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Gender-gerechte Bezeichnungen in Romanen

Begonnen von Lothen, 30. Januar 2019, 13:38:50

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Trippelschritt

#30
[MALINCHE]
Rassistisches Vokabular entfernt.
[/MALINCHE]

Zitat von: Tigermöhre am 31. Januar 2019, 14:33:02
Meiner Meinung nach liegt das Problem bei gendergerechter Sprache im Deutschen darin, dass das Maskulinum und das Femininum nicht gleichwertig sind.
Die weibliche Form ist, genau wie die neutrale Form, ein Anhängsel an die männliche Form.

Ich bin mir da nicht so sicher. Es geht oft um viel mehr, nämlich die Deutungshoheit über einzelne Worte. Nur ein typisches Beispiel:
Friseur oder noch besser Masseur ist eine Berufsbezeicnung mit französicher männlicher Endung. Masseuse wäre der die entsprechende weibliche Form. Da aber Masseuse bereits schlüpfig besetzt war, musste man auf Masseurin ausweichen.

Bei diesem ganzen pseudopolitischen Quatsch mische ich mich als Autor nicht auch noch ein, vergesse auch den größten Teil der Political Correctness und wähle eine Sprache für meine Geschichten, die direkt verständlich ist. Und nur am Rande. Wir haben viele amerikanische Freunde, die uns auch hin und wieder besuchen kommen. Die sind anfangs mehr als einmal zusammengezuckt, wenn wir über heikle Themen diskutiert haben. Der Grund? Mein Basiswortschatz ist britisches Schulenglisch aus den seckziger Jahren, das später durch meinen Beruf zwangsläufig etwas amerikanisiert wurde. Aber eines ist es ganz bestimmt nicht. Amerikanisch politisch korrekt, denn deren diesbezügliche Diskussion ist an mir vorbeigegangen.
Und da meine Assoziationen im Deutschen bei Wörtern wie [Ersetzung: rassistische Fremdbezeichnung für Sinti und Roma] oder N***kuss sehr positive und angenehme sind (das eine ist Lagerfeuerromantik und das andere süß und weich) müsste man mir erst einmal meine Assoziationen wegnehmen und ändern. Und das ist in meinem Alter beinahe unmöglich. Und so vermeide ich diese Reizworte in der Öffentlichkeit, aber denke immer noch so wie früher.

Aber das muss jeder so halten, wie er es für richtig erachtet. Ich weiß aber, dass ich mit dieser Meinung nicht allein dastehe, und deshalb gebe ich auch gern der Fee recht: Wenn ihr für Leser schreibt, dann orientiert euch an der Geschichte. Ich jedenfalls klappe Sternchenbücher zu, weil ich mich von einem solchen Autor nicht ernst genommen fühle.

Liebe Grüße
vom Trippelschritt

Rosentinte

Erst einmal finde ich es schade, dass die Antwort auf die Frage "Wie kann man gendergerecht schreiben?" hier mehrheitlich "Gar nicht" ist.
Ich verstehe, dass Gendersternchen, Binnen-Is und Co erst einmal künstlich und unnatürlich wirken. Fand ich lange auch und habe das generische Maskulinum verwendet. Für ein Ehrenamt "musste" ich mir für die Kommunikation nach außen dann das Gendern angewöhnen. Das hat sich eine ganze Weile lang sehr falsch angefühlt, würde aber irgendwann zur Normalität. Und seitdem fühle ich mich als Frau tatsächlich immer weniger vom generischen Maskulinum angesprochen. Das mag ein Problem der deutschen Sprache sein, da es hier kaum neutrale Begriffe gibt, sondern meist nur Maskulinum oder Maskulinum+Suffix (=Femininum). Aber an diesem Problem können wir heute nicht mehr ursächlich etwas ändern, wir müssen uns eine neue Lösung ausdenken und darum soll es ja hier gehen.

Es ist schön für euch, wenn ihr euch vom generischen Maskulinum angesprochen fühlt  und euch Geschichten so sehr fesseln, dass es euch nichts ausmacht. Aber ich glaube, dass es eine wachsende Anzahl von Leser*innen gibt, denen das nicht so geht bzw. dass wir es unseren Leserinnen schuldig sind, auf die ein oder andere Weise zu zeigen, wie Welten aussehen, in denen die Gleichstellung von Mann und Frau (Und allem dazwischen) eine Selbstverständlichkeit ist. Wenn ihr kein Bedürfnis für geschlechtergerechte Sprache habt, dann freut mich saß für euch. Aber dann seit ihr vielleicht auch keine Zielgruppe für Romane, die in einer solchen Sprache geschrieben sind.

An dieser Stelle ziehe ich mich mal aus der Diskussion raus, bevor es endgültig ins "warum" abdriftet.
El alma que anda en amor ni cansa ni se cansa.
Eine Seele, in der die Liebe wohnt, ermüdet nie und nimmer. (Übersetzung aus Taizé)

Tanrien

Eigentlich war @Lothen bei der Threaderstellung recht deutlich, dass es eben nicht um das Warum gehen soll - finde ich sehr unschön, dass das ignoriert wird. Vielleicht könnte man die Warum-Diskussion abtrennen?
Zitat von: Lothen am 30. Januar 2019, 13:38:50
Disclaimer: Ich fände es schön, wenn sich die Diskussion auf das "wie" beziehen könnte, nicht auf "sollte man", deswegen auch die Platzierung hier im Sprachbastelboard. Wenn jemand das Für und Wider von gendergerechter Sprache diskutieren möchte, wäre ich dankbar, wenn dafür ein zweiter Thread aufgemacht werden könnte, damit der Fokus hier auf dem technischen bzw. handwerklichen Aspekt bleiben kann.

Ich schreibe ja auf Englisch, habe aber gleichzeitig noch die deutschen Assoziationen im Kopf - z.B. Ist "The warrior looked at her" bei mir erstmal männlich besetzt. Im aktuellen Projekt löse ich das, indem fast alles an Personengruppen, hm, Statusbezeichnungen hat? Aufs Deutsche übertragen wäre es sowas wie, "Sie blickte in die Runde und alle der anwesenden Schwerter schauten zurück." Im englischen funktioniert das mit der Großschreibung der Bezeichnungen natürlich besser.

PBard

Kurz am Anfang, weil ich Tanrien rechtgebe, daß wir uns an die Bitte von Lothen halten sollten: Mir geht es in meiner Antwort an keiner Stelle um "sollte man", sondern um diverse "wie sollte man eher nicht". Oder mehr "wie würde ich es nicht tun", denn letztendlich gibt es kein "sollte", nur persönliche Wege, um mit der Problematik umzugehen.


Erst einmal zu den altbekannten *innen, _innen und Innen Lösungen. Hier wurde ja schon öfters aus dem Bauchgefühl heraus erwähnt, daß Leute da drüber stolpern, wobei ich für mich persönlich inzwischen sehr spezifisch weißt, warum ich das tu: Weil ich beim Lesen eines Textes in Gedanken eine Stimme höre, die diese vorliest.

Nur, wie genau soll diese Stimme diese künstlichen Sprachkonstrukte lesen?

Noch extremer wird das Ganze dann, wenn man bedenkt, wie weit verbreitet heute Hörbücher sind. Wie soll der arme Sprecher diese Dinger denn bitte lesen, ohne den Zuhörer damit zu verwirrden? Wie würdet ihr als Autor das tun, wenn ihr eine Lesung zu eurem Buch halten sollt? Geht ihr dann wieder zu "Händlerinnnen und Händler" über? Dann könnte man bei der schriftlichen Version auch gleich dabei bleiben ...

Wesentlich eleganter klingt da schon die Lösung mit den von vornherein geschlechtneutralen Wörtern, wobei die halt leider auch nur in der Mehrzahl funktionieren. Es bleibt ja trotzdem der Unterschied zwischen "die Studierende" und "der Studierende". Geschlechtsneutrale Konstrukte wie "die studierende Person" wirken dann schon wieder ähnlich holprig wie "Händlerinnen und Händler". Ich reih mich mal auch in die "Deutsch ist frustrierend"-Riege mit ein.

Geschlechtsneutrale Bezeichnungen wie "Schwerter des Königs" sind natürlich pipifein, ich mag das Konzept wirklich. Problem ist halt, daß man sie nur beschränkt einsetzen kann. Krieger, Händler, sonstige Berufsgruppierungen lassen sich damit bis zu einem gewissen Grad abdecken - aber nicht jede Gruppe an Männern und Frauen (und vielleicht auch anderen) wird einen eigenen Titel haben. Man kann sich sicherlich öfters mal mit "Personen" oder "Leuten" weiterhelfen, aber man muß vorsichtig sein, das nicht zu oft zu tun - das führt sehr schnell zu einem sterilen, schalen Text.

Vermutlich könnte man aber mit einer Mischung dieser Konzepte recht weit kommen?

Mich würde ja interessieren, wie der Otto-Normal-Leser darauf reagieren würde, wenn man vom Hintergrund her ein viertes (nicht abwertend neutrales) Geschlecht einführt, dieses anfangs nur in der direkten Rede benutzt wird, es aber mit der Zeit (zB während der Perspektivträger sich daran gewöhnt) auch in den normalen Text reinsickert. Wie Shedzyala sagt, als Leser gewöhnt man sich an (sinnvolle) Abweichungen vom Standard, und eine Eingewöhnungsphase mit vorangegangener Erklärung könnte dabei helfen.

Tex

Hi, eigentlich kann ich nicht viel tiefgründiges zu diesem Thema sagen, da ich mich noch nie wirklich damit beschäftigt habe. Jedoch habe ich letztens einen Text gelesen, in dem eine für mich neue Lösung für das Gendern genutzt wurde. Und zwar wurde dort bei jedem Wort, das geschlechtsneutral gestaltet werden sollte, die Endung weggestrichen und durch etwas geschlechtsneutraleres ersetzt, ohne dass der Klang des Wortes maßgeblich verloren ging. Die Endung -er zum Beispiel wurde durch -ar ersetzt (In dem Text ging es hauptsächlich um einen nicht näher definierten "Autofahrar"). Die Methode ist meiner Meinung nach nicht besonders schön, aber wohl eine der wenigen Varianten, manche Worte geschlechtsneutral zu gestalten.

Silvia

Vielleicht muss man sich da in anderen Sprachräumen bedienen und nett "eindeutschen". Hier mal aus dem Thailändischen - was auch das einzige ist, das ich mal mitbekommen habe.  ;)

ZitatKathoey
(auch Katoey oder Katoy, thailändisch กะเทย, Aussprache: [kà.tʰɤːj], RTGS: Kathoei) ist eine in Thailand und Laos übliche Kategorie für Transgender. Der Begriff (ein Lehnwort aus dem Khmer ins Thailändische, das ursprünglich Zwitter bezeichnete) hat keine genaue Entsprechung in anderen Sprachen, sodass alle Versuche, ihn zu übersetzen, an unterschiedlichen Begriffsinhalten der jeweiligen anderssprachigen Begriffe scheitern.

Kathoey ist keine klar umgrenzte, homogene Kategorie geschlechtlicher oder sexueller Identität. In der Regel bezeichnet er heute (biologische) Männer mit femininen Eigenschaften oder Identifikation, die maskuline Männer begehren.[2] Der Grad des femininen Auftretens bzw. der Selbstidentifizierung als Frau reicht dabei vom (zum Teil nur zeitlich begrenztem) Zeigen weiblicher Verhaltensweisen, Kleidungsstücke oder Attribute bis hin zur vollständigen Identifikation als Frau oder auch als Frau zweiter Art (Sao praphet song, สาวประเภทสอง, [sǎːw pràʔpʰêːt sɔ̌ːŋ]). Während am einen Ende des Spektrums der Übergang zur Identität als homosexueller Mann (Gay , เกย์, [keː]) fließend sein kann, steht am anderen Ende oft der Wunsch nach geschlechtsangleichenden Maßnahmen wie Hormonbehandlung, kosmetischen Operationen an Gesicht, Brust oder Hüften, um das eigene Erscheinungsbild weiblicher zu gestalten und teilweise auch nach geschlechtsangleichender Operation. Andererseits gibt es Kathoey, die keinen Widerspruch zwischen ihrer weiblichen Identität und ihrem Körper (einschließlich ihres Penis) sehen. Das Streben nach der vollständigen Geschlechtsangleichung ist auch nicht in jedem Fall der eigenen Empfindung geschuldet, sondern in einigen Fällen auch dem Wunsch nach einem höheren gesellschaftlichen Status.[3] Kathoey kann also eine Vielfalt verschiedener Identitäten umfassen, die in einigen Fällen auch bei Belieben gewechselt werden können.[4] Von außen und auch von manchen Kathoey wird auch die Bezeichnung drittes Geschlecht (Phet thi sam, เพศที่สาม, [pʰêːt tʰîː sǎːm]) verwendet.[5]

Als englische Bezeichnungen finden sich, vor allem im sex-industriellen Zusammenhang, auch Ladyman, Ladyboy oder Shemale.

Die umgekehrte Entsprechung, also maskuline Frauen, die feminine Frauen begehren, werden Tom (ทอม, [tʰɔːm]) genannt.

https://de.wikipedia.org/wiki/Kathoey

Lothen

Danke für den Rückbezug, @Tanrien und @Rosentinte . Ich schließe mich Rosentintes Argumentation auch vollumfänglich an.

Zitat von: PBard am 01. Februar 2019, 09:51:59
Wie soll der arme Sprecher diese Dinger denn bitte lesen, ohne den Zuhörer damit zu verwirrden? Wie würdet ihr als Autor das tun, wenn ihr eine Lesung zu eurem Buch halten sollt? Geht ihr dann wieder zu "Händlerinnnen und Händler" über? Dann könnte man bei der schriftlichen Version auch gleich dabei bleiben ...
Ich bin aktuell in einem Essayband zum Thema Diversität im Rollenspiel vertreten, der auch als Hörbuchversion eingelesen wird, und da ist wohl der Konsens, eine Pause zwischen * und innen zu machen. Also Autor - innen. Ist sicher auch nicht ideal, wollte nur anmerken, dass es dafür ein Prozedere gibt.

ZitatGeschlechtsneutrale Bezeichnungen wie "Schwerter des Königs" sind natürlich pipifein, ich mag das Konzept wirklich.
Gefällt mir auch sehr!

Den Gedanken, Geschlecht/Gender noch auf ganz anderen Dimensionen auszuweiten, wie in @Silvias Post, finde ich auch enorm spannend. Könnte ich mir auch für die Zukunft vorstellen.

Volker

Zitat von: PBard am 01. Februar 2019, 09:51:59
Erst einmal zu den altbekannten *innen, _innen und Innen Lösungen. Hier wurde ja schon öfters aus dem Bauchgefühl heraus erwähnt, daß Leute da drüber stolpern, wobei ich für mich persönlich inzwischen sehr spezifisch weißt, warum ich das tu: Weil ich beim Lesen eines Textes in Gedanken eine Stimme höre, die diese vorliest.

Genau dazu sind diese Sprachkonstruktionen auch konstruiert: man soll darüber stolpern. Weiterführend wird auch schon *x empfohlen (Autor*x, Stúdent*x, Studierend*x) um auch Nicht-Binäre Identitäten mit einzuschließen. Einige Gender-Prof*xs gehen noch einen weiter und empfehlen, die Form*in in jede*x Satz/Satzin zu ändern damit man/frau/x sich nicht an das Form-In gewöhnt.

Und das liest sich dann schlicht schei...x.
Weil soll es ja auch. 
In politischen Texten.
(IMHO: liest sich trotzdem doof)

Deutsch ist halt eine Sprache mit generischem maskulinem Genus insbesondere für Berufbezeichnungen (wie "Krankenschwester"), sowie spezifischen Formen für Frauen betreffende Bezeichner (bis hin zu "Amtsmännin") und komplett fehlendem spezifischen Genus für Männer-Bezeichnungen ("Bäcker-er"?) und nicht-Binäre.

IMHO wird bei der Diskussion um "gender-gerechte" Sprache gerne übersehen, dass Sprache nicht identisch mit sozialer (Gender-) Gerechtigkeit ist - über die Sprache kann man zwar prima und konsequenzfrei streiten - aber vor allem Ressourcen binden und nichts am bequemen Status-Quo ändern. Dagegen ist ein Twist im kulturellen Kontext und insbesondere daraus entstehender Konflikt viel wirkungsvoller (sowohl von der Hirnleistung als auch der Bewusstseinsbildung - aber auch für den Autor als Romanstoff): "Du willst MASCHINENBAU studieren?!?? Als MANN? Nicht Dein Ernst! Denk' doch an den Ruf Deiner Familie!" (nicht unüblich im Iran, wird dort eher als Frauensache gesehen) - oder noch pointierter: "Du willst MUTTER werden im Tempel der GÖTTIN? Als MANN?!??"


Zitat von: PBard am 01. Februar 2019, 09:51:59
Es bleibt ja trotzdem der Unterschied zwischen "die Studierende" und "der Studierende".

Funfact: wer "Studierend*x" wieder ins lateinische Original zurückübersetzt, erhält:  *Tusch*  "Student".   :rofl:

Minna

#38
Ich habe bisher zwei romantische Kurzgeschichten geschrieben in denen ich das Geschlecht der Charaktere nicht benennen wollte. Beide haben neutrale Namen und die Geschichte wird von einem Ich-Erzähler geschildert, der sein Gegenüber nur als ,,du" beschreibt und benennt. Andere Menschen werden vom Erzähler mit neutralen Begriffen (Menschen, Wesen, Tanzende) beschrieben.

Generell glaube ich schon, dass man einem Leser neue oder ungewöhnliche grammatikalische Konstrukte zumuten kann und sollte, aber es sollte nicht zu viel werden- neue Pronomen, neue Artikel und neue Substantivendungen in einem Text (,,Din Zauberir nahm nimsen Buch." Quelle) würde ich als zu viel empfinden.
Wenn aber für ein Wesen im Buch mit unbestimmtem Geschlecht xier verwendet wird, hier und da ein paar Händler*innen auftauchen, oder ein Charakter im generischen Femininum spricht halte ich das für interessant, solange ich auch den kulturellen/historischen Hintergrund dazu erfahre und es nicht nur der gendergerechten Sprache wegen verwendet wird. Als Autor*in sollte man sich da glaube ich bewusst sein, dass man mit solchen Sachen seinem Leser einiges an Hirnakrobatik zumutet und es entsprechend sparsam/vorhersehbar verwenden. Z.B. Charakter x spricht halt so, xien ist immer Charakter X (mehr als ein xien könnte für Erstleser*innen schon wieder verwirrend werden) -dann kann sich der Leser auch geistig darauf vorbereiten.

Wie wäre es denn ausgehend von einer Sprache, die wir als genderneutraler empfinden aus zu gehen und mal schauen, warum sie das überhaupt ist, bzw. ob sich das auch im Deutschen anwenden lässt?

Das Englische wurde ja häufiger genannt. Dazu fällt mir ein (Man verzeihe mir mangelndes Wissen über Grammatik. Die Schulzeit ist schon eine Weile her und ich hoffe ich verzapfe hier nicht zu viel Blödsinn. Betrachtet es mehr als einen Vorschlag für eine Herangehensweise an das Problem):

Unterschied: Es gibt keine weibliche und männliche Form von Substantiven (egal ob Krieger oder Kriegerin, sie sind alle warrior)
Mögliche Lösung im Deutschen:
- das Gendersternchen: die Krieger*innen
- neutrale Begriffe verwenden und erfinden: die Schwerter des Königs
- festlegen das das Maskulinum eine neutrale Bezeichnung ist und damit z.B. Krieger doch beides sein kann

Unterschied: ,,the" ist ein neutraler Artikel
Mögliche Lösung im Deutschen:
-   einen erfinden
-   ich persönlich empfinde ja das Neutrum als neutral, machen wir also das Krieger daraus und dann können es und alle an der Diskussion beteiligten, sich aussuchen was es ist (Nur so als Randnotiz: Die Briten fallen immer vom Glauben ab, wenn ich von einem Kind als "it" spreche. Warum ist ein Kind im Deutschen sächlich? Bzw. was ist so schlimm daran?^^)

Unterschied: Die Pronomen- im Englischen haben wir they als Lösung (obwohl ich immer darüber stolpere- für mich ist das Mehrzahl), which und everyone zum Beispiel sind neutral
Mögliche Lösungen im Deutschen:
-   xier oder nin: xier empfinde ich persönlich als sehr unmelodisch
-   oder doch wieder sächlich? (Ich persönlich würde mich nicht beleidigt fühlen, wenn mich jemand als sächlich bezeichnet, bis er rausfindet wie ich gerne angesprochen werden möchte.)


[Edit:] Mittlerweile weiß ich, dass das von nicht binären Menschen als übergriffig empfunden wird, wenn Außenstehende darüber diskutieren welche Pronomen sie verwenden sollten. Es gibt mittlerweile etliche Systeme, welche die Gemeinschaft versucht in Deutschland und in der deutschen Sprache zu etablieren.
Beispiele dafür finden sich zum Beispiel auf dieser Website und hier gibt es geschlechtsneutrale Deklinationssysteme.

Mittlerweile finde ich wir sollten als Autor*innen mithelfen bereits existierende Pronomen und genderneutrale Sprache zu verbreiten und zu fördern, statt dann auch noch eine eigene Suppe zu kochen, weil wir die Wörter als zu fremd oder nicht schön klingend empfinden.

Churke

Zitat von: PBard am 01. Februar 2019, 09:51:59
Mich würde ja interessieren, wie der Otto-Normal-Leser darauf reagieren würde, wenn man vom Hintergrund her ein viertes (nicht abwertend neutrales) Geschlecht einführt, dieses anfangs nur in der direkten Rede benutzt wird, es aber mit der Zeit (zB während der Perspektivträger sich daran gewöhnt) auch in den normalen Text reinsickert.

Die meisten Leute sind bereits mit 3 Genera überfordert, weshalb es die in den meisten Sprachen nicht oder nicht mehr gibt.

Zit

@Kathoey, Hijira und ähnliche:

Ich finde es schwierig, diese Begriffe aus ihrem kulturellen Kontext zu reißen. Gerade auch weil sie nur für Männer benutzt werden, die als Frauen auftreten/ sich identifizieren. Was ist mit dem umgekehrten Fall? Man mag mich korrigieren: Ich hatte bisher den Eindruck, dass Frauen und Mädchen in Indien arm drin. (Bspw. von solchen Nachrichten: Gruppenvergewaltigung in Delhi) Das, was Gesetz ist, und das, was die Gesellschaft tut, sind zwei Dinge.
Was ich eigentlich sagen wollte: Ich würde heutzutage nicht unbedingt ohne nachzudenken einen Begriff ohne kulturellen Kontext entlehnen. Wenn wir Kathoey in Texten benutzen, bleibt es trotzdem nur der eine spezifische Fall eines non-binären Genders, und fällt damit als gender-gleichberichtigte Variante raus. (Ich kann mir durchaus vorstellen, dass Hijira auch eine Brandmarkung ist im Hinblick auf das starre Kastensystem dort.)

ZitatGenerell glaube ich schon, dass man einem Leser neue oder ungewöhnliche grammatikalische Konstrukte zumuten kann und sollte, aber es sollte nicht zu viel werden- neue Pronomen, neue Artikel und neue Substantivendungen in einem Text (,,Din Zauberir nahm nimsen Buch." Quelle) würde ich als zu viel empfinden.

Die Sache ist doch: Muss man das? Wenn ich nicht gerade wie im Krimi den Täter völlig verschleiern will, ergibt es für mich keinen Sinn, einem Menschen kein grammatikalisches Geschlecht zuzuweisen. Das grammatikalische Geschlecht kann sich ja auch an dem orientieren, nachdem die Figur aussieht (nicht unbedingt, was sie ist). Je nach Erzähler. Aber ich bezweifle, dass viele hier den allumfassenden Erzähler verwenden, bei der Mehrzahl wird es ein getrübter Erzähler sein, entweder als eigene, in der Geschichte abwesende, Figur oder mit den Augen einer in der Geschichte vorkommenden Figur. Meiner Meinung nach lassen sich Menschen optisch dennoch binär einordnen, und danach würde ich gehen. Wenn es dann eine Figur ist, die tagtäglich sich anders fühlt und deswegen anders kleidet und wirkt – dann hat sie in der Geschichte durchgehend wechselnde Pronomen. Und wenn sie keins von beidem ist und sich zwischen den Stühlen fühlt, dann halt auch gerne xier. Ich finde sogar, dass xier einerseits exotisch ist, andererseits sich gut vom Klang ins Deutsche einfügt, dass es sich in einem Satz flüssig lesen lässt. Wie du sagtest: Die Dosis macht das Gift. Ich würde Xier nicht für Figuren verwenden, die sich einem Gender zuordnen.
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

AlpakaAlex

Zitat von: Zitkalasa am 01. Februar 2019, 16:58:39
Meiner Meinung nach lassen sich Menschen optisch dennoch binär einordnen, und danach würde ich gehen.
Genau das sehe ich aber als sehr kritisch. Ich werde optisch, aber vor allem wegen meiner Stimme von vielen Leuten als Frau gelesen, aber ich identifiziere mich nicht (immer) als Frau. Und wenn ich als Frau bezeichnet werde, wenn ich mich nicht als Frau fühle, dann löst das Dysphorie aus.
Und ja, wir reden hier von dem wie ein Erzähler einen beliebigen Charakter beschreibt, aber letzten Endes, gerade wenn das Gender der Person ein Geheimnis oder unklar sein soll, finde ich es sehr unschön, weil es eben weiterhin dieses sehr cis-binäre vorgehen, eben "Sieht optisch so aus, also so gegendert" verwendet. Und dagegen sollte IMHO sensibilisiert werden, wofür Bücher sich nun einmal anbieten. Genau deswegen finde ich es so wichtig, eine deutlich inklusivere Sprache in Büchern zu benutzen - umso mehr in Fiktion, die ohnehin schon neue Worte mit sich bringt.

Übrigens: Diverse nicht-binäre Menschen ordnen sich durchaus einem Gender zu. Dieses Gender ist nur nicht männlich oder weiblich, sondern ein anderes. Und selbst wenn man sich einem Gender zuordnet ... Ich habe bei mir festgestellt, dass es mir einfach angenehmer ist, they/xier genannt zu werden, je nach Sprache, selbst wenn mich zu dem Zeitpunkt als weiblich oder männlich identifiziere. Gerade mit dem "sie" habe ich mich angefeindet - weil es eben so oft nicht entsprechend meinem Gender, sondern entsprechend der Wahrnehmung vor allem meiner Stimme geschieht. Das wird auch nicht dadurch besser, dass ich mich häufiger als weiblich identifiziere, als als männlich oder komplett nicht-binär.

Und ja, sicher, man kann sagen: "Ich habe bei meinen Charakteren volle Kontrolle darüber, wie die sich identifizieren und welche Pronomen sie bevorzugen." Aber halt gerade xier ... Ich verstehe, dass es ungewohnt und exotisch ist - aber Fremdworte und Neologismen sind es nur solange, bis man anfängt sie allgegenwärtig zu nutzen. Und das ist ein Schritt, in deren Richtung auch Autoren helfen können. (Ich mein, in meinen Projekten waren Engel immer schon nicht-binär und ich habe es mit 16, 17, bevor ich mich bewusst als enby identifiziert habe, diese bereits mit xier deklariert, und für meine damals ebenfalls minderjährigen Leser war es selten ein Problem, da man sich schnell daran gewöhnt.)
 

PBard

Zitat von: Lothen am 01. Februar 2019, 12:53:25Ich bin aktuell in einem Essayband zum Thema Diversität im Rollenspiel vertreten, der auch als Hörbuchversion eingelesen wird, und da ist wohl der Konsens, eine Pause zwischen * und innen zu machen. Also Autor - innen. Ist sicher auch nicht ideal, wollte nur anmerken, dass es dafür ein Prozedere gibt.
Cool, danke für die Info! :vibes:

Stell ich mir sehr störend vor, aber sicherlich besser als das "blubb", das mein Gehirn im Moment dafür einsetzt. ;D

Zitat von: Churke am 01. Februar 2019, 16:43:06Die meisten Leute sind bereits mit 3 Genera überfordert, weshalb es die in den meisten Sprachen nicht oder nicht mehr gibt.
Überfordert halte ich für ein Gerücht - sie sind einfach nur extrem unpraktisch und vollkommen sinnlos.

Aber ich traue das schon jemandem zu, der genug Gehirnzellen hat, um ein Buch richtig herum zu halten. ;D

Zitat von: Minna am 01. Februar 2019, 14:25:59Warum ist ein Kind im Deutschen sächlich? Bzw. was ist so schlimm daran?^^
[...]
(Ich persönlich würde mich nicht beleidigt fühlen, wenn mich jemand als sächlich bezeichnet, bis er rausfindet wie ich gerne angesprochen werden möchte.)
Das Problem zeigt sich schon am Wort "sächlich". Also eigentlich keine Person, sondern eine Sache.

Das Kind, das Weib, das Tier - alles Lebewesen, die nicht als eigenständige Persönlichkeiten wahrgenommen wurden, und ich bin kein Sprachforscher, aber ich behaupte, daß der Genus in diesen Fällen sehr bewußt gewählt war.

Bei vielen Dingen fällt uns das nicht auf: Was ist so schlimm daran, eine 25jährige als Mädchen zu bezeichnen? Warum soll man im Café nicht nach dem Fräulein rufen dürfen?
Auffälliger wird es, wenn man das Konzept umlegt: Einen 25jährigen als Bübchen bezeichnen? Im Café nach dem Männlein rufen?

Rein grammatisch ist an alledem natürlich nichst Negatives zu sehen, rein grammatisch gibt es keine Wertung, aber gesellschaftlich gesehen ist "es" als Pronomen für Personen einfach sehr negativ vorbelastet. Deswegen oft der Ruf nach einem echtem Neutrum für Personen, statt einfach das bisherige grammatische Neutrum zu verwenden.

Anj

#43
ZitatStell ich mir sehr störend vor, aber sicherlich besser als das "blubb", das mein Gehirn im Moment dafür einsetzt. ;D
Ein Kollege hält auf diese Art seine Seminare und Vorlesungen ab und es ist überhaupt nicht störend. Also ich finde es sogar sehr angenehm und das Feedback von Zuhörenden in seinen Veranstaltungen ist durchweg positiv. Das Gendern wird nur selten überhaupt angemerkt und wenn dann sehr positiv. Er macht es aber auch sehr selbstverständlich in seiner gesamten Kommunikation. Von daher kann ich es mir mit dieem verbalen Gendergap, bzw. dem Gender* durchaus vorstellen. Zumal ich finde, dass Bücher nicht nur über Inhalte zum Nachdenken anregen dürfen.
Und wer, wenn nicht unterhaltende Autoren sollten sich darüber im Klaren sein, dass Sprache und Worte Bilder schaffen? Und sie sitzen auch noch an einer möglichen Stellschraube zur Veränderung...
Ich würde also auch beim wie darüber nachdenken was welche Bilder auslöst.
"Wenn du andere Leute ansiehst, frage dich, ob du sie wirklich siehst, oder ob du nur deine Gedanken über sie siehst."
Jon Kabat-Zinn.

FeeamPC

#44
Wenn das so große Wellen wirft, dann schlage ich vor , wir gehen auf Plattdeutsch über- da kann man beim Menschen alles mit de bezeichnen. De Deern, de Kerl, de Fru, de Jung ... (aber dat Peerd = Pferd).
Und ich vermute, ein paar diverse Geschlechter mehr könnte man bei dem de auch noch unterbringen.