglichkeiten ist, wie auch ich, als nicht-binäre Person, micht von einem Text eingeschlossen fühle. Etwas, dass bei "Leserinnen und Leser" nicht unbedingt gegeben ist.

Abseits davon ist Deutsch allerdings ein verflucht frustrierende Sprache in der Hinsicht. Etwas, das nicht dadurch gebessert wird, dass irgendwann nach dem letzten Weltkrieg offenbar beschlossen wurde, dass die Entwicklung der deutschen Sprache jetzt vorbei sei, abseits einzelner Rechtschreibreformen. Man siehe dahingehend auch die immense Gegenwehr, die einzelne Aspekte der Jugendsprache entgegen bekommen - obwohl die Entwicklung über Jugendsprache ein vollkommen normaler Teil von Sprachentwicklung ist.

Es ist einer der Gründe, warum mir bestimmte Texte leichter auf Englisch von der Hand gehen. Dort sind fast alle Nomen genderneutral, während es auch die pure Schönheit und Eleganz des Singular they gibt (:herzchen:), die übrigens nicht einmal neumodisch ist, sondern auch in uralt Texten schon genutzt wurde, wenn beispielsweise über Figuren gesprochen wurde, deren Geschlecht nicht bekannt war.

Daher komme ich allerdings auch immer auf dasselbe Problem: Meine Charaktere haben bisher alle Englisch als Muttersprache. Eine Sprache, die bei nur sehr, sehr wenigen Nomen gendert. Dann anzufangen, die Komplexität der deutschen Sprache auf ihre Texte zu nutzen, fühlt sich irgendwie falsch an. Meine aktuelle Methode ist die meiste Zeit nach der Art vorzugehen, die einige romanische Sprachen nutzen: Hat eine Gruppe mehr Männer als Frauen? Dann generisches Maskulinum. Hat eine Gruppe mehr Frauen? Generisches Femininum.
 

Atra

Ich lehne das Gendersternchen in einem Prosatext ab, ebenso wie überall sonst auch. Das liegt daran, dass ich die Debatte inzwischen nervig und müßig finde. Da bevorzuge ich, wie es hier auch schon genannt wurde, die ohnehin neutralen Bezeichnungen :jau:
Für einen Roman würde ich zudem auf etwas wie Kriegsleute, Händlersluud, Handwerksch, usw. ausweichen. Also es muss jetzt nicht unbedingt so zusammengesetzt sein, wie in den Beispielen, doch für eine Bezeichnung, die beide/alle Geschlechter enthalten soll, finde ich so eine Löschung am angenehmsten zum Lesen.
"Man muss erst zum Leben aufstehen, bevor man sich niedersetzt zum Schreiben."
(Henry David Thoreau)

Lothen

#19
Zitat von: NelaNequin am 31. Januar 2019, 09:42:46
Abseits davon ist Deutsch allerdings ein verflucht frustrierende Sprache in der Hinsicht.
O ja, da sprichst du ein großes Wort gelassen aus. :rofl: Ich schreibe zwar keine Prosa auf Englisch, aber bei meinen wissenschaftlichen Papern ist es so eine Erleicherung, im Englischen nicht (oder kaum) gendern zu müssen.

In Fantasy-Settings ist es ja nicht minder kompliziert. Ich kann mir z.B. gut vorstellen, dass in einem System, in dem alle Geschlechter vollständig gleichgestellt sind, gar keine gegenderten Nomen (mehr) existieren. Nur kann man sich ja auch schlecht für alles Eigenbezeichnungen ausdenken, da werden die Leser*innen kirre. Irgendwie muss man die Fantasy-Sprache also sinnvoll ins Deutsche übertragen.

Für die Integration nicht-binärer Menschen habe ich aktuell auch noch keine gute Lösung. :( Da würde wirklich nur funktionieren, neutrale Begriffe zu wählen, aber da fällt mir doch schwer, immer etwas Stimmiges, Passendes zu finden.

ZitatMeine aktuelle Methode ist die meiste Zeit nach der Art vorzugehen, die einige romanische Sprachen nutzen: Hat eine Gruppe mehr Männer als Frauen? Dann generisches Maskulinum. Hat eine Gruppe mehr Frauen? Generisches Femininum.
Das ist auch keine schlechte Lösung!  :jau:

Silvia

Uff. Ich würde Gendersternchen-Fantasy-Bücher vermutlich sofort wieder zuklappen. So, wie ich es auch bei Büchern mit Protagonistennamen tue, bei denen es mich schon auf der ersten Seite graust, die bis zum Ende auf jeder lesen zu müssen.  ;)

Frage dazu: Müsste man genderangepasste Sprache nicht eigentlich abhängig von dem Entwicklungsstand diesbezüglich in der Welt verwenden? Wenn es in der also (bisher) offiziell nur die Männlein und Weiblein gibt, dann hat diese Welt und Sprache es auch noch nicht nötig gehabt, eine extra Bezeichnung dafür zu erfinden - also wie bei uns bis vor kurzem.

Coppelia

#21
Unter einer gendergerechten Sprache würde ich jetzt nicht nur eine Sprache verstehen, bei der Männer und Frauen als gleichberechtigt wahrgenommen werden, sondern in der alle Geschlechter repräsentiert sind.

Wie hier auch schon geschrieben wurde, glaube ich, dass die Perspektive/Wahrnehmung der Figur eine entscheidende Rolle spielt. Um das genannte Ziel zu erreichen, müsste die Figur selbst ihre Umgebung so wahrnehmen, dass sie nicht nur Männer und Frauen, sondern alle Geschlechter ganz selbstverständlich wahrnimmt. Ansonsten besteht meiner Ansicht nach die Gefahr, dass zu sehr die Autoren-/Erzählerstimme durchkommt und der Text weniger "organisch" ist.
Es ist natürlich gut möglich, eine Welt zu erdenken, in der eine gendergerechte Wahrnehmung selbstverständlich ist. Daher würde mich mir vorstellen, wie die Figur die Welt sieht, weniger, wie ich als Autor*in formulieren möchte. Ich glaube, dass einem mit dieser Figuren-"Brille" passende Ausdrücke leichter in den Sinn kommen.

Was ich außerdem tun würde, wäre wahrscheinlich, neben den schon genannten geschlechtsneutralen Sammelbegriffen immer mal wieder Einzelpersonen als Vertreter*inen einer Gruppe herauszupicken und kurz zu beschreiben.

Gendersternchen sind ein Element aus der Amtssprache unserer Welt. Es ist in meinen Augen daher schwierig, sie eins zu eins ins Genre Fantasyroman und eine andere Welt zu übertragen. Ausschließen würde ich das aber auch nicht, mir aber lieber eine zu der Welt passende Lösung überlegen (wenn diese Lösung passt: warum nicht).

Edit: Da die Wahrnehmung in unserem Kulturkreis eher zu binären Geschlechtern tendiert, ist es möglich, dass eine abweichende Wahrnehmung der Figur den Text für Leser*innen schwerer zugänglich macht. Das kann umso stärker der Fall sein, desto auffälliger die Abweichung gekennzeichnet ist. Durch das Gendersternchen wäre es meiner Ansicht nach recht auffällig.

Sonnenblumenfee

Ich stolpere sowohl beim Lesen als auch beim Schreiben nach wie vor über den Genderstern (und benutze ihn auch eher selten, obwohl ich es im Prinzip wichtig finde, alle einzuschließen). Ich befürchte, dass es vielen so geht. Nach wie vor ist der Genderstern alles andere als Mainstream. Ich kenne zum Beispiel keinen einzigen juristischen Text, in dem diese Form verwendet würde, und das ist alles andere als schöne Prosa. Auch in den Medien habe ich den Genderstern noch selten gelesen. Wenn ich mit anderen spreche, merke ich, dass einige den Genderstern nicht kennen und/oder ablehnen. Wenn ich ihn verwende, werde ich häufig darauf angesprochen. Und zwar insbesondere auch von jungen und gebildeten Menschen. Dazu kommt, dass bei vielen das Verständnis aufhört, wenn es um nicht-binäre Geschlechter geht (und ich gebe zu, dass ich persönlich es auch schwer finde, das nachzuempfinden, auch wenn ich es respektiere), sodass der Vorzug gegenüber dem Binnen-I von vielen gar nicht wahrgenommen wird. Das muss nicht heißen, dass man es nicht machen darf bzw. soll, aber wenn man sich dafür entscheidet, muss einem bewusst sein, dass der Großteil der Leser*innen darüber stolpern und einige das Buch vielleicht auch gerade deswegen ablehnen werden. Ich kann mir gut vorstellen, dass es als Provokation empfunden würde.

Daher würde ich persönlich auch eher zu Gender-neutralen Begriffen greifen, wo es möglich ist. Allerdings gibt es leider viel zu viele Begriffe, wo es keine sinnvollen Alternativen gibt bzw. wo teilweise die Bedeutung verändert wird. Damit meine ich nicht nur das bekannte "um Studierender zu sein muss man kein eingeschriebener Student sein", sondern auch Beispiele wie "Armeeangehörige". Das ruft bei mir ein ganz anderes Bild hervor als "Krieger". Ebenso ist "Soldat" und "Krieger" nicht immer austauschbar. Wenn durch die Verwendung neutraler Begriffe solche Bedeutungsunterschiede verloren gingen, fände ich das schade.

Über das generische Femininum würde ich persönlich auch stolpern, aber mich vermutlich schneller daran gewöhnen, als beim Genderstern. Wie man allerdings deutlich macht, dass "Kriegerinnen" eine gemischt-geschlechtliche Gruppe ist, weiß ich auch nicht. Die Variante von NelaNequin, nach der Mehrzahl zu gehen, finde ich auch interessant (wobei mir keine romanische Sprache bekannt ist, in der das tatsächlich so gehandhabt wird. Meines Wissens ist es sowohl im Französischen als auch im Spanischen so, dass das generische Maskulinum verwendet wird, sobald auch nur ein Mann (bzw. ein Nicht-Frau) in der Gruppe ist) - das dem Leser zu vermitteln dürfte allerdings ähnlich schwer sein. Dadurch hätte man aber zumindest beim Schreiben einen gewissen Leitfaden, wann man was benutzt. Probleme gibt es dann nur bei größeren Gruppen, wo man nicht die genaue Zusammensetzung kennt (und sie auch nicht wichtig ist), oder bei Gleichzahl.

EDIT: hat sich mit Lothen, Silvia und Coppelia überschnitten
"Discipline is my freedom" - Gretchen Rubin

AlpakaAlex

Zitat von: Silvia am 31. Januar 2019, 10:09:44
Frage dazu: Müsste man genderangepasste Sprache nicht eigentlich abhängig von dem Entwicklungsstand diesbezüglich in der Welt verwenden? Wenn es in der also (bisher) offiziell nur die Männlein und Weiblein gibt, dann hat diese Welt und Sprache es auch noch nicht nötig gehabt, eine extra Bezeichnung dafür zu erfinden - also wie bei uns bis vor kurzem.
Ich finde "Entwicklungsstand" in der Hinsicht etwas fehlleitend. Ein Teil der Bronzezeitalter und antiken Kulturen hatte bereits ein drittes Geschlecht, das vorrangig, aber nicht ausschließlich für Intersexpersonen genutzt wurde (zumindest im alten Ägypten haben wir Dokumentation, dass es auch ein paar Leute gab, die von den Genitalien deutlich zuzuordnen waren, die als dieses dritte Gender in Tempeln gelebt haben). Auch diverse altamerikanische Kulturen hatten solche Konzepte, hatten teilweise sogar recht fortgeschrittene Konzepte, um mit Transgender umzugehen. Gerade Intersex wurde in diversen Kulturen sogar als etwas Heiliges angesehen, weil sie männliche und weibliche Eigenschaften in sich vereinen. Nicht zuletzt deshalb haben wir auch häufiger nicht-binäre "Boten der Götter" in diversen Mythen. (Christliche Mythologie ist ja mit Engeln dahingehend nicht anders.)
 

Evanesca Feuerblut

ZitatMüsste man genderangepasste Sprache nicht eigentlich abhängig von dem Entwicklungsstand diesbezüglich in der Welt verwenden? Wenn es in der also (bisher) offiziell nur die Männlein und Weiblein gibt, dann hat diese Welt und Sprache es auch noch nicht nötig gehabt, eine extra Bezeichnung dafür zu erfinden - also wie bei uns bis vor kurzem.
Genau das ist ja beispielsweise mein Problem.
Ich habe ein Conlang - wobei es keine eigene Welt ist, sondern eine alte Epoche unserer Welt - bei dem es keine grammatischen Genera gibt. Es gibt einige wenige Wörter, die ausschließlich Personen mit einem bestimmten Geschlecht meinen (und meine Stadt ist nicht SO fortschrittlich, die machen das an Genitalien fest, ob jemand weiblich ist und somit Privilegien hat oder männlich und somit keine hat). Wenn also jemand der Königin berichtet, die "Azarethim" hätten irgendetwas getan, sind die Azarethim eine gemischtgeschlechtliche Gruppe. Aber das Deutsche erlaubt mir hier nur entweder "Wächter" (wodurch man sich nur Männer vorstellen wird), "Wächterinnen" (wodurch man sich nur Frauen vorstellen wird) oder eben "Wächter*innen"/"Wächter_innen"/"WächterInnen" - was dazu führen würde, dass man sich eine gemischte Gruppe vorstellt, was außerdem "Azarethim" wirklich akkurat darstellen würde, aber doof aussieht.

Shedzyala

Zitat von: Lothen am 31. Januar 2019, 09:34:45
@Shedzyala : Interessantes Beispiel, davon hatte ich auch schon gehört. Ich kenne ihre Bücher (noch) nicht, gibt es bei Ann Leckie eine inhaltliche Begründung, warum das so umgesetzt wurde, also ist die Gesellschaft auch eher auf Frauen ausgerichtet bzw. ist das von der Perspektive der Protagonist*innen beeinflusst? Oder war das einfach eine rein rationale Entscheidung von Seiten der Autor*in bzw. der Übersetzer*innen (im Englischen dürfte es das Problem ja gar nicht geben ...)?

Die inhaltliche Begründung ist, dass die Kultur der Protagonistin keine Geschlechter kennt. Wenn sie sich in einer anderen Sprache unterhält, hat sie auch immer große Probleme, das Geschlecht der anderen Personen zu erraten, weil sich in ihrer Kultur zB auch Männer schminken. Sie hat also nur statistisches Wissen wie Männer sind meistens größer und breiter, aber es gibt eben auch große und breite Frauen ...
Es gibt im Buch übrigens ein interessantes Vorwort des Übersetzers, in dem er über seine Arbeit und die Schwierigkeiten bei der Übersetzung spricht, da im Deutschen das Geschlecht ja wesentlich stärkeren Einfluss auf die Wörter hat als im Englischen. Das sollte theoretisch vollständig beim Blick ins Buch auf Amazon lesbar sein :)
Wenn sie dich hängen wollen, bitte um ein Glas Wasser. Man weiß nie, was passiert, ehe sie es bringen ...
– Andrzej Sapkowski, Die Dame vom See

Tigermöhre

Meiner Meinung nach liegt das Problem bei gendergerechter Sprache im Deutschen darin, dass das Maskulinum und das Femininum nicht gleichwertig sind.
Die weibliche Form ist, genau wie die neutrale Form, ein Anhängsel an die männliche Form.
Für eine wirklich gleichberechtigte Sprache bräuchte man eine neutrale Grundform mit jeweils einer männlichen, einer weiblichen und einer geschlechtslosen Form.
Also: "Das Autor", "Die Autorin", "Der Autoron", "Das Autorix".

Churke

Zitat von: NelaNequin am 31. Januar 2019, 09:42:46
Es ist einer der Gründe, warum mir bestimmte Texte leichter auf Englisch von der Hand gehen. Dort sind fast alle Nomen genderneutral,

Gerade das finde ich extrem störend.
Wenn sich ein mercenary nach einer halben Seite als "she" entpuppt und so. Das biologische Geschlecht ist eben nicht so nebensächlich, wie gerne behauptet wird.

Zitat von: FeeamPC am 31. Januar 2019, 07:40:45
Wie schon gesagt, Pronomen sind eine Sprachentwicklung der letzten Jahrtausende - und haben rein gar nichts mit Gender zu tun. Oder glaubt hier jemand ernsthaft, dass die Sonne eine Frau ist und Gabel und Löffel verschiedene Gender haben?

Im Deutschen haben wir halt eine starke Übereinstimmung von biologischem oder grammatischem Geschlecht. Im Lateinischen fällt das deutlich erkennbarer auseinander.

Volker

#28
Zitat von: Tigermöhre am 31. Januar 2019, 14:33:02
Meiner Meinung nach liegt das Problem bei gendergerechter Sprache im Deutschen darin, dass das Maskulinum und das Femininum nicht gleichwertig sind.
Die weibliche Form ist, genau wie die neutrale Form, ein Anhängsel an die männliche Form.
Oder umgekehrt: es gibt eine spezifische weibliche Grammatik-Form (Autorin), die nur(!) am spezifischen Geschlecht erkennbare männliche Grammatik-Form (*der* Autor) und die allgemeine unspezifische Form, die vom Nomen her identisch zur männlichen aussieht (*ein* Autor). Spezifisch männliche Formen von Nomen gibt es nicht - mit ganz wenigen Ausnahmen für die es auch keine weibliche Grammatik-Form gibt, z.B. zu "Mann" - es gab zwar mal kurze Zeit den Hirnfuck "Amtsmännin" aber da hat es dann zu Recht Protest gehagelt.

Zudem würdeich  ja generell hinterfragen wollen, ob sich genetische Disposition, Fortpflanzungsstatus (zeugungsfähig, gebärfähig, nicht fortpflanzungfähig), sexuelle Identität (männlich, weiblich, fluid, trans*, uninteressiert/igitt), sexuelle Orientierung (hetero, homo, bi, ...), äußere Erscheinung (straight, cross, androgyn, ...) und gesellschaftliche Stellung so einfach auf eine wahrgenommen binäre Grammatikform abbilden lassen - oder ob durch eine solche Vereinfachung nicht wieder dieselben Probleme entstehen.


FeeamPC

Wenn die Geschichte gut geschrieben ist, Mann, Frau und Diverse aller Arten einfach nur als packend geschriebene Progtagenten daherkommen, dann ist es dem Leser egal, ob wir richtig oder falsch gendern, der ist dann einfach nur glücklich mit einer unterhaltsamen Geschichte, in die er eintauchen kann, ohne von Schräg- und Bindestrichen oder Sternchen und Zwischen-I zurückgehalten zu werden.