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Plot Armor

Begonnen von AlpakaAlex, 29. März 2022, 14:05:57

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caity

Zitat von: Wintersturm am 29. März 2022, 20:17:59
Wenn unbedingt die Randgruppen sterben, dann ist das natürlich unnötig. Wenn Randgruppen ohnehin statistisch unterrepräsentiert sind, dann ist allein die Wahrscheinlichkeit schon deutlich geringer, dass da jemand stirbt. Hast du zwei aus Randgruppen und vier aus nicht-Randgruppen und die Hälfte stirbt, dann stirbt eben bei beiden die Hälfte. Ist doch völlig egal, wie die Charaktere beschaffen sind, solange es zum Weltenbau passt (mein einziges Problem überhaupt mit Diversität in der Fantasy). Klar, bei geringer Charakterzahl ist die Chance, dass eine Gruppe beim Sterben mal unter- und mal überrepräsentiert ist recht hoch, aber das ist eben Statistik und ich würde jetzt recht ungerne mit der Mathematik dahinter aufkreuzen müssen. Ok, die Tode auszuwürfeln ist auch Quatsch
Solange es nicht aus der Geschichte heraus einen Grund gibt, warum eine bestimmte Gruppe öfter dran kommt (z.B. Verfolgung), muss man meiner Meinung nach nicht unbedingt drauf achten, welcher Gruppierung ein Charakter angehört. Die Geschichte bestimmt selbst, wer jetzt vom Tod überzeugt wird und da kann es auch mal vorkommen, dass die Verteilung nicht gleichmäßig verläuft.
Umso umfangreicher die ganze Geschichte wird, umso eher gleicht sich das an. Klar, mit 12 Figuren, von denen 1/6 zu einer bestimmten Randgruppe gehört, sind die Chancen für einen ungleichen Ausgang höher. Der Zufall entscheidet eben. Wenn das Sinn macht, kann eben auch eine ganze unterrepräsentierte Gruppe überleben, während die anderen sterben. Wie gesagt, muss alles in der Geschichte begründet sein und sollte nicht vom Willen des Autors künstlich verändert sein.
In der Regel klappt es am besten, wenn man einfach nicht drüber nachdenkt, dass der Charakter jetzt irgendeiner Gruppe angehört und das nur nebenbei eine Rolle spielt. Auch wenn dann eventuell seltsame Zufälle auftreten, wie z.B. dass man in zwei Schlachten nacheinander nahezu identische Kopf-ab-Szenen hat, um mal ein kleines Beispiel zu nennen.
Am Ende bestimmt der Charakter bzw. seine Interaktion mit den anderen Charakteren über sein Schicksal und (irgendwelche diskriminierenden Regeln in der Welt ausgeschlossen, wo es natürlich schon anfängt) nicht seine ZUgehörigkeit zu Randgruppen.

Das ist das Gute am möglichst schlechten Ausgang, am Ende sind alle gleichberechtigt tot. :rofl: Oder man lässt alle überleben und die Geschichte geht möglichst gut aus, dass am Ende alle glücklich sind. Btw., wenn man die Geschichte einer ganzen Welt vom Anfang bis zum Ende schreibt, dann funktioniert das sogar.

Nur wenn man eine bestimmte Gruppierung ohne Sinn und Zweck aus der Geschichte heraus von bestimmten Vorkommnissen welcher Art auch immer ausschließt, dann ist das nicht gut und auch ganz klar Plotarmor und meiner Meinung nach auch keine Gleich"berechtigung".

Ich glaube, du unterschätzt in diesem Fall, wie leicht das Unterbewusstsein zu beeinflussen ist. Es gibt leider extrem viele Beispiele, in denen Queere und/oder BI_PoC-Figuren sterben, während der weiße Cast überlebt - Gegenbeispiele entwickeln sich erst allmählich. Solange das noch nicht etabliert ist, sollte man sich bei einem diversen Cast gut überlegen, wer wann warum stirbt, denn die Wahrscheinlichkeit, dass bei Zufallsentscheidungen doch letztlich das, was man aus den Medien kennt, kickt, ist ziemlich hoch.
Wenn ein Autor behauptet, sein Leserkreis habe sich verdoppelt, liegt der Verdacht nahe, daß der Mann geheiratet hat. - William Beaverbrook (1879-1964)

Valkyrie Tina

Zitat von: Wintersturm am 29. März 2022, 20:17:59
Nur wenn man eine bestimmte Gruppierung ohne Sinn und Zweck aus der Geschichte heraus von bestimmten Vorkommnissen welcher Art auch immer ausschließt, dann ist das nicht gut und auch ganz klar Plotarmor und meiner Meinung nach auch keine Gleich"berechtigung".

Aber eine Fantasystory ist doch keine Demokratie?  ???

Ich weiß, was du meinst, es fühlt sich einschränkend an, eine Gruppe, scheinbar künstlich, von einer bestimmten Entwicklung auszuschließen. Aber, ich glaube, du hast zwei Sachen dabei nicht ausreichend im Bewusstsein: erstens, gibt es keine Statistische Gleichmäßigkeit, wann wer stirbt. Sondern traditionell ist es so- die queeren Personen -ob im schwarzen Auge, oder in so ziemlich jedem alten Film, wird wer als queer gecoded, oder sogar offen genannt, kannst du in klassischen Werken davon ausgehen, dass sier stirbt. Und das ist nicht mal ein Zufall, sondern hat eine sehr hässliche Backstory. Wenn du mal Zeit hast, google mal "hayes code". Leute, die nicht den Normen entsprachen, sollten dafür bestraft werden.
Jetzt kannst du natürlich sagen "der Hayes code ist älter als ich, warum sollte ich mich darum kümmern". Aber wir erzählen unsere Geschichten nicht im Vakuum. Was vorher kam,  beeinflusst sowohl unsere Geschichten als auch die Erwartungen unserer Leser.

Auf der anderen Seite von "ist keine Demokratie" der zweite Punkt: Plot armor besitzt traditionell eine ganz andere Gruppe. Nämlich die Hauptperson! Deswegen war Game of thrones so ein Hammer, weil in der ersten Season die zentrale Hauptperson stirbt. Aber sonst - bist du Held, überlebst du. Das wurde sogar von Terry Pratchett parodiert. Am Ende von Moving Pictures rennt Viktor Tuggelbend im Dunklen eine kaputte Treppe hinauf, und die Magie von Hollywood ersetzt die kaputten Stufen, weil - der Held es immer schafft, und er immer rechtzeitig kommt. Eine Story ist keine Demokratie, und wenn du ein Mann bist und blitzende Zähne hast, ein verwegenes Lächeln und ein Schwert, das bling macht, dann hast du das Recht auf Plot armor, und den Sieg und den Schatz und die schöne Frau, und der Rest der Besetzung ist nur Kulisse für deinen Fortschritt.

Das ist übrigens auch der Grund, warum ich Plot Armour auf den Tod hasse! Ich habe zu viele Geschichten gesehen und gelesen, wo der Hauptcharakter sich einen Dreck nach dem anderen leistet, dabei überheblich ist bis zum Abwinken ("Du müsstest dich nur mal entspannen, Nebencharakter"), während die Geschichte jeden anderen für einen Brauchteil der Übertretungen schärftest bestraft. Weil Plot armour in dem Fall heißt, dass für jemanden andere Regeln gelten, weil ist ja the chosen one.

Von Plot armour abgesehen. Es ist einfach allgemein so, dass jeder Tod innerhalb der Story eine Bedeutung hat. Stichwort Setup and payoff. Ganz oft gibt es eine Person, die das emotionale Herz der Gruppe ist, und dier hat normalerweise Plot armour - falls du keine Geschichte erzählst, wo du aus deiner Gruppe das emotionale Herz rausreißt. Das heißt nicht, dass du es nicht machen DARFST. Nur, dass du durchplanen musst, was dann mit deiner Story passiert. Wenn du das machst, hast du einen Showstopper, der deine Story in davor und danach einteilt.  Spoiler Firefly
Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.
Da ergibt sich die Plot armour einfach aus der Story, die du erzählen willst. Und plot armour kann von außen kommen. Wenn deine Leser einen Charakter ins Herz geschlossen haben, darf er nicht sterben- oder aber du musst es so gut und fantastisch machen, dass sie sagen "das war es wert!"
(Spoiler für Wichter serie)
Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.
Auch da ergibt sich das plot armour aus der Story.

Anyway, Zusammenfassung: Plot armor sollte stimmig verwendet werden, so dass nicht der Hauptchar auf einem anderen Level zu spielen scheint als der Rest, jeder Tod im Plot sollte der Geschichte dienen, und Plot armour wurde historisch nicht demokratisch verteilt, sondern eine Gruppe hatte ein Anrecht darauf, während andere Gruppen das genaue Gegenteil bekamen, (die it-sucks-to-be-you-Karte?). Und in dem Fall wäre ich glaub ich tatsächlich okay, wenn die Plot armour bekämen, und zwar  aus einem demokratischen Gefühl, nämlich: Die dürfen jetzt auch mal!

AlpakaAlex

Zitat von: Valkyrie Tina am 29. März 2022, 21:11:57
Das ist übrigens auch der Grund, warum ich Plot Armour auf den Tod hasse! Ich habe zu viele Geschichten gesehen und gelesen, wo der Hauptcharakter sich einen Dreck nach dem anderen leistet, dabei überheblich ist bis zum Abwinken ("Du müsstest dich nur mal entspannen, Nebencharakter"), während die Geschichte jeden anderen für einen Brauchteil der Übertretungen schärftest bestraft. Weil Plot armour in dem Fall heißt, dass für jemanden andere Regeln gelten, weil ist ja the chosen one.
*hust*Harry Potter*hust*

Ja, in solchen Fällen nervt es auch - es sei denn natürlich es wird parodiert (wie beispielsweise im neusten Fast & Furious Film). Also wenn die Charaktere beständig ohne guten Grund alles mögliche riskieren und nicht drüber nachdenken. Wenn es einen guten Grund für unvernünftiges Vorgehen ist (also zum Beispiel: Figur will eine geliebte Person retten und ist panisch deswegen), dann ist es in meinen Augen schon okay. Aber es sollte halt kein Dauerding sein - dann ist es halt scheiße.

Und halt natürlich vor allem, wenn es wirklich um wortwörtliche Regeln geht und der Prota sie bricht und am besten noch dafür belohnt wird (wie eben bei HP), während andere bestraft werden.
 

Amanita

#18
Ich gehöre ja zu den seltsamen Menschen, die nicht der Meinung sind, dass es eine Geschichte zwingend besser macht, wenn die Zahl der Toten maximiert wird. Realistisch sollte es natürlich schon sein, gerade wenn es um entsprechende Situationen geht wie Krieg oder Katastrophen.
Mich fasziniert in der Fantasy am meisten die Entwicklung der Protagonisten und die hat sich natürlich erledigt, wenn der Protagonist stirbt. Auch wenn faszinierende Nebenfiguren "entsorgt" werden, weil das angeblich den Plot des Helden voranbringt, reagiere ich meistens eher genervt als fasziniert.
Trotzdem sollte das Ganze so gestaltet sein, dass die Protas nicht dauernd in lebensgefährliche Situationen geraten und dann auf wundersame Weise gerettet werden. Das kann man mal machen, aber wenn es dauernd vorkommt, halte ich es für schlechten Stil und je nachdem wie gut dann der Rest ist, legen die Leser mehr oder weniger Toleranz dafür an den Tag.

Da ich mich selbst immer ärgere, wenn in Büchern oder Filmen die einzige (wichtige) Frau wahlweise stirbt oder vergewaltigt wird und danach ihr Trauma aufarbeiten muss, um "weiblicher und verwundbarer" zu wirken, das auch mit Figuren aus anderen von Diskriminierung betroffenen Gruppen nicht so zu machen.
Ich vermute aber wirklich, dass das gerade in der amerikanischen Filmbranche noch so drinsteckt, weil es in der Vergangenheit so erwünscht war und in den "Stanadardplots" immer noch so enthalten. Ein weiteres Beispiel für dieses Phänomen ist ja auch noch, dass in Horrorfilmen und Ähnlichem oft die einzige Jungfrau die besten Überlebenschancen hat, während sexuell aktive junge Frauen schnell sterben.

Mondfräulein

Ich glaube, hier ist historischer Kontext einfach wichtig. Für queere Menschen war es lange Zeit nicht selbstverständlich alt zu werden. Bury Your Gays war nicht nur ein Trope in fiktionalen Geschichten, sondern traurige Realität. AIDS spielt da eine große Rolle, aber auch Hassverbrechen und Kriminalisierung. Lange Zeit hatte man das Gefühl, man muss sich entscheiden: Alt zu werden und ein friedliches Leben zu führen, oder die eigene Identität und/oder Sexualität offen zu leben. Mit einer geliebten Person im Alter auf der Veranda zu sitzen und Tee zu trinken war etwas, das cis-Heteros vorbehalten war, nicht queeren Menschen. Das lag auch daran, dass es kaum queere Menschen in den Medien gab und wenn, dann haben sie ein tragisches Ende gefunden. Wenn man sonst kaum Repräsentation hat, macht das Eindruck. Die queeren Personen, die im echten Leben alt und glücklich wurden, waren größtenteils unsichtbar.

Insofern geht es nicht nur darum, dass queere Menschen, wenn man sich das wirklich mal anguckt und auswertet, in Filmen und Serien sehr viel häufiger sterben als nicht-queere Menschen, obwohl queere Menschen sowieso schon viel seltener vorkommen. Es geht auch darum, dass Bury Your Gays genau diese Botschaft vermittelt (und teils bewusst vermitteln soll): Wenn du so lebst, wirst du nicht alt. Du findest ein tragisches Ende.

Viele queere Menschen wollen eben auch keine Geschichten lesen, in denen sie speziell verfolgt werden, besonders in Fantasywelten. Sie wollen keine Geschichten lesen, in denen es nur wieder um das reale Leid und Trauma geht, mit dem sie eh schon zu kämpfen haben. Es gibt natürlich genauso queere Menschen, die ihre eigenen Erfahrungen so verarbeiten und deshalb solche Geschichten schreiben. Aber insgesamt ist das Verhältnis zwischen Happy Gays und Bury Your Gays einfach immer noch nicht ausgeglichen. Und hier würde ich mich auch fragen: Für wen schreibe ich? Wenn nicht für queere Menschen, warum schreibe ich über queere Menschen?

Das ist nicht Schwarz-Weiß. Ich sage nicht, dass man queeres Leid nie einbauen darf und dass das nie gut gelingen kann. Aber ich sollte mich fragen, warum ich es tue. Für wen ich schreibe. Welche Intention ich habe und was für eine Geschichte ich erzählen will. Und ich sollte mir bewusst sein, dass Bury Your Gays nicht nur ein fiktionales Trope ist, sondern auch auf reale Ängste anspielt. Dass jede tote queere Figur von Menschen gelesen werden kann, die sich sowieso nicht vorstellen kann, wie sie jemals ein glückliches Leben führen soll.

Zitat von: Wintersturm am 29. März 2022, 20:17:59
Die Geschichte bestimmt selbst, wer jetzt vom Tod überzeugt wird und da kann es auch mal vorkommen, dass die Verteilung nicht gleichmäßig verläuft.

Da widerspreche ich entschieden. Ich als Autorin bestimme, wer lebt und wer stirbt. Das passiert nicht einfach so. Manchmal kommt es vor, dass der Plot auf einmal in eine bestimmte Richtung läuft und sich Dinge ergeben. Aber dann ist es mein Job als Autorin noch einmal darüber nachzudenken, ob es gut ist, was da passiert, welche Konsequenzen sich daraus ergeben. Dementsprechend steuere ich entweder dagegen und ändere Dinge, oder ich lasse es passieren. Das ist wie bei meinem Fall, den ich oben beschrieben habe: Der Plot hätte darauf hinauslaufen können, dass eine Figur stirbt. Ich als Autorin habe dann bewusst entschieden, welche Sexualität die Figur haben soll und ob ich sie retten will oder nicht. Nicht die Geschichte selbst, die zeigt mir nur manchmal Möglichkeiten auf, die ich ergreifen kann oder eben nicht. Die Geschichte ist kein selbst denkendes Wesen, dem ich ausgeliefert bin, sondern etwas, was ich bewusst erschaffe. Das Handwerkszeug der Autor*innen besteht ganz grundsätzlich daraus, zu lernen, wie ich Geschichten in die Bahnen lenke, die ich haben will.

Zitat von: Wintersturm am 29. März 2022, 20:17:59
Solange es nicht aus der Geschichte heraus einen Grund gibt, warum eine bestimmte Gruppe öfter dran kommt (z.B. Verfolgung), muss man meiner Meinung nach nicht unbedingt drauf achten, welcher Gruppierung ein Charakter angehört.

Dem widerspreche ich auch, weil ich der Meinung bin, dass Autor*innen auf alles achten sollten und alles bewusst machen sollten. Ich sollte darauf achten, wen ich als stark und wen als schwach darstelle. Ich sollte darauf achten, wer stirbt und wer lebt, wer glücklich wird und wer tragisch endet. Rein über die Angehörigkeit zu bestimmten Gruppen hinaus sagen die Eigenschaften dieser Figuren viel darüber aus, welche Ansichten das Buch in dieser Hinsicht vertritt und welche Botschaft mein Buch am Ende hat, und jedes Buch hat eine Botschaft. Wenn all meine traumatisierten Krieger*innen ein tragisches Ende finden, dann sendet das eine bestimmte Botschaft. Ich sollte mir dem bewusst sein, und wenn nur, damit ich gegensteuern kann und zum Beispiel zeige, dass traumatisierte Krieger*innen auch ein glückliches Ende finden können. Wenn ich leugne, dass Geschichten Botschaften habe, dann sende ich am Ende nur Botschaften, die ich gar nicht senden wollte.

Als Autor*in sollte man meiner Meinung nach alles bewusst machen. Ich sollte auf alles achten. Das gehört dazu, wenn man gute Bücher schreiben will. Ich weiß nicht, was du für Bücher schreibst, aber in meinen Büchern passiert nichts rein zufällig. Ebenso sollte ein Tod nie zufällig sein sondern ich sollte bewusst entscheiden, wessen Tod dem Narrativ gerade am meisten nützt.

Zitat von: Wintersturm am 29. März 2022, 20:17:59
Am Ende bestimmt der Charakter bzw. seine Interaktion mit den anderen Charakteren über sein Schicksal und (irgendwelche diskriminierenden Regeln in der Welt ausgeschlossen, wo es natürlich schon anfängt) nicht seine ZUgehörigkeit zu Randgruppen.

Aber ich als Autorin bestimme, mit welchen Figuren meine Figuren interagieren. Ich gebe ihnen Eigenschaften, die zum bestimmten Ausgang einer Interaktion führen. Die Figuren bestimmen nichts selbst, das mache am Ende einfach nur ich allein. Und ebenso bestimme ich, wer zu welcher marginalisierten Gruppe gehört.

Wintersturm

Zitat von: Gwee am 29. März 2022, 20:43:53
Wichtig ist hier auch, die Perspektive nochmal zu reflektieren. Queere oder BPoC Figuren sollten nicht als außergewöhnlich oder besonders betrachtet werden. Das ist ja gerade das perfide. Sie sind auch ganz normale Menschen und deswegen müssen sie auch als solche in den Text integriert werden und eben genauso gute Chancen haben, zu überleben, wie weiße/heterosexuelle Figuren, denn sie sollten eigentlich absolut auf Augenhöhe mit ihnen stehen. Und da das momentan noch nicht so der Fall ist, ist hier dann tatsächlich Plot Armor angebracht, wenn die Repräsentation in dem entsprechenden medialen Werk gering ausfällt. Ansonsten wird diese eher diskriminierende Repräsentation nur weiter reproduziert.
Und um auf deinen zweiten Beitrag einzugehen @Wintersturm: Wenn es Zufall sein sollte, wer stirbt...warum kann es dann eben nicht die weiße, heterosexuelle Person sein, wenn es ohnehin scheinbar so irrelevant ist, wen es trifft?
Ok, ich gebe zu, ich wähle die Bezeichnung außergewöhnlich, weil mir persönlich die politisch korrekten Bezeichnungen nicht zusagen und jedes Mal Randgruppen zu schreiben auch einen etwas unpassenden Beisgeschmack hat.
Aber dazu habe ich eine kleine Frage zum Nachdenken: Wenn man diese Charaktere nicht als außergewöhnlich oder besonders betrachten will, warum macht man sich dann überhaupt einen Kopf darum, ob sie zum Tod kommen?
ZitatDavon abgesehen finde ich Plot Armor grundsätzlich ein wichtiges Instrument, das je nach Genre und Geschichte eingesetzt werden sollte - aber, wie bereits einige gesagt haben, muss es so umgesetzt sein, dass ich als rezipierende Person nicht mitbekomme, dass die Figur eine Plot Armor besitzt. Damit steht und fällt die ganze Glaubwürdigkeit der Geschichte.

...

Mir fällt sehr schnell auf, wenn eine Figur bzw. eine ganze Figurengruppe Plot Armor hat. Meistens werden dann unbekannte Figuren in die Gruppe integriert und diese sind es dann auch, die sterben, während die anderen problemlos überleben. Das ist dann schon ziemlich kritisch. Also...allein schon, weil diese Struktur sehr offensichtlich ist.
Und da ist gerade das Problem. Man bemerkt es. Genau deshalb ist es so schwierig, die Fähigkeiten und die Handlungen des Charakters so zu basteln, dass die Kämpfe nicht komplett langweilig sind und er trotzdem gegen unterschiedliche Gegner gewinnt, ohne dass es lächerlich wird. Was es bei wiederholten Kämpfen kurz vor dem Tod sowieso wird, das ist ja das Problem bei längeren Kämpfen oder gefährlichen Handlungen.
Zitat von: Valkyrie Tina am 29. März 2022, 21:11:57
Aber eine Fantasystory ist doch keine Demokratie? 
Klar, aber ohne irgendwelche spezifischen Begebenheiten bezüglich Randgruppen innerhalb der Geschichte ist die Todesverteilung erstmal abhängig vom Charakter.
ZitatDas ist übrigens auch der Grund, warum ich Plot Armour auf den Tod hasse! Ich habe zu viele Geschichten gesehen und gelesen, wo der Hauptcharakter sich einen Dreck nach dem anderen leistet, dabei überheblich ist bis zum Abwinken ("Du müsstest dich nur mal entspannen, Nebencharakter"), während die Geschichte jeden anderen für einen Brauchteil der Übertretungen schärftest bestraft. Weil Plot armour in dem Fall heißt, dass für jemanden andere Regeln gelten, weil ist ja the chosen one.
Und doch ist er der Protagonist und wir fiebern mit ihm mit. Was dann wieder so viele Aussagen mit sich zieht.
ZitatAnyway, Zusammenfassung: Plot armor sollte stimmig verwendet werden
This! Zum Rest sage ich nur, man darf schreiben wie man will.
Zitat von: Mondfräulein am 30. März 2022, 12:16:06
Da widerspreche ich entschieden. Ich als Autorin bestimme, wer lebt und wer stirbt. Das passiert nicht einfach so. Manchmal kommt es vor, dass der Plot auf einmal in eine bestimmte Richtung läuft und sich Dinge ergeben. Aber dann ist es mein Job als Autorin noch einmal darüber nachzudenken, ob es gut ist, was da passiert, welche Konsequenzen sich daraus ergeben. Dementsprechend steuere ich entweder dagegen und ändere Dinge, oder ich lasse es passieren.
...
Die Geschichte ist kein selbst denkendes Wesen, dem ich ausgeliefert bin, sondern etwas, was ich bewusst erschaffe. Das Handwerkszeug der Autor*innen besteht ganz grundsätzlich daraus, zu lernen, wie ich Geschichten in die Bahnen lenke, die ich haben will.
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Dem widerspreche ich auch, weil ich der Meinung bin, dass Autor*innen auf alles achten sollten und alles bewusst machen sollten. Ich sollte darauf achten, wen ich als stark und wen als schwach darstelle. Ich sollte darauf achten, wer stirbt und wer lebt, wer glücklich wird und wer tragisch endet. Rein über die Angehörigkeit zu bestimmten Gruppen hinaus sagen die Eigenschaften dieser Figuren viel darüber aus, welche Ansichten das Buch in dieser Hinsicht vertritt und welche Botschaft mein Buch am Ende hat, und jedes Buch hat eine Botschaft.
...
Als Autor*in sollte man meiner Meinung nach alles bewusst machen. Ich sollte auf alles achten. Das gehört dazu, wenn man gute Bücher schreiben will. Ich weiß nicht, was du für Bücher schreibst, aber in meinen Büchern passiert nichts rein zufällig. Ebenso sollte ein Tod nie zufällig sein sondern ich sollte bewusst entscheiden, wessen Tod dem Narrativ gerade am meisten nützt.
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Aber ich als Autorin bestimme, mit welchen Figuren meine Figuren interagieren. Ich gebe ihnen Eigenschaften, die zum bestimmten Ausgang einer Interaktion führen. Die Figuren bestimmen nichts selbst, das mache am Ende einfach nur ich allein. Und ebenso bestimme ich, wer zu welcher marginalisierten Gruppe gehört.
Den Punkt würde ich dann eher unter methodische Fragen stellen. Aber wenn man das alles beachtet, ist man länger damit beschäftigt, zum plotten und zu planen als zu schreiben. Deine Methodik widerspricht nach meiner Auffassung - korrigier mich, wenn es anders gedacht war - sämtlicher Vorgehensweise von intuitiven und Bauchschreibern. Wie will man all diese Punkte beachten, wenn man nach Gefühl schreibt? Und es gibt sicherlich genug gute Autoren, bei denen das so funktioniert.

Um jetzt zurück zum eigentlichen Thema zu kommen: Gibt man dem Charakter von Anfang an Fähigkeiten und versteckte Kräfte mit, die ihn eben vor dem Exitus schützen, ist das eine Sache, auch wenn das schnell in die Hose gehen kann. Da ist es meiner Meinung nach entscheidend, dass es nicht egal ist, warum der Charakter einfach nicht stirbt. Aber manche Charaktere einfach zu schützen, ohne dass es aus der Geschichte heraus sinnig ist, bewirkt genau das Gefühl, dass da Plot Armor im Spiel ist und da kommt ganz schnell der Eindruck mit, dass der Autor es nicht auf die Reihe bekommt, die Geschichte sinnig zu schreiben oder es einfach nicht will.

Yamuri

Ich denke, dass es sehr wichtig ist beim Plot Amor, dass es auch zum Plot passt. Einfach mal so jemanden überleben lassen, das finde ich nicht gut. Bei Buffy hatte ich das Gefühl, dass auf biegen und brechen eine 6. und 7. Staffel her sollten und daher Willow die Jägerin durch einen Zauber wiederbelebte, zu einem entsprechenden Preis. Das fand ich überhaupt nicht gut, obwohl Staffel 6. und 7. nicht zwingend schlecht waren. Sie fühlten sich nur so an, als habe man etwas erzwingen wollen. Dabei war Buffys heldenhaftes Opfer in Staffel 5 ein starker und guter Abschluss, auch mal einer bei dem ein Hauptcharakter am Ende stirbt und keinen Plot Amor hat. Das fand ich stimmig und gefällt mir durchaus auch bei ostasiatischen Serien, dass dort Hauptcharaktere nicht sicher sind und eben sterben können bzw. sich opfern. Wenn es natürlich zu oft vorkommt, dann ist es auch zu viel. Das richtige Mittelmaß ist da ein guter Ansatz, denke ich.

Einem Chara Plot Amor zu verpassen, nur weil er in unserer Realität einer marginalisierten Gruppe angehört, halte ich für zu kurz gedacht. Ich würde einem Chara immer dann Plot Amor verpassen, wenn der Chara auch in der Geschichte einer marginalisierten Gruppe angehört, nicht aber, wenn er nur in der Realität, aber in der Geschichte selbst keiner marginalisierten Gruppe angehört. Allerdings will ich queere Menschen grundsätzlich nicht töten, weshalb in einem meiner Projekte ein Chara, der mir durchs Charawichteln zugespielt wurde, automatisch Plot Amor bekam und sogar eine Funktion erhalten hat, die diesen Chara wohl zu einer der wichtigsten Personen im ganzen Projekt überhaupt macht. Dieser Chara wurde ohne, dass ich das bewusst so wollte, im Laufe des letzten NaNo zur Personifikation der Hoffnung, die, solange sie lebt, das Schicksal aller anderen nachhaltig verändern kann. Der Grund, warum queere Charas immer Plot Amor bekommen bei mir ist relativ simpel. Es hat mich immer gestört, dass queere Charaktere in vielen Büchern/Filmen, die ich konsumiert habe, immer sterben mussten. Daher kann ich das nicht leiden und sie überleben bei mir immer.

Generell vermeide ich allerdings das Töten. Wenn es nicht zwingend notwendig ist, dass ein Chara sterben muss, dann sterben sie normalerweise nicht sooo leicht. Das liegt auch mit daran, dass der Tod für mich Erlösung, Frieden, Ruhe bedeutet. Und den verdient schlicht nicht jeder. Ich möchte ungern die Botschaft senden, dass der Tod eine Bestrafung ist, auch wenn er das in einem Fall  in einem meiner Projekte leider ist, weil der Char so viel Mist gebaut hat, dass andere Charas nicht darum herumkommen, ihn zu verbannen, was letztlich seinen Tod zur Folge hat. Ich möchte zeigen, dass das Leben wesentlich schwerer ist und mit Schuld weiterleben zu müssen, eine viel größere Bürde ist, als einfach mal eben zu sterben. Das ist zu leicht. Daher wird in einem anderen Projekt ein sehr böser Chara auch nicht sterben. Der Tod wäre viel zu gnädig.
"Every great dream begins with a dreamer. Always remember, you have within you the strength, the patience, and the passion to reach for the stars to change the world."
- Harriet Tubman

Mondfräulein

Zitat von: Wintersturm am 30. März 2022, 18:20:54Aber dazu habe ich eine kleine Frage zum Nachdenken: Wenn man diese Charaktere nicht als außergewöhnlich oder besonders betrachten will, warum macht man sich dann überhaupt einen Kopf darum, ob sie zum Tod kommen?

Ich verstehe, dass der Gedanke erstmal total logisch erscheint, aber ich glaube dennoch, dass die Argumentation nicht ganz hinhaut. Was bedeutet es, Figuren als gleichwertig zu betrachten? Alle Menschen haben denselben Wert und niemand ist mehr wert als jemand anderes, egal zu welcher Gruppe er*sie gehört. Davon bin ich fest überzeugt. Betrachte ich deshalb alle Figuren als gleich und niemanden als besonders? Nein. Zum einen, weil ich auch immer darauf schaue, was ich von den Figuren für den Plot brauche, genauso wie ich anders herum schaue, welchen Plot ich brauche, um die Charakterentwicklung meiner Figuren voranzubringen. Zum anderen, weil ich nicht glaube, dass wir diese Form der Gleichberechtigung schon erreicht haben, die wir anstreben. Um Verhältnis dazu, wie unsere Welt in echt aussieht, sind die Protagonist*innen vieler Werke sehr weiß-cis-hetero. Dadurch, dass es so wenig Repräsentation gibt und davon nochmal so viel schlechte Repräsentation, die schädliche Stereotype verbreitet, sind die Startbedingungen einfach nicht gleich. Ich achte darauf, wen ich töte, um diese Ungleichheit etwas auszugleichen.

In den allermeisten Fällen ist das auch ziemlich problemlos möglich. Ein Beispiel, das mir einfällt, ist Talus von Liza Grimm. Spoiler für Band 1 (und Achtung, ich mochte das Buch nicht besonders):
Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.


Zitat von: Wintersturm am 30. März 2022, 18:20:54
Den Punkt würde ich dann eher unter methodische Fragen stellen. Aber wenn man das alles beachtet, ist man länger damit beschäftigt, zum plotten und zu planen als zu schreiben. Deine Methodik widerspricht nach meiner Auffassung - korrigier mich, wenn es anders gedacht war - sämtlicher Vorgehensweise von intuitiven und Bauchschreibern. Wie will man all diese Punkte beachten, wenn man nach Gefühl schreibt? Und es gibt sicherlich genug gute Autoren, bei denen das so funktioniert.

Auch wenn ich intuitiv schreibe, läuft das ja anders ab als zum Beispiel bei einem Rollenspiel. Wenn ich irgendwann merke, dass ich mich in eine Position geschrieben habe, aus der eine Figur nicht mehr heil herauskommen kann, sollte ich überlegen: Macht das an dieser Stelle für die Figur und für die Geschichte Sinn? Wenn nicht, dann muss ich oft nochmal einen Schritt zurückgehen und zum Beispiel einen Rettungsanker einbauen oder einen Weg finden, die Figur gar nicht erst in dieser Situation zu bringen. Klar sollte das dann nicht auf Deus ex machina hinauslaufen, aber dann muss ich bestimmte Dinge eben in der Überarbeitung früher etablieren. Wenn meine Figur irgendwann in einem Gefängnis sitzt und hingerichtet werden soll, kommt mir vielleicht die Idee, dass einer der Wächter ihr bei der Flucht hilft. Aus dem Nichts wirkt das unlogisch, aber wenn ich nochmal zurück gehe und eine Szene einbaue, in der meine Figur eben diesen Wächter vor dem Tod rettet, macht es auf einmal Sinn und fühlt sich für die Leser*innen befriedigend an. Intuitiv zu schreiben bedeutet ja nicht, dass ich mir gar keine Gedanken mache und alles einfach fließen lasse um zu schauen, was hinterher dabei herauskommt und das dann zu veröffentlichen. Da findet eben nicht so viel Plotarbeit vorm Schreiben statt, dafür aber währenddessen oder bei der Überarbeitung.

Zitat von: Wintersturm am 30. März 2022, 18:20:54Um jetzt zurück zum eigentlichen Thema zu kommen: Gibt man dem Charakter von Anfang an Fähigkeiten und versteckte Kräfte mit, die ihn eben vor dem Exitus schützen, ist das eine Sache, auch wenn das schnell in die Hose gehen kann. Da ist es meiner Meinung nach entscheidend, dass es nicht egal ist, warum der Charakter einfach nicht stirbt. Aber manche Charaktere einfach zu schützen, ohne dass es aus der Geschichte heraus sinnig ist, bewirkt genau das Gefühl, dass da Plot Armor im Spiel ist und da kommt ganz schnell der Eindruck mit, dass der Autor es nicht auf die Reihe bekommt, die Geschichte sinnig zu schreiben oder es einfach nicht will.

Ich glaube, vielleicht sind wir uns hier auch einfach nicht einig darüber, was Plot Armor ist. Plot Armor ist meiner Meinung nach, wenn Figuren dadurch geschützt werden, dass der Plot sie lebendig und/oder unversehrt braucht. Wir sind uns glaube ich alle einig darüber, dass wir in der Geschichte immer noch logisch begründen müssen, warum sie eine Situation überleben und nicht sterben. Worüber wir glaube ich gerade diskutieren, ist weniger die Umsetzung als die Gründe, warum wir Figuren schützen.

AlpakaAlex

Zitat von: Yamuri am 30. März 2022, 18:44:57
Einem Chara Plot Amor zu verpassen, nur weil er in unserer Realität einer marginalisierten Gruppe angehört, halte ich für zu kurz gedacht. Ich würde einem Chara immer dann Plot Amor verpassen, wenn der Chara auch in der Geschichte einer marginalisierten Gruppe angehört, nicht aber, wenn er nur in der Realität, aber in der Geschichte selbst keiner marginalisierten Gruppe angehört.
Das geht ein wenig am Sinn der Übung vorbei. Bei dem "marginalisierte Gruppe bekommt Plot Armor" geht es am Ende darum, dass reale marginalisierte Gruppen sehr, sehr wenig Repräsentation in der Fiktion sehen - und die Repräsentation, die sie häufig sehen, eben dann stirbt. Das ist eben dann schlimmstenfalls retraumatisierend und auch sonst fühlt es sich einfach beschissen an, wenn man eben sich eh nur mit einer Figur identifiziert und die dann stirbt. Das impliziert für Leute, je nachdem, wie es passiert, entweder ein "Du bist weniger wert, weil du XY bist" oder "Du musst dafür bestraft werden, dass du XY bist" - selbst wenn es von Autor*innen nicht so beabsichtigt ist.

Wie gesagt: Immer mit dem Kaviat, dass es nur gilt, wenn Leute aus der marginalisierten Gruppe eben die Ausnahme sind. Technisch gesehen könnte ich bspw. bei Mosaik, wo ich nur einen Quoten-Heten habe (also alle Figuren queer sind) eine queere Person killen, ohne, dass es groß dramatisch wäre. (Ich mache es nur dennoch halt nicht, weil ich einfach keine Geschichten schreiben mag, wo Hauptfiguren sterben.)

Zitat von: Mondfräulein am 30. März 2022, 18:52:16
In den allermeisten Fällen ist das auch ziemlich problemlos möglich. Ein Beispiel, das mir einfällt, ist Talus von Liza Grimm. Spoiler für Band 1 (und Achtung, ich mochte das Buch nicht besonders):
Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.

Uff. Ja. JA!
Talus:
Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.


Allgemein muss ich sagen: Das Buch hätte dringend Sensitivity Reading gebraucht. >.<

Wobei ich auch immer noch sagen muss ... Ich weiß nicht, wie ich als Beispiel ein Buch von jemanden hier einbringen darf. Aber es gab auch von hier einen Roman, der in einem Land spielte, wo kaum jemand weiß ist. Nun haben wir bei 4 Protas 3 weiße Figuren. Der eine BI_PoC stirbt. Ähm, ja, das war sehr ungünstig, in meinen Augen.
 

Yamuri

#24
@AlpakaAlex

Ich glaube du hast mich da missverstanden oder ich habe mich sehr unklar ausgedrückt.

Was ich meine ist: Wenn in der Realität ein Chara zwar einer marginalisierten Gruppe angehört, aber in einem Roman ist dieser Charakter Bestandteil der Mehrheit, dann würde ich ihm keinen Plot Amor geben. Beispiel: Ich schreibe eine Geschichte in der vorwiegend Charaktere vorkommen, die in der Realität einer marginalisierten Gruppe angehören - sagen wir mal Bi_PoC, die aber in der Geschichte die Mehrheit darstellen. Dann würden in diesem Fall die Bi_PoC den Plot Amor verlieren, weil sie ja die Mehrheit sind oder genug Repräsentation haben. Wenn in der Geschichte Leute aus marginalisierten Gruppen die Ausnahme sind, dann hätten sie Plot Amor.

So verständlicher, wie ich es meine? :)

Aber wie gesagt, ich mag es grundsätzlich nicht Charas zu töten. Ich mache das nur sehr selten, einfach weil der Tod für mich eine Erlösung darstellt, die nicht jeder verdient hat.

Edit:  Noch ein Beispiel -> In einer Geschichte in der z.B. fast ausschließlich Chines:innen vorkommen, wäre es problematisch, wenn dann die einzigen nicht-chinesischen Charaktere sterben würden. Das würde nämlich dann die Botschaft senden: Minderheiten sind weniger Wert als die Mehrheit und es ist okay, wenn die sterben. Daher würden in einer solchen Geschichte die chinesischen Charaktere keinen Plot Amor bekommen und könnten sterben, weil sie die Mehrheit in der Geschichte repräsentieren. Kommt wie in meiner Angara Geschichte aber nur ein Bi_PoC Chara vor und ist derjenige auch noch die Hauptfigur, dann hat er logischerweise Plot Amor. Aber siehe oben - der Tod ist bei mir normalerweise keine Option, weil ich die Botschaft der Tod sei eine Bestrafung grundsätzlich ablehne und versuche zu vermeiden.

Edit 2: Und ich glaube, dass wir eigentlich dasselbe denken, nur über zwei unterschiedliche Themen gesprochen haben. Ich sprach von dem Fall, was wäre, wenn Bi_PoC, die Mehrheit in einem Roman sind, du sprachst davon, was ist, wenn sie die Ausnahme sind. Und da bin ich ganz bei dir. Wenn sie die Ausnahme sind, haben sie Plot Amor. :)
"Every great dream begins with a dreamer. Always remember, you have within you the strength, the patience, and the passion to reach for the stars to change the world."
- Harriet Tubman

Rhiannon

Hmm, ich glaube, die Diskussion hat sich hier auf zwei unterschiedliche Punkte fokussiert. Zum einen die Plot Armor des Helden, zum anderen die Plot Armor der Angehörigen marginalisierter Gruppen. Wobei da natürlich Überlappungen stattfinden können, so der Held zugleich auch marginalisiert ist.

Ich sehe bei meiner eigenen Tätigkeit eher einen Unterschied zwischen verschiedenen Genres. Schreibe ich Fluff, würde ich nie auf die Idee kommen, irgendeine Figur umzubringen. Schreibe ich allerdings z.B. Dystopien oder brutalere Stoffe, bringe ich auch Figuren um, auch Protagonisten, so ich mehrere davon habe.

Ich stimme zu, dass es einen sehr schlechten Eindruck hinterlässt, wenn die einzige queere Person, die einzige BIPoC oder die einzige auf eine andere Art marginalisierte Person zugleich auch das einzige Todesopfer oder eines von ganz wenigen Todesopfern. Das signalisiert entweder, dass ein Abweichen von der "Norm" verkehrt ist und so bestraft wird, oder aber dass man auf das unglaubliche Trauma dieser Figur dann auch noch den Tod draufsetzen muss.
Da sehe ich aber auch das Problem, warum genau es nur eine marginalisierte Figur gibt. Selbst wenn man mit einem begrenzten Cast arbeitet, agiert der ja nicht im Vakuum, D.h. es ist möglich dass es zum Beispiel die zwischendurch erwähnten queeren Freunde einer wichtigen Figur gibt, so dass klar wird, dass die marginalisierte Figur kein Regenbogeneinhorn ist.
Baut man seine Welt so auf, dürfen in meinen Augen auch die marginalisierten Figuren sterben. Ansonsten reduziert man sie in meinen Augen auch wieder auf ihre Marginalisierung (in diesem Falle, dass sie dadurch nicht sterben dürfen). Denn wenn ich jetzt zum Beispiel den Fall habe, dass sich eine Figur für eine andere opfert (manchmal muss das sein) sagt das viel über den Charakter der Figur aus. Wenn diese Figur das aber aufgrund ihrer Marginalisierung nicht mehr tut, weil das anders geschrieben wird, würde dies ja auch die Aussage beinhalten, dass die Marginalisierung die Figur negativ beeinflusst, weil zum Beispiel der Charakter nicht mehr selbstlos handelt.

Weiterhin sollte man in meinen Augen bedenken, dass Helden meist ohnehin eine gewisse Plot Armor haben, weil sie ein gefährlicheres Leben führen, als Otto Normalo und dadurch statistisch gesehen das Ende ihrer Geschichte häufig gar nicht mehr erleben dürften. Von daher ist sie bei actionreicheren Geschichten in meinen Augen ohnehin ein wenig gegeben, von daher betrachte ich Plot Armor als Phänomen eher dann, wenn sie auffällig wird, d.h. über das routinierte Überstehen von "Alltagsgefahren" hinausgeht.

Zusammengefasst: Plot Armor muss nichts Schlechtes sein, wenn ich etwas Fluffigeres schreiben möchte, schadet in meinen Augen aber mehr, als sie nutzt, wenn sie bei düstereren Sachen auffällig wird.