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Szenenlänge - eure Maßstäbe

Begonnen von ShiFanbin, 03. November 2010, 10:59:10

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ShiFanbin

Moin allerseits!

Mein aktuelles NaNo-Projekt stellt mich vor eine Herausforderung, die in meinen deutschsprachigen Geschichten für mich typisch, für die Allgemeinheit aber eher selten zu sein scheint: meine Szenen sind zu kurz.

Nunja, das ist jedenfalls mein Eindruck. 'Kurz' ist eine Szene in meinen Augen, wenn sie unter 1000 Wörtern besitzt - normalerweise in meinem Fall 800 bis 900. Das Problem an dieser Größenordnung ist, dass die Szenen jeweils einem durchaus klaren Zweck dienen, ein deutliches Ereignis beschreiben und ihn ihrem Herzen einen Konflikt tragen. Jedoch versuche ich, überlange Infodump-Passagen zu vermeiden, was zu besagter kurzer Länge führt - immerhin besteht die Szene letztlich, einem Drehbuch gleich, größtenteils aus konkreter Aktion und Dialog.

Ich muss zugeben, dass ich mir hier sehr unsicher bin. Für mich sind alle diese Szenen abgeschlossen, doch der relativ geringe Wordcount gibt mir Grund zur Annahme, dass man vielleicht noch mehr rausholen könnte, dass mein Blick auf mein Werk vielleicht kein akkurates Bild von der Qualität und vom Umfang zeichnet. Vielleicht unterschlage ich Informationen, die ich für selbstverständlich halte; vielleicht wird die Handlung durch zu kurze Szenen langweilig.

Lange Rede, kurzer Sinn: Mich würde interessieren, wo ihr eure Maßstäbe in Sachen Szenenlänge setzt. Was ist für euch 'kurz', was ist für euch 'lang'? Ich spreche explizit von Szenen und nicht von Kapiteln, allerdings überschneidet sich die Wortbedeutung bei mir häufig. Wenn ihr da andere Unterscheidungen vornehmt, wäre diese auch eine wertvolle Information. Jede Meinung zu der Sache hilft mir weiter!

Liebe Grüße
Fabian

Drachenfeder

Hmm, also durch Papyrus habe ich immer eine sehr gute Übersicht meiner Kapitel und Szenen. meine Kapitel sind immer sehr lang, aber die Szenen, tja. Ist nicht wirklich speziell zu sagen. Ich habe keine Maßstäbe und kann auch nicht sagen was gut oder schlecht ist. Kommt auf die Szene drauf an. Manche sind eher lang (kommt oft vor wenn ich wörtliche Rede benutze), andere hingegen sind ziemlich kurz, da auch nicht viel passiert und ich gleich zur nächsten springe. Somit kann es sein das eine Szene mal über mehrere Normseiten geht oder auch nur eine halbe benötigt. Laber, laber nun zum Punkt:

Bei mir gibts keine Maßstäbe, ich bin da ganz flexibel  ;)



Judith

Mir gehts da wie Drachenfeder.

Bisher hab ich mir da keine Maßstäbe gesetzt - eine Szene ist für mich so lang, wie sie eben sein muss, und da ist von grad mal 300 Wörtern bis 2.000 Wörtern (oder mehr) alles drin.
Kapitel sind bei mir oft annähernd gleich lang, Szenen nicht. Dabei definiere ich aber weniger nach "abgeschlossenes Ereignis", sondern eher nach den Kriterien in einem Theaterstück: Eine Szene ist bei mir meistens eine Einheit von Zeit und Ort und handelnden Personen. Gerade letzteres ist eher vage - es kommen schon mal Personen in einer Szene dazu oder weg, aber grob kann man das bei mir durchaus so definieren.

Daher habe ich noch nicht darüber nachgedacht, ob Szenen bei mir manchmal zu kurz sind. Denn länger könnte ich sie nur machen, indem ich sie bewusst und künstlich strecke, was ja auch nicht Sinn der Sache sein sollte.

zDatze

Oh ja, diese Zweifel haben mich auch bereits heimgesucht. Eigentlich passiert mir das jedes Mal, wenn ich ein neues Projekt anfange ... die erste Szene ist meistens deutlich länger als die darauffolgen. Das liegt wohl zum Teil daran, dass der Anfang für mich sehr wichtig ist, um in die Geschichte zu kommen. Daher kristallisiert sie sich viel deutlicher heraus.

Falls es dich beruhigt: 800 Wörter für eine Szene finde ich völlig in Ordnung. In 800 Wörtern kann viel passieren und wenn du in jede Szene einen Konflikt gepackt hast, kann eigentlich nicht mehr viel schief gehen. Später (bei der Überarbeitung) kann man die Szenen immer noch verknüpfen oder aufpeppen.
Mir passiert es zum Beispiel oft, dass ich die Umgebung ganz vergesse. Das kommt dann alles später hinein; Satz für Satz summiert sich das ganz schön auf. :)

ZitatEine Szene ist bei mir meistens eine Einheit von Zeit und Ort und handelnden Personen.
Die Definition finde ich sehr treffend. Genauso handhabe ich es auch meistens.

Also, keine Gedanken machen wegen der Szenenlänge! Schreiben, schreiben und immer schön weiterschreiben. ;)

Runaway

Lustige Frage :) Also ich persönlich hab was gegen totale Miniszenen, wie ich sie manchmal in Büchern antreffe. Halbe Seite. Oder so Minikapitel, die über eine oder zwei Seiten gehen. Das ist irgendwie so abgehackt.
Aber ich finde keineswegs, daß eine Szene unbedingt über 1000 Wörter haben muß, um eine Existenzberechtigung zu haben. Ich würde echt nicht so ein Stückwerk schreiben, wie ich das manchmal von anderen Autoren sehe, aber vielleicht ist das Geschmackssache und ich glaube, man hat auch nicht viel davon, wenn man noch irgendeinen Schmarrn dazuschreibt, weil man denkt, man müßte, damit die Szene länger wird.
Wenn sie kurz ist, auch gut. 800 Wörter ist ja nicht so ratzekurz. Da sollte man schon flexibel sein und sich nicht durch irgendwelche Gedankenkonstrukte oder Vorstellungen einengen lassen.

Sanjani

Hallo,

gehört der Thread nicht eigentlich ins forum Workshop?

Für mich ist die Länge der Szenen nicht wirklich ausschlaggebend, sondern viel eher das, was drin steht. Ist die Szene rund, hat sie alles, was man braucht, kann sie auch eine halbe Seite lang sein oder eben 10 Seiten, aber wenn ich merke, dass ich etwas vermisse, z. B. Gedanken, Gefühle oder den Standort (ich mir z. B. gar nicht vorstellen kann, in welchem Ambiente das stattfindet), dann finde ich sie verbesserungsbedürftig.

Wie das bei dir speziell ist, könnte ich erst sagen, wenn ich was von dir gelesen habe.

Das mal mein Senf dazu.
LG Sanjani
Die einzige blinde Kuh im Tintenzirkel :)

Mika

#6
Also bei mir sind die Szenen auch relativ unterschiedlich. Ich habe meine Intermezzi die wie der Name schon sagt Zwischenspiele sind die lediglich Prophezeiungen oder diverse andere Hintergrundinformationen beinhalten die nur bei ca 500 Wörtern liegen. Meine Szenen können zwischen 600 und 3000+ so ziemliche alle Längen haben. Ich schreibe momentan noch am Umriss meiner Geschichte das heißt einige Beschreibungen ect. fehlen möglicherweise noch und teilweise fehlt der Feinschliff der Formulierungen. Aber ich denke das letztenendes alle Szenen mindestens 1000 Wörter haben werden.
Mir kommt es auch eher auf den Inhalt an. Das heißt eine Szene ist bei mir entweder eine Begebenheit, zum Beispiel habe ich dem Tod eines Engels eine Szene gewidmet auch wenn es streng betrachtet mit Flucht, Verfolgung, Gespräch mit dem Verfolger und Tod eigentlich mehrere Szenen wären. Würde ich es allerdings so detailiert unterteilen hätte eine Szene keine 200 Wörter mehr. Oder ich beschränke die Szenen auf einen Kampf, ein Treffen in einem Raum oder Ähnliches. Besonders streng unterteile ich aber eigentlich nicht. Von Szenen kann ich bei mir gar nicht wirklich sprechen da eine Szene auch über einen längeren Zeitraum gehen kann während eine andere nur wenige Minuten umfasst. Ich betrachte meine "Szenen" im ywriter eben einfach nicht als solche sondern als Handlungsabschnitte die ich beliebige Zeiträume umfassen lasse, von den Örtlichkeiten allerdings versuche einzuschränken.

Thaumaturgon

Na sowas - also über die Wortanzahl meiner Szenen hab ich noch nie nachgedacht. Wie kompakt, kurz oder lange einem eine Szene vorkommt, ist doch mehr eine Frage des Verhältnisses von dargestellter Zeit und der tatsächlichen Lesezeit. Informationen, die der Leser braucht, aber die man nicht ausbreiten will, sind erzählend ("und über Tausend Jahre lang war kein anderer König als Sprosse des McDingsda-Clans"), echte Szenen sind (bei mir) cineastisch und bildhaft; die können auch über mehrere Hundert Worte ausbreiten, was innerhalb eines Augenblicks alles passiert.

Mit der reinen Wortanzahl hat das doch nur dann zu tun, wenn die Szene Details ausbreitet, die man nicht braucht, oder so kompakt ist, dass die Geschehnisse vorüber sind, ehe der Leser sich hineinversetzen konnte. Ich tendiere auch dazu, extrem kompakt zu schreiben. Deswegen mache ich Szenen oft nur skelettartig und fülle sie dann beim zweiten und dritten Drübergehen mit "Fleisch", also mit Eindrücken, Bildern, Empfindungen, die dem Leser die Zeit verschaffen, das auch alles in Vorstellungen umzusetzen, was ich ihm um die Ohren haue.

Wa sich tue, um nicht zu kompakt zu werden: ich lese die Szenen mit großem Zeitabstand wieder. Wenn nicht mehr die Hälfte des ersten Satzes genügt, um mich an die gesamte Szene zu erinnern. Denn der Leser hat diese Erinnerung nicht, bei ihm "plöppt nichts hoch", weil die Worte für ihn keine Schlüsselwörter sind wie für mich. Wenn ich trotz des Vergessens gut in die Stimmung der Szene, sie nachvollziehen kann und ihr folgen kann ohne verwirrt zu sein oder nochmal lesen zu müssen, ist alles soweit im Butter.

Bedenke auch die Anlaufzeit. Der erste Satz einer Szene verpufft normalerweise, er kommt beim Leser gar nicht en detail an, deswegen sollte er nur einen Überblick bieten und nichts beinhalten, das Detailwissen oder notwendiges Wissen zum Verständnis der Szene bietet. Achte mal auf Filme: man sieht immer, immer erst mal eine Gegend, die Umgebung, einen Typen, der irgendwo herum läuft, etwas zur Einstimmung und Vorbereitung, ehe die Dialoge und das Geballer losgehen. Dieses Vorbereiten und auch das "Ausatmen" nach einer Szene braucht es, damit sie wirken kann. Lässt du das weg, verpufft die Wirkung Deiner Szene. Nimm Dir Zeit zum erklären. Schnelle Szenen müssen nicht in Realzeit lesbar sein; es ist besser, wenn der Leser folgen und richtig einsteigen kann.

Kannst Du damit was anfangen?

Grüßle

Thauma

ShiFanbin

Danke für die Antworten, allerseits! Zumindest meine chronische Unsicherheit in Sachen Szenenlänge konntet ihr erfolgreich behandeln. Es ist interessant zu lesen, wie unterschiedlich verschiedene Autoreninnen das Problem angehen. Letztlicht ist es ein klassisches Kunstproblem: man kann sich strikt versuchen, an Maßstäbe zu halten; besser ist es aber, seine eigenen Maßstäbe aufzustellen - oder so.
Wie dem auch sei, ich habe mich entschlossen einfach voranzuschreiben und später, wie von Thaumaturgon empfohlen, zu schauen, inwieweit die Szenen noch für mich verständlich sind. Das Voraussetzen von Wissen ist wahrscheinlich der Hauptauslöser von Szenen, die sich "kurz" anfühlen - bei mir jedenfalls.

Erneut, danke allerseits!

PS: Bei der Wahl des richtigen Forums hat mich die persönliche Komponente der Frage etwas durcheinander gebracht. Bitte vergebt mir meine Fehleinschätzung :)