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Kapitelüberschriften

Begonnen von Mondfräulein, 08. Juli 2023, 13:25:21

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Mondfräulein

Ich habe persönlich nie Kapitelüberschriften benutzt. Manchmal gebe ich zu Beginn die Perspektive an, aus der das Kapitel geschrieben ist, meistens nummeriere ich die Kapitel nur. Jetzt lese ich aber in letzter Zeit immer wieder Bücher mit Kapitelüberschriften (sowohl New Adult als auch Fantasy) und ich frage mich, ob ich da nicht vielleicht doch etwas verpasse.

Manche Kapitelüberschriften beziehen sich eher auf das Gefühl des Kapitels, auch gerne mit englischen Phrasen oder Zitaten aus Liedern. Manche Kapitelüberschriften beziehen sich konkret auf die Handlung ("Ein unerwartetes Angebot", "Der Hinweis"). Extrem ist die Adrien Mayfield Reihe von Floortje Zwigtman, dort gibt es vor jedem Kapitel eine Zusammenfassung in Stichworten.

Mich persönlich reißen Kapitelüberschriften ehrlich gesagt eher raus und ich bin besonders kein Fan der beschreibenden Überschriften. Ich verstehe den Sinn ehrlich gesagt nicht, denn wenn in einem Kapitel ein unerwartetes Angebot gemacht wird, dann werde ich das ja mitbekommen, wenn ich es lese. Irgendwie empfinde ich das auch als Spoiler.

Aber sie scheinen beliebt zu sein, deshalb würde ich gerne hören, was ihr davon haltet. Was haltet ihr von Kapitelüberschriften? Wie kann man sie gut umsetzen? Welche Umsetzung findet ihr weniger gut? Ich bin gespannt!

Maja

Wenn ich für Erwachsene schreibe, sind meine Kapitel nur stumpf durchnumeriert. Anders verhält sich das im Kinderbuch - da sind Kapitelüberschriften deutlich verbreiteter, und in "Unten" sind die Kapitel so kurz und dementsprechend so viele, dass ich sie mit Stichwörtern betitelt habe, um selbst noch zu wissen, was in welchem Kapitel passiert. Diese Stichwörter - überwiegend ein-Wort-Titel haben es am Ende ins fertige Buch geschafft und passen da auch wirklich gut hinein. Im Erwachsenenbuch würde ich ein Kapitel mit dem Namen "Bohnensuppe" eher nicht erwarten.

Nun arbeite ich nach jahrelanger Pause wieder an meinen "Chroniken der Elomaran" und verwende, intern für mich, Kapitelüberschriften. Die habe ich ursprünglich auf der Webseite zum Buch eingestellt, wo es den ganzen Text zu lesen gab (bzw. Stand heute immer noch gibt, aber die Seite geht demnächst offline), weil ich einen höheren Klick-Anreiz für die Unterseiten haben wollte als nur "Erstes Kapitel", und darum kleine Teaser, später gefolgt von kapitelweisen Klappentexten, eingerichtet habe. Nach zwölfjähriger Arbeitspause waren diese Überschriften für mich super, um wieder eine Orientierung zu bekommen, was wann und wo im Buch passiert, und ich habe sie in Scrivener übernommen.

Diese Kapitelüberschriften sind blumiger und nicht so generisch wie bei "Unten", und ich mag sie - teilweise zitieren sie andere Bücher, sind Anspielungen auf Filme etc., sie sollten keine richtigen Spoiler sein, sondern neugierig machen. Aber ins fertige gedruckte Buch (also in das Manuskript, das irgendwann mal an die Verlage gehen wird) schaffen sie es nicht. Dafür sind sie mir zum Teil zu flapsig geraten, und vor allem ist mein Anspruch ein anderer - ich will keine Klicks auf Kapitel generieren, ich will einfach nur meine Geschichte erzählen, und dafür brauchen meine Kapitel keine Überschriften.

Aber vielleicht entscheide ich mich da noch um. Diese epische Reihe hat noch viel Zeit und Arbeit vor sich. Und auch wenn ich jetzt keine neuen Kapitel mehr auf der Webseite einstelle, bekommt immer noch jedes, zumindest intern, einen Titel. Zauber der Reihe - ich habe damit angefangen und ziehe das jetzt durch, und ich habe Spaß daran, mir für jedes Kapitel etwas passendes einfallen zu lassen.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Arcor

Ich habe früher immer Kapitelüberschriften verwendet (Vorbild Herr der Ringe) und mir teilweise tagelang den Kopf nach tollen, vielschichtigen, nicht-spoilernden, aber neugierig-machenden Titeln zerbrochen. Es hat teilweise Spaß gemacht und ich finde gut gemachte Kapiteltitel auch echt toll - ich musste aber einsehen, dass ich nur selten gut darin bin. Es war oft eher ein Krampf und mitunter war ich mit dem Ergebnis auch nicht sehr zufrieden, deswegen nummeriere ich inzwischen nur noch.

Aber wer da ein Händchen für hat, darf sich da auf jeden Fall austoben. Mich persönlich reißen sie nicht raus, es sei denn, sie spoilern oder sind so kryptisch, dass ich auch nach dem Lesen nicht weiß, warum sie überhaupt gewählt wurden.

Not every story is meant to be told.
Some are meant to be kept.


Faye - Finding Paradise

Barra

#3
Ich hab tatsächlich meistens "Nonsens"-Überschriften im Arbeitsmodus. Weiß noch nicht, ob die drin bleiben werden. Aber meine Lektorin fand einige davon sehr treffend, daher denke ich, die können schon schön sein.  :hmmm:
Hauptsache pro Buch (Reihe) bleibt es bei einem Stil. Also nicht: Oh, für dieses Kapitel hab ich eine tolle Überschrift, die nächsten fünf sind dann aber 2., 3., 4., ...
Persönlich brauche ich sie nicht beim Lesen (auch nicht im Kinderbuch beim Vorlesen, für Kinder, die selber lesen, ja vielleicht schon wieder eher). Ich find sie oft auch störend. Vor allem, wenn es ein Pageturner ist. Überschriften sind fett und größer und hindern mich daran einfach weiterzulesen. Sie wollen, dass ich warte und diese Aussage wirken lasse. Wie viele von den Überschriften sind dann richtig toll oder wirklich passend zum Kapitel? Wie viele Kapitelüberschriften bleiben im Gedächtnis? Mir fällt jetzt nicht mal ein Beispiel ein, um zu sagen: Hier fand ich sie richtig toll! Das erschafft auch einen zusätzlichen Druck: Alle 20 Kapitel müssen auch entsprechend prägnante Überschriften haben, wenn die einfach nichtssagend sind, was soll ich als Leserin dann damit?

Denke da verpasst du nichts, es sei denn da ist eine relevante Information drin. Ist die Frage eben: Was ist relevant?
In meinem Fall, soll der Tonus des Buches damit wiedergegeben werden, es soll auflockern, aber nicht das Kapitel zusammenfassen und auf keinen Fall "doppeln".

Wie soll ich das erklären? Hm. Sagen wir spontan: Im Kapitel sitzt Prota im Zug und da passiert nicht viel, bis auf das nicht unwichtige Detail, dass sie jemand verfolgt und im Sitz hinter ihr sitzt und er ihr nur auffällt, weil der Kontrolleur diese fremde Person auffordert das Ticket zu zeigen, diese aber gar keins hat, woraufhin alle umsitzenden aufmerksam werden.
-> Schlechte Überschrift: "Verfolgt" oder "Zugfahrt" (Spoiler/ Dopplung)
-> Meine Überschrift: "Kein Ticket" (weil das mein Lieblingszitat aus dem Film "Dogma" ist, aber erkennen andere das auch, oder ist das nur für mich witzig?)
-> Gute Überschrift: "Bitte aussteigen" (Wer? Wo? Warum? Oh, das "verspricht" interessant zu werden.)

Wisst ihr was ich meine? Es ist schon schwer genug einen (Unter)Titel für das Buch zu finden, pro Kapitel hat es dann wieder ganz eigene Hürden. Deswegen glaube ich nicht, "dass ich was verpasse", wenn ich sie nicht nutze.
Wie immer gilt: Ich bin nicht die Durchschnittsleserin, meine Meinung liegt vielleicht ab vom Trend oder anderer Wahrnehmung.

Nachtrag:
In meinem Beispiel oben, hab ich ein "Zitat" jetzt benutzt. Ich wüsste nicht einmal, ob ich das nicht tatsächlich jetzt irgendwo angeben müsste. :hmmm:
Wirklich schlimm empfinde ich Kapitelüberschriften aber in "Gedichtform" - also wenn da 'mehr' als nur eine Zeile steht. Ein Gedicht, was Autor*in inspiriert hat, interessiert mich einfach nicht. Wenn da vor jedem Kapitel son Absatz ist, bin ich ehrlich, ignoriere ich den einfach.
Mitgeflieferte "Playlist" als Kapitelüberschrift: Kann man ja mal machen. Ist irgendwie witzig, aber auch echt kein Muss.
Ich glaub richtig gut einsetzen kann man die Überschriften, zB bei so was wie "24 Stunden". Wenn man also bewusst zeigen will: Noch x Zeiteinheiten bis Ereignis Y. Dann ist es eine sehr relevante Information.
In meinem Projekt "Anonyme Antagonisten" habe ich auch welche drin - die waren mehr so angelehnt an typische, klischeehafte Episodentitel. "Der, die das (Ort, Ereignis etc)" oder "Name, Eigenschaft, Handlung". Sollte halt absichtlich plump sein. Aber selbst da weiß ich nicht, ob die drin bleiben würden.

Mein Edelmann wirft grad ein: Die Überschriften in "METRO" gefallen ihm sehr. Hab mal reingeschaut, ja die scheinen auf den ersten Blick (hab das dicke Ding nicht gelesen) ganz tauglich. "Kein Durchgang!" war eine zum Beispiel.
Negativbeispiel: Chris Wodding:
"DREI - Ein komischer Haufen - Ein Abend in der Stadt - Frey ist melancholisch"
"ACHTUNDZWANZIG - Stille Landung - Beunruhigende Indizien - Ein Junge - Oldrew Sprine"
Ja, das sind einfach keine Überschriften, so klingen bei mir die Szenentitel bei Papyrus Author.

SebMeissner

Meist lese ich Kapitelüberschriften nicht einmal, außer in Kinderbüchern, wenn sie das Vorlesen würzen. Im Manuskript benutze ich zur Orientierung immer Zahl-Perspektive-Stichwort.
In Büchern mag ich es, wenn Kapitelkennungen orientieren. Z.B. wenn die Perspektive genannt oder mit Symbol gekennzeichnet wird oder Zeitmarkierungen, wenn diese passen.
Aber letztlich kommt es auf die Komposition an. In einem Manuskript, das ich derzeit gegenlese, spinnt die Autorin durch die Kapitelüberschriften eine stimmungsvolle zusätzliche Textebene (in etwa: "was die Prota nachts um 2 dazu denken, sich aber im Wachen nie eingestehen würde"). Das verfließt super mit der Erzählung.

Mondfräulein

Mir ist eben noch ein Beispiel eingefallen, das ich eigentlich gut fand (die Überschriften, nicht das Buch selbst): In Blue Seoul Nights von Kara Atkins steht über jedem Kapitel ein koreanischer Begriff mit Übersetzung. Das fand ich eigentlich ganz charmant, weil das Buch in Korea spielt, irgendwie hat das gepasst. Eine Vokabel für jedes Kapitel.

Sehr vage Kapitelnamen finde ich ehrlich gesagt besser als konkrete. Zum Beispiel eine koreanische Vokabel. Ich mag es auch, wenn man ein durchgängiges Thema erkennt. Zum Beispiel in einem Buch über eine Künstlerin, in dem jedes Kapitel nach einem Farbton benannt ist. Oder eine Grafikerin und jedes Kapitel ist nach einem Hex-Farbcode benannt. Oder eine Schreinerin und über jedem Kapitel steht eine Holzart und bestimmte Eigenschaften des Holzes. Oder eine Floristin und über jedem Kapitel steht eine Blume und ihre Bedeutung in der Blumensprache. Ich mag es, wenn ich nachdenken muss, bis sich mir der Zusammenhang zum Kapitel erschließt, aber vor allem das kohärente Thema gefällt mir dann.

Was mir nicht gefällt, ist wenn eine Überschrift neugierig machen soll. Ich weiß auch nicht, warum mich das so raus reißt, aber irgendwie reißt es mich raus, und ich habe noch nie ein Beispiel gesehen, in dem das funktioniert hat und mich eine Überschrift wirklich neugierig gemacht hat.

In meinem Manuskript habe ich während der Bearbeitung aber tatsächlich auch Überschriften, aber ich glaube, die zählen nicht, weil sie wirklich nur dazu da sind, damit ich mich im Manuskript orientieren kann. Die sind so kreativ wie "Bibliothek I", "Bibliothek II", "Bibliothek mit Kaffee" und so weiter. Genug, damit ich weiß, welches Kapitel das ist, aber rein funktional.

Alana

Ich liebe Kapitelüberschriften, solange sie nicht spoilern, sondern eine Art Foreshadowing für das Kapitel sind. Leider wollten meine Verlage immer alle, dass ich keine Kapitelüberschriften nutze, sondern nur nummeriere.
Alhambrana

Malou

#7
Kapitelüberschriften sind so eine Sache, worüber sich meine Meinung geändert hat, seit ich selbst schreibe, was ich ja immer wieder lustig finde. Davor waren mir Kapitelüberschriften ehrlich gesagt ziemlich wurscht. Mit sicherlich ein paar Ausnahmen, wo sie gut gemacht waren, aber ja. Ehrlich gesagt fällt mir gerade auch kein einziges Beispiel ein. Etwas Ähnliches galt für Weltkarten (oje, bitte nicht erschlagen  :d'oh: ), wo ich nur am Anfang einen kurzen Blick darauf warf, um eine grobe Idee zu kriegen. Ansonsten hat sich die Welt für mich beim Lesen erschlossen. Aber seit ich selbst schreibe, finde ich solche Dinge plötzlich viel toller und werfe auch als Leserin einen gespannteren Blick darauf  :rofl: 

Aber tendenziell interessieren Kapitelüberschriften mich nach wie vor relativ wenig beim Lesen. Witzigerweise: Wenn ich an meine eigenen Projekte denke, sehe ich manchmal vor meinem inneren Auge, wie ich geniale Kapitelüberschriften oder spezielle Kapiteleinstiege entwerfe (z. B. Gedichte) und alle Leser das total super finden, wie gut durchdacht das alles doch ist und welche Easter Eggs sie womöglich entdecken und so weiter und so fort. Da kommt also manchmal die Träumerin in mir durch, braucht man auch mal  ;D  Wenn ich allerdings bedenke, wie viel Arbeit das vermutlich ist, sich darüber Gedanken zu machen und wie wurscht es den meisten Menschen doch in der Tat ist... Weiß ich nicht, ob ich es machen werde. Kommt vermutlich auch auf das Projekt an, kann man nicht pauschalisieren. Je nach POV und Erzählstimme könnte es passen und dann findet man vielleicht schneller etwas.

Ich hasse allerdings Spoiler, was einer der Gründe ist, weswegen ich Kapitelüberschriften oft gekonnt überspringe. Ich will gar nicht vorher wissen, was passiert, man kann mich da nur ganz schlecht mit nem Spannungs-Argument ködern - und selbst etwas verschleierte Überschriften geben einem doch eine Vorstellung davon, was kommt. Meistens mag ich das also nicht und es kommt auch keine (gute) Spannung auf, sogar wenn da sowas Skandalöses stünde wie "Wird erschlagen". Denke dann eher "Ach nee. Jetzt kann ich mich ja gar nicht mehr auf den Rest konzentrieren, sondern lese jetzt gestresst und schnell um rauszufinden, wer erschlagen wird. Und dann ist es am Ende eine Metapher für irgendwas und niemand wird erschlagen." Ich mag daher viel lieber poetischere Überschriften oder Einstiege wie Gedichte, oder Mini-Nebenhandlungen wie die Tagebucheinträge in Band 1 der Nebelgeborenen, die an jedem Kapitelanfang zu finden waren und die Geschichte in dem Tagebuch weitergesponnen haben. Gut finde ich auch den Hinweis, an welchem Ort und in welchem POV man sich befindet, ggf. in welcher Zeit. Alles, was da in dem Roman halt Sinn macht. Das ist wirklich extrem hilfreich, wenn man ein Buch nicht am Stück lesen kann oder sich trotz viel Stress im Alltag nen High Fantasy Schinken vornimmt, obwohl man befürchtet, das Hirn könne sich das alles gerade gar nicht merken, weil es eh schon einen Informationsoverload hat. Ich glaube, dass das alles wirklich recht individuell ist. Kein Leser stört sich an nummerierten Überschriften (glaube ich), während so einige sich doch an anderen Arten stören.
»Anders als die Kultur, die die Unterschiede zwischen uns betont, die Menschen und Gruppen voneinander trennt, verbindet die Natur uns miteinander. In ihr sind alle Menschen gleich.« (Der Gesang des Eises, Bakic)

Coppelia

#8
Ich glaube, ich bin da das Gegenteil von @Mondfräulein. Ich mag Kapitelüberschriften, die neugierig machen und mich anteasern. Für mich sind sie auch genau das: Miniteaser, die zur Atmopshäre des Romans beitragen. Jede quasi ein kleiner Titel wie der Gesamttitel für das Buch. Besonders mag ich es, wenn sie schön und kunstvoll gemacht sind. Ich schreibe aber auch selbst (eigentlich) keine Schnelllesebücher.
Zahlen geben mir überhaupt nichts (ich habe aber auch Dyskalkulie), ich wäre auch nicht auf die Idee gekommen, dass ein Verlag ausschließlich nummerierte Kapitel verlangt. War bei meinen Verlagen (auch Knaur) nie Thema. Mich stören Zahlen pur eher und reißen mich aus der Geschichte raus. Die Info, das wievielte Kapitel ich lese, hat keinen Wert für mich, da wäre mir ein Symbol oder so zur Trennung der Kapitel lieber. Daher ignoriere ich die Zahl dann einfach.
Wobei ich denke, es gibt Genres und Settings, zu denen Zahlen tatsächlich besser passen, z. B. Thriller in modernen Settings.

Kennt ihr die genialen Kapitelüberschriften von E.T.A. Hoffmann, z. B. aus "der Goldene Topf"?

- Melancholie des Studenten Anselmus. – Der smaragdene Spiegel. – Wie der Archivarius Lindhorst als Stoßgeier davonflog und der Student Anselmus niemandem begegnete.

- Die Bibliothek der Palmbäume. – Schicksale eines unglücklichen Salamanders. – Wie die schwarze Feder eine Runkelrübe liebkosete und der Registrator Heerbrand sich sehr betrank.
Ich habe die schon als Kind kennengelernt, und es hat mich geprägt. ;D Bestimmt finden einige hier sie total blöd. Für mich sind das geniale kleine Kunstwerke, auch wenn ich selbst natürlich keine in der Art verwenden würde. Wobei ich gerade die Überschriften von Wodding sehe, die @Barra als Negativbeispiel genannt hat – das ist hier offenbar ein ähnlicher Ansatz.
Ein anderes Vorbild von mir in Sachen Kapitelüberschriften ist Tad Williams, die gefallen mir auch oft sehr gut.

Selbst verwende ich gern Dinge, die Figuren sagen und die eine Bedeutung für den Text haben, als Überschriften des Kapitels. Z. B. "Auf dem Rücken des Windes", "Eine herzerwärmende Abnormität", "Traurige Augen", "Lasst mich nicht los", "Ein kalter Wind in den Bäumen" usw. Spoiler nein, Teaser ja. Und ggf. Gelegenheit für einen Hauch Poesie.
Tatsächlich hab ich für das Kapitel "Eine herzerwärmende Abnormität" sogar mal ein positives Feedback zu der Überschrift von einem Leser bekommen.

Bisher bin ich nicht auf die Idee gekommen, dass meine Kapitelüberschriften jemanden stören könnten. Na gut, jetzt weiß ich das. ;D Recht machen kann mensch es ohnehin nicht allen. Ich werde auf jeden Fall dabei bleiben. Wer's nicht mag, darf es gern ignorieren, wie ich die Zahlen ignoriere.
Zahlen gibt es bei mir zusätzlich für alle, die sie sich wünschen.

Maja

Ach, @Mondfräulein, da hast du was mit mir gemacht! Ohne diesen Thread hätte ich mir nie lang Gedanken über meine Kapitelüberschriften gemacht, aber jetzt, wo ich mich mit ihnen auseinandergesetzt habe, gefallen sie mir immer besser, und ich habe angefangen, sie bei meinen "Chroniken der Elomaran" in den Buchblock reinzubasteln. Musste erstmal ein bisschen rumkniffeln, wie ich das mit Scrivener am besten umsetze, weil ich immer noch "Erstes Kapitel" drüberstehen haben wollte, aber jetzt hat es geklappt, und ich erfreue mich meiner Kapitelüberschriften.

Zumindest für meine Ebooks für den privaten Gebrauch habe ich die Überschriften jetzt also wieder im Spiel. Und ich mag sie wirklich. Langfristig sehe ich das Problem mit ihnen, dass sie zum Teil popkulturelle Anspielungen enthalten - zum Beispeil heißt ein Kapitel im dritten Band "Eine Art Familientreffen", das ist der Titel eines Buchs von Judith Kerr. Oder ein Kapitel im fünften Buch, dessen Titel ich toll finde, heißt "Diesseits der Stille" - eine Anspielung auf den Film "Jenseits der Stille", natürlich. Und ob sowas wirklich passt bei einem epischen, ernsten, literarischen High-Fantasy-Roman, das weiß ich nicht. Aber erst einmal liest niemand außer mir diese Bücher, und für mich selbst kann ich die Überschriften setzen, wie ich will.

Die Beispiele, die @Coppelia da gebracht hat, finde ich übrigens sehr schön.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Solidat

Ich mag Kapitelüberschriften, verwende sie selbst auch. Zum einen helfen sie mir immer wieder in die Geschichte zurückzufinden, zum anderen macht es Spaß in einer Überschrift etwas anzuteasern. Beim Schreiben der Rohfassung sind da immer Arbeitstitel, die wohl eher keinen Sinn ergeben (Warum Unterhosen Leben retten) später dann, wenn das Kapitel fertig ist, bekommt es eine feste Überschrift, deren genauer Wortlaut irgendwo im Kapitel selbst versteckt ist.

Ich mag es aber auch, wenn zb Zitate als Kapitalnahme fungieren, wenn sie dann zum Kapitel selbst passen, das ist oft wie die Kirsche auf dem Minzeis
Hedfan i'r sêr

Mondfräulein

Ich glaube, für mich persönlich gibt es keinen Unterschied zwischen Teasern und Spoilern, wenn es um Kapitelüberschriften geht. Ich nehme sie nicht als Teil der Geschichte wahr und dadurch fühlt es sich an, als würde mir jemand von außen reingrätschen und sagen, was gleich passiert. Ich möchte aber nicht von außen geteasert werden. Das fühlt sich etwas an, als würde jemand neben mir sitzen, der das Buch schon gelesen hat und sagt "Oh, jetzt wird es spannend!".

Vor allem aber stört es mich weniger, dass ich eine Ahnung habe, was im Kapitel passiert, als dass ich weiß, was nicht passiert. Bei Adrian Mayfield war es ähnlich wie beim Beispiel von Chris Wodding von @Barra. Dort gab es zu jedem Kapitel Stichworte, die die Handlung zusammenfassen. Häufig warte ich aber auf viele Dinge, die hoffentlich bald passieren, zum Beispiel das Wiedersehen zweier Figuren. Wenn ich darauf hinfiebere und von der Kapitelüberschrift ableiten kann, dass es hier nicht passiert, weil es dort sonst stehen würde, dann bin ich immer etwas enttäuscht. Das Kapitel selbst zu lesen enttäuscht meist weniger, weil die Kapitel ja im besten Fall auch spannend sind, aber gleich zu lesen, dass in diesem Kapitel bestimmte Dinge nicht passieren werden, weil sie nicht zur Überschrift passen, ist irgendwie demotivierend. Deshalb will ich von der Überschrift absolut gar nichts über den Inhalt des Kapitels erfahren. Je kryptischer desto besser. Sobald ich irgendwie verstehe, was mit der Überschrift gemeint ist, ist mir das schon zu viel.

Aber auch wenn mich so etwas stört, stört es jetzt auch nicht besonders doll. Ich würde einem Buch deshalb z.B. nie Sterne auf Goodreads abziehen und wenn alles andere stimmt, dann kann ich auch darüber hinwegsehen. Das alleine hat mir noch nie ein Buch verdorben. Das fällt für mich in eine Kategorie mit "die Schriftart ist nicht meine liebste" oder "die Überschriften sind hässlich formatiert".

Aber es ist sehr spannend zu sehen, wie unterschiedlich die Meinungen hier sind! Ich denke jetzt auch darüber nach, ob kryptisch-atmosphärische Überschriften doch etwas für mich sein könnten.

Alana

#12
Ich mag auch keine Überschriften, die Handlung zusammenfassen oder vorweg nehmen. Ich mag sie als atmosphärischen Einstieg in ein Kapitel. Sehr schön fand ich einige Überschriften bei Anne of Green Gables z.B. "Hinter der Biegung in der Straße". (Hat nichts mit Logistik zu tun, sondern ist eine Metapher.) Hier wird auf einen wichtigen Subplot Bezug genommen, der Cliffhanger aus dem vorigen Kapitel aufgegriffen und das neue Kapitel eingeleitet, vollkommen ohne zu spoilern. Sowas ist für mich die perfekte Kapitelüberschrift, weil sie sich in den Text einfügt und ihn besser macht, und es ist tatsächlich auch ein Satz, an den ich seit Jahrzehnten regelmäßig denke, weil da so viel drinsteckt. Also: Kapitelüberschriften als Stilmittel: ja, gerne. Als Spoiler oder Zusammenfassung: nein, danke.
Alhambrana

Maja

Zitat von: Alana am 10. Juli 2023, 00:10:03Sehr schön fand ich einige Überschriften bei Anne of Green Gables z.B. "Hinter der Biegung in der Straße". (Hat nichts mit Logistik zu tun, sondern ist eine Metapher.)
Das ist spannend, dass du das aufführst, denn ich musste auch an ein Kapitel aus "Anne of Green Gabels" denken, das auf Englisch heißt "Where the brook and river meet", und ich glaube, das ist das gleiche Kapitel, das du da auf Deutsch zitiert hast. Das ist wirklich ein sehr schöner Titel.

Ich mag ja Kapiteltitel à la "Fünftes Kapitel, in welchem uns ein Gorilla begegnet", und benenne meine T12-Fortschrittsthreads seit Jahren in diesem Stil. In einem Buch würde ich das allerdings nicht mehr verwenden - zum einen ist das selbst mir zu antiquiert, und zum zweiten verrät mir das zu viel. Ich hatte überlegt, etwas in der Art für einen meiner historischen Gaslicht-Romane zu adaptieren, aber habe mich wegen der Spoilergefahr dagegen entschieden.

Was ich früher auch gern gemacht habe: Keine Kapiteltitel verwenden, aber jedem Kapitel ein Motto aus einem Gedicht oder Songtext voranstellen, das ein bisschen, aber eben nur ein bisschen, was über das Kapitel verrät. Ich habe aus urheberrechtlichen Gründen davon Abstand genommen. Nicht alle Gedichte, die ich da zitiert habe, waren gemeinfrei, und was die Songtexte anging, die ich für meine "Spinnwebstadt" so reichhaltig zitiert habe - das wäre im Fall einer Veröffentlichung richtig teuer geworden in Sachen Lizenzgebühr. Also habe ich mich erst von meinen Zitaten verabschiedet und dann von der Idee, das Ganze zu veröffentlichen. Und danach nie wieder mit sprechenden Zitaten gearbeitet.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Fianna

Ich fand es eigentlich sehr praktisch, wenn bei einem Buch mit mehreren Perspektivträgern oben dessen Name steht.
Das wollte ich in meinem Fantasy-Krimi mit 3 Perspekrivträgern auch machen...