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Dialoge - echt und lebensnah

Begonnen von Maja, 01. Januar 1970, 01:00:00

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Tintenteufel

Wie langweilig wäre die Welt, wenn Dialoge nur irgendwas voran treiben würden.
Tarantino ist eine Ausnahme, ja. Das kann man schon sehen, wenn einer versucht ihn schlecht zu kopieren. Schau dir mal Signs an - der Nostalgia Critic hat den Dialog da mal ¨Tarantinoing¨ genannt. Kein Zweck, außer um die Charaktere quirky aussehen zu lassen und etwas bescheuert.
Der Unterschied zwischen Signs und irgendeinem Tarantino ist aber die Atmosphere. Tarantino verspricht von der ersten Szene an (Fußmassage anyone?) ein Fest von Popkultur, Gewalt und Sinnlosigkeit. Signs versucht irgendwelche dramatische Aliensachen, bei denen so ein hirnloser Dialog natürlich flach fällt.
Die Dialoge erfüllen also schon einen Zweck - nur eben nicht für den Plot, sondern für die Charaktere.

Wie immer kommt es also auf den Zweck des Dialogs an.
Ich persönlich schreibe auch sehr gerne poetische Dialoge oder etwas gestelzte. Ich benutze auch gern abgehobene Charaktere für so eine Szene, die da völlig rausfallen. Nichts ist für mich langweiliger als zweck gebundener Dialog, der mir nur durchsichtig Informationen über den Plot liefern soll. Da bevorzuge ich endlose Dialoge a la Dostojewski, vollgestopft mit Anekdoten und Abweichungen und Witzen, die nur dazu gut ind mir die skurrilen Charaktere näher zu bringen.

Shedzyala

Ich gestehe: Ich liebe Dialoge – und das ist wohl eines meiner Probleme, denn ich lasse meine Protagonisten auch gern mal fünfzehn Seiten am Stück reden. Allerdings versuche ich dennoch, sie zu pointieren, Anekdoten später noch einmal aufzugreifen, um einen Charakter eine Spruch reinzudrücken. Vieles davon habe ich mir bei Andrzej Sapkowski abgeschaut, der auch selten Inquits bei seitenlangen Dialogen nutzt und es dennoch schafft, nicht langweilig zu klingen. Das P&P-Rollenspiel hat sein Übriges getan, denn ich habe live erlebt, wie man darüber diskutiert, einen Dämon zu erschlagen/ein Attentat zu planen/den Zwerg dazu zu kriegen, das Gebirge auf dem Rücken eines Drachen zu überfliegen ;)

Zitat von: Araluen am 09. Juli 2016, 08:51:26
Für mich macht einen guten Dialog aus, dass er lebendig ist. Es muss ein flotter Schlagabtausch zwischen den Figuren sein und so nah an einem realen Gespräch wie möglich sein. Es gibt also keinen seitenlangen Monolog einer Figur bist die nächste wieder was sagt. Im realen Gespräch mischt sich der Gesprächspartner ein, wenn ihm die Ausführungen zu lange dauern, will selbst etwas beitragen oder hat eine Frage oder wechselt einfach das Thema. Und wie Maubel schon sagte: Dialoge bestechen nciht durch ausgefeilte Sprache, sondern durch spontanes Reden. (außer die Figur gibt anderes vor)
Ich gebe dir uneingeschränkt recht! Wenn eine Figur die Chance bekommt, über mehrere Seiten zu reden, fängt es für mich an, langweilig und unrealistisch zu werden. Ich mag es, wenn Dialoge eben durch eine Gesprächssituation glänzen, also durch Gegenfragen und (scheinbar) unnütze Anmerkungen und Zwischenrufe. Das gibt auch talking heads Lebendigkeit, ohne dass zeitgleich beschrieben werden muss, wie das Frühstück zubereitet wird.
Wenn sie dich hängen wollen, bitte um ein Glas Wasser. Man weiß nie, was passiert, ehe sie es bringen ...
– Andrzej Sapkowski, Die Dame vom See

Trippelschritt

Ach ja, Dialoge. Wieder so ein Thema, zu dem man in Schreibratgebern entweder wenig findet, oder wenn, dann etwas was man nicht versteht. "Ein guter Dialog muss federn." Recht hatte er, der mir diesen Rat einmal gab. Nur konnte ich mir damals als Schreibanfänger nichts unter federn vorstellen.

Der erste Haken ist, dass Dialogsprache eine Kunstsprache ist. Niemand spricht im wirklichen Leben so. Die Sprache in der Realität ist fürchterlich, steckt voller Wiederholungen, unverständlichen Bezügen und der jeweilige Sprecher wird nur verstanden, weil er dasselbe mindestens dreimal sagt. Allerdings in imme etwas anderen Worten. Nix also mit real life!
Und gleichzeitig sollte er typisch sein oder authentisch für Personen  Situationen, gerade wie aus dem Leben gegriffen. Ja, was denn nun?

Und was die Funktion angeht, herrscht auch keine Einigkeit. Tatsächlich, so finde ich, hat fast jeder recht, der etwas zur Funktion von Dialogen sagt.

1. Ein Dialog ist immer sehr nah an der Person und löst damit ein Grundproblem so manchen Autors. Aber wenn ich Nähe nur durch Dialoge erzielen kann, dann fällt das auch auf und der Dialog wird schnell langweilig.
2. Ein Dialog kann hervorragend Personen charakterisieren, aber wenn er dazu missbraucht wird, reicht es dem Leser ebenfalls spätenstens auf Seite vier. Personen charakterisiert man besser anders, als durch Dialoge. Aber passen sollte er schon zu einer bestimmten Figur. Eine wiedererkennbare Stimme solte er haben. Sonst gibt es Einheitsbrei.
3. Ein Dialog soll die Handlung nach vorn treiben. Also ... Ein Dialog verbraucht in der Regel viel Zeit oder Seiten. Die Handlung oder der Plot wird also verlangsamt. Aber definitiv geht es vorwärts. Dialoge, die mir am besten gefallen, lassen die Handlung stillstehen und unterbrechen sie mit etwas, das kurzweilig ist oder dramatisch oder bringt etwas, das mit der Handlung nun überhaupt nichts zu tun hat, sodass sich der Leserf ragt, was ist das denn nun. Ein Dialog lässt Haken schlagen, bringt Überraschungen, macht alles mögliche, nur eines nicht, er bringt dsie Handlung nicht vorwärts. Dummerweise allerdings manchmal schon.
4, Handlung soll eine ganz bestimmte Situation charakterisieren. Und darin ist die besser als jede Beschreibung. Es sei denn der Autor weiß, wie man beschreibt und hat dafür Schwerigkeiten mit Dialogen.

Ich könnte so fortfahren und würde nur deutlich machen, dass ich keine Ahnung habe, wie man gute Dialoge schreibt, weil die Regeln für die Stelle A nicht die Regeln für die Stelle B sind. Wer gute Dialoge stufieren möchte, kann Rothfuss lesen. Der kann's. Und das gleich in mehreren Spielarten. George Martin kann es auch. Jeffrey Archer, Dick Francis etc. Eigentlich jeder große Erzähler. Habe ich denn wirklich nicht mehr beizusteuern als diese Allgemeinplätze? Ich versuche es mal.

- Gute Dialoge sind in der Regel kurz oder wenn lang, dann intelligent in Häppchen serviert.
- Gute Dialoge haben einen Anfang und ein Ende. Und dazwischen passiert unendlich viel. Wie bei einem Aphorismus.
- Und fast alles andere ist situationsabhängig.

Liebe Grüße
Trippelschritt
(liebt Dialoge)

Mondfräulein

Mir hat zumindest eine Person mal gesagt, dass sie meine Dialoge sehr mag, also versuche ich mal meinen Senf dazu zu geben und die Dinge zu nennen, die meiner Meinung nach für einen guten Dialog wichtig sind:

1. Interaktion mit der Umwelt: Ein Dialog findet nicht im Vakuum statt. Wenn ich Personen aber nur miteinander reden lasse, dann fühlt es sich für den Leser so an. Also lasse ich meine Figuren gerne ein wenig mit ihrer Umwelt interagieren oder ich erwähne sie zumidnest: Ein Lastwagen fährt vorbei und für einen Moment muss meine Figur aufhören zu reden, weil der LKW so laut ist. Mein Protagonist schmeißt eine Flasche vom Nachttisch während er telefoniert. Die Umgebung bindet, sorgsam und sparsam eingesetzt, den Dialog in das Setting ein und macht ihn lebendig.

2. Interaktion untereinander: Wenn zwei (oder mehr, aber ich gehe mal vom einfachsten Fall aus) Personen miteinander reden, dann haben sie miteinander irgendeine Art von Beziehung. Und wenn er nur der Kioskverkäufer ist und sie die Lastwagenfahrerin, die nach dem Weg fragt: Das ist auch schon Verhältnis, das die Beziehung zwischen ihnen definiert. Die Beziehung sollte ich kennen, wenn ich den Dialog schreibe. Außerdem hat jede der Figuren eine Haltung zur anderen Figur: Der Kioskbesitzer will eigentlich Feierabend machen und ist genervt, dass da noch jemand kommt und dann nicht einmal etwas kauft. Die Lastwagenfahrerin ist genervt, weil der Kerl so unfreundlich ist. Die Haltung wird durch die Vorgeschichte der Figuren beeinflusst, und wenn das nur ein kurzes Aufeinandertreffen ist, aber auch durch bestimmte Geschehnisse (der Kioskverkäufer hatte heute schon fünf solcher nervigen Leute, die nur nach dem Weg gefragt haben) oder die momentane Stimmung (der Kioskverkäufer ist sowieso schon genervt, weil Deutschland im Halbfinale gegen Frankreich verloren hat). Ich muss also wissen, welche Beziehung die Figuren untereinander haben und welche Haltung sie zueinander haben.

3. Momentane Stimmung: Oben schon erwähnt: In welcher Stimmung und Verfassung sich die Figuren befinden, hat natürlich Auswirkungen darauf, wie sie sich im Dialog verhalten. Wenn mein Protagonist übermüdet nach einem langen Flug in der Heimat ankommt, in die er sowieso nie zurück wollte, außerdem ist sein Großvater gestorben und das Verhältnis zu seiner Schwester sowieso schwierig... dann verhält er sich ihr gegenüber im Dialog anders als wäre er total glücklich wieder zu Hause zu sein, seine geliebte Schwester wieder zu sehen und sowieso ist er total gut drauf.

4. Reaktionen: Dialoge empfinde ich als langweilig, wenn ich das Gefühl habe, dass zwei Figuren nur aneinander vorbei reden und nicht miteinander. Was jemand sagt erfordert normalerweise eine Reaktion - und wenn eine Figur das, was die andere sagt, total ignoriert, dann sollte das gewollt sein und eine Art, die Figur zu charakterisieren oder ihre Reaktion auf das, was die andere Person gesagt hat. Wenn jemand etwas Wichtiges sagt, sollte das nicht im Raum hängen bleiben. Die Reaktionen der Figuren machen das ganze erst richtig lebendig.

5. Ziel: Viele Dialoge (auch viele, die ich selbst geschrieben habe) dümpeln vor sich hin, treiben so dahin und drehen sich im Kreis, reizen einen bestimmten Witz oder Schockmoment zu sehr aus. Ein Dialog (und eine Szene generell) sollte ein Ziel haben, ich sollte als Autor wissen, worauf das hinauslaufen soll und wozu ich das überhaupt schreibe. Erst dann kann ich einen Dialog (und eine Szene) auf den Punkt bringen und verwässere das, was ich mit einem Dialog rüberbringen will, nicht mit unnötigem anderen Krimskrams.

6. Sprache: Ich habe mal ein Buch gelesen, in dem alles total umgangssprachlich geschrieben wurde, genau so, wie es die Figuren im richtigen Leben auch sagen würden - und es hat mich wahnsinnig gestört und rausgerissen. Dialoge müssen nicht möglichst authentisch sein, sie müssen dem Leser nur so vorkommen. Das heißt, dass ich keine absolute Umgangssprache benutzen muss - geschriebene Sprache ist anders als gesprochene Sprache und so muss ich sie behandeln. Dennoch hat jede Figur eine bestimmte Art und Weise zu sprechen. Der eine fasst sich eher kurz und bringt die Dinge für sich auf den Punkt, der andere gibt viele bissige Kommentare von sich, noch jemand schmückt alles blumig aus. Menschen sprechen unterschiedlich und auch, wenn ich da nicht übertreiben sollte(!), sollte ich in einem Dialog aufpassen, ob es nicht vielleicht irgendwelche Gewohnheiten einer Figur gibt, Dinge auszudrücken, die ich beachten sollte.

7. Denken: Wenn ich einen Perspektivträge habe, sollte ich nicht vergessen, ihn denken zu lassen. Das passt auch zu Punkt 4, denn Reaktionen können richtig spannend sein, wenn eine Figur sie für sich behält. Oder eine Figur denkt sich irgendetwas und sagt etwas ganz anderes: Das sagt eine ganze Menge aus und kann für den Leser wahnsinnig interessant sein. Dennoch sollte ich natürlich nicht zu allem, was das Gegenüber sagt, meinen Protagonisten in innere Monologe ausbrechen lassen. Ein Dialog soll schließlich auch ein Dialog bleiben.

8. Gleichgewicht: Wichtig ist am Ende natürlich ein Gleichgewicht aus all diesen Stilmitteln. Für jeden Punkt gilt: Übertreiben ist auch nicht sinnvoll.

Das sind die Dinge, an die ich mich versuche zu halten, wenn ich einen Dialog schreibe. Ich habe natürlich keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit oder darauf, dass das wirklich sinnvoll ist, was ich sage. Vielleicht fällt mir später auch noch ein wichtiger Punkt ein. ;D

Fianna

Puh, Dialoge sind ein bisschen meine Nemesis. Ich neige dazu, sie zu übergehen und in Gedanken, innere Momonloge, Beschriebungen auszuweichen. Einer meiner Überarbeitungsschritte heisst "Kann man das in einem Dialog vermitteln?"

Leider fällt mir beim Lesen selten auf, wenn ein Dialog gut gemacht ist; ich registriere nur, wenn etwas negativ ist. Daher kann ich mir, anders als in anderen Bereichen, über das Viel-Lesen leider nichts abgucken.

Daher finde ich eure Ausführungen sehr interessant, besonders die von @Mondfräulein .

Dabei fällt mit dann doch eine positive Sache, die ich mache: ich schmuggel gerne Weltenbau-Informationen in Dialoge, damit ich nicht mit Beschreibungen aus dem Nichts den Leser überrolle. Das sind in meinem Fall Informationen, die zum Verständnis der Handlung zwingend notwendig sind (z.B.: welche Befugnisse hat er bzw. sie mit diesem Beruf / Position? Warum ist die Entscheidung für ihn bzw. sie eine Art Tabu, so dass sie sich für die dem Leser vielleicht nicht naheliegende Handlungsweise entscheidet?).

Oder ich nutze eben die Sprachmuster und Wortwahl, um einen gesellschaftlichen oder kulturellen Hintergrund zu verorten. Das verbinde ich gerne auch mit Gedanken und Schlußfolgerung einer der beiden Gesprächspartner (Warum ist eine Person dieser Herkunft hier? Warum trägt er kein Dingsda, wie alle aus diesem Volk - er will also seine Herkunft verbergen, warum?), was dann wiederum in bestimmten Äußerungen des Dialogpartners resultieren, die möglicherweise auch nur vorgeschoben / erfunden sind, um Informationen zu bekommen (warum dieser rätselhafte Widerspruch zwischen Auftreten und Sprache bestehen). Ich wechsel generell viel Dialogteile mit Gedanken und daraus resultierenden Gesprächsteilen und Aktionen, um Informationen zu vermitteln oder Konflikte aufzubauen.
Seitenlange Dialoge habe ich leider noch nie geschrieben, nicht einmal eine Seite.  :(

Kelpie

Hier wurde ja schon einiges genannt. Was mir noch fehlt ist, dass gute Dialoge nicht an der Oberfläche stattfinden, sondern im Subtext. Das heißt, wenn Franz zu Susi sagt "Ich habe Hunger", dann meint er nicht, dass sein Magen grummelt, sondern dass Susi bitte vom Sofa aufstehen möge, um ihm ein Käseschnittchen zu machen. Banales Beispiel, aber in komplexen Dialogen wirkt dieser Subtext Wunder. Er verdichtet den Informationsgehalt, stellt Charakterbeziehungen klar und macht es möglich, dass Charaktere aneinander vorbeireden, obwohl sie offensichtlich das Gleiche zu meinen scheinen.

Und ansonsten: Die hier schon vielgenannte Natürlichkeit. Das ist ein Credo, das man immer wieder hört, aber dennoch liest man immer wieder Dialoge, bei denen man feststellt, dass das niemand so sagen würde. Gerade in historischen Romanen, mitunter auch Fantasy fällt mir auf, dass den Charakteren geschwollene Wörter in den Mund gedrückt werden, die selbst damals überhaupt nichts mit Normalität zu tun hatten.

Was mir in Dialogen auch immer übel aufstößt, ist, wenn der Autor nicht fähig war, aus seinem POV zu gehen. Der Dialog wird also eigentlich nur von einer Figur geführt, während die andere nur dazu da ist, eine Art "Alibi" zu sein, damit kein Monolog ist. Klassischer Fall sind diese Gespräche, wenn irgendetwas an die Oberfläche kommen soll, und der eine Charakter gezielt solche Fragen stellt, die genau die Antworten geben, die der Leser braucht - obwohl es in seiner Situation natürlicher wäre, nach etwas völlig anderem zu fragen.

Fianna

Ich hasse es, wenn Figuren ein Gespräch führen, was vollkommen naheliegende Sachverhalte klärt, die sie längst wissen, damit der Leser es erfährt. Am besten ist noch, wenn die andere Person mit "Das ist mir bewusst, aber..." antwortet.
Das soll vermutlich die Kurve kriegen, damit dieser Dialog einen Sinn neben Infodump bekommt, aber mich regt es nur noch mehr auf.

Herrgottnochmal, wenn der Gesprächspartner grundlegende politische oder gesellschaftliche Zusammenhänge (oder was auch immer) auf jeden Fall kennt - warum erläutert man das noch, wenn man eine ganz andere Diskussion um dieses Thema anstoßen will?
Niemand würde so eine Unterhaltung führen! Da beginnt man doch direkt am Knackpunkt.
Wenn ich sowas lese, will ich immer in den Tisch beißen.

Mondfräulein

@Fianna: Das geht mir genauso! ;D "Ich weiß, dass du seit dem Tod deiner Mutter eine schwere Zeit hattest, vor allem, weil du eine Hexe bist und deine Mutter die Weltherrschaft an sich reißen wollte, aber deshalb kannst du dich nicht den ganzen Tag in deinem Zimmer verkriechen." - "Nur weil wir hier wegen einem sehr geheimen Geheimauftrag hier sind und beide ein dunkles Geheimnis zu hüten haben heißt das nicht, dass ich mir nicht den netten Kerl da vorne angeln kann." - "Uns ist doch beiden bewusst, dass wir den magischen Stein nicht einfach so stehlen können, weil der große Drache ihn bewacht und wie wir beide wissen, ist seine einzige Schwäche seine Angst vor rosa Kanninchen, aber die sind, wie uns beiden völlig klar ist, lange ausgestorben." Das kann man alles doch ein klein wenig subtiler rüberbringen. Und wenn man es einfach so in den Text schreibt, das ist zwar plump, aber immerhin will es nicht so subtil sein, obwohl es das einfach nicht ist.

Sturmbluth

Zitat von: Fianna am 09. Juli 2016, 15:55:44
Ich hasse es, wenn Figuren ein Gespräch führen, was vollkommen naheliegende Sachverhalte klärt, die sie längst wissen, damit der Leser es erfährt.
Das findet man sehr, sehr oft.

Ich nenne das Erklärbärdialoge.

Kelpie

Zitat von: Mondfräulein"Uns ist doch beiden bewusst, dass wir den magischen Stein nicht einfach so stehlen können, weil der große Drache ihn bewacht und wie wir beide wissen, ist seine einzige Schwäche seine Angst vor rosa Kanninchen, aber die sind, wie uns beiden völlig klar ist, lange ausgestorben."
Ich kann nicht mehr xD

Schlimm finde ich immer sowas á la "Frag doch mal, Denny, deinen Bruder" oder "Hallo Mama, ich war heute bei Luisa, meiner besten Freundin" oder gerne in Fantasy gesehen: "Der stammt aus Lalun, der Hauptstadt". Ach nee.

Elly the fox

ach ja Dialoge ... Himmel und Hölle zugleich.
Viel wurde ja schon gesagt. Dialoge müssen eben auch einfach leben, oder, für mein Empfinden, schlicht und ergreifend, echt sein. Klingt komisch, vor allem, weil ein echter Dialog niemals so stattfindet, wie er im Buche steht. Manchmal helfen Gabryel und ich uns gegenseitig aus, wenn wir mit einem Dialog "auf dem Schlauch stehen". Dann spielt jeder von uns einfach mal eine Rolle und wir "lassen die Chars reden". Das bringt einiges, wenn man mal beim Dialog schreiben feststeckt. Als Autor hat man immer die Aufgabe "in beiden" zu sitzen und sie zu verstehen.
Was wenn das nicht der Fall ist, oder man irgendwie einen Hänger hat?. Dann einfach mal versuchen wie's mit nem Freund klappt, der den anderen verkörpert. Später kann man das Gespräch noch mal anhören, oder sofern gechattet wurde, noch mal lesen und sich Stellen und Eigenarten rauspicken, die fürs eigene Buch dann passen und eben schriftlich anpassen.  :)
Ich finde so kriegt man schwierige Stellen mal gut übern Berg und es hat manchmal auch den Vorteil, dass es eben nicht zu gestelzt wirkt.

Ansonsten muss ich sagen, dass man aber auch mal "Konventionen" brechen kann. Das trifft vor allem bei künstlerischem Arbeiten zu. Ich denke Tarantino macht das, allerdings setzt das voraus, das man vorher weiß, was man für Konventionen bricht. Dann wirkt es eben auch. Daher scheitern viele, die einfach versuchen solche Leute nachzumachen. Ich denke man muss nicht die genauen "Regeln" kennen, aber man kriegt mit Erfahrung und Übung einfach ein Gefühl und Verständnis, das man dann auch irgendwann umdrehen kann.
Wenn man weiß, was man tut, sieht man das dem Endprodukt zumeist auch an.  ;)

Gabryel

@ Mondfräulein: Genial auf den Punkt gebracht!  :rofl: Und es gibt sie soooo häufig!

Ja, das Rollen aufteilen mit einem guten Freund kann ich auch nur jedem nahelegen. In meinem Fall ist mein Hauptprojekt ein Comic, sprich: Alles an Text sind verdammte Dialoge!  :wums:

Und es hilft ungemein, nicht nur auf Dialoge bezogen, um den Nicht-PoVs mehr Eigenheiten zu geben. Eine meiner Hauptfiguren beispielsweise baut auf einem RP-Charakter von Elly auf (weil ich die so toll fand), aber ich muss gestehen: Ich habe absolut keinen Plan, wie sie tickt. Also, eine grobe Vorstellung, aber was genau sie wann sagen könnte? Sie ist eben ein Typ, der mir nicht wirklich liegt. Da frage ich sie dann immer, was würde eine A. sagen? Davon abgesehen hat ja jeder so seinen Sprachstil, was ich unheimlich wichtig finde. Der eine flucht vielleicht wie ein Bauarbeiter, der andere ist eloquent und zurückhaltend. Nicht, dass mir bisher ein genialer Dialog gelungen wäre ... zum Glück täuschen im Comic die Bilder über einiges hinweg  :prost:

Phea

Mondfräulein hat es bereits sehr gut zusammengefasst. Leider sehen meine Dialoge immer etwas ... Schwach ... aus. Ich verfehle das Ziel, meine Personen auch mal mit der Umwelt interagieren zu lassen. Oft habe ich die Situation, dass meine Dialoge zu Ende sind und ich mich Frage: "Super, was ist jetzt in der Zwischenzeit passiert? Der Wald hätte abfackeln können und meine Charaktere hätten es nicht bemerkt." Ich versuche deshalb, Nebensächlichkeiten wie "Sie deutete mit der Hand auf die Fichte vor ihr" hinzuzufügen. Bei der Überarbeitung muss ich unbedingt darauf achten.
Ich bin immer viel zu sehr in den Charakter und den Dialog vertieft, als dass ich daran denke, während ich das schreibe.
Deswegen: Danke für das Thema  ;D

Ansonsten bringe ich Gefühle und Gedanken mit ein. Sätze wie "Es traf sie wie ein Schlag ins Gesicht" Oder "Sie wünschte, dass er begriff, worum es ihr eigentlich ging" sind bei mir keine Seltenheit. Ich bemühe mich immer, die Stimmung des Charakters auch vernünftig zu beschreiben, damit man sich besser in ihn hineinversetzen kann. Deswegen mag es vielleicht nicht schlimm sein, wenn ich die Umwelt nicht berücksichtige - zumindest bei einem besonders hitzigem Gespräch - aber ich könnte wirklich öfters Zweige knacken lassen oder Flaschen zum zerbersten bringen. Irgendetwas wird wohl möglich sein.
Vielleicht ist mein Projekt Geistermädchen genau das richtige, um es auszuprobieren und damit zu experimentieren. Als Geist achtet man ja auf so vieles  :rofl:

Ich denke jedoch nicht, dass ein Dialog zwangsläufig den Handlungsstrang voran bringen muss. Ein Gespräch ist nun einmal ein Gespräch und nicht jedes Gespräch hat zum Ziel, sein eigentliches Ziel zu erreichen. Wenn ich beispielsweise mit meiner Familie auf einer Reise bin und ins Schwimmbad möchte, rede ich nicht ständig davon ins Schwimmbad zu gehen. Es sollte auch Abwechslung mit drin sein - Lustige oder Traurige Dinge, Streitereien, Flirt ... Für die Charakterentwicklung ist das sehr wichtig, für den Plot meistens nicht.

Cailyn

Ist schon fast alles gesagt, was ich auch vertrete.

Was ich oft mache, um Dialoge zu üben. Ich picke einen Dialog aus einem alten Projekt heraus und gestalte ihn in mehreren Varianten. Da ergibt sich schon mancher Effekt, den ich mir vorher nicht bewusst gewesen war.

Ich finde, manchmal beginnen Dialoge zu früh. Oft kann man den Anfang von geschriebenen Dialogen einfach abschneiden und es kommt was viel Besseres dabei raus.

Ich habe  einmal von einem guten Trick gelesen, der helfen soll, Dialoge lebendiger zu machen. Man solle sich vorstellen, die Dialogpartner sind Schauspieler, die ein komplett anderes Drehbuch in den Händen halten als der Gesprächspartner. Das ist so eine Übung, die aus der Schauspielerei kommt. Jeder geht in die Szene rein und weiss nicht, dass der andere nicht die gleiche Vorlage hat. Der eine will da hin, der andere dort. Und dies soll man dann stoisch durchziehen. Ich habe es mal ausprobiert und es war echt lustig als Übung. Normalerweise weiss ich ja als Autor, da will ich hin mit dem Gespräch. Switched man aber von Figur zu Figur und versetzt sich bei jedem Satz direkt in dessen Drehbuch, wird das viel konfliktbeladener oder auch lustiger.

Siara

#74
Zitat von: Maubel am 09. Juli 2016, 08:48:26
Der zweite Punkt ist für mich, dass man auch in Dialogen Gefühle überträgt und zwar ganz ohne hinten dran zu schreiben "sagte er genervt und Beschreibung". Im Grunde sollte ein Dialog gänzlich ohne Texteinschübe funktionieren können (mal völlig davon abgesehen, dass man nicht mitbekommt, wer spricht). Alles andere ist nur schmückendes Beiwerk, aber das Gefühl, das muss im Dialog durch die Wortwahl und eben auch durch die Wortstellung transportiert werden.
Das sehe ich anders. Natürlich müssen sich Gefühle und Tonfall auch in der Wortwahl widerspiegeln. Aber Literatur ist nun einmal durch gewisse Grenzen beschränkt. Wenn man sich mit jemandem unterhält, läuft extrem viel auch über die Körpersprache, und am Telefon zumindest über den Tonfall. Daher finde ich Beschreibungen der Sprechweise, Gestik und Mimik im Dialog ungemein wichtig. Aber Wortwahl und Einschübe müssen eben zusammenpassen. Leere, ausdruckslose Wortwahl, die mit "sagte er in rasendem Zorn" abgeschlossen wird, ist schlichtweg ein Zeichen von Faulheit oder Unvermögen.

Was die Erklärbär-Dialoge (klasse Ausdruck!) angeht: Die finde ich auch grauenvoll und bin immer wieder erschrocken, wie häufig sie sogar in bekannten Büchern zu finden sind. Ich behelfe mir dann meistens mit Reflexion oder Schilderung des Erzählers. Zum Beispiel:
Zitat von: Beispiel"Kein Wunder, sie ist aus Fideldideldü."
Das erklärte einiges. Fideldideldü war berüchtigt dafür, dass es Diebe und Lügner hervorbrachte.

Ansonsten kann ich Trippelschritt nur zustimmen, dass es hilfreich ist, von den Großen zu lernen. Gerade Patrick Rothfuss finde ich dahingehend genial, weil er mit einfachen Worten und simplen Einschüben so viel auszudrücken weiß. Als ich mir seine Dialoge mal genauer angesehen habe, ist mir aufgefallen, dass er kaum mehr vor die direkte Rede setzt als "Hemme schüttelte den Kopf.", "Bast nickte." oder "Denna senkte den Blick." - ganz einfache, alltägliche Gesten, die tatsächlich am häufigsten vorkommen, augenblicklich die richtige Stimmung vermitteln und den Lesefluss nicht stören oder vom Inhalt ablenken.

Weiterhin ist für mich die Grundvoraussetzung im Dialog immer ein Gegensatz. Es muss eine Differenz bestehen zwischen den Sprechern, entweder bezogen auf den Wissensstand oder auf Meinung/Gefühl. Entweder müssen Kenntnisse weitergegeben oder ausgetauscht werden, oder es muss zu einer Diskussion kommen. Andernfalls macht der Dialog nicht viel Sinn. Es braucht eine Spannung zwischen den Charakteren, um Spannung zu schaffen. So entscheide ich übrigens auch, welche Dialoge ich ausschreibe und welche ich anreiße und dann nur zusammenfasse: Wird nur geplaudert oder Wissen/Meinung abgeglichen, besteht keinerlei Spannung, kann man sich das Ausschreiben (und meistens das ganze Gespräch) sparen. Die Charakterisierung läuft in den Dialogen bei mir dann meistens nur nebenbei. Ein Dialog rein zum Zweck der Charakterisierung ist für mich das Äquivalent zum Erklärbär-Dialog und hat zum Selbstzweck keine Existenzberechtigung.
I'm going to stand outside. So if anyone asks, I'm outstanding.