Ich komme noch einmal zurück zu Wilhelm Tell. Schiller hat keine Redewendungen benutzt, er hat welche erschaffen. Das könnte für jeden Autor, der befürchten muss, nicht über die Sprachgewalt eines Schillers zu verfügen, ein Problemchen schaffen. Was soll er denn nun tun? Es Schiller gleichtun oder versuchen, es mit ihm aufzunehmen. Oder resignieren und gleich ganz auf Redewendungen zurückgreifen?
Der Leser mag keine Redewendungen. Bestenfalls verzeiht er sie, wenn sie nicht zuhauf auftreten.
Der Leser mag aber auch keine neuen Formulierungen, die bemüht klingen, so wie es @ Alina für sich bestätigt hat.
Ich befürchte, es gibt keinen sicheren Ratschlag. Mein Weg war es: Ich nehme es mit Schiller auf. Glücklicherweise ist es nicht ganz so schwierig, einzelne starke Formulierungen zu finden, wie gleich ein ganzes Drama zu schreiben. So war mein Scheitern nicht gleich vorprogrammiert. Aber starke Sätze zu schreiben, ist Teil des Handwerks, das ein Autor einigermaßen beherrschen sollte, und er sollte wissen, dass das auch mal ins Auge gehen kann.
Und noch ein Gedanke. Nicht jede Geschichte, nicht jeder jeder Stil, nicht jeder Text verlangt nach starken Worten. Er kann auch leise, beinahe lautlos einherkommen und braucht dann auch keine Redewendungen. Denn jede Redewendung war einmal ein starkes Wort. Und wer Redewendungen einsetzt, sollte sie auch kennen und verstehen.
Beispiel: "Er nahm ihm den Wind aus den Segeln" ist eine gängige Redewendung, die aber heute fast nur noch übertragen gebraucht wird. Das kann ein heutiger Autor bestimmt besser. Mit anderen Worten: Diese Redewendung würde ich in jedem Fall vermeiden, weil die einstmals starken Worte schwach geworden sind.
Liebe Grüße
Trippelschritt