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Wenn Figuren ein Eigenleben entwickeln...

Begonnen von Manja_Bindig, 25. Oktober 2006, 14:26:29

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Manja_Bindig

...
kann das lustige Folgen haben tun.

Ich hab das hier bewusst nciht in den workshop oder in "Autoren helfen Autoren" gesetzt, weil das kein Problem beim Schreiben ist sondern ein allgemein übliches Phänomen.

Beispiel:
Meine Zwillinge aus "Elfenblut" hatten mich mal so weit gebracht, sie zu charakterisieren, weil ich ihr Verhalten teilweise zwar situationsentscheidend aber für mcih und für ihre Mitfiguren unverständlich fand.
Ich begann, sie zu charakterisieren.
Was vielleicht 2 handschrifliche seiten werden sollte, wuchs zu einem Roman von 35 Kapiteln. Sie wurden lebendig und gingen ihre eigenen Wege - die sie allerdings zu dem unweigerlichen Ende führten.
(ich überlege, ob ich nächste woche nicht einfach diesen Roman mit ins "Kreative Schreiben" mitschleppen soll - Hausaufgabe lautet, sich eine Figur zu überlegen, zu charakterisieren und ihre Vorgeschichte zu schreiben - der Roman IST eine einzig Charakterisierung)

Zweites Beispiel, ebenfalls aus Elfenblut: Die Elfe Sirales.
macht euch nie Gedanken, warum ein Chara so is, wie er is. Sonst wir aus der Charakterisierung ein Roman... *heul*

Drittes Beispiel:
Ein Chara, der nciht schwanger werden sollte, hatte plötzlich die Idee, Kinder in die Welt zu setzen.

ARGH.

Geht das euch auch so oder liegt es bei mir daran, dass meine Charas wissen, dass meine Plotlines sie früher oder später in die Folterkammer bringen und sie dem entgehen wollen?

Kiwi

Oh, das mit der Schwangeren hab ich auch so erlebt. Hätte niemals gedacht, dass ausgerechnet dieser Char schwanger werden könnte! Und dann das... Es ist zwar noch nicht geschrieben, aber die Story hat schon beim Plotten eigene Wege beschritten...

Hab ich dich richtig verstanden: deine Zwillinge haben jetzt einen eigenen Roman bekommen? Hat der dann auch eine Storyline, oder ist es diese schon beschriebene Zusammenführung der Beiden?

LG,Kiwi

Maja

Ich muß in diesem Zusammenhang sagen, daß sowohl Felder in der "Flöte aus Eis" als auch Jurik aus den "Chroniken der Elomaran" ihre Geschichten als Comic-Relief-Guy auflockern sollten. Sowas werde ich nie wieder tun. Die beiden weigern sich komplett, komisch oder auflockernd zu sein - nein, erst täuschen sie mit bissigen oder launigen Sprüchen Humor vor, und wenn man sie dann in die Heldengruppe aufgenommen hat, entpuppen sie sich als depressiv, alkoholkrank, verbittert, rachsüchtig und was weiß ich nicht noch alles - und ziehn mir die Handlung komplett runter.

Oder Gaven aus "Dämmervogel" - der sollte ein kleines Scheusal werden, statt dessen machte er immer das Gegenteil von dem, was ich wollte. Nun ist der Rotzlöffel die positivste Figur des ganzen Buches...
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Manja_Bindig

Es war so:
Die Twins hatten teilweise so agiert, dass es zwar - im Großen betrachtet - in sich schlüssig war, aber mir hat dieses Verhalten Rätsel aufgegeben.
Also begann ich, sie zu charakterisieren, um ihrem Verhalten auf die Schliche zu kommen...

und voila, schon hatten die beiden, was sie wollten - einen eigenen Roman.
Ihre Vorgeschichte bis zu dem Zeitpunkt, an dem sie in "Elfenblut" einsteigen.

Es erklärt einiges an ihrem Verhalten, weil die beien ne wirklich miserable Kindheit hatten. Entsprechend gilt dieser Roman für mich als: "charakteristik mit Handlung" ( ;) )

Und da meine Hausaufgabe ne Charakteristk ist, weiß ich ganz genau, was ich meiner lieben Dozentin mitbringen werde. ;)

Arielen

Kann passieren. Bei mir hat sich bei Talastan, ja auch jemand zur Hauptfigur weiter entwickelt, obwohl er nur als Zufallsbegegnung geplant war.
Alles liegt im Auge des Betrachters

Manja_Bindig

Ja, aber hast du es schon geschafft, ne Figurenanalyse über 35 Kapitel zu schreiben?

Gott, bin ich froh, dass meine Elfen-Zicke namens Sirales keine derartigen Ambitionen hat, sonst hätt ich bei ihrer Charakteristik ein Problem(obwohl das interessanter Stoff ist... HILFE, ich schreib Fantasy-Biografien!)

Kiwi

Teilst du uns auch mit, wie deine Dozentin darauf reagiert?
*neugierigbin*

Felsenkatze

#7
Manja: ganz ruhig, das passiert jedem mal.

Ich habe einen Lieblings-Zyklus (den ich immer noch nicht geschrieben habe, aber der mir immer im Gedächtnis rumfliegt), in dem es ziemlich viele Personen gibt, weils in einer quasi-arabischen Gesellschaft in einem Harem spielt.

Irgendwann begann ich mal, die wichtigsten Charaktere zu beschreiben und ihnen Vorgeschichten zu verpassen.

Haha - welch Fehler. Nicht nur, dass plötzlich alle Charas sich in den Vordergrund drängten, und eine Charakterisierung haben wollten, nein, plötzlich entwickelte ich völliges Verständnis für die Motive meiner eigentlich als "unsympathische Gegenspielerin" geplanten Frau, während die, die ich bisher als armes Opfer von Bosheiten der anderen gesehen habe, sich als selbstmitleidiges, weinerliches und absolut unfähiges Wesen entpuppt.
Alle anderen haben nun Motive, Geschichten, und Ambitionen, die NIEMALS alle in den Roman passen werden...

Ich glaube, die Charakterisierung ist knapp 50 Seiten Arial-10 lang *seufz* Nicht so viel wie deine, aber schon mehr als ich je an dem Roman geschrieben hab.

LaMaga

Bei meinem aktuellen Projekt entwickelt im Augenblick eine ganze Reihe von Hauptfiguren Eigenleben. Einer von den untergeordneten Schurken hat gerade die Erkenntnis gewonnen, dass böse sein nicht nett ist und steckt in einer moralischen Krise, für die er eigentlich gar nicht genug Charakterprofil haben sollte. Ich glaube, er ist mit der Gewichtung seiner Rolle unzufrieden...  Die Haupt-Schurkin ist stinksauer, weil sie ihre eigenen Pläne nicht auf die Reihe bekommt und hängt jetzt bei einem Nebencharakter der gegnerischen Seite herum, um sich den Frust von der Seele zu quasseln, obwohl der Chara gar nicht nachvollziehen kann, worum es überhaupt geht. Und mein Liebling, der oberste Evil-Schurke, wird immer eitler und will von allen anderen Figuren die Bestätigung, dass man ihn zwar verdorben und verdammenswert, aber zugleich unglaublich genial findet. Und das sogar in Szenen, in denen er selbst gar nicht anwesend ist. (Ich bin nicht einfach nur unglaublich böse, wisst ihr? Ich bin unglaublich mächtig und begabt und überhaupt ein ganz toller Hecht, und eigentlich seid ihr alle nur eingeschnappt, dass ich nicht auf eurer Seite bin... *arrogantes Kichern*  :darth:). Ursprünglich hatte ich die ganze Bande als relativ charakter- und emotionslos angelegt, und plötzlich entwickeln sich komplexe Charakterstrukturen, ohne dass ich bewusst eine Charakterisierung vorgegeben hätte. Die Figuren werden beim Schreiben einfach immer lebendiger  :hmhm?:

Legt ihr immer vorher Charakterisierungen fest, wenn ihr Figuren erfindet (auch, wenn die Charas sich am Ende nicht daran halten)? Ich habe beim Schreiben meist nur eine grobe Vorstellung gehabt, was für eine Art von Person es sein soll und sie dann einfach in der Geschichte "laufen lassen". Beim Überarbeiten muss dann natürlich manchmal etwas nachgebessert werden, um eine spätere Entwicklung von gewissen Charakterzügen rückwirkend plausibler zu machen, aber eigentlich komme ich mit diesem "lauft, meine kleinen Charas, und werdet was Gescheites" ganz gut zurecht...

Elena

Bei mir gibt es weniger Probleme, wenn ich eine Charakterisierung mache, aber das ist auch langweiliger. Eine meiner liebsten Figuren ist aus einer nur groben Skizze entstanden - dieser Kerl ist so, hach, genial - leider eignet er sich nicht als Hauptfigur, sodass er nur eine Nebenfiguren bleibt. Ich befürchte, dass ich ihn gar nicht so toll rübergebracht habe, wie ich ihn finde, aber er ist einer dieser geheimnisvollen Typen - leider. Im Gegensatz zu deinen Figuren, Manja, neigen meine Figuren nicht dazu, um mehr "Screentime" zu betteln. Bei mir läuft das eher nach dem Prinzip ab:

Ich: "Sehr geehrte Herr, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit dafür nehmen, mir ein paar Fragen zu beantworten."
Er: "..."
Ich: "Möchten Sie uns etwas über Ihre Vergangenheit erzählen?"
Er: "Nein."
Ich: "Würden Sie es trotzdem tun? Ich bitte Sie, es ist wichtig!"
Er: "...."
Ich: "Bitte?"
Er: "..."
Ich: "Wenn Sie mir das jetzt nicht sagen, werden Sie in der Szene vor dem obersten Gerichtshof leider zum Tode verurteilt, da ich Sie nicht aus dem Schlamassel befreien kann!"
Er: "Wenn ich dich umbringe, kann ich dem allen viel leichter entgehen."
Ich: ------

Sie reden nicht mit mir! Meine Lieblingscharaktere sind die schweigsamen Typen, die mehr beobachten, oder die Loser, die, wenn sie ein Eigenleben entwickeln, bestenfalls den ganzen Tag vor dem Fernseher oder Computer hängen und D.o.A goffeln, weil sie sich dabei vorstellen können, mal mit so einem Mädel zusammenzusein und nicht nur mit ihrer rechten Hand.

Ich würde mich also freuen, wenn meine Charaktere es mal wagen würden, etwas von ihrer Vergangenheit freigelegt zu haben, und das nicht wie der Teufel das Weihwasser zu scheuen. Äh. Gute Ausrede dafür, dass ich mir das einfach bei einigen Charakteren nicht gut ausdenken kann, oder?  ;)

Arielen

Zitat von: Manja am 26. Oktober 2006, 08:50:22
Ja, aber hast du es schon geschafft, ne Figurenanalyse über 35 Kapitel zu schreiben?
Gott, bin ich froh, dass meine Elfen-Zicke namens Sirales keine derartigen Ambitionen hat, sonst hätt ich bei ihrer Charakteristik ein Problem(obwohl das interessanter Stoff ist... HILFE, ich schreib Fantasy-Biografien!)

Bei mir passiert das eher über Geschichten. Und da hat jemand, der eigentlich nur der Name in einem Quellenband war erst Gestalt und dann noch Charakter angenommen. Ich hasse diese charismatischen Kronprinzen, die sich in Szene setzen. Und dabei einen Charakter haben, der die Leute schockt.
Alles liegt im Auge des Betrachters

Ary

Hi!

Mir hat sich gerade eine Figur aufgedrängt, die eigentlich gar nicht in der geschichte vorkommen sollte. Aber sie paßt so schön. Und *bumms* hatte sie einen Namen und wenn jemand erst mal einen Namen hat, bekomme ich ihn eh ncht ehr aus der Geschichte raus. Blöderweise kann ich es auch nie über mich bringen. meine Charas zu töten. Auch wenn ich im Momnet mit dem gedanken spiele, am Ende von "Wüstenfeuer" einen meiner Haupt-Protas selbstausfopferisch ins Gras beißen zu lassen. Es würde so schön zu seinem Charakter passen. *seufz*
Was mach ich bloß? ich WILL ihn nicht abmurksen!

*haarerauf*
Aryana
Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

Manja_Bindig

Momentan schreib ich noch ne andere alayse, ebenfalls ein Elfenblut-Chara, eine ziemlich unangenehme Frau.

Ich bin froh, dass ich sie erst jetzt analysiere. Jetzt ist ihr Auftritt passé. Hätte ich sie schon damals analysiert, hätt ich verstanden, warum das Weib so ein Biest ist und hätt sie sympathisch gefunden. Von daher ist es ganz gut so...

Hr. Kürbis

Bei mir hält sich das in Grenzen mit dem Eigenleben.
Zwar sitzt mir ab und an eine Katzenfrau auf der Schulter, aber sich wirklich zu Wort melden tut sie (noch?) nicht. Sie ist halt eine typische Katze und harrt der Dinge, die da kommen. Bis ich sie ins Abenteuer stürze genießt sie noch ihre Freizeit.
Die anderen Chars halten sich auch zurück, könnte aber auch daran liegen, das bis auf einen alle anderen ins Gras beißen (müssen).
Also das "ob" ist beschlossen, nur das "wie" ist noch einigermaßen unklar. Vielleicht halten sie daher lieber die Klappe und hoffen auf einen gnädigen Tod? Wer weiß...

Maja

Wir hatten jetzt lauter Beispiele mit Figuren, die sich in den Vordergrund drängen und am Ende ihr eignes Spinn-Off brauchen: Jetzt mal den umgekehrten Fall: Arbeitsverweigerung.

Lyda die Totenmagd sollte eigentlich die weibliche Hauptfigur der Elomaran-Chroniken werden. Sie hatte alles: Ein ruhiges, aber tiefgründiges Auftreten, einen interessanten Beruf, eine Hintergrundgeschichte - und sie wollte nicht. Hat meine Handlung komplett boykottiert. Wenn ich von ihr sprach, nannte ich sie nur "diese sperrige Frau". Am Ende habe ich sie von einem Satz auf den anderen aus der Heldengruppen entfernen müssen, weil sie mir die ganze Party runterzog - die Jungs konnten nicht mehr frei reden, solange Lyda dabei war.
Sie bekommt jetzt im weiblichen Ambiente des fünften Bandes eine neue Chance. Da ist sie nämlich ganz und gar handlungsrelevant und darf nicht mehr kneifen. Und ich hoffe hoffe hoffe, daß sie diesmal auch mitspielt!
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt