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Fantasy All Ager - die neuen Groschenromane

Begonnen von Maria, 25. März 2010, 21:01:31

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Maria

Hier sieht jemand die Entwicklung der Fantasy All Ager sehr kritisch und vergleicht sie mit Groschenromanen.
http://www.wz-newsline.de/?redid=790986

Ist es wirklich so schlimm um die Lesefertigkeit der Erwachsenen bestellt, dass das als Hauptargument für die Anziehungskraft der All Ager herhalten kann?

Kati

Ich finde nicht. Ich finde sogar, dass dieser Vergleich ziemlich an den Haaren herbeigezogen ist. Der Artikel setzt vorraus, dass "Fantasy" und "Anspruch" einander ausschließen, was doch nicht unbedingt sein muss. Außerdem lässt er vermuten, dass All-Age und Jugendromane auf alle Fälle einfacher zu verstehen und nicht so kompliziert sind wie Erwachsenenliteratur. Auch damit kann ich mich nicht anfreunden...

ZitatAber warum liest ein Erwachsener Bücher, die in erster Linie märchenhafte Geschichten für ein jüngeres Publikum bieten?

Vielleicht, weil sie Fantasie haben? Mir ist aufgefallen, dass Jugendbücher meist fantasievoller und "bunter" sind als Fantasyromane "für Erwachsene". Wenn ich vor dem Urbanfantasy-Regal bei uns in der Buchhandlung stehe, sehe ich fast nur Bücher nach dem Konzept "Menschliche Frau verliebt sich in nicht menschliches Wesen." Bei den Jugendbüchern gibt es da auch mal andere Arten von Geschichten und obwohl ich noch zu den Jugendlichen gehöre, glaube ich, dass ich auch später noch Jugendbücher lesen werde. Nicht, weil ich sie leichter verstehen kann, sondern, weil sie einfach fantasievoller sind. (Letzteres gilt übrigens auch für andere Romane, nicht nur Fantasy.)

ZitatAKJ-Vorsitzende Pantos hält viele der «All-Age»-Fantasyromane für veritable Nachfolger der früher beliebten Heftchen-Romane. «Wenn man die 'Bis(s)'-Bücher anschaut - das ist Schmonzette pur», sagt sie.

Ich will jetzt nicht behaupten, dass Twilight irgendwie niveauvoll wäre oder Tiefgang hätte, aber den Vergleich finde ich doch ein bisschen übertrieben. Twilight ist ein Liebesroman, aber, wie ich finde, noch lange kein Groschenroman...

Ich finde die Aussage, Fantasy und besonders All-Age-Fantasy würde keine Themen behandeln, die die Menschen auch in ihrem richtigen Leben beschäftigen, ein wenig fadenscheinig. Es gibt schließlich auch in der Fantasy solche und solche Bücher.

So, dazu musste ich jetzt einfach mal meine Meinung niederschreiben.  ;)

LG,

Kati

Zonka

Warum muss Literatur in Deutschland immer schwere Kost sein?
Hat ein Buch, das mich gut unterhält nicht genug Daseinsberechtigung?

Sprachlich und inhaltlich empfinde ich einige Kinder und Jugendbücher als gehaltvoller und pfiffiger, als viele der gelobten Kritikerbücher. Zu den "guten" zähle ich nicht die Biss-Reihe, aber doch beispielsweise "die unendliche Geschichte".

Ich möchte unterhalten werden, in eine Welt eintauchen können, die mich in ihren Bann zieht. Fabulierkunst und das Geschichten erzählen ist im angelsächsichen Raum weitaus weniger verpönt, als hier.
Trends gibt es immer wieder, jetzt sind halt Vampire dran, oder "Fantasy All Ager", das ändert sich auch wieder.

Aber ehe ich einem Kritikerbuch wie "Axolotl Roadkill" auch nur einen Euro hinterherwerfe (ja, ich habe es in der Buchhandlung angelesen...) lese ich völlig ohne schlechtes Gewissen lieber den kleinen Hobbit, oder Tintenherz.
Ich lese auch lieber Steinbecks "Cannery Row",   als Hesses "Glasperlenspiel" :gähn:,  ich bin halt ein Simpel ;D.
Spass beiseite, ich besitze die Lesefertigkeit für die "anspruchsvollen" Bücher, ich verstehe sie auch, aber die meisten machen mir keine Freude.
Warum sollte ich dann meine knappe Freizeit ausgerechnet damit vergeuden?

Liebe Grüsse
Zonka

Grey

Hm, mir scheint, die Dame hat jenseits von Bis(s) noch nicht viele AllAger gelesen. Stephenie Meyer ist in meinen Augen ein populäres, aber sehr abschreckendes Beispiel für einen AllAger mit wenig Anspruch. Aber man muss sich nur mal Broms "Kinderdieb" durchlesen, dann sieht man sofort, dass AllAger sicherlich kein Label der Literatur für schlichte Gemüter sind. Gerade in diesem Bereich gibt es unglaublich viele interessante und spannende Konzepte, da finde ich es unfair, alles auf die Bis(s)-Reihe runterzubrechen. Geht ja auch irgendwie gegen die Autorenehre. ;)

Davon mal abgesehen ... na ja, letztendlich läuft es wohl wieder auf den Konflikt zwischen "literarischem Anspruch" und reiner Unterhaltungsliteratur hinaus. Was mich betrifft: Ich schreibe Unterhaltungsliteratur, und ich stehe dazu. Klar versuche ich, intelligente und irgendwie originelle Geschichten zu erzählen, aber letztendlich steht das Erzählen, das Unterhalten im Vordergrund. Und ob das jetzt Jugendliche oder Erwachsene mögen - ich freu mich über jeden, der meine Geschichten mag. Also infantilisiert nur weiter. ;)

Linda

... warum sollte ich die Meinung von jemandem ernst nehmen, der noch nicht mal einen Genrebegriff richtig anwenden kann?

Gruß,
Linda (die einen echten Fantasy-All-Ager geschrieben hat)

Rika

Huh. Ich habe mich noch nie darum geschert, für welche Altergruppe ein Buch gedacht war. Das fing damit an, daß ich schon als Kind/Jugendliche fröhlich Bücher aus den Erwachsenen- und Sachliteratur Abteilungen gelesen habe (gab keine SF/F Abteilung für Kinder in unserer Bücherei damals, und dann waren da noch Neuseelandgeschichten, bei denen ich den Liebesromananteil einfach ignoriert habe, und... ), zusätzlich zu denen aus der Kinder-/Jungendabteilung. Und auch jetzt lasse ich mich nicht in eine Altersgruppe zwängen, was das Lesen betrifft.

Mich reizen Dinge, die bunt sind, interessant sind, und bei denen es nicht immer nur um eine Liebesgeschichte geht. Mich reizen Dinge, die nicht strikt nach Hollzwood-movie-Schema laufen. Geschichten, die nicht immer nur junge, erwachsene, schlanke, huebsche, single Frauen haben, die am Ende nicht mehr single, sondern mit jungem/gutaussehenden/anderrassigen/mysteriösem/reichen Partner plötzlich ohne alle Probleme, weil die mit Auftauchen des Partners, bzw erreichen der Partnerschaft ja alle gelöst sind, dastehen.

Ich überlege gerade, wie ich überhaupt einen "all-ager" von einem nicht-all-ager Buch Unterscheiden sollte. Ich kaufe viel bei Amazon ein, da achte ich nie auf solche Einteilungen, falls sie denn Vorkommen, und in Buchhandlungen ist mir nur die separierung von Kinder/Jugendbüchern aufgefallen, wo ich aber auch manchmal durchwandere.

Ich achte auch z.B. bei DVDs beim Kaufen nicht darauf, welche Einteilung die haben, bis hin dazu, daß ich nachgucken müßte, wenn mich jemand fragen würde.

ZitatDenn schon Leseanfängern werden Geschichten mit pinkfarben gewandeten Prinzessinnen und Elfen, tapferen Rittern und Piraten aufgetischt.
Na, da zeigt sich doch schon deutlich mangelnde Ahnung von Fantasyliteratur. Ich erinnere mich an nichts davon aus Momo oder der Unendlichen Geschichte. Ok, eine Prinzessin, ja, aber keine pinken Gewänder.
Wenn es so zuckersüß-klischiert, dann stößt mich das ab, hat as auch damals schon. (Ok, Piraten ohne Pink habe ich schon gern gelesen, aber generell wird z.B. R.L.Stevenson's Schatzinsel doch auch mit Respekt betrachtet, oder? Viele traditionelle "Elfenmaerchen" sind allerdings überhaupt nicht zuckersüß. Überhaupt sind Märchen und Fantasy durchaus nicht dasselbe.)

ZitatDie Infantilisierung zeige sich zum Beispiel auch an der Tatsache, dass viele Erwachsene mit kleinen Teddybärchen und anderen Maskottchen an ihren Rucksäcken herumlaufen - «da denkt man dann schon: Noch nicht so ganz erwachsen!»
Oder eben Erwachsen genug, um zu sich selbst zu stehen.

Über den Twilight Vergleich kann ich mich nicht äußern, da ich es nicht gelesen habe - der anderweitig empfohlenen Frau Katz Besprechung nach allerdings scheint mir der Vergleicht vielleicht nicht fehl am Platze zu sein. Andererseits ist das auch nicht gerade das Paradebeispile für ein gutes Fantasybuch.

ZitatDas Motiv einer Flucht in fantastische Parallelwelten sieht auch sie: «Man kann dort die großen Themen der Menschheit abhandeln, aber für das eigene Leben bleibt es völlig folgenlos...»
Na, abhängend davon, wie mensch "folgenlos" definiert, bzw wo mensch die Schwelle anlegt, ist das bei jeder Literatur oder Film so. Und wenn ich mir aus dem Inhalt etwas mitnehmen kann, kann ich das genausogut bei Avatar wie bei Shakespeare, Austen oder Thomas Mann. Oder was auch immer an "zeitgenössischer Literatur für Erwachsene" sie mir da unterschieben will.
Dazu muß mensch allerdings 1) genug Fantasie haben, um sich hineinversetzen zu können, und 2) genug Übertragungsfähigkeit, um aus den Erfahrungen anderer Lernen zu können.

Porno"literatur" ist nicht "all ages", das macht sie für mich trotzdem weder interessant, noch gut.
"Anspruch" hat wenig mit dem Alter zu tun, finde ich.
Und "schwer zu lesen" !=  besser, oder anspruchsvoller, oder komplexer. Genau wie "komplexer, anspruchsvoller" != keine Fantasy.

(!= steht für "ist nicht dasselbe wie...")

Grrr. Sorry. Ich komme schon wieder runter.

Zitat von: Linda am 25. März 2010, 22:08:00
... warum sollte ich die Meinung von jemandem ernst nehmen, der noch nicht mal einen Genrebegriff richtig anwenden kann?
Oh, GUT gesagt! :pompom:

Nashi

ZitatDie Infantilisierung zeige sich zum Beispiel auch an der Tatsache, dass viele Erwachsene mit kleinen Teddybärchen und anderen Maskottchen an ihren Rucksäcken herumlaufen - «da denkt man dann schon: Noch nicht so ganz erwachsen!»
Bei dem Satz stellt sich mir auch die Frage, ob der werte Verfasser des Textes nicht vielleicht ein bisschen zu spießig/verklemmt/erwachsen/o.ä. ist. Was ist denn bitte daran schlimm, sich ein bisschen wie ein Kind zu geben. Mein Vater ist das beste Beispiel. Er hat seinen alten Teddybären, der schon halb kapputt ist, neben seinem Bett stehen und nimmt ihn deswegen jemand weniger Ernst? Nein.
Wenn mehr Leute ein bisschen mehr ihr Kind raushängen lassen würden, wäre die Welt auch sicher ein besserer Ort. Tsss.

Lomax

Zitat von: Nashi am 25. März 2010, 22:37:04Bei dem Satz stellt sich mir auch die Frage, ob der werte Verfasser des Textes nicht vielleicht ein bisschen zu spießig/verklemmt/erwachsen/o.ä. ist.
Nun ja, entwicklungspsychologisch ist es ja ganz normal, dass man in ein Alter kommt, wo man sich ganz besonders von der Kindheit abgrenzen möchte und "erwachsen" erscheinen will. Das geschieht irgendwann von Pubertät bis "jungem Erwachsenen".
  Wenn man dann wirklich erwachsen ist, ist einem so was recht egal und man kokettiert auch ganz gern wieder mit dem, was man in der eigenen Kindheit und Jugend gemocht hat. Wenn man ab einem bestimmten Alter sich immer noch Gedanken darüber macht, ob man mit einem Teddy am Rucksack auch wirklich "erwachsen" wirkt, dann hat man vermutlich ein Problem - oder ist wirklich "verklemmt".

Was die Autorin aber wohl anspricht, ist das Problem der "verlängerten Adoleszenz". Das kann man wohl wirklich beobachten und es betrifft vor allem die Heranwachsenden, die sich nicht von den typischen Aspekten ihrer Kindheit trennen, sondern dauerhaft daran festhalten. Aber solange sich das auf einen Teddy am Rucksack beschränkt, kann unsere Gesellschaft wohl mit dem Phänomen leben. ;)
  Mir für meinen Teil ist das erst mal relativ egal. Meine Belege für die zunehmende Verdummung der Gesellschaft finde ich vor allem in der gegenwärtigen Hochliteratur - also da, wo Dummheit und Kulturverfall wirklich wehtut. Verglichen damit kann man über eine "Verseichterung" oder "Infantilisierung" der Unterhaltungsliteratur, so sie denn stattfindet, durchaus lächeln, denn solange die Bücher unterhalten, erfüllen sie ja immer noch ihren Zweck.
  Und wer etwas anderes sucht, also "gehobene Unterhaltung", "realitätsnahe Unterhaltung" etc. der findet ja immer noch genug Titel. Was allerdings an der Spitze der deutschen Hochliteratur abbricht, das lässt sich nicht substituieren. Da ist es also wirklich ein Verlust an Substanz, wenn im Feuilleton sich die "Popart-Ereignisse" ablösen und die literarische Substanz auf der Strecke bleibt.
  Da hab ich also immer das Gefühl, dass vor allem diejenigen gern auf die Fantasy zeigen, die sich zuallererst an die eigene Nase fassen sollten ...

Maja

Ich habe mich etwas gewundert, als ich gesehen habe, daß meine Agentur die Elomaran als AllAger ab vierzehn anbietet. Ich meine, ich behandle Themen wie sexuellen Mißbrauch und selbstverletzendes Verhalten und ähnliches, aber nicht thematisierend, sondern mehr nebenbei und weiß nicht, inwieweit Jugendliche das erfassen können - letztlich habe ich aber gesehen, wo diese Aussage und diese Alterseinschätzung herkam. Nämlich aus meinen eigenen FAQ. Und ich habe eine Menge an positiven Rückmeldungen gerade von dieser Altersgruppe bekommen und hatte durchaus das Gefühl, daß sie es auch verstanden haben. Und als mich auf der Buchmesse in Frankfurt die jugendlichen Cosplayer fast über den Haufen gerannt haben, dachte ich nur "Sei nett zu ihnen, das ist deine Zielgruppe".

Ich denke nicht, daß literarische Qualität, Fantasy und AllAger einander ausschließen. Nicht, solange ich überzeugt bin, daß das, was ich da zu Papier bringe, anspruchsvolle Literatur ist und nicht nur "ein gewisses literarisches Niveau hat". Dabei wird aber auch nicht ein Kinderbuch zum AllAger, nur weil es von Erwachsenen gelesen wird - auch wenn z.B. bei Harry Potter die Entwicklung vom Kinderbuch zu etwas, das nur noch äußerst begrenzt für Zehnjährige geeignet war, sicherlich symptomatisch für dieses Genre ist. Ich stimme dem Artikel in Maßen zu, daß bei der Ausweitung der Zielgruppe um junge Erwachsene das eigentliche Kinderzielpublikum auf der Strecke bleiben kann. Aber es gibt immer noch genug Kinderbücher, die auch für Kinder geeignet sind.

Auf das Thema "gefährliche Realitätsflucht durch Fantasy" mag ich nicht mehr eingehen, nach der Kordon-Diskussion ringt mir das nur noch ein müdes Gähnen ab. Und das liegt nicht nur daran, daß es gerade auf Mitternacht zugeht.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Lavendel

Zitat von: Nashi am 25. März 2010, 22:37:04
Bei dem Satz stellt sich mir auch die Frage, ob der werte Verfasser des Textes nicht vielleicht ein bisschen zu spießig/verklemmt/erwachsen/o.ä. ist. Was ist denn bitte daran schlimm, sich ein bisschen wie ein Kind zu geben. Mein Vater ist das beste Beispiel. Er hat seinen alten Teddybären, der schon halb kapputt ist, neben seinem Bett stehen und nimmt ihn deswegen jemand weniger Ernst? Nein.
Wenn mehr Leute ein bisschen mehr ihr Kind raushängen lassen würden, wäre die Welt auch sicher ein besserer Ort. Tsss.

Naja, verklemmt ist jetzt eine Wertung, die ich mir über einen völlig fremden Menschen nicht erlauben würde. Das Argument mit den Plüschmaskottchen ist jedenfalls nicht wissenschaftlich begründet, wenn ich mich nicht sehr täusche.

Eigentlich, und das ist vorweg schonmal jetzt mein Resumé, ist der Artikel ja völlig uninteressant, weil wir die alte Leier doch zur Genüge kennen, nicht? Ich meine, wie oft habe ich solchen Kram schon gelesen. Und trotzdem muss man sich immer noch mal fünf Minuten drüber aufregen ::).

Jetzt mal meine nicht-wissenschaftlich begründete Meinung zu dern Sache: Meiner Erfahrung nach herrscht unter Literaturwissenscahftlern vor allem der 'mittleren' bis älteren Generation überwiegend Abneigung oder zumindest Skepsis gegenüber Fantasy (während, und das jetzt nur am Rande, weil es mich perönlich nervt, Popliteratur immer schön hochgelobt wird - egal wie sehr ihre Themen in den letzten dreißig Jahren durchgekaut wurden. Das mag unter Umständen daran liegen, dass diese Literatur eher eine Rolle in der Erinnerungswelt der 'literaturwissenschaftlichen Elite' (;)) spielt - denn als junge Erwachsene waren sie vielleicht furchtbar beeindruckt von Rolf Dieter Brinkmann und seinen ziemlich neuen Ideen).

Wenn man sich dann überlegt, welches Image Fantasy zum Beispiel in den 80ern hatte (und das durchaus nicht zu unrecht), kann man eine gewisse grundlegende Ablehnung auch ein wenig nachvollziehen.

Beim Beispiel 'Bis(s)' kann man den Vergleich zum Groschenroman vielleicht ziehen - aber kann man das verurteilen? Teenager und Hausfrauen (und andere Personengruppen ;) ) stehen schon seit bestimmt über 200 Jahren auf Romanschnulzen. Auch eine weitgreifende Begeisterung für gewisse Geschichten ist nicht neu (bekanntestes Beispeil natürlich 'Die Leiden des jungen Werther' - oh Zufall, eine tragische Liebesgeschichte, aber nicht das ihr denkt, ich stelle Stephenie Meyer mit Goethe auf ein Niveau ::)).
Über einen Kamm scheren kann man deswegen alle All-Ager natürlich noch lange nicht. Und zu unterstellen, dass das Lesen von Fantasy reine Realitätsflucht ist, ist genauso eine unbegründete These.
Mag sein, dass viele Fantasyromane nach Schema-F ablaufen. Hier im Forum haben wir uns nicht erst einmal genau darüber beschwert. Trotzdem, es gibt sie eben doch, die anspruchsvolle Fantasy, und das wird gern ignoriert.
Dass Prinzessinen in pinken Kleidern, Piraten, Elfen oder tapferen Ritten keinen Bezug zur Lebenswelt von 6-11 jährigen haben könnten, ist noch so eine Pauschalisierung. Erstens existieren solche Figuren nicht erst seit gestern (aus mir ist trotz Barbie und Regina Regenbogen ein ganz ordentlicher Mensch geworden), zweitens kann man mit diesem Argument genauso Bücher von Ottfried Preußler, Michael Ende, Roald Dahl etc. abqualifizieren.

Ein Zitat hat es mir übrigens besonders angetan: "Man kann dort die großen Themen der Menschheit abhandeln, aber für das eigene Leben bleibt es völlig folgenlos - dafür ist auch der Kinofilm 'Avatar' ein Muster-Beispiel."
Einerseits kann man dieser Aussage einen gewissen Wahrheitsgehalt nicht absprechen. Gerade Filme, und natürlich besonders das Hollywood-Kino, sind einfach Konsumgut. Sie sind nicht mal mehr trashig-kultig, sondern oft ein paar übereinandergeklatschte Standartfolien. Für Bücher trifft das in gewissem Maße natürlich mittlerweile auch zu. Verstärkt natürlich seit den ungekannten Ausmaßen des Harry-Potter-Booms. Allerdings wäre es fair - oder vielmehr reflektiert - zu sagen, dass das nicht nur auf Fantasy zutrifft, sondern auf alle Genres.

Noch was Schönes: "Es sei allerdings bedenklich, wenn die Welt vielen Erwachsenen so schwierig erscheine, dass sie sich mit ihrer Lektüre in eine Fantasiewelt flüchten."
Ich würde jetzt gern wissen, ob man die Schuld dafür bei den Erwachsenen suchen soll, die nicht genug Mumm haben, sich der ach so komplizierten Realität zu stellen, oder ob man vielleicht eher die Komplexität unserer Zeit beklagen sollte. Wahrscheinlich sind es eher die Erwachsenen, die Plüschtiere an ihren Rucksäcken tragen. ::)


Zitat von: Lomax am 25. März 2010, 23:04:51
Was die Autorin aber wohl anspricht, ist das Problem der "verlängerten Adoleszenz". Das kann man wohl wirklich beobachten und es betrifft vor allem die Heranwachsenden, die sich nicht von den typischen Aspekten ihrer Kindheit trennen, sondern dauerhaft daran festhalten. Aber solange sich das auf einen Teddy am Rucksack beschränkt, kann unsere Gesellschaft wohl mit dem Phänomen leben. ;)

Ja, darüber habe ich letztens auch was gelesen. Da ging es in dem Zusammenhang aber um eine 'No-Future' Generation, die die Zukunft nur noch schwer erfassen kann, weil die Welt so komplex geworden ist, und sich deshalb mehr und mehr in der Gegenwart haftet.

Ich jedenfalls lese aus dem Artikel eine allgemeine Unverständnis für die Lebenswelten des 21. Jahrhunderts heraus. Nur zwei Aspekte, die mir jetzt dazu einfallen.
Plüschtiere und andere Fanartikel (denn ich nehme stark an, um nichts anderes handelt es sich bei den beklagten Exemplaren) sind heute kein Zeichen von Infantilität, sondern u.a. modische Acessoires. Sie heißen Merchandise und können eine identitätsstiftende Wirkung haben, was in unserer anonymisierten Welt durchaus eine große Rolle spielt.
Konsum ist eins der Hauptthemen unseres gesellschaftlichen Diskurses. Die Problematik der Konsumgesellschaft auf die Fantasyliteratur einzuengen geht am Thema vorbei - denn das Phänomen betriff alle Bereich der Gesellschaft, und Fantasy kann davon natürlich nicht ausgeschlossen bleiben.


Zitat von: Lomax am 25. März 2010, 23:04:51
Mir für meinen Teil ist das erst mal relativ egal. Meine Belege für die zunehmende Verdummung der Gesellschaft finde ich vor allem in der gegenwärtigen Hochliteratur - also da, wo Dummheit und Kulturverfall wirklich wehtut. Verglichen damit kann man über eine "Verseichterung" oder "Infantilisierung" der Unterhaltungsliteratur, so sie denn stattfindet, durchaus lächeln, denn solange die Bücher unterhalten, erfüllen sie ja immer noch ihren Zweck.
  Und wer etwas anderes sucht, also "gehobene Unterhaltung", "realitätsnahe Unterhaltung" etc. der findet ja immer noch genug Titel. Was allerdings an der Spitze der deutschen Hochliteratur abbricht, das lässt sich nicht substituieren. Da ist es also wirklich ein Verlust an Substanz, wenn im Feuilleton sich die "Popart-Ereignisse" ablösen und die literarische Substanz auf der Strecke bleibt.
  Da hab ich also immer das Gefühl, dass vor allem diejenigen gern auf die Fantasy zeigen, die sich zuallererst an die eigene Nase fassen sollten ...

Das stimmt allerdings. Ich finde es besonders traurig, dass gerade die Intellektuellen immer mit solchen Pauschalisierungen um die Ecke kommen müssen. Mittlerweile gibt es zum Glück auch bei den Literaturwissenschaftlern eine gewisse Öffnung zu den Themen Schrott und Schmutz in der Literatur - oder wie man es auch immer sonst nennen mag. Wenigstens wird mal die Literatur erforscht, die vor 100-150 Jahren Massenware war.

Ach, jetzt habe ich mich doch mehr, als fünf Minuten mit dem Thema beschäftigt ...


Maran

ZitatDie Infantilisierung zeige sich zum Beispiel auch an der Tatsache, dass viele Erwachsene mit kleinen Teddybärchen und anderen Maskottchen an ihren Rucksäcken herumlaufen - «da denkt man dann schon: Noch nicht so ganz erwachsen!»

:hand: Diese Denkweise ist nicht erwachsen, sie ist infantil - ähm, nein, sie ist pubertär ... so ganz nebenbei gesagt. Meines Erachtens nach zeichnet sich eine erwachsene Denkweise (auch) durch Toleranz aus. Und überhaupt: Was ist gegen eine Infantilisierung, wie sie hier angesprochen wird, eigentlich einzuwenden?

All-Age-Literatur hat es immer gegeben (in allen Genres) und wird es hoffentlich auch weiterhin, denn es sorgt in den Familien auch für generationsübergreifende Gesprächsstoffe. Es ist doch toll, wenn Großeltern, Eltern und Kinder sich für dasselbe begeistern können. Das Genre, in dem die Geschichte spielt, ist doch wesentlich unwichtig. Ein gut geschriebenes Buch ist unabhängig von Genre und Alterseinschätzungen (behaupte ich jetzt einfach mal pauschal). Es soll vor allem unterhalten. Wenn man als Leser nebenbei die eine oder andere Weisheit bzw. Erkenntnis für das eigene Leben mitnimmt, umso besser.

Hr. Kürbis

All-Age-Literatur ist doch eh nur eine Wortschöpfung des Marketings um den Kundenkreis zu erweitern. Das heißt ja nicht, dass das jetzt nur für Jugendliche gedacht ist, denn die sind ja nicht All-Age. Aber die Themen und die Schreibweise sind eben so gewählt, dass eben Jugendliche und Erwachsenen gleichermaßen angesprochen werden ... und dann auch kaufen können.
Das hat weder mit Stumpfsinn noch Simpel-Literatur zu tun, eher mit der "Durchführung" der Handlung. Bei einem All-Ager weiß ich zum Beispiel, dass die Titelheldin sich nicht durch alle Betten vögelt, Schimpfwörter benutzt und Gegnern mit Genuss den Kopf abschlägt, nur so als Beispiel.  ;D

Ich denke, da fühlen sich nur wieder Menschen bedroht, die mit 18 schlagartig jedes Comic aus der Hand legten weil das ja Kinderkram ist. Dabei haben sie die jahrelang verschlungen und heiß geliebt. Deswegen gibt es ja heute auch die Graphic-Novel! :pompom:

Luna

Zitat von: Lavendel am 26. März 2010, 00:40:26
Ein Zitat hat es mir übrigens besonders angetan: "Man kann dort die großen Themen der Menschheit abhandeln, aber für das eigene Leben bleibt es völlig folgenlos - dafür ist auch der Kinofilm 'Avatar' ein Muster-Beispiel."
Einerseits kann man dieser Aussage einen gewissen Wahrheitsgehalt nicht absprechen. Gerade Filme, und natürlich besonders das Hollywood-Kino, sind einfach Konsumgut. Sie sind nicht mal mehr trashig-kultig, sondern oft ein paar übereinandergeklatschte Standartfolien. Für Bücher trifft das in gewissem Maße natürlich mittlerweile auch zu. Verstärkt natürlich seit den ungekannten Ausmaßen des Harry-Potter-Booms. Allerdings wäre es fair - oder vielmehr reflektiert - zu sagen, dass das nicht nur auf Fantasy zutrifft, sondern auf alle Genres.

Dass auch solche Blockbuster, dass Unterhaltung nicht absolut spurenlos an den Menschen vorbeigeht bzw. vorbeigehen kann, sieht man eigentlich in China.
Aus irgendeinem Grund war es dem Regime nicht egal, was in diesem Film gezeigt wurde. Nach und nach wurde er in diesem Land aus den Kinos genommen, weil es die Bevölkerung an die eigene Vertreibung in ihrem eigenen Land erinnere.

Im Grunde genommen regen wir uns über diese immer wieder kehrenden Artikel genau deshalb auf, weil sie immer wieder kehren. Immer dieselbe Perspektive, immer wird auf die Bücher eingedroschen. Nirgendwo findet sich jemand in der Presse, der die Fahne für die Bücher hochhält oder das ganze Objektiv betrachtet, pro und contra abwägt und zu seinem eigenen Schluss gelangt.

Ich habe das Gefühl, dass diese Leute den Umstoß in der Gesellschaft nicht verkraften, dass es Veränderungen gibt und nicht mehr stets den selben trott.

So und ich hör jetzt auf, bevor die fünf Minuten rum sind  ;)

Ary

#13
Eigentlich wollte ich den Artikel ja gar nicht mehr lesen, weil ich von dieser Diskussion "Unterhaltungs-vs. Hochliteratur" bzw. "Fantasy = Eskapismus" die Nase ehrlich gesagt gestrichen voll habe.

Anscheinend gehöre ich auch zu dieser infantilen Gruppe von Erwachsenen, denn an meiner Fahrradtasche baumelt ein "Nessie" (hat mir eine Bekannte direkt vom Loch Nes mitgebracht, jawohl), auf meinem Regal sitzen noch Steiff-Tiere von Früher und natürlich habe ich auch irgendwo noch meinen blauen HAJ. In meinem Bücherregal tummeln sich neben Klassikern (oh, Schande, es sind Abenteuerklassiker, "Der Graf von Montechristo", "Das Phantom der Oper", "Die drei Musketiere" udn eine Sherlock-Holmes-Gesamtausgabe) auch Harry Potter (alle sieben), Tintenherz (alle drei), Momo, die Unendliche Geschichte und noch so einiges andere - tatsächlich ist mein Bcherregal ausgesprochen fantasy-history-und thrillerlastig.
Ich bin bekennende Unterhaltungsleserin,  die die Grenze zwischen Hoch-und Unterhaltungsliteratur nicht ziehen mag, weil sie findet, dass diese Grenze fließend ist. Im besagten Artikel wurde Zusaks "Bücherdiebin" erwähnt, ein Buch, das ich verschlungen habe, das ich anspruchsvoll finde, bei dem ich überrascht war, dass es im Buchladen bei den Jugendbüchern lag und das mich trotz des "schwierigen" Themas und wegen der hochinteressanten Aufarbeitung sehr interessiert hat. Ich hoffe, dises Buch landet irgendwann mal auf der Liste der möglichen Bücher, die in der Schule gelesen werden.

Natürlich gibt es solche und solche Bücher - ich halte die Twilightsaga nicht für einen Ausbund an Anspruch, und ich selbst mag sie nicht, aber jedem das seine, wer sie mag, soll sie lesen, wer sich von ihr unterhalten fühlt, soll sich unterhalten fühlen, solange er bei aller Glitzervampirschwärmerei nicht den Boden unter den Füßen verliert.
Dass es da so viel Hype gibt, ist letztendlich in meinen Augen auch Schuld der Werbung und der Vermarktung. Da wird ganz gezielt auf diesen "wunden Punkt" gedrückt, da werden junge Mädchen an ihrer Sehnsicht nach der perfekten Liebe und ein bisschen Mystery gepackt und schon ist der Hype da.

Die erwähnten Merchandiseartikel sind für die Verlage und die Filmindustrie schlichtweg die Lizenz zum Gelddrucken. Viele Leute, die ich kenne, genauso alt wie ich, jünger oder ölter, das ist vollkommen gleich, sammeln irgendwas, und darauf zielt Merchandise ja auch ab - Sammelleidenschaft. Und wie Lavendel schon schrieb, der Besitz von "Fanartikeln" zeigt die Zugehörigkeit zu einer GRuppe in einer Welt, wo doch eigentlich eher Ellbogenmentalität herrscht und jeder zum Einzelkämpfe mutiert. Da inde ich es dann immer ganz nett, jemanden zu sehen der in einem Herr der Ringe-T-Shirt rumrennt, einen Avatar-Kalender in seinem Zimmer hängen hat oder seinen Kaffee aus einer Babylon5-Tasse schlürft. Schön zu wissen, dass ich nicht die einzige Verrücke auf dieser Welt bin. *meinen Avatar-Desktophintergrund angrins*

Und ich schließe mich Stefan an - es lebe die Graphic Novel. Dazu noch -Ray Bradbury beschreibt in seinem Buch "Zen in der Kunst des Schreibens" wie er an der Schwelle zum Erwachsenwerden seine ganzen geliebten Comics wegschmeißt, weil das ja Kinderkram sei und er nun zu alt dafür. Der junge Bradbury merkte aber schnell, dass er seine Comics vermisste, er litt wohl regelrecht unter dem Verlust, war unkreativ, unzufrieden und fühlte sich schlecht. Erst, als er sich bewusst zur Neuanschaffung der Comics entschloss, kam er wider so richtig in Schwung, der gute Bradbury. Ich glaube, wir müssen einen ganz großen Unterschied machen zwischen einem "kindlichen" und einem "kindischen" verhalten. Viele, was so gern als Infantilität abgetan wird, ist doch eigentlich eher eine Zuwendung zu dem Kind in uns, das auch seine Daseinsberechtigung haben will. Klingt jetzt doof, aber ich weiß nicht, wie ich das anders ausdrücken soll. ich wäre manchmal gern wieder so simpel und unbeschwert sorglos, wie ich es als Kind sein konnte. Und wenn mir ein Buch ein bisschen von diesem guten Gefühl wiedergibt, wenigstens für einen Moment - warum sollte ich dann diese Tür zuknallen und den Schlüssel wegschmeißen, wenn ich doch nur ab und zu mal durchgucken möchte? dass es kein Zurück gibtm ist klar. Aber erinnern darf man sich doch.
Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

Lomax

Zitat von: Aryana am 26. März 2010, 09:36:05..., denn an meiner Fahrradtasche baumelt ein "Nessie"
Waaas? Nessie? Also, das ist wirklich infantil und keinesfalls gutzuheißen. Das ist ja ein Fabelwesen und gibt es gar nicht. Wenn man als Erwachsener schon Plüschies zur Schau stellt, sollte man schon drauf achten, dass da auch ein Bezug zur realen Umwelt vorhanden ist. Wie wäre es beispielsweise mit einer Spinne? Das gibt es wirklich, und durch die Zurschaustellung kann man den real existierenden Missstand gedankenloser Spinnen-Vorurteile anprangern und bekämpfen.
  Grenzwertig sind wohl Dinosaurier-Figuren. Einerseits kann man damit einen Kampf gegen die Vergänglichkeit symbolisieren, einen Protest der sterblichen Kreatur wider die real stattgefundene Auslöschung der Dinosaurier und gegen das moderne Artensterben an sich; andererseits hätte so ein Plüschie auch etwas rückwärtsgewandtes, etwas kitschig-nostalgisches ...
  Aber, wie auch immer: Nessie ist reine Realitätsflucht. Was sollen da die Leute denken?

Hm, gibt es eigentlich so knatschblaue Haie? Ich war ja schon immer der Ansicht, dass der Oktopus ein würdevolleres und erwachseneres Maskottchen abgegeben hätte.