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Hinweise verstecken

Begonnen von zDatze, 27. Dezember 2010, 16:59:52

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Klecks

Was Feuertraum gesagt hat, dass der Leser mehr weiß als der Prota, finde ich total spannend. Es ist allerdings auch eine Herausforderung, das so zu machen, dass die Spannung größer ist als das Gefühl, eh schon zu wissen, was gleich kommt.  :D

Churke

Mich erinnert das ans Kindertheater. Ich glaube nicht, dass ich das als Leser gut fände.

Lothen

Na ja, zwischen "Vorsicht, Kasperle, da ist das Krokodil" und einigen wohl platzierten Hinweisen, die ein cleverer Leser ggf. eher deuten kann als der Prota, ist schon noch ein Unterschied.

Ich mag solche Stilmittel sehr, als Leser und als Autor. Da gibt es doch viele Möglichkeiten:
Die Prota denkt, ihr ist übel, weil sie was Falsches gegessen hat - der Leser weiß es besser.
Der Prota weiß nicht, wer der Täter ist, obwohl der Leser aufgrund einiger Andeutungen bereits ahnt, dass X Dreck am Stecken hat.
Der Leser ahnt, dass Y alle an der Nase herumführt, obwohl die Protas ihm stillschweigend vertrauen.
usw.

Man kann das aber, im Übrigen, auch übertreiben. Ich hab ein paar der Eberhofer-Krimis als Hörbuch gehört und da fand ich es streckenweise lästig, dass ich die Zusammenhänge schon zwei Kapitel vor dem Ermittler durchschaut hatte und der einfach nicht draufkam, obwohl es so logisch war.  :pfanne:

Sipres

Ich spiele bei solchen Dingen lieber mit dem Überraschungsmoment. Wenn der Prota etwas erfährt, dann soll der Leser im selben Moment denken: "Das hätte jetzt aber auch keiner kommen sehen können."

Ich finde es oft wirklich langweilig, wenn der Prota zu lange braucht, um hinter sehr offensichtliche Dinge zu kommen. Dann lieber einen Schock für Figur und Leser und alle sind glücklich. Oder traurig. Oder angewidert. Je nachdem, was man denn nun offenbart.

Wenn ich Hinweise streue, dann sind sie meist erst im Zusammenspiel mit der Auflösung als eindeutig offensichtlich zu erkennen. Vorher denkt man sich nicht viel dabei.

Christopher

Zitat von: Sipres am 23. März 2015, 12:50:28
Wenn ich Hinweise streue, dann sind sie meist erst im Zusammenspiel mit der Auflösung als eindeutig offensichtlich zu erkennen. Vorher denkt man sich nicht viel dabei.

Eben so sollte es sein. Die goldene Mitte da zu finden zwischen zu viel und zu wenig, ist aber denke ich nicht immer möglich. Mir persönlich fallen solche Hinweise z.b. ständig auf. Ich bin mir aber, im Gegensatz zu vielen "normalen" Lesern, dessen bewusst, dass jedes Wort gewollt und kein Zufall ist. Wenn der Autor schreibt, dass Protagonistin X morgens schlecht ist, weiß ich, dass das einen Zweck verfolgt. Und zwar nicht den, ein paar Zeilen mit Belanglosigkeiten zu füllen :P
Früher war mir sowas als Leser nicht bewusst, heute schon. Bei sowas verlass ich mich daher am ehesten auf meine beiden Betas, die selber mit Schreiben gar nichts am Hut haben. Wenn die die Hinweise nicht sofort entdecken, dann ist alles in Ordnung.
Be brave, dont tryhard.

Sipres

@Christopher: Das ist ja das Schöne am Beruf des Autors. Man schreibt nicht für andere Autoren, die genau wissen, dass alles eine Bedeutung hat, sondern für die Leser. Ich als Autor erkenne auch oft kleine Details beim Lesen, meine Freundin hingegen nicht. Und genau für Menschen wie sie sind unsere Werke ja gedacht.

Norrive

Zitat von: Sipres am 23. März 2015, 13:17:35
@Christopher: Das ist ja das Schöne am Beruf des Autors. Man schreibt nicht für andere Autoren, die genau wissen, dass alles eine Bedeutung hat, sondern für die Leser. Ich als Autor erkenne auch oft kleine Details beim Lesen, meine Freundin hingegen nicht. Und genau für Menschen wie sie sind unsere Werke ja gedacht.

Das kommt leider wie immer auf die Leser an. Meine Freunde oder bspw. mein Vater sind alle keine Autoren, trotzdem zerfetzen sie Plots schneller als man hämisch über den eigenen gewieften Twist grinsen kann.

Ich finde dieses Thema sehr schwierig, weil auch gewisse Erwartungen an unterschiedliche Genres geknüpft sind. Bei einem Krimi oder Thriller erwarte ich persönlich, und ich denke auch viele Leser, eine andere Art von Hinweis als in einem Fantasy-Epos. Ich denke, daher muss man die Hinweise durchaus unterschiedlich subtil verstecken.  Beim Thriller schreit das vorhin genannte Beispiel mit dem Blütenblatt und der gepflückten Rose gerade für geübte Thriller-Leser schon nach Irreführung, bei einer Heldenreise wäre es als tatsächliche Spur wesentlich akzeptabler.

Miezekatzemaus

Ich finde, man kann die Hinweise manchmal offensichtlich streuen, aber ich mag es auch gar nicht, wenn die Figuren dann noch zehn Kapitel brauchen, bis sie auf die Lösung kommen - gerade wenn es logisch ist oder wenn der Hinweis aus einem logischen, den Figuren bekannten, Zusammenhang kommt. Hinweise, die sich, wie Sipres das so schön beschrieben hatte, erst im Zusammenhang mit der Auflösung zu erkennen geben, finde ich am allerbesten.

Man könnte den Hinweis, wenn man will, dass der Leser so halb im Bilde ist, so verpacken, dass eine oder zwei Figuren den Hinweis kombinieren, das zu dem Zeitpunkt aber noch abwegig erscheint. Und dann müsste es natürlich einen Gegenpart aus mindestens einer weiteren Figur geben, die auf eine (möglichst zu dem Zeitpunkt deutlich logischere) Lösung pocht, sodass der Leser dann schon denkt, dass es ja nur die erste oder die zweite Variante sein kann. Allgemein finde ich es gut, mit zwei Wegen zu arbeiten - hat man also Variante A und Variante B, bleibt in den meisten Fällen bis zum Ende des Buches (also meist zur Auflösung) offen, welche Variante zutrifft.

Lothen

#38
Das Spiel mit den Perspektiven, wie Mieze das vorgeschlagen hat (POV A kennt Fakt 1 und 3, POV B kennt Fakt 2 und 4 und sie müssen das irgendwie kombinieren) finde ich auch total interessant, das hab ich in meinem Nano-Projekt ausprobiert.

Macht auf jeden Fall Riesenspaß, ist aber beim Schreiben extrem komplex, weil man als Autor dauernd alle Hinweise im Blick haben und zudem noch reflektieren muss, was der Leser behält und was nicht bzw. was er kombinieren kann und was nicht.

Ich wette, wenn man das richtig draufhat ist es definitiv der Königsweg. Aber das braucht sicherlich massig Erfahrung. Oder ein paar guter Betaleser. ;)

EDIT: OT: Was für ein süßer Avatar, Mieze!  :wolke:

Mithras

#39
Mit diesem Thema muss ich mich auch noch eingängiger auseinandersetzen, denn die Haupthandlung meines Dauerprojekts kreist darum, die historischen Ursprünge einer Religion, die im Zentrum des Konflikts steht, zu ergründen, wobei diese zum Teil fast dreitausend Jahre zurückliegen.

Ich persönlich liebe dabei vor llem falsche Fährten. Mit am schönsten hat das in meinen Augen Gosho Aoyama gelöst, der Autor/Zeichner von Detektiv Conan: Mit der Schauspielerin Chris Vineyard/Vermouth wird ein neues und aufgrund ihrer Verkleidungskünste überaus gefährliches Mitglied einer undurchsichtigen Verbrecherorganisation eingeführt, und kurz darauf präsentiert uns Aoyama auch eine wahrscheinliche Verdächtige, als die sich Vermouth ausgegeben haben könnte. Bis zu diesem Punkt ist alles noch so offensichtlich, dass man als skeptischer Leser notgedrungen daran zweifelen muss. Das Raffinierte ist vor allem, dass die vermeintlich stärksten Indizien für diese Theorie bei genauem Hinschauen die stärksten Gegenbeweise sind. Sowohl Vermouth als auch die Person, als die sie sich vermeintlich ausgegeben hat, haben an ihrer Pinwand exakt die gleichen Fotos von Personen hängen, die sie beobachten, doch wenn man genau hinschaut, fällt auf, dass die Fotos an der Pinwand der Verdächtigen einen "doppelten Rand" haben - ein Indiz dafür, dass sie von den Originalbildern an Vermouths Pinwand abfotografiert wurden, denen dieser doppelte Rand natürlich fehlt. Funktioniert genau so natürlich nur in Bildern, lässt sich aber natürlich in anderer Form auf Bücher übertragen. Mir gefällt dieser "Hinweis in einem Hinweis" sehr gut, da hier eine geschickte Ablenkungstaktik betrieben wird und man sehr leicht dazu verleitet wird, nicht zu genau hinzuschauen, weil ja alles glasklar zu sein scheint.

Gleichzeitig wird dem skeptischen Leser, dem das alles zu offensichtlich ist, noch eine weitere potentiell verdächtige Person angeboten, die aber auch nicht Vermouth ist. Die Hinweise auf ihre wahre Rolle sind dagegen sehr subtil versteckt, so dass man vermutlich nur dann auf sie stößt, wenn man von Anfang an mit der Vorstellung an die Geschichte herangeht, dass Aoyama nie so offensichtlich und platt vorgehen würde.
Doch was, wenn man keinen Vergleich hat, wie der Autor sonst mit Geheimnissen umgeht? Gerade am Anfang kann man den Leser noch recht gut in ein falsches Gefühl der Sicherheit wiegen und ihm vorgaukeln, nicht sauber, konsequent oder durchdacht genug gehandelt zu haben. Besonders effizient ist das, wenn man mit den Eitelkeiten des Lesers spielt und ihm das Hochgefühl vermittelt, ein Geheimnis gelüftet zu haben. In solchen Situationen kann er dann womöglich blind für andere Hinweise sein.

Ein weiterer entscheidende Punkt, um des Rätsels Lösung nicht zu offensichtlich zu gestalten: Vermeintlich widersprüchliche Hinweise einführen, die erst dann zusammpassen, wenn man genügend Puzzlestücke beisammen hat. Wenn der entscheidemde Hinweis dann auch noch gut versteckt ist und nicht alsob solcher auffällt - umso besser!

Hier kommt dann wieder Good Old Schorsch (George R. R. Martin) ins Spiel: Um Jon Snows Abstammung wird in den Büchern ja ein großes Geheimnis gemacht, und während Ned Stark als Vater gesetzt scheint, stellt sich sich die Frage: Wer ist die Mutter? Martin bietet mehrere Lösungen an, die sich zu widersprechen scheinen, versteckt dahinter jedoch eine weitere Möglichkeit, auf die man anscheinend nur stößt, wenn man sich im Internet herumtreibt:
Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.

Für mich steht diese Erklärung fest, seit ich das erste Buch mit ein paar weiteren Personen im Zuge einer Leserunde seziert habe, doch ich habe die Erfahrung gemacht, dass sie nur den Lesern bekann ist, die sich regelmäßig auf entsprechenden Internetseiten herumtreiben. Die meisten anderen Leser halten Ashara Dayne für die wahrscheinlichste Kandidatin, um Jons Mutter zu sein, doch das eine schließt das andere ja nicht aus.

Ich persönlich tendiere vor allem dazu, Hinweise zu verstecken, die vermeintlich offensichtlich sind, aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht richtig gedeutet werden können. Das funktioniert bisweilen erstaunlich gut (und mal wieder muss Martin als Beispiel herhalten): Daenerys' Visionen in Qarth nehmen (nur in den Büchern) die entscheidende Wendung im Krieg zwischen den Starks und den Lannisters voraus, und doch hatte ich diese Szene völlig vergessen, als diese Wendung dann tatsächlich eintrat - was wahrscheinlich daran lag, dass so viele Visionen auf den Leser einstürmten, dass ich mich nur auf diejenigen konzentriert habe, die nicht mehr unmöglich waren und die ich direkt zu deuten vermochte - weshalb mich auf der vermeintliche "Draco ex machina" im fünften Originalband nicht wirklich überrascht hat.

Man kann es mit diesen offensichtlichen Hinweisen aber auch übertreiben, womit wir denn bei Erikson wären. Sein Rätselraten basiert vor allem auf einer Informationsflut, die er an unvorhergesener Stelle auf den Leser loslässt, während er ihm an anderen Stellen grundlegendes Wissen vorenthält. Diese Hinweise sind dabei selten subtil eingeflochten, sondern recht offensichtlich - man wird von ihnen jedoch derart erschlagen, dass man die Hälfte wieder vergessen hat, ehe man an der entscheidenden Stelle angelangt ist. Hier fehlen in meinen Augen vor allem die Widersprüche, die alternativen Erklärungen und die falschen Fährten, die es schwer machen, eine einzige Theorie zu verfolgen, ohne auf Unstimmigkeiten zu stoßen.

In meiner eigenen Geschichte halte ich es momentan überwiegend genau so. Gleich der Prolog beginnt mit einem Rätsel: Wie kommen Wandmalereien, die Ereignisse aus der Zeit vor etwa eintausend Jahren zeigen, in eine Grabkammer, die vor über zweitausend Jahren versiegelt und seitdem offenbar nicht mehr geöffnet wurde?
Des Rätsels Lösung: Wer sagt, dass sich diese Dinge wirklich vor einem Jahrtausend ereignet haben? Nur die Heilige Schrift, ind die wurde, wie sich später herausstellen wird, unter anderem von derjenigen Person geschrieben, die das Grab vor mehr als zwei Jahrtausenden versiegelt hat. Ich versuche, die Hinweise an verschiedenen Stellen subtil und aus dem Zusammenhang gerissen einzustreuen, während ich gleichzeitig alternative Erklärungen anbiete, um die Zusammenhänge zu verschleiern; das entscheidende Puzzlestück, das alles miteinander verknüpft, folgt jedoch erst unmittelbar vor der Enthüllung.

Churke

Ich denke, bei guten Hinweisen verhält es sich wie wie mit antiken Orakelsprüchen: Die versteht man auch erst, wenn das Ereignis eintritt.

Koboldkind

*leichen fleddern*
Weil ich grade einen Krimi schreibe. Von dem ich selbst nicht weiß, welche Hinweise es alles gibt, ich schreibe noch daran.
Habe ein paar Rote Heringe in den Ring geworfen und selbst wieder vergessen, dafür hat sich die Eingangsfrage "Wer war der Auftraggeber des Mordes?" auch schon gewandelt zu "Was haben diese Drogen damit zu tun?", während andere Mini-PoVs ganz andere Anliegen haben. Ganz ehrlich, ich kann grade nicht sagen, wie ich die Hinweise am besten verstecke, ich bin da grade meine eigene Leserin. Aber ich denke aktuell werde ich mich darauf verlegen, dass verschiedene PoVs unterschiedliche Interpretationen haben. Person A ist für den einen ein netter Kerl und Fachmensch, für den anderen stimmt irgendwas im Bauchgefühl nicht, und für den dritten steht Person A nur im Weg. Frage, kommt das Foto von Person A jetzt an die Korkwand der Ermittlungen? Kommt wieder drauf an, welcher Interpretation der anderen meine Prota mehr glaubt.
Ich hoffe, das geht irgendwie auf. Anfangs habe ich auch mit Gegenständen gespielt, den DIebstahl eines Buchs als offensichtlicher Hinweis auf die Quelle der Droge platziert, aber mal sehen, wie das in der Überarbeitung dann aussieht. Tendiere grade eher dazu, die Hinweise im Zwischenmenschlichen zu verstecken, dem, was die Zeugen der Prota nicht sagen, eine andere PoV aber erfährt ... mal sehen. (und immerhin ist der Thread jetzt weiter oben, um nochmal Inspiration raus zu holen ;)
Wer jetzt nicht wahnsinnig wird, muss verrückt sein.

Nycra

@Koboldkind Als ich den ersten Victorian Secrets geschrieben habe und er ein reiner Mystery-Thriller sein sollte, hab ich auch rote Heringe verteilt, aber tatsächlich oft erst hinterher. Ich musste viel umstellen, neuschreiben und neu gestalten, aber das hat echt gelohnt. Es war eine teuflisch anstrengende Arbeit, aber jeder, der das Originalscript kennt, sagte mir, dass sich die Arbeit gelohnt hat. Vielleicht versuchst du es auch so?

Tasha

Als begeisterte Leserin von Krimis kann ich dazu nur sagen, dass ich es im Nachhinein immer total klasse finde, wenn rote Heringe im Roman versteckt waren. Das macht mir sogar immer Lust, das Buch ein weiteres Mal zu lesen, wenn ich denke, dass ich vielleicht noch weitere entdecken könnte.
Sogar wenn die Heringe eher offensichtlich sind, habe ich die Erfahrung gemacht, dass man sie als Leser im weiteren Verlauf der Geschichte wieder vergisst. Am Ende fällt es einem dann wieder ein und man freut sich, dass man schonmal so eine Ahnung hatte...
Ich kann mir allerdings ganz gut vorstellen, dass es Sinn macht, solche Heringe noch in einem letzten Durchlauf einzubauen.

Viel Glück weiterhin bei deinem Projekt. Klingt sehr spannend!
We are all in the gutter, but some of us are looking at the stars (Oscar Wilde)

Koboldkind

Im Nachhinein einbauen klingt gut. Ich hab noch keine Erfahrung mit so einer Art des Editierens (Dachte bisher immer dass beim ersten Schreiben am besten alles schon drin ist), allerdings hatte ich mir bereits Notizen bemacht von Schnippseln, die ich später Einstreuen wollte, also warum auch nicht mit anderen Hinweisen. Danke, das beruhigt mich sehr :)
Wer jetzt nicht wahnsinnig wird, muss verrückt sein.