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Emotionen und Schreiben

Begonnen von Czara Niyaha, 11. September 2016, 15:37:37

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Oneira

Zitat von: Christian am 18. August 2019, 11:24:59

Passende Musik ist wohl das gängige Mittel. Etwas, das man mit der Stimmung der Szene verbindet oder das diese Stimmung hervorruft. Früher hatte ich immer Schreibsoundtracks. Inzwischen nicht mehr. Was auch funktionieren kann, sind entsprechend stimmungsmäßig passende Szenen aus Filmen, anderen Büchern. Oder auch rohe Plotnotizen beispielsweise.

Danke für den Tipp! Auf die Soundtracks bin ich auch schon gekommen, aber das mit den Filmszenen ist echt cool, muss ich mal ausprobieren.  :)

Im Grunde kann ich auch jede beliebige Szene schreiben, aber ich finde, wenn ich sie später lese, sie klingen manchmal "unecht". Weiß auch nicht, wie ich das erklären soll. Vielleicht finde ich da noch eine Möglichkeit, das besser hinzubekommen ...
Bücher sind der einzige Ort, an dem man den Charakter eines Menschen mit einem Federstrich ändern kann.

Turiken

Ich kann mich mit den meisten von euch sehr gut identifizieren - gerade was das Miterleben und Mitempfinden mit den Charakteren angeht.

Dem Musikhören beim Schreiben stehe ich mittlerweile etwas kritisch gegenüber. Als ich mit dem Schreiben angefangen habe, konnte ich gar nicht ohne "Hilfsmittel" schreiben. Es musste immer die passende Musik zur Szene laufen, an der ich getippt habe. Fröhliche Fidelmusik bei einem Tavernenbesuch, Trauermarsch, wenn eine Figur gestorben ist, Two Steps From Hell bei jedem epischen Moment usw. Es hat mich manchmal mehr Zeit gekostet, die richtige Musik zur Szene rauszusuchen, als die Szene selbst zu schreiben. Mittlerweile funktioniert es für mich nicht mehr so. Ich ertappe mich oft dabei, dass gerade düstere oder traurige Szenen ins Theatralische abrutschen, wenn ich sie mit passender Musik schreibe, und sie sich für mich am Ende gekünstelter lesen. Nicht falsch verstehen, ich höre immer noch gern Musik zum Schreiben, aber ich fokussiere mich nicht mehr so darauf wie früher.

Aber die Bindung an sich zu den Figuren und auch zu den Settings ist für mich Emotion pur. Es gibt nichts Schöneres, als während des Schreibens diese Momente zu spüren, wenn die Charaktere richtig zum Leben erwachen und man mit ihnen mitfiebert oder sie anfängt zu hassen.

Annie

Diesen Effekt kenne ich auch. Ich habe letztes eine Erinnerungssequenz, die recht düster und grausam ist, verfasst. Zwar betrifft sie eine der beiden Hauptcharaktere nur indirekt, aber die Szene hat mich in ihrer ersten Variante auch extrem mitgenommen.  Ich habe mich in dem Fall auch sehr mit dem betroffenen Charakter verbunden gefühlt und wie du den Schrecken gehabt, zu was ich in dem Fall fähig wäre. Mir ist es jedoch auch wichtig, mich mit den Charakteren (je nach Charakter ein Stück weit) identifizieren zu können, um die Stimmung der Szene besser fassen zu können.
Letztendlich habe ich eine Lösung gefunden, die etwas "milder" ist und gleichzeitig auch für den fortlaufenden Teil der Geschichte besser passt.  Die Szene hat dennoch genau den Effekt, den ich mit ihr erzielen wollte. 

Sikania

Liebesszenen oder Freude merke ich meistens nicht so sehr, außer dadurch, dass ich dann tatsächlich beim Schreiben mehr lächle. Ähnlich wahrscheinlich wie die Momente, wenn man etwas zeichnen möchte ... da heißt es schließlich auch, dass die Bilder umso besser werden, wenn man dabei selbst den passenden Gesichtsausdruck nachahmt (was ich ab und an auch mache und dann sicherlich teilweise echt merkwürdig aussieht :rofl:).

Zitat von: Annie am 12. April 2020, 20:25:50
Ich habe mich in dem Fall auch sehr mit dem betroffenen Charakter verbunden gefühlt und wie du den Schrecken gehabt, zu was ich in dem Fall fähig wäre. Mir ist es jedoch auch wichtig, mich mit den Charakteren (je nach Charakter ein Stück weit) identifizieren zu können, um die Stimmung der Szene besser fassen zu können.

Das kann ich gut nachvollziehen. Zum Teil ist aber doch genau dieser Schrecken auch das, was man erreichen will. Ich muss ab und an auch prüfen, ob meine Szenen nicht zu brutal sind. Oft passiert es auch, dass ich Szenen weniger blutig oder schmerzhaft mache. Auch weil ich denke, dass man sonst von mir denken könnte, ich sei eine Sadistin oder so. Andererseits sind es auch eben solche Emotionen, die das Schreiben doch erst wirklich spannend für mich machen.

Annie

#34
Da hast du absolut Recht. Ich denke auch, dass die Emotionen in einer Geschichte, aber auch in einem Bild, stärker sind, wenn man sie selber in dem Moment spürt.
Genau die Angst habe ich dann auch manchmal. Einmal, wie bei dir, in Bezug auf anderen Menschen, aber auch in der Hinsicht, dass ich mich frage "Wie würde ich mich fühlen, wenn ich diese Person wäre?". Doch wenn man selber mit den Charakteren mitfühlt, kann man wahrscheinlich auch beim Leser eher die gleiche Stimmung erzeugen. Es ist ja durchaus ein gutes Zeichen, wenn die eigenen Charaktere in gewisser Weise zum Leben erwachen. Außerdem kommt es ja auch darauf an, in welcher Zeit etwas spielt und wie damals das Leben war. Im Mittelalter ging es mit Sicherheit rauer zu und das beeinflusst dann natürlich auch das Setting. Das ist natürlich trotzdem manchmal schwer. Man entdeckt schließlich auch ggf. ungeahnte Seiten an sich selber. Am Ende des Tages ist es aber nur eine Kopfsachen.

[Edit] wenn du wüsstest, was ich für Gesichter bei den Gesangsübungen machen soll. Da fühle ich mich auch manchmal, sagen wir, sehr "speziell" ROFL

Anne C. S.

Du sprichst mir aus der Seele!

Ich selbst schreibe eher aus dem Bauch heraus, plane die Handlung nicht wirklich, bevor ich schreibe.
Aber manchmal habe ich ... nennen wir es Gedankenblitze. Da kommt mit eine bestimmte Szene in den Sinn, und fiebere wochenlang auf den Moment hin, sie endlich einbringen zu können. Ich denke manchmal, ich werde wahnsinnig ;)

Und wenn ich sie dann geschrieben habe, lese ich sie mir meistens hunderte Male durch, und durchlebe ich sie voll und ganz. Manchmal muss ich grinsen, manchmal werde ich traurig oder wütend dabei - ich bin sehr emotional bei Büchern.
Aber ich schätze, das ist genau das, was Schreiben für mich ausmacht. Dass ich meine Gefühle und Gedanken zum Ausdruck bringen kann, und mich in den Geschichten verliere.

Annie

Das bin ich auch. Ebenso bei Rollenspielen. Manchmal versetzte ich mich auch zu sehr in einer Szene und stehe mir dann im weg, weil ich auch Schrecke, Wut oder Entsetzten spüre und denke "Das kannst du doch nicht tun!". Meistens plotte ich den groben Rahmen und schaue dann, was sich alles ergibt. Wenn dann so eine Szene oder wie du es noch treffender nanntest Gedankenblitz die Inspiration deutlich ankurbelt, können in der Tat sehr intensive Szenen entstehen. Aber das macht es auch aus. Wenn ein Autor oder auch ein Spielentwickler solche Gefühle erzeugen kann, dann wird die Geschichte auch nochmal um einiges lebendiger :)