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Die Kunst des historischen Teeaufbrühens

Begonnen von Dreamcatcher, 12. Juni 2008, 23:23:27

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Dreamcatcher

Hallo miteinander,

ich habe eine sehr seltsame und sehr technische Frage, die diesmal (leider) gar nichts mit Fantasy zu tun hat.

Ich hoffe, es gibt ein paar Teekenner mit geschichtlichem Hintergrundwissen unter euch, denn beim Googlen bin ich nicht fündig geworden!  ::)

Am besten, ich schildere genau, worum es geht. ;)

Meine Geschichte spielt im England Mitte des 19. Jahrhunderts. Ein Freund der Familie, der lange Jahre in Indien gelebt hat, kommt zu Besuch und hat allerfeinsten Darjeeling-Tee mitgebracht. Nun sitzen alle im Salon um einen Tisch, und er erklärt ihnen, wie lange dieser spezielle Tee ziehen muss, um sein Aroma am besten entfalten zu können.
Meine Protagonistin, die ebenfalls eine Tasse Tee vor sich stehen hat, will nun die (getrockneten) Teeblätter daraus entfernen. Ich habs mir leicht gemacht und sie einfach das silberne Tee-Ei heraus holen lassen, in der Annahme, dass solch ein Gegenstand (im Tee-begeisterten England) damals sicher schon existiert hat. Ein ganz wichtiger Fakt ist nämlich, dass meine Protagonistin blind ist und von daher nicht allzu viele Spirenzchen mit ihrem heißen Wasser anstellen sollte.
Weil mir diese Kleinigkeit aber nun keine Ruhe lässt, forsche ich also im Internet nach und muss lesen, dass jenes Ei angeblich erst im frühen 20. Jahrhundert erfunden wurde!
Wie nun aber die Enländer damals ihren Tee von dem Grünzeug befreiten, ist mir noch immer ein Rätsel. Durch ein Sieb gießen, ja klar, aber wurde der Tee immer direkt in der Kanne gebrüht und nicht in den einzelnen Tassen?

Ich komme mit meiner Frage einfach nicht weiter und hoffe, dass mir da jemand helfen kann - auch, wenn sie ein bisschen peinlich ist.^^

Danke schon mal im Voraus -

Dreami  :engel:

Ary

Hi,
ich weiß nicht, wie es in England war, aber Ostfriesland ist auch eine Gegend der süchtigen Teetrinker, und hier ist es schon seit Ewig Tradition, den Tee folgendermaßen zu machen:
- Teekanne mit heißem Wasser ausspülen
- Teeblätter reingeben
- Teekanne zu einem Viertel füllen und drei (Tee hat anregende Wirkung) bis fünf (Tee hat beruhigende Wikung) Minuten ziehen lassen
- danach Teekanne ganz mit heißem Wasser füllen und
-  durch ein Sieb den Tee auf Tassen verteilen.

Prost Tee! :)

Also, Spaß beiseite, vor der Erfindung des Tee-Eis/Teebeutels wurde der Tee sicherlich in der Kanne gebrüht. Es sei denn, an hatte diesen chinesischen Tee, den es fast in Pulverform gibt, das Zeug wurdein Teeschalen gebröselt und dann im heißen Wasser mit einem sogenannten Teebesen aus Bambus verrührt.

LG,
Aryana (die bekennende Teenase)
Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

Dreamcatcher

Vielen Dank, Aryana!  :vibes:

Das hilft mir auf alle Fälle weiter. Dann wird der Indien-Reisende wohl selbst zur Teekanne greifen und meiner blinden Protagonistin einschenken müssen.

Um das silberne Tee-Ei tut es mir trotzdem leid. Es passte so gut in mein viktorianisches Setting!  ;D

Bright eyed Raven

Hallo Dreami,

bei Wikipedia, unter diesem Link: http://de.wikipedia.org/wiki/Tee#Englische_Zubereitung
findest du eine Erläuterung speziell zum "englischen Teezubereitung".

Im nachfolgenden Abschnitt über den Tee in Asien steht: (Zitat) "Indien übernahm Tee als Getränk erst im 19. Jahrhundert von der britischen Kolonialmacht, wurde aber schnell zu einem bedeutenden Hersteller, da der Tee großflächig angebaut wurde, was auch den Eigenkonsum ermöglichte."
Da du ja schreibst, dass deine Figur den Tee aus Indien mitgebracht hat, ist das möglicherweise aich interessant für dich.

Allgemein würde ich allerdings auch dazu tendieren, den Tee direkt in der Kanne aufzuschütten. Ich habe schon mal irgendwo Teekannen gesehen, die in der Tülle ein eingesetztes Sieb haben, um die Blätter beim Ausgießen von selbst herauszufischen. Möglich wäre auber auch ein Aufguss auf dem Herd mit anschließendem Filtern durch ein Sieb in die Kanne, dann kann sich auch deine blinde Protagonistin etwas eingießen, ohne Blätter in der Tasse zu haben.

Unter folgendem Link findest du auch ein Bild, das möglicherweise passen könnte. Es zeigt laut Wikipedia ein Gemälde von Cassatt Mary "Tea 1879-1880": http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:Cassatt_Mary_Tea_1879-1880.jpg

Und unter folgendem Link findest du einen Artikel zur britischen Teekultur: http://de.wikipedia.org/wiki/F%C3%BCnf-Uhr-Tee

Möglicherweise kanntest du die Links schon, aber wie auch immer. Jedenfalls war es interessant, sich mit dem Tee zu beschäftigen und hat mir selbst Appetit auf eine schöne heiße Tasse schwarzen Tee gemacht. ^^
Also allseits einen guten Appetit zum Frühstück ;-)

Liebe Grüße,
Janine

Churke

ZitatIndien übernahm Tee als Getränk erst im 19. Jahrhundert von der britischen Kolonialmacht, wurde aber schnell zu einem bedeutenden Hersteller, da der Tee großflächig angebaut wurde, was auch den Eigenkonsum ermöglichte."

1834 schmuggelte ein britischer Agent ein paar Teepflanzen aus China heraus und brach das Monopol. Vorher war Tee irrsinnig teuer.

Lavendel

Ich weiß nicht, woher du diese Info hast, aber eigentlich wurden der East Inda Trading Company 1834 die Handelsrechte entzogen. Dadurch wurde ihr Monopol aufgehoben, das 1600 durch Elisabeth I geschaffen wurde. (Natürlich hatte die EITC die Preise vorher künstlich hochgehalten, aber Tee war nichtsdestotrotz schon längst ein Volksgetränk und wurde sogar als 'pricipal necessary of life' angesehen)
Bis 1784 waren die Steuern auf Tee unglaublich hoch, das stimmt (Über 100%). Die Folge war selbstverständlich Schmuggel (Kirchen waren sehr beliebte Verstecke ...). In diesem Jahr gab es dann den Communication Act, der die Steuern drastisch senkte und dem Schmuggeln seinen Sinn nahm.
Übrigens kam der Tee bis in die 1880er zum größten Teil aus China, aber das nur so am Rande.
Eine ganz gute und kompakte Übersicht über die Geschichte des Britischen Teehandels gibt es zum Beispiel auf
www.tea.co.uk

Falckensteyn

#6
Zitat von: Dreamcatcher am 12. Juni 2008, 23:23:27
Wie nun aber die Enländer damals ihren Tee von dem Grünzeug befreiten, ist mir noch immer ein Rätsel. Durch ein Sieb gießen, ja klar, aber wurde der Tee immer direkt in der Kanne gebrüht und nicht in den einzelnen Tassen?

Soweit ich weiss, blieben die in der Kanne zum Teil sogar drinn. Ich habe einige Fachbücher zum Thema Tee und Teesorten und werde diese heute Abend durchgehen. Vermutlich wurden in ärmeren Gesellschaftsschichten die Teeblätter auch mehrmals aufgebrüht. Handelt es sich bei dieser Familie um eine höchst angesehene, in der Öffentlichkeit stehende Familie? Ich denke, dass in der Öffentlichkeit die Tee-Etikette gewahrt wurde, und im privaten Bereich und eben in den unteren Gesellschaftsschichten die Teetradition nicht sonderlich gewahrt wurde.

Ich persönlich finde es absolut barbarisch, den Teesud in der Kanne zu lassen. Je länger desto bitterer, dafür aber umso beruhigender. Die Wassertemperatur sowie die Qualität des Wassers haben zusätzlichen Einfluss auf den Geschmack des Tees. Zu heisses Wasser schadet den Teeblättern, zu hartes Wasser verhindert die Entfaltung des vollen Geschmacks.

Werde mich hier nochmals melden wenn ich meine Teebücher konsultiert habe.

Edit: Die Bücher sind leider zur Zeit nicht bei mir, tut mir leid!

Lavendel

Soweit ich weiß, wurden die Blätter in der Kanne gelassen. Ggf. hat man dann heißes Wasser nachgegossen.
Tatsächlich war billiger Tee oft gestreckt, d.h. es waren andere Blätter beigemischt.

gbwolf

Für die Leute, die auf billigen Tee angewiesen waren, wurde der Tee sogar recycelt und allein in London hat es Mitte des 19. Jahrhunderts 8 Fabriken gegeben, in denen der Tee getrocknet, gefärbt und mit frischem Tee gemischt wurde ;)
Über die Zubereitung steht in meinem tollen Buch ("What Jane Austen ate and Charles Dickens knew") leider nichts. Nur, dass Tee normalerweise im Drawing Room serviert wurde.

Lavendel

Das erwähnte Buch ist übrigens sehr gut, wenn man über das Viktorianische Britannien rechierchieren will, vor allem, wenn es um Alltäglichkeiten geht, die man in 'gewöhnlichen' Geschichtsbüchern nicht vertreten findet.

Dreamcatcher

Leute, ihr seid einfach wundervoll!  :vibes:

Da dachte ich, ich mache mich mit meiner Frage hier lächerlich, und dann bekomme ich solche klasse Antworten ... von fundiertem Fachwissen ganz zu schweigen!  ;D

Zitat von: Falckensteyn am 13. Juni 2008, 10:54:29
Handelt es sich bei dieser Familie um eine höchst angesehene, in der Öffentlichkeit stehende Familie? Ich denke, dass in der Öffentlichkeit die Tee-Etikette gewahrt wurde, und im privaten Bereich und eben in den unteren Gesellschaftsschichten die Teetradition nicht sonderlich gewahrt wurde.

Es ist eine wohlhabende und angesehene Familie, ich denke, sie befolgen die Teetradition! ;)

Zitat von: Falckensteyn am 13. Juni 2008, 10:54:29
Ich persönlich finde es absolut barbarisch, den Teesud in der Kanne zu lassen. Je länger desto bitterer, dafür aber umso beruhigender. Die Wassertemperatur sowie die Qualität des Wassers haben zusätzlichen Einfluss auf den Geschmack des Tees. Zu heisses Wasser schadet den Teeblättern, zu hartes Wasser verhindert die Entfaltung des vollen Geschmacks.

Da hätten wir auch wieder eins meiner Probleme. Darjeeling-Tee sollte nicht länger als 5 Minuten ziehen, da er sonst Bitterstoffe bildet. Hier wurde oft die Meinung geäußert, dass der Tee damals direkt in der Kanne gebrüht wurde und die Blätter sogar drin blieben.
Das lässt sich aber nun nicht mit meiner Teesorte vereinbaren ...  :schuldig:

@ Janine: Danke für die vielen Links!  :D