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Vergangenheit trifft Gegenwart - Grammatikalische Zeitenfrage

Begonnen von Feuertraum, 28. Dezember 2011, 15:09:23

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Feuertraum

Hallo an alle!  :winke:

Als ich vom Einkaufen zurückkam, sah ich ein Auto mit einer (in dem Moment für mich zum Grinsen bringenden) Aufschrift: Der Nachname meiner Eltern und das Wort "Hundeschule" + eine Telefonnummer.
Nun wollte ich meinen Eltern davon erzählen und sagen, dass ich ein Auto sah, auf dem ihr Name und Hundeschule..." Tja, und jetzt komme ich gerade ins Schleudern (da ich gerade bei den Zeiten ohnehin meine Schwierigkeiten habe  :(): Da das Auto dort nicht mehr steht, muss ich sagen "Ich sah ein Auto", aber muss ich jetzt sagen, "auf dem [...] stand", weil ja in der Vergangenheit begonnen wurde, was für mich aber unlogisch ist, weil die Information ja noch immer auf dem Auto zu finden ist.
Oder darf ich sagen: "Sah das Auto, auf dem [...] steht", was für mich logisch ist, aber eben in meinen Augen ein sehr krasses Zeitenhopping darstellt.
Wie ist es nun richtig?

LG und dankeschön im Voraus
Feuertraum

P.S. Bitte jetzt keine "Man kann es doch umschreiben"-Antworten.
Ein Bekannter von mir liebt Bier so sehr - ich bekam als Schutzimpfung gegen Corona Astra Zenica, er Astra Pilsener ...

HauntingWitch

#1
Hallo Feuertraum

Ich würde sagen, es ist beides korrekt. Denn der Moment, in dem es da stand, ist ja vorbei, aber effektiv steht es trotzdem immer noch da. Irgendwo in einem anderen Thread war letztens glaube ich schon einmal so eine ähnliche Diskussion...

LG Witch

Nachtrag: Das ist der Thread: Präsens oder Präteritum für Zeitloses?

Nirathina

Die Sache ist an sich ganz einfach:

Das Auto ist nicht mehr sichtbar (für den Sprecher): "Ich sah ein Auto..."; aber das Auto existiert noch und die Aufschrift ist höchstwahrscheinlich auch noch drauf, deshalb: "... auf dem (...) steht ..."

Wie Witch schon sagte, in betreffendem Thread wird es grammatikalisch genauer erläutert  ;D

Karlmann

#3
"Ich sah ein Auto, auf dem [...] stand" , ist nach meinem Erachten, die richtige Formulierung. Abgesehen davon, dass deine Aussage, das die Aufschrift noch immer auf dem Auto steht, eine reine Vermutung ist (- vielleicht war es gerade eben auf dem Weg zum Lackierer -), ist deine Erzähl- und Handlungszeit die Vergangenheit und es besteht keine Notwendigkeit diese zu verlassen.

Anders gelagert ist der Fall bei:

Barack Obama lebte 2008 in Chicago und ist der Sohn eines Kenianers.

Hier wird das Vergangene des Wohnortes betont und das Fortbestehen der Sohnschaft; aber es ist auch keine Erzählung mit einer Handlungsebene sondern ein statischer Bericht.

Ich bin jetzt nicht der Experte, der ich mit dem Geschriebenen vorgebe zu sein, und würde auch "Ich sah ein Auto, auf dem [...] steht" nicht für grammatikalisch falsch ansehen. Aber es liest sich doch 'rumplig', weil es die Erzählzeit - unnötig - durchbricht.

Wo ich gerade darüber nachdenke:

"Ich sah Barack Obama, der der Sohn eines Kenianers ist."

Hier ist natürlich der Präsenz im Nebensatz unbedingt notwendig, weil   

"Ich sah Barack Obama, der der Sohn eines Kenianers war."

bedeutete, dass B.O. tot wäre.

Ein weiterer Fall:

(1) "Ich sah Horst Köhler, der Bundespräsident ist."
(2) "Ich sah Horst Köhler, der Bundespräsident war."
und
(3) "Ich sah Horst Köhler, der damals Bundespräsident war."

Drei verschiedene Bedeutungen. Fall 3 scheint mir deinem Beispiel am nächsten zu kommen, aber

"Ich sah ein Auto, auf dem damals [...] stand"

klingt jetzt nicht gerade elegant. Also bleibe ich für diesen Fall bei: "Ich sah ein Auto, auf dem [...] stand" als gute bzw. bessere Formulierung.


Nirathina

@ Karlmann:

Dass das Auto gerade an diesem Tag zum Lackierer fährt wäre ... eigenartig.  ;) Genau in dieser Stunde könnte ja auch herauskommen, dass Obama in Wirklichkeit das uneheliche Kind eines Mannes aus Namibia ist... :innocent: Auf solche Wahrscheinlichkeiten sollte man in der Grammatik verzichten, sagte mein Deutschlehrer, weil sie für den Satz an sich meistens uninteressant sind und der Redner es nicht immer genau wissen kann.

Ich denke aber, dass die Formulierung vom aktuellen Grammatikstandard abhängt und somit beide Formulierungen möglich wären, da sich die deutsche Rechtschreibung quasi stündlich ändert  ::). Laut dem, was ich unlängst noch gelernt habe, wäre aber "sah (...) steht" die Variante, die jeder Deutschlehrer gerne sehen würde.


Thaliope

#6
@Nirathina: Es gibt schon einen Unterschied zwischen Tatsachen, die prinzipiell veränderlich sind (wie die Lackierung eines Autos) und solchen, die vom Prinzip her unveränderlich sind (wie eine Sohschaft). Wenn sich herausstellt, dass jemand ein uneheliches Kind ist, hat sich an der Sohnschaft selbst nichts geändert, nur an den Informationen, die darüber bekannt sind. Er war ja nicht bis zum Tag, an dem die wahre Vaterschaft bekannt wurde, das Kind eines anderen.

Das Präsens ist m.E. bei solchen Fällen nur angebracht, wenn betont werden soll, dass der Sachverhalt in der Jetztzeit immer noch besteht. Andernfalls sollte man die erzählte Zeit beibehalten. In der Situation, die Feuertraum nennt, erscheint es mir ebenfalls vollkommen unnötig, die Erzählzeit zu durchbrechen. Er hat in jenem bestimmten Moment gesehen, dass ein Schriftzug dort stand. Die weitere Entwicklung des Schriftzuges ist für diese Erzählung vollkommen irrlevant.
Ein anderer Punkt - der, der im anderen Thread diskutiert wird - sind unveränderliche Tatsachen, auf die man im Präsens Bezug nehmen kann bzw. sollte. Und da kann man dann wieder lange diskutieren, was zeitlose, unveränderliche Tatsachen sind und was nicht.

LG
Thali

Nirathina

ZitatEs gibt schon einen Unterschied zwischen Tatsachen, die prinzipiell veränderlich sind (wie die Lackierung eines Autos) und solchen, die vom Prinzip her unveränderlich sind (wie eine Sohschaft).

Ja, natürlich, das habe ich gar nicht bedacht.  :hmmm: Andererseits muss man dann aber auch nach Wichtigkeit der Tatsache sortieren.

Ach - wie man es macht, es ist doch eh falsch. In der Schule bringen sie einem hop bei und dann wiederum ist es doch top. Ich bin jetzt einfach mal so eigen und sage, ich mache es, wie ich es gelernt habe  ::) Grammatik lebt eben von ihrem Diskussionspotential  ;)

Feuertraum

Hallo nocheinmal!

Ein dickes Dankeschön für die Antworten. Ich blieb bei Vergangenheit/Vergangenheit.

LG
Feuertraum
Ein Bekannter von mir liebt Bier so sehr - ich bekam als Schutzimpfung gegen Corona Astra Zenica, er Astra Pilsener ...

chaosqueen

Ist zwar schon ein bisschen her, aber ich schließe mich mal eben der "Vergangenheit/Vergangenheit"-Fraktion an, denn damit macht man definitiv nichts falsch - was weiterhin mit dem Auto passiert ist, kann man nicht wissen, für den Moment, in dem man es gesehen hat, weiß man aber, was darauf stand, also ist zweimal Präteritum völlig korrekt. :)

Jade

Geschrieben würde ich Vergangenheit/Vergangenheit nehmen.
Aber es besteht ja auch immer ein Unterschied zwischen gesprochener und geschriebener Sprache. Wenn ich das jemandem erzählen würde hätte ich sicher Vergangenheit/Gegenwart gewählt.

Ui, dieser andere Thread in dem es um die Zeiten geht ist was für mich, ich hadere auch oft genug.  :D