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Alles zur Perspektive

Begonnen von Lastalda, 01. Januar 1970, 01:00:00

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Debbie

Abgesehen davon, dass der Duden "hinausplatzen/hinausbrechen" nicht kennt (hat das überhaupt schon mal jemand gehört) und man deshalb alleine schon davon ausgehen muss, dass es schlicht "falsch" ist, kann man das Ganze dann damit begründen, dass beide Ausdrücke feststehende Begriffe sind, die nicht der her-/hin-Regel unterworfen sind.

HauntingWitch

Zitat von: Debbie am 25. Oktober 2012, 14:24:15
Abgesehen davon, dass der Duden "hinausplatzen/hinausbrechen" nicht kennt (hat das überhaupt schon mal jemand gehört) und man deshalb alleine schon davon ausgehen muss, dass es schlicht "falsch" ist,

Entschuldigt, danach lasse ich das Feld etwas offener. ;) Aber da muss ich widersprechen. Wenn der Duden uns sagen würde, was "richtig" und was "falsch" ist, ist jedes nicht in Anführungszeichen gesetzte Nee, Menno, Hach, u.ä. auch falsch. Möchte ich aber meinen Leser möglichst nahe an den Perspektivträger heranbringen, gelingt mir das am besten, indem ich auch in den erzählten Passagen, (die nicht direkte Rede oder eindeutig als Gedanken deklariert sind), in den Worten schreibe, in denen mein Protagonist denkt. Und manche Leute denken nun mal eher: "Ach, nee" als: "Oh, nein". Dann schreibe ich auch in meinen erzählten Text: "Ach nee, jetzt musste der hier auch noch auftauchen." Ah und stimmt: Steht "oh" im Duden?  ;) Nicht, um den Duden in Frage zu stellen. Ich würde mich einfach nicht alleine darauf verlassen - zumindest alles was Stil- und Geschmacksfragen, die über Rechtschreibung und Grammatik hinausgehen angeht.

Ein weiterer Aspekt ist natürlich, ob du einen Ich-Erzähler hast oder nicht. Beim Ich-Erzähler plädiere ich sowieso für oben erwähnte Vorgehensweise. Bei der 3. Person, ist es wie gesagt eine Frage der Nähe, denke ich.

Debbie

ZitatWenn der Duden uns sagen würde, was "richtig" und was "falsch" ist, ist jedes nicht in Anführungszeichen gesetzte Nee, Menno, Hach, u.ä. auch falsch. Möchte ich aber meinen Leser möglichst nahe an den Perspektivträger heranbringen, gelingt mir das am besten, indem ich auch in den erzählten Passagen, (die nicht direkte Rede oder eindeutig als Gedanken deklariert sind), in den Worten schreibe, in denen mein Protagonist denkt. Und manche Leute denken nun mal eher: "Ach, nee" als: "Oh, nein". Dann schreibe ich auch in meinen erzählten Text: "Ach nee, jetzt musste der hier auch noch auftauchen." Ah und stimmt: Steht "oh" im Duden?  ;) Nicht, um den Duden in Frage zu stellen. Ich würde mich einfach nicht alleine darauf verlassen - zumindest alles was Stil- und Geschmacksfragen, die über Rechtschreibung und Grammatik hinausgehen angeht.

Natürlich kann der Duden nicht jedes Wort in diversen Dialekten wiedergeben - noch werden "Ausrufe", die mehr an Laute als Worte erinnern, dort erfasst. Der Duden ist für korrektes Deutsch zuständig, und "hinausplatzen"/"hinausbrechen" sind (falsche) hochdeutsche Begriffe, die in der deutschen Sprache einfach nicht existieren. Das hat auch überhaupt nichts mit der Erzählperspektive zu tun - die Worte gibt es nicht.

Und was "Dialekt" in Texten angeht: Auch da würde ich persönlich immer vorsichtig sein. Wenn es sich nicht gerade um einen Teenager handelt, führt ein "salopper" Ton - egal ob in wörtlicher Rede oder als Gedanken - schnell zu dem Eindruck, der Sprecher sei ungebildet. Ist das gewollt, ist das natürlich perfekt.

Arne

#183
Ich gestehe, nicht den ganzen Thread gelesen zu haben. Aber dennoch möchte ich einen kleinen Hinweis zur ersten Person hinterlassen. Ich selbst verwende etwas, das ich "versteckte" erste Person nenne. Dazu bin ich gekommen, da auch in dritter Person die ständigen Erklärungen, wie sich jemand fühlt oder aber auch die zu umfassenden Beschreibungen bei genauerem Hinsehen irgendwie... aufgepfropft wirken können. In erster Person fühlte es sich regelrecht aufdringlich für mich an.
Was genau meine ich? Mein großer Leitsatz ist: Show, don't tell. Wenn ich zeigen kann, dass mein Protagonist genervt ist, ohne es zu sagen, dann tue ich das. Dazu bietet sich an, dass Du ohnehin schon die ungefilterten Gedanken Deines Protagonisten nutzen willst. Pass die Formulierungen und Kommentare an die Situation an und Du hast gleich ein "Ich" weniger in Deinem Text und die erste Person drängt sich nicht so sehr auf.
Beispiel: Statt "Ich wurde langsam ungeduldig." ein "Wo blieb/bleibt er denn, verdammt?" (die Zeit in solchen Gedanken ist ein anderes Thema).
Konsequent durchgezogen lässt sich so eine Geschichte quasi in erster Person schreiben, ohne sie direkt zu verwenden. Du benutzt die Perspektive als Wahrnehmungsfilter, aber nicht die entsprechenden Pronomen. So habe ich es mit meinem letzten Roman gemacht - 105000 Wörter ohne ein einziges protaginistenbezogenes Pronomen außerhalb des gesprochenen Teils von Dialogen, nicht mal sein Name wird genannt, sofern ihn nicht jemand laut ausspricht (es gibt nebenbei nur diese eine Perspektive).
Es muss natürlich nicht dieses Extrem sein. Aber ich denke, dass sich die subjektive Aufdringlichkeit der ersten Person auch durch ein konsequentes "Show, don't tell" weit genug abmildern lässt, dass es angenehmer zu lesen ist. Lass den Perspektivcharakter die Geschichte einfach mehr erleben, als sie erzählen.

Ryadne

#184
Ich bin gerade etwas überfordert; ich habe zwei Ich-Erzähler, allerdings ist mir die Idee gekommen, einen von beiden umzubringen. Aber es kommt mir total seltsam vor, den einen dann halt sterben zu lassen, den anderen aber noch weitererzählen zu lassen. Bei sterbenden Ich-Erzählern ist es ja in der Regel so, dass sie sozusagen einem imaginären Zuhörer nochmal alles erzählen, während sie den Tod herannahen sehen... aber das gibt für mich nur Sinn, wenn das Ende dann die Gegenwart ist. Aber dann kann ich ja schlecht die andere Figur weiter im Präteritum erzählen lassen.  :no: Oder muss man beim Tod eines Ich-Erzählers gar nicht ins Präsens wechseln, steh ich nur gerade auf dem Schlauch?

Edit: Habe gerade mal probeweise angefangen, den bald toten Ich-Erzähler in einen personalen umzuwandeln. Jetzt hab ich abwechselnd eine Ich-Erzählerin und einen personalen Erzähler. Klingt das noch seltsamer?  :-\


DEckel

Ich denke das macht so mehr Sinn.

Du hast schon Recht - Wenn der Ich-Erzähler stirbt und danach von seinem Tod erzählt käme mir das komisch vor (ausser du hast Geister in deiner Geschichte)

Ryadne

Naja, er erzählt ja nicht hinterher noch weiter, das erledigt dann der andere. Aber solange ich nicht im Präsens schreibe, kommt mir das trotzdem komisch vor. Aber im Präsens zu schreiben, ist keine Option - das gibt bei mir immer ein Zeitenkuddelmuddel.

Version 2 kommt mir vom Lesen her jetzt eigentlich auch besser vor. Ist zwar irre viel Arbeit, jetzt alles umzuschreiben... aber wenigstens klärt sich das Problem damit. Ein bisschen zumindest.

Churke

Zitat von: Ryadne am 23. Januar 2013, 23:35:48
Aber dann kann ich ja schlecht die andere Figur weiter im Präteritum erzählen lassen.  :no: Oder muss man beim Tod eines Ich-Erzählers gar nicht ins Präsens wechseln, steh ich nur gerade auf dem Schlauch?
Das Präteritum ist die Erzählzeit. Das hat mit der Zeitachse nicht unbedingt etwas zu tun. Ich sehe also keinen Grund, nach dem Tod von Ich-A nicht mit Ich-B im Präteritum weiter zu machen. Ob das eine gute Lösung ist, steht auf einem anderen Blatt. Erfahrungsgemäß sind ungewöhnliche Lösungen suboptimal, sonst wären sie nicht ungewöhnlich.  ;)

Zitat
Edit: Habe gerade mal probeweise angefangen, den bald toten Ich-Erzähler in einen personalen umzuwandeln. Jetzt hab ich abwechselnd eine Ich-Erzählerin und einen personalen Erzähler. Klingt das noch seltsamer?  :-\
Habe da neulich ein Buch gelesen, in dem das so war. Ich fand das ziemlich anstrengend, aber ich denke, dass das eher am schwer verdaulichen Inhalt lag als an der Erzählform.

Leann

Allein vom "Lesegefühl" her finde ich es seltsam, wenn ein Ich-Erzähler stirbt.
Das fühlt sich komisch an, fast wie Betrug. Am Schlimmsten ist das, wenn es über viele Seiten hinweg nur diesen einen Ich-Erzähler gab und die Perspektive erstmalig nach seinem Tod gewechselt wird.

Aber das könnte auch nur persönlicher Geschmack sein. Was gar nicht geht ist meiner Meinung nach, wenn der Ich-Erzähler seinen Tod beschreibt, in der Art von "Dann fiel ich um und war tot."

Wenn beide Ich-Erzähler schon seit geraumer Zeit "nebeneinander" im Roman vorkommen, finde ich es nicht ganz so schlimm, wenn einer von ihnen stirbt und der andere weitererzählt.

Erdbeere

Ich habe ein Problem bei meinem ersten Baby. Entstanden vor zwei Jahren nach langer Schreibabstinenz während des Nano (sagt, glaub ich, schon alles). Geschrieben habe ich es so, wie ich vor Jahren FanFictions geschrieben habe - Perspektiven wild durcheinander, sogar innerhalb einer Szene mehrere Wechsel von Protagonist zu Protagonist. Wie in einem Film: Fokus auf den Hauptdarsteller - Schnitt - Fokus auf den Nebendarsteller - Schnitt - Fokus auf den Love Interest - Schnitt und wieder von vorne. Dazwischen rücke ich immer wieder für einen Augenblick von den Figuren weg.
Alles in allem ist es stellenweise ziemlich mühsam zu lesen und auch verwirrend. Das Tempo ist durchgehend schnell, weil auch viel passiert. Das Schwierige für mich ist nun bei der Überarbeitung, die Szenen genau zu definieren und einzelnen Perspektivträgern zuzuteilen, aus deren Sicht ich die Szenen neu schreiben muss. Eigentlich müsste ich den ganzen Roman ab dem dritten Kapitel neu schreiben :d'oh:, denn sobald meine Protas aufeinander treffen, "clashen" auch die Perspektiven.

Allerdings mag ich das auch irgendwie. Neil Gaiman schreibt sehr ähnlich (nur so viel cooler und besser :innocent:). Wenn ich das auch so cool hinkriege, kann ich den schnellen Perspektivwechsel teilweise auch drin lassen.

Bei meinen neueren Sachen habe ich das Problem nicht mehr, weil langsam Routine reinkommt. Da weise ich gleich zu Beginn zu, wer welche Szene kriegt.

KaPunkt

Was genau ist jetzt deine Fragestellung?

Allgemein kann ich dir sagen, dass ich bei meinem Erstling das gleiche Problem habe / hatte und das mir bis jetzt jeder Lektor deswegen auf die Finger gehauen hat.
Und zwar ordentlich. (Der erste hat mir zum Thema 'so macht man das richtig' eines meiner Lieblingsbücher als Positiv Beispiel empfohlen. Das hat gesessen.  :pfanne: )
Ich lese gerne Neil Gaiman (kenne bisher nur American Gods, Neverwehre und Good Omens ) aber ehrlich gesagt sind mir da irgendwelche Besonderheiten in Bezug auf die Perspektiv-Wechsel nicht gewärtig.
Mir ist es bei den Drei Musketieren aufgefallen. Und da hat es mich gestört. *schulterzuck*

Liebe Grüße,
KaPunkt
She is serene
with the grace and gentleness of
the warrior
the spear the harp the book the butterfly
are equal
in her hands.
(Diane di Prima)

Alana

#191
Ich habe erst kürzlich einen Roman gelesen, wo man wirklich ständig in den Köpfen herumgesprungen ist. Ich fand das ganz schrecklich, weil sich da kein Spannungsbogen und keine emotionale Nähe zu den Figuren aufbauen konnte. Aber ich mag es sowieso nicht, wenn es zu viele Perspektivträger gibt. Das ist sicher auch Geschmackssache.
Alhambrana

Erdbeere

Ich arbeite zur Zeit hart an meinem Roman und bin froh, dass ich ihn ausgedruckt habe. Im ersten Drittel ist es mit den perspektivischen Wechseln noch nicht ganz so schlimm, aber ich sehe, dass ich immer wieder kurz, für nur 2-3 Sätze, in die andere Person geschlüpft bin. Das lässt sich einigermassen leicht beheben.

Was ich mich jetzt aber frage ist folgendes (und das habe ich oben vergessen zu erwähnen @KaPunkt): Ich habe drei Perspektivträger bzw. drei Protagonisten. Ab wann sind Perspektivwechsel zu viel, verwirrend, störend?
Ich nehme als Beispiel gerne wieder Neil Gaiman (weil ich wirklich ähnliche Wechsel habe wie er). Teilweise schreibt er lange aus der Sicht einer Person, dann ein Absatz (und diese Sternchen dazwischen), ein paar Sätze aus der Sicht einer anderen Person, Absatz, zurück zur ersten etc.
Auf die Sternchen zwischen den Absätzen verzichte ich, weil das sonst zu ähnlich wäre (nur im ersten Kapitel, da habe ich sie drin, weil die drei Protas eingeführt werden und die halbe Welt zwischen sich haben). Ich habe auch kein bestimmtes Schema, z.B. habe ich kein einziges Kapitel einer bestimmten Person zugeteilt oder habe eine Reihenfolge der Perspektivträger, die ich einhalte.
Einer meiner Betas fragte mich, ob das ein Stil und so gewollt sei. Ehrlich gesagt, ich habe keine Ahnung. Ich schreibe so. Ich sehe meine Geschichte wie einen Film vor mir, und so schreibe ich auch.

Haut mich, falls ich zu verwirrend bin. :gähn:

HauntingWitch

Ich habe auch nie ein bestimmtes Schema. Ich finde, man kann einer Person durchaus einen so langen oder kurzen Abschnitt geben, wie es für die Geschichte eben passend ist und dass das nicht immer gleich viel ist, ist für mich nur logisch. Die Perspektiven pro Kapitel aufzuteilen oder zu sagen, nach so und so vielen Seiten muss ein anderer Prota zum Zuge kommen, wäre mir zu zwanghaft.

Das andere: Ich denke, es kommt sehr stark auf die Sequenz an, die man gerade schreibt. Es gibt einfach Passagen, die sich seitenweise aus derselben Perspektive zeigen lassen, weil es auch gar nicht mehr braucht. Aber wenn ich nun etwas zeigen möchte, dass dieser Protagonist gar nicht weiss und nur der 2. Protagonist weiss, dann muss ich an der Stelle dem 2. Protagonisten eine Perspektive geben. Und wenn dann der 2. Protagonist nur eine halbe Seite lang spricht und der 1. die zehn Seiten drumherum (also die 5 davor und die 5 danach), dann ist es eben so. Oder wenn ich eine Actionszene habe, in der zwei Personen an zwei verschiedenen Stellen kämpfen und ich will dass der Leser alles in "real time" mitbekommt - dann haben die Absätze halt nur fünf Zeilen oder mal mehr und mal weniger. Ich glaube, wir "modernen" Autoren machen uns viel zu viele Gedanken darüber, was man darf und was nicht. Dann lese ich ältere Bücher und sehe diese - aus heutiger Sicht - Anarchie, wenn man so will, die dort betrieben wird. Und trotzdem liest man diese Bücher gerne und sie hatten Erfolg, sonst würden sie ja nicht immer noch gelesen werden. 

Also, Erdbeere, ich würde sagen, schreib so, wie du es als richtig empfindest. Das ist das einzig Richtige, wenn du versuchst, sie in ein Korsett zu zwängen, machst du sie am Ende noch kaputt.  ;)

Alana

#194
Das mit den Sternchen ist nicht von Neil Gaiman erfunden worden, denke ich, also kannst du das ruhig verwenden, ich mache das zumindest auch.

Zu den Perspektivwechseln: Ich denke, es kommt darauf an, warum man das macht. Wenn man in einer Persepktive bleiben will, dann muss man aus der Sicht dieser Person schlüssig darstellen, was eine andere Person wahrscheinlich denkt und fühlt. Das ist nicht immer leicht, aber gerade das macht für mich den Reiz einer Geschichte aus. Zu häufiges Springen reißt mich dagegen immer raus.
Wenn es für den Wechsel aber einen Grund gibt, einen, der den Plot vorantreibt oder die Spannung erhöht, dann finde ich das nachvollziehbar.
Alhambrana