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Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben

Begonnen von Schommes, 24. April 2011, 10:59:08

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Schommes

Zitat von: Sven am 25. April 2011, 12:46:10
Also nicht gleich betrübt sein, wenn jemand fragt, ob die Dystopie out, oder überhaupt ein Genre ist.

Gut. Ich helle meine Stimmung wieder auf. ;) :pompom:

Zitat von: Calysta am 25. April 2011, 12:26:26
IMüp. Tut mir leid, Sie haben leider den Zonk erwischt. E.T.A. Hoffmann und Mrs. Shelley benutzten nicht bewusst dystopische Elemente - und doch waren sie die Ersten, die diese Elemente gebrauchten. (Gegner von Naturwissenschaft und technologischem Fortschritt) Mr. H. G. Wells nutzte auch dystopische Elemente, ohne zu wissen, dass es Dystopie hieß. Erst John Stuart Mill prägte das Wort Dystopie - bzw. nutzte es das erste Mal. Bitte beleidige nicht das schottische Nationalgericht, darauf reagieren die Einheimischen mit Entmannung und Strangulation.
Das finde ich jetzt hochinteressant. Was genau sind denn die dystopischen Elemente bei Hoffmann und Shelley? Würdest Du das Monster bzw. die dahinterstehende Philosophie als dystopisch bezeichnen? Dann gibt es ja neben dem dystopischen Setting auch noch dystopische Charaktere. Bitte, bitte weiter ausführen.

Zitat von: Grey am 25. April 2011, 12:47:53
Das dachte ich mir, aber es wirkt nun mal ein bisschen so, wenn im Threadtitel gleich etwas von "... bitte draußen bleiben" steht und du dann etwas von "Ich wollte eigentlich auch gar nicht diskutieren, sondern hatte eher so eine Art gemeinsames Arbeiten unter Profis im Sinn" schreibst. Das kann durchaus so verstanden werden, dass hier bitte nur die Beteiligung von Dystopieprofis oder zumindest doch Dystopiebegeisterten erwünscht ist, und sowas machen wir hier nicht. :)
Das mit dem Bitte draußen bleiben war zugegeben etwas provokativ, sollte aber eben für den Thread werben. Außerdem finde ich deutsche Fantasy auch was die Foren dazu angeht wirklich etwas Tolkien-lastig.
Wenn ich hier den Begriff Profis verwende, meine ich damit alle Anwesenden. Es ist also keinesfalls als Diss gemeint.

Zitat von: Grey am 25. April 2011, 12:47:53
Um ehrlich zu sein glaube ich, dass das an der Art deines ersten Beitrags lag, der a) schon diesen leicht missverständlichen Titel hat und b) du nun mal seit ewigen Zeiten hier bist ohne einen einzigen Pieps von dir zu geben, jetzt aber wo du bald veröffentlichst, herkommst und den Forenmitgliedern erzählst, dass sie bittedanke Dystopien toll finden sollen, wobei du ganz nebenbei immer wieder darauf hinweist, dass du demnächst eine ebensolche veröffentlichen wirst. Versteh mich nicht falsch, ich will dir nichts unterstellen, aber vielleicht war dir nicht klar, dass sich das eher nach massiver Eigenwerbung anhört als das ehrliche Bedürfnis, sich über ein Thema auszutauschen, das dir als Autor ganz unabhängig von der Veröffentlichung am Herzen liegt. Ich weiß wie sich der Weg zur Erstveröffentlichung anfühlt, da schießt man schon mal übers Ziel hinaus in seiner Euphorie, das ist mir klar. Aber es kommt halt schnell komisch rüber, und dann geraten die Reaktionen eben oft auch entsprechend verhalten.
Also so ewig bin ich dann auch noch nicht hier.
Was meinen Enthusiasmus angeht. Was mir glaube ich eigentlich am Herzen liegt ist eine stärkere Ausdifferenzierung der deutschen Unterhaltungsschreiberszene. Das macht die Landschaft einfach interessanter, finde ich.

Zitat von: Die Wölfin am 25. April 2011, 13:17:10
Von der Forenstruktur her ist es meines Erachtens sinnvoll, in einem Thread immer nur ein Thema zu behandeln, also den von dir angedachten spielerischen Einstieg von der Handwerksdiskussion zu trennen. Aus deinem ersten Posting habe ich beispielsweise nicht gesehen, wohin du mit dem Thread insgesamt möchtest. Ich dachte eher, das wird jetzt die Klappentextauflockerung und über Besonderheiten der Dystopie wird in einem anderen Thread diskutiert, wobei man sich auf die Beispiele hier konzentriert (Du hast ja schon gesehen, dass hier einige Leute mehr mitreden als im Piperforum und das schnell ein sehr, sehr langer und unübersichtlicher Thread werden kann).
Nochmals danke. Nachdem ich endlich das mit dem Zitieren gelernt habe, fällt es mir jetzt auch schon leichter mit den Threads umzugehen.

Zitat von: Rigalad am 25. April 2011, 15:11:01
Von daher bin ich absolut nicht der Meinung, dass man nur für den Markt schreiben sollte, aber die Diskussion, inwiefern man davon beeinflusst wird, gibt es im Forum bereits an anderer Stelle.
Sorry, das ganze Forum kenn ich leider noch nicht. Ich tue mein Bestes.  ;)

Zitat von: Lomax am 25. April 2011, 15:20:22
Bei dieser würde ich eigentlich dasselbe erwarten wie Churke auch. Die Dystopie ist im Grunde ein politischer Roman.

Ich sehe mich selbst als reinen Unterhaltungsschriftsteller. Daher würde ich Kategorien wie Dystopie, Fantasy oder Steampunk nie politisch oder soziologisch auslegen wollen und finde das für die Diskussion, wie man unterhaltsame Literatur schreibt auch wenig zielführend. D.h. soziologisch habt ihr sicherlich recht. Auch die in einem früheren Post unter Bezug genommene Herkunft des Begriffes ordnet ihn eher diesem Bereich zu. Aber als mein Agent mich vor zwei Jahren kontaktierte und mich fragte, ob ich etwas im Bereich dystopic Fiction schreiben kann, meinte er sicherlich nicht unbedingt einen Politroman. Richtig ist wiederum, das viele Dystopien politisch sind, aber das sind Fantasy (Tolkien als Weltkriegallegorie) und Steampunk (His Dark Materials als Antithese zu Narnia) auch, oder?!

Runaway

Willst du nur deinen Beitragscounter pushen oder warum kriegt jeder Satz sein eigenes Posting? Das kann ja keiner lesen, wie die Wölfin schon sagte... laß sie doch nicht immer das alles zusammenschnippeln!  :hmhm?:

gbwolf

@Dani und andere: Bitte bei solchen Problemen/Fragen eine PN an die Moderatoren! Wir sind nicht überall auf die Minute genau und ab und zu dauert es länger, bis wir reagieren, aber meistens haben wir mit dem betreffenden Mitglied bereits PN-Kontakt. Es ist nicht die Aufgabe aller Mitglieder, Neulinge auf Verfehlungen hinzuweisen. Das gibt Forenanfängern das Gefühl, alle gegen sich zu haben.

Runaway

Ok, sorry, war ja nicht böse gemeint. Nur genau das dachte ich mir vorhin, nachdem du ja schon zweimal drauf hingewiesen bzw. es geändert hattest und ich find's auch einfach störend so. Wenn ich Seite 3 entlangscrolle und von einer Flut solcher Einzelpostings erschlagen werde, hab ich keine rechte Lust mehr, die alle zu lesen - aber wär ja schade drum. Deshalb wollte ich das nur kurz als Anmerkung dalassen.

Schommes

Zitat von: Dani am 25. April 2011, 16:12:10
Willst du nur deinen Beitragscounter pushen oder warum kriegt jeder Satz sein eigenes Posting? Das kann ja keiner lesen, wie die Wölfin schon sagte... laß sie doch nicht immer das alles zusammenschnippeln!  :hmhm?:
Liebe Dani,
ich vermute ma, das war sicher keine von Dir ernstgemeinte Unterstellung, sondern nur ein scherzhafter Beitrag, richtig?!  ;)
Vielleicht kannst Du mir ja dann bei der Gelegenheit erklären, wie ich Antworten mit Zitaten aus Postings von mehreren verschiedenen Postings in einem Sammelposting zusammenfasse.
Übrigens hat es vielleicht auch was mit meiner Kommunikationskultur zu tun. Ich finde es höflicher auf eine auf mich bezogene Bemerkung, der jeweiligen Person direkt zu antworten. Ist das jetzt falsch?

Beste Grüße,

Thomas

Runaway

Du riechst die Prise Ironie ganz richtig, ja. Ich hab mich wie gesagt nur sehr gewundert, daß unverändert eine Beitragsflut über uns hereinbrach.

Natürlich ist es nett, der betreffenden Person direkt zu antworten. Wenn ich mich via verschiedener Zitate auf verschiedene Leute beziehen möchte, fange ich hier immer ein wildes Tab-Chaos an - keine Ahnung, ob das auch schöner geht. Bestimmt. Ich gehe bei jedem Beitrag auf "zitieren", öffne den in einem neuen Fenster, kopier mir das betreffende Stück und packe es in mein Antwortfenster. So stell ich mir das zusammen.

Oder manchmal, wenn ich zu faul bin, schreib ich erst die Namen der Leute hin und bediene mich dann des quote-Tags, in das ich den betreffenden Text reinkopiere. Das ist die charmante kleine Sprechblase über dem Textfeld beim Antworten.

Dann macht das Lesen auch wieder Spaß ;D

gbwolf

@Dani: Gerade wenn die Moderatoren sich bereits in einem Thread geäußert haben, kann man davon ausgehen, dass wir als nächstes per PN Kontakt aufnehmen.

@Thomas: Wie gesagt ist es bei uns nicht üblich. Vor allem, da wir so viele Mitglieder haben und wenn jeder ein separates Posting nutzt, dann wird es wirklich unübersichtlich. Ich mache das immer wie von Dani beschrieben.
Wenn du noch Fragen hast, gerne per PN an mich oder Grey. Wir sind heute Abend wieder da. Zu Anfängerfragen/Netiquette/Postings kannst du auch gerne Aryana kontaktieren, die die Neulinge unter ihren Fittichen hat.

Den Punkt mit dem politischen Roman und der Unterscheidung zwischen Dystopie und Endzeit finde ich übrigens sehr spannend!

Lavendel

So. Ich habe tatsächlich schon heute Vormittag gedacht, man müsste eigentlich eine saubere Genredefinition vorwegstellen, bevor man anfängt über zu diskutieren. Da war ich aber zu träge, um zum Regal zu laufen  :d'oh:.

Also mal ins 'Basislexikon Literaturwissenschaften' geschaut, damit wir da nicht mehr aneinander vorbeireden. ;)

Die Utopie(gr. u+topos=nicht+Ort) (das 'Vorläufermodell ;)) wird hier definiert als "konkreter philospophisch-politischer Entwurf einer Gesellschaft". Sie stellt einen positiven Gegenentwurf zur herrschenden Gesellschaftsform dar und ist dementsprechend erkennbar in ihrer Herkunftskultur verwurzelt. Namensgebend für das Genre ist Thomas Morus' 'Utopia' (1517). Die Distanz zur realen Welt erzeugten die frühen Utopien noch durch das Verlegen der Handlung an einen schwer zu erreichenden Ort. Erst später verlegten Autoren die utopische Gesellschaft auf in die Zukunft.
Beliebt war der utopische Roman vor allem vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. Danach, mit der Industrialisierung und der wachsenden gesellschaftlichen Bedeutung der Technik und mit der Skepsis gegenüber allumfassenden Gesellschaftsentwürfen nach den großen politischen Unruhen der beginnenden Moderne, verdrängen sowohl die Science Fiction als auch die Dystopie die Utopie zunehmend.
Und jetzt endlich zum interessanten Teil: Während die SF in erster Linie die Folgen von möglichen technischen Entwicklungen durchspielt, ist die Dystopie ist eine überwiegend negative Utopie. Sie verlegt die Handlung in die Zukunft, kommentiert damit aber vor allem kritisch zeitgenössische Entwicklungen. Schwerpunkt ist dabei der '[...]Einsatz technischer Möglichkeiten zur Durchsetzung einer autoritären, unfreien Gesellschafts- und Staatsform'.


Schommes fragte ja auch nach den dystopischen Elementen bei 'Frankenstein'. Ich nehme mal an, das zielt darauf, das Dr. Fankenstein und seine Kreatur ein Kommentar zum Wissenschafts- und Fortschrittsopitmismus der frühen Moderne sind. Frankenstein benutzt State-of-the-Art Technik und erschafft ein Monster. Das Monster kann er nicht mehr kontrollieren, und er vierliert nach und nach alles. Ich denke, die Kritik am technischen Fortschritt ist das entscheidende, vielleicht auch, dass das Monster versucht, Frankenstein zu unterjochen, und ihn zwingen will, ihm eine Parternin zu erschaffen. Frankenstein hat dann Angst, dass die beiden für eine riesige Monsterpopulation sorgen, die die ganze Menschheit unterjocht oder ausrottet und bricht das Experiment ab (hätte er mal auf Darwin gewartet, der hätte ihm was über den Genpool erzählt ...)

Grey

Zitat von: Schommes am 25. April 2011, 15:34:23
Das mit dem Bitte draußen bleiben war zugegeben etwas provokativ, sollte aber eben für den Thread werben. Außerdem finde ich deutsche Fantasy auch was die Foren dazu angeht wirklich etwas Tolkien-lastig.

Ja nu, das mag sein, im Tintenzirkel ist das aber m.E. überhaupt nicht der Fall. Also, bezogen auf das Tolkien-lastig meine ich. Du sagst ja selbst, du kennst bisher nur einen Teil des Forums. Und ich behaupte, wir sind hier sehr vielschichtig in allen Bereichen der Fantasy unterwegs.

Zitat von: Schommes am 25. April 2011, 15:34:23
Also so ewig bin ich dann auch noch nicht hier.

Natürlich war das überspitzt ausgedrückt. Faktisch hast du aber seit Anfang Oktober exakt drei Beiträge geschrieben, bis vor kurzem eben. Wie gesagt, ich will dir damit nichts unterstellen, und natürlich freuen wir uns, wenn jemand irgendwann doch Zeit findet, sich aktiver zu beteiligen. Ich wollte nur deutlich machen, wie es wirken kann, weil dir das vielleicht nicht ganz bewusst war.

Zitat von: Schommes am 25. April 2011, 15:34:23
Ich sehe mich selbst als reinen Unterhaltungsschriftsteller. Daher würde ich Kategorien wie Dystopie, Fantasy oder Steampunk nie politisch oder soziologisch auslegen wollen und finde das für die Diskussion, wie man unterhaltsame Literatur schreibt auch wenig zielführend.

Unterhaltungsschriftstellerei und das Einflechten politischer und soziologischer Elemente schließen sich allerdings nicht aus, finde ich. Ich habe gerade "Die Auswahl" gelesen, die wirklich eine Dystopie im klassischen Sinn ist. Es geht um "Die Gesellschaft", in der das Leben der Menschen "optimiert" wurde. Und zwar, in dem alles vorgeschrieben wird: Wer was isst und wie viel, welche Musik gehört werden darf, wer mit wem "gepaart" wird, wie lange man Kinder bekommen kann, welche Aktivitäten man in der Freizeit ausüben kann und sogar, wann man stirbt: Am 80. Geburtstag nämlich. Die Heldin erbt von ihrem Großvater einen Zettel, auf dem zwei Gedichte stehen, die nicht unter den 100 Werken sind, die von der Gesellschaft nicht vernichtet wurden, und sie lernt, dass Worte auch "Funken entfachen" können. Das Buch kommt ohne Action aus und geht vor allem um das Gesellschaftssystem. Trotzdem ist es enorm beeindruckend. Von daher denke ich: Ja, inzwischen kann man sich auch so etwas trauen und hat vielleicht sogar Erfolg damit.

Lomax

Zitat von: Schommes am 25. April 2011, 15:34:23Richtig ist wiederum, das viele Dystopien politisch sind, aber das sind Fantasy (Tolkien als Weltkriegallegorie) und Steampunk (His Dark Materials als Antithese zu Narnia) auch, oder?!
Nicht jeder politische Roman ist eine Dystopie. Und in vielen Subgenres kann man politische Themen einflechten. Aber die Dystopie unterscheidet sich von anderen Subgenres schon insofern, als das Grundthema einer "richtigen" Dystopie immer ein Politisches sein muss - eine negative politische Vision, würde ich es mal nennen. Man kann das Thema kaschieren, man kann es auf verschiedene Art aufbereiten - auch unterhaltsam, das widerspricht sich ja nicht.
  Aber wenn es ganz fehlt, verlässt man die Dystopie im engeren Sinne, als Genre. Während umgekehrt andere Fantasy und auch Steampunk sehr gut ohne expliziten politischen Hintergrund auskommen. Da zählt das halt nicht zu den genrebildenden Merkmalen.
  Ich denke, was du da in deinem ersten Posting geschrieben hast - die Dystopie als Gegenteil der Utopie - ist ein sehr wichtiger und vor allem fürs Genre der Dystopie auch zentraler Gesichtspunkt, den man nicht aus dem Auge verlieren sollte. Das ist nicht nur ein beliebiges oder historisches Merkmal des Genres, über das man großzügig hinwegsehen kann. Es ist genredefinierend. Und da die Utopie eine positive politische Zukunftsvision benötigt, kann man auch nicht mehr von einer Dystopie reden, wenn so was im negativen Sinne fehlt.
  Und das, was an "dystopischischen Elementen" übrig bleibt, wenn man die negative politische Zukunftsvision weglässt, ist halt nicht mehr die "Dystopie" als Genre, sondern nur noch ein Setting, ein paar Versatzstücke, die man in so ziemlich jedes andere Genre auch einbringen kann. Was von der Dystopie übrig bleibt, lässt man den als Kommentar zur Realität gedachten politischen Entwurf davon weg, ist in der Tat etwas Beliebiges, was man mit Elfen, Orks und Einhörnern genauso ausführen könnte wie in Steampunk, Krimi oder historischem Roman. Oder mit Endzeit, Horror ... oder gar Romance ;D
  Da könnte ich mir überall Romane mit dystopischen Setting oder dystopischer Atmosphäre vorstellen, die trotzdem eher anderen (Sub-)Genres als der Dystopie zuzurechnen wären und die auch mehr stilbildende Elemente mit diesen anderen Genres gemein hätten als mit der klassischen Dystopie a la 1984, Brave New World, Fahrenheit. Romane, die gleich erheblich weiter von diesen Dystopien entfernt lägen als beispielsweise modernere Ansätze wie "Panem".

RubinaGela

Ist ja ganz schön verwirrend hier.  ???

Würdet ihr "Dune - der Wüstenplanet" z. B. nun zu SF oder Dystopie zählen? Oder Star-Wars? Haben diese Gesellschaftsentwürfe nicht von beidem etwas?
:-\ Vielleicht habe ich den Unterschied ja auch nicht ganz kapiert. *räusper* Eventuell sind die Übergänge sogar schleichend...  :hmmm:

In meinen Augen eine Dystopie ist "Das Vermächtnis von Longlight" - 3 Bände des Kanadiers Dennis Foon. Hier wird in einer Zukunft, die durch einen zerstörerischen Weltkrieg stark gebeutelt ist, eine Gesellschaft beschrieben, die sich neu formiert hat und einige Anführer (magisch und religiös) nun um die Vorherrschaft kämpfen. Der jugendliche Held - auf dem Weg zum Erwachsenwerden - muß sich entscheiden, durch ein großes Opfer sein Volk vor dem Tyrannen, der zur Zeit alle Fäden in der Hand hält, zu retten.

Mir hat diese Geschichte sehr gut gefallen, da magische und geheimnisvolle Aspekte zwar vorkommen, aber mehr noch gesellschaftspolitische Kritik geübt wird. Außerdem gibt es jede Menge Beziehungen, wo der Schein zunächst trügt. So wird dem Leser als auch dem Prota eine große Portion Unvoreingenommenheit abverlangt.
Vergnüglich und spannend ist es auch noch.  :D

Sven

Zitat von: Lomax am 25. April 2011, 18:33:28
Und das, was an "dystopischischen Elementen" übrig bleibt, wenn man die negative politische Zukunftsvision weglässt, ist halt nicht mehr die "Dystopie" als Genre, sondern nur noch ein Setting

Das ist genau das, was ich im Hinterkopf hatte. Vielen Dank, Lomax, für die Ausführung  :pompom:

Das gilt im Übrigen nicht nur für die Dystopie. Ich denke, es gibt in jedem Bereich ein "typisches" Werk, das eine Bezeichnung bekommt (Steampunk z.B) und das im Laufe der Zeit in anderen Genres einfließt und dadurch zu einem Setting wird. Das macht eine Zuordnung zwar schwierig, den Roman als solchen aber interessanter. Deshalb spreche ich, wenn es um die Zuordnung von Romanen geht, von High Fantasy, Urban Fantasy, All Age Fantasy, Thriller, ect. als Genre, bzw. von Steampunk, Dystopie, ect. als Setting. Das mag verwirren und ist vielleicht nicht immer korrekt, ist in meinen Augen aber einfacher und beschreibt die Sache besser.
Beste Grüße,
Sven

Schommes

Ihr Lieben,  bevor ich Euch jetzt gleich widerspreche möchte ich Euch erstmal für die liebevolle Beschäftigung mit dem Thema danke, damit ich nicht bald als grober Meckerklotz gelte.
So, jetze aber ...
Ich wage mal den Versuch der Zusammenfassung einer Diskussionslinie von Lomax, Grey, Sven und Lavendel:
Ausgangspunkt der Dystopie ist der Utopiebegriff. Beides sind politische Konzepte. Die Literatur, die hiervon ihren Ausgangspunkt nimmt, muss also - neben dem reinen Unterhaltungswert - einen politischen Aussagekern haben, sonst qualifiziert sie sich nicht als Dystopie.
Bei letzterem dissentiere ich entschieden.
Ich nehme mal wieder Panem als Ausgangspunkt. Hier scheint Einigkeit zu bestehen, dass es sich dabei um eine Dystopie handelt. Panem hat für mich aber gerade keinen politischen Kern, jedenfalls keinen ernstzunehmenden. Durch die comicartige Überzeichnung der Verhältnisse entsteht bei mir der Eindruck, Mrs. Collins wollte eben in erster Linie unterhalten und hat die Situation geschaffen, um maximalen Konflikt zu erzielen, der wiederum die Voraussetzung für belletristische Spannung ist. Mit "Die Straße" von McCarthy geht es mir ähnlich.
Ich würde demnach Dystopie wie folgt definieren:
Ausgangspunkt ist die Jetztwelt.
Ein oder mehrere Umweltparameter mit Bezug auf den Menschen wird/werden ins extrem Negative verändert (Extremer Hunger, extreme Unfreiheit, extreme Konfliktlagen etc.). Um die Veränderung der Welt gegenüber der Jetztwelt zu erklären wird die Dystopie häufig in eine nähere Zukunft verlegt; das muss aber nicht so sein.
Der Held sieht sich über kurz oder lang mit den negativen Seiten seiner Welt konfrontiert.  Der Konflikt besteht darin, dass der Held diese negativen Seiten überwinden muss, und zwar entweder durch deren Bekämpfung oder durch Flucht davor.
Vom SF unterscheidet sich die Dystopie dadurch, dass sie in der Regel ohne fantastisch anmutende Techniksprünge und Aliens auskommt.
Von der normalen Fantasy unterscheidet sie sich dadurch, dass sie generell nicht märchenhaft daher kommt, sondern durchaus in der Realität verankert ist.
Was denkt Ihr dazu?

Churke

Zitat von: Lavendel am 25. April 2011, 18:16:56
Während die SF in erster Linie die Folgen von möglichen technischen Entwicklungen durchspielt, ist die Dystopie ist eine überwiegend negative Utopie.

Ich möchte behaupten, dass Utopie und Dystopie zwei Seiten der selben Medaille sind.
Das Gegenteil von gut ist gut gemeint, sagt man, und Utopien sind immer nur gut gemeint. Jede Utopie hat einen totalitären Anspruch, weil sie rein denklogisch nicht zulassen kann, dass sich jemand gegen das perfekte System auflehnt. Und je perfekter sie sein und die Menschen in ihrem Tun kontrollieren will, desto unfreier muss sie sein. Das macht sie zu einem inherenten Unrechtssystem, das letztlich in einer Dystopie enden muss.

Darin besteht auch der Unterschied zu einer "normalen" Diktatur: Der Diktator verlangt lediglich Gehorsam und bereichert sich. Der politische Moralist hingegen will die Menschen ändern.

Kommen wir nun zum politischen Aussagekern: Ich sehe die Dystopie als Denksport, bei dem der Leser mit gewissen Fragen konfrontiert ist, die ihm vielleicht nie so bewusst geworden sind. Die *normale* Fantasy bietet hier deshalb wenig Spielraum, weil das Setting so entrückt ist, dass ihm der Bezug zur Realität fehlt. Aber ohne diesen Rückgriff auf die Realität kommt die Sache beim Leser eben nicht als Dystopie an, sondern vielleicht nur als Königreich, in dem es zum Himmel stinkt.
Bei historischen Romanen in dystopischen Settings (ich hatte ja Beispiele genannt) funktioniert es wiederum, allerdings hier nicht wegen der politischen Dimension, sondern, weil es um Geschichte geht.

Zitat von: Schommes am 25. April 2011, 19:34:07
Vom SF unterscheidet sich die Dystopie dadurch, dass sie in der Regel ohne fantastisch anmutende Techniksprünge und Aliens auskommt.

Also nach den Regeln des Genres ist Brave New World pure Science Fiction.
In Honor Harrington ist die Volksrepublik Haven AUCH eine Satire auf den europäischen Wohlfahrtsstaat. Das spielt zwar nur ganz am Rande eine Rolle. Es wäre David Weber aber durchaus möglich, einen Roman NUR über die Volksrepublik Haven zu schreiben und das wäre dann wohl eine Dystopie.

Hanna

Zitat von: Schommes am 25. April 2011, 11:14:24
@ Gothanna:
Danke für den Hinweis. Da hatte ich jetzt wirklich nicht mit gerechnet.
Fahrenheit 451 ist große Kunst, aber wo ist Deine fünfsätzige Beschreibung???  ;)

Total Recall passt hier übrigens super hin, weil es der literarischen Vorlage eines Autors entstammt, der die Vorlagen für ein halbes Dutzend verfilmter Dystopien geliefert hat. Wer ihn zuerst nennt, bekommt drei Smileys.

Fünfsätzige Beschreibungen hebe ich mir für nervige Exposées auf.

Philip K. Dick - I guess?
#happyverpeilt oder auch gründlich überfordert ...