Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum

Handwerkliches => Workshop => Thema gestartet von: Coppelia am 10. Januar 2009, 07:43:08

Titel: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Coppelia am 10. Januar 2009, 07:43:08
Die Wölfin hat sich dieses Thema gewünscht, ich bin mal so frei, es zu eröffnen.
Irgendwann hatten wir mal einen ähnlichen Thread, wo ich drei Alternativanfänge geschrieben habe nach drei alternativen Arten, mit der Handlung einzusetzen, und die Vorteile und Nachteile genannt. Jetzt muss ich nur noch selbst auf mich hören und den ultimativen Anfang finden, und der Erfolg kann kommen. ;)
Es geht dann um die Frage, wie der Anfang aussehen muss, um den Leser sofort zu fesseln und Verlage und Agenten zu überzeugen. Da ich ja selbst noch keine allzu erfolgreichen Veröffentlichungen vorweisen kann, kann ich zu dem Thema höchstens sagen, mit welchen Mitteln ich vermutlich gute Effekte bei den Büchern erreicht habe, die es etwas weiter gebracht haben als auf meinen eigenen Tisch.

Als ich die Lottiromane angefangen hab, hab ich vom Schreiben noch so wenig Ahnung gehabt, dass es ein Wunder ist, dass die jemals veröffentlicht wurden. Der 1. und 2. Teil waren ja als eins geplant. Die erste Szene beginnt, indem sie den Protagonisten, den meine Leser - die in den Hintergrund eingeweiht sind! - als uralten, hässlichen, bitterbösen Mann kennen. Diese Szene zeigt ihn als jungen Idealisten. Außerdem findet ein sehr existentieller Kampf mit Worten statt. ;) Ich glaube, die Diskrepanz zwischen der Figur im Kopf der Leser und der Art, wie ich sie präsentiert habe, hat irgendwie für Spannung gesorgt.
Mit welcher Szene ich den Schreibauftrag bekommen hab, weiß ich nicht mehr, es war allerdings keine Actionszene, irgend ein Psychodama, glaub ich. Ich würde es heutzutage garantiert nicht mehr mit so einer Szene versuchen, einen Schreibauftrag zu bekommen.

Ich denke, schon der erste Satz muss möglichst viel Spannung wecken, und nach dem ersten Absatz muss der Leser dringend die Fragen beantwortet haben wollen, die bisher aufgeworfen worden sind. Die erste Szene muss ihn dann anfüttern, aber noch viel mehr Fragen aufwerfen, sodass er gar nicht mehr aufhören kann zu lesen. ;D

Was meiner Ansicht nach nicht funktioniert, ist der Einstieg mit einer Actionszene. Das funktioniert in meinen Augen daher nicht, weil der Leser bisher keine Gelegenheit hatte, sich mit der Figur zu identifizieren, die da in Lebensgefahr gerät. Wenn die Geschichte also damit anfängt, dass Hans 10 Orks abschlachtet, die ihn überfallen, denke ich mir als Leser eher: "Na und? Wer ist Hans?" Wenn die Hauptfigur übel am Metzeln ist, wird sie mir außerdem gleich unsympathisch.
Es kann allerdings sein, dass manche Lesergruppen von dieser Art Anfang angesprochen werden (ich erinnere mich an den Anfang von "die Orks"). Wenn man es geschickt anstellt, sympathisiert der Leser vielleicht auch gleich mit dem kämpfenden Helden (vielleicht so (überzogenes Beispiel): "Hans warf sich schützend über den flauschigen Welpen, als die Pfeilde der Orks ringsum in die Bäume schlugen. Der kleine Hund war alles, was er von seiner Verlobten noch hatte, und jetzt wollten diese Grünheute das Tier zum Frühstück essen! ...") Wenn Hans beispielsweise ein süßes Hundchen davor schützt, gegessen zu werden, muss er einem sympathisch sein, oder? Man darf das natürlich nicht allzu durchschaubar machen ... ;)

Ich würd noch weiterschreiben und von meinen Überlegungen für die letzten Anfänge erzählen, aber jetzt muss ich gleich erstmal los.
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: JulyRose am 10. Januar 2009, 09:09:41
Ein tolles Thema, mit dem ich mich gerade im Rahmen meines Workshops beschäftige. Passt also!

Ich habe daraufhin gestern mal ein paar Bücher aufgeschlagen und die Anfänge gelesen. Ich glaube, es entscheidet nicht nur der erste Satz. Ich weite das für mich persönlich auf die ersten 100 Wörter aus. Mit diesen hundert Wörtern muss ich - wie Coppelia bereits anmerkte - beim Leser Fragen aufwerfen, die er unbedingt beantwortet wissen will.

Bei Hans, dem Ork, der sofort losmetzelt, funktioniert das nicht. Aber ich finde, es liegt eine unglaubliche Spannung darin, wenn Hans, der Ork kurz vor einer Schlacht steht, vielleicht mit seinen anderen Orksen (?) zusammen steht und sie auf den Beginn des Gemetzels warten. (ich gebe aber zu, dass sowas vermutlich nicht bei Orks funktionieren würde.)

Ich muss gestehen, dass ich ein Freund der leisen Anfänge bin. Ich mag es, wenn man den Leser an die Hand nimmt und ihm erstmal kurz (!) die Welt zeigt, in der er steht, möglichst noch mit dem Helden zusammen, der vielleicht gerade etwas neues erfährt. Mir ist aber bewusst, dass das gar nicht so leicht ist, dieses "leise" mit den Ansprüchen der Verlage zu verbinden.

Liebe Grüße
Juliane
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Steffi am 10. Januar 2009, 09:18:42
Ich finde ein guter Anfang setzt in medias res an. Die allwissenden Anfänge, die mit "Rudolf wurde an einem stürmischen Wintertag in Hintertupflingen geboren, seine Mutter war Näherin und sein Vater Bauer. Schon bald stellte sich heraus, dass der Knabe überaus begabt war..." haben zur Zeiten von Dickens wunderbar funktioniert, aber heute finde ich sie zum Lesen sehr mühsam. Das mag daran liegen, dass Dickens andere Intentionen hatte als bloß eine gute und spannende Geschichte zu erzählen, aber trotzdem finde ich diese Eingänge eher langatmig und ohne wirklichen Nutzen für die Geschichte. Das kann man schließlich auch alles mittendrin verpacken.

Ebenfalls unglücklich finde ich altmodische Natureingänge ("Hinter den blauen Bergen, weit unter dem Sowiesopass, liegt inmitten von malerischen Feldern aus Kornblumen ein kleines Dorf...").

Natürlich gibt es zu diesen Beispielen auch immer Ausnahmen, die die Regel bestätigen :-)

Ich mag es, direkt in der Geschichte zu sein. Ich mag das Gefühl zu wissen, dass schon vorher etwas passiert ist und sich die Räder in Gang gesetzt haben. Das muss ja nicht unbedingt viel sein. Ich lese gerade "Im Bann des Fluchträgers", das lediglich mit der Ankunft eines jungen Reiters am Königshof beginnt. Das ist relativ unspektakulär, aber als Leser ist meine Neugier sofort geweckt.

Was Actionszenen betrifft, stimme ich Coppelia zu.


Mein liebster Anfang ist übrigens der allererste Satz aus Paul Austers "The Brooklyn Follies."

I was looking for a quiet place to die.

Ich habe den ersten Satz zufällig im Laden gelesen und das Buch ohne Umschweife gekauft.  Ich finde diese Art, ein Buch zu beginnen, phantastisch :-)

Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Churke am 10. Januar 2009, 11:08:51
Zunächst einmal finde ich, dass ein Anfang zur Geschichte passen sollte. Und zwar sowohl inhaltlich als auch stilistisch.

Ich habe mir mal die Mühe gemacht, ein paar Anfänge von "Alan Burt Akers" rauszuschreiben. Obwohl es in seinen Dray-Prescott-Romanen immer nur um Swords & Sorcery geht, sind seine Romananfänge recht unterschiedlich. Aber trotzdem steigt er immer gleich ein und macht nicht lange rum:

"Oft bin ich an zwei Orten gleichzeitig gewesen; für die übermenschlichen Herren der Sterne ist dies ein leichter Trick. Weniger oft ist es vorgekommen, daß zwei verschiedende Versionen meiner selbst gleichzeitig am selben Ort aufgetaucht sind."
- Der Rebell von Antares (24. Roman)

"Der grauschnäbelige Bursche, der sein schweres Bronzeschwert schwang, bildete sich allen Ernstes ein, auf der gefährlich geschwungenen Klinge sei mein Name eingraviert. Er wünschte sich im Leben nichts sehnlicher, als meinen Kopf als Souvenir zu behalten. Er hatte sich sogar einen Flechtkorb mitgebracht, der an seinem Gürtel baumelte und auf die Trophäe wartete."
- Ein Sieg für Kregen (22. Roman) -> Man beachte bitte den Einstieg mit Action!

"Es gibt mehr als hundert Möglichkeiten, ein Flugboot zu stehlen; doch hier und jetzt kam nur die allererste Methode in Frage."
- Ein Schicksal für Kregen (21. Roman)

"Todesurteile zu unterschreiben ist keine vernünftige Beschäftigung für einen Mann."
- Ein Leben für Kregen (19. Roman)

"'Ganz einfach ist das, Jak', sagte Pompino und sprang ans Ufer. 'Wir brauchen nur noch einige wilde Haudegen anzuwerben und diesem Lord Murgon Marsilus einheizen. Anschließend brennen wir alle verdammten Lem-Tempel nieder, klären, wer wen heiratet - und ziehen nach Hause.'"
-Die Klauen von Scorpio (30. Roman)

"Die Frau, die ausgestreckt im Wüstensand lag, bewegte sich mit der Schlaffheit des kommenden Todes unter den den ausgebreiteten Schwingen des Geiers."
- Delia von Vallia (28. Roman)

Dagegen fängt Asimov in der Foundation-Tiologie ganz anders an: (Man beachte den allwissenden Erzähler)
"Das Galaktische Imperium zerfiel.
Es war ein gigantisches Imperium, das Millionen von Planeten umfaßte, die innerhalb der riesiegen Doppelspirale lagen, die wir als Milchstraße kennen."
Isaac Asimov, der galaktische General

Hm, ich glaube, der perfekte Einstieg enspricht der Grundstimmung eines Buches. Ein fröhlicher Haudrauf-Einstieg wäre dem Verfall des Galaktischen Imperiums sicherlich ebenso abträglich wie der umgekehrte Fall.
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Steffi am 10. Januar 2009, 11:23:57
@Churke: die Anfänge gefallen mir alle gut, besonders der Zweite. Der Humor, der da durchkommt, ist ganz große Klasse :)
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Alana am 10. Januar 2009, 11:32:16
Hallo,

das Thema finde ich auch sehr interessant. Ich habe mein jetziges Projekt auch mit einer Szene engefangen, die wie eine Actioszene aussieht, es in Wirklichkeit aber nicht ist und sie ist auch sehr kurz. Ob es dabei als Anfang bleibt, weiß ich noch nicht, aber ich habe die Szene dazu benutzt, dem Leser meine Figur vorzustellen.
Eigentlich gefällt mir die Szene, aber evtl. ist sie auch etwas zu platt, zu offensichtlich und ich könnte auch damit leben, sie nochmal umzuschreiben.
Ich glaube schon, dass, je nach Zielgruppe, ein flotter Anfang durchaus gut ist.
Eine mehrseitige Actionszene ist natürlich wieder was anderes.
Oder was meint ihr?

Von den Anfängen gefällt mir der erste am besten.
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Isleya am 10. Januar 2009, 11:59:12
Hallo  :winke:

Also ich finde bei der Auflistung den vierten Anfang am besten. Da dachte ich schon: Oh, okay... Hier passiert etwas, das nicht gerade langweilig oder permanent fröhlich-bunt ist.

Ich finde als Alternative für den klassischen Actionanfang Szenen schön, in denen der Protagonist in einer misslichen Lage steckt und gemeinsam mit dem Leser denkt: "Mist, wie komme ich/kommt der da bloß wieder heil raus...". Das erzeugt für mich gleich zu Anfang Spannung.

Liebe Grüße,
Isleya
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Lomax am 10. Januar 2009, 12:34:02
Also, zunächst einmal kann ich versichern, dass der Anfang mit "Hans und den Orks" funktioniert. Sonst wären Actionszenen als Einstieg nicht so beliebt - und ich habe auch genug Beispiele im Regal stehen, bei denen so ein Anfang mich ins Geschehen gezogen hat. Für das Funktionieren störte es nicht mal, dass man die Personen nicht kennt, ja, es ist nicht mal wichtig, ob die Figuren überhaupt noch eine Rolle im Buch spielen. Für mich reichte es oft schon, wenn die Actionszene einfach nur nach einem Ereignis mit Konsequenzen aussah und so in die Handlung eingeführt hat, die später mit den Protagonisten wieder aufgenommen wurde.
  Allerdings muss ich zugeben: So ein Einstieg funktioniert erstens nicht für jeden Leser, und zweitens nicht in jeder Umsetzung. Ich hab auch Bücher mit Actioneinstieg gelesen, die mich kalt ließen - und, um das leidige Gender-Thema zu bringen: Ich habe schon von mehr Frauen als von Männern gehört, dass so etwas sie grundsätzlich nicht reizt.
  Das wichtigste dürfte also wohl sein, dass ein Einstieg Fragen aufwirft, und zwar solche, deren Beantwortung den Leser wirklich interessiert. Was Leser interessiert, ist allerdings durchaus unterschiedlich, und das dürfte wohl auch die verschiedenen Möglichkeiten für erfolgreiche Anfänge erklären.

Ich persönlich habe daraus jedenfalls den Schluss gezogen, dass ich mich weniger darum kümmere, wie grundsätzlich ich den Anfang gestalte, sondern wie im Detail. Ich denke also weniger darüber nach, ob ich mit einer Actionszene einsteige, mit einer Liebesszene, einer Beschreibung oder einer Vorstellung der Protagonisten, sondern ich überlege mir lieber, wie ich den gewählten Einstieg dann gestalte. Wie ich Fragen aufkommen lasse, Interesse wecke, eine Stimmung vermittle, die in das Buch ziehen soll.
  Und den einen Ansatz, der es allen Recht machen soll, suche ich nicht mehr. Ich versuche, einen Einstieg zu finden, der den Lesern gerecht wird, die dieses Buch lesen sollen.
  Aber: Was mich immer sehr beeindruckt, sind Sätze, die im Gedächtnis bleiben. Steffi hat es schon erwähnt. Mitunter ist es so, dass selbst in Anfängen, die selbst recht unspektakulär bleiben, ein einziger, prägnanter Satz schon hängenbleibt und einen gefangen hat. Darum suche ich immer gerne nach solchen Sätzen. Nicht immer krampfhaft, aber dafür auch nicht nur für den Anfang ;)
  Auch hier wird man wohl keinen Satz finden, der jeden Leser sofort fesselt. Aber zumindest "offene" Sätze mit einem Potenzial dafür empfinde ich immer als stärkeren Einstieg als irgendwelche banalen Sätze, die den ersten Schlag versäumen. Leider benötigt man für solche Sätze eine Inspiration, und die hat man nicht immer, oder sie liegt daneben. Aber einen ersten Satz, an den sich ein Leser selbst dann noch erinnert, wenn er das Buch schon durchgelesen hat - was könnte besser sein? Durch den Satz bleibt das Buch im Gedächtnis, und das ist in jeder Hinsicht gut: Es macht es schwer, das Buch beiseitezulegen; und wenn der Leser sich an Satz und Buch erinnert, kann er darüber reden und es weiterempfehlen  ;)
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Steffi am 10. Januar 2009, 12:48:40
Zitat von: Lomax am 10. Januar 2009, 12:34:02

  Das wichtigste dürfte also wohl sein, dass ein Einstieg Fragen aufwirft, und zwar solche, deren Beantwortung den Leser wirklich interessiert. Was Leser interessiert, ist allerdings durchaus unterschiedlich, und das dürfte wohl auch die verschiedenen Möglichkeiten für erfolgreiche Anfänge erklären.



Ich glaube, damit hast du soeben den Nagel auf den Kopf getroffen :)
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Mrs.Finster am 10. Januar 2009, 12:59:36
Oh man, wenn ich das hier so lese, bin ich echt der Meinung irgendwann mal in der Vergangenheit stehen geblieben zu sein  :hmhm?:

Ich liebe klassische Einstiege, in denen es ,,sanft´´ anfängt  :) Bei mir im Kopf läuft das immer wie eine Art Film ab, wahrscheinlich ist das auch mein Fehler  :hmmm:. Aber nimmt man z.B. den Film Herr der Ringe (das Buch habe ich leider nicht gelesen) diesen klassischen Anfang mit dem Auenland... den find ich total klasse. Weil der Film an sich ist ja stellenweise echt düster und brutal, wenn der auch so anfangen würde... :no:

Aktionszenen sind nicht so mein Ding...da wird man so kalt ins Wasser geschmissen. Aktionszenen, die sich langsam aufbauen sind doch viel spannender, weil ich da als Leser viel besser mitfiebern kann  :)

wie July Rose schon sagte: ,,Ich mag es, wenn man den Leser an die Hand nimmt und ihm erstmal kurz (!) die Welt zeigt, in der er steht, möglichst noch mit dem Helden zusammen, der vielleicht gerade etwas neues erfährt." Genau das unterschreibe ich so  ;D
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Feuertraum am 10. Januar 2009, 13:11:37
Mag ich jetzt nicht ganz unterschreiben.
Obwohl...nein, andersherum: Ich unterschreibe Lomax Aussage zwar, gehe jedoch noch einen Schritt weiter und führe den Kontrast als Anfangsmittel mit auf. Nicht dass ich ein Freund dessen bin, aber ich wage einmal zu behaupten, dass man mit diesemMittel einen Leser genauso in seinen Bann schlagen kann.
Es gibt auch Autoren (ich glaube, Marie Luise Fischer hat gern so geschrieben), die erstmal Beschreibungen an den Anfang sitzen, sozusagen ein laues Lüftchen wehen und diesen dann im Laufe des Romans zu einem Orkan anwachsen lassen.

Was mbMn. ebenfalls sehr sehr sehr wichtig ist: Ein Anfang gibt ein Versprechen. Ich darf keinen reißerischen Anfang machen und dann in eine Liebesschnulzenblablageschichte münden.
Der Anfang sollte also so geschrieben sein, dass er den Leser auf das Kommende einstimmt - und ihn nicht betrügt!
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Lomax am 10. Januar 2009, 13:23:15
Zitat von: Feuertraum am 10. Januar 2009, 13:11:37Es gibt auch Autoren (ich glaube, Marie Luise Fischer hat gern so geschrieben), die erstmal Beschreibungen an den Anfang sitzen, sozusagen ein laues Lüftchen wehen und diesen dann im Laufe des Romans zu einem Orkan anwachsen lassen.
Ich mag solche Bücher auch. Aber ich bin auch ein Mensch, der selbst Telefonbücher liest ;) Nein, im ernst: Gerade sehr epische Werke wirken auf diese Weise sehr gut, wenn sich die Geschichte von einem harmlosen Anfang aus immer weiter steigert.
  Aber es darf auch nicht übersehen werden, dass diese Art Einstieg auf dem Markt immer schlechter funktioniert. Es ist zwar ein Klischee, aber die Zeit ist tatsächlich schnelllebiger geworden. Leser lesen nicht 50 Seiten weiter, nur im Vertrauen darauf, dass es irgendwann besser wird und ein langsamer Einstieg nur das Versprechen auf einen umso dramatischeren Kontrast ist.
  Man muss heute etwas bieten, was sofort wirkt. Wenn man also langsam anfangen will, muss man eben andere "Reize" in seinen Anfang packen. Ansonsten hat man schon wenig Chancen, den Verlag zu überzeugen - denn da gilt für Manuskriptprüfungen durchaus die Regel, dass schon auf den ersten Seiten ein Verkaufsargument sichtbar sein muss.
  Ich denke, die langen, epischen Erzählungen, die sich langsam entwickeln, haben dennoch eine Chance. Aber nur noch dann, wenn sie von einem Standing profitieren können, das der Autor sich vorher auf andere Weise erworben hat. Will man ein Buch platzieren, das für sich allein stehen kann, ist das heutztage mit einem "lauen Lüftchen" am Anfang so gut wie unmöglich. Das macht solche Anfänge vielleicht nicht schlecht oder schließt sie gänzlich aus - aber es macht sie doch schwierig und wenig empfehlenswert.
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Leon am 10. Januar 2009, 13:29:47
Ich selbst mag ebenfalls lieber eine langsame Einführung in das Geschehen. So dass ich mich erst einmal mit der Umgebung vertraut machen kann, bevor mich das Abenteuer ganz und gar verschlingt.

Vielleicht liegt die Kunst auch darin, einen Mittelweg zu finden. Was heißen soll, zwar ruhig beginnen ohne dabei langweilig zu sein.

Gruß
Leon
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Alana am 10. Januar 2009, 16:23:37
Der langsame Anfang funktioniert ja auch z.B. bei der Biss-Reihe ganz hervorragend.
(Auch bei Harry Potter, Tintenherz etc.)
Es fängt eigentlich absolut nichtssagend an, trotzdem war das Buch schon nach der ersten Seite spannend.
Natürlich ist das Geschmacksache, aber der Erfolg der Bücher spricht für sich.
Und das auch noch bei den amerikanischen Teenagern, die bestimmt zu einer sehr schwer zu gewinnenden Zielgruppe für Bücher gehören.
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Nachtblick am 10. Januar 2009, 17:06:08
Bei mir hat der Anfang überraschend oft mit dem Stil zu tun.
Wenn der Stil mir zusagt, und das vielleicht auch nur unbestimmt, halte ich selbst die langsamsten Anfänge aus. (Wenn es ewig so weiter geht, ist auch meine Geduld mal strapaziert... aber man nehme "Das Parfüm" - der Anfang war nicht "spannend" in dem Sinne, dass ich dachte, "das halte ich nicht aus! Gott, ist das spannend!", sondern eher: "Hm, der Stil ist ja wirklich ungewöhnlich, wohin sich die Figur wohl noch entwickelt... ohh, die ist so schön irre... lass mal weiterlesen". Ich habe das Buch letztendlich regelrecht verschlungen.)

Harry Potter ist ein Beispiel - ich habe das Buch, glaube ich, mit sechs oder sieben gelesen und war von der ersten Seite an sofort gefesselt. Wenn ich mir das heute noch einmal angucke, dann ist es der Stil. Wenige Bücher haben mich im Anfang so sehr fasziniert, wo sie doch so ruhig und "langweilig" beginnen. Tintenherz ist auch ein Beispiel. Ein mysteriöser Anfang, lange Zeit passiert doch wieder nichts, aber die drängenden Fragen vom Anfang waren der Grund, weswegen ich das Buch nicht weglegen konnte. Konkreter gesagt war es die Figur Staubfinger: ich wollte unbedingt mehr über ihn erfahren.
Und dass ich so dringend mehr über einen Charakter erfahren will, ist mir bis dahin nicht mehr über den Weg gelaufen.

Wenn der Stil mir sofort negativ auffällt - meinetwegen auch nur unbestimmt - und ich das Gefühl habe, nee, das ist zu anstrengend, dann muss ich entscheiden, ob der Stoff besser scheint und ich dafür den Stil in Kauf nehme.

Ich blättere in der Buchhandlung meist willkürlich in den Büchern herum, bevor ich entscheide, ob ich sie kaufe. Ich lese die erste Seite und springe dann zehn, zwanzig und sehe, ob mir etwas ins Auge fällt und mich fesselt.
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Alana am 10. Januar 2009, 17:28:16
Zitat von: Nachtblick am 10. Januar 2009, 17:06:08
Harry Potter ist ein Beispiel - ich habe das Buch, glaube ich, mit sechs oder sieben gelesen

oh mann, ich fühle mich grad echt alt :D

Ansonsten gebe ich dir aber recht.
Der Schreibstil fesselt einen - oder eben nicht.
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Coppelia am 10. Januar 2009, 19:05:05
Worüber ich noch nachgedacht hab: Ich glaube, es ist wichtig, dass man möglichst schnell in dem Leser Gefühle weckt. Besonders gut geht das wohl mit Mitleid gegenüber der Hauptfigur. Dazu benutze ich dann ganz gern meine erste Szene.
Äktschn oder nicht am Anfang, ich glaube, auch eine Actionszene soll ein bestimmtes Gefühl beim Leser wecken, nämlich Bewunderung, dass der Typ ein so guter Kämpfer ist. Oder auch Mitleid, wenn er den Kampf verliert. Aber beides (vor allem aber das erste) geht bei mir persönlich eher nach hinten los. In dem letzten Roman, den ich angefangen hab zu lesen, kommt am Anfang ein Typ vor, der ein toller Raumschiffpilot und Schütze ist und ein gaaaanz tolles verwegenes Manöver fliegt. Das fand ich persönlich überhaupt nicht spannend. Ich möchte die Figur gern verstehen, dann kann ich auch Gefühle für sie haben, und dann ist es spannend.
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Melian am 10. Januar 2009, 19:15:37
Die sofortindiehandlungeinsteigen Anfänge sind sehr beliebt geworden. Ich muss aber sagen, ich mag es nicht wenn ich nicht weiß wo die Protagonisten sind. Welche Tageszeit? Stehen sie in einem Raum oder im Freien? Elb, Zwer, Mensch oder Ork? So ganz gobe grundsätzliche Infos habe ich sehr gerne befor viel Handlung, Dialog u.s.w beschrieben wird. Es mag aber sein, dass ich da ein wenig aus dem Ramen falle.
Wenn ich eine Seite (oder sogar mehr) gelesen habe und dann merke, dass ich mir völlig falsche Vorstellungen (Ein Zwerg ist auf einmal ein Ork oder so) gemacht habe rege ich mich auf!
 
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Lomax am 10. Januar 2009, 19:27:37
Zitat von: Coppelia am 10. Januar 2009, 19:05:05Worüber ich noch nachgedacht hab: Ich glaube, es ist wichtig, dass man möglichst schnell in dem Leser Gefühle weckt. ..., nämlich Bewunderung, dass der Typ ein so guter Kämpfer ist. Oder auch Mitleid, wenn er den Kampf verliert.
Gefühle ist eigentlich klar. Soll es ja immer sein. Aber ich denke, die von dir genannten Spezifizierungen sind dann wieder zu eng. Wie gesagt - für mich muss bei der Actionszene ja nicht mal der Protagonist auftauchen.
  Da reicht es schon als Gefühl, wenn ein Antagonist richtig fies gezeigt wird, und man darauf hofft, dass ihn im späteren Buch jemand aufhält. Oder dass die Actionszene auch nur ganz allgemein eine Bedrohung zeigt, bei der man davon ausgeht, dass sie später noch eine Rolle spielt. Und so gibt es noch einige Beispiele, mit denen mich ein Actioneinstieg schon gefangen hat, ohne mir auch nur eine Figur zu bieten, mit der ich schon mehr zu tun haben will.
  Hm, wenn ich es mir recht überlege, funktioniert es auch umgekehrt: Wenn ich den tollen Helden präsentiert bekomme, der alles kann, kann das auch schon mein Interesse für das Buch wecken, weil ich darauf hoffe, dass so ein schmieriger Überheld auch noch was reingesemmelt bekommt ;D Das müsste dann aber schon irgendwie angedeutet werden ... Ich denke, hier wird es aber schon wieder zu spezifisch.
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Isleya am 10. Januar 2009, 20:12:41
Mir persönlich gefällt es nicht besonders, wenn gleich am Anfang starke Gefühle des Protagonisten im Spiel sind. Am Schlimmsten ist es, wenn zu Beginn ein Vertrauer/Freund/Bekannter des Protas stirbt oder beerdigt wird. Dann kann ich mir vorstellen, dass es dem Protagonisten ziemlich mies geht. Allerdings weiß ich sonst nichts über ihn, meist nicht einmal, inwiefern er jetzt mit dem Verstorbenen zu tun hatte. Dann weiß ich: Aha, Trauer. Aber wirklich viel anfangen kann ich damit noch nicht. Spannung ist da nicht wirklich im Spiel, stattdessen eine unpassennde tragische/düstere Grundstimmung. Gut, wenn das zur Grundstimmung des Werkes passt...
Aber mir gefallen solche Einstiege trotzdem nicht.
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Tarah am 10. Januar 2009, 21:23:09
Um auf Isleyas Beispiel mit dem Tod eines Freundes oder einer anderen Person, die der Protagonist kennt, einzugehen: Ich finde solche Anfänge, gerade wenn sie zur Stimmung des Buches gehören, eigentlich gut. Oder aber man nutzt das Ende eines Lebens gleich zu Beginn der Handlung, um darauf dann die gesamte Story aufzubauen. Beispielsweise könnten so Rachepläne des Protagonisten entstehen oder der Verstorbene hat etwas mit der Vergangenheit des Protas zu tun...

Lg
Tarah
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Silvia am 10. Januar 2009, 22:03:08
Ich fange seit einigen Jahren meistens nicht am Anfang eines Buches an, wenn ich eins in der Buchhandlung aus dem Regal ziehe, sondern irgendwo mittendrin. Springt mich was an? Eine Figur? Eine Handlung? Die Stimmung? Und dann erst guck ich mal irgendwann nach dem Anfang  ;D
Ich mag es gern, wenn der Anfang eine Stimmung aufbaut oder eine Frage aufwirft, ein Geheimnis vielleicht. Oder wenn einfach die ersten Hauptpersonen in ihren Beziehungen vorgestellt werden, mit ein bißchen Handlung dazu, aber nicht zu wild und zu actionlastig. Ich will die Leute erstmal kennen, bevor ich mit ihnen mitleiden muss. Zu viel Blutgespritze auf der ersten Seite und das Buch ist schon wieder weggelegt.
Generell gebe ich einem Buch gern mehr Zeit als die ersten zwei Zeilen, um mich einzufangen  :) Es sei denn, der Stil ist grottenschlecht. Wenn mir ein Anfang als zu konstruiert erscheint, so auf "Leserfang" gebürstet, dann macht mich das eher mißtrauisch. Aber das kann auch daran liegen, dass wir Schreiberlinge sowieso etwas kritischer lesen als der Rest.
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Churke am 11. Januar 2009, 10:41:54
Um das mal ein bisschen zu, äh, verwissenschaftlichen. Mir fallen folgende Möglichkeiten ein:

Werfen Sie den Leser in eine ungewöhnliche, rätselhafte Situation.

Beginnen Sie mit einer philosophischen Vorbemerkung, einer Sentenz.

Beginnen Sie mit direkter Rede, um in die Situation einzuführen.

Beginnen Sie mitten in der Geschichte.

Beginnen Sie von Anfang an (,,In the beginning the Universe was created" – D. Adams)


Weitere Vorschläge?  :dollars:

Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Melian am 11. Januar 2009, 13:04:33
Spannend ist, dass es scheinbar für jede (fast) jede Art von Anfang, Anhänger und Gegner gibt! Die Frage ist also ob nicht sogar schon der Anfang Zielgruppen gerecht sein muss?
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Lomax am 11. Januar 2009, 13:15:21
Zitat von: Melian am 11. Januar 2009, 13:04:33Die Frage ist also ob nicht sogar schon der Anfang Zielgruppen gerecht sein muss?
Ganz bestimmt. Obwohl das nicht heißt, dass es für jede Zielgruppe nur genau die eine, einzig mögliche und richtige Möglichkeit des Einstiegs gibt. Aber ich denke, die Zielgruppenorientierung ergibt sich allein schon dadurch, dass der Anfang irgendwie zum Buch passen sollte - und das Buch selbst soll ja auch eine Zielgruppe ansprechen.
  Ein blutiges Gemetzel als Einstieg in eine romantische Liebesgeschichte mag also mitunter sogar für eine Geschichte denkbar sein, dürfte sich aber auf jeden Fall als problematisch erweisen  ;)
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: gbwolf am 11. Januar 2009, 13:22:42
Zitat von: Churke am 11. Januar 2009, 10:41:54Weitere Vorschläge?  :dollars:
Nicht gut, aber tragischerweise hat es sich in der Fantasy in den letzten Jahren eingebürgert, mit einer Wetterbeschreibung zu beginnen, um damit eine Grudnstimmung zu erschaffen: Stürme (dramatisch!), Regen, der alles aufweicht (Verzweiflung!), abgemähtes Korn (Herbst, Abschied), volles Sommergetreide (locker, entspannt).

@Melian: Ja natürlich sprichst du mit einem bestimmten Beginn auch eine Zielgruppe an. Für den Krimifan darf es gern ein Mord in nebelumflorter Gasse sein, männliches Actionpublikum liebt es, wenn der Held sich von einem Felsen/der Stadtmauer in die Masse der Angreifer wirft und erstmal stinkende Fellfetzen und Därme fliegen.

Was bislang noch nicht angesprochen wurde ist, dass auch ein ruhiger Anfang, ein Buch, dass erst ab Seite 50/100 Fahrt aufnimmt, spannend sein kann. Spannung kann aus der verwendeten Sprache kommen ("The name of the wind", "Der verlorene Troll") und auch aus einem Geheimnis ("Die Insel der Stürme", "Sturmwelt"). Ein ruhiger Einstieg bedeutet ja nicht, dass man dem Helden erstmal hunderte Seiten durch eine langweilige Ausblidung folgen muss, es kann auch eine sehr gute Einführung in die Welt und in die Gedanken der Figuren sein.

Insofern stimme ich dem absolut zu, dass mich die ersten Seiten fesseln müssen, dass bereits der erste Absatz eine Spannung aufbaut, eine Frage aufwirft, ein Wort bringt, dass interessant klingt, Figuren in einem Konflikt zeigt, dessen Ursache man enträtseln möchte.
Allerdings gefällt es mir da nicht, wenn Tricks angewandt werden wie der immer moderner werdende Prolog, der ein Geheimnis offenbart, und anschließend stellt man erstmal über 70 Seiten die Figuren vor, ohne dass auch nur ein klein wenig auf die Fäden im Prolog zurückgekehrt wird.
Ich mag das als Leser jedenfalls nicht. Negativbeispiel ist für mich hier Hardebusch mit seiner Sturmwelt, die ich bis heute nicht weiter gelesen habe, weil mir der rote Faden fehlt, die Verbindung zum Prolog und - ganz persönlich - ich kein Seefahrtfan bin (dafür kann der Autor ja nichts).
besser gelöst hat das Martin mit dem Lied von Eis und Feuer. Auch hier dauert es ewig, bis der Prolog auch nur annähernd erläutert wird, das bedeutet aber, dass die Spannung aus dem Prolog bleibt. Gleichzeitig lüftet er bereits in den ersten Kapiteln Teile des Geheminisses, indem diese ebenfalls in Eis und Schnee spielen und man eine Verbindung zur Familie Stark bekommt und ahnt, dass hier alles zusammen gehört (später verfranzt sich der Autor dann leider gewaltig und ich weiß nicht, ob er seine Fäden jemals alle zusammenhalten wird).
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Jara am 11. Januar 2009, 13:43:24
Das Problem mit den unterschiedlichen Anfängen für unterschiedliche Zielgruppen besteht doch darin, dass man nicht darauf hoffen kann, dass derjenige im Verlag, der das Manuskript dann in Augenschein nimmt, auch dieser Zielgruppe angehört.

Klar, ist das sicher ein Profi, der weiß, was auf dem Markt gerade läuft; aber darin sehe ich das Problem.

Ich habe das Gefühl, dass vor allem in den letzten Jahren immer weniger langsam beginnende Bücher erschienen sind. Das diese auch sehr spannend und gut geschrieben sein können, steht für mich außer Frage ;D
(wenn ich an Herr der Ringe denke, muss ich auch zugeben, dass ich schon wesentlich spannendere Anfänge gelesen habe, wobei Tolkien ja auch nicht erst in den letzten Jahren geschrieben hat :hmmm:)

Ich persönlich bin ein großer Fan von Oscar Wilde und im Allgemeinen von ästhetischen Beschreibungen dieser Zeit, die sich im Fantasygenre durchaus gut machen. Solche Bücher gibt es auch, allerdings vorherrschend im englischsprachigen und tatsächlich viel mehr im britischen als im amerikanischen Raum.
Dass diese kaum ( bis jetzt habe ich nur ein Buch gefunden, dass aber wieder kein Fantasybuch war) ins deutsche übersetzt werden :(, lässt mich, als deutschsprachigen Möchtegernautor, etwas zweifeln.

Mein Schreibstiel ist zwar nicht so extrem ästhetisch, allerdings fange ich selten mitten im Geschehen an.
Das liegt vor allem auch daran, dass ich hauptsächlich Urban - Fantasy schreibe und es dort eigentlich zu den klassischen Elementen gehört (das ist zumindest das, was mich an dieser Sparte der Fantasy immer so angesprochen hat), dass die Story in der ganz normalen und oft furchtbar langweiligen Welt beginnt.

Dieses ( für die jetzigen Leser scheinbare) Manko habe ich versucht durch den widerwärtigen Charakter meines Protas zu kompensieren. Das ist mir glaube ich ganz gut gelungen(also ich hätte weitergelesen ;D . . . )

Aber es ist echt schade, dass der Leser nicht mehr bereit ist, dem Autor soweitgehend zu vertrauen, dass dieser ihm schon eine spannende Geschichte liefern wird. :'(
Gut, das könnte nach hinten losgehen. konnte es früher aber schon genauso gut!
liebe Grüße,
Jara
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: gbwolf am 11. Januar 2009, 14:01:42
Jara bringt mich da auf einen Gedanken: Die Zielgruppen, die Fantasy lesen, werden jünger und ungeduldiger, aber auch die Autoren werden immer jünger und jünger veröffentlicht.
Wer einen langsamen Anfang wählt, muss - das postuliere ich einfach mal so - sein Handwerk sehr gut beherrschen, experimentieren können, sprachlich in die Geschichte reinziehen, einen Blick für Ungewöhnliches haben, Sprachrhythmik beherrschen, ein Gefühl dafür haben, welche Mischungen funktionieren können, etc.
Für einen unerfahrenen Autoren und jungen Schreiber bietet sich also an, einen schnelleren Einstieg zu wählen, denn mit dem langsamen Einstieg läuft er Gefahr, seine Leser zu Tode zu langweilen. Ich weiß nicht, wie oft ich mittlerweile zu lange, stimmungsvoll gemeinte Romananfänge gelesen habe, in denen der Autor zwar sauber schreibt, aber noch keine Übung darin besitzt, den Leser bei der Stange zu halten. Da wird erstmal erzählt, welches Brot der Held zum Abendessen isst und wohin er seine Haare schüttelt und sein Pferd in der Sonne glänzt (davon möchte ich mich nicht ausnehmen - mein erster Romanversuch beinhaltet 350 Seiten belangloses Vorgeplänkel).
Auch Patrick Rothfuss ist natürlich Debütant, er hat sich aber sehr lange Zeit mit seinem Roman gelassen und ist in reiferem Alter - nur falls jemand diesen Autor als Argument anführen möchte. Ich denke, jemand, der einen langsamen Einstieg wählen möchte sollte - lassen wir die Zielgruppendiskussion mal raus - sich auch Zeit für den Roman nehmen. Das funktioniert bei engen Abgebaterminen nicht. Ist es also - neben dem Publikum - auch der Zeitdruck, der die Romane schneller macht?

Mit meinem Freund hatte ich unlängst eine Diskussion, ob man einem Schreibanfänger zum Erlernen des Romanaufbaus empfehlen sollte, zwei Perspektiven zu wählen und im ersten Roman Spannung durch Cliffhanger aufzubauen oder ob man lieber sagen soll: Eine Perspektive, max. 250 Normseiten, einfacher Spannungsbogen. Aber das ist wieder ein anderes Thema, das bei uns noch zu keinem eindeutigen Ergebnis geführt hat  ;)
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Jara am 11. Januar 2009, 15:06:21
Dieses Altersdiskussion macht echt Sinn!
Mir wäre es bis gerade gar nicht aufgefallen,
aber wenn ich mir meine allerersten Schreibanfänge so anschaue, dann fällt mir auf,
dass ich immer gleich ins Geschehen gestürtzt bin. Vor allem mit extremen Gefühlen,
meißt Trauer.
Inzwischen, wie gesagt, gehe ich oft langsamer vor und versuche natürlich trotzdem etwas qualitativ hochwertiges daraus zu machen. Zugegeben, da ist oft viel Zeit für Überarbeitung und Verbesserungsvorschläge von außen angesagt.
Als professioneller Autor mit seinen Deadlines, die ihn dazu zwingen zwei Wochen vor Abgabetermin maximal drei Stunden pro Nacht zu schlafen :gähn:, sieht es da natürlich düster aus.
Vielleicht ist es auch das, was zu einem, nicht Qualitätsverfall von Fantasyliteratur, aber vielleicht einer Schwerpunktänderung führt.
Man findet auf dem Markt jetzt viele bücher fürs schnelle Vergnügen, aber wer macht sich noch die Mühe seine eigene Welt bis ins Detail über Jahre hinweg auszuklamüsern oder eine komplett eigene Sprache zu erschaffen,
bevor er etwas veröffenlicht? ( Ich bin in diesem Forum schon so oft positiv überrascht worden, als Leute geschrieben haben, wie viele Jahre sie schon an ihrer Welt basteln, also sollen sich mal nicht so viele angesprochen fühlen).
Es macht ein Buch ja auch nicht unbedingt schlechter, wenn Zaubersprüche einfach einzelne Worte aus dem Lateinischen sind, statt eine eigene sprache oder gar Reime ; aber es macht es dem Autor leichter.
Jara
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: gbwolf am 11. Januar 2009, 15:19:31
@Jara: Also damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich denke, keiner von uns verurteilt Unterhaltungsliteratur. Man hat nach der Arbeit auch mal Lust, einen einfachen, aber unterhaltsamen Roman zu lesen.
Auch ist es für mich kein Qualitätamerkmal, wenn ein Autor eine Welt bis ins Detail ausarbeitet und eine eigene Sprache erfindet. Wer sich lange mit einem Roman beschäftigt, der feilt auch lange an der Sprache. Oder es muss ja nicht die 100.000ste Überarbeitung sein. Ein Freund von mir schreibt am Tag nur wenige Sätze, feilt an denen aber ewig, andere Leute schreiben 10 Normseiten oder mehr und überarbeiten entsprechend länger (oder auch nicht). Ich denke, man merkt es einem Roman an, wenn der Autor Zeit dafür hat.
Entscheidender, auch einen langsamen Eintieg zu gestalten, ist meiner Ansicht nach die Reife des Autors und seines Handwerks. Sätze, wie sie ein Süßkind schreibt oder eine komplexe Welt, wie sie in "Die Zwerge vom Amboss" von Thomas Plischke Gestalt annimmt, schreiben die wenigsten mit 20, 25, 30 Jahren. Das vor allem wollte ich damit ausdrücken, dass junge Autoren einen schnellen Einstieg meistens besser bewältigen können (ich zähle mich da durchaus dazu).
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Churke am 11. Januar 2009, 15:35:15
Ich verstehe nicht so recht, was mit dem "langsamen Einstieg" eigentlich gemeint ist. Natürlich muss man nicht gleich mit dem großen Eisenbahnraub anfangen, und es ist ja auch durchaus reizvoll, den allmählichen Zusammenbruch einer heilen Welt zu beschreiben - aber was auch immer ich schreibe - es muss interessant sein. Gemäß den 9 Geboten von Billy Wilder: "Du sollst nicht langweilen!"
Muss man sich hingegen erst durch den Anfang quälen, dann läuft etwas falsch.

Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Jara am 11. Januar 2009, 15:52:43
@ Wölfin: Das war mir schon klar :D
Es sollte auch keine übermäßige Kritik an Unterhaltungsliteratur sein.
Ich würde Lügen, wenn ich sagen würde, dass ich nicht auch ein Freund der schnellen Vergnügungen bin(je nach dem wie viel Zeit ich eben habe)
Ich finde es eben nur interessant, wie sehr ein Buch einerseits von den Fähigkeiten, dem Schreibstil, Handwerkzeug und damit natürlich auch Alter des Autors,
andererseits von den aktuellen Gegebenheiten, wie Nachfrage, Vorlieben der Leser oder Anforderungen der Verlage abhängig ist. Nicht umsonst können wir ja Veränderungen, z . B. bei den Anfängen von Romanen feststellen.
Darüber habe ich hier als tiefgründiger Mensch :d'oh: meine Meinung kundgetan. ;D

@Churke: Na ja, ich denke, dass es inzwischen schon fast so normal geworden ist, oft mit der Türe ins Haus zu fallen, dass ein anderer Anfang eben fast langweilig wirkt.
Ich fange damit an, wie mein Prota gerade noch in der schule sitzt und sich umsieht. Durch seine Wahrnehmungen und dann dem Verhalten der anderen charakterisiere ich ihn schon mal ziemlich stark.
Ganz einfach weil in diesem Projekt die Charakterentwicklung noch viel mehr als die äußere Handlung im Mittelpunkt steht. Ich denke das ist einfach nicht mehr so en vogue wie früher mal so unspektakulär  anzufangen.

Jara
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Coppelia am 11. Januar 2009, 16:52:43
Mh, es gibt auch die jungen Autoren, die extrem gut mit Sprache umgehen können. Ich will ja nicht wieder von Lucan anfangen ... ;D

Aber gleich mit voller Sprachgewalt zuzuschlagen, könnte abschreckend wirken, wenn die Situation am Anfang nicht entsprechend "hochgefahren" ist. Ich glaube, auf den großen "Sprachschlag" muss ein bisschen hingearbeitet werden, das ist etwas wie Ausholen und Zuschlagen.
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Scot am 13. Januar 2009, 01:55:18
Mir fällt gerade zum Thema "Anfang" eine Lektion aus James N. Freys "Wie man einen verdammt guten Roman schreibt" ein: Fange immer vor dem Anfang an.
Wenn ich auch nicht immer einer Meinung mit Frey bin, finde ich, dass er in diesem Fall recht hat. Fange ein, maximal zwei Kapitel vor dem eigentlichen Beginn des Plots an, um dem Leser die Möglichkeit zu geben, den Charakter des Protas kennenzulernen. Dadurch fällt es ihm leichter, die Veränderungen, die durch den Plot mit dem Protagonisten geschehen, nachzuvollziehen. Wenn dein Prota am Anfang der Geschichte vor den Leichen seiner ganzen Familie steht (um mal den Klischeebeginn schnöder Fantasyliteratur zu nehmen), dann wirkt das schon dramatisch, aber umso dramatischer wird es, wenn der Leser die Geschichte diese Familie, vielleicht sogar das Familienidyll kennenlernt.
Wenn der Prota vor der Leiche seiner Schwester steht und sich dann schockiert daran denkt, wie er doch am selben morgen erst mit ihr auf dem Markt war, dann ist das sehr belanglos, denn sie ist ja nunmal tot. Wenn man die Szene auf dem Marktplatz aber davor in einem Kapitel beschreibt, und der Leser die lebensfrohe Schwester erst kennenlernt, dann bekommt der Schrecken ihres Todes eine andere Dimension.

Doch hier liegt der Hund begraben: Wenn man den Prota in seinem alltäglichen Leben beschreibt, ist es langweilig. Man will nichts davon lesen, dass der dumpfe Bauernjunge wie jeden Tag seit x Jahren den Acker bestellt. Deswegen sollte die Ausgangssituation etwas besonderes sein, wo sich der Protagonist aber noch weitesgehend alltäglich verhalten kann. Deswegen drückt man dem sechszehnjährigen Buben seine elfjährige, aufgeregte Schwester an die Hand, die zum ersten mal in ihrem Leben auf den Markt darf und ihrem Bruder mit großer Virtuosität auf den Geist geht. Dann hast du, wenn du es richtig aufziehst, eine lustige Anfangsszene und so was liest man doch gerne.

Natürlich muss eine Anfangsszene nicht lustig sein. Wenn dein Protagonist ein Inquisitor ist, dann kannst du ihn auch gleich - wie bei Joe Abercrombies "Kriegsklingen" - beim verrichten seiner brutalen Arbeit beschreiben. Für den Protagonisten ist diese ja etwas alltägliches, für den Leser aber nicht.
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Lavendel am 13. Januar 2009, 07:55:21
Ich würde eher so spät wie möglich mit dem Erzählen einsetzen. Ich führe mir meine Geschichte vor Augen und überlege, wo ich anfangen muss, damit die LeserInnen sie verstehen. Das bedeutet einfach nur, dass es kein unnötiges Blabla gibt, bevor es losgeht. Manchmal ist es gar nicht so einfach, zu erkennen, was denn nun wichtig ist und was eher nicht. Das Ergebnis, wenn man alles kürzt, was nicht zwingend nötig für das Verständnis ist, ist dafür oft verblüffend.
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Churke am 13. Januar 2009, 13:55:03
Zitat von: Scot am 13. Januar 2009, 01:55:18
Fange ein, maximal zwei Kapitel vor dem eigentlichen Beginn des Plots an, um dem Leser die Möglichkeit zu geben, den Charakter des Protas kennenzulernen. Dadurch fällt es ihm leichter, die Veränderungen, die durch den Plot mit dem Protagonisten geschehen, nachzuvollziehen.

Das ist wieder ein Anfang, mit dem der Autor ein bestimmtes Ziel verfolgt. Die Art des Romans entscheidet über den Anfang.

Ich könnte auch mit einer Figur arbeiten, die sich nicht verändert. Oder ich bin der Meinung, dass der "Alltag" der Figur aus irgendwelchen Gründen irrelevant ist.
Anders ausgedrückt: Der Pullover entscheidet über das Strickmuster.
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Romy am 17. Januar 2009, 12:47:14
Zitat von: Scot am 13. Januar 2009, 01:55:18
Mir fällt gerade zum Thema "Anfang" eine Lektion aus James N. Freys "Wie man einen verdammt guten Roman schreibt" ein: Fange immer vor dem Anfang an.
Wenn ich auch nicht immer einer Meinung mit Frey bin, finde ich, dass er in diesem Fall recht hat.

Hat er das wirklich gesagt?  :o Oweia, das muss ich wohl verdrängt haben. Eigentlich sind Freys Bücher die reinste (Schreib-) Bibel für mich, aber in dem Fall bin ich gar nicht seiner Meinung.  :no:
Er hat doch aber auch gesagt, dass man sofort am Anfang eine Frage aufwerfen sollte, die den Leser neugierig macht. DAS habe ich mir gemerkt und versuche mich stets daran zu halten  :jau:

Davon abgesehen starte ich immer gerne mit Handlung oder Dialog. Anschließend hole ich dann ein bißchen Erklärungen etc. nach und stelle die Charaktere ein wenig genauer vor. 
Ein "langsamer" Anfang muss aber auch gar nicht schlecht sein, solange er denn neugierig macht. Tintenherz ist da wirklich ein sehr gelungenes Beispiel, finde ich!
Aber auch eine "Actionscene" finde ich für den Beginn nicht schlecht. So starte ich auch meinen Heyne-Wettbewerbs Roman und ich wüsste ganz ehrlich nicht, wie er sonst hätte beginnen können oder sollen. Für diese Geschichte gibt es ganz einfach keinen anderen möglichen Anfang ...   :hmmm:

Also, wie so häufig muss es halt einfach alles ins Gesamtbild und zur Geschichte passen.  :hmhm?:
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: hima am 01. Februar 2009, 16:28:45
In einer Diskussionsrunde hat mal jemand gemeint, man solle dem Leser am Anfang einen Leckerbissen hinwerfen, den er jedoch nicht kriegt und deswegen weiterlesen muss, bis wir als Autoren den Leckerbissen loslassen. Man muss Fragen aufwerfen.

Was mir neulich ebenfalls aufgefallen ist, sind Namen.
Momentan verschlinge ich die Black Dagger Serie von J.R. Ward und hab nochmal jedes Buch vorne aufgeschlagen. Gleich im ersten Satz kommt der Name des Protagonisten oder eines anderen wichtigen Charakters vor.
Um sicher zu gehen, schlug ich etliche andere Bücher aus diversen Genres auf und siehe da, spätestens am Ende der ersten Seite bzw. des ersten Abschnitts kam der Name eines wichtigen Charakters vor. Die Prologe nicht mitgezählt, denn die spielen meist vor der eigentlichen Handlung. Um einige Beispiele aufzuführen: Harry Potter, meine heissgeliebten Sano Ichiro Krimis von Laura Joh Rowland, Erdsee, Eragon, die "Wächter" Serie von Sergei Lukianenko, Gottes Werk und Teufels Beitrag...

Ist das nur eine schnöde Theorie von mir oder könnte da tatsächlich was dran sein?
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Sooky am 02. Februar 2009, 22:02:40
hima: ähm... das verstehe ich irgendwie nicht.  :hmmm: Wie, wichtige Charaktere? Du meinst solche, die nur genannt werden, oder? Aber dann nicht in nächster Zukunft vorkommen, ja? So Namen, die nicht Hauptcharaktere sind, aber irgendwie dennoch wichtig sind, wenn du verstehst, was ich meine. À la Sirius Black, der am Anfang von Harry Potter genannt wird. Oder verstehe ich was falsch?

Auf jeden Fall... an der Theorie kann etwas sein. Vielleicht - meiner Meinung nach, versteht sich - nicht die effektivste Art und Weise: Einen Namen vergisst man als Leser einfach viel zu schnell.
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Willow am 15. April 2009, 12:20:19
Zitat von: Churke am 11. Januar 2009, 15:35:15
Ich verstehe nicht so recht, was mit dem "langsamen Einstieg" eigentlich gemeint ist. Natürlich muss man nicht gleich mit dem großen Eisenbahnraub anfangen, und es ist ja auch durchaus reizvoll, den allmählichen Zusammenbruch einer heilen Welt zu beschreiben.

Ich fühle mich da auch immer ein wenig hin und hergerissen. Mir ging es zum Beispiel bei meiner letzten Geschichte so, daß ich am Anfang erstmal kurz das um meine Figuren herum normale tägliche Leben darstellen wollte, damit man als Leser begreifen kann, warum das, was dann geschah, einen so riesigen Realitätsverlust für sie alle bedeutete, mit dessen Folgen sie sich dann allesamt auseinandersetzen mußten. Ich fand irgendwie, hätte ich gleich in die Veränderung hineingeworfen, hätte man als Außenstehender ja nicht so einfach bemerken können, daß es überhaupt eine derart gravierende Veränderung ist. Daher würde ich den direkten Anfang schon ein wenig ruhiger nennen.

Was ich am schwierigsten an dieser Frage finde, ist die unweigerliche Fremdbeeinflussung. Mir schwirrt da immer der Kopf, wenn ich mich zu informieren versuche, wie man was machen sollte ... dann bleibe ich da immer irgendwo zwischen dem, was ich möchte, und dem, was andere zu möchten scheinen, stecken und glaube, das kann nicht wirklich gut für die Geschichte sein. Also was tun?  :hmmm: Wahrscheinlich bleibt da nur die Gewißheit, daß es tatsächlich, wie hier ja auch so schön zu lesen ist, für jede Variante Fans und Gegner gibt.

Liebe Grüße,
Willow
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Kati am 10. Mai 2009, 14:31:15
Ich weiß nicht, ich finde den Anfang gar nicht sooo wichtig. Zum Beispiel hat mir der erste Satz von Susan Hubbards "The society of S" richtig gut gefallen: "Somewhere in Savannah my mother is walking.", war er. Oder eben so ähnlich. Aber das Buch an sich fand ich einfach nicht wirklich gut. Genauso "Twilight". Der Prolog war richtig schön, aber die nächsten hundert Seiten einfach nur langweilig, bis endlich mal was passiert ist. Und manche Bücher mit sehr schlechtem Anfang habe ich hinterher geliebt. Aber egal. Natürlich ist im Idealfall der Anfang UND der Rest vom Buch gut.  ;)
Was ich total gern mag, sind Anfänge, die zwar nicht mitten im Geschehen einsetzen, sondern kurz davor: Es ist schon etwas geschehen, dass den Protagonisten ein bisschen aus der Bahn wirft, doch noch ist alles normal, noch ist alles in Ordnung. Obwohl etwas nicht mit rechten Dingen zugeht, geht sein/ ihr Leben erst einmal normal weiter, so dass wir ihn/ sie kennen lernen können. Und dann setzt die richtige Handlung ein.
Ich mag auch Bücher, die mit der Beschreibung des Wetters beginnen, wenn es passt.

LG,

Kati
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Joscha am 10. Mai 2009, 16:28:33
Ich persönlich habe nichts gegen Action-Szenen am Anfang eines Romanes, allerdings nur, wenn sie sinnvoll sind. Wenn ein eigentlich friedfertiger und redegewandter Charakter damit eingeführt wird, dass er ein paar Gegner besiegt, ist das nicht sonderlich gelungen. Geht es aber beispielsweise um einen überzeugten Kriegsheld, ist das schon etwas anderes. Außerdem bedeutet eine Action-Szene ja nicht, dass es keinen Raum für ausführlichere Charakterisierung geben kann.

In meinem Projekt beispielsweise wird der Protagonist (bzw. einer der Protagonisten) mit einer Action-Szene eingeführt. Das liegt allerdings daran, dass er halb wahnsinnig und traumatisiert ist und deshalb Menschen abschlachtet. In dem Fall taugt eine Kampfszene eben am Besten, um dem Leser gleich deutlich zu machen, was er ist, aber auch, dass er nicht einfach vollkommen böse ist, sondern einen Grund für sein Handeln hat. Reine, bedeutungslose Kämpfe, die z.B. nur die herausragenden Fähigkeiten eines Charakters zeigen sollen, sind aber nicht so sinnvoll.

Grüße
Joscha
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite (Adiga Fantasy)
Beitrag von: Adiga am 30. Mai 2009, 19:10:34
Ich bevorzuge Sätze, die meiner Geschichte nützen. und sage etwas, was auch später noch von Bedeutung ist. Was nicht immer so war, und ich suche auch nicht mehr verzweifelt nach einem guten ersten Satz, für gewöhnlich finde zum Anfang, nach dem ich ganz genau weiß, wohin die Geschichte geht, und da habe ich meist schon das halbe oder mehr vom ganzen Buch geschrieben.
_          Irgendwann finde ich genau den Anfang, der am besten zu der Geschichte passt und einfach am besten, am schnellsten und am spannendsten beschreibt, wie es los geht.

Ich tendiere auch dazu den ersten Absatz einige male auszutauschen. Manchmal war der Anfang zwar schon gut, aber es hat sich heraus gestellt, das der erste Absatz nicht diese Geschichte erzählt hat, die ich erzählen wollte, oder dass der erste Absatz den Leser nicht so in Geschichte geführt hat, wie es für die Geschichte am besten gewesen wäre. Wobei ich immer darauf achte, dass nachdem der erste Absatz vorbei ist, bereits eine gewisse Stimmung aufgebaut ist, die eine gewisse Charakteristik besitzt, die der Eigenart des erzählten entspricht.

Ich schaffe also eine emotionale Grundschwingung, die mit dem Erleben des Erzählten Hand in Hand geht und sich vom ersten Satz weg durch das ganze Buch zieht, natürlich, um die Emotionen im Laufe der Geschichte durch alle Höhen und Tiefen zu führen, sodass sie Geschichte vom ersten bis zum letzen Wort fesselnd ist.

(Absätze hinzugefügt, hoffe es ist nun erträglich)
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: TheaEvanda am 30. Mai 2009, 20:53:52
Adiga: Könntest du bitte etwas mehr Absätze in deine Posts einfügen? Die blaue Bleiwüste, die du gerade geschffen hast, kann ich kaum lesen.

--Thea
Herzogenaurach, Germany
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Alana am 26. März 2013, 15:20:06
Ich hole diesen Thread mal aus der Versenkung, weil mich der Anfang meines aktuellen Projekts beschäftigt. Und zwar ganz konkret die Frage, ob es eigentlich ein No-Go ist, mit wörtlicher Rede einzusteigen. Meine Protagonistin ruft Jemandem etwas zu und läuft ihm dann nach. Es ist keine eigentliche Actionszene, sondern eine Abschiedsszene. Die Frage, die ich mir stelle, ist: Ist wörtliche Rede als erster Satz etwas, wo Kenner mit den Augen rollen und das Manuskript gleich in den Papierkorb werfen?
Ich muss allerdings zugeben, wenn ich von meinem Anfang total überzeugt wäre, würde ich mir diese Frage wohl gar nicht stellen, also liegt da wohl noch mehr im argen, als nur die wörtliche Rede. Dennoch interessiert mich eure Meinung dazu.

Vielen Dank.
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Merwyn am 26. März 2013, 15:41:48
Ich würde mich jetzt nicht als Kenner bezeichnen, aber vielleicht bringt dir meine persönliche Meinung ja auch was.
Aus irgendeinem Grund verwende ich selbst äußerst selten Dialog als Einstieg, aber als Leser finde ich das eigentlich nicht schlimm, wenn es ein guter Dialog ist.

Klares No Go sind für mich allerdings die "Ködersätze". Damit meine ich wörtliche Rede, die ganz offensichtlich Spannung/Neugier/etc. erzeugen soll.
Ein Einstieg à la "Oh Gott, mach das nicht!", schrie sie und die Wahrscheinlichkeit, dass ich das Buch nie wieder in die Hand nehme, steigt enorm.
Das ist mir schlichtweg zu einfallsreich :P


Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Coppelia am 26. März 2013, 15:51:04
Ich mag direkte Rede als Einstieg. Was soll daran verkehrt sein? Man wird gleich mitten in die Handlung gebracht und hörte eine der Figuren sprechen. Das einzige, was daran irritierend sein könnte, ist, dass man sich als Leser noch kein Bild von der Figur und der Szene machen kann - aber das Problem lässt sich ja schnell beheben.

Vielleicht ist deine direkte Rede nicht interessant genug, wenn du nicht so überzeugt davon bist? Ein Konflikt sollte sich meiner Meinung nach schon andeuten, oder es sollte von etwas Spannendem gesprochen werden.

(:rofl: Der Einstiegspost dieses Threads! Oh Mann, die gute alte Zeit!)
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Debbie am 26. März 2013, 19:04:49
Ich würde wörtliche Rede jetzt nicht als Einstiegssatz verwenden - aber das ist subjektiv, und das es ein No-Go ist, habe ich jetzt noch nicht gehört ... Glaube ich  :hmmm:

Was mich daran einfach stört, ist das fehlende Bild, dass eben aus wörtlicher Rede nicht direkt entstehen kann - das aber ungemein hilfreich ist, um die Neugier des Lesers zu wecken. Da ich noch nicht weiß wer spricht, habe ich auch im Kopf noch keine Vorstellung von der Stimme; ist sie männlich, weiblich, jung, alt? Der Klang bleibt also leer. Oder wenn ich mir dazu eine Stimme denke, und dann erkenne ich bin völlig falsch gelegen, finde ich es irritierend.

Auch störend finde ich, wenn danach erstmal seitenlang (kleine Übertreibung  ;D) narrativer Text kommt und überhaupt kein Dialog mehr. Aber wenn du, wie Coppelia schon angemerkt hat, die Infos zu Wer, Wo, Was direkt im nächsten Satz nachholst, und den Abstand zum nächsten Dialog nicht zu lang werden lässt, kann ich mir nicht vorstellen, warum es nicht funktionieren sollte.
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Alana am 26. März 2013, 19:53:50
Hallo,

danke für eure Meinung.

@Merwyn: Du kennst den Text ja und du hast zumindest nichts angemerkt. ;D Natürlich soll der Satz Aufmerksamkeit auf sich ziehen, aber das soll ja jeder erste Satz. Aber das, was du da ansprichst, genau davor hab ich auch ein bisschen Angst, dass man denkt, dass es irgendwie sinnlose Effekthascherei ist. Hm.

@Coppelia: Ja, das mag sein. Es geht darum, dass meine Protagonistin jemandem etwas hinterherträgt. Sie ruft ihm nach, dass er warten soll. Danach kommt dann eine mini-kurze Umgebungsbeschreibung, damit man weiß, wo man ist, und dann geht der Dialog weiter.

@Debbie: Hm, kein schlechter Einwand. Also vielleicht doch ein- oder zwei Sätze davor, wo ich sie irgendetwas denken lasse? (Ich-Erzähler) Natürlich muss das dann auch was Interessantes sein. Hm. Ich will das aber halt auch nicht mit Gewalt machen, nur damit ich keine wörtliche Rede als Einstieg habe.
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Mogylein am 26. März 2013, 20:33:48
Ich muss aus meiner persönlichen Leser-Sicht sagen, dass es für mich definitiv ein No-Go ist. Der Einstieg durch wörtliche Rede ist etwas, das ich bei vielen jugendlichen Schreibern ohne Erfahrung sehe, weil sie keine Ahnung haben, wie sie sonst direkt in medias res anfangen sollen. Wenn ich es sehe, stößt es mir sauer auf, aber nicht, weil es partout eine schlechte Idee ist - sondern weil ich einfach zu viele (schlechte) Texte auf diese Art habe anfangen sehen. Das ist für mich etwa vergleichbar mit der Wetterbeschreibung, die vor Allem in den 90er Jahren sehr gerne als Romananfang verwendet wurde. Prinzipiell ist dagegen nichts einzuwenden, aber wenn es immer wieder und vorwiegend von schlechten Texten genutzt wird, wirkt das Mittel billig und führt einen schalen Beigeschmack mit sich.
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Debbie am 26. März 2013, 20:45:37
@Alana: Probier es doch einfach mal mit den ein oder zwei Sätzen - gib den Namen der Person an die sprechen wird, vielleicht was sie denkt, vielleicht kannst du noch ein Umgebungsdetail miteinbeziehen, oder etwas von ihrer Erscheinungsform, oder etwas von der Zeit in der sie sich befindet, etc. etc.. Und dann sieh mal (und frag vielleicht deine Betas) was dir besser gefällt  :)
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Alana am 26. März 2013, 20:49:20
@Debbie: Das geht nicht, es ist ja eine Ich-Erzählerin. Aber ja, ich werd es wohl versuchen, was ich hier lese, bestätigt eigentlich nur mein ungutes Gefühl dabei. Danke euch!
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Debbie am 26. März 2013, 21:09:05
Zitat von: Alana am 26. März 2013, 20:49:20
@Debbie: Das geht nicht, es ist ja eine Ich-Erzählerin.

???

Sie kann sich doch darüber aufregen, dass sie die falschen Schuhe/den falschen Mantel für die Situation/das Wetter gewählt hat - oder sie kann sich über die vielen Autos, Kutschen, Schafe, etc. aufregen, die sie daran hindern, der anderen Person nachzulaufen. Oder über ihr Gewicht, dass sie langsamer macht als die andere Person. Die Turmuhr könnte schlagen und sie zur Eile antreiben, usw. und so fort ...
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Alana am 26. März 2013, 21:09:55
Aber sie kann ja nicht ihren eigenen Namen denken. Oder meintest du den Namen der anderen Person? Spielt aber eigentlich keine Rolle, ich denke mal drüber nach. Danke dir. :)
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Debbie am 26. März 2013, 21:11:26
Ja, auch das könnte man machen. Aber anhand dieser oder ähnlicher Beschreibungen kann man ja schon klar machen, dass es eine SIE ist, wo sie sich befindet, vielleicht wie alt sie ist, etc.  ;)
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Merwyn am 26. März 2013, 21:29:44
Zitat von: Alana am 26. März 2013, 19:53:50
@Merwyn: Du kennst den Text ja und du hast zumindest nichts angemerkt. ;D Natürlich soll der Satz Aufmerksamkeit auf sich ziehen, aber das soll ja jeder erste Satz. Aber das, was du da ansprichst, genau davor hab ich auch ein bisschen Angst, dass man denkt, dass es irgendwie sinnlose Effekthascherei ist. Hm.

Ach darum gehts. Ich dachte jetzt an ein anderes Projekt ;) Aber ja, da hat es mich nicht gestört.
Klar muss gerade der erste Satz von den Socken reißen, aber halt nicht so, dass man merkt, dass der Autor es auf Teufel komm raus drauf angelegt hat.
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Churke am 26. März 2013, 21:51:47
Zitat von: Mogylein am 26. März 2013, 20:33:48
Wenn ich es sehe, stößt es mir sauer auf, aber nicht, weil es partout eine schlechte Idee ist - sondern weil ich einfach zu viele (schlechte) Texte auf diese Art habe anfangen sehen.

Ich denke, da muss man schon ein bisschen selbstbewusster ran gehen. Der eigentliche Zweck einer wörtlichen Rede als Einführungssatz ist die Einleitung in eine gegebene Situation. Und es gibt Situationen, da passt es. Eines meiner Military-Projekte fängt an mit: "Freiwillige vortreten!" Einfach perfekt. Andere Texte fangen anders an. Der Punkt ist, dass man erst die Situation braucht und sich dann überlegt, wie man in die Sache einsteigt.
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Alana am 26. März 2013, 22:03:03
Churke, da hast du sicher recht, und dein Beispiel klingt auch gut, aber in meinem Fall ist es mir zu nah an genau dem, was Merwyn beschrieben hat. Und wenn es eben so ist, dass Wörtliche Rede zu beginn bei vielen Leuten schon ein "Och neee" auslöst, dann muss das schon wirklich super passen, damit man es trotzdem macht. Und so gut passt es eben nicht, finde ich. bzw. so wichtig ist es auch nicht, dass da wörtliche Rede ist.
Ich werd mal versuchen, einen anderen Einstieg zu finden, der mir natürlicher vorkommt, (ja, ich glaube das ist es, da liegt mein Problem, es kommt mir selbst gestellt vor) und dann mal die Betas fragen.


Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Romy am 26. März 2013, 22:50:08
Also ich starte gerne mit Dialog. Nicht immer logischerweise, denn natürlich muss es stimmig sein und das ist es nicht immer.
Ich bin mir auch ziemlich sicher, dass ich sowas schon in veröffentlichten Romanen gelesen habe, und auch wenn mir gerade kein Beispiel einfällt bin ich überzeugt, dass die nicht alle schlecht waren und von Anfängern geschrieben wurden. ;) Von daher würde ich nun wirklich nicht sagen, dass es ein totales No-Go ist mit einem Dialog anzufangen. Allein die Frage kommt mir komisch vor, darauf wäre ich nie gekommen. ;)
Ein Anfang muss halt zur Einstiegsszene und zum Roman passen, wie auch immer er dann letztlich aussieht.
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Verwirrter Geist am 26. März 2013, 22:52:40
Zitat von: Alana am 26. März 2013, 22:03:03
Churke, da hast du sicher recht, und dein Beispiel klingt auch gut, aber in meinem Fall ist es mir zu nah an genau dem, was Merwyn beschrieben hat. Und wenn es eben so ist, dass Wörtliche Rede zu beginn bei vielen Leuten schon ein "Och neee" auslöst, dann muss das schon wirklich super passen, damit man es trotzdem macht.

Imho ist das die falsche Logik. Das würde ja im Umkehrschluss bedeuten, dass eine andere Art von Anfang dann ruhig qualititativ schlechter sein dürfte, solange er die gängigen Klischees auslässt.
Es geht nur darum, dass bestimmte Anfangsvarianten nicht zum blossen Selbstzweck verkommen sollten. Wenn ein Roman in einer sehr kalten Gegend spielt, ist es völlig legitim mit dem Wetter anzufangen. Wenn es aber in einen Roman einleitet, in dem das Wetter keine weitere Rolle einnehmen wird und damit nur über ein Mango an Atmossphäre hinweggetäuscht wird, ist es Mist.
Genauso bei direkter Rede. Das Wichtigste bei einem ersten Satz ist, für mich, die Plausibilität. Wenn ich das Gefühl habe, das passt mit dem Rest der ersten Seite zusammen, ist es prima. Wenn das aber ein reiner eyecatcher ist, lege ich es weg.
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Nycra am 27. März 2013, 09:30:17
Also ich weiß jetzt nicht mehr genau, wann und woher ich das gelernt habe, aber ich höre immer eine leise Stimme in meinem Unterbewusstsein, die mir sagt: Romane werden niemals mit wörtlicher Rede begonnen, bei Kurzgeschichten ist das egal. An diese Regel halte ich mich und soweit ich mich erinnere, hat auch kein einziger der Romane, die ich bisher gelesen habe, mit wörtlicher Rede begonnen. Ich könnte mir vorstellen, dass diese Regel tatsächlich existiert und das Verlage bzw. Agenten darauf sicher ein Auge haben. Genau wissen kann ich das natürlich nicht.
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Alana am 27. März 2013, 09:46:50
@Nycra: Genau diese Stimme höre ich eben auch. Aber es kommt wohl wirklich dazu, dass der Anfang mir unnatürlich vorkommt. Ich werd mal versuchen, ihn zu ändern.
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Antonia Assmann am 27. März 2013, 09:57:05
Mein aktueller Roman beginnt mit einem Dialog und liegt gerade bei ein paar Agenturen zur Begutachtung. Also wenn ich das vorher gelesen hätte, hätte ich den Anfang wohl ein wenig abgewandelt. Allerdings gefällt er mir, so, wie er ist immer noch sehr gut. Aber jetzt bin ich natürlich gerade am...  :versteck:
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Berjosa am 27. März 2013, 13:22:32
Ich überlege schon die ganze Zeit an Beispielen herum, weil ich sicher bin, dass ich solche Anfänge schon gelesen habe. Und siehe da, es gibt ziemlich langlebige Helden, die ihre Abenteuer mit wörtlicher Rede beginnen:

Zitat"Und ist es wirklich wahr, Sihdi, daß du ein Giaur bleiben willst, ein Ungläubiger, welcher verächtlicher ist als ein Hund, widerlicher als eine Ratte, die nur Verfaultes frißt?"
(Karl May, Durch die Wüste)

Der wirft auch noch mit komischen Wörtern um sich und verrät seinen Namen nicht. Dabei ist das der Beginn einer Serie und der allererste Auftritt der Figur.


Zitat"Jetzt haben wir den Salat!" sagte Lord Peter Wimsey.
(D. L. Sayers, Der Glocken Schlag; Ü: Otto Bayer)

Der hatte da schon ein, zwei Auftritte als Meisterdetekiv hinter sich, und strenggenommen steht darüber noch das übliche Zitat am Kapitelanfang, hier aus einer Abhandlung "On Change-Ringing".

Es geht also. Falls es eine Regel dagegen gibt, ist sie schon erfolgreich gebrochen worden.
In Alanas speziellem Fall könnte ich mir vorstellen, dass die wörtliche Rede ziemlich gut in die Situation am Anfang des Buches passt.
Und für Antonias Manuskript würde ich das mal als gutes Omen werten, wenn es ähnlich anfängt wie zwei Longseller.
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Joel am 27. März 2013, 13:35:50
Zwei weitere Beispiele für Romane, die mit direkter Rede anfangen:
Der erste Band vom "Lied von Eis und Feuer" von George R.R. Martin.
Oder ein Beispiel aus dem deutschen Sprachraum: "Das Lächeln der Fortuna" von Rebecca Gablé.

Wenn ich jetzt in meinem Bücherregal weitersuchen würde, würde ich bestimmt auch noch auf etliche andere Romananfänge mit direkter Rede stoßen. Also ein absolutes No-Go ist es mit Sicherheit nicht, auch wenn ich es selbst vermutlich nicht machen würde, was aber bei meinen Projekten bisher auch immer daran gelegen hat, dass es einfach nicht gepasst hätte.

@ Alana: Wenn du das Gefühl hast, dass es für den Anfang passt, dann würde ich es stehen lassen und nicht versuchen, jetzt irgendeinen anderen Einstieg zu finden, von dem du vielleicht weniger überzeugt bist.
Was du natürlich auch versuchen könntest, sind verschiedene Anfänge für deinen Roman zu schreiben und dann am Ende zu schauen, welcher von ihnen sich für dich am "richtigsten" anfühlt.

Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Snöblumma am 27. März 2013, 17:41:49
Nun, da wir Beispiele in jede Richtung haben, scheint ja wirklich beides zu funktionieren. Ich habe mir darüber ehrlich gesagt bis gestern noch keine Gedanken gemacht, weil ich die Anfänge meistens so schreibe, wie sie sich in meinem Kopfkino präsentieren.

Alana, wenn du selbst ein ungutes Gefühl hast, dann schau doch noch einmal genau, woran es liegt. Ich persönlich mag es ja, wenn die Kamera erst ein wenig Umgebung einfängt, ein paar Gerüche vielleicht, die generelle Stimmung (aber bitte nicht "It was a dark and windy night, when..." ;) ), ein paar flüchtige Impressionen, damit man sich zurechtfindet. Was empfindet deine Prota gerade? Riecht sie etwas besonderes? Sieht sie etwas ungewöhnliches? Ist alles genau wie immer? Auf welchem Bodenbelag läuft sie? Ist es kalt oder eher warm? Scheint die Sonne? Draußen? Drinnen? Nur ein paar dieser Impressionen, und dann noch eine kurze Wertung aus Sicht deiner Prota ("Leider konnte sie die Sonne nicht genießen.  "Direkte Rede"), und das könnte dein ungutes Gefühl vielleicht entschärfen?
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Romy am 30. März 2013, 02:23:21
Zitat von: Joel am 27. März 2013, 13:35:50
Oder ein Beispiel aus dem deutschen Sprachraum: "Das Lächeln der Fortuna" von Rebecca Gablé.
Ah, gut das Du das Beispiel erwähnst. :D Ich hatte nämlich auch diffus an Rebecca Gablé gedacht, war bei meinem letztem Posting nur nicht in der Nähe des (Großteils) meiner Büchersammlung, um das zu überprüfen. Aber gerade eben habe ich nachgeblättert und alle Bücher, die ich von Rebecca Gablé besitze, beginnen mit Dialog. Also außer "Lächeln der Fortuna" wären das noch:

"Die Hüter der Rose"
"Die Siedler von Catan"
"Der König der Purpurnen Stadt" und
"Das Zweite Königreich"
Vielleicht kann noch mal jemand ihre übrigen Romane überprüfen, die ich nicht besitze. Würde mich mal interessieren, ob sie das vielleicht immer macht.

Und als ich dann zum erstbesten nächsten Buch in meinem Regal gegriffen habe, fand ich bei "Die Schattenmatrix" von Marion Zimmer Bradley ebenfalls gleich im ersten Satz Dialog.
Das nächste Buch, das ich von einem anderen Regalbrett wahllos gegriffen habe, war ein DSA Roman: "Aus dunkler Tiefe" von Barbara Büchner, beginnt ebenfalls mit Dialog. Ebenso wie ein weiterer DSA-Roman: "Das magische Erbe" von Christel Scheja.

Ich bin jetzt zu müde, meine gesamte Büchersammlung zu überprüfen, aber ehrlich: Wenn es da eine Regel geben sollte, im ersten Satz keinen Dialog zu verwenden, dann wurde die schon ziemlich häufig gebrochen. Von daher denke ich echt nicht, dass man da auf Teufel komm raus anders formulieren muss, wenn wörtliche Rede nun einmal gut passt. ;)


EDIT: Noch eins gefunden, das mit Dialog beginnt: "Das Vermächtlich der Anne Boleyn" von Robin Maxwell. Okay, Königin Elisabeth spricht. Die kennt man als an Historienromanen interessierter Mensch ja vermutlich. ;D Aber trotzdem. ;)
Jetzt hör ich aber wirklich auf zu suchen. Es ist spät und ich denke die vielen Beispiele sprechen für sich.

EDIT 2: Okay noch ein Letztes, dann ist aber wirklich Schluss: "Elfenwinter" von Bernhard Hennen und es beginnt auch noch mit einem klassischem "Köder-Satz".
Zitat"Sie werden versuchen, die Königin zu töten."
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Coppelia am 30. März 2013, 07:35:52
Was ich hier schreibe, ist auf niemanden hier bezogen, nur etwas, was mir bei Schreibratgebern und Schreibtipps schon länger auffällt und mich manchmal stört. Was einem eine Orientierung geben soll, wird oft zu einer Einschränkung der Möglichkeiten. Das ist häufig gar nicht die Schuld des Schreibratgebers selbst, sondern mehr der Effekt, der sich einstellt, wenn Dinge über mehrere Instanzen vermittelt werden (jemand erzählt jemanden, was jemand ihm erzählt hat, was er in einem Schreibratgeber gelesen hat). Dann entstehen durch die unvermeidliche Vereinfachung oder Zusammenfassung merkwürdige Regeln wie "nie das Passiv verwenden", "nie Adjektive verwenden", "nie den Roman mit direkter Rede beginnen" , "nie die Perspektive in einer Szene wechseln" usw. Wie gesagt, das lässt sich kaum vermeiden, und der Ursprung der Regel hat oft auch Sinn. Aber durch die Verabsolutierung werden manchmal Einschränkungen daraus.

Natürlich ist es klar, dass man sich, wenn man sich unsicher ist, wie man etwas anfangen soll, an Leuten orientiert, die offenbar mehr von dem verstehen als man selbst - vielleicht Sol Stein oder irgendeinen Bestsellerautor. Aber ich finde, man sollte sich selbst auch nicht zu sehr unterschätzen und durchaus darauf vertrauen, dass man entscheiden kann, was für eine Geschichte, zumal die eigene, richtig ist. 

Ich habe mir gerade den Anfang zu Plaschkas "Das Licht hinter den Wolken" durchgelesen. Ich finde den Text sehr schön. Aber unabhängig davon, wie ich ihn finde - er enthält immerzu Perspektivenwechsel von "personal" zu "allwissend". Ein No-Go nach den meisten Schreibratgebern. Trotzdem wurde das Buch verkauft und erscheint in einem großen Verlag. :)
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Joel am 30. März 2013, 09:47:13
Der Vollständigkeit halber: Rebecca Gablés "Das Spiel der Könige" - auch ein Einstieg mit direkter Rede. Scheint also tatsächlich eine Art "Markenzeichen" von ihr zu sein, wenn man genau hinschaut.

Ok, und nur ganz kurz, sonst führt das vermutlich zu weit vom eigentlichen Thema weg:
ZitatWas ich hier schreibe, ist auf niemanden hier bezogen, nur etwas, was mir bei Schreibratgebern und Schreibtipps schon länger auffällt und mich manchmal stört. Was einem eine Orientierung geben soll, wird oft zu einer Einschränkung der Möglichkeiten.
Das setzt natürlich voraus, dass man die Möglichkeiten auch kennt. Vor allem für einen Anfänger kann es aber vielleicht beruhigend sein, eine Art roten Faden zu haben, an dem er sich quasi entlanghangeln kann. Je mehr man sich dann mit der Materie auskennt, umso "freier" kann man sich natürlich auch mit diesen sogenannten Regeln aussetzen.

Zitat"nie Adjektive verwenden"
Ja, das ist eine von diesen Regeln. Ich verwende Adjektive sehr gerne, habe sie trotzdem sparsam und wohlüberlegt eingesetzt - und im Lektorat wurden sie mir dann doch fast alle rausgestrichen  ;)
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Alana am 30. März 2013, 16:35:38
@Coppelia: Was Schreibratgeber angeht, sehe ich das genauso wie du. Alles sind ja mehr oder weniger Stilmittel, die man gut oder schlecht einsetzen kann. Deswegen ärgern mich pauschale Schreibtipps auch irgendwie immer und ich frage dann lieber hier, wenn ich mir bei etwas nicht sicher bin, und dann überlege ich, was ich mache.
Schreibratgeber sind für mich eher eine Art Inspirationsquelle, die mir zeigen, was man machen kann und wie.


Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Churke am 30. März 2013, 17:46:54
Zitat von: Coppelia am 30. März 2013, 07:35:52
"nie Adjektive verwenden"

Anfang von "Die Excalibur-Alternative", David Weber:
"Ein dämonischer Wind begrüßte das bleiche Tageslicht mit höllischem Wutgeheul."

Anfang von "Ehre unter Feinden", David Weber:
"Skipper, wir haben ein Problem."

Anfang von "Miles Vorkosigan", Lois McMaster Bujold:
"Ich bin zur Raumflotte abkommandiert!"

Anfang von "Borders of Infitity", Lois McMaster Bujold:
"Sie haben Besuch, Leutnant Vorkosigan."

Anfang von "Carnelians", Catherine Asaro:
"I'm already the most hated man in the universe", Jaibriol said. "Tell me something new."


Die machen das nicht immer so, aber manchmal halt schon.  :engel:



Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Robin am 30. März 2013, 17:50:39
Ich denke überhaupt, dass man das nicht für alle Geschichten über einen Kamm bürsten kann. (Verzeiht diese ach so schreckliche Metapher. ;) )

Bei manchen Geschichten ist halt ein nüchterner Ton angebrachter, bei anderen muss man mehr verzieren. Manche vertragen es eher, wenn man weniger ins Detail geht, andere brauchen diese Details unbedingt, damit sie sich gänzlich erschließen. Schlussendlich ist Schreiben lernen ein ständiges Try & Error, und der Anfang wird immer am schwersten sein. Jedenfalls meinem Gefühl nach. :)
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Churke am 31. März 2013, 17:52:08
Da mir das keine Ruhe gelassen hat, habe ich mal ein bisschen im Bücherregal gestöbert.

"Nein, Hauptmann. Ich denke nicht daran, Ihnen Platz zu machen!"
Jules Verne: Reise durch das Sonnensystem

"Carmen hält keine zwei Tage mehr aus."
Jack London: Der Sohn des Wolfs

"But you are going to marry him, Margaret?"
Edgar Wallace: The Gunner

"Eh bien, mon prince, Gênes et Lucques ne sont plus des apanages, als Erbgüter, de la famille Buonaparte."
Leon Tolstoi: Krieg und Frieden

"Also sie ham uns den Ferdinand erschlagen", sagte die Bedienerin zu Herrn Schwejk, der vor Jahren den Militärdienst quittiert hatte, nachdem er von der militärärztlichen Kommission endgültig für blöd erklärt worden war, und der sich nun durch den Verkauf von Hunden, häßlichen, schlechtrassigen Schäuslälern, ernährte, deren Stammbäume er fälschte.
Jaroslav Hasek: Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk

"In sternloser, düsterer Nacht wanderte ein Mann auf der ebenen Landstraße dahin, die, in einer Länge von zehn Kilometern die Rübenfelder schnurgerade durchschneidend, Marchiennes mit Montsou verbindet."
Emile Zola: Germinal


Solche Tipps aus Schreibratgebern sollte man nicht allzu ernst nehmen...
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Debbie am 31. März 2013, 18:48:11
Vielleicht lest ihr einfach nur die falschen Ratgeber ... Nur ein Scherz!  ;)

Zitat"nie den Roman mit direkter Rede beginnen"

Hab ich noch nirgendwo gelesen (und ich habe schone einige von den Dingern verschlungen) - wo steht das denn??


Zitat"nie Adjektive verwenden"

Kenne ich auch nicht.  :hmhm?:  Ich kenne "so wenig Adverbien wie möglich verwenden", was für mich auch Sinn macht - außer da, wo sie konkret als Stilmittel eingesezt werden. Ich kenne auch "Mit Adjektiven sparsam umgehen" - es ist nämlich tatsächlich schöner (und liest sich besser), starke Verben (oder auch starke Substantive zu benutzen), als etwas, dass man in einem Wort auf den Punkt bringen kann, mit einem schwachen Verb/Substantiv zu benennen und es dafür noch mit ein bis zwei (oder vielleicht sogar noch mehr) Adjektiven/Adverbien zu "konkretisieren" ... Auch kenne ich den Vorschlag, lieber außergewöhnliche Adjektive und Adverbien zu verwenden. Und auch diesen Vorschlag finde ich aus stilistischer Sicht sehr hilfreich und wirkungsvoll.
Das jemand, der Ahnung hat und vom Fach ist, raten würde auf Adverbien und Adjektive zu verzichten, kann ich mir garnicht vorstellen. Das wäre stilistisch praktisch unmöglich, und würde den Text sehr unnatürlich und unrund wirken lassen.


ZitatDas ist häufig gar nicht die Schuld des Schreibratgebers selbst, sondern mehr der Effekt, der sich einstellt, wenn Dinge über mehrere Instanzen vermittelt werden (jemand erzählt jemanden, was jemand ihm erzählt hat, was er in einem Schreibratgeber gelesen hat) ... Aber durch die Verabsolutierung werden manchmal Einschränkungen daraus.

Genau das ist meiner Meinung nach das wirkliche Problem - nicht die Schreibratgeber sind schlecht, nur die Art der individuellen Wahrnehmung und Reflexion (sofern überhaupt vorhanden  :snicker:). Das ist wie mit Gerüchten, wo bei einem Autounfall aus vier Verletzten, vier Schwerverletzte und dann vier Tote werden. Differenzierung und Detailtreue gehen den meisten Leuten heutzutage einfach abhanden.  ::)


Edit:
ZitatSchreibratgeber sind für mich eher eine Art Inspirationsquelle, die mir zeigen, was man machen kann und wie.
Das würde ich so unterschreiben!  ;D Und vielleicht noch ein "... und auf was man achten sollte, wenn man für ein breites Publikum schreiben möchte und eine Veröffentlichung in einem großen Publikumsverlag anstrebt" hinzufügen.
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Graukranz am 28. September 2021, 13:05:49
Ich glaube, Anfänge, und vor allem der erste Satz, werden tendenziell überschätzt.
Wenn ich mir überlege, wie Leser im Buchladen vorgehen, lesen sie ja meist erst den Klappentext. Der weckt die Neugier auf die Geschichte. Dann lesen sie den Anfang, um zu sehen, ob ihnen der Stil gefällt. Das merkt man recht schnell, meistens schon nach dem ersten Absatz, maximal nach der ersten Seite, dann wird der Kaufentscheid getroffen.
Natürlich sollte der Anfang neugierig machen, aber ich glaube, das Wichtigste ist, dass er zur Geschichte passt, wie hier auch schon gesagt wurde. Dazu muss er nicht besonders spannend oder knackig sein.

Nehmen wir den ersten Satz von Harry Potter:
"Mr. und Mrs. Dursley im Ligusterweg Nummer 4 waren stolz darauf, ganz und gar normal zu sein, sehr stolz sogar."

Dieser Satz sagt einem gleich, dass am Rest der Geschichte ganz bestimmt überhaupt nichts normal sein wird.
Danach erfahren wir ziemlich viel über die Dursleys, obwohl diese ja gar nicht Hauptfiguren der Geschichte sind. Wir verfolgen Mr. Dursley zur Arbeit, erfahren, was er denkt und über welche unwichtigen Dinge er sich aufregt, und man fragt sich, warum wir den Tag aus Sicht dieser anscheinend ziemlich unsympathischen Figur erleben.
Natürlich schwebt auch immer ein Geheimnis über dem Ganzen, etwas über die Potters, aber ich glaube trotzdem, die wenigsten Autoren hätten diesen Anfang gewählt (vor allem auch, wenn man die Zielgruppe bedenkt). Vielleicht hätten sie gezeigt, wie Hagrid Harry aus der Ruine rettet. Oder wie Dumbledore von Voldemorts Verschwinden erfährt. Oder sie hätten gleich mit dem zweiten Kapitel angefangen. Jedenfalls etwas, wo ein bisschen mehr passiert und wo Harry auch tatsächlich vorkommt. Das erste Kapitel fällt ja auch deswegen aus dem Rahmen, weil der Rest des Buches aus Sicht Harrys geschrieben ist. Harry selbst wird sogar erst auf der zweiten Seite erwähnt, und auch da nicht namentlich. Über die Hauptfigur erfährt man am Anfang eigentlich überhaupt nichts (ausser, dass die Dursleys nichts mit ihm zu tun haben wollen).

Bartimäus von Jonathan Stroud beginnt mit einer ziemlich langen Beschreibung. Das Buch habe ich zum ersten Mal mit 14 oder so gelesen, und damals haben mir solche Anfänge überhaupt nicht gefallen. Erst am Ende der ersten Seite kommt der Zwist, aber im Buchladen muss man ja erst mal so weit lesen.
Im Nachhinein passt der Anfang total, weil der Protagonist eben gerne quasselt, aber das merkt man erst, wenn man ein paar Seiten gelesen hat.

Children of Blood and Bone, Tomi Adeyemi: beginnt mit einer Prüfung. Für eine Fantasy-Geschichte ist das ja wirklich überhaupt nichts Originelles, und der Anfang hätte mich auch eher gelangweilt, wenn nicht diese eine Info über das schneeweisse Haar gewesen wäre. Damit hatte mich die Autorin am Haken. Warum hat sie schneeweisses Haar?

Die Seltsamen von Stefan Bachmann: die ersten paar Sätze finde ich nichts Besonderes, aber der Satz, der mich dann nicht mehr loslässt, ist: "Die meisten jedoch spannten ihre Regenschirme auf und widmeten sich weiter ihrem Tagewerk."
Der kommt aber erst im dritten Absatz.

Schlussendlich geht alles, wenn es passt und gut gemacht ist.
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Archibald am 29. September 2021, 14:02:06
Zitat von: Graukranz am 28. September 2021, 13:05:49
Ich glaube, Anfänge, und vor allem der erste Satz, werden tendenziell überschätzt.
Wenn ich mir überlege, wie Leser im Buchladen vorgehen, lesen sie ja meist erst den Klappentext. Der weckt die Neugier auf die Geschichte. Dann lesen sie den Anfang, um zu sehen, ob ihnen der Stil gefällt. Das merkt man recht schnell, meistens schon nach dem ersten Absatz, maximal nach der ersten Seite, dann wird der Kaufentscheid getroffen.
Natürlich sollte der Anfang neugierig machen, aber ich glaube, das Wichtigste ist, dass er zur Geschichte passt, wie hier auch schon gesagt wurde. Dazu muss er nicht besonders spannend oder knackig sein.

Die Entscheidung fällt noch früher. Ich suche mir in der Buchhandlung zuerst die Abteilung, die mich am meisten interessiert, dann schaue ich bei den Neuerscheinungen.

Bei mir bereits bekannten Namen zuckt meine Hand schneller, als bei Unbekannte – und dann folgt der Klappentext. Interessiert mich das Thema, lese ich rein.

Wenn ich z.B. entdecke, dass ich ein Ich-Erzählung im Präsens vorliegen habe, lege ich das Buch (mittlerweile) sofort wieder weg, da ich eine regelrechte Aversion gegen diese Perspektive und Zeitform entwickelt habe – dass rettet dann auch keine vielversprechende Story mehr.

Ich denke, dass ein gut geschriebener Klappentext mehr Auswirkungen auf die Kaufentscheidung hat als der schönste Anfang. 

Zitat von: Graukranz am 28. September 2021, 13:05:49

Nehmen wir den ersten Satz von Harry Potter:
"Mr. und Mrs. Dursley im Ligusterweg Nummer 4 waren stolz darauf, ganz und gar normal zu sein, sehr stolz sogar."

Dieser Satz sagt einem gleich, dass am Rest der Geschichte ganz bestimmt überhaupt nichts normal sein wird.
Danach erfahren wir ziemlich viel über die Dursleys, obwohl diese ja gar nicht Hauptfiguren der Geschichte sind. Wir verfolgen Mr. Dursley zur Arbeit, erfahren, was er denkt und über welche unwichtigen Dinge er sich aufregt, und man fragt sich, warum wir den Tag aus Sicht dieser anscheinend ziemlich unsympathischen Figur erleben.
Natürlich schwebt auch immer ein Geheimnis über dem Ganzen, etwas über die Potters, aber ich glaube trotzdem, die wenigsten Autoren hätten diesen Anfang gewählt (vor allem auch, wenn man die Zielgruppe bedenkt). Vielleicht hätten sie gezeigt, wie Hagrid Harry aus der Ruine rettet. Oder wie Dumbledore von Voldemorts Verschwinden erfährt. Oder sie hätten gleich mit dem zweiten Kapitel angefangen. Jedenfalls etwas, wo ein bisschen mehr passiert und wo Harry auch tatsächlich vorkommt. Das erste Kapitel fällt ja auch deswegen aus dem Rahmen, weil der Rest des Buches aus Sicht Harrys geschrieben ist. Harry selbst wird sogar erst auf der zweiten Seite erwähnt, und auch da nicht namentlich. Über die Hauptfigur erfährt man am Anfang eigentlich überhaupt nichts (ausser, dass die Dursleys nichts mit ihm zu tun haben wollen).

Hier passieren noch andere merkwürdige Dinge, die wir aus der Perspektive von Vernon Dursley sehen. So sieht er zum Beispiel eine Katze, die eine Straßenkarte studiert, sieht komische Gestalten in weiten Umhängen, eine alter Mann in violettem Umhang spricht mit ihm und umarmt ihn sogar ...

Im Grunde also ein ziemliches Kontrastprogramm. Die spießigen Dursleys werden aus ihrer gewohnten Trott gerissen. Die Potters und Harry werden indirekt eingeführt, gleichzeitig wird Voldemort in der Form: Du-weist-schon-wer das erste Mal erwähnt.
Rowling feuert gleich eine ganze Breitseite an Ködern ab.
Was ist mit den Potters?
Was sind das für seltsame Gestalten?
Wieso liest da ein Katze eine Straßenkarte?
Wieso verhalten sich die Eulen im ganzen Land so merkwürdig, dass sie sogar in den Fernsehnachrichten auftauchen?
Sternschnuppen?
Wer ist Du-weist-schon-wer?
Wieso ist er tot?
Warum tuscheln die Leute in seltsamen Umhängen über die Potters?
...
Durch das Aufwerfen all dieser Fragen liest man automatisch weiter.

Rowling hat das schon sehr geschickt gemacht, dass sie Vernon Dursley dafür genommen hat. Der darf sich über alles wundern und aufregen. Hagrid und Dumbledore hätten das nicht gekonnt. Allerdings hat Rowling, soweit ich weiß, den Anfang ziemlich oft neu geschrieben.
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Graukranz am 29. September 2021, 22:04:40
Zitat von: Archibald am 29. September 2021, 14:02:06

Ich denke, dass ein gut geschriebener Klappentext mehr Auswirkungen auf die Kaufentscheidung hat als der schönste Anfang. 


Da bin ich absolut bei dir.

Zitat von: Archibald am 29. September 2021, 14:02:06

Hier passieren noch andere merkwürdige Dinge, die wir aus der Perspektive von Vernon Dursley sehen. So sieht er zum Beispiel eine Katze, die eine Straßenkarte studiert, sieht komische Gestalten in weiten Umhängen, eine alter Mann in violettem Umhang spricht mit ihm und umarmt ihn sogar ...

Im Grunde also ein ziemliches Kontrastprogramm. Die spießigen Dursleys werden aus ihrer gewohnten Trott gerissen. Die Potters und Harry werden indirekt eingeführt, gleichzeitig wird Voldemort in der Form: Du-weist-schon-wer das erste Mal erwähnt.
Rowling feuert gleich eine ganze Breitseite an Ködern ab.
Was ist mit den Potters?
Was sind das für seltsame Gestalten?
Wieso liest da ein Katze eine Straßenkarte?
Wieso verhalten sich die Eulen im ganzen Land so merkwürdig, dass sie sogar in den Fernsehnachrichten auftauchen?
Sternschnuppen?
Wer ist Du-weist-schon-wer?
Wieso ist er tot?
Warum tuscheln die Leute in seltsamen Umhängen über die Potters?
...
Durch das Aufwerfen all dieser Fragen liest man automatisch weiter.


Das stimmt, es werden viele Fragen aufgeworfen, aber das ist im zweiten Kapitel ähnlich:
Warum lebt Harry in einem Schrank?
Warum hat er eine Blitznarbe?
Warum hat er keine Eltern mehr?
Warum behandeln ihn die Dursleys so schlecht?
Warum reagiert Mr. Dursley so, nur weil Harry ein fliegendes Motorrad in einem Traum erwähnt?
Warum geschehen immer merkwürdige Dinge um Harry herum?
Warum kann er mit Schlangen sprechen?
Was ist mit dem grünen Licht?
Warum erkennen ihn merkwürdige Leute?

Und wenn wir uns auf die erste Seite des ersten Kapitels beschränken, ist eben fast nichts da, was einen so richtig "packt", ausser, dass es irgendein Geheimnis über die Potters gibt, das auf keinen Fall jemand erfahren darf. Aber da die Dursleys in den vorherigen Absätzen als ziemlich spiessige Leute dargestellt wurden, die sich über alles aufregen, was aus ihrer Sicht ansatzweise nicht normal ist ("... denn mit solchem Unsinn wollten sie nichts zu tun haben."), könnte auch das ja nur eine Banalität sein.

Zitat von: Archibald am 29. September 2021, 14:02:06

Rowling hat das schon sehr geschickt gemacht, dass sie Vernon Dursley dafür genommen hat.


Einverstanden, aber wie gesagt, wie viele Autoren hätten das so gemacht (und wie viele Ratgeber empfehlen es)? Ich finde, es ist ein ziemlich mutiger Anfang. Gedacht war es ja eigentlich als Kinderbuch, dann muss man erst mal darauf kommen, die Geschichte aus der Sicht eines langweiligen, eher fiesen Erwachsenen zu erzählen. Und wenn man dann eben daran denkt, dass Leser in einem Buchladen selten mehr als eine Seite lesen, ist es umso mutiger. Sie erwarten eine Geschichte voller Abenteuer und Zauberer, und lesen dann von den Dursleys und Bohrmaschinen.

Zitat von: Archibald am 29. September 2021, 14:02:06

Der darf sich über alles wundern und aufregen. Hagrid und Dumbledore hätten das nicht gekonnt.


Sie hätten sich nicht darüber wundern können, aber der Leser schon. Wenn Rowling zum Beispiel mit der Rettung Harrys durch Hagrid begonnen hätte, hätte sie ja trotzdem die merkwürdigen Gestalten zeigen können, und all die Eulen, und Sternschnuppen. Hagrid hätte natürlich anders darauf reagiert als Mr. Dursley, aber die Fragen hätte sich der Leser trotzdem gestellt.

Meiner Meinung nach ist es ihr Schreibstil, der entscheidend ist, weniger der Inhalt.
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Nina Louise am 30. September 2021, 06:43:14
Ich erhöhe den Schwierigkeitsgrad auf etwas, was Autoren und Autorinnen nicht ganz selbst in der Hand haben:
den Titel und das Cover.

Wie viele schöne Bücher sind mir wohl schon durch die Lappen gegangen, weil das Cover so schrecklich war, dass ich es nicht mal geöffnet habe, um in irgendeine Seite reinzuschnuppern (das mache ich lieber als den Klappentext zu lesen), möchte ich gar nicht wissen.

Gerade im Fantasy-Genre sind Titel und Titelbilder häufig übelst verkitscht, dass es mich geradezu aus der Abteilung im Fachhandel/der Bibliothek heraustreibt.
Ich habe damit nicht immer recht - aber wenn keine Buchhändlerin des Vertrauens greifbar ist, die sagt "mach einfach den Schutzumschlag weg, der Inhalt ist gut", wird das nichts. Natürlich hatte ich auch schon genug Bücher in der Hand, wo mir das Cover gefallen hat, aber Klappentext und/oder Probeseite bitter enttäuschend waren. Doch die hatten es immerhin geschafft, meine Aufmerksamkeit zu erlangen.

Da machen wir uns stundenlang Gedanken über den allerersten Buchstaben auf dem Papier - doch das Erste, was ein potentieller Leser wahrnimmt, sind Verpackung und Titel.
(Ich hätte niemals Harry Potter gelesen, wenn mein Patenkind mir nicht einen vorgeschwärmt hätte. Und dann gab's irgendwann mal eine Ausgabe für Erwachsene. Sagt mir also nicht, dass das Verlags-Marketingwesen sowas nicht merkt.)
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Andersleser am 27. Oktober 2021, 20:49:03
Ich finde es ja immer spannend, wie unterschiedlich es ist, wieso man zu einem Buch greift. Oder ob man den Anfang nun wichtig findet oder nicht. Es gibt schon echt klasse Anfänge, oder welche die einfach witzig sind. In Witchghost z.B. besteht Kapitel 1 aus einem Satz mit 5 Worten. "Die Katze starrte mich an." Und das wars. Danach geht es auf der nächsten Seite bei Kapitel 2 weiter. Fand ich witzig und schräg. Es hat tatsächlich ausgereicht, dass ich weiterlesen wollte. Warum auch immer. Vermutlich weil es normalerweise nicht so gemacht wird? Es ist eben schon irgendwo ein Stilelement, oder ein "Stilbruch".

Im Buchladen achte ich nicht auf Autorennamen und das Cover ist mir auch egal. Gut, sind es meine liebsten Autoren, dann springt mir der Name schon ins Auge und ich sehe es mir dann natürlich auch an. Genau so, wenn mich zuvor AutorInnen begeistert haben und ich mir den Namen gemerkt habe, aber generell ist für mich bei einem Buch die Geschichte wichtig. Das Cover dagegen ist natürlich auf dem Tisch liegend ein Blickfang und zieht dort ausgestellt gerade dadurch an. Auch ich liebe schöne Cover und ein furchtbares kann durchaus abschreckend sein, aber wenn die Bücher im Regal stehen und ich nur den Rücken sehe, dann ist mir auch das Cover egal, weil ich beim rausziehen sofort die Rückseite lese und das Cover gar nicht beachte.

Klingt der Titel interessant, zieh ich das Buch aus dem Regal und lese den Klappentext. Ist hinten keiner drauf, dieser nicht gerade aussagekräftig oder aber ich bin mir nicht sicher, ob es mich anspricht, dann schau ich ob eine Innenklappe da ist (sofern es kein normales Taschenbuch ist). Ansonsten - oder zusätzlich - lese ich die erste Seite. Meist sagt mir aber der Klappentext schon genug. Im Laden achte ich z.B. auch nicht auf Neuerscheinungen oder Bestseller-Listen, oder was auch immer. Ich stöbere einfach. Im Online-Shopping hat das Cover aus meiner Sicht viel größere Wirkung. Aber das ist ja eh bei allen Menschen anders.

Um kurz bei Harry Potter zu bleiben:
Ich habe über die Jahre vier Anläufe gebraucht, um überhaupt bis zum Auftauchen von Hagrid zu kommen. So viel zu Anfängen.  :rofl:
Beim vierten Mal las ich dann alle Bücher hintereinander weg. Wenn der Anfang durch ist, wird es tatsächlich gut. Der erste Versuch mit 9 bis 10 Jahren, als damaliger Lesemuffel, war allerdings furchtbar. Denn ich finde den Anfang eher sehr langatmig und langweilig. Als Kind dazu noch extrem anstrengend. Umso spannender finde ich jetzt, was ihr darüber schreibt. Die Fragen tauchen ja tatsächlich auf.
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Araluen am 28. Oktober 2021, 09:25:08
Im Laden hilft mir die erste Seite auch eher selten. Wie bei @Andersleser sind mir Autor und Cover relativ egal (ich bin ein Titelkäufer), außer es ist einer meiner Lieblingsautoren und/oder das Cover entspricht einem gewissen Schubladendesign. Ich habe nichts gegen Schubladendesign - wie zum Beispiel prominent ausgestellte Helme oder Waffen für Schlachtenfantasy (Heitz, Hennen... sowas) oder Hochglanzmodels in Ballkleid, die einem über die Schulter einen schmachtenden Blick zuwerfen für romantische Fantasy. Die erleichtern an der Stelle die Schnelleinschätzung, ob es sich überhaupt lohnt (ob die Schublade zu meinen Lesegewohnheiten passt), den Klappentext zu lesen. Wenn der Klappentext in seinen Eckpunkten dann spannend wirkt und das gewisse Extra andeutet, dann lese ich rein und zwar mittendrin. Ich schlage ganz bewusst irgendeine Seite auf. Dabei möchte ich mindestens einen Dialog lesen.

Aber die Welt hat sich ja bekanntlich weiter gedreht und die meisten Buchkäufe finden wohl im Internet statt. Hier ist es bei mir nun die Kombination aus Titel und Cover, die meine Auswahl beeinflusst. Klappentexte überfliege ich noch mehr als vorher schon. Dafür muss nun die Leseprobe so richtig überzeugen, auch weil ich zwar mittlerweile das Geld hätte auch mal einen Blindflug zu starten, mir dafür aber die Zeit zu kostbar ist und das Angebot auch einfach groß genug, und die besteht in der Regel aus den ersten Seiten.

Christoph Marzi ist für mich ein Meister der ersten Seite. Er schafft es sofort mich in seinen Bann zu ziehen. Wenn ich mir die ersten Sätze seiner Bücher anschaue, werde ich immer schwach vor Neid. Oft schafft er es sogar die Quintessenz der kompletten Geschichte in den ersten Satz zu packen - was man natürlich erst am Ende so richtig begreift.
ZitatDie Welt ist gierig und manchmal verschlingt sie kleine Kinder mit Haut und Haaren. Emily Laing erfuhr dies, bevor ihre Zeit gekommen war. - Christoph Marzi, "Lycidas"
Die meisten Lügen sind wahr und spinnen sich von ganz allein, kaum jemand kannte diese Wahrheit besser als Colin Darcy. - Christoph Marzi , "Fabula"
Alle Bücher träumen von Geschichten. - Christoph Marzi, "Mitternacht"
Wir waren nicht allein im Kino. - Christoph Marze, "Der letzte Film des Abraham Tenenbaum"

@Andersleser: Witchghost hätte ich nach der Leseprobe vermutlich auch mitgenommen :), einfach weil es mal was anderes ist.

Zu Harry Potter: Als Kind fand ich den Einstieg zäh und langatmig und diese ganzen Fragen hatten mich nur am Rande interessiert. Dank Klappentext wusste ich ja bereits, dass Harry ein Zauberer ist. Ich habe nur sehnsüchtig auf den Moment gewartet, an dem Harry endlich zur Zauberschule gehen durfte. Der Zauber der Geschichte begann für mich mit dem Erhalt des Briefes. Alles davor war für mich als Kind beim Lesen nur schwer erträglich (bis auf die Szene mit der Schlange, die fand ich schon immer cool). Dass dann auch noch die die Dursleys, die nicht nur unsympathisch sondern auch noch erwachsen sind, zu Beginn Perspektive hatten, war dabei noch das Schlimmste. Hätte ich den ersten Band nicht bereits im Ferienlager mittendrin angelesen (war ein Event bei uns auf dem  Zimmer), wäre ich nicht durchs erste Kapitel gekommen.
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Graukranz am 28. Oktober 2021, 19:11:42
Zitat von: Andersleser am 27. Oktober 2021, 20:49:03
Um kurz bei Harry Potter zu bleiben:
Ich habe über die Jahre vier Anläufe gebraucht, um überhaupt bis zum Auftauchen von Hagrid zu kommen. So viel zu Anfängen.  :rofl:
Beim vierten Mal las ich dann alle Bücher hintereinander weg. Wenn der Anfang durch ist, wird es tatsächlich gut. Der erste Versuch mit 9 bis 10 Jahren, als damaliger Lesemuffel, war allerdings furchtbar. Denn ich finde den Anfang eher sehr langatmig und langweilig. Als Kind dazu noch extrem anstrengend. Umso spannender finde ich jetzt, was ihr darüber schreibt. Die Fragen tauchen ja tatsächlich auf.

Zitat von: Araluen am 28. Oktober 2021, 09:25:08
Alles davor war für mich als Kind beim Lesen nur schwer erträglich (bis auf die Szene mit der Schlange, die fand ich schon immer cool). Dass dann auch noch die die Dursleys, die nicht nur unsympathisch sondern auch noch erwachsen sind, zu Beginn Perspektive hatten, war dabei noch das Schlimmste.

Ich weiss nicht mehr, wie es bei mir war, ob ich als Kind den Anfang schwierig fand oder nicht. Wenn ich es jetzt aber wieder lese, finde ich eben genau wie ihr, dass dieser Anfang für Kinder eher langweilig ist, und dass kaum ein Kinderbuchautor so begonnen hätte.
Umso interessanter, dass die Bücher so ein Erfolg waren. Und wieder mal ein Beispiel dafür, dass man nicht allzu sehr auf Schreibratgeber hören sollte  ;)
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Frostschimmer am 29. Oktober 2021, 13:58:46
Der Einstieg in ein Buch ist auf jeden Fall etwas, auf das der Autor besonders achten muss. Bei mir war das damals beim Herrn der Ringe ein unerträgliches Prozedere, den Einstieg zu lesen, es passierte gefühlt gar nichts, aber das auf zig Seiten. Zu Schulzeiten sollte ich einmal das Buch Deutschstunde von Siegfried Lenz lesen. Es war unmöglich, spätestens auf Seite 18 war ich vor Langeweile eingeschlafen. Da ich das Buch ja für den Unterricht kennen sollte, versuchte ich es dann mit dem Hörbuch, doch auch dabei konnte ich nicht wach bleiben, zäh und unerträglich. Aber selbst bei dem noch relativ neuen Film will die entsetzliche Langeweile nicht weichen, also kenne ich den Inhalt auch heute noch bloß aus Zusammenfassungen und von Wikipedia.
Grundsätzlich gebe ich einem Buch 50 Seiten, um mich zu packen, wenn mir der Schreibstil gefällt. Wenn ein Buch aber mit ellenlangen Landschaft- oder Umgebungsbeschreibungen beginnt, lege ich es wahrscheinlich zur Seite.
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Nina Louise am 30. Oktober 2021, 08:49:20
Da stimme ich dir zu, @Frostschimmer.
Wenn es ein Buch in meine Hand geschafft hat, kriegt es auch eine faire Chance. Es gibt tatsächlich nur wenige, wo ich gestreikt habe. Mein innerer Monk kann sehr schlecht damit umgehen, nicht zu wissen, wie eine Geschichte ausgeht. "Der Zauberberg" gehört dazu. Und "Nachtzug nach Lissabon".

Der erste Absatz macht es für mich nicht aus. Selbst, wenn der "schlecht" ist, verzeihe ich ihm, wenn es danach gut wird. Oder - und das kann ja auch sein - wenn man sich aneinander gewöhnt hat. Den Rhythmus kennt und sich darauf eingestellt hat. Und dann ist er gar nicht schlecht, sondern eben nur eine Einstimmung in den Style des Buches.

Interessant ist natürlich die Zeitachse. Ich würde "Herr der Ringe" heute wahrscheinlich unerträglich finden (lassen wir die Verfilmung mal außen vor). Diese ewigen Seiten, wo sich z.B. die Helden darum streiten, wer welche Waffen mit den Thronsaal nehmen darf. Es gibt sogar eine Menge Bücher, die mir heute nicht mehr gefallen würden, würde ich sie noch einmal lesen - die Welt hat sich weitergedreht, die gesellschaftlichen und persönlichen Blickwinkel verändert.

Aber das ist ein eigenes Thema.
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: NatNat am 18. November 2021, 14:46:07
Ich finde es ja echt cool, wie stark sich wirklich unterscheidet, wonach ein Buch gekauft wird :rofl:

Ich zum Beispiel renne gezielt in die Abteilung, wo ich immer hinrenne (Fantasy und Erotik - manchmal auch Romantik, weil die Romantasys dort gerne stehen) und dann schaue ich, welcher Titel mich anspricht. Dann auf das Cover und den Klappentext. Spricht mich eines von Beiden an, schaue ich mal rein - nicht auf die erste Seite, sondern irgendwo inmitten des Buches. ;D
Wenn es das Buch nicht schafft, auf dieser wahllos aufgeschlagenen Seite innerhalb einer Seite mein Interesse zu wecken, landet es gleich wieder zurück im Regal. Wobei ich bei meinen Lieblingsautoren auch mal 2 Seiten Zeit gebe. ;D

Harry Potter wurde mir als Kind immer vorgelesen - vermutlich hätte ich den Anfang niemals durchgezogen, weil den wirklich langweilig fand.
Und Herr der Ringe ... Tolkien mag ein tolles Werk geschrieben haben ... aber ich hasse seine Art der Beschreibungen. Ich möchte nicht Seitenlang erfahren, wie eine Blume aussieht. Oder ein Haus. Oder eine Person. Deswegen ... hab ich es nie durchgezogen und weder die Filme, noch die Bücher bisher gelesen. Viel zu langatmig, finde ich. :rofl:

ZitatDer Einstieg in ein Buch ist auf jeden Fall etwas, auf das der Autor besonders achten muss

Scheint zu stimmen - mir ist der Einstieg wurscht, aber ich lese hier, dass echt viele darauf achten ... und auch Schreibratgeber sagen ja immer, man soll auf den Einstieg achten.
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Felix Fabulus am 24. November 2021, 21:10:03
Zitat von: Frostschimmer am 29. Oktober 2021, 13:58:46
Bei mir war das damals beim Herrn der Ringe ein unerträgliches Prozedere, den Einstieg zu lesen, es passierte gefühlt gar nichts, aber das auf zig Seiten.

Das ist der Klassiker unter den schwierigen Buchanfängen. HdR habe ich auch nur gelesen, weil er mir empfohlen wurde mit dem ausdrücklichen Hinweis, die ersten 100 Seiten seien todlangweilig. Ich war damals 13. Lustigerweise habe ich bis nach Bruchtal durchgehalten, dann aber das Buch noch einmal für ein Jahr beiseite gelegt. Erst danach habe ich es von A-Z durchgelesen. Zum Glück war das, bevor von einer Verfilmung die Rede war. Sonst hätte ich vielleicht gar nicht erst angefangen.

Zu Harry Potter: Ich fand Kapitel 1 genial. Für mich war das ein wichtiger Grund, dabeizubleiben. Die comichafte Überzeichnung (in diesem Falle des Spiessbürgertums) und die Ironie haben mich damals gepackt. Der Stil zieht sich ja durch alle Bände. Insofern wurde hier ein Versprechen abgegeben und gehalten.
Titel: Re: Ein knackiger Anfang - der erste Absatz, die erste Seite
Beitrag von: Wintersturm am 14. Januar 2022, 10:43:34
Ein paar haben hier ja schon angesetzt, dass der Anfang überschätzt wird. Ich möchte noch weiter gehen und sage, dass die ersten 100 Buchseiten praktisch geschenkt sind. Zugegeben, ich habe es als Leser immer so gemacht, dass ich jedes Buch, und sei der Anfang noch so schlecht, einfach durchgezogen habe, und bei etwa 2x2m Regalfläche voll mit Fantasy war genau eine Reihe dabei, wo ich hinterher sagen konnte: Ne, das war jetzt echt verschwendete Zeit und verschwendetes Geld.
Aber von der Geschichte gefesselt war ich praktisch nie am Anfang. Ebenso mit dem Kopfkino. Da war am Anfang nichts. Sowas ergibt sich eben erst mit der Zeit und wenn die Geschichte für sich es auf den ersten 100 Seiten schafft, den Leser zu packen, dann reicht das völlig aus. Am Ende kommt es einfach auf die Geschichte selbst an und ob der Autor die Geschichte ganz ordentlich in Worte fassen kann. Ich mache das so, dass ich einfach stur anfange zu schreiben, mich durch den Anfang quäle und erstmal das Buch zu Ende bringe. Oder den Teil der Reihe. Dann lese ich alles durch, fluche über mein Ungeschick am Anfang und wenn ich dann alles durchgelesen habe und genau meine Autorenstimme gerade durch den Kopf schwirrt, setze ich mit der Überarbeitung des Anfangs an. Am Ende kommt dann was bei rum, was durch die ganze Geschichte in etwa die gleiche Stimme hat und das reicht mir persönlich völlig aus.
Es dauert eben, in die Geschichte reinzukommen und in 100 Seiten sollte man es schon schaffen, die Handlung ins Rollen zu bekommen. Die erste Seite ist da so egal. Wenn die Handlung erst mal läuft und man keinen Schrott zusammenschreibt, dann passt das auch. Hätte ich jedes Buch, wo die erste Seite langweilig war, direkt dann weggelegt, hätte ich vermutlich nichts aus meinem Regal zu Ende gelesen. Das ist zumindest meine Lesersicht. Ich lege ja nicht einfach ein Buch weg, was ich bezahlt habe und was ne Weile gebraucht hat, um bei mir anzukommen. Nur weiß ich eben danach, ob der Autor was taugt und ich gerne mehr von ihm lese oder ob ich den auf die Liste setzen kann, von dem ich nichts lesen will, weil es langweilig ist.
Das einzige, wo ich es wirklich grenzwertig mit dem Anfang fand, war Herr der Ringe. Das hat sich gezogen ohne Ende und ich hab mich zu Tode gelangweilt, bis endlich mal Aragorn dazukam und etwas Schwung in die Sache kam. Witzigerweise hab ich das Silmarillion verschlungen. Aber sonst bin ich einfach mit dem Mindset an die Sache gegangen: Durch den Anfang musst du durch, aber mit der Zeit findest du dich (oder auch nicht) und dann passt das schon.