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Phantastik-Paradoxon?

Begonnen von Hochkogler, 08. Januar 2020, 00:11:06

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Hochkogler

Grüße zusammen,

mir sind heute ein paar Gedanken gekommen zu denen ich gerne eine Meinung hätte.

Ich habe nämlich das Gefühl die Phantastik und auch SF werden vom Verlagswesen künstlich klein gehalten. Wieso ich das denke?

Nun, die erfolgreichsten Bücher in Bezug auf Verkaufszahlen und Erfolg der Verfilmungen sind fast alle zumindest grob im Bereich der Phantastik beheimatet. (Harry Potter, Game of Thrones, ES, The Witcher, Hunger Games, Twilight, Herr der Ringe, Hobbit etc.)

Trotzdem hört man immer wieder dass mit Phantastik schwer unterzukommen ist. Ein Publikumsverlag nimmt einen sowieso nur mehr wenn man bereits einen Bestseller hat, und die kleinen Verlage ersticken schier in der Anfragenflut und nehmen "derzeit keine Manuskripte mehr an" (zumindest wird es häufig so kommuniziert)

Ich frage mich wie so etwas zusammenpasst? Wieso schreien die Leute geradezu nach ausgefallener Phantastik die teils Milliardenumsätze generiert, die großen Verlage wehren sich auf der anderen Seite sie zu verlegen?

Logischerweise schreibt nicht jeder einen millionenfach verkauften Bestseller, aber ich denke es gibt viele Perlen die in Schubladen verstauben weil niemand es verlegen will. (Man denke nur an den Spießroutenlauf bis jemand Harry Potter gedruckt hat ~200! Absagen)

Für mich ergibt diese Dynamik überhaupt keinen Sinn.

Was denkt ihr?

Araluen

Dass Phantastik und SciFi im Kino einschlagen, wie eine Bombe, wundert mich nicht. In welch anderem Genre kann man sonst so ein Effektfeuerwerk zünden und bildgewaltige Epen schaffen, in die der Zuschauer eintauchen kann? Dazu gibt es dann gerade bei Buchverfilmungen auch noch eine vernünftigte Geschichte und ordentlich designte Figuren. Klar, sind Buchverfilmungen nie einfach und ich möchte behaupten gerade im Fantasy/Scifibereich noch um einiges schwerer, da die Werke meist noch einen gewissen Umfang haben. Aber vernünftig angepackt, wird es ein Selbstläufer. Einige Bücher erlangten den richtigen Hype auch erst durch die Verfilmungen (da würde ich jetzt Twilight und Tribute von Panem dazuzählen, auch wenn die natürlich schon vor der Verfilmung eine sehr große Fangemeinde hatten).

Bücher sind jedoch was anderes. Bücher erfordern Arbeit vom Leser. Er muss die Seiten lesen - im diesem Genrebereich meist nicht wenige -, er muss sich oft eine völlig fremde Welt vorstellen, Magiesysteme studieren, Technik verstehen und sich auf Figuren einlassen, die ihm manchmal allein schon anatomisch fremd sind (allein bezogen auf Fantasy und SciFi jetzt). Ein Krimi ist da einfacher, eine Romanze auch, selbst historische Romane sind da einfacher für den Leser zu erfassen. Vermutlich verkaufen sie sich deshalb besser. Durch ihre "Einfachheit" im Zugang für den Leser (und das ist nicht herabwürdigend gemeint oder soll irgendetwas über die Qualität dieses Genres aussagen) sprechen sie einfach eine breitere Masse an. Auf Fantasy und SciFi muss man sich einlassen, die Hürde ist etwas größer vor allem im geschriebenen Wort. Das Medium Film nimmt einem da viel Arbeit ab, da man es bildlich vor sich hat. Deshalb wage ich zu behaupten, dass sich viele Leute gerne Star Wars, Harry Potter oder auch Herr der Ringe anschauen, aber niemals ein Fantasybuch in die Hand nehmen würden (und ja mindestens zwei Belege habe ich in meinem Bekanntenkreis)

Beide Genre sind in Buchform ein Risiko für die Verlage zumindest im Vergleich zu geläufigeren Genre. Geld verdienst du mit Bestsellern. Fantasy und SciFi sind aber keine Bestsellermaschinen, wenn man die Genre mit Thrillern oder Romanzen jetzt vergleicht (hab ich jetzt keinen Beleg für. Aber rein vom Gefühl her, ist das Prädikat Bestseller auf Fantasy im Vergleich zu Thriller im Verhältnis 1 zu 3 bis 5 zu finden.) Harry Potter, Tribute von Panem, Twillight sind Phänomene ihrer Zeit und haben im richtigen Moment das richtige geliefert und aus GründenTM eine entsprechende Massendynamik ausgelöst (bei manchen kann ich es mir erklären, bei anderen erschließt es sich mir nicht). Gleiches gilt für Reihen wie "Die Elfen" oder "Die Zwerge". Sie kamen im richtigen Moment heraus - kurz nach bzw. zwischen den Herr der Ringe Filmen. Alle Welt wollte plötzlich etwas über fremde, phantastische Völker lesen. Jetzt würde so eine Reihe vermutlich keinen Blumentopf mehr gewinnen, egal wie gut sie geschrieben ist.

Natürlich ist es schade, um die unveröffentlichten Perlen in unzähligen Schubladen. Etwas mehr Mut in der Verlagswelt, vor allem in der Deutschen würde mir auch gefallen.

Alana

#2
Ich glaube, die Leute schreien nicht nach außergewöhnlicher Phantastik. Ich denke, die von dir genannten Bücher funktionieren, weil sie eben nicht Genre sind, vielleicht meinst du das ja mit ausgefallen? Ich empfehle dir unbedingt das Buch "Writing the breakout novel", da steht drin, warum manche super erfolgreichen Stoffe, die man für Genre hält, es aber eigentlich nicht sind und dass sie gerade deshalb funktionieren und gerade deshalb so erfolgreich sind. Perfektes Beispiel dafür ist der Marsianer. Das ist ein (sehr tolles) handwerklich perfekt nach Schema (aber trotzdem kreativ) gemachtes Buch, das ein SF-Thema hat, aber nicht zum Science-Fiction-Genre gehört.

Der Witcher (so sehr ich ihn mag) ist ziemlich klassische Fantasy, denke ich, und war schon vor der Serie ein Bestseller, ist nur schon eine Weile her. Ich freue mich aber gerade sehr darüber, dass Netflix, dem ja immer nachgesagt wird, dass es uns die Leser klaut, offensichtlich auch Leser kreieren kann, wenn es richtig gemacht wird.

ZitatEin Publikumsverlag nimmt einen sowieso nur mehr wenn man bereits einen Bestseller hat,

Und das stimmt einfach nicht. Es gibt genug Debütanten, die eine Chance bekommen. Oft reißen sich Verlage sogar um frisches Blut, weil man da wieder auf den großen Wurf hoffen kann. Wichtig ist, wie bei allem, dass man mit dem richtigen Stoff zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist. Und das ist neben Glück vor allem auch Recherche und Handwerk. :)
Alhambrana

Maja

Stimme Alana komplett zu. Die Publikumsverlage lieben es, Debütanten groß raus zu bringen. Da wird dann auch schon mal getrickst - mein Verlag war enttäuscht, dass ich eben kein Debütant mehr war, aber weil mich eben noch kein Schwein kennt, konnten sie mich als "High Fantasy-Debut" verkaufen, meine vorherigen Veröffentlichungen waren in anderen Spielwiesen der Phantatisk.

Und nun stehe ich da, mit einer Buchserie, an die mein Verlag glaubt, die erst wie konventionelle Fantasy daherkommt und dann eben doch keine ist, aber auch wieder nicht zu befremdlich, als dass sie zu originell wäre - und die Leute kaufen es nicht. Der Grund, warum Fantasy bei den Verlagen so einen schweren Stand hat, ist, dass sie das beim Leser hat. Es gibt bestimmte Autoren und Titel, die gehen echt gut. Aber das Genre selbst ist kein Erfolg.

Verschwörungstheorien, nach denen böse Verlage ein schweineerfolgreiches Genre mit Absicht kleinhalten, sind da irgendwie niedlich - gehen aber voll an der Wirklichkeit vorbei. Was erfolgreich ist, da stürzen sich die Verlage drauf. Sie wollen Bücher verkaufen. Sie gehen nicht hin und schmähen gezielt ein Genre, obwohl die Leser hinterher sind. Es ist andersrum, sie versuchen es, andauernd, sie geben selbst solchen Nischenhanseln wie mir eine Chance, mit schönem Cover und anständigem Marketingbudget - aber wo wir dann verlieren, ist beim Leser. Es ist nicht die Schuld der Verlage. Die Leser kaufen es einfach nicht genug.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Alana

#4
Dazu fällt mir gerade ein: ich habe tatsächlich mal in der Verlagsbranche vom Phantastik-Paradox gehört. Das bezog sich aber darauf, dass die Phantastikleser von außen als offen für alles wahrgenommen werden, aber, nach der Erfahrung der entsprechenden Verlagsmitarbeiter jedenfalls, hier in Deutschland zum Großteil viel konservativer in ihren Lesegewohnheiten sind als die Leser anderer Genres. Damals hieß es, dass deswegen hier in Deutschland extrem kreative Phantastikstoffe auch nicht funktionieren (obwohl es, wie Maja sagt, immer wieder versucht wird), weil die Leser einfach immer wieder Herr der Ringe lesen wollen. Ob das wirklich so stimmt, kann ich natürlich nicht sagen, aber es würde einiges erklären.

GoT ist übrigens auch ein gutes Beispiel. Es ist im Prinzip sehr klassische Fantasy, weswegen die Phantastikleser es mögen, aber (ich nehme es an, ich hab es nicht gelesen) so massentauglich geschrieben, dass es eben auch die meisten anderen Leser anspricht.
Alhambrana

Amber

Na ja, ich weiß nicht, ob ich Krimi- oder Romance-Leser*innen jetzt pauschal als weniger konservativ einschätzen würde als Phantastiklesende. Das wirkt von Seiten der Person, die diese Einschätzung getroffen hat, schon ein bisschen herablassend gegenüber den Phantastiklesenden.

Abgesehen davon halte ich es auch für Unsinn, dass die Verlage Phantastik "künstlich kleinhalten". Wenn sich damit viel Geld verdienen lässt, sind sie nur zu gern bereit, mitzumachen, aber es ist wie andere schon schrieben eben ein hohes Risiko.

Maja

Ja, das war das Paradoxon, an das ich beim Betreff denken musste: Phantastik ist das Genre, in dem wirklich absolut alles möglich ist, und zugleich das Genre, in dem Originalität vom Leser abgestraft wird. Die suchen nämlich nicht das Bahnbrechende, Noch-Nie-Dagewesene, sondern das Gleiche, was sie zuletzt gemocht haben, nur mir leicht anderem Variablen. Das war auch meine Erfahrung als Buchhändlerin - die Autoren machen es, die Verlage versuchen es, die Leser verschmähen es.

Vieles, was in den Fantasyverfilmungen und Computerspielen gut funktioniert, nehmen die Leser im Buch nicht gut an. Visuell sind epische Landschaften, mächtige Burgen etc. ein toller Anblick. Aber was die Kamera mit einem Fünf-Sekunden-Schwenk einfängt und dem Zuschauer das Herz aufgehen lässt, wird im Buch dann zu einer zähen Beschreibung, die der Leser überblättert. Epische High Fantasy funktioniert jetzt, wo die Tricktechnik mitspielt, in Film und Game einfach viel besser - man hat überzeugende, realistische Darstellung von Fantasy, was vor einigen Jahren nur eine unfreiwillig komische Greenscreen-Darbietung geworden wäre.

Praktisch jede erfolgreiche High-Fantasy-Buchreihe hat zur Zeit eine Serienoption (weiß ich vom Hobbitpressen-Vertriebschef), und diese Verfilmungen, wenn sie denn umgesetzt werden, ziehen dann auch wieder die Verkäufe der entsprechenden Bücher hoch - aber eben nur derjenigen Bücher, die da gerade über den Bildschirm flimmern. Der Rest, diejenigen Bücher, die nicht erfolgreich genug waren, um verfilmt zu werden, werden davon nicht mitgetragen. Insofern ist auch die Witcher-Serie jetzt nur ein Erfolg für Sapkowski. Andere Fantasy-, selbst High-Fantasy-Autoren haben nichts davon.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Alana

@Amber: Natürlich sind andere nicht weniger konservativ, aber von den Phantastiklesern würde man es erwarten, deswegen das Paradoxon.
Alhambrana

Amber

#8
Der "Herr der Ringe"-Boom damals hat aber durchaus vielen deutschsprachigen Autoren mit Völkerfantasy eine Tür geöffnet, insofern war das nicht nur ein Erfolg für die Tolkien-Erben. Bei "Game of Thrones " und dem "Hobbit" hatte ich den Eindruck, dass die Verlage ähnliche Hoffnungen hegten, die sich aber wenn überhaupt nur teilweise erfüllt haben. Vielleicht hat es etwas mit dem Strukturwandel des Buchmarktes in den letzten 20 Jahren zu tun oder andere Gründe. Ich glaube immer noch, dass eine erfolgreiche Buchverfilmung ein kulturelles Phänomen auslösen kann, die nicht nur das zugrundeliegende Werk, sondern auch andere, ähnliche Werke pusht.

Man darf auch nicht vergessen, dass viele Leser*innen frustrierenderweise immer noch negative Vorurteile gegenüber deutschsprachigen Autor*innen haben, jedenfalls ist das ein Eindruck den ich auch durch meinen Bekanntenkreis gewonnen habe.

Amber

Zitat von: Alana am 08. Januar 2020, 00:41:48
Ich freue mich aber gerade sehr darüber, dass Netflix, dem ja immer nachgesagt wird, dass es uns die Leser klaut, offensichtlich auch Leser kreieren kann, wenn es richtig gemacht wird.

Ja, das finde ich auch erfreulich.

Tintenteufel

Zitat von: Protoxin am 08. Januar 2020, 00:11:06
Nun, die erfolgreichsten Bücher in Bezug auf Verkaufszahlen und Erfolg der Verfilmungen sind fast alle zumindest grob im Bereich der Phantastik beheimatet. (Harry Potter, Game of Thrones, ES, The Witcher, Hunger Games, Twilight, Herr der Ringe, Hobbit etc.)

Öhm... Nein?

Also bei Filmen geh ich noch mit, aus gänzlich anderen Gründen als Araluen, aber ich geh da mal mit. Die meisten sehr erfolgreichen Filme sind schon irgendwie phantastisch. So ein bisschen. Folgen meist aber anderen Genrekonventionen und sind entweder Abenteuer oder Actionfilme oder haben nur auf einem Märchen einen irgendwie phantastischen Anstrich geklatscht und der "Kern" ist ein anderer.

Das ist so eines der Probleme, das wir als Phantasten bekommen, wenn wir Phantastik und Fantasy derart weit auslegen, dass alles drunter fällt: Fühlt sich zwar echt gut an, wenn acht der zehn erfolgreichsten Filme aller Zeiten Phantastik sind, aber dann steht man da und wundert sich, wieso trotzdem keiner Phantastik guckt, wenn's als Phantastik verkauft wird.

Bei Büchern dagegen... Also wirklich nicht. Weder in Deutschland noch in den USA noch weltweit, auch wenn da Vergleiche schwieriger werden. Mal als Vergleich Wikipedia wobei ich da die Einordnung einiger Werke scharf kritisieren würde. Stephen King? Einmal vorhanden. Nicht mit ES. Hunger Games? Unter ferner liefen. The Witcher? Nicht drauf. A Song of Ice and Fire? Harry Potter (Bis auf Band I), Discworld? Alle nur drin, wenn man *sämtliche* Verkäufe der gesamten Reihe zusammen zählt.
Der Meister und Margarita hat ganz alleine ganz entspannt zwanzig Millionen mehr verkaufte Bände als George Martin in seinem ganzen Leben zusammenkriegt. Der Kleine Prinz nochmal doppelt so viele.

Klar kann man jetzt über Zahlen, Statistiken und Erhebungen streiten. Geht vermutlich auch in beide Richtungen, Agatha Christie ist nämlich nur einmal drauf und die Frau hat so viele Bücher verkauft, dass statistisch jeder dritte Mensch(!!) auf Erden eines besitzt. Die gesamte angeblich Generationen beeinflußende Harry Potter Reihe kommt auf knapp ein Viertel dieser Zahlen bislang. Könnte noch steigen, sieht nach der aktuellen Lage nicht danach aus.

Zurück zum Thema: Fantasywerke sind nicht so erfolgreich, wie man glauben mag. Phantasten und manche Leser haben leicht diesen Eindruck, aber ich glaube das liegt vor allem daran, dass der Bereich Phantastik gerne aufgebläht und auf Bereiche ausgedehnt wird, die damit nur unzulänglich beschrieben werden können. Selbst die bei der Liste der meistverkauften Bücher als "Fantasy" gelisteten Werke sind nur zur Hälfte Fantasy. Bei den meisten davon würde ich bis auf's Blut streiten, dass sie radikal andere Ansätze, Ziele und Motive haben als das, was man als Genre-Fantasy bezeichnen könnte.
Du pickst dir also Rosinen raus. Die nichtmal so erfolgreich sind, wie es scheint. Abgesehen vom Hobbit. Und das waren miese Filme.  ;D

@massentauglich
Das würde ich bei Game of Thrones nicht sagen. Vielleicht etwas mehr als Herr der Ringe, aber das ist auch keine große Kunst. Die Serie zeichnet sich im Gegenteil ja sogar gerade dadurch aus, dass Fantasyelemente rausgekürzt und auf's nötigste reduziert werden.

Alana

#11
Nun ja, ich fand den Hobbit extrem schlecht und war als massiver Herr der Ringe Film Fan echt enttäuscht. Ich glaube, dass es vielen so ging und dass wahrscheinlich danach keiner Lust hatte, in der Richtung was zu lesen. Oder der deutsche Markt für Völkerfantasy war zu dem Zeitpunkt schon übersättigt. Es wurde da ja sehr lange sehr viel auf den Markt geworfen. Bei GoT gab es, soweit ich das mitbekommen habe, einfach nichts vegleichbares zu kaufen, oder irre ich mich da? Es ist zwar schon klassische Fantasy, aber eben doch so originell, dass die Leser es schwer haben, die Gelüste nach etwas ähnlichem zu befriedigen. Das wäre jedenfalls meine Vermutung. Aber ich kann da natürlich auch nur auf meine subjektiven Eindrücke zurückgreifen und dazu muss ich auch sagen, dass High Fantasy überhaupt nicht mein Genre ist.

@Tintenteufel: sieben von den ersten zehn Werken aus der von dir genannten Liste sind Fantasy. Man kann also durchaus behaupten, dass die erfolgreichsten Bücher Fantasy-Elemente haben.

Ich habe Game of Thrones wie gesagt nicht gelesen, aber ich denke, dass man dort auch die Eckpunkte findet, die in dem Buch writing the breakout novel für Werke genannt werden, die wie Genre aussehen, es aber nicht sind, sondern extrem massentauglich geschrieben sind.
Alhambrana

Tintenteufel

#12
Zitat von: Alana link=topic=24949.msg1203380#msg1203380 date=1578493262
member=1266]Tintenteufel[/member]: sieben von den ersten zehn Werken aus der von dir genannten Liste sind Fantasy. Man kann also durchaus behaupten, dass die erfolgreichsten Bücher Fantasy-Elemente haben.

Deswegen schrieb ich ja auch dazu, dass ich mich da streiten würde und die englische Wikipedia da sehr, sehr großzügig rangeht. :) Was vermutlich zu exakt dem Problem führt, was wir hier haben: Was für Fantasy halten, sehen dass das erfolgreich ist, nicht nachgucken, was da eigentlich passiert, und sich dann wundern, dass eindeutigere Fantasy keinen Erfolg hat.
"Der Meister und Margarita" und "der kleine Prinz" sind jedenfalls ebenso wenig Fantasy wie "Transformers" Sci-Fi ist.
Nachtrag: Selbst, wenn man in Betracht zieht, dass die englische Wikipedia zwischen Phantastik und Fantasy in dem Fall so gar nicht trennt.

Mein Punkt mit Game of Thrones war auch ein gänzlich anderer.  Ist nicht massentauglich. Die Serie ist massentauglich. Deswegen ist die auch ein soziales Massenphänomen gewesen und die Bücher haben sich trotz des massiven Erfolgs deutlich weniger verkauft als vergleichbare Phänomene.

Arcor

Ich glaube auch, dass GoT weniger durch Phantastik-Elemente die Massen begeistert (die sind nämlich rar gesäht), sondern dadurch, dass du dir nicht sicher sein kannst, wer lebt und wer stirbt und das auch für Perspektivträger gilt - in der Serie natürlich auch durch jede Menge Sex und Blut und alle nur erdenklichen Tabubrüche.

Überhaupt ist der Erfolg ja auch nicht von heute auf morgen gekommen. Der erste Band erschien 1996, wenn ich mich nicht irre. Das Massenphänomen kam erst durch die Serie und da wohl auch erst mit Staffel 2 oder 3. Vorher war es nur in der Phantastikszene bekannt und geschätzt.
Not every story is meant to be told.
Some are meant to be kept.


Faye - Finding Paradise

Maja

Es gibt Fantasy-Bücher, die wirklich riesig erfolgreich sind. Und dabei nicht genre-mäßiger als andere, das halte ich nicht für das Kernproblem. Aber die Sache ist, dass sich der Erfolg der Fantasy als Genre überwiegend auf diese Handvoll Titel reduziert, und dann kommt eben ganz, ganz, ganz lange nichts. Das hat man in anderen Genres nicht in dem Maße.

Vom Erfolg des "Herrn der Ringe"-Franchise profitiere ich natürlich. Diese Bücher sind so unglaublich erfolgreich, dass sie den gesamten Rest des Hobbitpresse-Sortiments durchfüttern können und der Verlag sich dann erlauben kann, eben auch Bücher wie meine zu machen, die nicht gut laufen und keine Bestseller sind. Das heißt nicht, dass ich jetzt Flop um Flop abliefern darf, ehrlich, ich hoffe, die Reihe verkauft sich insgesamt wenigstens einigermaßen - aber ich habe diese Chance bekommen, weil Tolkien das Geld in die Kassen spült, auch nach fünfzig Jahren ungebrochen.

Zur Theorie "Fantasy, die nicht so genre-mäßig ist, hat größeren Erfolg" - ich denke, das ist umgekehrt. Die Fantasy, die archetypisch für alles steht, was sich Klein Fritzchen unter "Fantasy" vorstellt, läuft besser. Die Leute, die nur ab und an mal ein Fantasybuch lesen, wollen dann genau das - Fechten, Folter, Riesen, Drachen, große Schlachten, das volle Programm eben, einmal in zwei Jahren. Und ich halte GoT für einen absolut genrekonformen Vertreter den Genres, nicht das Gegenteil.

Sowohl "Der kleine Prinz" als auch "Der Meister und Margarita" sind nie ausdrücklich als Fantasy vermarktet worden, schon allein weil sie Klassiker waren, ehe es das Genre auch nur gegeben hat. Horror hat sich von der Fantasy schon so lange abgegrenzt, dass ich die Horror-Vertreter auch separat sehen würde. Aber was dann noch an Fantasy in der Liste bleibt, ist eben kein Genremix, sondern Genre in Reinform. Das ist es, was die Leute wollen - aber eben nicht andauernd. Da macht ein Buch nicht Hunger auf mehr, sondern erstmal pappsatt. Soviel Epik muss eben erstmal verdaut werden.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt